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KONTROLLE MACHT BESSER
from retail | Q1 2021
GRUNDSATZFRAGE
WIE SETZT DER STAAT FAIRE WETTBEWERBSBEDINGUNGEN DURCH?
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Der Chef der Finanzpolizei, Wilfried Lehner, erklärt, warum Onlineriesen stärker ins Visier von Kontrollen geraten als traditionelle Händler, womit die Missstände in der wachsenden Zustellbranche zu tun haben und wie aussichtsreich die Bemühungen um eine faire Handels- und Logistikbranche sind.
Text / Rainer Brunnauer-Lehner
Anfang des Jahres teilte das Finanzministerium die Ermittlungsergebnisse einer aufsehenerregenden Razzia rund um ein Verteilzentrum im niederösterreichischen Großebersdorf mit: Bei der großangelegten Aktion im Vorjahr wurden 987 Beanstandungen festgestellt. Darunter fanden sich bei AmazonDienstleistern Schwarzarbeit und Abgabenhinterziehung.
Ist die Häufung von Verstößen mit der Größe des Umschlagplatzes zu erklären, oder agieren stationäre Händler proportional korrekter?
Der klassische Handel profitiert davon, dass er sich an die Regeln hält. Es gibt dort viel weniger Anzeigen, etwa durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Finanzpolizei führt sehr wohl Stichproben durch, aber wenn keine Unstimmigkeiten vorliegen, dauert eine solche Routineüberprüfung meist nur wenige Minuten. Wo keine Verstöße festgestellt werden, bedarf es weniger Folgekontrollen.
Welche Rolle spielen solche Kontrollen bei der Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen?
Regelkonforme Betriebe werden kaum gestört. Gibt es jedoch Anlass zu genauerer Prüfung, unterbricht das die Lieferkette, und die Finanzpolizei hat Anlass, später die Einhaltung von Auflagen erneut zu kontrollieren. Durch Verzögerungen, den Aufwand, den genaue Inspektionen bedeuten, und Bußgelder im Fall von Verstößen entsteht ein ökonomischer Druck, sich an Auflagen zu halten.
Was führt trotzdem zur Häufung von Verstößen, wie sie im Umfeld von Versandriesen festgestellt werden?
Kontrolle. Als Leiter der Finanzpolizei hat Wilfried Lehner den Überblick, wer sich an die Spielregeln hält und wo Verbesserungsbedarf besteht.
In der Zustellbranche herrscht eine spezielle Situation: Einerseits ist der Preisdruck extrem. Andererseits ist der Marktzugang vor allem für ungelernte Kräfte sehr einfach. Beschäftigte in diesem Bereich verfügen oft über schlechte Sprachkenntnisse und haben wenig Alternativen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie wissen tendenziell wenig über ihre Pflichten und Rechte als Erwerbstätige. Die Verantwortung, die Kosten und das Risiko werden über Subunternehmen nach unten durchgereicht.
Ist es in diesem Umfeld überhaupt möglich, unternehmerisch zu bestehen und sich gleichzeitig rechtlich nichts zuschulden kommen zu lassen?
Wir stoßen immer wieder auf Preiskalkulationen, bei denen völlig klar ist, dass beispielsweise die Einhaltung von Kollektivverträgen schlicht unmöglich ist. Dort werden etwa Scheinselbständige mit gemieteten Fahrzeugen eingesetzt, die nicht über die soziale Absicherung verfügen, die in Österreich eigentlich vorgeschrieben ist. Es gibt Fälle, wo es ganz schlimm zugeht, aber durchaus auch Logistikunternehmen, die es schaffen, sich an alle Auflagen zu halten und trotzdem wettbewerbsfähig zu sein.
Wie lautet der Plan bei der weiteren Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen?
Der Auftrag der Finanzpolizei enthält diesbezüglich eine klare Schwerpunktsetzung. Unsere Erfahrungen aus Folgekontrollen zeigen, dass sich diese Arbeit auszahlt. Die Zustellung von Paketen ist in ihrer aktuellen Form im Vergleich beispielsweise zum Bausektor ein relativ junges Metier. Wir sind zuversichtlich, dass wir mit unserer Arbeit auch dort Arbeitnehmer-, Steuer- und Sozialrecht durchsetzen können. Es gibt selbst unter den Subfirmen bereits Unternehmen, die es schaffen, sich an die Regeln zu halten. Langfristig wird es durch unsere Kontrollen zu einer Marktbereinigung kommen.