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Deutscher Hanfverband stellt Konzept für die Cannabislegalisierung in Deutschland vor

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TEXT DIETER KLAUS GLASMANN

IM INTERVIEW MIT GEORG WURTH

Mit den Eckpunkten des DHV-Legalisierungskonzeptes hofft der Hanfverband die politische Diskussion zu bereichern. Steht der Verband diesbezüglich auch in konkretem Kontakt mit den Parteien und den sich dort mit dem Thema beschäftigenden Personen? Wenn ja, welche Menschen sind das und wie ist die Resonanz auf die Inhalte?

Wir haben mittlerweile alle für Cannabislegalisierung zuständigen Abgeordneten der Ampel-Koalition persönlich getroffen, manche mehrfach. Dazu kam der drogenpolitische Sprecher der Linksfraktion und der Bundesdrogenbeauftragte sowie alle drei Jugendorganisationen der Ampel-Parteien. Mit zusätzlichen Interviews haben wir die Community dabei ein Stück weit mitgenommen. Es ist zwar auch notwendig, vertraulich und ohne Kamera zu reden. Aber wir dürften trotzdem durch die Videos zu den transparentesten Lobbyorganisationen in Berlin gehören. Es würde den Rahmen hier sprengen, jeweils alle Reaktionen auf alle Themen der Eckpunkte wiederzugeben. Grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass die zuständigen Fachpolitiker einen durchaus ernsthaften Willen zur Legalisierung haben. Schwierig wird es sein, Differenzen in den Details zu überwinden. Außerdem habe ich bisher den Eindruck, dass der Legalize-Prozess vor allem ein Management-Problem hat.

Der DHV fordert die Abgabe von Cannabis an Personen über 18 Jahren einzig in regulierten Fachgeschäften und nicht in Apotheken, um die Trennung zwischen Genussmittel und Arznei zu gewährleisten. Wo lägen die Gefahren, würde man beide Märkte vermischen?

Eine Gefahr ergibt sich für die Apotheken selbst. Sie würden ihre klare Funktion verlieren, die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen. Was spräche noch dagegen, in Apotheken auch Schnaps und Zigaretten zu verkaufen, wenn sie einmal Cannabis als Genussmittel im Programm haben? Das gefährdet die Privilegien der Apotheken, die sie durch ihr "Gesundheits-Monopol" haben.

Ich sehe bei Apothekenatmosphäre auch Akzeptanzprobleme. Cannabiskonsumenten müssen den Verkaufsort ja auch annehmen, wenn der Schwarzmarkt verdrängt werden soll. Wer mag sich schon vom Weißkittel über Strains beraten lassen? Unwahrscheinlich, dass die Leute hinter dem Tresen die Sorten aus eigener Erfahrung kennen. Der Bedarf an Beratung unterscheidet sich fundamental zwischen Cannabis als Medizin und Freizeitdroge!

Die Apotheken haben eine starke Lobby und sie drängen schon darauf, den Verkauf von Cannabis exklusiv zu bekommen, wie sie es bei verschreibungspflichtigen Medikamenten gewohnt sind. Das untergräbt die Idee eine freien, vielschichtigen Marktes mit großen und kleinen Playern, der allen eine Chance gibt. Viele Aktivisten schlagen Apotheken als Übergangslösung vor, damit alles schneller in die Gänge kommt. Nur werden sich die Apotheken das nicht mehr wegnehmen lassen, wenn sie es einmal haben. Und gegen das Argument, dass man die Apotheken zur Grasversorgung im ländlichen Raum braucht, haben wir legalen Online-Handel mit echter Alterskontrolle im Programm.

Wir meinen außerdem, dass Kinder und Jugendliche keinen Zugang zu den Cannabis-Fachgeschäften haben sollten. Das können Apotheken nicht gewährleisten. Im Gegenteil: Dort sind regelmäßig Situationen zu erwarten, bei denen Kinder und Jugendliche ausführliche Beratungsgesprächen lauschen, welche Cannabissorten mehr ans Sofa nageln und welche einen psychedelischen Up- Turn bringen etc. Schon deshalb halte ich es für absurd, dass die Abgabe in Apotheken überhaupt diskutiert wird.

Gefordert wird dazu eine Grenzmenge bezüglich des Verkaufs der Waren von 50 Gramm pro Person. Gilt diese Menge auch bei den ebenfalls geforderten Angeboten betreffend Konzentrate und Nahrungsmittel? Wo lägen die Grenzen hier – falls anders – und auf welchen Zeitraum bezieht sich die Grenzmengenabgabe pro Person? (monatlich, wöchentlich, täglich?)

Da möchte ich zunächst auf die Fußnoten im Eckpunkte-Papier hinweisen. Bei der Obergrenze findet ihr die wahrscheinlich wichtigste: Wenn es nach uns geht, brauchen wir gar keine Obergrenze, bei Alkohol haben wir die ja auch nicht. Das wird aber kaum durchsetzbar sein. Das gibt es bisher nirgends auf der Welt und es schürt Ängste vor unkontrollierter Dealerei bei Politikern. Wir sind gespannt auf die Diskussion mit der Community über die Obergrenzen auf unserer Cannabis Normal! Konferenz im Juni. Unser Vorschlag von 50 Gramm bezieht sich erst mal auf alle unverarbeiteten Produkte, also auch auf Extrakte. Und das ist als Obergrenze pro Einkauf sowie Besitz in der Öffentlichkeit gemeint, ohne Begrenzung auf einen bestimmten Zeitraum. Man könnte also mehrmals am Tag in den Laden gehen und 50 Gramm nach Hause tragen. Und da schließt sich natürlich die Frage an, wie viel man Zuhause haben darf.

Da kein Mischkonsum aus Sicht des DHVs in den Fachgeschäften erlaubt werden sollte – auch nicht der Verkauf von Tabak-Cannabis-Joints – stellt sich die Frage, welche Form des Konsums in den optimalerweise auch eine Nutzung erlaubenden Cannabis-Shops stattfinden könnte? (Vapo, Pur-Joints, Dabbing, Verzehr only?)

Wir schlagen keine Einschränkung bei den Konsumformen vor. Lediglich den Verkauf fertiger Drogenmischungen wie Tabak-Joints, Koffein-Gras-Limo oder Cannabis-Bier lehnen wir ab. Wer sein Gras unbedingt vor Ort mit Tabak versauen will, kann das mit selbst mitgebrachtem Tabak tun. Durch bessere Aufklärung wird diese gefährliche Tradition aber hoffentlich zurückgedrängt.

Das Legalisierungskonzept des DHV stellt mit den Forderungen aus Sicht der Konsumenten und Aktivisten ein gewisses Gegengewicht zu den Vorschlägen der Wirtschaft und den Gegnern des Vorhabens dar. Inwieweit unterscheiden sich die Ansichtsweisen und wie schwierig wird es werden, den besten gemeinsamen Nenner zu finden?

Das kommt ein wenig darauf an, welche Art von Wirtschaft man bei diesem Gegensatz meint. Ich gehe davon aus, dass wir zum Beispiel mit dem BvCW große Übereinstimmungen haben, weil er auch viele kleinere Unternehmen vertritt und einen offenen Markt fordert. Aber Oligopol-Träumen großer Konzerne werden wir entgegentreten. Da wird es am Ende darauf ankommen, wer mehr Einfluss auf die Politik hat. Je mehr Unterstützung aus der Gesellschaft wir in den Verhandlungen hinter uns haben, desto eher haben wir eine Chance gegen die Leute mit dem vielen Geld. Von der Vielfältigkeit des Marktes abgesehen sind sicher der Eigenanbau und die Anbauclubs die größte Differenz bei den Interessen von Konsumenten und Wirtschaft.

Wie weit reicht das Verständnis bisher in der Politik bezüglich der berechtigten Forderung nach dem privaten Eigenanbau und den diesbezüglichen Vorschlägen betreffend möglichen Begrenzungen, Kontrollen und auch der unentgeltlichen Abgabe an volljährige Freunde und Bekannte? Wie sehen das die Unternehmer im Geschäftsfeld?

Bisher sieht es nicht besonders gut aus für den Eigenanbau. Es gibt dazu keine Einigung zwischen den Ampelparteien. Die Grünen sind traditionell dafür, FDP und SPD eher skeptisch. Da haben wir noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Der Eigenanbau ist bei Weitem nicht in trockenen Tüchern. Bei den Unternehmen wird das sehr unterschiedlich gesehen. Entsprechend schwertut sich der BvCW mit einer Positionierung, er empfiehlt lediglich "eine intensive Befassung mit der Möglichkeit des Eigenanbaus". Als Risiken nennt der Branchenverband die schwere Kontrollierbarkeit des Eigenanbaus und eine mögliche Förderung des illegalen Marktes. Und genau das sind auch die Befürchtungen der Skeptiker in der Politik. Auf diese Ängste werden wir gute Antworten finden müssen.

"Unternehmer im Geschäftsfeld" wollen im Übrigen viele sein. Die Apotheker dürften beim Thema Eigenanbau noch zurückhaltender sein. Selbst die Kioskbetreiber sehen sich als Tabakverkäufer gut positioniert, um den Cannabisverkauf zu erledigen. Es ist ja wirklich noch gar nichts klar im Moment.

Zu vielen wichtigen Fragen wie der unentgeltlichen Abgabe an Freunde ist die Debatte noch gar nicht vorgestoßen.

Wie kommt das Legalisierungskonzept des DHV insgesamt in der Hanf-Community an? Wird es für richtig befunden oder gab es viel Kritik an dem Papier?

Ich habe immer gesagt: Bis die Legalisierung angekündigt wird, marschieren wir geschlossen in die gleiche Richtung. Aber dann werden wir uns über die Details streiten. Es gibt wahrscheinlich keine zwei Legalizer, die zu allen Details die gleiche Meinung haben. Deshalb bin ich sehr erfreut, wie gut unsere Eckpunkte angekommen sind. Für das Gesamtpaket haben wir viel Lob erhalten. Änderungs- oder Ergänzungsvorschläge wurden meist konstruktiv, in einem vernünftigen Ton eingebracht. Natürlich gibt es tausend Details, die noch nicht drin stehen. Es kommen viele sinnvolle Hinweise, die wir einarbeiten werden. So stellen wir uns das auch auf der Cannabis Normal! Konferenz vor. Danach haben wir dann eine Grundlage für unsere Lobbyarbeit der nächsten Monate, die von weiten Teilen der Legalize-Community mitgetragen wird. Unsere Konferenz ist also eine einmalige Gelegenheit für alle Interessierten, die Regeln der Cannabislegalisierung in Deutschland zu beeinflussen!

Innerhalb welches Zeitraums erwartet der DHV eine eindeutige Klärung der noch bestehenden Fragen sowie der anschließenden Umsetzung der regulierten Cannabisfreigabe zu Genusszwecken Erwachsener in Deutschland?

Die zuständigen Fachpolitiker gehen wohl von einem ersten Entwurf Ende 2022 aus. Vom Bundestag beschlossen ist das Gesetz, wenn es gut läuft, in der zweiten Hälfte 2023. Ich hoffe, dass das klappt. Sonst kommen wir gefährlich nah an die nächste Bundestagswahl heran. Wenn das Gesetz dann auch noch die Zustimmung des Bundesrats bekommt, kann eine entsprechende Behörde aufgebaut werden, die dann Lizenzen für Produktion und Shops vergibt. Ob wir geöffnete Cannabis-Shops noch vor der Wahl 2025 sehen werden, hängt vermutlich davon ab, ob wir eine Möglichkeit finden, Cannabis als Genussmittel zu importieren. Wenn wir alles hier anbauen müssen, wie es bisher üblich ist, wird das knapp. Das ganze Projekt kann allerdings auch noch komplett scheitern. Es könnte unter anderem sein, dass die Ampelregierung keine vier Jahre durchhält.

Welche Auswirkungen sind im Idealfall zu erwarten, wenn das Konzept fachgerecht umgesetzt wird und die Mehrheit der Konsumenten das legale Angebot annehmen wird?

Dann wird vieles besser und nichts wird schlechter. Eine Zunahme des Konsums ist nach den bisherigen Erfahrungen nicht zu erwarten, insbesondere nicht in der Risikogruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Gesundheitsrisiken durch Streckmittel und aufgetragene chemische Drogen wird es nicht mehr geben. Mit guter Auswahl in den Shops und sinnvoller Deklarierung der Wirkstoffe werden die meisten Konsumenten erstmals die Möglichkeit haben, die Sorten zu finden, die ihnen gut bekommen, und individuell weniger bekömmliche zu meiden. Man wird offener über Erfahrungen reden können, was auch von Drogenberatern begrüßt wird. Konsumenten werden nicht mehr bestraft, nüchternen Fahrern nicht mehr der Führerschein entzogen. Das Ende der polizeilichen Strafverfolgung wird den Bezug vieler Betroffener zu Politik und Demokratie verbessern. Organisierte Kriminalität verliert eine erhebliche Einnahmequelle, der Staat bekommt eine dazu. Die Polizei kann sich auf Kriminelle konzentrieren.

Jeder einzelne dieser Gründe würde für eine Legalisierung schon ausreichen, weil auf der anderen Seite keine negativen Konsequenzen zu erwarten sind. Allerdings ist auch klar, dass die Legalisierung nicht die Lösung aller Probleme sein kann. Es wird weiter, wie bisher unter den Bedingungen des Verbots, Leute geben, die den Konsum übertreiben, abhängig werden oder psychische Probleme durch Cannabis entwickeln. Das lässt sich nicht durch den rechtlichen Rahmen verhindern. Einen bewussten und risikoarmen Konsum zu lernen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die der Staat mit lenkenden Gesetzen nur begrenzt beeinflussen kann.

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