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Die Wende in der SPD?

Jan Ingensiep Im Interview

von Robert Brungert

Jan Ingensiep ist vielen seit einiger Zeit bekannt, da er mit dem Slogan und der Gruppe „Sozis für die Cannabis-Legalisierung“ mit dem eigenen Logo nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen ist.

Kurz zum Werdegang: Du bist 33, Koch, hast als dieser gewiss wenig Freizeit? Über Köche hört man, dass diese gerne etwas naschen?

Ich bin gelernter Konditor, arbeite aber auch als Koch. Zurzeit arbeite ich in beiden Berufen, in einem kleinen Hotel in Mülheim an der Ruhr. Sicher, Köche naschen ständig, ob sie alle auch kiffen, möchte ich nicht beurteilen. Aber es ist ja kein Geheimnis, dass viele kreative Menschen schon ganz gerne mal einen Rauchen.

Du hast selber Bezug zu Cannabis, konsumierst durchaus auch öffentlich. Seit wann konsumierst und seit wann gehst du mit dem Thema in die Öffentlichkeit?

Genau, ich konsumiere selbst Cannabis seit meinem 16. Lebensjahr, früher mehr und regelmäßiger, heute eher noch gelegentlich. Zuletzt habe ich sogar mehrere Monate nicht gekifft, aber das ist ja auch keine Lösung. Um das Thema in der SPD glaubwürdig zu vertreten, gehe ich auch dort mit meinem Konsum offen um, Ehrlichkeit ist der Schlüssel zum Wandel.

Wieso willst du das Cannabis Thema unbedingt der SPD nahe bringen?

Es ist ja nun seit über 40 Jahren Konsens bei den Grünen, mittlerweile auch in der FDP, den Piraten und bei den Linken. Aber diese Parteien haben eben keine Chance ihre Anliegen durchzubringen, dafür brauchen sie eben eine Regierungskoalition mit einer Partei, deren Ausrichtung nicht zu weit von der eigenen entfernt ist. Das ist nun mal eher die SPD als die CDU, soviel ist klar.

Wie genau würdest du dir eine Legalisierung vorstellen, die natürlich für die Konsumenten und auch die nicht Konsumierenden sinnvoll sein soll?

Mit einer SPD, die sich klar für die Legalisierung positioniert, hätten wir innerhalb weniger Monate eine vernünftige Regulierung von Cannabis inkl. Eigenanbau. Da wollen wir doch alle hin, also lasst uns gemeinsam die SPD dazu bewegen.

Die SPD ist seit der Agenda 2010 oft genug nicht einmal bei den eigenen Parteimitgliedern beliebt. Du trommelst jetzt für Schulz und willst auf rot rot grün. Ist das deine persönliche Meinung, dass wir die SPD wählen und alles gut oder, dass wenigstens Cannabis legalisiert wird? Ist die SPD in deiner Auffassung eine soziale Partei?

Ja, natürlich ist die SPD eine soziale Partei. Soziale Verantwortung bedeutet ja nicht, jedem Menschen in Deutschland die persönliche Verantwortung für sein Leben abzunehmen und für einen hohen Lebensstandard in Arbeitslosigkeit zu sorgen. Jedem muss klar sein, Arbeit gehört zum Leben dazu. Wir brauchen Sozialsysteme, die einem jeden Hunger und Armut ersparen. Aber das bedeutet nicht, dass man selbst nicht mehr arbeiten und für das Alter vorsorgen muss. Ich weiß, wovon ich rede, ich habe selbst in Duisburg knapp drei Jahre Sozialleistungen bezogen und habe gemerkt, dass es zum Leben kaum reicht. Arbeit zu finden ist die Herausforderung, die zugegebener Maßen für alle ungleich schwer ist, abhängig von Wohnort und Arbeitsmarktsituation, von persönlichem Umfeld und Gesundheitszustand. An der Agenda 2010 muss definitiv wieder gearbeitet werden, die Bedingungen für die Leistungsbezieher müssen deutlich humaner werden. Wir sollten mehr fördern als fordern. Aber klar ist auch, Arbeitsplätze müssen in der Wirtschaft entstehen, Arbeit, von der man leben kann, dafür muss die SPD in Zukunft stärker die Bedingungen schaffen, und das wird sie auch.

Dein Argument „Ohne die SPD geht es nicht“ ist vielen bereits bekannt. Aber sollen wir diese Partei wirklich wählen, wenn sie es nicht alleine kann? Warum wählen wir dann nicht eine der anderen willigen Parteien? Wenn die SPD weniger Stimmen hat, muss sie denen mehr Zugeständnisse machen, dann könnte es mit rot rot grün wirklich etwas werden.

Stimmt, ohne die SPD geht es nicht. Die SPD ist und bleibt das soziale Gewissen in Deutschland. Soziale Errungenschaften sind in den letzten 150 Jahren immer von Sozialdemokraten ausgegangen und Deutschland wäre ein schlechterer Ort, sollte es die SPD einmal nicht mehr geben. Und ich denke, die SPD braucht nicht weniger Stimmen, sondern mehr, um sozialdemokratische Politik ohne Abstriche und verwässernde Kompromisse machen zu können. Mit den Linken wären die Kompromisse allerdings wesentlich leichter als mit der erzkonservativen CDU, daher favorisiere ich RRG. Die aktuellen Umfragewerte der Linken sehen allerdings nicht gut aus. Ich hoffe, es wird reichen.

Welche Erfolge hast du in der SPD bereits verbuchen können? Du bist immerhin noch ein ganz kleines Licht in der Partei.

Die Erfolge meiner Arbeit sind natürlich kaum messbar. Aber dass es besser ist, das Thema auf diese Weise hochzuhalten, als es nicht zu tun, ist ja wohl klar. Wir haben einige Spitzenpolitiker auch aus dem Bundestag zu eindeutigen Aussagen für Cannabis bewegen können, haben die Debatte in der SPD neu entfacht, haben Diskussionsveranstaltungen mit erstaunlich hohen Beteiligungen veranstaltet und dabei auch eine Zusammenarbeit zwischen RRG gefördert. Wir haben die Jusos in Hamburg zu einem Bekenntnis zur Position für Cannabis bewegt und arbeiten gerade stark an einem Überdenken der Positionen in NRW. Diese Arbeit ist ein Weg der kleinen Schritte, aber den gehen wir kontinuierlich und unbeirrt weiter.

Wie sieht es denn jetzt in der SPD zum Thema Cannabis aus? Kannst du uns das Wichtigste zu den Landtagen und vor allem zum Bundestag mit wenigen Worten sagen?

Es wird vor der Bundestagswahl keine Positionierung für die Legalisierung aus der SPD geben. Das habe ich schon häufig gesagt und alle Anzeichen bestätigen das. Aber, dass es keine Positionierung FÜR Cannabis braucht, um es dann verantwortlicherweise nach der Wahl trotzdem in den Koalitionsvertrag zu schreiben, sehen wir in Berlin. So oder so, die Legalisierung wird kommen. Und ja, ich bin ein kleines Licht in der SPD. Um so beachtenswerter, dass man auch als einfaches Mitglied seine Themen in die SPD tragen kann und Bundestagsabgeordnete zu seinem Standpunkt bewegen kann. Das zeigt doch, dass die Demokratie funktioniert und die Stimme Einzelner wahrgenommen werden kann, wenn man sich nur genügend ins Zeug legt. Das sollte eigentlich jedem Mut geben, sich politisch zu engagieren. Nicht nur für Cannabis.

Politik bedeutet auch, dass man sich von seiner schönsten Seite gibt, auch wenn später viele enttäuscht sein werden. Ist das Cannabisthema vielleicht gerade Schick und deswegen könnte die SPD es ausspielen, um die unschönen Programmpunkte besser kaschieren zu können?

Schick war das Thema leider noch nie, auch wenn es einige Politiker gab, die damit versuchten zu punkten. Im Allgemeinen wird das Thema leider noch immer als Randthema wahrgenommen und stiefmütterlich behandelt. Aber die Stimmung dreht sich, die Notwendigkeit einer Positionierung, bzw. die Schädlichkeit eines fehlenden Standpunktes FÜR oder GEGEN Cannabis, wird immer bewusster. Auch, dass es kaum noch nachvollziehbare Gründe dagegen gibt.

Du machst natürlich nicht lediglich für Cannabis Stimmung, sondern versuchst, die SPD zu diesem Legalisierungsthema hinzubewegen und diese damit positiv wirken zu lassen?

Die SPD hat leider noch nie umfassend, sachlich und abschließend über das Cannabisthema debattiert. Deswegen habe ich natürlich die Hoffnung und auch die Zuversicht, dass es in der nächsten Legislaturperiode endlich angepackt wird.

Ich selber besuche regelmäßig Veranstaltungen und habe dich schon auf einigen Veranstaltungen, vor allem in Nordrheinwestfalen, gesehen. Wo bist du schon überall gewesen, um Stimmung zu machen?

Ich bin mit der Kampagne und meiner Arbeit mittlerweile bundesweit unterwegs, war letztes Jahr besonders häufig in Hamburg und Berlin, dieses Jahr arbeite ich verstärkt in NRW. Wir brauchen NRW als Flächenland für die Bundesratsinitiative, dafür sind besonders Köln und Düsseldorf wichtig. Düsseldorf hat in NRW eine Vorreiterrolle und wird das Thema weiter positiv vorantreiben.

Fast alle, die sich öffentlich für den Hanf einsetzen, haben einen starken persönlichen Grund. Viele sind krank und nutzen Cannabis-Medizinisch oder haben durch Repression bereits Schaden genommen. Sind es diese persönlichen Geschichten von dir oder in deinem Umfeld, warum du dich mit dem Thema in die Öffentlichkeit begibst?

Also ich persönlich habe weder Erfahrungen mit der Repression machen müssen, noch bin ich Patient. Aber ich kenne natürlich viele Beispiele aus meinem persönlichen Umfeld und dem meiner Freunde und Mitstreiter/innen. Ich nehme mich diesem Thema aus Verantwortung an. Ich mache ja schon länger Politik und konnte vor mir selbst die Vernachlässigung dieses Themas nicht länger verantworten.

Angenommen, rot rot grün wird Cannabis legalisieren. Du hast dein Ziel erreicht. Trittst du dann wieder aus der Partei aus? Oder willst du dort wirklich weiter kommen?

Auch wenn Cannabis legal wird, ist damit meine Arbeit in der SPD nicht erledigt. Ich bin schließlich nicht für die Legalisierung von Cannabis in die SPD eingetreten, sondern um soziale Politik in einer Partei zu machen, die ihre absolute Daseinsberechtigung durch jahrzehntelange Übernahme von Verantwortung in Deutschland hat. Und wenn man unzufrieden mit der SPD ist, erkennt man umso mehr die Notwendigkeit meiner Arbeit.

Jan, du hast hier jetzt keinen Freund der jetzigen großen Parteien vor dir sitzen. Aber ohne die Großen geht es leider nicht. Optimal wäre es, wenn ein paar der sozialen Kleinparteien erheblich wachsen würden, dann würde die SPD gewiss schneller einlenken und mitziehen. Ich wünsche dir zumindest viel Glück bei deinem Weg, die SPD von Innen zur Cannabisfrage zu reformieren.

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