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Asien im Hanfrausch

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Hanf & Umami

Hanf & Umami

Text Julian Sarwat | Analayst| Cannabis Catalysts

Auf dem Weg zur Vormachtstellung

Nachdem Nutzhanfanbau und die CBDProduktion in China bereits boomen und erste Länder in der Region medizinisches Cannabis freigegeben haben, ist eines klar: Der Cannabis-Hype ist in Asien angekommen. Länder wie China oder Thailand haben nichts weniger im Sinne, als Weltmarktführer in ihren jeweiligen Domänen zu werden. Die Frage ist nicht, ob das gelingt, sondern vielmehr wann. Der Gebrauch der Cannabispflanze ist in großen Teilen des asiatischen Raumes tief verwurzelt. In China kann die Verwendung bis 4.000 v. Chr. nachgewiesen werden. Zudem war und ist sie in Asien vielerorts essenzieller Bestandteil traditioneller Medizin. Die tradierte lokale Expertise zu Anbau und Anwendung hat sich unter dem Radar der Gesetzeshüter in vielen Gebieten bis heute erhalten und findet in Zeiten der Liberalisierung wieder breitere Anwendung. Entgegen dem Vorurteil, der asiatische Raum stünde der Pflanze überwiegend konservativ gegenüber, zeigt sich bei näherem Hinsehen ein anderes Bild. Vorreiter wie Thailand & Süd-Korea weisen, sowohl auf politischer Ebene als auch in der Bevölkerung, ein stark ausgeprägtes Bewusstsein für das gesamtgesellschaftliche und wirtschaftliche Potenzial der Kulturpflanze auf.

Der grösste Cannabismarkt der Welt

Laut Schätzungen könnte der asiatische Raum weltweit der zukünftig größte Cannabismarkt werden, nicht zuletzt aufgrund seines enormen Bevölkerungsreichtums. Bei allmählich fortschreitender Liberalisierung gehen konservative Schätzungen davon aus, dass in wenigen Jahren bis zu 77 Millionen potenzielle Abnehmer bedient werden könnten. Das Volumen des zukünftigen Marktes ist jedoch noch fraglich. Prognosen reichen von 5,8 Milliarden bis 132 Mrd. USD jährlich - Nutzhanfprodukte exkludiert! Während China hauptsächlich auf Hanf setzt und wenig Interesse an der medizinischen Liberalisierung zeigt, finden sich mit Thailand, Süd-Korea und Hongkong auch progressive Akteure rund um die Legalisierung von medizinischem Cannabis. Indien, Nepal, Malaysien, die Philippinen, Japan und Kambodscha stehen ebenfalls in den Startlöchern, um den verzeichneten Umschwung in der globalen öffentlichen Meinung zu nutzen.

China - Der Hanfgigant

Nachdem 2010 der Anbau von Nutzhanf im Reich der Mitte wieder ermöglicht wurde, boomt dieser. Mit Umsätzen in Höhe von knapp 1,2 Mrd. USD (2019) aus dem Verkauf von Hanf, Hanferzeugnissen und Anbauflächen von über 33.000 Hektar, etwa der Hälfte des weltweiten Anbaus, deckt China bereits heute ein Drittel des Weltmarkts ab. Nach Schätzungen des Hemp Business Journals könnte China bereits 2020 ein Marktvolumen von 1,5 Mrd. USD erreichen. Erlaubt ist der Einsatz von Hanf für Industrie und Textilien, in Kosmetika, Nahrungsergänzung und der TCM. Zusätzlich ist China PatentWeltmeister: Mit 309 von 606 hält das Land mehr als die Hälfte aller weltweiten Patente rund um Verarbeitungsmethoden, Maschinen und Produkte aus und für Hanf. Von einer Liberalisierung des THC-haltigen Cannabis für medizinische Zwecke oder gar Freizeitkonsum, scheint China jedoch weiterhin weit entfernt.

Fokus auf Textilien und CBD-Export

Stattdessen legt das Reich der Mitte seinen Fokus stark auf die Produktion von Hanf-Textilien und CBD als Exportprodukt für den internationalen Markt. Zwei Drittel des landesweit erzeugten Hanfs werden aktuell für die Herstellung von Hanf-Textilien aufgewendet und finden in Italien, Deutschland und Süd-Korea ihre größten Abnehmer. Im Land erfreut sich unter anderem die chinesische Volksbefreiungsarmee der Hanftextilien - in Form von Handtüchern, Socken und Unterwäsche.

Im Hinblick auf CBD geht China einen außergewöhnlichen Weg. Während THC-haltiges Cannabis weiterhin streng verboten ist, wurden 2017 erste Genehmigungen für die Gewinnung und Verarbeitung von CBD erteilt, solange der THC-Gehalt des angebauten Hanfs unter 0,3 % liegt. Bis dato ist dies jedoch nur in wenigen Provinzen möglich. Innerhalb der Landesgrenzen ist die Verwendung zu Forschungszwecken sowie der Verkauf CBD-haltiger Kosmetika aus dem Extrakt der Hanfblätter erlaubt. Der Fokus liegt allerdings auf Export, womit China auf die weltweit stark zunehmende Nachfrage antwortet. Bereits 2017 wurden mit CBD rund 53 Mio. USD umgesetzt und es ist mit einer Steigerung auf über 228 Mio. USD in 2020 zu rechnen. Bedient werden hierbei vornehmlich Süd-Korea, Japan, die EU und USA, welche durch ihre stark wachsenden Wellness- und Kosmetikmärkte die größte Nachfrage nach CBD-Produkten generieren. Obwohl die geltenden Regulierungen somit noch entwicklungshemmend auf den heimischen Markt wirken, gehen einige Quellen von einer baldigen schrittweisen Liberalisierung rund um CBD in China aus. Dies könnte der chinesischen Hanfindustrie weiteren Auftrieb verleihen und durch ihr schieres Ausmaß die weltweiten Produzenten weiter unter Druck setzen.

Quantität und Qualität?

Während China quantitativ somit bereits als Supermacht des Hanfs angesehen werden kann, stellen sich für die langfristige Entwicklung noch einige Fragen. Hanf als weitverbreiteter Rohstoff in der Textilindustrie wäre in Anbetracht seines Nachhaltigkeitspotenzials durch Reinigung der Böden und hoher Speicherkapazität von CO2 zwar grundsätzlich sehr zu begrüßen, doch macht der starke Chemikalieneinsatz bei der Verarbeitung die erwähnten Vorteile nicht selten zunichte. Während weltweit nachhaltigere Alternativen in Entwicklung sind, ist es fraglich ob sich diese neuen, teuren Technologien mit der chinesischen Strategie des Hanfs als Massenprodukt verbinden lassen. Auch bei der Qualität von CBD-Produkten hat China mit dem Problem der mit Schwermetall belasteten Böden zu kämpfen. Jahrzehntelange Industrialisierung haben ihre Spuren hinterlassen und es bleibt abzuwarten, welche qualitätssichernden Maßnahmen in Zukunft flächendeckend sicherstellen, dass die Produkte internationale Standards erfüllen. Während sich das Land somit durch Quantität stark positionieren kann, bieten sich für Produzenten der westlichen Welt in absehbarer Zukunft weiterhin Möglichkeiten, sich durch qualitative Aspekte abzugrenzen.

Medizinisches Cannabis– Thailand als Gradmesser

Im letzten Jahr gelangte neben Hanf, auch medizinisches Cannabis, mehr und mehr in den Fokus der asiatischen Länder. Ende 2018 entschied sich Thailand als erstes südostasiatisches Land nach über 80-jähriger Prohibition zur Legalisierung von medizinischem Cannabis und weiterer Liberalisierung des Nutzhanfs. Durch diese Entscheidung erhofft sich das Land in Zukunft eine gewisse Hegemonialstellung im asiatischen Raum. Seine herausragenden Anbaubedingungen und zentrale Position in der ASEAN-Zone machen Thailand zum Gradmesser für die asiatische Legalisierungsbewegung. Thailands Modell dient als mögliche Vorlage für umliegende Länder, wie beispielsweise Malaysia und Kambodscha. Dies könnte bedeuten, dass der asiatische Kontinent teilweise ein vom westlichen Ansatz divergierendes Modell der Legalisierung wählt, da das thailändische Modell, im Gegensatz zum europäischen, von starkem Protektionismus, Exportfokus und Rückbezug auf die traditionelle Expertise geprägt ist.

MEDIZIN UND TRADITION

Thailand verfügt, wie andere Länder der Region, über extensive Expertise in Bezug auf den Anbau von Cannabis. Als traditionelles Heilmittel wird es in der Traditionellen thailändischen Medizin (TTM) seit Jahrhunderten bei Migräne, Menstruationsbeschwerden, Asthma und Schlafstörungen angewendet. Der Gebrauch ist gesellschaftlich derartig tief verankert, dass selbst drakonische Strafen die Heilpflanze nie wirklich verdrängen konnten. Der Schwarzmarkt, auf dem Blüten für den Freizeitgebrauch aber vor allem für die Herstellung medizinischer Öle erhältlich sind, floriert und jährlich wurden mehrere Tonnen an illegalem Cannabis beschlagnahmt. In der ersten Phase der Legalisierung wurde dieses zur Gewinnung medizinischer Cannabis-Extrakten herangezogen.

Die vorhandenen Erfahrungswerte aus der TTM sollen nun nach und nach institutionalisiert werden. Dies zeigt sich unter anderem an dem unorthodoxen Schritt der Regierung, mehr als ein Dutzend traditionelle Rezepturen, mit Cannabis als Bestandteil, für den Einsatz an Patienten freizugeben. Zudem ist es neben klassischen Medizinern und sogenannten „Cannabis Kliniken“ auch ausgebildeten traditionellen Heilpraktikern mit entsprechender Fortbildung erlaubt, Cannabis zu verschreiben. Aktuell darf es bereits zur Behandlung 38 verschiedener Beschwerden wie Epilepsie, Multipler-Sklerose, Schlafstörungen oder Depression eingesetzt werden. Mittelfristig könnten circa 13 Millionen potenzielle PatientInnen innerhalb Thailands von den Behandlungen profitieren. Unter anderem, da das Land mit einem rapide ansteigenden Wachstum der älteren Bevölkerung konfrontiert ist. Bereits vorab hatten sich über 30.000 Personen online für eine Cannabis-Behandlung angemeldet. Das heimische Marktpotenzial, abseits des Exports, ist groß. Nach Hochrechnungen von Cannabis Catalysts könnte es, bis zum Jahr 2024 bereits 46 bis 388 Millionen USD jährlich betragen - je nach Verschreibungspraxis.

Eckpfeiler des Modells

Die Legalisierung ist jedoch von starker Kontrolle der staatlichen Instanzen sowie Protektionismus geprägt. Für die Bewerbung um die vielfältig nötigen Lizenzen sind bisher nur öffentliche oder staatsnahe Institutionen zugelassen. Bis dato sind bereits 470 Lizenzen für den Verkauf von medizinischem Cannabis ausgestellt - Hunderte weitere Anträge sind in Bearbeitung. Mit 18 bestehenden Lizenzen für Anbau, sowie 20 Lizenzen für Extraktion, rein in öffentlicher Hand, ist die Produktion jedoch noch in den Kinderschuhen. Das Credo des Land des Lächelns lautet: Die Bedürfnisse der thailändischen Bevölkerung, sowie der Aufbau einer konkurrenzfähigen heimischen Industrie, stehen im Vordergrund bevor der Markt komplett geöffnet wird. Ein fünfjähriges weitreichendes Importverbot soll verhindern, dass große Pharmaund Cannabiskonzerne aus China, Japan oder der USA den thailändischen Markt dominieren. Denn das Interesse ausländischer Konzerne an Thailand ist groß, unter anderem aufgrund seiner Position als Tor zum südostasiatischen Markt. Große Hoffnung setzt das Land auch auf die Entwicklung medizinischer Cannabis-Präparate, um die starke Abhängigkeit vom Import pharmazeutischer Produkte abzuschwächen. Konkret bedeutet das für den freien Markt zurzeit noch starke Einschränkungen. Private Firmen müssen mit staatlichen oder teilstaatlichen Organisationen kollaborieren, um Zugang zu Lizenzen zu erhalten. Zusätzlich müssen sie zu zwei Drittel in thailändischer Hand sein. In weiterer Zukunft soll auch in Thailand ein starker Fokus auf dem Export liegen. Hierbei setzt Thailand auf seinen vergleichsweise guten Ruf im internationalen Markt und seine Exportstärke, denn einige der wichtigsten ExportDestinationen Thailands haben medizinisches Cannabis bereits legalisiert. Abseits des lokalen Marktes könnten dadurch jährlich weitere 600 Millionen USD an Wertschöpfung entstehen.

Internationale Wettbewerbsfähigkeit

Während China bei Hanf auf Quantität setzt, ist man sich in Thailand bewusst, dass ein rein preisorientierter Ansatz bei medizinischen Cannabiserzeugnissen und im CBD-Sektor nicht ausreicht, um langfristig am internationalen Markt zu bestehen. Der Fokus liegt daher von Anfang an auf der Integration von Bildungs- und Forschungseinrichtungen und Industrie. Damit soll sowohl Produktqualität als auch die Produktentwicklung möglichst rasch auf internationales Niveau gehoben werden. Erste öffentlich-private Kooperationen wie beispielsweise die Universität Phayao im Norden des Landes und Apinya Medical Co., Ltd., ein österreichischthailändisches Joint Venture, setzen bereits auf die Integration europäischen Know-hows und Standards vor Ort. Aber auch im landwirtschaftlichen Sektor finden sich bei genauerem Hinsehen schon kleine Farmerkollektive, welche nach europäischen Bio-Standards und für den europäischen Markt pflanzliche Rohstoffe kultivieren. Sollten diese Potenziale beim Ausbau der Cannabiskultivierung richtig genutzt werden, könnte sich Thailand durchaus als starker, qualitativ konkurrenzfähiger Akteur, am globalen Cannabis-Markt positionieren.

Auch wenn die asiatische Cannabisund Hanflandschaft derzeit sehr heterogen scheint, treten mit dem langsamen „Erwachen“ der Region neue, ernst zu nehmende Akteure auf dem globalen Hanf- und Cannabismarkt in Erscheinung. Für europäische Unternehmen gilt es nun die Chancen, welche sich bieten, früh genug zu erkennen und zu nutzen.

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