Frutiger, Freie Formen

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Adrian Frutiger Freie Formen Formes libres Free forms


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Adrian Frutiger

Freie Formen Striche Flächen Objekte Farben •

Formes libres Traits Plaines Objets Couleurs •

Free forms Strokes Plains Objects Colours •

Haupt Verlag Bern Stuttgart Wien •


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First edition 2009

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Typeset in Univers light by Adrian Frutiger Design & Layout by Adrian Frutiger and Alfred Balsiger Typsetting by Alfred Balsiger Translation by TranScript, Zurich . Printed in Germany ISBN 978-3-258-07517-4

www.haupt.ch


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Inhaltsverzeichnis

Sprachleitsystem Einführung

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Striche Naturstudien Schrift und freie Formen Die allerersten Zeichen einer anderen Art Seetiere Der Baum Baumformen Menschen-Bäume Lebensbaum Urgärten Eine belebte Stadt Der Gedanke und das Wort Entwicklungen Vier Sonaten Nicht figürliche Vignetten für den Koran Symbolische Vignetten Das Hohe Lied Salomos Heinz Piontek: Eh’ der Wind umsprang Der Lebenszyklus Hin zur eigenen Ästhetik

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Flächen Der normale Holzschnitt Genesis Partages Letterform

Objekte Holz und Stein Steine im Bachbett der Sihl Das Sonnenbuch Betonskulptur Das Sand-Spritz-Relief Facom Wanddekoration in der Metrostation des Pariser Flughafens Charles-de-Gaulle

Farben Wie ich zur Farbe kam Der Prophet Jona Dualität Das Attentat in der Rue de Rennes in Paris Die Spirale Die farbigen Spiralen Der Tod eines Freundes Symbolische Bilder oder bildhafte Symbole Mein kleines Glasperlenspiel – Familienzeichen – Alchimistenzeichen – Verschiedene Symbole – Glyphen Der liturgische Zyklus der Christen Choreo-Kalligrafie Literaturverzeichnis

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Table des matières

Système de guidage visuel Introduction Traits Etudes d’après nature Ecriture et formes libres Les premiers signes réellement différents Animaux marins L’arbre Diverses formes d’arbres Arbres-hommes Arbres de vie Les Jardins des origines Une ville très animée La pensée et le mot Evolutions Quatre sonates Vignettes non figuratives pour le Coran Vignettes symboliques Le Cantique des Cantiques Heinz Piontek: Avant que le vent ne change Le cycle de la vie Vers une esthétique personnelle Plaines La gravure sur bois européenne Genèse Partages La forme de la lettre Objets Le bois et la pierre Galets dans le lit de la Sihl Le Livre du soleil Objet Sculptures en béton Le relief de la société Facom Décorations murales de la gare du «aéroport Charles de Gaulle»

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16 18 20 26 27 28 31 34 35 42 44 48 50 52 54 56 75 76 85

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Couleurs Ma conversion à la couleur Le prophète Jonas Dualité L’attentat de la rue de Rennes, à Paris La spirale Les spirales de couleur La mort d’un ami Images symboliques ou symboles imagés Mon petit jeu des perles de verre – Signes familiaux – Signes alchimiques – Symboles divers – Glyphes Le cycle liturgique du Christ Choréo-calligraphie Index des ouvrages cités

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Index

Language-based guide system Introduction

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Strokes Nature studies Lettering and free forms

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The Very First Signs of Another Kind Sea-creatures The Tree Tree forms People trees Tree of life Ur-gardens A Lively Town The Thought and the Word Developments Four Sonatas Non-figurative Vignettes for the Koran Symbolic Vignettes The Song of Solomon Heinz Piontek: Before the wind bounded The Life Cycle Towards a Personal Aesthetic

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Plains The Normal Woodcut Genesis Partages The Form of Letters Objects Wood and Stone A stone in the Streambed of Sihl The Sun Book Concrete sculpture The Sandblast Relief at Facom Wall decorations in the Metro Station at Charles de Gaulle Airport

Colours How I came to colour The Prophet Jonah Duality The Terrorist Attack in the Rue de Rennes in Paris The Spiral The colour spirals The Death of a Friend Symbolic pictures or pictorial symbols My Little Glass Bead Game – Family signs – Alchemist signs – Various symbols – Glyphs The Christian liturgical cycle Choreo-calligraphy References

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Das Buch verfügt über ein Sprachleitsystem zur besseren Übersicht. Deutsch: schwarze Legendentexte und schwarzer Balken am oberen Seitenrand. Französisch: blaue Legendentexte und blauen Balken am oberen Seitenrand. Englisch: Grüner Legendentext und grüner Balken am oberen Seitenrand. Bilder: grauer Balken am oberen Seitenrand. 8

Afin d’être plus lisible ce livre dispose d’un système de guidage visuel. Allemand: légendes en noir et encoches supérieures en noir. Français: légendes en bleu et encoches supérieures en bleu. Anglais: légendes en vert et encoches supérieures en vert. Planches: encoches supérieures en gris.

For greater clarity, the book has been given languagebased guide system: German: legend text and rule at the top of the page, black. French: legend text and rule at the top of the page, blue. English: legend text and rule at the top of the page, green. Illustrations: bar at the top of the page, grey.


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Einführung

Im Laufe meines reichen Berufslebens habe ich als Wichtigstes gelernt, dass Lesbarkeit und Schönheit ganz nahe beieinander stehen und dass die Schriftgestalt in ihrer Zurückhaltung vom Lesenden nicht erkannt, sondern nur erfühlt werden darf. Das Errungene und Erlebte an die nächste Generation weiterzugeben wurde zu einem grossen Bedürfnis. Im Mai 1968 trat eine geistige Veränderung ein. Die Studenten liessen in ihrer Ungeduld das Handwerk beiseite und versuchten, die Probleme allein mit dem Intellekt zu lösen. Ich selber konnte mich nie nur mit dem Wort allein ausdrücken. So habe ich mein Vermächtnis in Büchern aufgezeichnet, um das Erfahrene weiterzugeben. Die Entstehung der Lettern, diese fortwährende Vereinfachung des Bildzeichens zum Lautzeichen, hat mich stets stark beschäftigt. Vom Zeichen als Ausdruck einer Signatur, einer Marke, vor allem aber als Verschlüsselung im Symbol, war ich immer fasziniert. Ich lernte zu verstehen, dass die gute Schrift diejenige ist, die sich aus dem Bewusstsein des Lesers zurückzieht, um dem Geist des Schreibenden und dem Verstehen des Lesenden alleiniges Werkzeug zu sein. Im Blei habe ich die Schrift und ihre Fähigkeit

erlebt, mit immer denselben Lettern die ganze geistige Welt lesbar werden zu lassen. Damit erwachte in mir das Bedürfnis, die bestmögliche Lesbarkeit zu entwickeln. Schnell kam die Zeit, in der ein Text nicht mehr mit Bleibuchstaben, sondern durch einen Lichtstrahl gesetzt wurde. Die Aufgabe, die Schriften der alten Meister vom Hochdruck in den Flachdruck umzudenken, war für mich die beste Schule. Als es jedoch um den Groteskstil ging, hatte ich meine eigene Vorstellung: es entstand die Univers-Familie. Die elektronische Bildübertragung brachte die Verzackung und später die Vektorisierung der Umrisse. Für mein Formengefühl war das eine Leidenszeit. Doch heute, mit Kurvenprogrammen und Laserbelichtung, scheint mir, sei dieser Weg durch eine Art Wüste zu Ende. Andere Aufgaben kamen auf mich zu, z.B. Buchstaben sowohl für das menschliche Auge als auch für Maschinen lesbar zu gestalten. Das Resultat:OCR (Optical Character Recognition). Das war eine ethische Auseinandersetzung, die mich anders zu denken lehrte. Mit den Signalisationskonzepten für die Metro und die Flughäfen von Paris habe ich die Schrift in grossen Dimensionen erlebt und bearbeitet. Dabei kam ich zur Erkenntnis, dass

Lesbarkeit in allen Grössen denselbenGesetzen von Innenund Zwischenräumen folgt. Als weitere Aufgabe wurde mir aufgetragen, über die Schriften Indiens nachzudenken. Gross war mein Staunen über diese neue Welt. Erst als ich begann, die neuen Zeichen selber zu kalligrafieren und zu zeichnen, entdeckte ich die tief liegenden Beziehungen der indoeuropäischen Kultur. Sehr bald begriff ich auch, dass meine Aufgabe nur darin bestehen konnte, die westliche Erfahrung von 500 Jahren Satz- und Drucktechnik zu übermitteln. Meine indischen Berufsfreunde mussten von da an ihren eigenen Weg finden. Wenn ich heute mit «Freie Formen» wohl mein letztes Buch veröffentliche, so tue ich das im Bewusstsein, dass mich das freie Zeichnen, angefangen mit den Naturstudien während meiner Lehrzeit bis hin zu den leuchtenden Farbzeichnungen im höheren Alter, stets tief beglückt hat und ich daraus auch immer wieder Kraft für mein typografisches Schaffen gewinnen konnte. Dafür bin ich dankbar. Bremgarten bei Bern, im Juli 2009

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Introduction

Links: Während der Studienzeit an der Kunstgewerbeschule Zürich entstandene Skizze zur Univers-Familie. A gauche: Esquisse destinée à la famille Univers, réalisée pendant mes études à l’Ecole des Arts Appliqués de Zürich. Left: These sketches relating to the Univers family came about during my time of study at the Zurich School of Arts & Crafts.

Au cours de ma riche vie professionnelle, j’ai avant tout appris que la lisibilité et la beauté sont presque inséparables et que le caractère imprimé ne doit pas être reconnu, mais ressenti par le lecteur. Je n’ai pas tardé à éprouver le besoin de transmettre à la génération suivante cette expérience acquise de haute lutte. Mai 1968 fut l’époque d’une grande transformation spirituelle. Les étudiants, dans leur impatience, délaissèrent l’apprentissage et s’efforcèrent de résoudre les problèmes uniquement par l’intellect. Personnellement, je n’ai jamais su m’exprimer par la seule parole, sans l’aide des mains et des outils. Si j’ai consigné les grandes lignes de mon enseignement dans des livres, c’est avant tout afin de transmettre mon expérience. Depuis longtemps, j’ai été intéressé par l’évolution des caractères, par leur simplification constante allant du signeimage au phonème. J’ai toujours été fasciné par le signe en tant qu’expression d’une signature, d’une marque, et tout particulièrement par son caractère symbolique. J’ai appris à comprendre qu’une bonne écriture est une écriture qui ne s’impose pas à la conscience du lecteur; elle doit se contenter d’être un outil pour celui qui écrit ou celui

qui lit. C’est dans le plomb que j’ai découvert l’écriture et sa faculté, avec un nombre limité de lettres, toujours les mêmes, de rendre lisible la totalité du monde spirituel. Parallèlement, j’ai ressenti le besoin de parvenir à une lisibilité maximale. Bientôt, un texte ne serait plus composé avec des caractères en plomb mais grâce à un rayon lumineux. La nécessité de transposer les caractères des maîtres anciens de l’impression en relief dans le nouveau procédé à plat a été pour moi la meilleure école. En ce qui concerne le style «Grotesque» j’avais toutefois ma conception personnelle, qui a donné naissance à la famille de caractères Univers. La transposition électronique a entraîné des contours d’abord segmentés, puis vectorisés. Mon sens de la forme en a beaucoup souffert. Aujourd’hui, enfin, les programmes de courbes et l’utilisation du laser ont mis fin à cette traversée du désert. D’autres tâches m’attendaient, notamment celle de réaliser des caractères lisibles à la fois par l’œil humain et par les machines – Il en a résulté l’OCR (Optical Character Recognition). Ce problème d’ordre éthique m’a appris à penser autrement. Pour la signalisation du métro et des aéroports parisiens, j’ai également été aux prises avec des caractères de grande di-

mension. Cela m’a fait prendre conscience du fait que la lisibilité suit les mêmes règles d’intervalles dans toutes les dimensions. L’on m’a ensuite confié la tâche de réfléchir aux écritures de l’Inde. J’ai été stupéfait de découvrir cet univers entièrement nouveau. Ce n’est qu’en commençant à calligraphier et à dessiner ces signes inconnus, que la relation profonde entre tous les aspects de la culture indo-européenne m’est apparue. J’ai compris très rapidement que ma tâche pouvait maintenant se limiter à transmettre la technique occidentale de composition et d’impression,vieille de cinq siècles. A partir de là, mes collègues indiens devaient trouver leur propre chemin. En publiant aujourd’hui «Formes libres», sans doute mon dernier livre, je me rends compte que, depuis les études d’après nature de mes années d’apprentissage jusqu’aux dessins aux couleurs éclatantes de mon grand âge, le dessin libre m’a toujours profondément réjoui et que j’y ai constamment puisé la force de poursuivre mon oeuvre typographique. J’en suis très reconnaissant. Bremgarten près de Berne, juillet 2009

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Introduction

In the course of my rich and varied career, the most important thing I learnt was that readability and beauty are closely related and that the type design in its reticence will not be cognitively recognised by the reader but possibly only felt. I felt a strong need to pass on to the next generation what I had attained and experienced. In May 1968, I went through something of a change in attitude. The students, in their impatience, had put handwork to one side and were attempting to solve the problems of the world solely with the intellect. For my part, I could never express myself in words alone, that is without my hands and tools. And so, to pass on my experience, I recorded my legacy in books. The emergence of letters, this ongoing simplification of the ideogram to the phonogram, had always preoccupied me. I was constantly fascinated by the sign as the expression of a signature, a hallmark as it were, above all as the codification in the symbol. I came to understand that a good typeface is one that withdraws from the reader’s consciousness to be the sole instrument of the writer’s mind and of the reader’s understanding. In metal, I first experienced type and its ability to make the whole intellectual world legible with the same letters. 12

And thus there awoke in me the desire to develop the bestpossible readability. The time when the text was to be set by a ray of light and not hot metal letters soon arrived. But that task of rethinking the typefaces of the old masters – from letterpress to flatbed printing – was the best school for me. However, when asked to tackle a sans serif typeface, I found I had my own ideas ... and the Univers family was born. With the technology for the electronic transmission of images came the serration and, later, the vectorisation of contours. For me and my sense of form, this was a period of suffering. Yet today, what with curve programmes and laser exposure, it now seems to me that this path through the wilderness is at an end. I was also faced with other challenges – such as having to make letters that would be readable for the human eye and for machines. The result: OCR or optical character recognition. That particular challenge also involved an ethical debate: one that taught me to think differently. With the signage concepts for the Metro and the airports of Paris, I experienced and processed lettering in large dimensions. In doing so, I came to the realisation that, whatever the size of typeface, readability is subject to the same

laws of inner space and in-between space. I was also given the task of taking a look at the typefaces used in India. Great was my astonishment at this brave new world. Only when I began to calligraph new signs myself did I discover the deeprooted associations with IndoEuropean culture. I also soon realised that my task could only consist of conveying the western experience with 500 years of typesetting and printing technology. From then on, alas, my Indian colleagues would have to find their own way. If today with Free forms, I now publish what will undoubtedly be my last book, I do so in the awareness that freestyle drawing – starting with the nature studies during my apprenticeship and concluding with the luminous colour drawings of my advanced years – never failed to fill me with deep pleasure and that, consequently, I could always find renewed strength for my typographical work. For which I am grateful. Bremgarten near Bern, July 2009


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Oben links: Die Schriftfamilie Univers. En haut à gauche: La famille de caractères Univers. Top left: The Univers typeface family. Mitte links: Vom Computer berechnete und vom Laser belichtete Kurven. Au milieu à gauche: Courbes calculées sur ordinateur et tracées par laser. Middle left: Curves as calculated by a computer and as exposed by laser. Unten links: Die Signaltafel braucht eine klare Schrift. En bas à gauche: Le panneau indicateur exige une écriture clairement lisible. Bottom left: The signal panel needs clear lettering. Rechts: Raumbilder aus drei wesentlichen Schriftepochen. Das Monumentale in der römischen Kapitalschrift, die vertikalbetonte Angleichung an die «Menschen» in der Gotik, zu bester Lesbarkeit vereinte Formvariationen heutiger Antiquaschriften. A droite: Images datant de trois périodes essentielles. Les majuscules monumentales de l’écriture romaine; l’approche verticale de la silhouette humaine dans le Gothique; diverses variantes des Antiques actuelles, autorisant une lisibilité maximale. On the right: stereographs from three important writing epochs: the monumental in the Roman capital type, the verticalised approximation of human beings in the Gothic and, for superior readability, the combined form variations of today’s Antiqua typefaces.

Fret

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Striche Traits Strokes

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Naturstudien

Etudes d’après nature

Nature studies

Meine bevorzugten Arbeitsinstrumente sind Bleistift, Fettkreide und Filzstift. Insbesondere der von mir häufig verwendete Filzstift ist kaum dazu angetan, einen Strich mit zeichnerischem Ausdruck zu erlangen. Mit Schraffuren, Schattierungen oder Perspektiven wollte ich mich nicht eingehend beschäftigen. Vielmehr konzentrierte ich mich bereits in den frühen Naturstudien der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts auf eine Haltung, die weniger auf eine Illusion der Dreidimensionalität abzielte, viel eher suchte ich ein Verfahren, Strukturen zu verdeutlichen und die Bauweise von Gegenständen der Natur transparent zu machen. Spätere zeichnerische Arbeiten habe ich ganz auf die Zweidimensionalität hin reduziert.

Mes outils préférés sont le crayon, le pastel gras et le stylo feutre. Ce dernier, en particulier, n’est pas vraiment fait pour donner une expression plastique à un simple trait. Je n’aimais pas spécialement les hachures, les perspectives, ni le travail sur les ombres. Mes anciennes études d’après nature des années quarante du siècle dernier témoignaient déjà de l’importance de la notion de processus, au détriment de l’illusion spatiale; mon objectif était apparemment de faire apparaître clairement les structures et de mettre en lumière l’architecture des objets naturels. Dans des dessins plus tardifs, je vais jusqu’à supprimer totalement la troisième dimension.

My preferred working instruments are the pencil, greasy crayon and felt-tip pen. The one I use so often, the felt-tip, is hardly suited for the production of a stroke with draughtsman’s expression. I did want to concern myself too closely with cross-hatching, shading and perspectives. On the contrary, even in the early nature studies of the 1940s, rather than producing the illusion of three dimensions, I endeavoured to clarify structures and make it easier to discern the construction of natural objects. My later drawings I completely reduced to two-dimensionality.

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Natürliche Objekte waren Grundlage meiner Zeichnungen (geschnitten in Plexiglas). Mes dessins réalisés sur plexiglas étaient fondés sur des objets naturels. Natural objects were the basis of my drawings (cut in Plexiglas).

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Schrift und freie Formen

Ein Alphabet zu gestalten heisst einen Gesamtzusammenhang herzustellen. Die Idee des universellen Zusammenhangs bestimmt das Denken, prägt das Schaffen. Die Schrift als Träger der Mitteilung ist jedoch immer an die Sprache gebunden. Früh schon suchte ich daher nach Formen, die die Lesbarkeit unabhängig von der Sprache gewähren, so eine Art Weltsprache, in welcher sich gleichzeitig die Zusammenhänge der Welt ausdrücken. Diese anderen Formen, welche durch ihre Klarheit von jeglichem individuellen Bezug losgelöst zu sein scheinen und doch unverkennbar sind, basieren auf dem ästhetischen Grundprinzip von Form und Gegenform, von Schwarz und Weiss. Die freien Formen sind nicht etwa ein Widerspruch zur Typografie, ganz im Gegenteil, den Schriften und den Formen liegt dieselbe Absicht vor: In beiden Bereichen drückt sich sowohl handwerkliches Geschick als auch ein Gefühl für die freie Form aus. Doch sind diese freien Formen eigenständige Wesen jener romantischen Idee von einer Welt, welche sich durch verschlüsselte Zeichen preisgibt. Man muss diese Zeichen nur zu lesen wissen, da dieses Vermögen zu «lesen» kein intellektuelles ist, sondern am ehesten noch 18

Ecriture et formes libres

einer Traumdeutung zukommt. Bei Novalis heisst es richtig, dass nur jener die grössten Wahrheiten sagt, der ohne bestimmte geistige Verlangen leben kann. Meine Formen entstehen oft als Reflex auf starke emotionale Ereignisse, meistens spontan, und doch entstehen dabei lesbare Zeichen, welche wir als Analogie zu den natürlichen, aber geheimnisvolle Chiffren (Novalis) zählen können. Ich versuche nicht,durch meine Formen die Welt schlüssig zu erklären, aber sie veranschaulichen doch deren Komplexität und drücken den Gedanken eines universellen Zusammenhangs aus. Es sind Formen, welche dem Betrachter die Gegensätze kraftvoll, ohne diese zu leugnen, vor Augen führen.

Créer un alphabet, c’est concevoir une relation d’ensemble. La notion d’une relation universelle détermine la pensée et imprègne l’action. L’écriture en tant que véhicule de communication reste intimement liée à la parole. Or, j’ai très tôt perçu des formes dont la lisibilité ne dépendait pas de la parole. Autrement dit, une sorte de langue universelle permettant d’exprimer tous les contenus du monde. Ces autres formes, dont la clarté semble les libérer de tout lien individuel, ont pourtant un sens qui ne peut pas tromper. Ces formes libres sont fondées sur le principe de base de la forme et de son double, du noir et du blanc. Les formes libres n’entrent pas en contradiction avec la typographie, bien au contraire, car les écritures et les formes poursuivent le même objectif: dans chacun de ces domaines, l’on voit s’exprimer l’habileté manuelle ainsi que l’amour de la forme en soi. Pourtant, ces formes libres sont des entités originales, indépendantes d’un monde qui, selon la conception romantique, ne se dévoile qu’à travers des signes codés. Encore faut-il savoir lire ces signes, faculté qui n’est nullement intellectuelle, mais se rapproche davantage d’une interprétation des rêves. Novalis affirme à juste titre que seul celui qui est capable de


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Lettering and free forms

vivre sans désir spirituel, dit les plus grandes vérités. Souvent, les formes sont issues d’une réaction à de puissants évènements émotionnels, presque toujours spontanément, et pourtant il en résulte des signes parfaitement lisibles que nous pouvons comparer aux chiffres, ou codes naturels (Novalis), dont le sens nous est impénétrable. Je ne cherche pas à travers mes formes à expliquer le monde d’une manière concluante. Elles reflètent la complexité du monde et expriment la notion de relation universelle. En vérité, ce sont les formes qui mettent le regardeur en face des faits et des contradictions.

Designing an alphabet means creating a general context. The idea of a universal context determines the thinking, moulds its creativity. Yet the typeface as the bearer of the message is always tied to the language. At a very early stage, then, I started to look for forms that would permit readability independently of the language. A kind of world language, in which the world's interconnections could express themselves simultaneously. These other forms which, as a result of their clarity, seem to float free of any individual reference and which, for all that, remain unmistakable are based on the aesthetic principle of form and counterform, of black and white.

truths could live without a certain cerebral desire. My forms often materialise as a reflex to emotional incidents, mostly spontaneously. Even so, readable signs do emerge in that process, signs which we can rate as an analogy to the natural but mysterious ciphers (Novalis). The forms are not an attempt on my part to explain the world conclusively. But they do illustrate its complexity and express the thought of a universal context. They are forms which strongly visualize the opposites to the beholder without denying them.

The free forms are not in any way a contradiction of typography. On the contrary, the same intention lies behind the typefaces and the forms. Both aspects express craftsmanship as well as a feeling for free form. Yet these free forms are autonomous beings belonging to that Romantic idea of a world that has to reveal itself via coded signs. One needs to know how to read these signs, since that ability to "read" is not an intellectual skill but one that, if anything, approaches a dream interpretation. Novalis was right when he said that only he who speaks the largest 19


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Die allerersten Zeichen einer anderen Art

Les premiers signes réellement différents

The Very First Signs of Another Kind

Es war 1962, mitten in der Urlaubszeit. Entspannt stöberte ich bei meinen Schwiegereltern in Genf im Zimmer von Simone in einer Mappe und fand darin vergilbte, grünliche Blätter. Ganz unbewusst ergriff ich einen Bleistift und fing an zu zeichnen. Noch unbeholfen, entstanden Formen ungewöhnlicher Art und Gattung – erste Ansätze einer Art von Urtieren. Alle wurden in einem Strich – einer Linie – ohne Ansatz und ohne Ende gezeichnet.

C’était en 1962, vers le milieu des vacances, chez mes beaux-parents à Genève. Désœuvré, je fouillai dans un carton de la chambre de Simone et je découvris des feuillets jaunis, grisâtres. Automatiquement je pris un crayon et me mis à dessiner. Encore maladroites, naquirent des formes d’une espèce particulière: les tous débuts d’une sorte d’animal primitif. Toutes étaient dessinées d’un seul trait, ligne sans début ni fin.

It was 1962, right in the middle of the holidays. One day, in something of a relaxed mood, I was browsing through a folder at my parents-in-law’s in Geneva, in Simone’s room, and found some yellowing greyish sheets. Involuntarily, I began to draw. Forms of an unusual kind and genre began to emerge, awkwardly perhaps, the first hints of my ur-creatures. They all consisted of one line, no start and no end.

Diese Blätter fand ich beim Durchstöbern uralter Schachteln wieder und entdeckte mit grossem Staunen, dass viele meiner späteren Zeichnungen schon damals in meinem Unterbewusstsein geschlummert haben mussten. So fand ich zum Beispiel die Züge eines gerippten Brustkastens – das spätere Symbol für Wirbeltiere – oder das Urtier, gefangen in Stein. Auf einem anderen Blatt wiederum stiess ich auf den etwas drolligen Versuch, einen Mann in nur einem Strich darzustellen.

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Plus tard, en retrouvant ces feuillets dans de vieilles boîtes, je me suis aperçu, à mon grand étonnement, qu’une bonne partie de mes dessins ultérieurs devaient déjà sommeiller dans mon subconscient. J’y découvris par exemple des contours d’une cage thoracique (futur symbole des animaux vertébrés) ou d’un protozoaire prisonnier de la pierre. Sur un autre feuillet, je tombai sur la tentative un peu comique de représenter un être humain d’un seul trait.

Much later, I found these sheets again when sifting through some ancient boxes. To my great astonishment, I discovered that many of my later drawings must have been lying dormant in my subconscious. For example, I saw the traits of a ribbed breast cage, a later symbol for vertebrates or the ur-creature, trapped in stone. On another sheet, I found the somewhat amusing attempt to draw a man in only one stroke.


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Links: Das unbekannte Wesen. Rechts: Der Versuch, einen Mann mit nur einem Strich zu zeichnen. A gauche: La créature inconnue. A droit: Tentative de représentation d’un être humain d’un seul trait. Left: The unknown being. Right: An attempt to draw a man with just one stroke.

Gerippter Brustkasten, Symbol für das Wirbeltier. La cage thoracique, symbole des vertébrés. Ribbed breast-cage, the symbol of the vertebrate.

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Das Paar Le couple The Pair

Das Urtier in der Genesis. La bête primordiale de la Genèse. The Ur-creature in Genesis.

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Ein weiterer Versuch, einen Mann mit nur einem Strich zu zeichnen. Autre tentative de représenter un être humain d’un trait. A further attempt to draw a man with just one stroke. Die Harfe Gottes. La harpe de Dieu. The Harp of God.

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Ein Wirbeltier Un vertĂŠbrĂŠ A vertebrate

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Ein Wassertier Une crĂŠature aquatique A water creature

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Seetiere / Animaux marins / Sea-creatures

Ein Fisch Un poisson A fish

Ein Hummer Un homard A lobster

Ein Seetierchen Une créature aquatique A small marine animal

Eine Muschel Un coquillage A mussel Eine Art Krebstier Une variété de crustacée A crab-like creature

Eine Wasserpflanze La plante aquatique The water plant

Eine Schnecke Un escargot A snail

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Der Baum

L’arbre

The Tree

Er ist der König der Pflanzen – sein Haupt trägt eine Krone. Seine Silhouette erweckt beim Betrachter automatisch die Phantasie, und, wie durch Zauberhand gelenkt, führt der Geist die Zeichnerhand zu willkürlichen, nicht unbedingt natürlichen Formen.

C’est le roi des plantes: il porte une couronne. Sa silhouette éveille automatiquement l’imaginaire du regardeur et, comme par magie, le génie conduit la main du dessinateur à créer des formes arbitraires, pas nécessairement naturalistes.

Bald ist die Krone mit eckigen Spitzen versehen, bald sind es langgezogene Äste oder blattförmige Figuren, bald sind es Zacken oder weiche Rundungen. Der Zusammenhang zwischen Form, Geäst und Wurzelwerk ergibt schliesslich ein ganzes Bild.

Tantôt, la couronne se voit surmontée d’une pointe angulaire, tantôt ce sont des branches démesurément allongées ou des figures imitant des feuilles, tantôt des formes en dents de scie ou au contraire douces et rondes. De la relation entre branchages et racines naît finalement l’image entière.

He is the king of the plant world; his head bears a crown; his silhouette automatically stimulates the fantasy of the beholder and, as if guided by a magic hand, leads the spirit of the draughtsman's hand to arbitrary, not necessarily natural, forms. Soon the crown is replete with angular points; soon they become long-drawn branches or leaf-shaped figures; soon they are the crest of the crown or soft roundings. Ultimately, the connection between form, branches and roots makes for a complete image.

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Baumformen / Diverses formes d’arbres / Tree forms

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Literaturverzeichnis / Index des ouvrages cité / References

Adrian Frutiger. Formen und Gegenformen. Formes et contreformes. Forms and counterforms. Herausgegeben von / Edité par / Edited by Erich Alb. Text / Texte / Text by Ronald Schenkel. Syndor Press, Cham, 1998. Adrian Frutiger. Ein Leben für die Schrift. Verlag Schlaefli & Maurer, Interlaken, 2003. Adrian Frutiger. Nachdenken über Zeichen und Schrift. Haupt Verlag, Bern, 2005. Adrian Frutiger. Symbole. Geheimnisvolle Bilder-Schriften. Zeichen, Signale, Labyrinthe, Heraldik. Haupt Verlag, Bern, 2008.

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Hauptthema: Zeichen und Schrift

Adrian Frutiger

Nachdenken über Zeichen und Schrift 2005. 248 Seiten, Über 200 Fotos und Zeichnungen, gebunden CHF 66.00 UVP / € 39. ISBN 978-3-258-06811-4

Wer sich in Paris in der Metro oder im Flughafen Charles-de-Gaulle orientieren will, folgt seinem Beschriftungssystem. Wer durch die Schweiz fährt, liest an allen Autobahnen seine Schrift. Wer nach einer klaren, eleganten und modernen Schrift sucht, wählt oft seine «Univers»: Adrian Frutiger, der grosse Schriftgestalter unserer Zeit, prägt unseren Alltag, ohne dass es uns bewusst ist. In diesem Buch macht sich Adrian Frutiger auf die Suche nach den Ursprüngen von Zeichen und Schrift. Er geht der Entwicklung der Schrift nach, von den ersten Spuren in Höhlen und auf Tonplatten bis zur mittelalterlichen Kalligrafie, von der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern bis zum Entstehen der modernen serifenlosen Schriften wie der «Univers», der «Helvetica», der «Avenir» und der «Frutiger». Er zeigt auf, wie grosse Schriftgestalter des 20. Jahrhunderts diese Entwicklungen geprägt und ihn selbst und sein Schaffen beeinflusst und begleitet haben: Emil Ruder, Rudolf Hostettler, Herman Zapf und seine beiden Lehrer Walter Käch und Alfred Willimann. Und er gibt Einblick in seine Arbeit, in seine Gedanken zur Lesbarkeit einer Schrift undin den Prozess der grafischen Umsetzung eines Zeichens. Durch das Buch führt wie ein roter Faden die Hand, jenes Instrument, dem die Menschen ihre Entwicklung verdanken. Ihnen, den Händen, widmet Adrian Frutiger den zweiten Teil seines Buches, es ist das Bekenntnis eines Kunsthandwerkers, der die vielen Jahre seines Berufslebens stets im Bewusstsein seiner beiden Hände gearbeitet hat.

Haupt Verlag Bern . Stuttgart . Wien verlag@haupt.ch . www.haupt.ch 210


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Hauptthema: Zeichen und Schrift

Adrian Frutiger

Symbole Geheimnisvolle Bilder-Schriften, Zeichen, Signale, Labyrinthe, Heraldik 2008. 195 Seiten, über 1000 Zeichnungen, Klappenbroschur CHF 39.00 UVP / € 24.90, ISBN 978-3-258-07323-1

Der bedeutende Schriftgestalter und Schriftschöpfer Adrian Frutiger ist seit Beginn seines Schaffens fasziniert vom Reichtum der von Menschenhand geschaffenen Bild- und Schriftzeichen und ihrem offenen oder verschlüsselten Symbolgehalt. In seinem kompakten Bildhandbuch mit über 1000 Zeichnungen nimmt er uns mit auf seine spannende Wanderung durch die Welt der Zeichen und Symbole aller Kulturen: von den frühesten Bilderschriften der Sumerer im 4. Jahrhundert v. Chr. bis zu den heute gebräuchlichen Piktogrammen.

Haupt Verlag Bern . Stuttgart . Wien verlag@haupt.ch . www.haupt.ch 211



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