B I L L L AW S
Die
GESCHICHTE des
GARTENS in
50 WERKZEUGEN ACANTHUS bear’s breeches
Die englische Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel History of the Garden in Fifty Tools Copyright © 2014 by Quid Publishing Konzept, Gestaltung und Produktion: Quid Publishing Level 4, Sheridan House 114 Western Road Hove BN3 1DD England Gestaltung: Lindsey Johns Aus dem Englischen von David Lüthi, Bern Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. ISBN: 978-3-258-07974-5 Alle Rechte vorbehalten. Copyright © 2016 der deutschsprachigen Ausgabe: Haupt, Bern Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig. Printed in China www.haupt.ch
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B I L L L AW S
Die
GESCHICHTE des
GARTENS in
50 WERKZEUGEN Aus dem Englischen von David Lüthi
Haupt Verlag
Inhalt Einf체hrung
.................................... 6
kapitel
1
Im Ziergarten Grabegabel ......................................................... 10 Zwiebelpflanzer ............................................... 15 Pflanzkelle........................................................... 19 Rosenschere....................................................... 23 Gartenkorb......................................................... 28 Bodentest-Set ................................................... 32 Pflanzholz ........................................................... 35 Gummistiefel .................................................... 39 Hut und Handschuhe
................................ 43
Gartenkatalog................................................... 46 Gartentagebuch............................................... 50
kapitel
2
Im Gem체segarten Spaten .................................................................... 56 Hacke ..................................................................... 60 Spitzhacke ........................................................... 65 Richtschnur ....................................................... 68 Hippe ..................................................................... 72 Rechen .................................................................. 76 Bodenfr채se ......................................................... 80 Kompost .............................................................. 84 Fr체hbeet............................................................... 89 Botanische Nomenklatur.......................... 94 Hochbeet ............................................................. 99 Erdsieb ............................................................... 104 Radioapparat ................................................. 107
kapitel
3
Auf dem Rasen
kapitel
5
Rasenmäher..................................................... 112
Bauten und weiteres Zubehör
Sichel und Sense........................................... 117
Gartenhaus....................................................... 174
Rasen- und Heckenschere..................... 121
Gewächshaus.................................................. 178
Unkrautstecher.............................................. 125
Treibglocke...................................................... 182
Herbizide........................................................... 129
Ward’scher Kasten....................................... 186
Dünger................................................................ 134
Pflanzkübel...................................................... 190
Maßband und Meterstab........................ 138
Tontopf............................................................... 195 Steinvase............................................................ 200
kapitel
4
Schubkarre....................................................... 203
Im Obstgarten
Fugenbürste..................................................... 207
Leiter.................................................................... 144
Gartenschlauch............................................. 214
Gartenmesser ................................................ 147
Gießkanne........................................................ 218
Sonnenuhr........................................................ 211
Astsäge................................................................ 151 Obstfass.............................................................. 155 Beschriftung.................................................... 159
Register............................................................... 222
Thermometer.................................................. 164
Bildnachweis................................................... 224
Vogelscheuche............................................... 168
Einführung Seit Jahrhunderten gehört die Gartenarbeit zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen des Menschen, und fast ebenso beliebt ist die Lektüre von Büchern über das Gärtnern. Doch während es massenhaft Literatur zu berühmten Gärten, bedeutenden Gartengestalterinnen und einzigartigen Pflanzen gibt, ist den Gartengeräten – den Werkzeugen, die uns sozusagen mit dem Erdboden verbinden – bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt worden. Ohne sie aber gäbe es keine Gärten.
V
iele gute Geschichten beginnen in
einer Pfirsichdose und einem Zweitaktmotor;
einem Garten. «Das Buch des Lebens
oder der Gartenschlauch, der erst die Verbreitung
beginnt mit Mann und Weib in einem Garten –
des Rasens in südlichere Gefilde ermöglichte,
und endet mit Enthüllungen», heißt es bei Oscar
und die Gummistiefel, für deren beider Entwick-
Wilde (Eine Frau ohne Bedeutung, 1893). Mit
lung der später vor allem für die gleichnamigen
jedem Gartengerät sind Anekdoten und Legen-
Autoreifen bekannt gewordene Charles Goodyear
den verbunden, und in der Tat bergen die im
die Grundlagen schuf.
vorliegenden Band versammelten Geschichten eine ganze Menge gartenbaulicher (und anderer) Enthüllungen. Da sind etwa die Rosenschere
Ein gutes Gartengerät – der verdiente alte Spaten für das Umgraben schwerer Böden im Herbst oder die Grabegabel, mit der die
und ihr Erfinder Bertrand de Molleville,
Erde im Frühling nochmals gelockert
der als Kopf der königlichen Geheim-
wird – ist mehr als ein Werkzeug: Es ist
polizei während der französischen
ein Genuss, damit zu arbeiten. Oft sind
Revolution nur knapp dem Schafott
ältere Geräte in Sachen Materialqualität
entrann; Nathaniel Wards Transport-
und Verarbeitung ihrer neueren
kasten aus Glas und Holz, welcher
Konkurrenz überlegen; ja, ein
das Pflanzenangebot der Garten-
hochwertiges Werkzeug kann
gestalter des 19. Jahrhunderts
sogar mit dem Alter reifen.
massiv erweiterte; der erste Kreisel-Motorrasenmäher, eine Bastelei des Australiers Mervyn Richardson aus einer Seifenkiste,
«Nur wer den Garten sorglich pflegt, weiß auch, dass er ihm Früchte trägt» – und leichter gehn gießen und jäten mit guten Gartengeräten.
6
Einführung
Entgegen der Behauptung Irving Washingtons (in Rip van Winkle, 1819), eine scharfe
Viele gängige Gartenutensilien wie Richtschnur oder Grasschere haben sich über die Jahrhunderte kaum verändert.
Zunge sei das einzige Schneidewerkzeug, das durch dauernden Gebrauch schärfer werde, kann ein gelegentlicher Tropfen Öl hier und der Griff zum
und Themen hingegen, wie etwa die botanische Nomenklatur, das Gar-
Schleifstein da die Lebensdauer eines liebgewor-
tentagebuch, die Sonnenuhr oder der
denen Gartengerätes fast beliebig verlängern. Die
Radioapparat verdanken ihre Berücksich-
folgenden Kapitel halten nicht zuletzt zahlreiche
tigung lediglich dem Umstand, dass sie alle eine
Hinweise zur Pflege und zum ordnungsgemäßen
Geschichte zu erzählen haben. Zur verbesserten
Gebrauch der wichtigsten Gartengeräte bereit.
Übersicht sind die 50 behandelten Geräte und
Die Entscheidung für oder wider die Auf-
Themen nach den verschiedenen Abschnitten
nahme eines Werkzeugs in dieses Buch war nicht
des Gartens geordnet, für die sie typischerweise
immer einfach. Manche der Geräte, die sich über
relevant sind – wobei die wenigsten ausschließ-
die Jahrhunderte nur wenig verändert haben,
lich in dem jeweiligen Teil des Gartens eine
sprengen den Rahmen eines Gartenbuchs im
Rolle spielen.
engeren Sinne: Die Spitzhacke etwa existierte lange vor der Entstehung der Gartenbaukultur, und mit Sicheln wurden schon in der Steinzeit Gräser geschnitten. Ohne Zweifel ein Kapitel verdient haben Gartenhacke, Rechen bzw. Harke und Gießkanne. Weniger einschlägige Objekte
Spaten, Rechen und Hippe, wie sie in Abel Grimmers Herbst von 1607 zu entdecken sind, finden sich auch in heutigen Geräteschuppen; und alle haben sie ihre Geschichten zu erzählen.
7
Im Ziergarten
D
ie Zucht und Pflege von Zierpflanzen
erfordert FeingefĂźhl, Organisationstalent und eine ganze Reihe spezialisierter Werkzeuge. Zu den wichtigsten gehĂśrt die Grabegabel.
Grabegabel Die Gabel in verschiedenen Ausführungen ist das wohl meistverwendete und vielseitigste
Mehrzweckwerkzeug zum Umgraben und Lockern von Böden, Belüften von
Gartengerät überhaupt. Es gibt sie
Rasen, Umpflanzen und Teilen von
als Spatengabel mit abgeflachten
Stauden, Verfrachten von Kompost und
Zinken, als zweistielige Grelinette, als Mistgabel mit vier oder als Heugabel mit zwei oder drei gebogenen Zinken.
10
Merkmale
Mist.
Herkunft Verbreitete Verwendung wahrscheinlich erst in neuerer Zeit.
Im Ziergarten
G
abeln gibt es in den verschiedensten Formen und Größen: vom zweizinkigen
S chwerter zu Spatengab eln
Rübenheber für perfektes Rübenstechen über
Bekanntlich waren lange vorher die Römer
die kleine Pflanzgabel für den Blumenkasten bis
eifrig darum bemüht, herkömmliche Werk-
zur Mistgabel mit spitzen, gebogenen Zinken.
zeuge aus Holz und Knochen durch solche aus
Spatengabeln für schwere, tonhaltige Böden
Metall zu ersetzen. Durch gute Beziehungen zum
haben meist gerade Zinken zur Verbesserung der
keltischen Königreich Noricum (im Gebiet des
Hebelwirkung; für die Aufnahme von Kompost
heutigen Österreich sowie Teilen Bayerns und
oder Mist sind kellenförmig gebogene Zinken
Sloweniens) hatten sie Zugang zu norischem
besser geeignet. Bei US-amerikanischen Gabeln
Stahl, der für seine Qualität berühmt war. Wenig
befindet sich am Stielende meist ein D-förmiger
überraschend setzten sie ihre Kenntnisse in der
Griff. Daran haben Gärtner mit großen Händen
Stahlbearbeitung zwar vorwiegend zur Her-
keine Freude, sie bevorzugen T-Griffe.
stellung des gladius ein, des römischen Kurz-
Lange Zeit kam man im Garten offenbar ohne
schwertes, das bei der Unterwerfung Europas
Gabel aus. In einem 1657 erstellten Verzeichnis
eine entscheidende Rolle spielte; doch wurden
der Besitztümer Theophilus Eatons, des Gouver-
Schwerter wenigstens teilweise auch zu Pflug-
neurs der Kolonie New Haven an der US-Ostküste,
scharen und Gartenwerkzeugen. So brachten die
sind Gartenscheren, Sicheln, Haken und Hacken,
Römer, die im Jahre 43 n. Chr. mit ihren Booten
Sensen, Äxte für die Bearbeitung von Stein und
als Erste in Londinium anlegten, nicht nur Stahl-
Mauerwerk sowie eine Pflanzkelle, aber weder
schwerter mit, sondern auch Vorstellungen
Gabeln noch Spaten aufgeführt. Ein Grund dafür
darüber, wie Rathäuser, Straßen, Villen und Vil-
mag in der schlechten Qualität der damals verfüg-
lengärten anzulegen waren und welche Blumen
baren Metallwerkstoffe liegen: Eine Gabel war –
und andere Gewächse in Letzteren gepflanzt
etwa im Vergleich zu einer Kelle – schwierig
werden sollten. Zu dieser Zeit hatten sie
herzustellen, aber einfach zu zerstören.
bereits den Kohl (Brassica oleracea) domestiziert, den sie nun zusammen mit Pastinaken, Radieschen, Kopfsalat und Rüben nach
Verschiedene im Garten verwendete Gabelvarianten, von der Spatengabel mit drei flachen, geraden Zinken (links) bis zur Mistgabel mit spitzen, gebogenen Zinken (rechts).
11
Grabegabel
Nordeuropa brachten. Nach Niederschlagung des
Kräuter- und Gemüsegärten des Mittelalters weit
inselkeltischen Widerstands führten die Römer
verbreitet gewesen sein.
auch ihre Acker- und Gartengeräte ein: Hacken,
Um 1650, als der englische Autor und Gar-
Holzspaten mit Schnittkanten aus Metall, Dech-
tenbauer John Evelyn mit der Arbeit an seinem
seln, Sicheln und dreizinkige Gabeln.
Elysium Britannicum begann, dem (unvollendet
Für den gesamten Zeitraum des Mittelalters
gebliebenen) Projekt einer Enzyklopädie zur
vom 6. bis zum 15. Jahrhundert gibt es nur
Gartenbaukunst seiner Zeit, hatten die groß-
wenige Belege für den Gebrauch von Garten-
artigen Renaissancegärten Italiens, Frankreichs
werkzeugen. Das Stundenbuch des Herzogs von
und der Niederlande bereits ihren Eindruck
Berry, ein illustriertes französisches Manuskript
auf die Gartengestalter in anderen Teilen Euro-
aus dem 15. Jahrhundert, zeigt eine Heuwenderin
pas hinterlassen. Evelyn fertigte Zeichnungen
mit einer zweizinkigen Gabel. Im Luttrell-Psalter
vieler der damaligen Gartengeräte an, darunter
aus dem England des 14. Jahrhunderts sind höl-
ein Gewächshaus, das an ein Himmelbett erin-
zerne Jäthaken und -zangen zu sehen, aber keine
nert, eine raffinierte Vorrichtung, mit der eine
Gabeln. Dennoch dürfte ein derart vielseitig ein-
Gartenwalze den Hang hinaufgezogen werden
setzbares Werkzeug wie die Grabegabel in den
konnte, eine mobile Pflanzmaschine für Bäume,
Für sein Elysium Britannicum fertigte der englische Tagebuchschreiber und Gärtner John Evelyn (1620–1706) Skizzen zahlreicher damaliger Gartenutensilien an, darunter eine Gießkanne mit zwei Tüllen, mehrere Frühbeet-Konstruktionen und eine Art Himmelbett für die Pflanzenanzucht.
12
Im Ziergarten
der Werkstofftechnik seit dem Niedergang des römischen Reiches sorgte. In der Folge konnte Alexander Parkes an der Londoner Weltausstellung 1851 eine neuartige Stahlgabel präsentieren, von der sich auch der vielgelesene Gartenautor James Shirley Hibberd überzeugen ließ: «Gerne empfehle auch ich die Grabegabeln aus Stahl, die gerade überall in Mode kommen, zum Gebrauch. Für alle gewöhnlichen Grabearbeiten sind sie dem Spaten vorzuziehen. Sie brechen den Boden mühelos und dringen leicht darin ein. Man schafft damit ein Drittel mehr Arbeit pro Tag als mit einem Spaten» (Profitable Gardening, 1863). Hinsichtlich der Formgebung jedoch führten auch die sonst so innovativen viktorianischen Ingenieure bei den Handwerkzeugen kaum Neue Produktionsverfahren und Stahlwerke wie jenes von Henry Bessemer ermöglichten im frühen 19. Jahrhundert einen Quantensprung bei der Verschleißfestigkeit von Gartenwerkzeugen.
Neuerungen ein. Ein römischer Villengärtner hätte die meisten Werkzeuge, die im Geräteschuppen des 19. Jahrhunderts an den Wänden hingen, auf Anhieb erkannt.
Holzspaten mit Metallbeschlägen, ein Pickel –
Wider die Gab el
und schließlich eine Gabel mit drei augen-
Weitere 100 Jahre später hatten dann Leute im
scheinlich metallenen Zinken, die an einem
Garten das Sagen, die ganz ohne Grabegabeln
Holzstiel befestigt sind. Die Grabegabel, wie wir
auskommen wollten. Die Ölkrise im Westen
sie kennen, war also doch noch in der Welt des
nach dem Embargo von 1973 führte breite Kreise
Gärtnerns angekommen.
dazu, ihren Umgang mit natürlichen Ressourcen
Die Gabel erfuhr keine größeren Änderun-
zu überdenken, und ließ nicht zuletzt auch neue
gen, bis sich die Magier des industriellen Zeit-
Ideen zur ökologischen Lebensmittelproduk-
alters ihrer annahmen; erfinderische Geister
tion aufkommen. Als einflussreich in diesem
wie Henry Bessemer etwa, der eine Methode
Zusammenhang sollte sich die «Permakultur»-
für die Massenproduktion von Stahl entwickelte
Bewegung erweisen, bei der schon im Namen der
und damit für den größten Durchbruch in
Leitgedanke der Nachhaltigkeit anklingt und die
13
Grabegabel PRAXISTIPP
für den Gartenbau eine Reihe neuer Methoden
Gabelpflege
entwickelte. In den Worten eines ihrer Väter, des
Eine gute Gartengabel tut ihren Dienst ein
tasmanischen Biologen Bill Mollison, geht es bei
Gärtnerleben lang, einzig den Stiel muss
der Permakultur darum, «im Einklang mit der
man von Zeit zu Zeit ersetzen. Von billigen
Natur anstatt gegen sie zu arbeiten … Pflanzen
Gabeln, die nur eine Saison oder zwei
und Tiere im ökologischen Gesamtzusammen-
halten, sollte man die Finger lassen. Bei
hang zu betrachten anstatt jeden Teilbereich
Trödlern oder auf Flohmärkten findet man
als isoliertes Ertrag produzierendes System zu
gelegentlich robuste alte Modelle. Dabei
behandeln.»
sollte man sich von verbogenen Zinken
In die Praxis umgesetzt wurde der Perma-
oder Holzwurmbefall nicht zwingend ab-
kultur-Gedanke unter anderem in Form einer
schrecken lassen: Die Zinken können meist
«Nichts-Tun»-Methode in Landwirtschaft und
mithilfe eines einfachen Stahlrohrstücks
Garten. Die Idee, den Boden sich selbst zu über-
wieder geradegebogen werden, und ein
lassen – insbesondere auf die Bearbeitung mit
neuer Stiel ist rasch eingesetzt – was aber
Geräten und den Einsatz von Kompost, Dünger
erst dann nötig wird, wenn er gänzlich
und Pflanzenschutzmitteln zu verzichten – wurde
morsch geworden ist und bei Gebrauch
vor allem durch den japanischen Mikrobiolo-
zu brechen droht.
gen, Landwirt und Gärtner Masanobu Fukuoka popularisiert. Der 2008 verstorbene Fukuoka verwendete weder Hacke noch Gabel auf seinem kleinen, aber ertragreichen Familienbauern-
Gabel mit rechtwinklig gebogenen Zinken, auch
hof in Shikoku und ließ Unkraut konsequent
als «Dung-» oder «Misthacke» bezeichnet. Ein
stehen. Andere Spielarten der Permakultur-Wirt-
weiteres Werkzeug, das die No-dig-Bewegung
schaft waren etwas näher am konventionellen
gerne verwendete, war die Grelinette oder Laya
Land- und Gartenbau. Im Rahmen des «No-dig-
(in Anlehnung an einen traditionellen baskischen
Gärtnerns» etwa durfte man durchaus ein Beet
Fußpflug), eine zwei- oder mehrzinkige Gabel
von Unkraut befreien, eine großzügige Schicht
mit zwei Stielen und einem Tritt dazwischen,
Komposterde auftragen und anschließend Saat-
mit der Böden auf nach Ansicht ihrer Anhänger
gut auf der ganzen Fläche verteilen. Die Gabel
ergonomisch perfekte Weise gelockert und belüf-
verwendete man dabei aber ausschließlich für
tet werden können.
die Verfrachtung der Komposterde vom Haufen zum Beet. Damit war der Zeitpunkt ideal für die Wiedereinführung eines alten Gartengerätes: die
14
Zwiebelpflanzer Wie fast alle der meistbenutzten Gartenwerkzeuge ist der Blumenzwiebelpflanzer (trotz des sperrigen
Merkmale Grabwerkzeug in Form eines kurzen konischen Rohrstücks mit Handgriff
Namens) ein ausgesprochen simples
oder langem Stiel zum Ausheben von
Gerät: Man steckt ihn in die Erde,
Pflanzlöchern für Blumenzwiebeln.
zieht ihn mitsamt Erdpfropfen heraus, steckt die Zwiebel ins Pflanzloch und verschließt dieses mit dem Pfropfen.
Herkunft Noch relativ neu; Zwiebelpflanzer und Sodenstecher finden erst im 20. Jahrhundert verbreitet Verwendung.
15
Zwiebelpflanzer
D
er Zwiebelpflanzer ist als Werkzeug
so unspektakulär, dass viele Gärtner ihn für überflüssig halten: Ihrer Meinung nach kriegt man ein Pflanzloch auch ohne ihn gegraben. Auch John Claudius Loudon, der große Gartenbau-Enzyklopädist des 19. Jahrhunderts, erachtete Pflanzholz und -kelle als ausreichende Hilfsmittel beim Zwiebelpflanzen. Wenn es allerdings um das Umpflanzen ausgewachsener Tulpen ging, empfahl er ein Gerät, das durchaus an den Zwiebelpflanzer erinnert (Encyclopedia of Gardening, 1822; dt. Eine Encyclopädie des Gartenwesens, 1825). Wie dem
Charles de l’Écluse, ab 1592 Direktor des Botanischen Gartens der Universität Leiden (hier eine Darstellung aus dem Jahr 1610), trug viel zur Verbreitung der Tulpe in Mittel- und Nordeuropa bei.
auch sei, wer jemals Stunden damit zugebracht hat, einen Sack voll Narzissenzwiebeln von Hand
mit ihren Tulpenzuchten dafür, dass die Zwiebeln
in einem Rasenstück zu setzen, der wird sich
der Blumen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhun-
gerne einen Zwiebelpflanzer beschaffen.
derts kostbar wie Diamanten wurden. Während
Entstanden sein könnte das Gerät in den
16
die wahren Tulpenliebhaber ihre Zwiebeln unter-
Niederlanden, wo in den 30er-Jahren des 17.
einander vor allem tauschten, wurden sie schon zu
Jahrhunderts Tulpenzwiebeln für die erste Spe-
Clusius’ Lebzeiten zum begehrten Luxusgut. Ab
kulationsblase der Wirtschaftsgeschichte sorgten.
1630 dann erzielten Tulpenzwiebeln teilweise den
Am Anfang des «Großen Tulpenwahns» standen
Preis von teuren Immobilien. Als die Blase 1637
Figuren wie Charles de L’Écluse (Carolus Clusius,
platzte, blieben die Auswirkungen – anders als im
1526–1609), der Botaniker am Hofe Maximilians
Falle der US-amerikanischen Immobilienblase
des II. in Wien und später Direktor des Botani-
von 2007, die eine globale Finanzkrise auslöste –
schen Gartens in Leiden war. Er und zahlreiche
dank des umsichtigen Krisenmanagements der
Mitstreiter aus der gehobenen Gesellschaft sorgten
Behörden einigermaßen überschaubar.
Im Ziergarten PRAXISTIPP
Zwiebel und Zwiebelpflanzer
Zurück zur Natur William Robinson war ein Gartenautor des 19.
Bei der Blumenzwiebel handelt es sich im
Jahrhunderts, der für den Gartenbau im Allge-
Prinzip um einen Spross, der nach dem
meinen und den Zwiebelpflanzer im Besonderen
Einpflanzen auszutreiben beginnt. Vor dem
mindestens ebenso viel tat wie die bekanntere
Pflanzen sollten schadhafte und faule Zwie-
Gertrude Jekyll. Als Robinson 1935 starb, war er
beln aussortiert werden. Für die Verteilung
einer der reichsten und einflussreichsten Garten-
der Zwiebeln auf dem dafür vorgesehenen
journalisten seiner Zeit. Begonnen hatte er als
Beet kann man auf die Methode der Austra-
Handlanger im Garten der Marquise von Water-
lierin Edna Walling zurückgreifen: Auf die
ford in Irland. 1859, mit 21 Jahren, hatte er sich
Frage, wo sie eine Handvoll Birkensetz-
in Gärtnerkreisen bereits einen Namen gemacht
linge zu pflanzen wünsche, entnahm sie
und war verantwortlich für die Gewächshäuser
einem Eimer fünf Kartoffeln, warf sie alle
auf einem Landsitz im County Laois. Angeblich
miteinander in dieselbe grobe Richtung,
soll er nach einem Streit mit dem Obergärtner
und sagte: «Dort.» Sind sehr viele Zwiebeln
die Gewächshäuser sabotiert und das Anwesen
zu pflanzen, ist ein Zwiebelpflanzer oder
Hals über Kopf verlassen haben. Gesichert ist,
Sodenstecher mit langem Stiel, T-Griff und Trittkante hilfreich. Den Konus ansetzen, ins Erdreich drücken bzw. hineindrehen und unter Hin- und Herdrehen den Erdpfropfen ausheben. Die Zwiebel oder Zwiebeln ins Loch legen, den Pfropfen wieder einsetzen und mit dem Fuß leicht andrücken. Achten Sie auf korrekte Pflanztiefe (Faustregel: Pflanztiefe gleich zwei Mal Zwiebelhöhe). Bei schweren, nassen Böden sorgt eine Lage Kies unter der Zwiebel für verbesserte Entwässerung.
Für das Zwiebelsetzen kommen verschiedene Werkzeuge in Frage: von der Pflanzkelle bis zum langstieligen Zwiebelpflanzer mit Trittkante und T-Griff.
17
Zwiebelpflanzer
dass er 1861 nach Dublin
Zur Gattung Pelargonium,
und von dort weiter nach
besser bekannt unter der
London ging, wo er eine Anstellung in den Gärten der Royal Botanical
Trivialbezeichnung Geranium, gehören zahlreiche Arten, die in Europa als Beet- und Balkonpflanzen sehr beliebt sind.
Society im Regent’s Park ergatterte.
18
Von den Teppich-
Ob die Anekdote
beeten waren vor allem
von dem Sabotageakt der
Bürgermeister und hohe
Wahrheit entspricht oder
Beamte angetan, deren
nicht, sie deutet jedenfalls
Stadtgärtner angehalten
auf einen wesentlichen
wurden, sich gegenseitig
Charakterzug Robinsons
mit floralen Darstellungen
hin: Er war ein wenig
von Gemeindewappen
toleranter Mensch. Formbäumchen waren ihm
oder Ortsnamen zu übertreffen. Bahnhofsvorste-
zuwider und die Teppichbeetgärtnerei – die
her konkurrierten derweil um die Auszeichnung
Anordnung von Blattzierpflanzen zu orna-
für die schönste Bahnsteigbepflanzung, und 1903
mentalen Mustern – hasste er geradezu. Die
wurde in Edinburgh die Blumenuhr in Auftrag
Teppichbeete waren eine Weiterentwicklung des
gegeben, die heute noch im West Princes Street
sogenannten «bedding out», das in der Folge der
Garden zu sehen ist. Auch in Nordamerika ge-
massenweisen Einfuhr neuer exotischer Pflanzen
wannen Teppichbeete im 19. und 20. Jahrhundert
wie Verbena venosa oder Geranien (präziser:
stetig an Beliebtheit. Robinson verabscheute diese
Pelargonien) aus Südamerika und Südafrika in
«falsche, scheußliche ‹Kunst›» und sprach sich
Mode gekommen war. Die leuchtenden Farben
stattdessen dafür aus, «widerstandsfähige exoti-
dieser Pflanzen vermochten auch den grauesten
sche Pflanzen dort zu einzusetzen, wo sie ohne
englischen Frühlingstag aufzuhellen. Beim bed-
weiteres Zutun gedeihen.» In seinem Buch The
ding out wurden die Pflanzen jährlich neu im
Wild Garden von 1870 ermutigte er Gärtner dazu,
Gewächshaus vorgezogen und beim Blühen in
Zwiebelpflanzen wie Narzissen und – ungewöhn-
die Freibeete ausgepflanzt, welche in geschwun-
lich für seine Zeit – verschiedene Alpenblumen
genen Linien und abgerundeten geometrischen
zu pflanzen (Letzteren widmete er mit Alpine
Formen angelegt waren. Als Dekorationselement
Flowers for Gardens ein eigenes Buch). Viele von
wurde in den Beeten da und dort zusätzlich eine
denen, die sich überzeugen ließen, dürften sich
Statue oder Vase platziert.
bald einen Zwiebelpflanzer beschafft haben.
Register
Columella, Lucius 33–34,
A
90, 169–170
Acland, George 71 Apfel 156–157
Crossman, Charles 100
Hippe 72–75
Galvani, Luigi 158
Hochbeet 89–93
Gartenkatalog 46–49
Hochbeet 99–103
Appert, Nicolas 163
Gartenkorb 28–31
Howard, Albert 87–88
Artedi, Peter 97–97
Gartenleiter 144–146
Howard, Arthur 82–83
D
Gartenschlauch 6, 214–217
Hudson, William 113–114
Dahlmann, Karl 113
Gartentagebuch 50–53
Hut 43, 45
B
Dig for Victory 59, 185
Gerard, John 69–70
Huxley, Anthony 220
Bacon, Francis 208
Downing, A. J. 156
Geräteschuppen 174–177,
Baekeland, Leo 184
Downing, Charles 145, 156
Balfour, Lady Eve 87–88
Dung 89–93
Gießkanne 218–221
Bartram, John 52
Dünger 33–34, 87, 90–93,
Gilbert, Joseph 136
131, 134–137
Beeton, Mrs 206
199
I Irving, Washington 6–7, 210
Glasglocke 182–185
Benyon, Benjamin 70
Durand, Peter 163
Gnome 199
Besen 207–210
Dyson, James 206
Goodrich, B. F. 216
J
Goodyear, Charles 42, 216
Jackson, Andrew 145, 209
Grabegabel 7, 10–14
Jefferson, Thomas 50–51,
bio-dynamisches Gärtnern 87 Birdseye, Bob 162–163
E
Blanchard, Mark 202
Edmonds, Charles 63
Blashfield, John Marriot
Eishaus 162
198, 202
120, 161–162, 205
Grant, Anne MacVicar 21 Gummistiefel 6, 39–42
Jekyll, Gertrude 40–42, 56, 75, 128, 162, 193,
Ely, Helena Rutherfurd 175–176, 213
Bodenfräse 80–83
196–197 H
John Moseley & Sons 20
Bodentest-Set 32–34
Erdsieb 104–106
Hacke 60–64
Journal 50–53
Bonsai 192
Evelyn, John 12, 26, 35,
Handschuhe 43–45
Jute 71
51–52, 109, 162, 215,
botanische Nomenklatur
220
94–98
Harke 76–79 Harris, Absalom 196
Bottich 155–158
Hatschepsut 191
K
Bowles, E. S. 140
Haws, Arthur 221
Karst 12, 65–67
Budding, Edwin 115–116
F
Haws, John 220–221
Kelley, Ruth Edna 149
Burritt, M. C. 154
Fahrenheit, Daniel
Heckenschere 123
Kemp Edward 103
Gabriel 166
Heijden, Jan van der
Komposter 84–88, 106
Fass 155–158
215–216
C
Fitzherbert, Anthony 61
Herbizid 37, 129–133
Calsius, Andres 166
Flaubert, Gustave 199
Hibberd, James Shirely 13,
Carson, Rachel 133
Formschnitt 122–124
34, 86, 90, 92, 150,
Chelsea Flower Show
Francé-Harrar, Annie 878
198–199 Coade, Eleanor 202–202 Cobbet, William 135–136, 162
222
G
Frauen 19–22, 86, 114, 168, 191, 194 Fukuoka, Masanobu 14
181, 210 Hill, Thomas 34, 193, 208, 215, 220–221 Hills, Lawrence D. 87–88, 170, 209
Korbflechter 28–31, 105 Kräutergarten 69, 122
L Landbau, ökologischer 87–88, 131, 176 Lawes, John Bennet 135–137
Register
Lawson, William 149
O
S
V
L’Ecluse, Charles de 16
ökologischer Landbau
Samen 36–38, 47–49, 59,
Victoria, Königin 31, 180,
Liebig, Justus von 93, 136
87–88, 131, 176
Linnaeus, Carl 94, 96–98,
Opinel, Joseph 7, 148
166 Lötlampe 128 Loudon, Jane 19, 21–22, 63, 79, 105, 160, 167 Loudon, John Claudius
184
Vögel 169–171
Schere 6, 23, 25
Vogelscheuche 168–171
Schilder 159–163 P
Schrebergarten 141
Pepys, Samuel 51
Schwamstapper, Traugott 44–45
Permakultur 13
14, 16, 26, 36, 47, 66,
Pestizid 36–37, 131–133
Sense 118–120
126–127, 160–161, 171,
Pfahl 139
Sichel 12, 114, 117–120
188, 219
Pflanzkelle 19–22
Sieb 104–106
Pfropfmesser 7, 25,
Smith, Thomas 31
Luckhurst, Edward 216–217 Lutyens, Edwin 40–41
198
Sankey, Richard 196
W Walling, Edna 17, 176 Ward, Nathaniel 186, 188–189 Washington, George 150, 162, 210
147–150
Soil Association 87
Weg 208–210
pH-Wert 33–34
Sonnenuhr 211–213
White, Gilbert 51, 91,
Picasso, Pablo 149
Soper, John 87
Plinius der Ältere 158,
Spaten 7, 56–59
Wildtiere 169–171
Spitzhacke 65–67
Wolseley, Frances 22, 194,
M
176, 191
Mäher 6, 88, 112–116
Plinius der Jüngere 114
Stab 139–140
Marconi, Guglielmo 108
Prinz Charles 88, 133
Steiner, Rudolf 87
169–170
210 Wordsworth, William 209
Marvel, Andrew 157
Worlidge, John 221
Maß 139
Wyse-Gardner, Charles
Mist 89–93 Mollet, Claude 122
Q Quastel, Harry 130–131
Molleville, Antoine Bertrand de 23, 27
T
183, 185
Tagebuch 50–53 Terrakottatopf 106,
R
195–196
Z
Mollison, Bill 13
Rasen 112, 114–116, 127
Thermometer 164–167
Zhuge, Liang 204
Morris, William 198
Rasenmäher 6, 88,
Thoreau, Henry David 53,
Zwiebelpflanzer 15–18
Musik 108–109
112–116
56–57, 61–62, 140
Rätsel 104–106
Timmins, Richard 19
Reifen 206
Treibhaus 180–181
N
Repton, Humphry 52–53
Turnock, Mike 105
Naturgarten 16–18, 115
Retallack, Dorothy 108
Tusser, Thomas 7, 34, 66
Nicholson, Sir William 40
Richardson, Mervyn 113
no-dig-System 13–14, 38
Robinson, William 16–18
Noguchi, Isamu 77
Rosen 24–26, 69
U
Nomenklatur, botanische
Rosenschere 23–27
Unkrautbekämpfungsmittel
94–98
Royal Horticultural Society 24–25, 45, 59, 189, 199
129–133 Urne 200–202
Ruskin, John 38
223