Dubs, Verwaltungsrats-Sitzungen, 3. A.

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VR- UND GL-PRAXIS

Herausgegeben vom International Center for Corporate Governance (www.icfcg.org)

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Rolf Dubs

Verwaltungsrats-Sitzungen Grundlegung und Sitzungstechnik 3. Auflage

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3. Auflage: 2019 2. Auflage: 2012 1. Auflage: 2006 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. ISBN 978-3-258-08136-6 Alle Rechte vorbehalten. Copyright © 2006 by Haupt Berne Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig. Satz: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, Göttingen, nach einem Konzept vom Atelier Dillier, Basel Printed in Austria www.haupt.ch

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Gegebenheiten und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

Grundlagen für Verwaltungsrats-Sitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2.1 2.2 2.3 2.4

Die Bedeutung der Verwaltungsrats-Sitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . Die Funktion des Verwaltungsrats-Präsidenten . . . . . . . . . . . . . . . . Die Kultur des Verwaltungsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Sitzungskultur eines Verwaltungsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

Die Vorbereitung von Verwaltungsrats-Sitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.1 3.2

Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Organisation der Vorbereitung von Verwaltungsrats-Sitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Traktandenliste einer Verwaltungsrats-Sitzung . . . . . . . . . . . Die formelle Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arten von Traktanden an Verwaltungsrats-Sitzungen . . . . . . . . . Die Sitzungsunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die persönliche Vorbereitung der einzelnen Traktanden durch den Verwaltungsratspräsidenten . . . . . . . . . .

3.3 3.3.1 3.3.2 3.4 3.5 4

Die Durchführung der Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.1 4.2 4.3 4.4 4.5

Techniken der Sitzungsführung durch den VRP . . . . . . . . . . . . . . . Die Berichterstattung an den Verwaltungsrats-Sitzungen . . . . . Präsentationen an Verwaltungsrats-Sitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . Die Beurteilung der Verwaltungsratsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zusammenarbeit von Verwaltungsrat und Revisionsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Beurteilung der Geschäftsleitung oder des Geschäftsführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Auskunftspflicht im Verwaltungsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Beschlussfassung im Verwaltungsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

Die Nachbereitung einer Verwaltungsrats-Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . .

5.1 5.2 5.3 5.4

Das Protokoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Pendenzenliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Verwaltungsrats-Ordner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswertungsgespräch nach der VR-Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

Eigenarten in Familiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Die Wirkung von Verwaltungsratsausschüssen

(Kommissionen, Committees) auf die Verwaltungsrats-Sitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

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Der Verwaltungsratspräsident in Krisensituationen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79 85

Abkürzungsverzeichnis AG Aktiengesellschaft GL Geschäftsleitung GV Generalversammlung HReg Handelsregister HRV Handelsregisterverordnung (SR 221.411) KMU Klein- und Mittelunternehmungen OR Schweizerisches Obligationenrecht (SR 220) VR Verwaltungsrat VRP Verwaltungsrats-Präsident

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Vorwort

Mit dieser Schriftenreihe „VR- und GL-Praxis“ wollen wir die wichtigsten Untersuchungsergebnisse unseres International Center for Corporate Governance (www.icfcg.org) einem Fachpublikum vorstellen. Unser „New Corporate Governance“Ansatz beinhaltet folgende Empfehlung: Corporate Governance gehört gegenwärtig zu den wenigen in Forschung und Praxis weltweit anerkannten Themen. • In Keep it situational dieser Schriftenreihe stellt das • Keep it strategic IFPM-Center for Corporate Governance der Universität • Keep it integrated St. Gallen • Keep it controlled www.ccg.ifpm.unisg.ch die Ergebnisse von neuen Studien seiner Partner vor. Thema Ausgabe gehört zum zweiten Prinzip:basiert „Keep auf it strategic“ DasDer New dieser Corporate Governance Ansatz des Centers den foloder „Der Verwaltungsrat als Gestaltungsrat“. Dabei kann der VR-Präsident genden vier Prinzipien: durch eine wirksame Führung der VR-Sitzungen die strategische Zukunft des Unternehmens wegweisend mitbestimmen. S über ituational Rolf Dubs verfügt langjährige Erfahrung mit Erfolgsausweis als Präsident und Mitglied des Verwaltungsrats zahlreicher namhafter Unternehmen S trategic im In- und Ausland. Hier präsentiert er das Ergebis einer beobachtenden Untersuchung des Sitzungsmanagements in verschiedenen Aufsichtsgremien. I ntegrated Darauf aufbauend gibt Rolf Dubs praxiserprobte Empfehlungen, wie VR-Sitzungen wirksam vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet werden sollen. K zeigt eep it controlleddass (nach Justus von Liebig) „…Wissenschaft Diese Schrift einrücklich, eigentlich erst da an(fängt), interessant zu werden, wo sie aufhört.“ Das Thema dieser Ausgabe der Schriftenreihe von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Rolf Dubs gehört zum zweiten Prinzip: “Keep it strategic” oder “Der VerJanuar 2019 waltungsrat als Gestaltungsrat”. Dabei kann der VR-Präsident durch eine wirksame Führung der VRMartin Hilb Sitzungen dieder strategische Zukunft des Unternehmens wegweisend mitbeHerausgeber Schriftenreihe „VR- und GL-Praxis“ stimmen.

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Gegebenheiten und Zielsetzung

In den letzten Jahren wurde die Arbeit von vielen Verwaltungsräten in der Öffentlichkeit immer wieder kritisiert, was an sich nichts Aussergewöhnliches ist, denn inzwischen ist es üblich geworden, Gremien und Führungskräfte zu kritisieren, wenn sie nicht das tun, was Kritiker selbst wollen. Dieser „Focus on self“ (immer mehr Menschen beurteilen Probleme und Lösungen nur noch aus ihrer individuellen, meistens persönlichen Vorstellungen und Interessen entsprechenden Sicht) scheint zu einem Merkmal unserer Gesellschaft zu werden. Mehr beachten sollte man jedoch, dass in letzter Zeit auch immer häufiger Verwaltungsratsmitglieder, vor allem von grösseren KMU, über langatmige, wenig wirksame Verwaltungsrats-Sitzungen klagen. Leider gibt es bislang nur eine schweizerische Untersuchung aus dem Jahr 1993, in welcher VerwaltungsratsSitzungen analysiert wurden. Die damaligen Ergebnisse erbrachten nicht nur überzeugende Einsichten über die Effizienz der Sitzungen. Mag sein, dass es heute unter dem Eindruck aller Aktivitäten um die Corporate Governance etwas besser geworden ist. Weil aber immer noch viele Sitzungen verbesserungswürdig sind, wird in dieser Schrift versucht, die Anforderungen an gute Verwaltungsrats-Sitzungen darzustellen. Beabsichtigt ist aber nicht, einen weiteren Beitrag zur Formalisierung und Schematisierung der Corporate Governance zu leisten, sondern es wird versucht, Aspekte, die bei der Führung von Verwaltungsrats-Sitzungen wesentlich sind, in praktischer Form mit dem Ziel darzustellen, Anregungen zur Erhöhung der Wirksamkeit der Sitzungen zu geben. Deshalb wurden die Inhalte insbesondere aufgrund praktischer Erfahrungen aus Verwaltungs-

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räten zusammengestellt, und wo nötig wird mehr besprochen als nur gerade die Sitzungstechnik. Beabsichtigt ist aber keinesfalls eine umfassende Darstellung der Aufgaben von Verwaltungsrats-Präsidenten, Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen, sondern es werden nur sitzungsbezogene Gesichtspunkte behandelt. Weil diese kleine Schrift für Praktiker - insbesondere auch aus KMU gedacht ist und leicht lesbar bleiben soll, wurde auf Literaturverweise und Zitate verzichtet. Einen Überblick über die verwendete Literatur gibt das Literaturverzeichnis. Getragen ist diese Schrift von der Vorstellung, dass gut geführte Verwaltungsrats-Sitzungen die Qualität der Verwaltungsratsarbeit wesentlich verbessern, wodurch der Trend zu immer mehr Rechtsvorschriften, Weisungen und Codes durchbrochen werden könnte, denn eine risikofreudige Unternehmensführung, welche ein Merkmal einer freien Wirtschaft sein muss, sollte nicht mit immer mehr Reglementierungen zunehmend formalisierter und damit unflexibler werden.

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2 Grundlagen für Verwaltungsrats-Sitzungen

2.1

Die Bedeutung der Verwaltungsrats-Sitzungen

Die Sitzungen des Verwaltungsrates (VR) sind für die Willensbildung in einer AG - unabhängig von deren Grösse - der entscheidende Ort. Neben der Information und dem Gedankenaustausch werden an den Sitzungen die zukunftsbestimmenden Beschlüsse für das Unternehmen gefasst, und es wird überwacht, ob diese Beschlüsse umgesetzt werden. Deshalb ist jedes VR-Mitglied verpflichtet, an den Sitzungen teilzunehmen, bei der Willensbildung innerhalb des VR aktiv mitzuwirken und an den Abstimmungen teilzunehmen. Stimmenthaltungen bei einzelnen Geschäften befreien grundsätzlich nicht von der Haftung für vom VR getroffene Entscheidungen. Die Teilnahme an VR-Sitzungen ist deshalb nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht. Daher kann ein wiederholtes Fehlen an VR-Sitzungen ohne wichtigen Grund (Krankheit, Verspätung von Transportmitteln usw.) eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellen und im Falle eines Schadens einen Schadenersatz zur Folge haben. 2.2

Die Funktion des Verwaltungsrats-Präsidenten

Gemäss Art. 712 OR bezeichnet der VR seinen Präsidenten (VRP), sofern die Statuten nicht vorsehen, dass er durch die Generalversammlung (GV) gewählt wird. Im Übrigen gewährt das Gesetz dem VR im Hinblick auf die innere Organisation weitgehende Freiheit. In grossen Publikumsaktiengesellschaften sind VR und Geschäftsleitung (GL) meistens klar getrennt und verfügen über einen Vizepräsidenten und Vorsitzende von VR-

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Ausschüssen (z.B. Audit Committee, Nomination Committee usw.), während in kleinen Gesellschaften auch Mitglieder der GL VR sein können. In Familien-AG ist häufig der Unternehmensleiter zugleich Verwaltungsratspräsident. Auch die Aufgaben des VRP sind im Gesetz nicht eindeutig definiert. Verwiesen wird nur auf stärker formelle Aufgaben: – Mitunterzeichnung des VR-Protokolls (Art. 713, Abs. 3 OR), – Einberufung der Sitzungen des VR auf Antrag eines Mitgliedes (Art. 715 OR), – Bewilligung von Gesuchen von VR-Mitgliedern betreffend Auskunft und Einsichtnahme in Bücher und Akten (Art. 715a, Abs. 4 OR), – Mitwirkung bei den HReg-Anmeldungen, sofern diese Aufgabe nicht an einen Stellvertreter delegiert wird (Art. 22, Abs. 2 HRV), – und als einzige materielle Kompetenz der Stichentscheid bei Beschlüssen des VR, sofern die Statuten nichts anderes vorsehen. Tatsächlich sind aber auch gemäss Bundesgerichtspraxis die Präsidialaufgaben umfassender: Die Tätigkeit des Präsidenten beschränkt sich nicht nur auf die Leitung der GV und der VR-Sitzungen, sondern er ist verantwortlich für alle Geschäfte, welche für die Entwicklung der Unternehmung bedeutsam sind. Nach heutiger Auffassung ist der VRP vor allem für die Gesamtentwicklung der Unternehmung verantwortlich. Deshalb wird hier die Auffassung vertreten, seine Funktion (sein Pflichtenheft) sei aus den unübertragbaren Aufgaben des VR abzuleiten (Art. 716a OR), die betriebswirtschaftlich zu präzisieren sind. Abbildung 1 stellt die vier wichtigsten Bereiche im Sinne eines Pflichtenheftes dar.

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Pflichtenheft eines VRP

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Abbildung 1

1. Oberleitung der Gesellschaft Sie umfasst aus betriebswirtschaftlicher Sicht für den VR die folgenden Aufgaben: (1) Entwicklung und Festlegung der strategischen Ziele (Unternehmungspolitik) der Gesellschaft. Auf die Schwierigkeiten von VR mit dieser Aufgabe wird im Abschnitt 3.3.2 eingegangen. (2) Festlegung der für die Zielerreichung notwendigen Mittel. (3) Erhaltung des Gleichgewichtes zwischen Zielen und Mitteln in den verschiedenen Phasen der unternehmerischen Entwicklung. Viele VR orientieren sich bei ihren strategischen Entscheidungen1 zu stark an den technologischen Entwicklungen sowie an Zielvorstellungen über die Möglichkeiten auf den Märkten. Wesentlich ist aber sicherzustellen, dass die Unternehmensziele stets mit den verfügbaren Ressourcen in Übereinstimmung (im Gleichgewicht) stehen. (4) Grundsätzliche Weisungen an die GL, wie sie die Ziele anzustreben und wie sie mit den Mitteln umzugehen hat. Diesem Aspekt ist besondere Sorgfalt zu widmen, weil er dazu verleitet, dass der VR in das operative Geschehen2 eingreift, was nicht seine Aufgabe ist. Der VRP hat dabei folgende Aufgaben: Er sorgt für eine systematische Bearbeitung aller strategischen Aufgaben der Unternehmung, er sorgt dafür, dass strategische Konzepte und Methoden auf einem einheitlichen Verständnis von VR und GL beruhen, er fördert eine strategische Grundhaltung im VR und in der Geschäftsleitung und verhindert bloss planerische Denkhaltungen, er stellt sicher, dass der Umsetzungsprozess der Strategie ziel- und zeitgerecht erfolgt, er stellt sicher, dass die Strategie im VR regelmässig überprüft, nötigenfalls angepasst oder nach wichtigen Veränderungen neu gestaltet wird, er gewährleistet, dass die beschlossene Strategie an den VR-Sitzungen bei allen Verhandlungen beachtet und nicht laufend auf gleiche strategische Fragen zurückgekommen wird.

2. Festlegung der Organisation Hier geht es für den VR um (1) die Sicherstellung einer Aufbau- und Ablauforganisation, damit die Leistungserbringung effektiv erfolgt, wobei sich der VR nicht mit Einzelheiten beschäftigen soll, sondern nur über das Grundsätzliche (z.B. Linien- oder Matrixorganisation) und über die Organisation der obersten Führungsstufe entscheidet, (2) die Zuteilung und Abgrenzung von Kompetenzen und Verantwortungen, damit Doppelspurigkeiten und Entscheidungsverzögerungen vermieden werden, 1

Strategische Führung heisst: langfristige, zielorientierte Entwicklung und Führung einer Unternehmung.

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Operative Führung heisst: Alltägliche Führung einer Unternehmung.

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wobei sich der VR vornehmlich um die Abgrenzung der Kompetenzen und Verantwortungen zwischen VR und GL kümmert (Erlass eines Organisationsreglementes). Aufgabe des VRP ist es, sicherzustellen, dass ein anwendbares Organisationsreglement vorliegt, zu beachten, dass die Organisation (insbesondere die Führungsorganisation) ihre Flexibilität behält und bedacht weiterentwickelt wird, sicherzustellen, dass die Führungspositionen gut besetzt sind, eine Nachwuchsplanung besteht sowie ein faires Beurteilungs- und Remunerationsverfahren richtig gehandhabt wird, in grösseren Unternehmungen situationsgerecht VR-Ausschüsse (Committees) einzusetzen, die Zusammensetzung des VR rechtzeitig zu planen (in Grossunternehmungen Auftragserteilung an das Nomination-Committee, siehe Abschnitt 6).

3. Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle sowie der Finanzplanung, soweit diese für die Führung der Gesellschaft notwendig ist Dazu zählen für den VR (1) die Sicherstellung, dass das Finanz- und Rechnungswesen so ausgestaltet ist, dass eine jederzeitige finanzielle Standortbestimmung möglich ist (das Finanzwesen als Führungsmittel verwendet werden kann), (2) die Überwachung des finanzwirtschaftlichen Geschehens mit der Zielsetzung der dauernden Aufrechterhaltung der Liquidität und des finanziellen Gleichgewichts, (3) die interne Kontrolle im Sinne eines Nachvollzugs und einer Nachprüfung aller finanziellen Abläufe im Unternehmen. Aufgabe des VRP ist es, sicherzustellen, dass die finanzwirtschaftliche Berichterstattung für den VR zweckmässig und aussagekräftig ist, d.h. den Mitgliedern des VR diejenigen Zahlen zur Verfügung stehen, die sie für ihre Zwecke verstehen und interpretieren sowie umfangmässig und zeitlich verarbeiten können sowie als Entscheidungsgrundlage genügen, zu gewährleisten, dass das System des Rechnungswesens so ausgestaltet ist, dass richtige Entscheidungen (z.B. Sortimentsgestaltung, Aufgabe von Betriebsteilen, Outsourcing usw.) getroffen werden können, sicherzustellen, dass die interne Kontrolle den Ansprüchen der Unternehmung genügt (in Grossunternehmungen mit einer eigenen Abteilung „interne Revision“, im KMU mittels einer geordneten Zusammenarbeit mit dem externen Revisor).

4. Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen Hier geht es im VR um (1) die Oberaufsicht über die Zweckmässigkeit von Handlungen und Unterlassungen der GL aus der Sicht der Zielsetzungen der Unternehmung, (2) Beurteilung der Leistungen der GL. Aufgabe des VRP ist es,

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mit der GL regelmässigen Kontakt zu haben, um laufende Probleme zu besprechen und

die VR-Sitzungen vorzubereiten, ohne sich aber in die operative Führungstätigkeit einzumischen, das Gesamtgeschehen im Unternehmen zu überwachen und den Vollzug der Strategie zu beobachten, regelmässige Besuche im Betrieb durchzuführen, um aus Beobachtungen Schlüsse über Entwicklungen in der Unternehmung zu ziehen und diese mit der GL zu besprechen, eine enge Zusammenarbeit mit der internen und externen Revision zu pflegen und in kritischen Fällen Sonderprüfungen anzuordnen, die Leistungen der GL zu beurteilen und mit ihr zu besprechen, Kontakte für die GL nach Aussen zu vermitteln.

Etwas allgemeiner und umfassender ausgedrückt sollte ein VRP − unabhängig von der Unternehmensgrösse − die folgenden Kernaufgaben erfüllen: Er muss für die strategische Ausrichtung der Unternehmung sensibilisieren, indem er dafür sorgt, dass sich unternehmerische Grundwerte und eine eigene Unternehmenskultur entwickeln (normatives Management)3 sowie klare Prioritäten für den Fortbestand und die Weiterentwicklung der Unternehmung gesetzt werden (strategisches Management). Dazu sollte er selbst über eine unternehmerische Vision verfügen, die er in geeigneter Form kommuniziert und mit dem VR und der GL laufend reflektiert (der VRP als Sinngeber, Vordenker, Motivator und Stratege). Er muss dafür sorgen, dass der VR und die GL zielstrebig und wirksam arbeiten (der VRP als Leader). Er muss dafür sorgen, dass die GL die normativen und strategischen Entscheidungen des VR umsetzt und die tägliche operative Arbeit verfolgen, um die Zielerreichung der Unternehmung sicherzustellen. Im Falle von unerwünschten oder Fehlentwicklungen muss er Massnahmen anregen und im schlimmsten Fall in Gang setzen (der VRP als Controller). Er muss der GL zur Reflexion aller unternehmerischen Fragen jederzeit zur Verfügung stehen (der VRP als Gesprächspartner). Er trägt die volle Verantwortung für die Kultur im VR sowie die Durchführung der Generalversammlung und der VR-Sitzungen (der VRP als verantwortlicher Vorsitzender). 3

Normatives Management heisst: Festlegen und Befolgen von Werten und Normen bei der Führung der Unternehmung.

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Die Kultur des Verwaltungsrates

Wie in jeder sozialen Organisation entwickelt sich auch in jedem VR unabhängig von der Grösse der Gesellschaft eine Kultur, das heisst, das Verhalten der VR-Mitglieder in Diskussionen und bei Entscheidungsprozessen wird durch bestimmte Normen, Wertvorstellungen, Denkhaltungen, Verhaltensweisen und Formen des Auftretens geprägt. Nachweislich hat der VRP auf die Kultur seines VR − und damit auch auf die Kultur der GL und der gesamten Unternehmung − einen grossen Einfluss. Deshalb stellt der Aufbau einer guten VR-Kultur eine wichtige und dauernde Aufgabe für den VRP dar. Beachten sollte er die folgenden Gesichtspunkte: Entscheidend für den Aufbau einer VR-Kultur ist die Sinngebung für alle Massnahmen und Entscheidungen, welche der VR zu treffen hat, ihre Konsistenz und Widerspruchsfreiheit sowie deren Verlässlichkeit und Berechenbarkeit. Mit anderen Worten: Je besser die VR-Mitglieder und die GL den tieferen Sinn von Anordnungen in einer ganzheitlichen Sichtweise erkennen, je besser die Normen und Werte sowie die strategischen Anordnungen übereinstimmen und je weniger unerwartet, punktuell und kurzfristig Massnahmen und Entscheidungen getroffen werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich eine gute VR-Kultur und eine positive Beziehung zwischen VRP, VR-Mitgliedern und der GL entwickelt. Entgegen einer verbreiteten Meinung sind Sinngebung, Konsistenz und Berechenbarkeit stärker kulturprägende Faktoren als die Vorbildwirkung des VRP. Anzustreben ist eine kritisch-konstruktive VR-Kultur, d.h. jedes einzelne VRMitglied hat gleiche Chancen, an den VR-Sitzungen kritische Fragen einzubringen, auf Probleme aufmerksam zu machen oder Auskünfte zu möglichen Ungereimtheiten zu erhalten und Anspruch auf eine konstruktive Diskussion. Persönliche Animositäten oder die Verteidigung von Machtpositionen werden unterbunden, indem in jedem Fall einzig von den langfristigen Interessen der Unternehmung her diskutiert und geurteilt wird. Angestrebt wird nicht eine Scheinharmonie, sondern die offene und ehrliche Diskussion, die sich immer an den langfristigen Zielen der Unternehmung orientiert. Alle VR-Mitglieder und die GL werden gleichermassen offen informiert

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und in die Meinungsbildung einbezogen, damit sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickeln kann. Ohne den offenen Umgang mit allen VR- und GL-Mitgliedern kann sich ein gefährliches Hierarchie- und ein autoritäres Beziehungsgefüge entwickeln, das eine kreative Gestaltung der Unternehmensführung verunmöglicht. Der VRP muss also eine Vertrauenskultur aufbauen und die folgenden Gesichtspunkte beachten: Seine normativen und strategischen Vorstellungen sowie sein eigenes Verhalten müssen sinngebend, transparent und berechenbar sein. Kritische Probleme und Fragen werden jederzeit aufgenommen, reflektiert und Lösungen oder Antworten zugeführt. Unangenehmes wird nicht unterdrückt, sondern ausgesprochen. An die Stelle von „Machtspielen“ im VR tritt der kritische Dialog. Probleme werden im Sinne von Entscheidungsprozessen nicht aufgeschoben, sondern so rasch als möglich gelöst. Streitfragen werden versachlicht und anhand der langfristigen Interessen der Unternehmung erledigt. 2.4

Die Sitzungskultur eines Verwaltungsrates

Angesichts der Wichtigkeit der Verwaltungsrats-Sitzungen sollte sich der VRP darum bemühen, eine gute Sitzungskultur aufzubauen. Dazu sind die folgenden Gesichtspunkte zu beachten: Sitzungstypen: Je anspruchsvoller die Aufgaben des VR werden, desto zweckmässiger ist es, verschiedene Sitzungstypen einzuführen, um mittels einer Differenzierung der Tätigkeiten die Wirksamkeit der Sitzungen zu erhöhen. Unterschieden werden können: (1) Die ordentlichen VR-Sitzungen: Sie dienen der Berichterstattung sowie der Beschlussfassung über die ordentlichen Geschäfte (strategische Vollzüge von grundsätzlicher Bedeutung, Projekte, Investitionen und Desinvestitionen, Führungs- und Personalfragen, Organisationsfragen, Akquisitionsprojekte, Kooperationen sowie Massnahmen bei Fehlentwicklungen). Die Zahl der ordentlichen VR-Sitzungen variiert je nach Grösse der Unternehmung zwischen zwei und neun Sitzungen. Bei KMU sowie

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formellen Aktiengesellschaften (Domizilgesellschaften, Konzerntochtergesellschaften, Einmann-Gesellschaften) sind zwei Sitzungen pro Jahr − auch wenn keine gesetzlichen Vorschriften bestehen − zwingend. Eine Sitzung dient der Planung für das kommende Jahr (Jahresziele, Budget), und die andere Sitzung dient der Genehmigung von Jahresbericht und Jahresrechnung sowie der Vorbereitung und Antragstellung an die GV. Grössere Unternehmungen führen im Durchschnitt fünf VR-Sitzungen durch, bei denen gewisse Traktanden (Beratungsgegenstände) bestimmten Sitzungen über die Zeit fest zugeordnet werden (siehe Abbildung 6). VR-Sitzungen dauern in der Regel zwei bis sechs Stunden. (2) Ausserordentliche Sitzungen: Sie finden zusätzlich zu den ordentlichen Sitzungen statt, wenn unerwartete und/oder dringende Sachgeschäfte ohne Aufschub zu erledigen sind (z.B. unvorhergesehene Möglichkeit einer Akquisition, Fehlentwicklungen, Führungsprobleme usw.). Als ausserordentliche Sitzungen gelten auch jene, die auf Verlangen eines VR-Mitgliedes durch den VRP unverzüglich einzuberufen sind (Art. 715a OR). (3) Sondersitzungen: Sie werden einberufen, wenn wohl ein Problembereich zu bearbeiten ist, aber keine Beschlüsse zu fassen sind. Beispiele dafür sind: − Sondersitzungen zur Weiterbildung der VR-Mitglieder (z.B. Einführung in die Eigenarten einer neuen Sparte; Erläuterung von neuen Entwicklungen, die für die VR-Mitglieder relevant sind). − Sondersitzung zur Vorbereitung von wichtigen strategischen Entwicklungsarbeiten (z.B. Einführung in die Terminologie und Methodik, um die Kommunikation zu erleichtern). − Sondersitzungen zur Beurteilung der Qualität der VR-Arbeit (siehe Abschnitt 4.4). Terminplanung: Vor allem in grossen Unternehmungen empfiehlt sich aus Gründen der Verfügbarkeit der VR-Mitglieder eine Planung der Sitzungen auf zwei Jahre, während in KMU die Sitzungen von Fall zu Fall festgelegt werden können.

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Eine feststehende Terminplanung erleichtert es, gewisse Geschäfte immer zur gleichen Zeit bearbeiten zu können, was eine gewisse Stetigkeit in die VR-Arbeit bringt. Unterlagen für die Sitzungen: In gewissen VR werden zu viele, in anderen zu wenig Unterlagen abgegeben. Am Zweckmässigsten ist es, wenn zu Beginn der Amtszeit eines VR gemeinsam abgesprochen wird, welche Dokumente in welcher Form und mit welchem Umfang bereitzustellen sind. Zu beachten ist dabei: − Die VR-Mitglieder sollten festlegen, für welche Zeiträume (monatlich, vierteljährlich, halbjährlich) und in welcher Darstellungsform die Finanzdaten mit der Berichterstattung abzugeben sind. Sichergestellt sein sollte, dass die Daten und Kommentare aussagekräftig und für die VR-Mitglieder verständlich und interpretierbar sind (vor allem in KMU sollte dieser Aspekt auf das Können der VR-Mitglieder ausgerichtet sein). − Sie sollten bestimmen, in welcher Form Investitionsanträge vorzulegen sind (z.B. strategischer Zusammenhang sowie eine zu wählende Form der Investitionsrechnung). − Sie sollten festlegen, ob sie die Berichterstattung an der VR-Sitzung im Voraus schriftlich erhalten wollen (aus Belastungsgründen eher nicht zu empfehlen), oder ob sie eine Zusammenfassung im Protokoll oder als Anhang zum Protokoll die Folien der Berichterstattung (beste Lösung) wünschen. Diese Absprache über die Gestaltung der abzugebenden Unterlagen stärkt längerfristig die Kultur eines VR, weil auf diese Weise oft zu beobachtende Diskussionen über die Qualität von Dokumenten vermieden werden können. Rahmenordnung der Sitzungen: ZuBeginn einer Amtsdauer sollte derVR auch darüber entscheiden, welcher Rahmen für die Sitzungen vorzusehen ist. − Sollten − wie es in grossen und kleinen Unternehmungen der Fall ist − alle ordentlichen und ausserordentlichen Sitzungen am Domizil der Unternehmung und in grossen Gesellschaften gelegentlich am Sitz einer Tochtergesellschaft durchgeführt werden? Oder soll ein zentraler Ort gewählt werden?

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Sollen Sondersitzungen oder Sitzungen mit anspruchsvollen Themen gelegentlich zwei Tage dauern und ausserhalb des Domizils durchgeführt werden? − Sollen VR-Sitzungen gelegentlich in einem besonderen Rahmen stattfinden (z.B. mit einem Mittag- oder Abendessen mit Behördemitgliedern oder Geschäftspartnern, oder gelegentlich eine Sitzung mit einem Rahmenprogramm mit den Ehe- oder Lebenspartnern, oder gelegentlich eine Sitzung mit einer Besichtigung oder einem kulturellen Programm)? Auch dieser Entscheid prägt die Kultur eines Verwaltungsrates. Teilnehmende an der VR-Sitzung: Grundsätzlich geregelt werden sollte vor allem in grösseren Gesellschaften, wer an den VR-Sitzungen teilnimmt. − Weitgehend unbestritten ist, dass der Vorsitzende der GL an jeder Sitzung teilnehmen muss, denn er ist die wichtigste Auskunftsperson. − Ob alle Geschäftsleitungsmitglieder einzuladen sind, ist immer noch umstritten. Hier wird die Auffassung vertreten, dass deren Teilnahme von Vorteil ist, weil dadurch der VR vielgestaltiger informiert wird und in gezielter Weise direkte Nachfragen möglich werden. Nicht selten entsteht dadurch ein differenzierteres Bild, als wenn nur der Vorsitzende der GL ein Geschäft vorträgt. Als Kompromiss findet sich auch die Lösung, dass die einzelnen GLMitglieder nur zu den Traktanden eingeladen werden, die sie unmittelbar zu vertreten haben. Dadurch verlieren die GL-Mitglieder weniger Zeit. Umgekehrt wird aber die Zeitplanung für die Sitzung schwieriger, und die GL-Mitglieder haben weniger Gelegenheit, die Gesamtsicht des VR zu erkennen. − Keine einheitliche Meinung besteht auch bezüglich des Beizuges von Drittpersonen. Im Prinzip ist es zulässig, Mitarbeitende, aussenstehende Berater und Spezialisten (z.B. Vertreter der Revisionsstelle, wenn es um Fragen des Finanz- und Rechnungswesens geht) zu sie betreffenden Traktanden einzuladen. Sie haben sich aber auf Erläuterungen, die Beantwortung von Fragen und die Abgabe von Empfehlungen zu beschränken. Sollten sie sich an Abstimmungen

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beteiligen, so kann der entsprechende Beschluss Nichtigkeitsfolgen haben. Es ist auch möglich, dass auf Begehren eines einzelnen VRMitgliedes eine Drittperson beigezogen wird. Dritte unterstehen in jedem Fall der Schweigepflicht. In Familiengesellschaften kommt es immer wieder vor, dass eine Drittperson (z.B. ein massgebliches Familienmitglied) an allen VRSitzungen teilnehmen will, ohne VR-Mitglied zu werden. Dazu bedarf es der Zustimmung aller VR-Mitglieder. Solche Personen dürfen aber an der Beschlussfassung nicht teilnehmen, und es ist von ihnen eine Geheimhaltungs- und Treuepflichtserklärung zu verlangen. Möglich ist es, dass ein einzelnes VR-Mitglied gegen die Anwesenheit solcher „Dauergäste“ Einspruch erhebt, so dass diese Person die Sitzung verlassen muss. − Der VR sollte aber auch Gelegenheit zur Diskussion von Problemen ohne Anwesenheit des Vorsitzenden der GL und ihrer Mitglieder haben. Die beste Lösung dafür ist die Instiutionalisierung eines „Privatissimums“ der VR-Mitglieder, das in institutionalisierter Form bei Bedarf an jeder VR-Sitzung stattfindet (z.B. während des SandwichLunch, um Zeit zu sparen). Mit der Institutionalisierung des Privatissimums entstehen keine Unsicherheiten für die GL-Mitglieder: Sie wissen, dass der VR regelmässig und üblicherweise für eine kurze Zeit am Anfang oder Ende der VR-Sitzung unter sich tagt. Auch die Grundsatzentscheidung über die Teilnehmenden an der VRSitzung trägt zur VR-Kultur bei, weil klare Voraussetzungen geschaffen werden, wodurch Gerüchte und Mutmassungen vermieden werden, die entstehen, wenn die Teilnehmenden punktuell immer wieder nach anderen Gesichtspunkten eingeladen werden. Hier wird die Auffassung vertreten, dass vor allem bei schwierigen Geschäften zusätzlich verantwortliche Sachbearbeiter als Dritte eingeladen werden sollten, um die Vorlagen unmittelbar zu erläutern. Dadurch lernt der VR nicht nur Nachwuchsleute, die allenfalls für Beförderungen vorgesehen sind, kennen, sondern nicht selten lassen sich bei einer sorgfältigen Beobachtung des Vortragenden und der Reaktionen der GL Ungereimtheiten erkennen, die durch geschicktes

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Nachfragen geklärt werden können (z.B. zu optimistische Vorstellungen der GL, Mängel bei der Information der Sachbearbeiter oder gar grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten). Sitzungsordner: Oft kommt es an VR-Sitzungen zu Verzögerungen, weil sich nicht mehr alle VR-Mitglieder an die Vorgaben in den Statuten und im Organisationsreglement, an die strategischen Entscheidungen und Aktionspläne usw. erinnern. Deshalb sollte an jeder Sitzung jedem VR-Mitglied an seinem Platz ein Sitzungsordner bereitgestellt werden, welcher die grundlegenden Dokumente der Gesellschaft beinhaltet. Abbildung 2 zeigt die möglichen Inhalte des Sitzungsordners.

Inhalt des Sitzungs-Ordners

Abbildung 2

1. 2. 3. 4. 5.

Statuten der Gesellschaft Organisationsreglement der Gesellschaft Organigramm der Gesellschaft Strategie und Aktionspläne der Gesellschaft Jahresbericht und Jahresrechnung der Gesellschaft 6. Wichtige Verträge der Gesellschaft (z.B. Kooperationsverträge, Lizenzverträge usw.)

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