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Rolf Dubs
Normatives Management Ein Beitrag zur einer nachhaltigen UnternehmensfĂźhrung und -aufsicht
4., umfassend Ăźberarbeitete Auflage
HAUPT VERLAG
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4. Auflage: 2019 3. Auflage: 2015 2. Auflage: 2012 1. Auflage: 2010 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http: //dnb.dnb.de abrufbar. Der Haupt Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016 – 2020 unterstützt. ISBN 978-3-258-08148-9 Alle Rechte vorbehalten. Copyright © 2010 Haupt Bern Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig. Satz Umschlag und Inhalt: Die Werkstatt Medien-Produktion Gmbh, Göttingen Printed in Austria www.haupt.ch
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Geleitwort
Mit der Schriftenreihe «VR- und GL-Praxis» wollen wir die wichtigsten Untersuchungsergebnisse unseres International Center for Corporate Governance (www.icfcg.org) einem Fachpublikum vorstellen. Unser «New Corporate Governance»-Ansatz beinhaltet folgende Empfehlungen: –– –– –– ––
Keep it situational Keep it strategic Keep it integrated Keep it controlled
Die hier vorliegende Schrift ist dem zweiten Grundsatz «Keep it strategic» zuzuordnen. Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hat eines aufgezeigt: Die quartals orientierte Shareholder-Maximierung und Wirtschaftsethik sind unvereinbar. Zu den erfolgreichsten Unternehmen gehören in den meisten Ländern Familiengesellschaften, bei denen Familyness einen Wettbewerbsvorteil darstellt, sowie vereinzelt transnationale Unternehmen (wie z.B. Nestlé oder Johnson & Johnson). Was ist diesen gemeinsam? Sie vertreten alle einen nachhaltigen «Shared Value-Ansatz». Dabei werden gemäss der nachfolgenden Abbildung bei allen wichtigen Unternehmensentscheiden immer gleichzeitig die Ansprüche der Kunden, Eigentümer, Mit arbeitenden und der Mitwelt berücksichtigt.
Geleitwort 5
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Shareholder-Orientierung
Globaler Shareholder Value-Ansatz Top Executives
«Glokaler» Shared Value-Ansatz Aktionäre
Kunden Personal Mitwelt
Aktionäre Kunden Kreditoren
Lokaler Stakeholder Value-Ansatz
Personal
Kreditoren Personal (inkl. Top Executives) Kunden Gesellschaft Aktionäre
Corporate Governance-Ansätze Stakeholder-Orientierung
Die meisten Corporate Governance-Richtlinien für börsenkotierte Unternehmen basieren auf dem Shareholdermaximierungsansatz, der wirtschafts ethisches Verhalten vernachlässigt. Es verwundert deshalb nicht, dass der Südafrikanische King III Report weltweit zu den wenigen Ausnahmen gehört, der sowohl den Shared Value-Ansatz als auch wirtschaftsethisches Verhalten postuliert (vgl. 3.5.5.3).
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In dieser neuen Ausgabe unserer Schriftenreihe stellt Rolf Dubs, der über langjährige Erfahrung mit Erfolgsausweis als Präsident und Mitglied des Verwaltungsrats zahlreicher namenhafter Unternehmen im In- und Ausland verfügt, einen Beitrag zu einer nachhaltigen Führung und Aufsicht von Unternehmen vor. Ob Unternehmen in Zukunft zu den Gewinnern oder Verlierern im Zuge des weltweiten Wandels gehören, hängt vor allem von der Wahl des Werteansatzes ab.
St. Gallen, Juni 2019 Martin Hilb Herausgeber der Schriftenreihe «VR- und GL-Praxis»
Geleitwort 7
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Inhaltsverzeichnis
Geleitwort 5 Vorwort zur vierten Auflage 13 1 Grundlegung 15 2 Denkmodelle der Unternehmensführung 19
2.1 Zielvorstellung 19 2.2 Das traditionelle, eindimensionale Verständnis der Unternehmung 19 2.3 Ein neues integratives Unternehmensmodell 22 2.4 Zielkonflikte als Merkmal ganzheitlich vernetzter Unternehmensführung 23 2.5 Definition der Nachhaltigkeit 25 2.6 Der Weg zu nachhaltigen Unternehmensstrategien 27 2.7 Standpunkte zum normativen Management und Erkenntnisse aus juristischer Sicht und empirischen Studien 28 2.7.1 Juristische Einwände gegen das normative Management aus der Sicht der Principal-Agent-Theorie 28 2.7.1.1 Die Principal-Agent-Theorie 28 2.7.1.2 Die Argumentation der Vertretenden der P rincipal-Agent-Theorie 29 2.7.1.3 Erkenntnisse aus empirischen Arbeiten 35 2.8 Folgerungen für Führungskräfte 37 2.9 Ein mahnendes Wort 39 3 Orientierungshilfen für das normative Management 41
3.1 Erwartungen 41 3.2 Die Wirtschaftsethik 41
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3.2.1 Ansatz 41 3.2.2 Die drei Ansätze der Wirtschaftsethik 42 3.2.2.1 Übersicht 42 3.2.2.2 Korrektive Wirtschaftsethik 43 3.2.2.3 Funktionalistische Wirtschaftsethik 44 3.2.2.4 Integrative Wirtschaftsethik 45 3.3 Folgerungen für Führungskräfte 48 3.4 Massnahmen für Unternehmungen 49 3.5 Initiativen zur Nachhaltigkeit (Corporate Social Responsibility) 50 3.5.1 Grundlagen 50 3.5.2 Ziele der UNO für eine nachhaltige Entwicklung 51 3.5.3 Principles for Responsible Investment (PRI) 54 3.5.4 World Ethos Declaration 55 3.5.5 Code of Corporate Governance 57 3.5.5.1 Grundlagen 57 3.5.5.2 Der Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance 59 3.5.5.3 Der «King Code of Governance for South Africa 2009» 61 3.5.6 Aktionsplan des schweizerischen Bundesrates zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen 64 3.5.7 Code of Conduct (Code of Ethics) 66 4 Die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen in der Wirtschaft 69
4.1 Vorbemerkung 69 4.2 Problemstellung 69 4.3 Nachhaltigkeitsprozesse in Produktions- und Dienstleistungsunternehmungen 71 4.3.1 Erster Schritt: Analyse der künftigen Entwicklung der ökonomischen und technologischen Umweltsphäre der Unternehmung 71 4.3.2 Zweiter Schritt: Analyse der künftigen Probleme in der sozialen und ökologischen Umweltsphäre der Unternehmung 71
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4.3.2.1 Herausforderungen für die Verwaltungsräte und die Geschäftsleitungen 71 4.3.2.2 Persönliche Wertvorstellungen und ihr Einfluss auf die Beachtung der Nachhaltigkeit 72 4.3.2.3 Ein Modell zur Reflexion normativer Fragen 73 4.3.2.4 Kriterien der Nachhaltigkeit (ESG-Matrix) 75 4.3.3 3. Schritt: Nachhaltigkeit in die ökonomischen, technologischen, strategischen Ziele integrieren 85 4.3.3.1 Grundsatz 85 4.3.3.2 Das Wechselspiel zwischen der ökonomischtechnologischen Strategie und der Nachhaltigkeit 85 4.3.4 4. Schritt: Überwachung der Zielerreichung (Compliance) 86 4.4 Nachhaltigkeitsprozesse bei Banken, Fonds, Versicherungen und Pensionskassen 87 4.4.1 Grundsätzliches 87 4.4.2 Der Prozess 88 5 Die Bewertung der Massnahmen zur Nachhaltigkeit
91 5.1 Ausgangspunkt 91 5.2 Das quantitative ESG-Rating und Ranking 93 5.2.1 Das Ratingverfahren für einzelne Unternehmungen und Unternehmungsgruppen 93 5.2.2 Rating und Ranking der Nachhaltigkeitsberichterstattung 95 5.2.3 Rating und Ranking der Nachhaltigkeit von Branchenverbänden 96 5.3 Probleme mit dem ESG-Rating und Ranking 97
6 Nachwort 99
6.1 Grundsätzliches 99 6.2 Die Fähigkeit zur Reflexion 101 6.3 Notwendigkeit des ganzheitlichen Denkens in der gesamten Wirtschaft 104 6.4 Gedankenanstösse für Leitungsorgane von Unternehmungen 106 Literaturverzeichnis 107
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Vorwort zur vierten Auflage
Die Vorgänge in der Gesellschaft und Wirtschaft werden immer komplexer, und die Anforderungen an Führungskräfte steigen laufend. Grund dafür sind mehrere Ursachen: Unsere Gesellschaft entwickelt sich immer rascher zu einer Anspruchsgesellschaft, die der Wirtschaft stets neue Antriebe gibt. Glücklicherweise ist die Wirtschaft in unseren Ländern dank der Marktwirtschaft und guter Führungskräfte so innovativ, dass sie weiter wachsen und die vielen Ansprüche weitgehend erfüllen kann. Leider beginnen sich aber die Gefahren dieser Entwicklung zu häufen. Die gesunde Entwicklung der Natur ist gefährdet. Und es sind mehr und mehr soziale Probleme zu lösen, die weitere Zielkonflikte in der Wirtschaft und in der Politik bringen, und deren Lösungen oft zu staatlichen Interventionen zwingen. Viele dieser Interventionen, die nicht selten die Folge von Fehlentwicklungen sind, belasten die Führungskräfte zusätzlich. Immer häufiger werden sie von gewissen Kreisen in wenig differenzierter Weise als Sündenböcke für alle Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht. Dies mit der Behauptung, ihr Denken und Tun orientiere sich nur an Macht und Gewinn, und soziale sowie ökologische Probleme würden sie nicht interessieren. In Einzelfällen mag dies zutreffen. Doch Veränderungen sind im Gange. Schon viele Führungspersonen richten ihr Denken und Handeln auf Nachhaltigkeit und damit auf Gewinne unter Nebenbedingungen aus und beachten Ziele einer nachhaltigen Unternehmensführung (sie nehmen die Corporate Social Responsibility ernst) vertieft. Angesichts der Problemfülle unserer Zeit muss das normative Denken (der ethische Aspekt) des wirtschaftlichen Handelns weiterhin gestärkt werden, was allerdings nicht nur ein Ziel für die Wirtschaft sein darf, sondern als Forderung für alle Menschen gelten muss, denn für Fehlentwicklungen sind alle Menschen mitverantwortlich. Nachhaltigkeit darf deshalb nicht nur für die Wirtschaft und ihre Leitungspersonen eine Grundhaltung sein. Sie alle sollten aber mit diesem neuen Denken vorbildlich wirken und tätig sein.
Vorwort 13
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Mit dieser Frage setzt sich diese Schrift auseinander. Sie versucht zu zeigen, was eine nachhaltige Wirtschaft ist, und wie Unternehmungen und andere Organisationen der Wirtschaft die Nachhaltigkeit ihres Tuns noch verbessern können. Sie setzt eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung voraus, denn nur sie ist in der Lage, die weiterhin steigenden Ansprüche der genannten Bevölkerung zu erfüllen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss jede Unternehmung Gewinne erzielen, denn ohne einen angemessenen Gewinn überleben die Unternehmungen nicht. Zu beachten ist aber der Zusammenhang zwischen Gewinn und Nachhaltigkeit. Allgemein gültige Aussagen dazu sind jedoch unmöglich. Neue politische und theoretische Ideen zum wirtschaftlichen Handeln können nur zur Reflexion anregen aber zu keinen endgültigen Entscheidungen führen. Dazu braucht es Diskurse insbesondere der Leitungspersonen von Unternehmungen. Sie sollen sich stets mit einem diskursethischen Ansatz um die Weiterentwicklung der Wirtschaft und ihrer Nachhaltigkeit bemühen und Schritt-um-Schritt Veränderungen in ihrem Tun erzielen. Patentlösungen werden angesichts der vielen Zielkonflikte zur Ausnahme. St. Gallen, August 2019 Rolf Dubs em. Professor für Wirtschaftspädagogik Universität St. Gallen
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1 Grundlegung
Auch in den entwickelten Ländern wollen die meisten Menschen immer mehr. Und viele von ihnen sind glücklich, wenn sie sich Vieles leisten können, und dies auch zunehmend billiger und vielfältiger wird: eine Fülle von Gütern, die das Leben bequemer und kurzweiliger machen, weite Reisen zur Entspannung und zum Vergnügen sowie laufend weitere Freiheiten für die Gestaltung des eigenen Lebens. Dass man sich heute mehr leisten kann, ist eine Folge des technischen Fortschrittes, des Wirtschaftswachstums und der verbesserten Arbeitsbedingungen. Zwar erkennen immer mehr Leute, dass die steigenden Begehrlichkeiten zu Problemen aller Art führen. Die Reaktionen darauf sind jedoch sehr verschieden, was die Meinungsvielfalt zunehmend grösser werden lässt. Immer mehr Menschen nehmen gesellschaftliche und wirtschaftliche Fehlentwicklungen wahr, tragen aber nichts zu Lösungen bei und/oder erwarten, dass der Staat oder andere Kreise aktiv werden. Eine weitere Gruppe macht die Wirtschaft für alle Fehlentwicklungen verantwortlich und erwartet von ihren Entscheidungsträgern wirksame Massnahmen, häufig ohne eigenen Verzicht auf ihre Vorteile und Annehmlichkeiten. Eine Gruppe von «Gutmenschen» tritt für radikale Veränderungen in der Gesellschaft und in der Wirtschaft ein (z. B. Verzicht auf die Marktwirtschaft). Ihre Zielvorstellungen sind jedoch meistens dogmatisch und radikal. Sie wirken polarisierend und führen stets zu nicht von vielen Leuten akzeptierten wirksamen Lösungen. Sie wenden sich immer öfter einseitig und wenig reflektiert gegen die Wirtschaft, die Unternehmungen und die Führungskräfte der Wirtschaft. Schliesslich gibt es Leute, Unternehmungen und Organisationen, die eine Politik der kleinen Schritte im Rahmen globaler Ziele im Bewusstsein der vielen Zielkonflikte und der Notwendigkeit zu Kompromissen zur Verbesserung der grösser werdenden Probleme in der Gesellschaft und in der Wirtschaft verfolgen. Diese Gruppe von Leuten setzt sich insbesondere mit dem Spannungsfeld Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Wohlbefinden sowie mit
Kapitel 1: Grundlegung 15
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den negativen Folgen des wirtschaftlichen Wachstums für die Natur und die Menschen mit sachlich belegbaren Argumenten auseinander. Sie suchen in der Meinungsvielfalt bei den vielen Zielkonflikten nach begründbaren Kompromissen mit neuen Problemlösungen. Zweifellos hat die Wirtschaft mir ihren Wachstumszielen in den vielen Jahren des Aufschwungs neben Erfolgen viele der heutigen Probleme zu verantworten. Aber eine Wirtschaft ohne Wachstum ist nicht denkbar. Von Nöten ist aber ein nachhaltiges Wachstum, das den folgenden Zielen gerecht wird: Erstens ist die ökologische Umwelt in allen ihren Bereichen zu schützen. Angesichts der bereits heutigen Schäden werden Umweltinvestitionen zwingend. Konkrete Massnahmen setzen aber eine wachsende Wirtschaft voraus, welche geeignet ist, diese Massnahmen in politisch vertretbarer Form und ohne grosse Einkommensbussen zu finanzieren. Gelingen kann dies zweitens nur in einer wachsenden Wirtschaft, welche den technischen Fortschritt finanzieren kann. Drittens ist das Lohngefüge zu verbessern, damit es nicht zu einer (grösseren) Einkommensungleichheit kommt, die zu politischen Unruhen und einer gesellschaftlichen Instabilität führen kann. Steigende Löhne und höhere Versicherungskosten aller Art setzen aber eine wachsende Wirtschaft voraus. Viertens besteht ein gewisser Zusammenhang zwischen Einkommenshöhe und Zufriedenheit der Menschen, was ein wirtschaftliches Wachstum voraussetzt. Zu beachten ist dabei, dass diese Wechselwirkung zwischen Löhnen und Zufriedenheit nur bis zu einer gewissen Einkommenshöhe gilt. Wird dieser Schwellenwert erreicht, könnte das Wirtschaftswachstum an Bedeutung verlieren. Dies dürfte aber noch lange nicht der Fall sein, denn der Wunsch breiter Bevölkerungsschichten nach mehr Einkommen und Wohlstand ist immer noch gross. In dieser Schrift wird also für ein weiteres Wirtschaftswachstum eingetreten. Betrachtet wird aber nicht ein herkömmliches ausschliesslich auf die Gewinnmaximierung ausgerichtetes Wachstum, sondern auf ein nachhaltiges Wachstum und damit eine nachhaltige Unternehmensführung. Oft wird auch von Corporate Social Responsibility gesprochen und damit zum Ausdruck gebracht, dass es im Rahmen der nachhaltigen Unternehmensführung Massnahmen mit Beeinträchtigung des Gewinns und der Rendite und solche ohne Auswirkungen darauf gibt. So kann eine Unternehmung ihre Plastikverpackungen durch Kartonverpackungen ersetzen, ohne dass zusätz-
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liche Kosten entstehen. Oder eine Unternehmung kann auf ein Produkt einen Zuschlag verrechnen, der für eine Aktion des Umweltschutzes verwendet wird. Das grosse Problem in der Unternehmensführung zeigt sich immer wieder bei der Frage der strategischen und operativen Umsetzung der nachhaltigen Unternehmensführung. Wer entscheidet über die strategischen Absichten? Wer trägt die Verantwortung für die Umsetzung? Wie wird die Öffentlichkeitsarbeit gestaltet? Solchen Fragen wird in dieser Schrift viel Raum gegeben.
Kapitel 1: Grundlegung 17
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2
Denkmodelle der Unternehmensführung
2.1 Zielvorstellung Eine Wirtschaft mit Unternehmungen, die nachhaltig sein wollen, darf ihr Denken und Entscheiden nicht mehr nur auf ökonomische Ziele und auf die Wege zum grösstmöglichen Gewinn ausrichten. Die Unternehmungen müssen auch ökologische, soziale und Governance-Ziele (ESG: Ecological, Social and Governance) in ihr Denken und Handeln einbeziehen. Der Gewinn bleibt zwar eine unabdingbare Voraussetzung für den Fortbestand unserer Wirtschaftsordnung, aber er muss, soll eine grössere Nachhaltigkeit der Wirtschaft erreicht werden, auch ESG-Ziele verfolgen. Gelingen kann dies nur, wenn das herkömmliche Paradigma der Unternehmungsführungslehre (eindimensionales, nur gewinnorientiertes Verständnis der Unternehmung) durch ein die heutigen Fehlentwicklungen in vielen (nicht allen) Unternehmungen durch ein neues alle Lebensbereiche umfassendes Paradigma ersetzt wird, also integrativ ist.
2.2
Das traditionelle, eindimensionale Verständnis der Unternehmung
Das traditionelle, eindimensionale Verständnis der Unternehmung (siehe Abbildung 1) geht davon aus, dass sich die Unternehmungen einzig und allein an den Vorgängen in der ökonomischen Umwelt (an den Güter- und Dienstleistungsmärkten sowie den Arbeits- und Kapital-märkten) sowie in der technologischen Umwelt (Forschung und Produktentwicklung) orientieren und ihre Trends erfassen, um aufgrund einer solchen Analyse alle strategischen (langfristig prägenden) unternehmerischen Entscheide allein anhand des
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Kriteriums der Gewinnmaximierung sowie der dauernden Erhaltung der Unternehmung zu treffen. Diese Vorstellung beruht auf der allgemeinen Gleichgewichtstheorie, welche besagt, dass auf perfekten Märkten immer eine Tendenz zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage entsteht, wenn jede Gruppierung regelmässig nach einer Nutzenmaximierung, die Unternehmungen also nach einer Gewinnmaximierung streben. Der Zwang zur Nutzen- und Gewinnmaximierung ist nicht nur die Triebkraft für das unternehmerische Bemühen um eine maximale Produktion mit fortwährenden Innovationen zu minimalen Kosten, sondern er will längerfristig auch sicherstellen, dass alle Menschen die besten Chancen für ihren persönlichen Wohlstandsgewinn haben. ogische Umw hnol elt tec mische Umw elt ono ök
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Ziele
– Gewinnmaximierung – dauernde Erhaltung
Denkweise – disziplinär – linear – rational-ökonomisch Probleme – Umwelt – gesättigte Märkte – veränderte Einstellung der Menschen
Abbildung 1: Das herkömmliche Unternehmensmodell
Sicher hat diese Denkweise den wirtschaftlichen Fortschritt der letzten hundert Jahre und damit den Wohlstand (die steigende Menge von verfügbaren Gütern und Dienstleistungen) gefördert. Inzwischen ist sie aber bei vielen Leuten zu einem Dogma geworden, das eine konfliktfreie Weiterentwicklung unserer Gesellschaft und Wirtschaft nicht mehr garantiert. Dies deshalb, weil das damit verbundene lineare und rein ökonomische, ausschliesslich auf die Gewinnmaximierung ausgerichtete Denken die Folgen der immer akuter
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werdenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme einer modernen Wohlstandsgesellschaft nicht mehr zu bewältigen vermag: (1) Schon früh förderte dieses lineare Denken die Massenproduktion. Um die Gewinnbasis zu erhalten, versuchten viele Unternehmungen gleiche Produkte in grösseren Mengen billiger herzustellen. Sie übersahen aber die zunehmende Überbeanspruchung der natürlichen Ressourcen sowie die Verschwendung auf Seiten der Konsumenten. Die ökologische Entwicklung wurde zu einem Problem, das heute nach weiteren Massnahmen ruft. (2) Es entstehen in einzelnen Ländern oder Branchen Überkapazitäten, welche aus Gründen der Arbeitsplatzerhaltung (sozialer Aspekt) nicht mehr durch Stilllegung von Betrieben beseitigt werden können, sondern mittels wenig wirksamer staatlicher Subventionen durchzuhalten sind, was trotz den vermeintlichen Vorzügen des Marktes zu vielen wirtschaftlichen Ineffizienzen führt und die Problematik eines oft notwendigen Abbaus von Arbeitsplätzen nicht beseitigt. (3) Die Gewinnmaximierung hat zum kurzfristigen Denken verleitet und die langfristige, innovative und strukturgerechte Weiterentwicklung von Unternehmungen in vielen Bereichen behindert. Dadurch sind viele Strukturprobleme in der Wirtschaft ungelöst geblieben. (4) Weil nicht alle Menschen über die gleichen Gegebenheiten (Ausbildung, Berufswahl, Aufstiegschancen usw.) verfügen, öffnet sich die soziale Schere: Einzelne Menschen werden bevorzugt, andere benachteiligt. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Bevölkerung beginnen auseinanderzuklaffen, wenn auch in der Schweiz bei den Einkommen in einem geringeren Ausmass als in den meisten anderen Ländern. (5) Moderne Entlöhnungssysteme (insbesondere Bonussysteme) fördern die kurzfristige Gewinnmaximierung im Interesse der persönlichen und unbedachten Gier einzelner (nicht aller) Manager. (6) Das nicht zuletzt unter dem Zwang der Gewinnmaximierung kurzfristiger werdende Denken und Handeln vieler Manager wird die Wirtschaft krisenanfälliger machen und immer weitere Bereiche in ihrer Stabilität bedrohen. Verschärfen wird sich diese Entwicklung durch gleichgerichtete Verhaltensweisen vieler Unternehmungen und Manager (optimistische und pessimistische Einstellungen), welche durch die Medien systematisch verstärkt werden, was die Instabilität fördert.
Kapitel 2: Denkmodelle der Unternehmensführung 21
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(7) Schwankungen in der Wirtschaftsentwicklung und unreflektiertes Verhalten von Managern erhöhen die Skepsis vieler Menschen gegenüber marktwirtschaftlichen Systemen, die Kritik am Unternehmertum wird lauter, und es wird immer häufiger nach staatlichen Interventionen gerufen, welche nicht nur kostspielig sind, sondern auch die Effizienz der Wirtschaft nachweislich beeinträchtigen. Solche Fehlentwicklungen müssen mit einem neuen Unternehmungsmodell, welches auf eine Abkehr vom rein gewinnmaximierenden Denken auszurichten ist, überwunden werden.
2.3
Ein neues integratives Unternehmensmodell
Die eben nachgezeichneten Fehlentwicklungen lassen sich nur überwinden, wenn die Unternehmungen ihre Entscheidungen nicht mehr nur auf die Entwicklungen in der ökonomischen und der technologischen Umwelt ausrichten, sondern sie für ihre strategische Planung auch Erkenntnisse aus den Trends der sozialen Umweltsphäre (Mitarbeitende, Gesellschaft, Staat) und der ökologischen Umweltsphäre (natürliche Umwelt und Nachwelt) mit einbeziehen und sich nicht nur mit den Ansprüchen der Kapitalgeber (Shareholder), sondern auch aller weiteren Anspruchsgruppen (Stakeholder: Mitarbeitende, Lieferanten, Kunden, Staat, nicht gouvernementale Organisationen) auseinandersetzen, sie also ihre strategischen Überlegungen an allen Umweltsphären und Anspruchsgruppen orientieren (siehe Abbildung 2; ausführlich Dubs 2012). Dies gelingt aber nur, wenn an Stelle der Gewinnmaximierung das Prinzip eines Gewinns unter Nebenbedingungen tritt. Gewinn bleibt ein konstituierendes Merkmal einer jeden marktwirtschaftlichen Ordnung. Er muss langfristig so hoch sein, dass die Unternehmung dauernd erhalten bleibt (zielgerichtet abgeschrieben und ein angemessener Gewinn ausbezahlt werden kann, damit sich ein Investment lohnt). Dies bedingt ein ganzheitliches (vernetztes) Denken in allen vier Umwelten und unter Einbezug der Ansprüche aller Anspruchsgruppen. Mit anderen Worten darf das unternehmerische Denken nicht mehr nur ökonomisch linear erfolgen, sondern es muss ganzheitlich vernetzt sein. Diese ganzheitliche Form unternehmerischen Denkens
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erschwert jedoch die unternehmerische Entscheidungsfindung, weil nicht mehr nur anhand der Zielsetzung Gewinnmaximierung entschieden werden kann, sondern jeder unternehmerische Entscheid beinhaltet vielfältige Widersprüche infolge einer Vielzahl von Zielvorstellungen und Ansprüchen. Deshalb müssen sich die Leitungsorgane einer Unternehmung dauernd mit Zielkonflikten auseinandersetzen.
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– Gewinn unter Nebenbedingungen – dauernde Erhaltung
Denkweise – interdisziplinär – vernetzt – ganzheitlichh Probleme – Zielkonflikte
Abbildung 2: Ein ganzheitliches Unternehmensmodell
2.4
Zielkonflikte als Merkmal ganzheitlich vernetzter Unternehmensführung
Ein Zielkonflikt liegt vor, wenn ein Problem auf verschiedene Weise gelöst werden kann, und keine Lösung allein richtig ist, sondern jede Lösung Vorteile und Nachteile hat. Je sorgfältiger alle Entwicklungstendenzen in den Umweltsphären und bei den Anspruchsgruppen in das unternehmerische Denken miteinbezogen werden, desto mehr Probleme entstehen, welche Zielkonflikte darstellen (siehe Abbildung 3). Einzig richtige (Patent-)Lösungen werden mit der Zunahme
Kapitel 2: Denkmodelle der Unternehmensführung 23
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der Komplexität des unternehmerischen Geschehens immer seltener werden. Zu entscheiden ist anhand von vielen Kriterien, so dass jede Lösung Vorteile und Nachteile hat, welche bei der Entscheidungsfindung abzuwägen sind. An die Stelle von Patentlösungen treten verschiedene mögliche Lösungen, welche alle Zielkonflikte beinhalten. Deshalb müssen sich gute Manager in Zukunft durch einen gekonnten Umgang mit Zielkonflikten auszeichnen. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: Eine Unternehmung hat ein neues stark nachgefragtes Produkt entwickelt und kann es sofort auf den Markt bringen. Es ist ihr aber bewusst, dass dieses Produkt zu vielen Abfällen führt und deshalb umweltbelastend wirkt. Orientiert sie sich nur am Prinzip der Gewinnmaximierung, so ist der Entscheid einfach: Das Produkt wird auf den Markt gebracht. Beachtet sie aber die damit vorhandenen Probleme in der ökologischen Umwelt, wird sie zunächst an der kostspieligen Weiterentwicklung des Produkts zu einer besseren Umweltgerechtigkeit arbeiten, so dass nicht mehr ein maximaler Gewinn, sondern nur noch ein Gewinn unter Nebenbedingungen im Interesse der Umwelt erzielt werden wird – eine Situation, die auch heute noch für viele Manager einen ernsthaften Zielkonflikt darstellt. Problem
Lösung A
Lösung B
Lösung C
Vorteile Nachteile
Vorteile Nachteile
Vorteile Nachteile
Abbildung 3: Zielkonflikte
Die schwierigsten Zielkonflikte entstehen für viele Verwaltungsräte, Unternehmer und Manager immer dann, wenn sie aus persönlicher Verantwortung nicht einen maximalen, sondern einen Gewinn unter Nebenbedingungen anstreben: Sie stehen vor der Kernfrage der strategischen Ausrichtung ihrer Unternehmung.
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