Jackson, Falttechniken

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VON DER FLÄCHE ZUR FORM FALTTECHNIKEN IM PAPIERDESIGN PAUL JACKSON

Haupt

GESTALTEN


Die englische Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel Folding Techniques for Designers bei Laurence King Publishing Ltd., GB-London Copyright © 2011 Paul Jackson Aus dem Englischen übersetzt von Lina Feske, D-Berlin Satz der deutschsprachigen Ausgabe: Die Werkstatt, D-Göttingen Redaktion der deutschsprachigen Ausgabe: Ute Orth, D-Freiburg Buch- und Umschlaggestaltung von & SMITH www.andsmithdesign.com Fotos: Meidad Sochovolski Gedruckt in China Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN: 978-3-258-60019-2 Alle Rechte vorbehalten. Copyright © 2011 für die deutschsprachige Ausgabe by Haupt Berne Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig. www.haupt.ch Wünschen Sie regelmäßig Informationen über unsere neuen Titel zum Gestalten? Möchten Sie uns zu einem Buch ein Feedback geben? Haben Sie Anregungen für unser Programm? Dann besuchen Sie uns im Internet auf www.haupt.ch. Dort finden Sie aktuelle Informationen zu unseren Neuerscheinungen und können unseren Newsletter abonnieren.


VON DER FLÄCHE ZUR FORM Paul Jackson

FALTTECHNIKEN IM PAPIERDESIGN

Haupt Verlag Bern • Stuttgart • Wien


INHALT

00.

SYMBOLE

Einleitung Wie Sie dieses Buch nutzen können

01.

GRUNDLAGEN

1.1. 1.1.1. 1.1.2. 1.1.3. 1.1.4. 1.2. 1.2.1. 1.2.2. 1.2.3. 1.2.4. 1.3. 1.3.1. 1.3.2. 1.4.

Papierunterteilung Lineare Teilung in 16tel Lineare Teilung in 32stel Lineare Teilung in 64stel Radiale Teilung in 16tel Radiale Teilung in 16tel: Variationen Radiale Teilung in 32stel Diagonale Teilung Gitter Symmetrische Verdopplung Translation Reflexion Rotation Gleitspiegelung Streckung und Neigung Streckung Neigung Polygone

02.

GRUNDFALTEN

2.1. 2.1.1. 2.1.2. 2.1.3. 2.2. 2.2.1.

Ziehharmonikafalten Linear Radial Zylinder und Kegel Messerfalten Linear

: 04

09 10–11

16 16–17 18–19 20 21–22 23–25 ­ 26 27–28 29–30 31 31–34 35 36–39 40–43 44 44–47 48–50 51

55 55–57 58–60 60–63 64 64–65

2.2.2. 2.2.3. 2.2.4. 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.3.3. 2.4.

Radial Gespiegelt Zylinder und Kegel Kastenfalten Linear Radial Zylinder und Kegel Verlaufsfalten

66–67 68 69–71 72 72–73 74–76 76–77 78–79

03.

NOCH MEHR FALTEN

3.1. 3.1.1. 3.1.2. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.3.

Spiralfalten Einfache Spiralen Spiralkörper Zusammenfassen von Falten Zierharmonikafalten Messerfalten Verdrehte Falten

04.

V-FALTEN

4.1. 4.2. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.3.3. 4.3.4. 4.4. 4.4.1. 4.4.2. 4.5. 4.5.1. 4.5.2.

Grundform Von Hand falten Variationen Verschieben der Symmetrieachse Winkeländerung bei V-Falten Brechen der Symmetrie Kombinieren von V-Falten V-Falten-Systeme Von Hand falten Variationen V-Falten-Gitter Von Hand falten Variationen

82 82–83 84–89 90 90–93 94–97 98–99

102–104 105–107 108 108–109 110–111 112–113 114–116 117 117–119 120–123 124 124–127 128–129


4.6. 4.7 .

V-Falten-Zylinder Komplexe Oberflächen

05.

BÖGEN & SATTELFLÄCHEN

5.1. 5.2. 5.3. 5.3.1. 5.3.2.

X-Bögen V-Faltenbögen Sattelflächen Grundform Variationen

06.

SCHACHTELN & SCHALEN

6.1. 6.1.1. 6.1.2. 6.1.3. 6.1.4. 6.2.

Schachteln Masu-Schachtel Masu-Variationen Rollschachtel 3-D-Eckfalten Schalen

. 07

KEINE FALTE, EINE FALTE

7 .1. 7 .1.1. 7 .2. .2.1. 7 7 .2.2. .2.3. 7 .2.4. 7 7 .2.5. 7 .2.6.

Pseudofalten Variationen Einzelfalten Knickpunkt Knickvarianten Den Knick fixieren Einzelfaltenvariationen Reduzierte Einzelfalten Mehrfache Einzelfalten

: 05

130–132 133–135

138–141 142–144 145 145–147 148–153

156 156–159 160–161 162–164 165–167 168–173

176–177 178–183 184 184 185 186–188 189–191 192–193 194–197

08.

KNITTERN

8.1. 8.1.1. 8.1.2. 8.1.3. 8.2. 8.2.1. 8.2.2. 8.3. 8.3.1. 8.3.2. 8.4. 8.4.1. 8.4.2. 8.4.3. 8.4.4.

Grundtechnik Prinzip Papierrippen Abdrücke Lineare Knitterfalten Prinzip linearer Knitterfalten Variationen Radiale Knitterfalten Prinzip radialer Knitterfalten Variationen Weiterführende Anregungen 3-D-Formen Großformate Größenanpassung beim Knittern Mehrlagiges Papier

Häufig gestellte Fragen Danksagung

202 202–204 205–207 208–209 210 210–211 212–213 214 214–215 216–217 218 218 218 219 220–221

222–223 224


Vorwort

Schon als Teenager habe ich mich am liebsten mit Origami beschäftigt. Später, während des Kunststudiums, konnte ich immer wieder eigene Entwürfe veröffentlichen und rückte dadurch zu einem, wenn auch nicht sehr bedeutenden, Aktiven in der kleinen internationalen Origami-Fangemeinde auf. Gelegentlich baten mich Freunde, die Kurse in Grafik- oder Industriedesign belegt hatten, um einen Origamivorschlag zu einem ihrer Projekte und so gab ich ab und an auch ein paar Kurse. 1981 schloss ich dann in London mein Aufbaustudium ab. Angekommen in der realen Welt, brauchte ich nun eine Arbeit und so kam ich auf die Idee, dass vielleicht im Rahmen der vielen Kunst- und Designlehrgänge im Großraum Londons Interesse an kurzen Diskursen über Origami bestehen könnte. Außer den Portokosten hatte ich nichts zu verlieren, also verschickte ich mein Kursangebot an mehr als hundert Anbieter – ohne auch nur die geringste Vorstellung über den Erfolg oder Misserfolg meiner Aktion zu haben. Schon nach wenigen Tagen läutete das Telefon und wollte gar nicht mehr stillstehen. Innerhalb von kürzester Zeit unterrichtete ich Studenten aus den Bereichen Mode-, Textil-, Grafik- und Schmuckdesign, die alle hoch erfreut über diese praktische Arbeit waren. Aber nun stand ich vor einem Problem: Was genau sollte ich eigentlich vermitteln? Sicher, ich war geschickt im Origami und hatte genug Erfahrung im Bereich der Hochschulbildung, aber meine Fachrichtung war Bildende Kunst und von dem, was Designstudenten wirklich brauchten, hatte ich eigentlich gar keine Vorstellung. Die Inhalte ihrer Ausbildung waren mir völlig unbekannt. Zudem beschränkte sich mein Wissen auf Origami-Hobbymodelle, auf Figuren aus Flora und Fauna, auf Gegenstände und geometrische Formen. Gerade so viel war mir klar: Kunst- und Designstudenten müssen nicht lernen, wie man eine Origamigiraffe faltet! Es lässt sich nicht leugnen, dass meine ersten Versuche im Unterrichten von Designstudenten ein Fiasko waren. In jenen ersten Zeiten habe ich kaum mehr gemacht, als ihnen das Falten einer Auswahl meiner Lieblingsmodelle beizubringen. Aber allmählich begriff ich etwas, das mir heute ganz offensichtlich erscheint, zur damaligen Zeit jedoch einen Quantensprung meiner Vorstellungskraft voraussetzte – nämlich, dass der Sinn und Zweck meiner Kurse nicht darin liegen konnte, den Studenten beizubringen, wie man ein Origamimodell anfertigt, sondern eher darin, wie man faltet. Es war mir zuvor nie in den Sinn gekommen, dass Papierfalten nichts anderes als Modellbau ist. Die Erkenntnis, dass Origami gleichermaßen mit Papierfalten wie mit Modellbau zu tun hat, erschien mir damals als ein radikaler Ansatz. Im Laufe der Zeit wurde mir jedoch klar: er war

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keineswegs radikal, sondern der lange Weg seiner Entfaltung war lediglich die Folgeerscheinung eines unwillkürlichen Tunnelblicks – ja einer regelrechten Gehirnwäsche – von 15 Jahren Origamipraxis. Der entscheidende pädagogische Unterschied besteht darin, dass ein Origamimodell einfach ein Origamimodell ist – sicherlich, das Anfertigen macht Spaß, aber Studenten lernen dabei nicht viel, was sie bei ihrer gestalterischen Arbeit kreativ einsetzen könnten. Die Falttechniken an sich lassen sich hingegen mit beliebig vielen Materialien umsetzen und auf alle möglichen gestalterischen Ebenen übertragen. Man braucht sich nur einmal umzuschauen und schon entdeckt man sowohl in der Natur als auch in der vom Menschen geschaffenen Umwelt zahlreiche Beispiele für Faltungen. Diese Offenbarung war der Ausgangspunkt für dieses Buch. In den Jahren nach dieser Erkenntnis entstand eine ganze Reihe von in sich abgeschlossenen Mini-Workshops, die jeweils in einzelne Falttechniken einführten: verschiedene Faltungen, Knittern, Einzelfalten und so weiter. Von diesem Zeitpunkt an hatte ich die Möglichkeit, die Inhalte eines Workshops gezielt auszuwählen und zusammenzustellen. In der Regel schloss ich daran schnelle und spontan umsetzbare kreative Übungen an. Meine Kurse sprachen sich schließlich herum und stießen selbst bei multinationalen Konzernen auf Interesse, für die ich dann als Berater theoretische und praktische Workshops zu einzelnen Falttechniken anbot. Daneben gab ich weiterhin Workshops in einer Vielzahl von Designer- und Architekturbüros sowie vor Bauingenieuren und Berufsverbänden. Diese Erfahrungen bereicherten sowohl meine Lehrtätigkeit als auch meine Faltpraxis. In den späten 1980er Jahren hatte sich schließlich mehr oder weniger die endgültige Form meiner Lehrgänge herauskristallisiert. Meine Workshops und Projekte, die ich nun „Von der Fläche zur Form“ nannte, hielt ich vor Schülern und Studenten aus so unterschiedlichen Bereichen wie dem Mode- und Textildesign (darunter Oberflächengestaltung, Textildruck, Wirkerei, Weberei, Stickerei), dem Schmuck- und Grafikdesign, dem Grafikdruck, dem Produkt- und Industriedesign, der Keramik, dem Ingenieurwesen, der Architektur und Innenarchitektur, dem Environmental Design, dem Modellbau, dem Verpackungswesen, dem Theaterdesign, den Bildenden Künsten, der Grundlagenforschung – und wahrscheinlich noch anderen, an die ich mich inzwischen nicht mehr erinnere. Ich hielt Kurse auf allen Ausbildungsniveaus ab, angefangen vom lokalen Ausbildungszentrum

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in meinem Nordlondoner Wohnbezirk, bis hin zum Royal College of Art sowie Lehrinstituten in Deutschland, den USA, Israel, Belgien und Kanada. Bis heute habe ich mehr als 150 Designkurse in 54 Lehranstalten gehalten, einige davon regelmäßig über ein Jahrzehnt oder länger, andere nur an einem Tag. Wo immer ich gelehrt habe, stellte man mir die gleiche Frage: „Steht das in einem Buch?“ Ich musste stets verneinen, wobei mir, ehrlich gesagt, das Fehlen von vertiefendem Material oder überhaupt von grundlegender Dokumentation stets unangenehm war. Es gibt Hunderte von Origamibüchern auf dem Buchmarkt, aber die in ihnen enthaltenen Figuren sind für Studierende oder Praktiker aus dem Designbereich nur von begrenztem Nutzen. Daher konnte ich meinen Teilnehmern bislang nur raten, die im Workshop erarbeiteten Modelle sorgfältig aufzubewahren und dann als Orientierungshilfe für die eigenen Projekte zu nutzen. Nun ist es mir endlich, endlich möglich, die nutzbringendsten meiner „Von der Fläche zur Form“-Workshops in gedruckter Form zu präsentieren. Die Entscheidung darüber, was ich darin aufnehmen oder weglassen, was ich hervorheben oder nur thematisch streifen sollte, erwies sich als schwierig und zeitaufwändig und ich kann nur hoffen, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Ich habe bereits mehr als 30 Bücher über Origami und Papier veröffentlicht, aber es drängte mich am meisten, dieses Buch zu schreiben. Vielleicht ist das Buch aber auch genau zum richtigen Zeitpunkt erschienen, denn das Interesse an Origami ist in den letzten Jahren stark gewachsen, nicht nur bei Designern aus den unterschiedlichsten Bereichen, sondern auch bei Mathematikern, Wissenschaftlern, Pädagogen und vielen anderen Berufsgruppen. „Origami“ und „Falten“ sind zu Begriffen unserer Zeit geworden, die in aller Munde sind, und auch wenn „der Hype“ sicherlich wieder abflauen wird, das Interesse daran und ihre Wertschätzung werden bleiben. Ich hoffe, dass es mir mit diesem Buch gelingen wird, Sie mit meiner Begeisterung und Liebe für diese „durch und durch gute Sache“ anzustecken. Ich sehe es als ein Geschenk an, dass mir diese Sache nicht nur das Bestreiten meines Lebensunterhalts möglich gemacht hat, sondern mir auch ein packendes und erfülltes Leben beschert und mich weltweit mit vielen wunderbaren Menschen zusammengebracht hat. Paul Jackson


00.

00.

SYMBOLE

Symbole

Die wenigen hier abgebildeten Symbole werden Ihnen in dem gesamten Buch immer wieder begegnen, einige von ihnen auf fast jedem Faltdiagramm. Nehmen Sie sich die Zeit, sich mit ihnen vertraut zu machen, nur so wird es Ihnen gelingen, beim Falten flüssig und exakt zu arbeiten.

1. Talfalte

2. Bergfalte

Geöffnete 4. Talfalte

Geöffnete 5. Bergfalte

9. Gegenbruchfalte

: 08

Diese Punkte 6. zusammenbringen

3. Wenden

7. Hier kleben

Diesen Bruch 8. markieren


Einleitung

Alle Designer falten. Sie alle bearbeiten zweidimensionales, also flächiges Material, indem sie es falten, falzen, biegen, säumen, raffen, knoten, klappen, wellen, drapieren, verdrehen, rollen, knüllen, stauchen, kräuseln, facettieren, wölben oder winden – und durch jeden dieser Faltprozesse entstehen dreidimensionale Objekte. Die Resultate sehen vielleicht nicht nach Origami aus und möglicherweise ist das Falten dabei auch nur ein Detail, aber die meisten Objekte sind auf irgendeine Art ganz oder teilweise durch einen Faltprozess zustande gekommen. Da fast jedes Objekt aus einem flächigen Material besteht (wie etwa Stoff, Kunststoff, Blech oder Pappe) oder aus Komponenten, die zu einer Fläche verarbeitet werden (wie beispielsweise Ziegel, die eine Mauerfläche bilden), kann das Falten als eine der am häufigsten eingesetzten Gestaltungsmethoden angesehen werden. Trotz seiner Allgegenwart ist das Falten an sich in der Gestaltungslehre jedoch nur selten Gegenstand theoretischer Betrachtungen, da die Faltung eines Objekts möglicherweise oft gar nicht wahrgenommen wird, purer Zufall ist oder weil das Falten einfach gleichgesetzt wird mit Origami, mit bunten Papierquadraten und Kinderbasteleien – mit einem bereits seit mehreren Jahrzehnten überholten Bild des Origami. Das Falten an sich spielt als Inspirationsquelle bei der Gestaltung selten eine Rolle. Zumindest wurde dies in der Vergangenheit so wahrgenommen. In den letzten Jahren aber konnte man zunehmend beobachten, dass Designer aus den unterschiedlichsten Bereichen eine wie auch immer geartete Faltung in Ihre Entwürfe integriert haben. So entstand eine breit gefächerte Palette sowohl von Hand als auch maschinell gefertigter Objekte mit funktionalem oder auch rein dekorativem Charakter. Ein kurzer Blick in diverse Design- und Stilmagazine macht eine nicht unerhebliche Zahl gefalteter Erzeugnisse deutlich – von Bekleidung über Leuchtkörper, Schmuck, bis hin zur Architektur. Origami ist zu einem der packendsten Schlüsselbegriffe des zeitgenössischen Designs geworden.

Von der Fläche zur Form das erste Buch, in dem dieses so wichtige Thema gezielt für den Gestaltungsprozess präsen: 09

tiert wird. Vor nahezu 30 Jahren habe ich mich darauf spezialisiert, Studenten und Praktikern aus den unterschiedlichsten Bereichen des Designs Falttechniken nahezubringen und bin so darin vielleicht der einzige Fachlehrer seit den Tagen des Bauhauses, als Josef Albers Papierfalten zum Thema seines Vorkurses der Gestaltungslehre machte. In einzelne Kapitel unterteilt, stelle ich Ihnen in diesem Buch all die Techniken vor, die sich aus meiner Erfahrung als die am meisten inspirierenden und am vielfältigsten einsetzbaren erwiesen haben. Das Buch beschreibt umfassend und leicht verständlich die Grundlagen des Faltens, darunter so unterschiedliche Techniken wie Falten, Knittern und Schachteln anfertigen, und präsentiert die Modelle aus unterschiedlichen Blickwinkeln anhand von Schritt-für-Schritt-Zeichensequenzen, Faltdiagrammen und Fotos. Die Techniken werden anhand des Mediums Papier vorgestellt, aber ich möchte Sie ermutigen, frei zu variieren und andere flächige Materialien auszuprobieren. Dieses Buch ist nicht in erster Linie ein Buch über Papier oder Papierfalten, sondern es ist ein Buch über das Falten selbst.

Von der Fläche zur Form hat zum Ziel, das Falten als primäres Gestaltungswerkzeug zu etablieren und wieder zu einem wesentlichen Thema der Gestaltungslehre und -praxis zu machen.


Wie Sie dieses Buch nutzen können Dieses Buch stellt die Grundtechniken des Faltens vor. Sie mögen Ihnen als „Vorlagen“ für eigene Gestaltungsideen dienen. Es arbeitet nicht mit Modellen, die zum Kopieren gedacht sind, und bietet auch keine „Rezepte“ für Gestaltungslösungen an. Der Nutzen dieses Buches besteht – oder soll bestehen – in der Präsentation praxistauglicher Leitlinien des Faltens, die sich in unendlich vielen Variationen für Entwürfe in allen Bereichen des Designs abwandeln und mit jedem x-beliebigen flächigen Material umsetzen lassen. Von der Fläche zur Form vermittelt Ihnen die grundlegenden Falttechniken, mit denen Sie ein Blatt Papier von 100 g/m² zu einer dreidimensionalen Form oder einer Reliefoberfläche verformen können. Dabei wird außer Acht gelassen, dass diese Grundsätze auf Tausende von anderen Flächenmaterialien übertragbar sind. Die Entscheidung für das eine oder andere Material bleibt Ihnen als Designer selbst überlassen. Während Sie sich durch das Buch arbeiten, wird Ihnen hoffentlich beim Betrachten der Faltdiagramme und Fotografien immer wieder die Feststellung durch den Sinn gehen: „Das ist doch sonnenklar!“. Aber da irren Sie sich! Allgemeine Grundlagen sind notwendigerweise „offensichtlich“, sind es aber in der Regel tatsächlich erst, wenn man sie als solche erkannt hat. Jedes der Kapitel greift ein Grundthema des Faltens auf. Die zahlreich abgebildeten Variationen – einige von ihnen sehen auf den ersten Blick nahezu identisch aus – wurden sorgfältig ausgewählt, um die mannigfaltigen Möglichkeiten der jeweiligen Technik zu demonstrieren. Nur wenn Sie diese Variationen auch anfertigen und mit ihnen spielen, werden Ihnen die Unterschiede deutlich. Das Schlüsselwort im letzten Satz lautet: „spielen“. Es ist genau genommen das Schlüsselwort zum erfolgreichen Umgang mit dem gesamten Buch. Hier geht es nicht darum, ein Faltbeispiel nachzumachen, es kurz auf sich wirken zu lassen und mit dem nächsten fortzufahren. Spielen Sie stattdessen mit dem Modell. Biegen Sie es vor und zurück, nehmen Sie die Falten an einer Kante zusammen, drücken Sie zwei Kanten gleichzeitig zusammen, wenden Sie es auf die andere Seite, drücken Sie es am Mittelpunkt ein, versuchen Sie die gegenüberliegenden Ecken zusammenzuführen und drehen Sie es hierhin und dorthin, mal in der einen Hand, mal in der anderen, um es von allen Seiten in Augenschein zu nehmen. Viele der Faltbeispiele in diesem Buch, die auf dem Foto starr erscheinen, sind so biegsam wie ein Profiturner. Sie haben die Wahl, ob das, was Sie entwerfen, starr oder flexibel wird. Begnügen Sie sich auch nicht damit, nur die komplexeren Faltbeispiele nachzuarbeiten. Die einfachen, weniger spektakulären sollten Sie keineswegs vernachlässigen, denn gerade diese bieten Ihnen ein viel breiteres Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten und sind anwendbar auf eine weitaus größere Vielfalt von Materialien. Mit dem Falten verhält es sich wie stets beim Design: Weniger ist oft mehr (mehr oder weniger). Das Kapitel „Grundlagen“ ist also ein wesentlicher Baustein. Die darin aufgeführten Grundsätze können Sie dann frei an alles

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anpassen, was in den nachfolgenden Kapiteln beschrieben wird. Wählen Sie ein beliebiges Faltbeispiel aus irgendeinem Kapitel dieses Buches aus und stellen sich vor, wie es sich bei einer Anpassung an das eine oder jedes andere Faltprinzip des Grundlagenkapitels verändern würde. Aber belassen Sie es nicht bei der Vorstellung – arbeiten Sie so viele Faltbeispiele wie möglich nach. Wenn Ihnen nicht klar ist, wie Sie etwas, das Sie im Kopf haben, in die Tat umsetzen sollen, dann versuchen Sie es trotzdem. Es kann sein, dass Sie es nicht exakt hinbekommen, aber es kann auch durchaus etwas Anderes und Besseres daraus entstehen, als Sie sich vorgestellt haben. Natürlich wird nicht alles, was Sie aus den Faltbeispielen dieses Buches ableiten, sofort der große Wurf sein. Etliches von dem, was Sie am Anfang erstellen, wird wahrscheinlich technische oder ästhetische Mängel aufweisen. Aber es werden auch zufriedenstellende Stücke dabei sein und solche, die sich durch stetiges Optimieren zu wirklich gelungenen Objekten entwickeln. Darin unterscheidet sich das Papierfalten nicht von anderen Gestaltungsprozessen. Es gibt keine „schnelle Lösung“, die Ausdauer und beständiges Arbeiten überflüssig machen würde. Kein Weg führt vorbei am Falten. Zu viel Nachdenken, zu viel Analysieren und der Versuch, vom Kopf her zu begreifen, wie etwas aussehen wird, all das wird unweigerlich zu schlechten gestalterischen Ergebnissen führen. Papier ist überall erhältlich, es lässt sich leicht und schnell damit arbeiten und es kostet kaum etwas: Verwenden Sie es! Und nutzen Sie dieses Buch so ausgiebig, wie Ihre Zeit es Ihnen erlaubt, bevor Sie Ihre eigenen Ideen an andere Materialien anpassen.

Wie Sie die Faltbeispiele umsetzen können Es gibt vier Möglichkeiten, die in diesem Buch vorgestellten Faltbeispiele nachzuarbeiten. Welche Methode Sie bei welchem Beispiel anwenden, bleibt Ihrem persönlichen Geschmack und den spezifischen Eigenarten des jeweiligen Beispiels vorbehalten. Wie bei der Entwicklung einer Idee in einem Skizzenbuch liegt beim Papierfalten der Schlüssel zur Entwicklung guter Entwürfe im flüssigen und schnellen Arbeiten. Ihre Faltungen brauchen nicht immer technisch perfekt zu sein (das ist ernst gemeint!). Man kann viel Zeit sparen, wenn man etwas grob vorfaltet, um es dann sorgfältig zu wiederholen, wenn man glaubt, die Idee gefunden zu haben, deren Ausführung es wert ist. Sie sollten sich auch nicht in unnötig präzisem Falten verzetteln, wenn Sie nichts weiter benötigen als eine schnelle, skizzenhafte Probe. Mit wachsender Erfahrung werden Ihre Geschwindigkeit und Spontaneität im Umgang mit Papier zunehmen. 1. Von Hand falten Von Hand zu falten ist so „low-tech“, wie es ein Herstellungsprozess nur sein kann. Sie stellen etwas unmittelbar mit Ihren körpereigenen Mitteln – mit den Händen – her, ohne Zuhilfenahme eines Werkzeugs. Auf diese Weise nehmen Sie den Schaffensprozess in einzigartiger, vielleicht ungewohnter Unmittelbarkeit wahr. Dieses sehr einfache Handanlegen kann besonders in der heutigen High-Tech-Umgebung vieler Ateliers


eine tief beeindruckende und bereichernde Erfahrung sein, sowohl für den blutigen Anfänger als auch für den mit allen Wassern gewaschenen Profi. Die Arbeit von Hand sollte daher keinesfalls unterschätzt und als naiv oder unangemessen abgetan werden. Betrachten Sie dieses Vorgehen als eine Abwechslung zu der Gestaltung am Computer, denn neben dem positiven Gestaltungsergebnis ist das Falten von Hand an sich schon eine hervorragende Lernerfahrung. Viele Faltbeispiele in diesem Buch gehen von einem Blatt Papier aus, das in 8, 16 oder 32 Sektionen unterteilt wurde. Diese Unterteilungen sind schnell und einfach von Hand gemacht (siehe Seiten 16-19 des Kapitels „Grundlagen“) und wenn Sie das erst einmal gelernt haben, ersparen Sie sich das langwierige Messen mit dem Lineal. Sehen Sie das Falten von Hand als den Normalfall an und greifen nur bei Bedarf auf die anderen, nun folgenden Methoden zurück. 2. Faltenzeichnen mit geometrischen Hilfsmitteln Für die Konstruktion ungewöhnlicher Papierformen, exakter Winkel, von Einteilungen in Verlaufsformen etc. sind manchmal einfache Geometriewerkzeuge wie Skalpell oder Cutter, Lineal, Zirkel, 360°-Winkelmesser und ein harter, gut gespitzter Bleistift unumgänglich. Seien Sie aber auf der Hut, dass ihr Gebrauch nicht zur Gewohnheit wird, so dass Sie mit ihnen arbeiten, obwohl das Falten von Hand viel schneller und einfacher wäre. Um mit Skalpell oder Cutter eine Faltung auszuführen, drehen Sie die Klinge um und führen die Rückseite am Rand eines Lineals entlang. Versuchen Sie niemals, eine Falte durch Einritzen des Papiers zu erzeugen – das Papier soll lediglich mit dem Rücken der Klinge zusammengepresst werden. 3. Faltenzeichnen per Computer Heutzutage zeichnen die meisten von uns Faltmuster lieber am Computer vor (statt sie mit geometrischen Hilfsmitteln zu Papier zu bringen), was in der Tat seine Vorteile hat: Die Skalierung ist leicht gemacht, ebenso eine symmetrische Verdopplung, eine Neigung oder Streckung. Zudem können Entwürfe gespeichert und beliebig oft kopiert werden. Aber es gibt auch einen großen Nachteil: Alle Ihre Zeichnungen müssen irgendwann ausgedruckt werden. Wenn der Entwurf das zulässige Format Ihres Druckers übersteigt, müssen Sie vielleicht mehrere Abschnitte zusammenkleben, was niemals ganz sauber und exakt wird. Die Alternative dazu wäre ein Plotter. Falls Sie selbst keinen Zugang zu einem solchen Gerät haben, es gibt viele Druckereien und Kopierläden, die darüber verfügen und in denen man kostengünstig SchwarzWeiß-Ausdrucke von einem Meter Breite oder mehr machen kann. 4. Die Methoden kombinieren Die pragmatische Lösung, zwischen den drei oben beschriebenen Möglichkeiten hin und her zu wechseln, ist wahrscheinlich die Methode, mit der die Meisten in den meisten Fällen die meisten Faltungen ausführen. Jede Methode hat ihre Vor- und Nachteile und die eigene Erfahrung wird Ihnen zeigen, welche Sie wann am besten einsetzen.

: 011

Wie Sie die Abbildungen, Fotos und Texte nutzen können Die Abbildungen Wenn dies im Text nicht ausdrücklich erwähnt wird, spielen die Längen und Winkel, die in einer Abbildung verwendet werden, keine Rolle. Solange das, was Sie erhalten, in etwa der Zeichnung ähnlich sieht, ist es exakt genug. Schwierige Elemente einer Konstruktion werden genau angegeben, hier sollten Sie die Anleitung genau befolgen. Wo eine Form eindeutig als Kreis (oder was auch immer) zu erkennen ist, wird dies nicht explizit erwähnt, tun Sie also das Offensichtliche und folgen dem, was Ihre Augen Ihnen sagen. Fassen Sie die Abbildungen eher als Anregung auf und nicht als Vorgaben zum exakten Kopieren. Allerdings kann es am Anfang hilfreich sein, eine Zeichnung nicht nur ungefähr nach dem Augenmaß, von Hand und ohne Anhaltspunkte zu erstellen, sondern stattdessen zunächst mit einem Lineal die Hauptlinien nachzumessen. So erhalten Sie einen groben Eindruck von seinen Proportionen und es wird Ihnen leichter fallen, die Form auf die gewünschte Größe zu bringen. Ein Tipp: wenn Sie eine Faltung zum ersten Mal ausprobieren, sollten Sie den Maßstab nicht zu klein wählen. Kleine Probestücke können einfach trivial wirken und sich hemmend auf Ihre Kreativität auswirken. Ist eine Form hingegen zu groß, kann sie plump und instabil aussehen. Orientieren Sie sich als Anhaltspunkt daran, Probestücke anzufertigen, die auf ein DIN-A4-Blatt passen. Später, wenn Sie die Größenverhältnisse und das Material, mit dem Sie arbeiten wollen, gut kennen, können Sie das Modell im richtigen Maßstab entsprechend größer oder kleiner anfertigen. Die Fotos Obwohl die Fotos gemacht wurden, um die Faltbeispiele möglichst interessant und attraktiv zu präsentieren, haben sie primär die Funktion, zu veranschaulichen, wie die verschiedenen Ebenen, Kanten und Falten zueinander in Beziehung stehen, und Ihnen eine bessere Vorstellung davon zu geben, wie ein Stück nach seiner Fertigstellung aussehen sollte. In diesem Sinne sollten Sie die Fotos als Vorlagen betrachten und nicht nur als erbauliche Bilder, die das Buch verschönern. Papier ist ein lebendiges, atmendes Material. Es verzieht sich unter der Hitze der Atelierbeleuchtung, reagiert auf Feuchtigkeit und kann sich, je nach Faserrichtung (d. h. je nach Lage der parallelen Fasern im Papier) so verformen, dass die Symmetrie dabei verloren geht. Daher kann es vorkommen, dass das eine oder andere Faltbeispiel ein wenig misslungen ausschaut. Die Alternative zu einer gelegentlich deutlich sichtbaren Wackligkeit wäre gewesen, alles aus dickem Karton zu fertigen, der sich nicht verziehen würde. Karton aber wurde für das Buch wiederum als zu seelenlos verworfen. Die Eigenschaften von Papier sind (hoffentlich auch für Sie) einfach ansprechender, da sie den gefalteten Formen ein wenig Persönlichkeit einhauchen. Der Text In drei Worten: Lesen Sie ihn!



2.

FALTTECHNIKEN GRUNDFALTEN


2.

Grundfalten

2.

Die Grundfalten

Dieses Kapitel stellt Ihnen die am häufigsten verwendeten, einfachsten und zugleich vielseitigsten Grundfalten, die vier Grundtypen aller Falttechniken vor: Ziehharmonikafalten, Messerfalten, Kastenfalten und Verlaufsfalten. Es zeigt Ihnen, wie sie gemacht werden und wie Sie schon mit diesen Grundformen eine große Bandbreite an raffinierten Oberflächen und Formen gestalten können. Obwohl sie eindeutig miteinander verwandt sind, führen diese vier Faltentypen zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Es lohnt sich also, sie alle zu erlernen und zu meistern. Oft werden unterschiedliche Falttechniken kombiniert. Einige der in den späteren Kapiteln vorgestellten Techniken sind eine Weiterentwicklung dieser Grundformen. Die Zeit, die Sie mit diesem Kapitel zubringen, wird Ihnen also für den Rest des Buches zugutekommen. Die Schritt-für-Schritt-Anleitungen zu den Faltdiagrammen in diesem Kapitel setzen gute Grundkenntnisse über die Aufteilung eines Blattes Papier voraus (siehe dazu den Abschnitt „Papierunterteilung“ auf Seite 16-30). Wenn Sie diesen Abschnitt nicht gelesen und die enthaltenen Beispiele nicht gefaltet haben, sollten Sie dies unbedingt nachholen, bevor Sie mit diesem Kapitel beginnen. Auch die Informationen aus dem Kapitel „Grundlagen“ können Sie hier anwenden und die dort gezeigten Beispiele durch Strecken und Neigen sowie durch die Verwendung von Polygonen und symmetrischen Verdopplungen weiterentwickeln.

: 054


2. Grundfalten 2.1. Ziehharmonikafalten 2.1.1 Linear

2.1.

Ziehharmonikafalten

Unter Ziehharmonikafalten versteht man eine Abfolge von einfachen, einander abwechselnden Berg- und Talfalten, die sich in gleichmäßigen Abständen, sei es in linearer oder radialer Progression, fortsetzen. Durch ihre gleich langen Abstände sind sie besonders leicht zu falten und es entsteht ein gefälliger rhythmischer Wechsel von Licht und Schatten. Da Ziehharmonikafalten so einfach sind, müssen Sie Ihre Kreativität dabei nicht auf die Falttechnik konzentrieren, sondern können der Beziehung der Falten zueinander und der Form des Papiers (oder eines anderen Materials) Ihre ganze Aufmerksamkeit schenken. Die hier gezeigten Papierobjekte sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der Formenvielfalt, die sich mit ein wenig Fantasie und Freude am Experimentieren entdecken lässt. 2.1.1.

Linear

2.1.1 _ 1 Dies ist das einfachste Beispiel für eine Akkordeonfaltung – genau genommen eine Wiederholung des Beispiels für lineare Zweiunddreißigstel von Seite 18 aus dem Kapitel „Grundlagen“.

2.1.1 _ 2 Eine Schräge erzeugt einen komplexen Zickzackrand, wenn die Falten zusammengeschoben werden. Versuchen Sie einmal, die Form nach links oder unten zu spiegeln. Dabei entstehen zusätzliche Zickzackkanten.

: 055


2. Grundfalten 2.1. Ziehharmonikafalten 2.1.1 Linear

2.1.1 _ 3 Verwenden Sie doch anstelle einer abgeschrägten eine abgestufte Kante und experimentieren weiter mit der Form der Schnittkante. Sie kann auf vielfältige Weise gestaltet werden – warum nicht sogar mit figürlichen oder typografischen Mustern?

2.1.1 _ 4 Aus einem Rechteck wird durch Neigung ein Parallelogramm (siehe Seite 48-50). Variieren Sie Neigungswinkel und Abstände zwischen den Falten, um unterschiedliche Effekte zu erzeugen.

: 056


2. Grundfalten Ziehharmonikafalten 2.1. 2.1.1 Linear

2.1.1 _ 5 Ziehharmonikafalten sind ihrer Bezeichnung entsprechend regelmäßig angeordnet. Darüber hinaus können sie auch zu Gruppen mit unterschiedlichen Abfolgen von Abständen zusammengefasst werden. In diesem Fall sind die in der Mitte angeordneten Falten doppelt so breit wie die benachbarten schmaleren Falten. Eine Vielzahl von anderen Musterabfolgen ist möglich.

: 057


2. Grundfalten 2.1. Ziehharmonikafalten 2.1.2. Radial

2.1.2 _ 1

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2. Grundfalten 2.1. Ziehharmonikafalten 2.1.2. Radial

2.1.2.

Radial

2.1.2 _ 1 Diese einfache radiale Akkordeonfaltung teilt einen Kreis von 360° in 16 gleiche Winkel und nimmt die radialen Sechzehntel von den Seiten 24 und 25 wieder auf.

2.1.2 _ 2 Zwei Halbkreise sind in Sechzehntel unterteilt. Ihre Enden sind so miteinander verbunden, dass der Buchstabe „S“ entsteht. Das Muster ließe sich unendlich fortsetzen.

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HÄUFIG GESTELLTE FRAGEN

HÄUFIG GESTELLTE FRAGEN

1. Ich habe eine Idee entwickelt, die in Papier gefaltet gut funktioniert, in dem von mir bevorzugten Material (Chiffon/ Sperrholz/Polypropylen) aber überhaupt nicht. Was kann ich tun? Die Anpassung der in gefaltetem Papier erfolgreichen Ideen an andere Materialien ist stets der schwierigste Teil des Designprozesses. Die Antwort ist: Arbeiten Sie bereits in einem frühen Stadium mehr mit dem Material, das Sie eigentlich verwenden wollen, und nicht erst am Ende eines langwierigen Arbeitsprozesses mit Papier. Dadurch lernen Sie das gewählte Material besser kennen und werden praktikable Designlösungen finden. Überlegen Sie sich auch, ob Sie nicht sogar ganz davon absehen wollen, überhaupt mit Papier zu arbeiten. Finden Sie heraus, welche Möglichkeiten Ihnen Ihr Material bietet und arbeiten Sie mit, nicht gegen diese Eigenschaften. Manche Materialien lassen sich vielleicht nicht gut oder gar nicht falten oder sie bewahren die Falten nicht deutlich genug, dann sollten Sie nach Möglichkeiten suchen, die Position der Falten zu fixieren. Je nach der Beschaffenheit des verwendeten Materials kann das bedeuten, dass Sie zusätzlich mit Nähstichen, Stärke, Nieten, Scharnieren, Riegeln, Laminieren, Schweißen, Kleben und so weiter arbeiten. Darüber hinaus hängt viel davon ab, ob Sie das Design von Hand oder mechanisch anfertigen und ob es entlang der Faltkanten beweglich sein oder in einer festen Position verharren soll. 2. Ich will nicht auf die Ideen in einem Buch zurückgreifen, die hat ja schon jemand anders verarbeitet. Wie entwickle ich etwas Eigenes? In seinen späten Jahren wurde Pablo Picasso von einem Journalisten gefragt, wie viele Originalwerke er geschaffen habe. Nach langer Überlegung antwortete er mit Bestimmtheit: „Zwei!“ Der springende Punkt war natürlich der, dass Picasso in seiner langen und glänzenden Karriere nur zwei seiner Ideen als seine ureigenen Originalideen ansah. Alles andere war eine Weiterentwicklung dieser Ideen oder auch eine Bearbeitung von „Anleihen“ aus anderen Quellen. Das gleiche gilt fast immer, auch für uns. Wir greifen hier eine Idee auf, dort eine andere, entscheiden uns für bestimmte Materialien und Techniken, fügen eine Prise Kreativität hinzu, rühren alles zusammen und schaffen so Designs, die vielleicht nicht „original“ unsere eigenen sind, sondern vorgefundene Ideen nutzen und innovativ etwas Neues daraus machen – das wiederum von zukünftigen Designern als Zitat für wieder etwas ganz Neues verwendet wird … und so weiter bis in alle Ewigkeit. Das nennt sich „Forschung und Entwicklung“.

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Während einfaches Kopieren aus diesem Buch vielleicht nicht die beste aller Lösungen für ein Designproblem ist, lassen sich durch die Kombination von Elementen aus zwei oder mehreren Beispielen viele ganz neue Formen entwickeln. Oder Sie sehen das Kapitel „Grundlagen“ durch und unterziehen ein Beispiel aus dem Buch den dort dargestellten Falttechniken. Daher lautet mein Ratschlag, ein Buch mit potenziell großartigen Designideen auf der Suche nach etwas „original Eigenem“ nicht zu verwerfen, sondern mit ihm zu arbeiten und verschiedene Ideen anhand der Informationen im Kapitel „Grundlagen“ zu kombinieren. In jedem Fall wird sich eine Idee, die Sie in gefaltetem Papier entwickelt haben und dann in ein anderes Material übertragen, radikal verändern und sehr wahrscheinlich etwas sein, das niemand zuvor auf eben diese Art und Weise geschaffen hat. 3. Ich kann das Beispiel auf Seite xy nicht hinbekommen. Was kann ich tun? Der übliche Rat ist, Ihre Arbeit liegen zu lassen und zunächst etwas anderes zu tun, dann zu Ihrer Arbeit zurückzukehren und es mit freiem Kopf erneut zu versuchen. Oft funktioniert das! Oder versuchen Sie, einen Freund um Hilfe zu bitten. Wenn Sie vergeblich versuchen, etwas von Hand zu falten, sollten Sie stattdessen in Erwägung ziehen, es auf dem Computer zu zeichnen, auszudrucken und entlang der gedruckten Linien zu falten. Alternativ können Sie auch versuchen, das gleiche Beispiel mit weniger Musterrapporten herzustellen, oder es viel größer anzulegen (Anfänger machen Dinge oft zu klein, was frustrierend werden kann). Denken Sie auch daran, dass Sie ein Beispiel nicht unbedingt sklavisch kopieren müssen. Wenn Sie Schwierigkeiten beim Falten haben, können Sie abweichende Formen erfinden, die mehr auf Ihre Designbedürfnisse zugeschnitten sind. Lassen Sie sich von dem Buch nicht zu sehr vereinnahmen. 4. Ich habe ein Origamimodell gefunden, das ich gerne verwenden möchte. Brauche ich dafür eine Genehmigung? Das ist eine schwierige Frage. Wenn das Modell eindeutig als „traditionell“ gekennzeichnet ist, ist es Allgemeingut und Sie können es frei verwenden. Ist es nicht als solches gekennzeichnet, sollten Sie, bis Sie das Gegenteil feststellen, davon ausgehen, dass es sich um ein modernes Werk handelt, das durch das Urheberrecht geschützt ist. Sobald es eindeutig einem Autor zugeordnet ist, ist es durch das Urheberrecht geschützt. Kunstwerke, auch solche, die auf einem traditionellen Modell beruhen, sind immer urheberrechtlich geschützt.


Sobald ein Design urheberrechtlich geschützt ist, müssen Sie die Genehmigung des Autors einholen, um es zu verwenden. Viele Origami-Schöpfer haben eine Homepage und können so leicht aufgefunden werden. Wenn Sie jemanden nicht finden können, vielleicht weil er aus einem Land stammt, dessen Sprache oder Schrift Ihnen nicht vertraut sind, lässt sich oft leicht ein Origami-Verband in Ihrem eigenen oder dem fremden Land finden, der für Sie vermitteln kann. Es gibt auch Online-Foren, in denen Origami-Experten Sie an die richtige Person oder Stelle verweisen können. Aber nicht in allen Fällen müssen Sie die Erlaubnis des CopyrightInhabers einholen. Wenn Sie zum Beispiel als Student ein privates Studienprojekt durchführen, sind Sie gesetzlich nicht dazu verpflichtet, eine Erlaubnis einzuholen, um die Arbeit von jemand anders zu verwenden. Wenn das Projekt aber im Rahmen der offiziellen Semesterarbeit verwendet wird, ist es ratsam, den Copyright-Inhaber zu kontaktieren. Sollte das Werk später für ein Magazin fotografiert, ins Internet gestellt, oder sonst wie öffentlich gemacht werden, sollten Sie vorher die Erlaubnis eingeholt haben. Um dem vorzubeugen, dass die Genehmigung noch beantragt werden muss, wenn sich das Projekt bereits in einem späten Stadium befindet, ist es besser, den Urheber gleich zu Beginn eines Projektes zu kontaktieren. Wenn Sie beruflich als Designer arbeiten und Ideen für eine Kundenpräsentation durchprobieren, ist es am besten, von Anfang an mit dem Copyright-Inhaber zusammenzuarbeiten. Bei Verwendung eines urheberrechtlich geschützten Designs müssen Sie unter Umständen ein Honorar oder eine Lizenzgebühr an den Rechteinhaber zahlen, bzw. seine Genehmigung einholen. Wenn Sie ein vorhandenes Design verwenden und es so bearbeiten, dass es sich „ausreichend“ davon unterscheidet, kann es als Ihr ureigenes Design gelten, für das Sie dann der Copyright-Inhaber sind. Was genau unter „ausreichend“ zu verstehen ist, ist eine Interpretationsfrage und Sie sollten gegebenenfalls lieber den Rat eines Origami-Experten einholen. Alle in diesem Buch dargestellten Modelle beruhen auf allgemeingültigen Techniken, die somit der Allgemeinheit frei zugänglich sind. Doch ein Wort der Warnung: In den letzten Jahren wurden verschiedene wichtige außergerichtliche Verfahren zugunsten von Origami-Urhebern entschieden, deren Werke ohne Genehmigung verwendet wurden. Eine Riege führender Autoren und Gestalter hat sich zu einer Gruppe (Origami Authors and Creators) zusammengeschlossen, die Verletzungen des Urheberrechts überwacht und Maßnahmen gegen die Betreffenden einleitet. Zusammenfassend empfiehlt es sich, den Rechteinhaber in einem frühen Stadium ausfindig zu machen und mit ihm zusammenzuarbei-

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ten. Wenn Sie seine Rechte verletzen, schützt die Behauptung, das Urheberrecht oder den Urhebernamen nicht gekannt oder nicht gefunden zu haben, Sie nicht davor, eventuell haftbar gemacht zu werden. Wie in allen Lebensbereichen können rechtzeitige Gespräche spätere Auseinandersetzungen in der Regel verhindern. 5. Wie komme ich an weitere Informationen über Origami und Falttechniken? Die einfachste Informationsquelle zum Thema „Origami“ ist das Internet. Es gibt Hunderte von Webseiten, die mehr und weniger umfangreich, informativ und exzentrisch sind. Video- und Fotoseiten bieten zum Thema „Origami“ ebenfalls ein breites Angebot. Zudem sind Hunderte von Büchern auf dem Markt. Die wichtigsten westlichen Länder haben gut organisierte Origamivereinigungen und in Süd- und Ostasien, Südamerika und anderswo wächst ihre Zahl ebenfalls. Sie alle sind leicht online zu finden. In Wirklichkeit gibt es eher ein Überangebot und es kann mitunter schwierig sein, schnell qualitativ gute relevante Informationen inmitten der Masse aufzuspüren. Wie alle Unterfangen, die es wert sind, kann es etwas Zeit in Anspruch nehmen, das zu finden, was Sie brauchen, aber es wird eine faszinierende, bewusstseinserweiternde Reise für Sie werden. Im Gegensatz zu Informationen über Origami, ist es schwieriger Informationen über das Falten zu finden. Online-Suchmaschinen sind hilfreich, aber hier sind die Informationen viel weiter verstreut als beim Origami. Alternativ können Sie Zeitschriften über Design, Architektur, Wohnen, Mode, Lifestyle etc. heranziehen, dort werden Ihnen viele Faltbeispiele begegnen. 6. Darf ich Ihnen Bilder meiner Faltarbeiten schicken? Ja. Ich bin immer an guten Aufnahmen abgeschlossener Faltarbeiten in Papier und auch anderen Materialien interessiert, obwohl ich wahrscheinlich nicht die Zeit haben werde, sie zu kommentieren. 7. Sind Sie für Workshops und Beratungen verfügbar? Meine Kontaktdaten finden Sie online (geben Sie „Paul Jackson origami“ in eine Suchmaschine ein). Ich stehe online jedoch nicht zur Beratung oder für Lehrgänge zur Verfügung.


Der Autor

Die CD-ROM

Geboren in der Nähe von Leeds, England, hat Paul Jackson bereits in den frühen 1980er Jahren Papierkunst und Papierdesign für sich als Beruf entdeckt. In seiner facettenreichen Karriere hat er mehr als 30 Bücher über Origami und Papierkunst verfasst, Falttechniken an mehr als 50 Hochschulen für Kunst und Design gelehrt, zahlreiche Auftragsmodelle für Druck, Fernsehen und andere Medien ausgeführt und war als Produktberater tätig für Unternehmen wie Nike und Siemens. Seine Werke aus gefaltetem Papier waren bereits in Galerien und Museen auf der ganzen Welt zu sehen. Im Jahr 2000 traf und heiratete er Miri Golan, die Gründerin und Vorsitzende des israelischen Origami-Zentrums und übersiedelte von London nach Tel Aviv, von wo aus er seine internationale Arbeit fortsetzt. Paul Jackson verfügt über mehrere Studienabschlüsse: einen BA Hons in Fine Art vom Lanchester Polytechnic, jetzt Coventry Universität, einen M.A. in Fine Art in Experimenteller Mediengestaltung von der Slade School of Fine Art, University College London, und einen B.A. Hons in Verpackungsdesign von der Cranfield University, England, den er erst in den späten 1990er Jahren während eines Sabbatjahrs erlangte.

Die beigefügte CD-ROM ist sowohl mit Windows als auch mit Macintosh kompatibel. Das gesamte Material darauf ist urheberrechtlich geschützt und nur für den Privatgebrauch bestimmt. Die Nummerierung der Faltdiagramme auf der CD-ROM folgt der des Buches. Die Diagramme sind nach Kapiteln geordnet. Alle Faltdiagramme sind eigene Entwürfe des Autors.

Danksagungen Dank an Barrie Tullett von The Caseroom Press dafür, dass er mich mit Laurence King Publishing in Kontakt gebracht hat. Ich danke meiner Redakteurin bei LKP, Jo Lightfoot, für ihre Begeisterung für das Projekt und meinem Lektor Peter Jones für seine Sorgfalt und sein gutes Auge für Details. Mein Dank gebührt auch Meidad Suchovolski für seine präzise Fotografie sowie seinem Assistenten Behory Frish für sein geduldiges Handmodelling. Ich danke den Buchgestaltern & Smith für ihr sicheres Gespür für das Sujet dieses Buches und seine visuelle Umsetzung. Posthum danken möchte ich meinem Kunstlehrer an der Lancaster Royal Grammar School, Bill Rickaby, der mich zum Experimentieren mit Papierfaltungen und zum visuellen Denken ermutigte: frühe Erkenntnisse, die die Weichen für mein Leben als Künstler, Designer und Lehrer gestellt haben. Ich danke den vielen Leitern und Dozenten der Fachhochschulen, Universitäten und anderen Schulen, die meinen Unterricht gefördert haben, ganz besonders am Shenkar College of Engineering and Design in Tel Aviv, wo ich seit mehreren Jahren in vielen Abteilungen für Fortgeschrittene Workshops und Projekte durchführen darf; den vielen professionellen Designern, deren Begeisterung für das Falten mich inspiriert hat. Last, but not least danke ich meiner Frau Miri Golan, die nebenbei meiner gänzlich voreingenommen Meinung nach, die „First Lady des Origami“ ist, für ihre Unterstützung, Geduld und stetige Ermutigung während der langen Vorbereitungsphase des Manuskripts. Dieses Buch ist meinen Studenten gewidmet. Sie waren und sind meine besten Lehrmeister. : 0224




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