PETIA KNEBEL
GESTALTEN MIT TON
Haupt GESTALTEN
Petia Knebel
GESTALTEN MIT TON Grundtechniken
& Projekte
HAUPT VERLAG
Inhalt Vorwort ..................................................................................................................... 8
01
Allgemeine Informationen ....................................... 10 Das Material Ton ...................................................................................................10 Irdenware, Steingut, Steinzeug und Porzellan ................................................. 13 Aufbereitung und Aufbewahrung von Ton ....................................................... 14 Schlicker – ein besonderer Klebstoff ............................................................... 15 Aufbewahrung von Werkstücken während des Arbeitsprozesses.............. 16 Trocknungsprozess fertiger Werkstücke ........................................................ 16 Werkzeuge ............................................................................................................. 18
02
Grundtechniken des plastischen Gestaltens .......20 1. Wulsttechnik ......................................................................................................20 2. Daumenschalen-Technik.................................................................................21 3. Plattentechnik ...................................................................................................24
03 04
Grundtechniken des farbigen Gestaltens .............26 1. Engoben .............................................................................................................26 2. Glasuren .............................................................................................................27
Brennen von Keramik ...............................................32 1. Erster Brand: Schrühbrand .............................................................................33 2. Zweiter Brand: Glasurbrand ............................................................................37
Thema: Gebrauchsgegenstände .............................. 41 Dose – Design für ein Depot der Dinge ............................................................42 Variationen einer Vase verwirklichen ................................................................48
05
Vase – vom Stillleben zum Leben mit Stil .......................................................54 Vase – klassische Kegelformen in Schwarz-Weiß .........................................60 Tea for Two und Espresso exklusiv ...................................................................66 Teekanne – eine Matrix für maximale Lösungen ...........................................72 Schale – schick und schön ................................................................................78 Schale – Schmuck – Schmuckschale .............................................................84 Rhythmen der Rasseln ........................................................................................92
Thema: Reliefs und abstrakte Plastiken ...............99 Relief – in Geologie und Kunst........................................................................ 100 Wandobjekt – Malerei trifft Bildhauerei .........................................................106 Ganz schön verschoben – architektonische (Ver-)Formungen geometrischer Grundkörper ............................................................................. 112 Ei, Ei, Ei – eine Serie ........................................................................................... 118 Synthese – Zusammenspiel geometrischer und organischer Formensprache...................................................................................................124 Der Weg von der Blindzeichnung zu einer Plastik ........................................130 Körper und Skulptur in Bewegung...................................................................136 Paar .......................................................................................................................142 Die Würfel sind gefallen .....................................................................................148 Wulsttechnik – verschiedenfarbiger Ton – rund/eckig ........................150 Fundstück – Mode – Farbe ......................................................................156
06
07
Thema: Figürliche Plastiken – Mensch und Tier ...................................................... 163 Torso: „Archaïscher Torso Apollos“ .................................................................164 Kleiner Torso: modelliert .............................................................................166 Großer Torso: modelliert .............................................................................168 Torso: geklopft ..............................................................................................172 Torso: Plattentechnik ...................................................................................176 Sommer, Sand, Strand und Palmen ................................................................180 Wasserballett – Ein-, Ab- und Auftauchen ....................................................186 Sprichwörtlich gestalten ...................................................................................192 Gute Geister ........................................................................................................198 Tiere – der Zweidimensionalität entsprungen, in die Dreidimensionalität übersetzt ......................................................................... 204 Tiersilhouette – von der Fläche in den Raum ...............................................210
08
Anhang ....................................................................... 217 Museen mit keramischen Sammlungen in Deutschland (Auswahl).........218 Weitere Museen mit keramischen Sammlungen (Auswahl) ......................219 Literatur ............................................................................................................... 220 Fachhandel (Auswahl) .......................................................................................221 Über die Autorin ................................................................................................. 223
Vorwort Ton ist eines der ältesten Gestaltungsmaterialien der Menschheitsgeschichte. Dieser Werkstoff fasziniert bis heute und lädt nicht nur Generationen von Kßnstlern dazu ein, dem Material und seinen GestaltungsmÜglichkeiten nachzuspßren. Das Material Ton bildet einen unvergleichlichen Ausgangspunkt zur Verwirklichung eigenständiger Ideen, indem es die divergierenden Denkprozesse fÜrdert und das Gestaltungsrepertoire bereichert. Ton steht beispielhaft fßr einen Materialzugang mit allen Sinnen, bei dem der Entstehungsvorgang als ästhetischer Erfahrungsraum erlebbar wird. Während des Arbeitsprozesses wird das Zusammenwirken der Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer nachvollziehbar und grundlegende handwerklich-technische Vorgehensweisen verbinden sich mit kßnstlerischen Darstellungsabsichten. Kaum ein anderes Material hat ein solches Darstellungspotenzial und lässt eine derartige Gestaltungsvielfalt zu wie Ton. Und so gibt der vorliegende Band einen Einblick in mehr als 30 verschiedene Themen im Spannungsfeld von angewandter und bildender Kunst, von der Produkt- und Umweltgestaltung bis hin zu Plastiken und Skulpturen in naturalistischer, abstrakter oder gegenstandsloser Anmutung.
8 / VORWORT
Mithilfe der Daumenschalentechnik kĂśnnen beispielsweise Gebrauchsgegenstände wie Vasen und Dosen erarbeitet werden. Die Wulsttechnik GKIPGV UKEJ HČœT DGYGIVG WPF QTICPKUEJG UQYKG Ć’IČœTNKEJ PCVWTCNKUVKUEJG 2NCUVKMGP WPF FKG 2NCVVGPVGEJPKM Ć’PFGV KJTG #PYGPFWPI \ $ DGK FGT -QPstruktion von Werken, die sich an Abstraktion und Architektur orientieren.
,GFGU GKP\GNPG 6JGOC YKTF FWTEJ GKPGP MWT\GP 6GZVDGKVTCI HCEJURG\KĆ’UEJ eingefĂźhrt. AnschlieĂ&#x;end wird die praktische Umsetzung an einem keramischen Werk beispielhaft bildlich und schriftlich aufgezeigt. Die Fotos, welche die einzelnen Arbeitsphasen Schritt fĂźr Schritt von der Idee bis zur technischen Umsetzung sehr anschaulich dokumentieren, erleichtern den Einstieg sowie den produktiven und erkenntnisfĂśrdernden Umgang mit dem Material, der Technik und dem Thema. Besonderes Augenmerk wurde auf eine variantenreiche und methodisch-didaktische EinfĂźhrung in die einzelnen Themenbereiche gelegt, um sowohl spielerisch-experimentelle CNU CWEJ MQP\GRVWGNN UVTWMVWTGNNG 8QTIGJGPUYGKUGP DGK FGT +FGGPĆ’PFWPI aufzuzeigen. Somit kĂśnnen nicht nur die präsentierten Werkbeispiele nachvollzogen und erarbeitet werden, es werden auch inspirierende Impulse zu individuellen und neuartigen GestaltungsmĂśglichkeiten durch unterschiedliche IdeenĆ’PFWPIUVGEJPKMGP IGIGDGP In allen Projektkapiteln sind auf einer sogenannten Galerieseite weitere keramische Werke abgebildet, die formal-ästhetisch und/oder inhaltlich kongruieren. AuĂ&#x;erdem werden zahlreiche Referenzen zur Kunst- und Kulturgeschichte mit weiterfĂźhrenden Hinweisen zu KĂźnstlern und ihren Werken aufgefĂźhrt.
Petia Knebel Januar 2018
9 / VORWORT
Dieses Buch gibt also nicht nur einen Ăœberblick Ăźber grundlegende handwerkliche Techniken, farbige Oberflächengestaltungen mit Engoben und Glasuren sowie Brennverfahren, sondern versucht durch die groĂ&#x;e Bandbreite an Themen fĂźr das Material Ton zu begeistern. Zahlreiche Ideen werden schrittweise und nachvollziehbar entwickelt, nehmen Gestalt an, werden sichtbar und im doppelten Wortsinn auch begreifbar.
WeiĂ&#x;, rot und schwarz brennender Ton
01 Allgemeine Informationen 10 / ALLGEMEINE INFORMATIONEN
Das Material Ton Einsatzbereiche des Materials Archäologische Funde zeigen, dass die Menschen schon vor Jahrtausenden die wesentlichen Eigenschaften des Materials Ton erkannt haben, so auch, dass er durch das Brennen im Feuer hart und haltbar gemacht werden kann. )GDTCWEJUIGIGPUVȇPFG CDGT CWEJ MNGKPG Ć’IČœTliche Plastiken wurden geformt und gebrannt.
&CU /CVGTKCN Ć’PFGV JGWV\WVCIG YGKVGTJKP UGKnen Einsatz im Bereich des Handwerks und der Kunst. Gebrauchskeramik, Baukeramiken, Figuren und abstrakte Plastiken werden entworfen und mit der Hand aufgebaut oder auf der Drehscheibe angefertigt. In der industriellen Herstellung werden hingegen Verfahrenstechniken, bei denen z. B. Geschirr, Waschbecken und Fliesen gegossen oder gepresst werden, bevorzugt.
Entstehung und chemische Zusammensetzung Vor ca. 20 bis 45 Millionen Jahren entstanden viele unserer heutigen Tonvorkommen. Die charakteristischen Eigenschaften von Tonen beruhen auf Alumosilicaten in Blättchenform, wie z. B. dem Mineral Kaolinit, das in einem Durch-
Silicate beruhen auf der Verbindung von Silicium mit Sauerstoff (kovalent). Beide zusammen machen etwa drei Viertel der Erdkruste aus. Ein Siliciumatom bindet vier Sauerstoffatome. Die räumliche Verteilung entspricht der eines TeVTCGFGTU &CDGK DGƒPFGP UKEJ FKG 5CWGTUVQHHG an den Ecken des Tetraeders und das Silicium in der Mitte. Diese Bindung zwischen Silicium und Sauerstoff ist stark. Ein einzelnes Tetraeder ist eine mögliche Form eines Silicats. An das mit einem Siliciumatom verbundene Sauerstoffatom kann sich auch ein weiteres Silicium-
Die charakteristischen Eigenschaften der Tone sind durch die Schichtstruktur der Tonminerale bedingt. Tone nehmen Wasser auf und quellen dabei aufgrund der Einlagerung zwischen den Schichten. Da die Schichten nun leicht parallel zueinander verschoben werden können, ist das Material plastisch. Tone können auch an der Luft getrocknet werden und verfestigen sich dabei. Besonders offensichtlich ist dies bei Bauten aus Lehm, der bekanntlich auch Ton enthält. Mit Feuchtigkeit kann die Verfestigung des Tons wieder rückgängig gemacht werden.
11 / Das Material Ton
Feldspate sind die wichtigsten Minerale, die Urgestein zusammenhalten. Der größte Teil des Tons entsteht bei der Verwitterung von feldspathaltigem Gestein, z. B. Granit. Dieser Prozess beruht auf der Einwirkung von Kohlensäure, die sich aus dem Kohlendioxid der Luft und Wasser bildet. Dazu kommt eine mechanische Einwirkung, wie die Aufsprengung durch Eisbildung. Tone können am Ort ihrer Entstehung vorkommen. Die feinen Partikel des Verwitterungsprozesses können aber auch mit dem Regen fortgeschwemmt werden und wenn das Wasser zum Stehen kommt, können die Alumosilicat-Blättchen mit den anderen Schwebeteilchen sedimentieren. So entsteht eine Tonablagerung. Tonvorkommen dieser Art haben den Vorteil einer gleichmäßigeren Partikelverteilung.
atom binden und an dieses wiederum ein Sauerstoffatom usw. Auf diese Weise entstehen Fäden und Ringe. Wenn die Hälfte der Siliciumatome einer solchen Kette über ein drittes Sauerstoffatom eine weitere Verknüpfung eingeht, entsteht eine Doppelkette oder ein Band. Sind drei der Sauerstoffatome des Tetraeders mit jeweils einem anderen Siliciumatom verbunden und dieses wiederum mit einem Sauerstoffatom usw., so führt dies zu Schichtoder Blattstrukturen. Solche Flächen können in Mehrfachlagen auftreten. Wenn alle vier Sauerstoffatome des Tetraeders wiederum mit je einem Siliciumatom verbunden sind usw., entstehen räumliche Gebilde. Die Verbindungen von Aluminium mit Sauerstoff sind denen von Silicium mit Sauerstoff ähnlich. So können z. B. auch Flächen auf der Basis Aluminium-Sauerstoff-Aluminium gebildet werden. Diese komOGP JȇWƒI KP -QODKPCVKQP OKV (NȇEJGP CWH FGT Basis Silicium-Sauerstoff-Silicium vor. Dies ist charakteristisch für die Struktur von Kaolinit und war bereits im Ausgangsmaterial der Verwitterung (z. B. Feldspat) vorgebildet.
messer von etwa 0,2 bis 4 Mikrometern und einer Dicke von wenigen Hundertstel Mikrometern vorkommt. Besonders wertvoller Ton ist Kaolin, der zur Hauptsache aus Kaolinit besteht und zur Herstellung von Porzellan dient. Weniger rein sind die gewöhnlichen keramischen Tone.
Für die Formung von Ton sind neben den Tonmineralen noch sogenannte Magerungsmittel notwendig. Dies sind Füllstoffe, z. B. Quarzsand, die den Ton versteifen und die Schrumpfung beim Brennen verringern. Es gibt Tone, die von Natur aus genügend Magerungsmittel enthalten, bei anderen müssen diese zugesetzt werden. Bei den chemischen Prozessen während des Brennens können auch die Magerungsmittel beteiligt sein. Ein besonders gutes Magerungsmittel ist Schamotte. Beim Brennen des Tons entweicht zunächst das eingelagerte Wasser unter Schrumpfung des Tons. Das ab etwa 500 bis 800 °C abgegebene Wasser wird bei der Bildung neuer chemischer Bindungen freigesetzt. Damit entstehen aus den Schichtenstrukturen Raumstrukturen. Je nach Höhe der Temperatur bilden sich verschiedene neu strukturierte Substanzen, die zu unterschiedlichen Eigenschaften der Keramik führen.
12 / ALLGEMEINE INFORMATIONEN
Schamotte als Bestandteil von Ton Schamotte ist hoch gebrannter und anschließend zerkleinerter Ton und wird der Masse als ideales Magerungsmittel beigesetzt. Hierdurch wird diese mit erhöhter Standfestigkeit formbar, sie verzieht sich beim Trocknen sowie Brennen nicht so stark und es entstehen keine Risse im Werkstück. Ton liegt in vielerlei Varianten vor und wird je nach Arbeitsweise und Vorhaben ausgewählt. Der Anteil der Schamotte und deren Korngröße sind hierbei unter anderem ausschlaggebend.
Verschiedene Tonzusammensetzungen Tone werden nach der Art, dem Anteil und dem Grad der Körnung der Magerungsmittel unterschieden. Für das Umsetzen eigener Ideen in Ton können folgende Hinweise eine grundlegende Orientierungshilfe darstellen: Für das Aufbauen von Keramiken mit der Hand werden schamottierte Tonmassen verwendet. Ton mit ca. 25 % Schamotte und einer Korngröße von 0 bis 0,5 mm wird für kleine Formate bis ca. 10 x 10 x 10 cm verwendet. Je größer die Werke konzipiert werden, desto mehr Schamotte sollte die Masse beinhalten und eine desto größere Körnung sollte sie haben, um Stabilität während des Modellierens zu erhalten. Auch die Trocken- und Brennschwindung sowie die Rissbildung werden hierdurch minimiert. Großformatige Plastiken werden meist mit 50 % Schamotte und einer Korngröße von 0 bis 2 mm aufgebaut. Für die im Folgenden gezeigten Arbeiten wurde weitestgehend hell brennender Ton mit einem Schamotteanteil von 30 % und einer Korngröße von 0 bis 1 mm verwendet. Mit dieser Zusammensetzung ist eine recht vielseitige Arbeitsund Gestaltungsweise möglich. Die gängigen Farben des Tons sind Weiß, Beige, Rot (eisenoxidhaltig) und Braun (manganhaltig). Arbeitet man mit farbigem Ton, so haben die Werke schon nach dem ersten Brand, dem Schrühbrand, eine schöne Farbigkeit. Wenn das Werk nicht wasserdicht sein muss, kann auf das Glasieren und somit auf einen zweiten Brand verzichtet werden.
Paperclay
Irdenware
+O $WEJ Ć’PFGP UKEJ 9GTMDGKURKGNG FKG CWU 2Cperclay gefertigt wurden. Dieser ist ein Gemisch aus Tonmehl, Wasser und Papierfasern, die zu einem Papiertonbrei zusammengefĂźgt wurden. Die Papierfasern erfĂźllen die gleiche Aufgabe wie Schamotte im Ton, das heiĂ&#x;t, sie verleihen dem Werk Stabilität. Paperclay hat den Vorteil, dass aus ihm sowohl sehr kleinformatige, ausdifferenzierte als auch sehr dickwandige Arbeiten hergestellt werden kĂśnnen. FĂźr die Gestaltung von SchmuckstĂźcken ist er besonders gut geeignet, da er durch das Verbrennen der Papierfasern an Gewicht verliert. Der Schmuck gewinnt hierdurch an Tragekomfort. Paperclay kann selbst hergestellt, aber auch als fertig angeteigte Masse im Fachhandel bezogen werden.
Brenntemperatur: ca. 900 °C bis 1050 °C. Der Scherben ist noch recht porÜs und somit weder wasserdicht noch frostfest.
Die Begriffe Irdenware, Steingut, Steinzeug und Porzellan bezeichnen unterschiedliche Zusammensetzungen und damit einhergehende Brenntemperaturen von Massen. Je hÜher die Brenntemperatur fßr Ton gewählt wird, umso härter und wasserundurchlässiger wird er, jedoch steigen hierdurch auch die Brennkosten und das Endprodukt wird teurer. Manche Tonarten schmelzen bei hohen Temperaturen und daher gilt es, die Herstellerangaben zu berßcksichtigen.
Brenntemperatur: ca. 1050 °C bis 1100 °C. Der noch leicht porÜse Scherben ist nicht wasserdicht und auch nicht frostfest. Rot brennende Tonmassen kÜnnen oftmals nicht hÜher als bei 1100 °C gebrannt werden.
Steinzeug Brenntemperatur: ca. 1100 °C bis 1300 °C. Bei diesen hohen Temperaturen wird der Scherben sehr hart, widerstandsfähig, wasserdicht, frostfest und ist spßlmaschinengeeignet.
Porzellan Weichporzellan: Brenntemperatur: ca. 1200 °C bis 1300 °C. Hartporzellan: Brenntemperatur: ab ca. 1300 °C bis 1400 °C. Porzellan ist weiĂ&#x; brennend und leicht durchscheinend sowie wasserdicht, frostfest und spĂźlmaschinengeeignet.
13 / Irdenware, Steingut, Steinzeug und Porzellan
Irdenware, Steingut, Steinzeug und Porzellan
Steingut
07 Thema:
163 / FIGÜRLICHE PLASTIKEN – MENSCH UND TIER
Figürliche Plastiken – Mensch und Tier
PROJEKT
TORSO: „ARCHAĆ„SCHER TORSO APOLLOS“ Wir kannten nicht sein unerhĂśrtes Haupt, darin die Augenäpfel reiften. Aber sein Torso glĂźht noch wie ein Kandelaber, in dem sein Schauen, nur zurĂźckgeschraubt, sich hält und glänzt. Sonst kĂśnnte nicht der Bug der Brust dich blenden, und im leisen Drehen der Lenden kĂśnnte nicht ein Lächeln gehen zu jener Mitte, die die Zeugung trug. Sonst stĂźnde dieser Stein entstellt und kurz unter der Schultern durchsichtigem Sturz und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle;
164 / FIGĂœRLICHE PLASTIKEN – MENSCH UND TIER
und bräche nicht aus allen seinen Rändern aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern. Rainer Maria Rilke Archaïscher Torso Apollos. In: Sämtliche Werke. Erster Band, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1955, S. 557.
Im FrĂźhjahr 1908 verfasste Rilke dieses Sonett Ăźber den Torso Apollos, das heiĂ&#x;t Ăźber ein bildhauerisches Werk, das einen menschlichen OberkĂśrper ohne Kopf und GliedmaĂ&#x;en darstellt und dem Gott der Dichtkunst zugeordnet werden kann. Um welche Skulptur es sich genau handelt, ist nicht bekannt, doch dem Leser gelingt es, sich den bearbeiteten Stein durch die beschreibenden Worte so gut vorzustellen, als wäre er ein Betrachter, der dem Werk gegenĂźbersteht. In der vorletzten und letzten Verszeile verändert sich der Standpunkt des Betrachters: „‌ denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht.“ Das heiĂ&#x;t, nicht ich schaue das Kunstwerk an, sondern das Werk nimmt die aktive Rolle des Betrachters ein und blickt auf mich. Dies bedeutet, dass groĂ&#x;artige Kunstwerke so stark auf den Betrachter wirken kĂśnnen, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes auf ihn einwirken, in ihn hineinwirken, ihn verändern und ihn, wie hier beschrieben, sogar direkt aufzufordern vermĂśgen: „Du musst dein Leben ändern.“ Diesen ausdrucksstarken und markanten Satz Ăźbernimmt der Philosoph Peter Sloterdijk als Titel fĂźr sein 2009 erschienenes Buch, in dem er auf das Gedicht Rilkes auch inhaltlich Bezug nimmt. In den Jahren 1905 bis 1906 arbeitete Rilke als Sekretär bei dem berĂźhmten franzĂśsischen Bildhauer Auguste Rodin und konnte dabei Entstehungsprozesse von Werken mitverfolgen. Rodins groĂ&#x;e Bekanntheit rĂźhrt auch von seinem RĂźckgriff auf das 0QP Ć’PKVQ /KEJGNCPIGNQU OKV FGO GT INGKEJ\GKVKI FKG Bildhauerei der Moderne einleitete.
165 / 6QTUQ Ů#TEJC̑UEJGT 6QTUQ #RQNNQUŬ
GALERIE
PROJEKT Beispiel 1
Kleiner Torso: modelliert
1.
Dieser Torso soll keine anatomisch richtige Figur darstellen, sondern deren Weiblichkeit überzeichnet aufzeigen. Hierfür wird eine kleine Menge Ton in die Hand genommen und durch festes Drücken und Stauchen verdichtet.
2. &KG MNGKPHQTOCVKIG ƓIȨTNKEJG 2NCUVKM YKTF KO 9GUGPVNKEJGP mit den Fingern durch Ziehen, Schieben und Drücken des
166 / FIGÜRLICHE PLASTIKEN – MENSCH UND TIER
vorhandenen Tons geformt.
3.
Wird dennoch etwas zusätzlicher Ton benötigt, so muss dieser, ohne dass Lufteinschlüsse entstehen, hinzugefügt werden. Der Ton wird hierzu direkt und fest an die vorhandene Plastik angedrückt und gut verstrichen.
4.
Je nach Arbeitsweise kommen weitere Werkzeuge, wie das Modellierholz, zum Einsatz. Während des Arbeitens wird die Kleinplastik immer wieder gedreht und von allen Seiten betrachtet und geformt.
5.
Der Torso wird mit einer Lochpfeife oder einer Modellierschlinge im unteren, massiven Bereich ausgehĂśhlt. Es sollte mĂśglichst eine gleichmäĂ&#x;ige
6.
Diese Plastik soll auf einem Eisenständer
präsentiert werden. Dies bedeutet, dass das .QEJ KO 6QTUQ OKPFGUVGPU ITČ¤ÂƒGT CNU FGT Durchmesser der Eisenstange sein muss, da der 6QP WO EC YČ“JTGPF FGU 6TQEMPWPIU WPF Brennprozesses schrumpft.
167 / 6QTUQ ĹŽ#TEJCĚ‘UEJGT 6QTUQ #RQNNQUĹŹ Kleiner Torso: modelliert
Wandstärke von ca. 2 cm entstehen.
PROJEKT Beispiel 2
Großer Torso: modelliert 1.
Der zweite Torso ist recht groß und kann somit nicht nur von unten ausgehöhlt werden. Er muss in zwei Teile zerschnitten, ausgehöhlt und anschließend wieder zusammengebaut werden.
2.
Zum Auseinanderschneiden eignet sich ein dünner Draht sehr gut. Das bereits etwas angetrocknete, fast lederharte Werk liegt dabei auf
168 / FIGÜRLICHE PLASTIKEN – MENSCH UND TIER
einer weichen Schaumstoffunterlage; so bleibt es formstabil.
3. ,GYGKNU XQP FGT 5EJPKVVƔȓEJG CWUIGJGPF YKTF OKV GKPGT Modellierschlinge Ton entnommen. Hierdurch entsteht eine Wandstärke von ca. 2 cm.
4.
Die Verbindungsstellen raut man beidseitig mit der Gabel auf und trägt einseitig satt Schlicker auf.
5.
Mit etwas Kraft drückt man die beiden Teile fest aufeinander. Da der Ton lederhart ist, verformen sie sich hierbei nicht.
6.
Mit dem Modellierholz wird die Schnittkante mithilfe einer Kreuzschraffur fest verstrichen.
7.
Anschließend noch feuchten Ton mit den Fingern in
8.
Der großformatige Torso ist bis zu diesem Stadium noch ein geschlossener Hohlkörper. Während des Trocknens und Brennens schrumpft der Ton durch das Verdunsten seiner Wasseranteile und FKG KO +PPGTGP FGU 6QTUQU DGƓPFNKEJG .WHV ƓPFGV PKEJV OGJT IGPWI Platz. Damit das Werk infolge der Trocken- und Brennschwindung nicht springt, wird ein Loch in den Hohlkörper geschnitten, durch das die Luft entweichen kann. In dieser Öffnung kann später ein Eisenständer befestigt werden, auf dem der Torso präsentiert wird. Beide Torsi trocknen noch ca. zwölf bis vierzehn Tage auf einer weichen Unterlage, um Druckstellen zu vermeiden.
169 / 6QTUQ Ů#TEJC̑UEJGT 6QTUQ #RQNNQUŬ Großer Torso: modelliert
die entstandenen Vertiefungen streichen.
170 / FIGÜRLICHE PLASTIKEN – MENSCH UND TIER
K leiner Torso: modelliert
KUNSTGESCHICHTLICHER KONTEXT: Venus von Willendorf, Kalkstein, ca. 26 000 Jahre alt // Elfenbeinstatuette von Jelisejevici, ca. 25.000 Jahre alt // Tonstatuette aus Langenzersdorf, ca. 5000 Jahre alt // Männlicher Torso, Marmor, 480 v. Chr. // Torso vom Belvedere, Marmor, 1. Jahrhundert v. Chr. // Auguste Rodin, „Torso einer jungen Frau“, Bronze, 1909; „Hand, einen weiblichen Torso haltend“, Gips, 1917 // Constantin Brancusi, „Torso“, Marmor, 1912 // Henri Gaudier-Brzeska, „Torso“, Marmor, 1914 // Man Ray, „Restaurierte Venus“, Gips und Seil, 1936–71 // Hans Arp, „Torso-Garbe“, Marmor, 1958 // Yves Klein, „Blaue Venus“, Pigmente auf Gips, 1962 // Hans Arp, „Demeter“, Bronze, 1961 // Gordon Baldwin, „Torso Pot“, Ton, 1964 // Alberto Giacometti, „Annette X“, Bronze, 1965 // Magdalena Abakanowicz, „Katharsis“, 33 Figuren, Bronze, 1985 // Franz Bernhard, „Die große Mannheimerin“, Stahl, 1993 // Eberhard Linke, „Weiblicher und männlicher Felstorso“, Terrakotta, 1997
GroĂ&#x;er Torso: modelliert
222 / ANHANG
Über die Autorin Petia Knebel studierte an der Akademie der Bildenden Künste in München, CP FGT 7PKXGTUKV[ QH 5V #PFTGYU )TQ·DTKVCPPKGP UQYKG CP FGT #EECFGOKC di Belle Arti di Brera, Milano (Italien) und schloss ihr Studium mit dem Diplom in Bildhauerei sowie dem ersten und zweiten Staatsexamen für das gymnasiale Lehramt im Fach Kunst ab. Sie unterrichtete acht Jahre als Kunstpädagogin am Gymnasium und als Akademische Oberrätin von 2008 bis 2017 an der Universität Augsburg. In dieser Zeit war sie auch als Erasmus-Dozentin an der Universität in Konya (Türkei) sowie der Akademie in Perugia (Italien) tätig und lehrte als Gastdozentin an der Columbia University in New York. Darüber hinaus nahm sie am „Project Zero“ der Harvard Graduate School of Education teil. Seit 2018 lehrt sie Bildhauerei und Didaktik des dreidimensionalen Gestaltens an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
223 / Über die Autorin
Sie nahm an zahlreichen nationalen und internationalen Kunstausstellungen sowie Wettbewerben teil. Im Bereich der keramischen Plastik war sie u. a. auf der „Biennale Internationale de Céramique d’Art” in Vallauris (Frankreich), dem „Concorso Internazionale della Ceramica d’Arte“ in Faenza (Italien) und der „Biennale de Céramique d’Art“ in Mamer (Luxemburg) vertreten. Sie erhielt den Förderpreis der „2. Cairo International Biennale for Art“ in Kairo (Ägypten) und den ersten Preis zur Realisation für Kunst am Bau im Schulzentrum Elsenfeld.