WILDE FASERN
Textile Objekte aus lokalen Naturmaterialien
Sicherheitshinweis
Einige Pflanzen können allergische Reaktionen hervorrufen oder Vergiftungen verursachen, bitte informieren Sie sich daher immer über die Inhaltsstoffe der Pflanzen, die Sie verwenden.
Bitte tragen Sie Handschuhe, wenn Sie Pflanzen verarbeiten. Weder die Autorin noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, eine Haftung übernehmen.
1.Auflage: 2023
ISBN 978-3-258-60270-7
Alle Rechte vorbehalten.
Copyright © 2023 für die deutschsprachige Ausgabe: Haupt Verlag, Bern Jede Art der Vervielfältigung ohne Genehmigung des Verlages ist unzulässig.
Aus dem Englischen übersetzt von Frauke Bahle, DE-Freiburg Lektorat der deutschsprachigen Ausgabe: Jutta Orth, DE-Freiburg Satz der deutschsprachigen Ausgabe: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, DE-Göttingen Umschlaggestaltung der deutschsprachigen Ausgabe: Tanja Frey, Haupt Verlag, Bern
Die englischsprachige Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel Wild Textiles – Grown, Foraged, Found bei B. T. Batsford Ltd, London, United Kingdom, einem Imprint der B. T. Batsford Holdings Ltd
Copyright © 2022 B.T. Batsford Ltd
Text © 2022 Alice Fox
Printed in China
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Seite 1: Wrapped Stone: Dandelion Braid. Die Löwenzahnstängel sind miteinander verflochten und mit wiederverwerteter gefundener Plastikschnur vernäht.
Seite 2: 36 Knäuel aus handgedrehter Schnur, hergestellt aus Stoffresten
Unten: Gefäße aus Zeitungspapier, alten Zugfahrkarten, zu Schnüren verdrehten Stoffresten, Blättern und Zaunwindentrieben
Vorwort
Das Ziel dieses Buches ist es, durch den kreativen und nachhaltigen Einsatz von gesammeltem oder selbst angebautem Pflanzenmaterial und geeigneten textilen Techniken zur Auseinandersetzung mit der Natur anzuregen. Mit den Jahreszeiten zu arbeiten und zu lernen, welche Rohstoffe wann verfügbar sind, hilft uns, uns in den natürlichen Zyklen zu verankern und kreative Tätigkeiten in unser Leben zu integrieren. Wenn wir aufgeschlossen und sachkundig mit Ressourcen umgehen, können wir das nutzen, was vor Ort verfügbar ist und mit unkonventionellen Werkstoffen experimentieren.
Kunst bereichert unser Leben und regt zum Nachdenken an. Sie kann Fragen aufwerfen, das Bewusstsein schärfen und Einblicke vermitteln. Wenn es uns gelingt, nachhaltig zu arbeiten und andere Menschen dazu anzuregen, über die Auswirkungen ihrer Lebensführung nachzudenken, kann unser Tun in positiver Weise zu Veränderungen beitragen.
Links: Gefäß aus Zaunwinde. Die getrockneten Stängel wurden umwickelt und miteinander vernäht.
Rechts: Löwenzahnstängel. In hohem Gras wird Löwenzahn besonders groß.
Einleitung
Von jeher liegt es mir am Herzen, mit einem kleinen ökologischen Fußabdruck zu leben und die Auswirkungen meines Handelns zu berücksichtigen. Der verheerenden Folgen, die unsere Lebensweise für unseren Planeten hat, werden wir uns zunehmend bewusst. Endlich begreifen wir, wie wichtig es ist, so bald wie möglich gegenzusteuern.
Wie unbedeutend uns unser Beitrag auch erscheinen mag: Wir alle können mit unseren täglichen Entscheidungen etwas bewirken. Mein Lebensstil ist keineswegs perfekt. Ich weiß, dass es Bereiche gibt, in denen wir selbst etwas verändern können, um die Belastung der Umwelt zu verringern, und Bereiche, in denen wir darauf angewiesen sind, dass andere Menschen Veränderungen umsetzen, etwa in der Infrastruktur. In meinem Leben sind es insbesondere meine Arbeit und meine künstlerische Praxis, die ich beeinflussen kann: Meine Entscheidungen wirken sich direkt auf meinen ökologischen Fußabdruck aus. In meinem vorherigen Buch Natural Processes in Textile Art habe ich meine Beziehung zur Natur und ihren Einfluss auf meine kreative Praxis genauer beschrieben.
Zu Beginn meines Masterstudiums habe ich mir einen Schrebergarten zugelegt. Die Parzelle diente mir als Forschungsgegenstand und war zugleich eine Art Zweitwohnsitz, an dem ich über einen langen Zeitraum über den Umgang mit dem Gelände und den dort verfügbaren Rohstoffen bestimmen konnte. So wollte ich erforschen, inwieweit ich mich mit den Materialien für meine Arbeit wirklich selbst versorgen konnte. Schon lange bewundere ich Korbflechter:innen und Holzkünstler:innen, die ihre Rohstoffe selbst sammeln oder anbauen. In der Ursprünglichkeit der von ihnen hergestellten Objekte, ob funktional oder dekorativ, spiegeln sich sowohl ihre Sorgfalt und ihr Wissen im Umgang mit den verwendeten Werkstoffen als auch ihre handwerklichen Fähigkeiten wider. Ich suchte nach einer Möglichkeit, diese Reinheit und Aufrichtigkeit auch in meine eigene Arbeit einzubringen.
Während ich die Schrebergartenparzelle und die dort verfügbaren Materialien erkundete, untersuchte ich auch die ethischen Grundlagen meiner künstlerischen Praxis. Ich verfasste ein Künstlermanifest für mich selbst (siehe Kasten rechts), um meine Absichten in Worte zu fassen.
Mein Manifest hängt an der Wand meines Ateliers, und ich komme immer wieder darauf zurück. Es bringt mir meine Grundsätze in Erinnerung, während ich darüber nachdenke, wie ich Dinge am besten angehe und den Werten, die mir wichtig sind, treu bleiben kann.
Immer mehr Künstler:innen denken über die Umweltbilanz der Materialien nach, die sie für ihre Arbeit verwenden. Das Interesse an natürlichen Pigmenten, Pflanzenfarben, nachhaltigen fotografischen und drucktechnischen Verfahren,
Links: Gesammeltes Pflanzenmaterial, das im Schuppen zum Trocknen ausliegt oder hängt, darunter Brennnesseln (hängend), Zaunwindenstängel, Brombeerstängel und Knoblauchblätter
Unten: Hybrid Objects Gefäße aus gefundenen Werkzeugen und Schnüren aus Zaunwinde und Brombeere auf dem Tisch im Schuppen
Mein Künstlermanifest
• Verbinde dich mit dem Ort und dem Werkstoff.
• Halte deinen ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich.
• Verwende möglichst nur heimische Rohstoffe. Stelle sicher, dass neue Rohstoffe möglichst verantwortungsbewusst gewonnen werden.
• Experimentiere. Überlege, ob sich Objekte oder Materialien verwenden lassen, bevor du sie wegwirfst.
• Folge den natürlichen Prozessen. Akzeptiere zyklische Veränderungen.
• Dokumentiere deine Aktivitäten und Erfahrungen.
Naturfasern, Wiederverwertung und Wiederinstandsetzung nimmt zu. Gleichzeitig wächst das Angebot an Informationen und Workshops, und so nimmt die Bewegung Fahrt auf.
Aber nur weil ein Produkt oder Hilfsmittel natürlich ist, ist es nicht unbedingt eine umweltfreundliche Wahl. So können beispielsweise pflanzliche Pigmente, die am anderen Ende der Welt hergestellt werden, oder Stoffe aus den Fasern biologisch angebauter Pflanzen durchaus negative Folgen für die Umwelt haben. Komplexe Lieferketten erschweren es, herauszufinden, wo und wie ein Rohstoff angebaut, verarbeitet und veredelt wurde. Sie sollten trotzdem versuchen, sich so gut wie möglich über die von Ihnen gewählten Materialien zu informieren.
Immer mehr Initiativen setzen auf die Wiederbelebung lokaler Systeme für die Herstellung von Fasern und Stoffen, etwa die in Nordkalifornien entstandenen «Fibersheds». Ihnen haben sich inzwischen weltweit Projekte angeschlossen (siehe S. 125), die sich gegenseitig unterstützen. Dank ihrer guten Vernetzung wird es zunehmend leichter, selbst zu bestimmen, wie und wo die von uns verwendeten Fasern und Textilien produziert werden.
Wenn Sie sich dafür entscheiden, mit lokalen Werkstoffen zu arbeiten, deren Herkunft Sie kennen, handeln Sie ganz automatisch nachhaltig. Natürlich ist diese Arbeitsmethode mit Einschränkungen verbunden, aber darin liegt auch eine Chance: Sie reduziert die überwältigende Anzahl an Möglichkeiten und zwingt Sie, mit beschränkten Mitteln klarzukommen.
Wenn man sich in den Grenzen, die man sich selbst gesetzt hat, wohlfühlt, kann man auch entscheiden, an welchem Punkt man Kompromisse eingeht. Skizzenbücher, Papier, Zeichenstifte und bestimmte Garne muss ich beispielsweise zukaufen. In einigen Workshops verwende ich fabrikneue Stoffe, suche aber auch nach Möglichkeiten der Wiederverwendung – und natürlich ermutige ich meine Kursteilnehmer:innen, ebenso vorzugehen. Weniger zu kaufen und die Materialien zu verwenden, die wir bereits in der Schublade liegen haben, ist der nachhaltigste Ansatz.
Rechts: Wand meines Ateliers mit Stoffmustern, Fundstücken und experimentellen Objekten
Brechen, schwingen, hecheln
Nach der Rotte lässt man die Stängel wieder trocknen. Dann können sie an einem trockenen Ort gelagert werden. Die nächsten Schritte sind das Brechen, Schwingen und Hecheln. Wenn Sie viel Flachs anbauen und verarbeiten, ist es sinnvoll, sich hierfür die richtigen Werkzeuge zu kaufen. Bei der Verarbeitung kleinerer Mengen können Sie improvisieren.
Beim Brechen werden die Stängel geschlagen, um das Holz in kurze Stücke zu brechen. Beim Schwingen werden sie über ein Brett gehängt und mit dem sogenannten Schwingmesser bearbeitet, um den Holzkern und die kurzen Fasern zu entfernen. Beim Hecheln zieht man die Fasern durch eine Art Eisenbürste, Hechel genannt. Dabei werden die besten längsten Fasern (Langfasern) abgetrennt, und das Werg (Kurzfasern) bleibt zurück. Die Langfasern können nun zu Garn versponnen und anschließend zu einem gleichmäßig dicken Faden verzwirnt werden. Die Kurzfasern haben eine schlechtere Qualität, lassen sich aber gut zu einem gröberen Garn verspinnen.
Flachs lässt sich gut mit einem Spinnrocken spinnen, so bleiben die Fasern geordnet und laufen beim Spinnen gleichmäßig ineinander. Werg kann man mit den
Oben: Stoffproben aus von Hand verarbeitetem und gesponnenem Flachs. Die Farbe hängt von der Rottemethode ab und variiert von Jahr zu Jahr.
Unten: Knäuel aus selbst angebautem und verarbeitetem Flachs
Händen spinnen. Kleine Mengen von Langfasern können Sie auch von Hand direkt zu Schnüren drehen. Das dauert zwar länger, ist aber für Ungeübte einfacher als spinnen. Wenn Sie Flachs selbst anbauen und verarbeiten möchten, kann es ratsam sein, einen Kurs zu besuchen, um sich die erforderlichen Fähigkeiten anzueignen. Im Anhang dieses Buches finden Sie hierzu weiterführende Informationen. Manche Museen, Kunst- oder Volkshochschulen bieten Workshops und Vorträge zum Thema an.
Nicht nur in Großbritannien erlebt der Flachsanbau in jüngster Zeit ein Comeback. Auch in Deutschland und in der Schweiz haben Initiativen und Verbraucher, denen eine nachhaltige Produktion von Textilien am Herzen liegt, diesen wertvollen Rohstoff für sich wiederentdeckt.
Mit Wildpflanzen arbeiten
«Pflanzen werden zu Unkraut, wenn sie unsere Pläne durchkreuzen oder unsere geordnete Welt in Unordnung bringen. Wenn wir keine Pläne haben, erscheinen sie uns unschuldig und makellos.»
RICHARD MABEYAls «Unkraut» bezeichnen wir eine Pflanze, die an einem unserer Meinung nach falschen Ort wächst. Laut Richard Mabey ist hierfür aber der Kontext entscheidend. Denn Unkräuter lieferten uns das erste Gemüse, die ersten medizinischen Hausmittel und die ersten Farbstoffe.
Deutlich positivere Assoziationen weckt das Wort «Wildpflanze». Ich versuche, Pflanzen, die als Unkraut eingestuft werden, genauso zu nutzen wie die Kulturpflanzen aus meinem Garten. Wildpflanzen wachsen in meinem Garten, weil ich geeignete Bedingungen für sie geschaffen haben. Sie sind der Schlüssel zur biologischen Vielfalt, denn sie stehen am Beginn der Nahrungskette.
Oben: Gefäß aus Zaunwinde, in freier Flechttechnik angefertigt
Links: Zeichnung eines Löwenzahns (Taraxacum officinale) aus meinem Skizzenbuch. Die Pflanzentinte habe ich selbst hergestellt.
In meinem Garten gedeiht eine leicht krawallige Mischung aus Pflanzen, die ich gesät oder gepflanzt habe, und Pflanzen, die sich selbst versamt haben. Ich kann selbst entscheiden, ob ich Letztere stehen lasse oder ausreiße. Diese Mischung aus kultivierten und wilden Pflanzen lockt eine Vielzahl von Bestäubern, Pflanzenfressern und kleinen Raubtieren an, die alle ihren Beitrag zur Aufrechterhaltung der natürlichen Lebenszyklen leisten.
Auch den Pflanzen mit weniger offensichtlichen Vorzügen, die in meinem Schrebergarten wachsen, schenke ich gerne meine Aufmerksamkeit – zum Beispiel dem Löwenzahn mit seinen glänzenden Stängeln, aus denen sich flexible Körbe flechten lassen. Dieses erfolgreiche und hartnäckige Kraut ist für manche Gärtner
ein dauerndes Ärgernis, aber ich habe es als Bereicherung für die Tierwelt und als wertvolle Materialquelle zu schätzen gelernt. Löwenzahn ist essbar und kommt in einer Vielzahl volkstümlicher Geschichten vor. Auch die Zaunwinde (Calystegia sepium) mögen viele Gärtner nicht, weil sie in Windeseile alles überwuchert. Aber ich weiß inzwischen, dass ich die Ranken sammeln, trocknen und verwerten kann.
Beim Sammeln gehe ich eher opportunistisch als strategisch vor. Pflanzen, die ich gebrauchen kann, ernte ich meist dann, wenn ich zufällig auf sie stoße, anstatt gezielt auf die Suche zu gehen. Die meisten Rohstoffe stammen von meinem Grundstück, aber ich ergänze sie durch anderes Pflanzenmaterial, das ich anderswo gesammelt habe.
Blätter
zusammennähen
Als ich anfing, mit Blättern zu arbeiten, habe ich mit den Arten experiemtiert, die mir vor Ort zur Verfügung standen. Es entstand eine Reihe kleiner Objekte, die auf einer einfachen Idee basierte: dem Zusammennähen von Blättern.
Das Nähen mit Blättern ist für mich eine gute Möglichkeit, das Potenzial natürlicher Materialien zu erforschen. Ich mache mich mit dem Material vertraut, indem ich mit ihm arbeite. Diesen Prozess genieße ich. Wenn Sie mögen, sammeln Sie beim nächsten Spaziergang Blätter verschiedener (Baum-)Arten, und experimentieren Sie mit ihnen herum. So werden Sie sich neues praktisches Wissen aneignen.
Folgende Fragen können Sie sich stellen:
• Welche Blätter sind leichter zu bearbeiten, welche schwerer?
• Welche Blätter reißen besonders leicht?
• Wie kann man die Blätter beim Nähen so halten, dass sie nicht so leicht reißen oder zerbröseln?
• Welche Blätter lassen sich besser frisch, welche besser getrocknet verarbeiten?
• Mit welcher Art Nadel und welchem Faden geht die Arbeit am leichtesten von der Hand?
Nur durch Ausprobieren können Sie herausfinden, was für Sie funktioniert und was nicht. Meine ersten Blätter habe ich auf Papier, sprich: einen relativ stabilen Untergrund, genäht. Mit zunehmender Sicherheit fand ich dann Wege, die Blätter ohne Papierunterlage zusammenzunähen. Mit einer spitzen, feinen Nadel geht das am besten.
Der Eukalyptusbaum am Ende meiner Straße lässt häufig Blätter fallen. Solange sie frisch sind, lassen sie sich wunderbar verarbeiten, da sie kräftig und zugleich flexibel sind – außerdem verströmen sie einen herrlichen Duft. Beim Trocknen werden sie dann spröde und widerborstig und sind schwieriger zu handeln.
Oben und links: Experimente mit vernähten Eukalyptusblättern: Zum Nähen habe ich pflanzengefärbtes Garn aus Seide und Baumwolle verwendet.
Gefäße aus Blättern
In vielen Kulturen dienen Blätter traditionell zur Herstellung von Gefäßen wie Tellern, Schalen, Schachteln oder Vorratsbehältern. Auch Verpackungsmaterial wird aus ihnen hergestellt. Die oft sehr einfachen Konstruktionen sind aus der Not geboren und beruhen auf den Kenntnissen, die die Einheimischen über vor Ort verfügbare Materialien besitzen. Gefäße aus Blättern einheimischer Bäume zu formen ist eine weitere Möglichkeit, sich mit diesem unkonventionellen Werkstoff zu beschäftigen.
Zum Gestalten dieser filigranen Konstrukte kann ein entsprechend geformter Gegenstand hilfreich sein, um den man die angefeuchteten
Oben und rechts: Leaf Cubes Die Blätter sind um einen Filzwürfel gefaltet und wurden vor dem Trocknen von Hand zusammengenäht.
Links: Schale aus Blättern. Die Blätter wurden vor dem Trocknen zusammengenäht.
Blätter herumnäht oder -legt. Beim Trocknen erstarren sie dann in der gewünschten Form. Ich habe zum Beispiel eine Reihe von Blattwürfeln hergestellt, in deren Innerem sich selbst gemachte Würfel aus Filzwolle verbergen.
Beim Formen von Schalen finde ich es hilfreich, das noch feuchte Blattgefäß in eine Schale mit der erforderlichen Tiefe zu stellen, damit es von unten gestützt wird. Dann fülle ich das Gefäß mit zerknülltem Papier, damit sich die Blätter beim Trocknen nicht wellen und ihre Form behalten. Aber Vorsicht, sie werden auch spröde, sodass die Schale leicht zerbrechen kann.
Oben: Eucalyptus Leaf Vessel Die Eukalyptusblätter für diese Schale wurden Ton in Ton arrangiert und vor dem Trocknen zusammengenäht. 20 × 20 × 5 cm
Arbeiten mit Holz
Äste, Zweige und kleine Stücke Treibholz können mit Garn umwickelt und anschließend umwebt werden. Manche Objekte lassen sich anbohren, sodass ein stabiles Gerüst für den Kettfaden entsteht. Ich habe auch schon in getrockneten Rosskastanienschalen (Aesculus hippocastanum) gewebt, in die ich mit einer Nadel Löcher gebohrt habe. Der Kettfaden wird dann entweder wie bei den Napfschnecken (siehe S. 75) von der Mitte aus oder parallel über dem kleinen Hohlraum aufgespannt.
Die Fruchthülle frisch vom Baum gefallener Kastanien ist recht fleischig und schrumpft beim Trocknen beträchtlich. Bearbeitet man sie, solange sie frisch ist, verzieht sich das Gewebe später. Lässt man sie erst trocknen, verlieren manche Schalen zwar ihre schöne, tiefe Rundung, sind dafür aber stabiler.
Oben: Gewebe in Kastanienschalen. Es wurden frische Schalen bearbeitet. Das Gewebe hat sich während des Trocknens verformt.
Links: Umwebtes Treibholz. Der Kettfaden wurde um das Holz gewickelt und dann mit dem Schussfaden verwoben.
Neun umhüllte Steine
Diese Objektgruppe habe ich für eine Ausstellung hergestellt. Dabei kamen lauter Techniken zum Einsatz, die ich in diesem Kapitel bereits vorgestellt habe. Die verwendeten Werkstoffe stammen alle aus meinem Schrebergarten – Papier und Plastik fand ich im Schuppen oder irgendwo auf dem Grundstück, die Pflanzen, aus denen die Schnüre bestehen, habe ich selbst angebaut und verarbeitet. Die neun Steine habe ich ausgegraben, als ich einen neuen Gartenweg anlegte. Sie gaben den Maßstab und die Form für die Umhüllungen vor. Die weicheren Ummantelungen wären ohne die Steine, die ihnen als Stütze dienen, in sich zusammengesunken.
Links: Nine Wrapped Stones
Im Uhrzeigersinn von ganz links: Plastikgitter mit Stein und Schnur aus Schwertlilienblättern, in Schlingstichtechnik verarbeitet; geflochtene Löwenzahnstängel mit Stein; Schnur mit Stein und Schnur aus Narzissenblättern, in Schlingstichtechnik verarbeitet; Stein mit Band aus geflochtenen Löwenzahnstängeln, das mit gefundenem Plastik zusammengenäht wurde; Stein mit Schnur aus Brombeerfasern, in Schlingstichtechnik verarbeitet; Stein mit in freier Flechttechnik verarbeiteten Zaunwindenstängeln
Im Uhrzeigersinn von hinten: Stein mit Zeitungsschnur, in Schlingstichtechnik verarbeitet; Stein mit Schnur aus Maishüllblättern, in Schlingstichtechnik verarbeitet; handgesponnener Flachs (Leinen) auf Stängeln der Flatterbinse mit Stein
Es fasziniert mich, dass man Fundstücke und pflanzliche Fasern auf so vielfältige Arten kombinieren kann: Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, eine Art stummes Zwiegespräch zwischen den verschiedenen Materialien zu inszenieren und darauf zu reagieren.
Jedes dieser Objekte steht für sich allein. Nimmt man eines aus der Gruppe heraus, erzählt es seine eigene Geschichte. Doch es erscheint mir passender, die Objekte zu kombinieren, auf unterschiedliche Weise zu arrangieren und in der Gesellschaft der anderen zu belassen. All ihre Bestandteile stammen vom selben Ort, auch wenn sie unterschiedlichen Ursprungs sind.
Allmende 95
Amulette 72
Avocados 52–53
Bastfasern 23
Bienenkörbe 82
Blätter besticken 38–39, 42–51
Brennnesseln
– gesponnen 61
– sammeln 22–23
– trocknen 9
– verarbeiten 16, 29–36
– verweben 37
Brennnesselkleid 36–37
Bricolage 115
Brombeeren 9, 14, 17, 56–58
Brown, Allan 29–30, 36
Bücher 100–101
Decker, Julie 98
Dornen 56, 90–91, 102–103
Erdpigmente 101
Eukalyptus 43–45, 49
Faserpflanzen 16–17, 58–61
Feldrotte 35, 57
Fibersheds 10
Flachs 20–27, 36
– brechen 26
Flatterbinse 59
flechten 62–63, 122–123
Ford, Birte 35
Fruchtfolge 23
Fundstücke 70–71, 78–79, 86
Gallen 78, 117
Gefäße 6, 48–49, 119–121
Gemeingut 15, 95
Glaser, Laura 95
Gras 92
Grenzen 10
Grünlilie 59
Handwerk, traditionelles 48, 65, 72, 82, 97
Hanf 36
hecheln 26
Himbeeren 58
Hybridobjekte 9, 114–115
Intuition 18
Iris siehe Schwertlilien
Jahreszeiten 16, 51
kämmen 34, 57, 59, 66
kardieren 34–35
Kastanienschalen 18–19, 76–77
Kettfaden 74–77, 80–81
Keulenlilie 57, 61, 67
Kimmerer, Robin Wall 15, 22
Knoblauchblätter 9
Knopflochstich 84
Körbe, flexible 41, 59, 82
Kugeln 92–93, 97–98, 112–113
Lagerung 9, 14, 56
Landschaftspflege 15
Leinen (Flachs) 20–21, 26–27
Löcher bohren 71, 114–115
Löwenzahn
– flechten 62–63, 104–105, 122–123
– nutzen 41–42
– sammeln 58
– Schnüre 60
– trocknen 7, 56
– verweben 12–13, 15
– Zeichnung 40
Luftpolsterfolie 110
Mabey, Richard 41
Mais 54, 59–60
Maltby, Penny 64–65
Manifest 8–9
Material
– Eigenschaften 17
– verstehen 18–19
Meerrettich 59
Millar, Lesley 18
Mulvany, Joan 53
Nachhaltigkeit 6, 8, 10, 123
Nadeln 102
Napfschnecken 75
Narzissen 54, 56, 58, 115
Nesseln siehe Brennnesseln
Nester 118–119
Origami 108
Papier 106–109
Patchwork siehe Quilts
Pektin 31
Pigmente 10
Plastik
– Fundstücke 79, 86–87, 98–99
– wiederverwenden 110–112
Projekte, kollaborative 95
Quilts 38–39, 44–47
Rhabarber 59
Resteverwertung 116
riffeln (Flachs) 25
Rotte
– Brennnesseln 29, 34–35
– Flachs 25
Schachteln 108
Schimmel 56
Schlamm 73, 85, 100–101
Schlehe 90–91, 102–103
Schlingstich 84–85
Schnüre
– Faserpflanzen 16–17, 22–23, 58–61
– Flachs 27
– Herstellungstechniken
54–55
– Keulenlilie 67
– Löwenzahn 12–13, 15
– Papier 106–107
Schrebergarten 8–9, 22, 115
schrumpfen 53, 56, 77, 92, 120
Schussfaden 74–77, 80–81
Schwertlilien 54, 56, 58
schwingen (Flachs) 26
Skizzen 116–117
Skizzenbuch 41, 117–118, 120
spinnen 27, 107
Spinnrocken 27
SSchlag 54
Stecknadeln 90–91, 102–103
Steine 72–73, 88–89
sticken 51
Stockrosen 56–57
Stoff 83, 104–105, 112, 122–123
Stroh 65
Taglilie 58
Taurotte 25, 34
Techniken, traditionelle 15, 48
Tinte aus Eichengalle 78, 117
tome ishi 72
Treibholz 76
trocknen 56–57, 59, 77, 92, 100, 120
umhüllen 71–73, 88–89
Unkraut 41 siehe auch Wildpflanzen
Vielfalt, biologische 41
Walpole, Lois 70
Waltener, Shane 94–95
Wanderbücher 100–101
Wanderkugeln 92–93, 97–98
Waters Fayle, Hilary 50–51
weben
– Fundsachen 74–79
– Schnüre 60–61
Webrahmen, improvisierte 78–81
Wegwächter 72–73
Weidenröschen 56–57
Werg 26–27
Werkzeug 9, 114–115
wickeln 82–83
Wiederverwendung 10, 106–117
Wildpflanzen 40–45
Winden siehe Zaunwinden
Wissen, haptisches 18
Wolle 96–97
Wulstwickeltechnik 82–83
Zaunwinden
– sammeln 42
– trocknen 9
– verweben 9, 41, 114
– wickeln 6, 68–69
Zeitungspapier 61, 80, 82–83, 106–107
ZSchlag 54
Zweige 66, 102
Das Material für Kreativprojekte muss nicht aus weiter Ferne stammen, ganz im Gegenteil: In der Natur um Sie herum finden sich lokale, nachhaltige Schätze wie Pflanzenstängel, Blätter, Samenkapseln und Fruchtschalen in Hülle und Fülle. Die Textilkünstlerin Alice Fox inspiriert Sie in diesem Buch dazu, diese Welt zu entdecken und aus selbst angebauten oder gesammelten Pflanzen wunderschöne Objekte zu kreieren.
Die Autorin erläutert unter anderem Anbau, Ernte und Verarbeitung von Flachs und Brennnesseln aus dem Garten und verschafft einen Einblick in die Herstellung von Fasern aus verschiedensten Pflanzen: von Narzissen und Schwertlilien über Brombeeren bis hin zu Mais und Rhabarber. Diesen und weiteren Materialien aus der Natur wird mittels verschiedener textiler Techniken neues Leben eingehaucht: So werden Blätter zu Quilts zusammengenäht, Steine mit Fasern umhüllt und sogar urbane Fundstücke zu kleinen Webrahmen umfunktioniert.