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BINDEARTEN
daumenkino Ein Daumenkino enthält eine Reihe von miteinander in Beziehung stehenden Bildern. Werden diese mit dem Daumen in einer fließenden Bewegung rasch aufgeblättert, reihen sich die einzelnen Bilder zu einem Miniaturfilm aneinander. Das Daumenkino kommt nicht ohne die Interaktion mit seinem Leser aus, da erst durch sie der Inhalt des Buchs zum Leben erweckt wird.
Das in den 1880er Jahren unter diesem Namen patentierte Daumenkino verdankt seine Magie dem physiologischen Phänomen des Stroboskopeffekts, bei dem die im Folgenden beschriebene Nachbildwirkung eine wesentliche Rolle spielt. Ein Bild wirkt auf der Netzhaut des Auges etwa 1/12 Sekunde nach. Wird das Auge jedoch mit einer schnelleren Abfolge von Bildern konfrontiert, ist es durch diesen raschen Wechsel überfordert und verbindet die sich auf der Netzhaut überlagernden Bilder automatisch miteinander. Wenn sich die aufeinanderfolgenden Einzelbilder nur geringfügig voneinander unterscheiden, ergibt sich der optische Eindruck einer fließenden, ununterbrochenen Bewegung,
was man sich bei der Herstellung von Animationen, Filmen und natürlich auch von Daumenkinos mit großem Erfolg zunutze gemacht hat. So wird das Daumenkino auch heute noch von Animatoren zum Testen kurzer Filmsequenzen eingesetzt. Der Inhalt eines Daumenkinos kann gezeichnet, fotografiert oder aus Videofilmen entnommen werden. Daumenkinos sind nicht schwer herzustellen, sie erfordern aber eine gute Planung, einen Blick für Details und zahlreiche Versuche nach der Trial-undError-Methode. Das folgende Projekt macht Sie Schritt für Schritt mit den wichtigsten Grundsätzen der Anfertigung einer Daumenkino-Animation bekannt, die hier darauf be-
aufbau eines daumenkinos
Deckel
FilmoplastGewebe zum Fixieren des geklebten Rückens
Buchblock
Mit Kunstharzkleber geklebter Buchrücken
ruht, die Illusion eines springenden Balls zu erzeugen. cHaraKtErIstIscHE EIgEnscHaftEn Daumenkinos müssen sich problemlos mit zwei Händen halten lassen und so klein sein, dass man die Seiten mit dem Daumen auffächern kann. Bei Ihrer Planung sollten Sie von mindestens zwölf Seiten pro Sekunde ausgehen – ein Buch mit einer Dauer von zwei Sekunden vermittelt bereits den Eindruck von viel Bewegung, aber auch längere Sequenzen sind möglich. Das A und O bei der Herstellung eines Daumenkinos besteht darin, ein Gleichgewicht zu finden zwischen dem Bemühen, zwei aufeinanderfolgende Bilder optisch stark genug voneinander abzuheben, und dem Ziel, die Unterschiede so gering zu halten, dass die Bewegung beim Auffächern nicht abgehackt erscheint. Da das Aufblättern mit konstanter Geschwindigkeit erfolgen sollte, lautet die Grundregel, dass bei schnellem Auffächern weniger und bei langsamem mehr Einzelbilder erforderlich sind. Der Inhalt sollte sich dabei stets auf der rechten Seite des Blatts befinden, da beim Aufblättern in erster Linie dieser Bereich zu sehen ist. Auch die Art des verwendeten Papiers ist von Bedeutung. Es muss so steif sein, dass sich die Blätter beim Auffächern sofort weiterbewegen und den Blick auf das nächste Bild freigeben. Das ideale Papier hat ein Gewicht von 120-160 g/m2 und eine relativ glatte Oberfläche, seine Laufrichtung sollte parallel zur Längsseite verlaufen. Die Einzelblätter, aus denen das Daumenkino besteht, können auf unterschiedliche Weise gebunden werden, etwa ganz schlicht mit einem Heftgerät oder anspruchsvoller in Klebebindung (siehe Seite 38-41) mit zusätzlichen Buchschrauben oder Klebeband.