Pflanzenfarben

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Pflanzenfarben «Farben wachsen überall – wir brauchen sie nur zu pflücken»

Pflanzenfarben zum Malen haben eine jahrtausendealte Tradition. Im Unterschied zu synthetischen Farben haben sie zwar eine beschränkte Haltbarkeit und Beständigkeit, dafür überraschen sie mit einzigartigen Farbklängen und mit einer unnachahmlichen sinnlichen, lebendigen Wirkung. Helena Arendt, Autorin von «Entdecke die Farben der Natur», schildert im Interview, wie die Natur ihr immer wieder neue Impulse für die eigene Kreativität gibt.

«Farben sind das Lächeln der Natur.» ( James Henry Hunt, 1784 – 1859) 2

«Wenn ich mit Industriefarben male, beginnt für mich der künstlerische Prozess meist erst vor der Leinwand. Wenn ich aber mit Pflanzenfarben male, dann fängt der schöpferische Prozess bereits vorher, in der Natur, an», sagt die Kunstpädagogin Helena Arendt. «Das Sammeln der Färbepflanzen in der Natur und im Garten ist ein Vorgang, bei dem ich jedes Mal aufs Neue lerne und staune. Über den Kreislauf von Wachsen und Vergehen, über die faszinierenden Baupläne der Pflanzen ebenso wie über ihre künstlerischen Formen und Strukturen.»


Pflanzenfarben

Früchte und Gemüse bieten eine große Vielfalt an pflanzlichen Farbstoffen – manchmal warten sie mit ganz unerwarteten Farbtönen auf…

Frau Arendt, wie kamen Sie dazu, sich mit Naturfarben zu beschäftigen? Ich hatte das große Glück, als Kind in einer Zeit aufzuwachsen, die noch nicht bestimmt war von den zahlreichen Erfindungen der Medientechnologie und von einem Lebensstil, der sich durch Vokabeln wie Konsum, Überfluss und Wegwerfen charakterisieren lässt. Anstatt in einem überquellenden Kinderzimmer mit gekauften Spielsachen zu spielen oder mit Computern, begann ich, für mich die Natur zum Spielen zu entdecken. Die Anzahl der tatsächlichen Spielsachen war auf die Stoffpuppe, den Teddybären und das Schaukelpferd beschränkt und so fand ich heraus, dass der Garten, der Wald, die Wiesen und die Äcker für mich eine wahre Fundgrube zum kreativen Spielen waren. Ob Steine, Hölzer, Tannenzapfen, Samenkapseln, Moos, Blätter, Sand oder Matsch – alles wurde in die Hand genommen und auf seine Spieltauglichkeit überprüft. Ich lernte auch schon als Kind durch meine Großmutter, dass in einigen Pflanzen viele leuchtende Farbstoffe stecken. In der Osterzeit färbte sie mit mir zusammen die Eier und ich half ihr, Walnuss- und Zwiebelschalen zu sammeln und einzuweichen. Durch sie lernte ich auch die Farbkraft der schwarzen Stockrosenblüten kennen. Oft warf sie nämlich zu meiner Freude ein paar getrocknete Blüten in mein Trinkwasser, um es damit wunderschön purpurrot einzufärben. Das hat mich als Kind so sehr fasziniert, dass ich eines Tages probierte, mit eben diesem Farbwasser zu malen. Der kindliche Drang, vieles selbst auszuprobieren ist mir bis ins Alter erhalten geblieben und ich versuche, in den Kindern heute dieselbe Begeisterung für die Dinge in der Natur zu wecken, die ich damals selbst verspürte.

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Warum haben Sie schließlich Bücher über Naturfarben geschrieben? Es war ein jahrelanger Prozess, bis ich die Idee dazu hatte. Zunächst spielten selbst hergestellte Naturfarben nur in meiner eigenen künstlerischen Arbeit eine Rolle. Ich studierte in Eigenregie viele alte Rezepturen und Werkstattbücher alter Meister und meine Küche diente manchmal weniger zum Kochen von Essen als zum Kochen von Pflanzenfarben. Bald konnte ich vor allem während meiner Ausstellungen feststellen, dass mehr und mehr Menschen sich für diese Farben interessierten, weil sie spürten, dass diese Farben irgendwie «anders» waren. So begann ich, in verschiedenen Seminaren und Projekten mein Know-how an Erwachsene und Kinder weiterzugeben. Nicht nur das Interesse, sondern auch die Freude am Thema Naturfarben war immens und ich spürte bei vielen Menschen den starken Wunsch, sich wieder intensiver mit der Natur und ihrem Potential zu beschäftigen. Das war der Ausgangspunkt für meine Veröffentlichungen. Die heutige Lebensweise zwingt viele Menschen dazu, die Natur aus ihrem Alltag zu verdrängen und ich bin glücklich darüber, dass ich zumindest in einem kleinen Teilbereich der Natur den Menschen traditionelles Wissen wieder zugänglich machen kann.

Helena Arendt Helena Arendt verbrachte ihre Kindheit in einem polnischen Dorf und lernte dort die ersten Färberpflanzen kennen. Mit zehn Jahren siedelte sie nach Deutschland über, wo sie später Kunst und Kunstpädagogik studierte und als Kunstpädagogin arbeitete. Seit 1992 ist sie freischaffende Künstlerin in Münster und beschäftigt sich seither intensiv mit natürlichen Farben und Werkstoffen. Es zieht sie immer wieder in die Natur, die für sie die wichtigste Quelle der Inspiration ist. Sie bietet Seminare an und zeigt in interkulturellen Projekten, Ausstellungen und Vorträgen das immense Potential der Naturfarben.

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Pflanzenfarben

Farbgewinnung aus Tagetes

In meinem Buch werden die Kinder dazu angeregt, selbst etwas zu tun. Das ist besonders wichtig, denn in unserem Bildungswesen wird viel zu einseitig nur der Kopf gefördert. Dabei wird oft vergessen, dass wirkliches Lernen immer ein Lernen mit allen Sinnen ist. Ich möchte durch das Buch die vielfach vergessene heimische Natur zum Ausgangspunkt von Erkenntnissen machen und die Kinder dazu animieren, mit offenen Augen und Sinnen die Natur als Ort für viele schöpferische Möglichkeiten zu entdecken. Außerdem gilt es als erwiesen, dass Kinder mit viel praktischem Wissen über die Natur ein weitaus höheres Umweltbewusstsein besitzen als diejenigen, die ihr Wissen nur über Medien erworben haben. So gesehen soll das Buch auch ein Beitrag sein zur handlungsorientierten Naturbildung und Nachhaltigkeit. Wenn Kinder Natur kreativ gestalten, dann ist das auch ein wichtiger Schritt, der zum Erhalt von Natur beitragen kann. Worin unterscheiden sich Naturfarben von künstlichen Farben? Die Welt der heutigen Farben ist bunt und schrill. Über all dieser Buntheit geht uns mehr und mehr das Empfinden darüber verloren, welche Farbe überhaupt noch ästhetisch und natürlich ist. Durch die selbst hergestellten Farben der Natur können wir erkennen, dass Farbe mehr ist als nur das fertige Produkt, das wir in bunten Plastikflaschen kaufen. Naturfarben sind sinnlich, weich und lebendig, aber keinesfalls schrill. Das liegt daran, dass eine Pflanzenfarbe niemals aus nur einem Farbstoff besteht. Sie setzt sich immer aus verschiedenen Farbstoffen zusammen und bildet dadurch eine einzigartige Komposition. Auch Erdfarben sind niemals nur platt dekorativ, sondern ebenfalls lebendiger und vielschichtiger als jede Industriefarbe. Was bedeutet für Sie als Künstlerin die Beschäftigung mit Naturfarben? Mich beschäftigt nicht der schöne Schein von Industriefarben oder ihre perfekte Oberfläche. Für mich als Malerin fängt Kunst nicht erst vor der Leinwand mit der Farbtube in der Hand an, sondern wesentlich früher – in der Natur. Auf meinen Streifzügen durch Gärten, Wälder, Wiesen und Felder sind meine Augen immer und überall offen für das, was die Vegetation täglich Neues bietet. Im steten Prozess von Wachsen und Vergehen bringt sie jeden Tag neue staunenswerte Dinge hervor. Stand ich noch gestern auf einer Wiese mit sattgelben Löwenzahnblüten, so haben diese sich heute in Pusteblumen verwandelt. Zu meinem Ärger sind die gelben Blütenblätter zum Färben einfach verschwunden. Die Natur wartet nicht auf mich. Wenn ich nicht hinausgehe, geschehen die Dinge einfach ohne mich.

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Im Laufe der vielen Jahre habe ich zahlreiche Erfahrungen über die Abläufe in der Natur gesammelt; ich weiß, wann und wo ich die besten Brennnesselblätter ernten muss, um die intensivsten Farbtöne zu erhalten. Ich kenne die Stellen mit den sonnengelben Goldruten und beobachte mit Freude, wenn sich auf einigen Eichbäumen durch Einstiche von Gallwespen die Gallen entwickeln, aus denen ich schwarze Tinten machen kann. Durch diese kleinen, elementaren Vorgänge fühle ich mich der Natur ein Stück näher, dadurch dass ich sie anschaue und betrachte, offenbart sich mir ein großer Teil des Wesens der Natur. Ich erfahre mich in meinem Tun nicht nur selbst, sondern mir wird auch der gesamte Kosmos der Natur mit seinen Gesetzen, Prinzipien und Ordnungen ein wenig begreifbarer. In meiner Malerei versuche ich dann später an der Leinwand, die besonderen Qualitäten und die starke Sinnlichkeit von Naturfarben hervorzuheben. Große Maler des Mittelalters und der Renaissance haben Naturfarben und natürliche Bindemittel wie Kasein, Öl oder Ei verwendet und man kann sich bis heute von ihrer Aussagekraft überzeugen. Fortlaufend neue technische Errungenschaften der Farbindustrie führen zwar zu immer perfekteren und raffinierteren Produkten, doch erreichen sie niemals die besondere Wirkung der Farbklänge der Natur. Was lernen Kinder in Ihrem Buch «Entdecke die Farben der Natur»? Ich zeige den Kindern zunächst, wie sie aus verschiedenen Pflanzen, Blüten, Beeren oder Gemüsesorten farbige Säfte gewinnen und wie sie mit diesen Farbsäften auf Papier malen können. Über das Malen mit dem Pinsel hinaus lernen die Kinder weitere kreative, malerische Möglichkeiten auf Papier kennen. In einem weiteren Schritt lernen die Kinder aus den Saftfarben Kleisterfarben herzustellen. Das geschieht ebenfalls alles mit einfachen und natürlichen Hilfsmitteln. Kleisterfarben lassen sich nicht nur auf Papier, sondern auf vielen anderen Untergründen verwenden. Auch Sand und Erde kommen im Buch zum Einsatz. Mit beiden lassen sich nicht nur tolle Bilder gestalten, sondern auch phantasievolle plastische Objekte. Außerdem können Kinder farbige Tafelkreiden, Tinten, Fingerfarben, Schminke oder Pflanzenkohle selber machen. Und in einem weiteren Abschnitt geht es um einige Pflanzen mit besonderen Geschichten und Kräften wie z.B. den Schachtelhalm, Löwenzahn oder den Schopftintling. Die Kinder lernen und erkennen, dass nicht nur gekauftes, von der Industrie vorgefertigtes Material für kreatives Tun geeignet ist, sondern dass die Natur ihnen unendlich viele Schätze anbietet. Und diese gilt es zu entdecken!

Farben-Werkstatt für Kinder – das Buch zum Artikel

Helena Arendt Entdecke die Farben der Natur Das Werkstattbuch für Kinder 160 S., Klappenbroschur € 24.90 / sFr. 37.90 978-3-258-60004-8

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«Wunderschön fotografierte Farben aus der Natur, übersichtlich und strukturiert aufgebaut. Mit klarer Sprache, die sich freundlich an Kinder bzw. Jugendliche wendet.» Nua:ncen «In kaum einem Buch über das Pflanzenfärben findet man so kompakt und einfach dargestellt eine solche Fülle an praktischen Anwendungsmöglichkeiten für die Farben der Natur. Ein Grund, warum auch Erwachsene das Buch spannend finden werden.» umwelt & bildung


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