Sagen ausWien

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SAgen aus Wien


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Sagen aus wien

11. Bezirk


SAgen aus Wien

Sagen aus Wien

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Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich: FPÖ Wien, Rathausplatz 8, 1010 Wien

*Prinz Eugen von Savoyen 1663 - 1736 Einer der berühmtesten Feldherren Österreichs, der sich auch beim Kampf gegen das türkische Heer vor Wien im Jahr 1683 große Verdienste erwarb. Die Belagerung Wiens durch die Türken im Jahr 1683 dauert vom 13. Juli an 60 Tage lang. Am 11. September flammten in der Nacht am Kahlenberg Feuerzeichen auf. Das war das Signal an die belagerten Wiener, dass das Entsatzheer unter Herzog Karl V. von Lothringen, Prinz Eugen von Savoyen und dem Polenkönig Johann Sobieski eingetroffen war. In der Schlacht gegen die Belagerer, die am frühen Morgen des 12. September begann, zeichnete sich Eugen durch besondere Tapferkeit aus. Die Türken wurden in die Flucht geschlagen. Wien war gerettet. 1697 befehligte Prinz Eugen im Zuge des großen Türkenkrieges den Gegenstoß gegen die Türken in Ungarn. Am 11. September 1697 konnte er die Hauptmacht des türkischen Heeres vernichten.

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Impressum


Wien, anno 2010

Liebe Wienerinnen, liebe Wiener! Es hat, Ihr wisst es sicher schon, Wien eine gar lange Tradition. Viel ist passiert, viel ist geschehen, worüber heut' noch oft wir reden. Nicht wenige dieser Wien-Geschichten weiß man in Sagen zu berichten, wo Altes sich bis heut' erhält' als Zeugnis dieser früheren Welt. Ändern die Zeiten sich auch schnell, bleibt doch gar vieles aktuell. Und wer genau auf Sagen schaut, dem scheint manch' Szene sehr vertraut. Wir wünschen Euch mit dem Gedichte viel Freud und Spass mit Wiens Geschichte. Und denkt beim Lesen immer dran, dass vieles heut' noch wahr sein kann...

Euer HC Strache und Euer Prinz Eugen*

Pagina Text

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die Zweite

TÜRKENBELAGeRUNG WIENS 1683 1683

standen die Türken bereits zum 2. Mal vor den mittelalterlichen Toren Wiens. Die Vorstädte und die schönsten und prachtvollsten Gärten wurden verwüstet, alle Kirchen und Paläste niedergebrannt und damit zu Schutt und Asche verwandelt. Wiens Einwohner verloren ihre kostbarsten Einrichtungen und ihre nützlichsten Hausgeräte, die allesamt in Flammen aufgingen. Nun bildete vor allem die Leopoldstadt, der heutige 2. Wiener Gemeindebezirk für die Türken einen äu-

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ßerst wichtigen strategischen Punkt, von welchem aus sie die Stadt mit ihren Geschützen auf das wirksamste beschießen und belagern konnten. Sie gruben von der Jägerzeile (der heutigen Praterstraße) herauf bis über die Schlagbrücke hinaus immer neue „Laufgräben“, errichteten an der Donau und bei der Kirche der Barmherzigen Brüder neue Batterien und besonders gegen den alten Fleischmarkt und beim ehemaligen St.-LorenzoKloster brachten sie die Wiener durch Bomben in


schwere Bedrängnis. Am 21. Juli, wie uns die Legende besagt, wurde der Angriff unserer Feinde von der Leopoldstadt aus besonders heftig. Erst als die Nacht einbrach, ruhten die Geschütze endlich und es wurde ein wenig ruhiger. Da brachte ein Reiter die Nachricht, dass man vom Herzog von Lothringen, der bereits nahte, Gott sei gedankt, sehr bald schon Hilfe bekommen würde. Als am 2. August die Türken zu Nußdorf und zu Klosterneuburg alle ihre Schiffe und Flöße losmachten und diese auf dem kleinen Arm der Donau herabströmen ließen, häuften sie sich vor den Bruchstücken der abgetragenen Schlagbrücke so an, dass man sogar über sie drüber gehen konnte. Die aus der Leopoldstadt in die Stadt geflohenen Schiffer bekamen den Befehl, die Schiffe aber über Nacht wegzuräumen. Eine wahrhaftig heldenmütige

Hürrlich, die nüe Grüßmüschee für Wien! Güldene Küppel ünd zwy ÜX-Large Münarette müt Hülbmünd! Krügt Namen Hagia Stüfania, nix mühr Stüfansdüm…

Tat der Schiffer, wegen des heftigen und andauernden Feuers der Türken! Einem Bürger, der beim Herannahen des Feindes aus der Vorstadt Leopoldstadt in die Stadt hinein geflüchtet war, ging diese Tat der mutigen Schiffer so zu Herzen, dass auch er beschloss, der Stadt durch eine heldenmütige Tat zu dienen. Da er als gebürtiger Pole Kenntnis von der Sprache und den Gebräuchen der Türken hatte (er arbeitete in seiner Jugend als Dolmetscher bei der orientalischen Kompagnie), bot er sich sogleich dem Stadtkommandanten als Kundschafter an. Sein Angebot wurde bereitwilligst angenommen und Kolschitzky, so hieß der mutige Mann, unternahm in Begleitung seines Dieners Michalovitz, der ebenfalls die Sprache und die Sitten der Türken kannte, in der Nacht des 6. August, wahrscheinlich zwischen 10 und 11

Nüch sin mür nix drünnen in Wien!

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Uhr, dementsprechend verkleidet und in orientalische türkische Kleider gehüllt, mit einem Brief, der an den Herzog von Lothringen gerichtet war, seinen ersten schweren Gang durch das Lager der Feinde. Graf Guido von Starhemberg, der Adjutant des Wiener Stadtkommandanten, begleitete den mutigen Wiener Bürger durch das Schottentor bis zu den Palisaden und ließ es sich nicht nehmen, ihm noch seine guten Ratschläge mit auf den Weg zu geben. Dann verabschiedete er sich und wünschte Kolschitzky viel Glück und gutes Gelingen mit seinem wichtigen Botengang zum Wohle der Stadt. Kurz darauf begann ein fürchterliches Gewitter, es stürmte, blitzte und donnerte, doch Kolschitzky und sein Weggefährte gingen trotzdem unverzüglich weiter und gelangten schon bald bis an das „Lazarett in der Währinger Straße“, wo sich das türkische Lager ausbreitete. Sie beschlossen, sich

unter einen Baum zu setzen und das Ende des Regens abzuwarten. Bei Tageslicht gingen sie aber unerschrocken weiter durch das feindliche Lager und Kolschitzky trällerte sogar noch ein türkisches Liedchen, um bei den herumgehenden und vorbeireitenden Türken nicht verdächtig zu wirken. Als sie an dem Zelte eines Aga (so nannte man einen türkischen Aufseher, Befehlshaber, Anführer) vorüberkamen, rief dieser die beiden zu sich. Dem Anführer war ihre klitschnasse Kleidung aufgefallen, weswegen sie bedauert wurden. Als sie gefragt wurden, woher sie denn kämen, gab Kolschitzky zur Antwort, dass er ein Kaufmann aus Belgrad sei, der mit seinem Diener dem türkischen Heere gefolgt wäre, um den Türken Lebensmittel zu liefern und gute Geschäfte zu machen. Der Aga ließ sogleich Kaffee herbeibringen, den sie dann miteinander tranken und warnte Kolschitzky, sich ja nicht zu weit

Wünn's düsmül nix würd, müssen müne Nachfülger halt zür EÜ…

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in Richtung Christen vorzuwagen, denn dies sei sehr gefährlich. Kolschitzky bedankte sich alsdann für die Gastfreundschaft und beide verabschiedeten sich von dem Aga. Entschlossen gingen sie weiter und versuchten aber den türkischen Truppen vorsichtig auszuweichen. Weiter ging es durch den Wald und die Weinberge in Richtung Klosterneuburg. Weil sie aber nicht genau wussten, ob Freund oder Feind hier zu Hause sei, kehrten sie nach dem Kahlenbergerdorfe am Fuße des heutigen Leopoldsberges zurück. Plötzlich sahen sie auf der gegenüberliegenden Insel in der Donau ein paar Einheimische, zu denen sie freundlich hinüberwinkten. Diese aber verwechselten ihn und seinen Diener wegen ihrer Verkleidung doch tatsächlich mit Türken und es kamen als Antwort sofort einige Schüsse herüber, die aber zum Glück ihr Ziel verfehlten. Kolschitzky rief sogleich in deutscher Sprache, dass sie Christen seien und von Wien mit einer wichtigen Nachricht gekommen waren. Beide wurden sogleich auf die Insel hinübergefahren, wohin sich sogar der Richter von Nußdorf und einige seiner Nachbarn vor den Türken geflüchtet hatten. Nachdem sich die vermeintlichen Muselmänner durch einen Pass ausgewiesen und

neuerlich zu erkennen gegeben hatten, wurden sie so schnell wie möglich auf das linke Donauufer befördert. Von da ging es rasch weiter ins kaiserliche Lager, das nicht allzuweit entfernt war. Dort wurden Kolschitzky und sein Diener freundlich aufgenommen, fürstlich bewirtet und der Herzog von Lothringen übernahm den Brief, den man ihm auf so gefährliche Weise gebracht hatte, entgegen und versprach, am nächsten Morgen eine Antwort für die Wiener fertig zu haben. Den beiden mutigen Männern wurde am Abend in einem Zelt eine Lagerstätte angewiesen, damit sie sich erholen und durch einen gesunden Schlaf für die anstrengende Rückreise stärken konnten. Im Lager wurde es dann nach und nach immer ruhiger, alle schliefen in ihren Zelten, nur die auf und ab patroullierenden Wachposten unterbrachen die fast unheimliche Stille mit ihren forschen Schritten. Kolschitzky stand aber in Gedanken versunken vor seinem Zelt und schaute Richtung Wien. Als ihn ein Offizier befragte, warum er noch nicht sein Schlaflager aufgesucht habe, antwortete er, dass er noch auf ein Signal aus Wien wartete. Für 10 Uhr hatte er nämlich ausgemacht, seine erfolgte glückliche Ankunft im kaiserlichen Lager durch das Abschießen einer Raketengarbe anzu-

Der soll sich schleichen, der Sultan! Die Türkei g'hört net zu Europa! Net heut´ und net in a poar hundert Joahren!

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Wennst dem Mustafa ane aufbrennst, kriagst a Hasse spendiert!

Leiwand, voll auf's Nudelaug! – I nimm a Burenhäutl mit an siaßen Senf und an Buckl*, HC!

*Ausdruck für „Brotscherzerl“, also das Randstück eines Brotlaibs.

Die Verteidiger sind alle teppert! Mir is wurscht, wenn die Türken kommen, samt Minarett und Muezzin und Kopftüchlzwang! Ich bin schließlich ein Mann von Welt und ka Rassist! Und Wein-Saufen und Bratl-Essen tua ich dann heimlich im Keller. – Des Türkengwandl und die Wasserpfeifn hab ich mir eh schon zuglegt!


zeigen – diese habe er bereits am Vorabend bei Stammersdorf abgebrannt, aber noch sei leider keine Erwiderung, kein „Zeichen“ seitens der Stadt Wien sichtbar geworden. Da traf der Offizier die Anordnung, dass sofort einige Raketen abgebrannt werden sollten. Und siehe, bald schon stieg vom Stephansturm aus über ganz Wien eine mächtige Feuergarbe empor, die man bei ihnen im Lager wohl beobachten konnte. Jetzt erst war Kolschitzky zufrieden und ging wie alle anderen schlafen. Am nächsten Morgen wurde ihm dann auch, so wie versprochen, ein Schreiben des Herzogs von Lothringen ausgehändigt, in dem stand, dass die Hilfstruppen täglich näher an Wien anrückten und dass Preßburg von den Österreichern erobert und ein doppelter Sieg über das ungarische Tököly bereits geschlagen sei. Er und sein Diener traten daraufhin den Rückweg an, wären aber bald doch in die Hände der Feinde geraten. In Nußdorf krochen sie, besorgt, von den türkischen Posten doch noch entdeckt zu werden, und wegen heftigem Regen in einen Keller hinab, wo Kolschitzky auch sogleich erschöpft einschlief, während sein Diener Michalovitz neben ihm Wache hielt. Nach dieser kur-

zen, aber notwendigen Pause besprachen Herr und Diener, was nun als nächstes zu tun sei. Plötzlich hörten sie einen türkischen Soldat die Stiege zu ihnen herunterkommen und erschraken. Doch da der Türke jemanden reden hörte, machte er wieder „kehrt um“, damit er ja nicht etwa von seinesgleichen in einem Weinkeller (der Koran, das heilige Buch der Mohammedaner, verbietet den Gläubigen das Weintrinken) entdeckt werde. Die beiden verängstigten Flüchtlinge waren mehr als froh und beschlossen aufzubrechen. Bald erreichten sie glücklich Wien, wo sie von den Wienern freudig empfangen wurden. Und wieder wurde ihre glückliche Ankunft der Armee jenseits der Donau durch Raketenschüsse angezeigt. Michalovitz, dem treuen Diener Kolschitzkys, gelang es noch zweimal, unverletzt und unbehelligt durch das türkische Lager zu kommen. Das letzte Mal gesellte sich bei seiner Rückkehr ein türkischer Reiter zu ihm, mit dem er sich in ein vertrautes Gespräch einließ. Michalovitz befand sich nun in großer Gefahr, dass dieser ihn erkannte. Deshalb hieb er ihn, ehe der Türke es sich versah, nieder, bestieg dessen Pferd und sprengte wild davon. So kam er glücklich in die Stadt zurück. Endlich nahte die

Bei üns traut süch das nümand! Ünd wenn, dann würd er süfort gestünigt! Wie Ehebrecherünnen!

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Auf geht's, Burschen! Es geht um Freiheit, Menschenrechte und unsere Heimat!! Wir san Linke! Wir brauchen's Flaggerl nur für's Gaggerl, hahahah!

Stunde der Rettung für das belagerte Wien! Am 11. September um Mitternacht war das christliche Heer auf den Hängen des Kahlenberges angekommen, wo noch eine letzte Messe gelesen wurde. Endlich, beim Morgengrauen des 12. September, stieg dann das Entsatzheer am östlichen Abhang den Berg Richtung Wien hinunter. Die Befreiungsschlacht begann nun auf dem linken Flügel bei Nußdorf, bei Dornbach und auf der heute noch sogenannten Türkenschanze, wo der Kampf am schrecklichsten war. Die Türken wichen auf allen Seiten zurück und gegen 5 Uhr abends drangen die ersten christli-

Auch die Künstler jener Tage beschäftigten sich mit dem Thema Türkenbelagerung. Obenstehende Abbildung zeigt einen originalen Holzschnitt aus der damaligen Zeit. Er vermittelt sehr drastisch, wie die Menschen damals die Bedrohung erlebten.

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chen Truppen bis in die „Roßau“ vor. Eine halbe Stunde später erreichten sie auch das feindliche Lager. Die Türken wurden mit Erfolg in die Flucht geschlagen und der Großwesir rettete nur mit großer Not die Fahne des Propheten. Die wilde Flucht der Feinde ging bis Raab, wo sich das geschlagene türkische Heer wieder sammeln konnte. Die Wiener jubelten ob der großen Beute, die zurückblieb, und feierten noch lange ausgelassen ihren ruhmreichen Sieg! Auch Kaiser Leopold I. bedachte die tapferen Verteidiger Wiens mit Lob und Ruhm und großen Geschenken. Graf Rüdiger von Starhemberg wurde zum Feldmarschall erhoben und mit hunderttausend Reichstalern beschenkt und erhielt sogar den Stephansturm in sein ehrenwürdiges adeliges Wappen. Die Stadträte und Mitlgieder der Bürgerschaft, die sich besonders durch ihren Mut ausgezeichnet hatten, erhielten goldene Ehrenketten und die Erlaubnis, sich kaiserliche

Räte zu nennen. Dem mutigen Botschafter Kolschitzky wurden alle im türkischen Lager erbeuteten Kaffeevorräte als persönliches Eigentum zugesprochen und er erhielt die Erlaubnis, das erste Kaffeehaus in Wien errichten zu dürfen (Favoritenstraße Nr. 64: Kolschitzky / Denkmal der Kaffeesieder Franz Zwirina stiftete 1885 für das Haus Ecke Kolschitzkygasse im 4. Bezirk eine Skulptur von Georg Franz Kolschitzky, der der Legende nach 1683 wirklich das Kaffeetrinken in Wien eingeführt haben soll – die Skulptur schuf Emanuel Pendl, sie wurde am Haus in Höhe des 1. Stocks für jedermann sichtbar angebracht). Auch der Stadtrat Wiens zeigte sich sehr dankbar – Graf Starhembergs Haus wurde von allen Steuern und Abgaben befreit – seine Generäle und Offiziere wurden ebenfalls mit Geschenken reich bedacht und Kolschitzky erhielt in der Folge das Haus Nr. 30 in der Leopoldstadt als Ge-

At t a küüüüüüü! G e ge n dü Üüüün ! g lääää n e e e u u u ubüüüüge


Helft's ma! Mach ma des Tor auf! Lass ma's eine! Wien braucht a Zuwanderung! So lendenlahm, wia die Österreicher sind.* Es braucht a frisches Bluat!

Nur wennst uns fix versprichst, dass die Türken sofort Gemeindewohnungen kriagen und wöhln dürfen!

* 1999 war es der damalige SPÖ-Bundeskanzler Viktor Klima, der die Österreicher sinngemäß als lendenlahm bezeichnete, um so die Massenzuwanderung zu rechtfertigen.

Wenig später:

A, a, a, … so a Schaa…

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…a, a … ööner Tag, ähem! Endlich san unsere Retter und Befreier da! Ähem! I hab's ja immer g'wußt! Die Türken ghör´n weg! Mei, is des schön! Hurra!


schenk. Unter den Verteidigern der Stadt befand sich auch der ehrwürdige Bischof Kollonitz, der durch seine wahrhaft segensreiche Tätigkeit berühmt wurde. Um Wien zur Zeit der großen Not während der Türkenbelagerung beizustehen, war er freiwillig von seinem Bischofssitze Wiener Neustadt herbeigeeilt. Während der Kommandant der Stadt die Verteidigung Wiens überwachte, nahm sich der edle Bischof der armen Kranken und Verwundeten und vor allem der Kinder an.Täglich besuchte er die Spitäler und tröstete die Verwundeten und Sterbenden. Als endlich die schwere Prüfungszeit für Wien vorüber war, nahm er sogar hunderte arme Kinder, deren Eltern die grausamen Türken getötet oder weggeschleppt hatten, bei sich

auf und ließ sie angemessen erziehen und unterrichten. Sein wohltätiges Wirken wurde von allen Menschen gepriesen. Für immer bleibt der Name Kollonitz mit der Geschichte der zweiten Wiener Türkenbelagerung verknüpft (siehe heutiger Kollonitzplatz im 3. Wiener Gemeindebezirk). Da jubelte die Wiener Bevölkerung sehr und alle feierten ausgelassen und voller Freude auf den Straßen. Der Sultan in Belgrad harrte umsonst auf die frohe Botschaft vom Fall Wiens. In Adrianopel und in Stambul, im heutigen Istanbul, wurden bereits großartige Vorarbeiten getroffen, um die siegreichen Truppen in allen Ehren zu empfangen. Lange wagte es niemand, dem Sultan die schlechte Nachricht von der Niederlage seines Heeres zu bringen.

! m a h I s l am ble i b d a ut! e L e r e s r u n ü f n e i Un s e r W

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Als er dann aber doch durch einen seiner Günstlinge, der dieses undankbare Geschäft der Nachrichtenüberbringung übernommen hatte, davon erfuhr, erfasste ihn eine unbeschreibliche Wut. Er befahl, übermannt von der ersten Aufregung, alle Christen im Osmanischen Reiche zu töten! Es kam jedoch nicht zu diesem geplanten Blutbad, da er nach reiflicher Überlegung seinen grausamen Befehl

Du bist a ganz a falscher Fuffzga! Die Leut´ werden sich das merken!

W d m e Fr

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,W t u l B r e n ie

doch wieder zurücknahm. Dem uns aus der Legende über die zweite Türkenbelagerung wohl bekannten „Günstling des Großherrn“, dem Kara Mustapha, gelang es noch für dieses eine Mal, seinen eigenen Kopf zu retten. Doch entging er später seinem Schicksal nicht, der Fall von Gran in Ungarn und die Niederlage dort kostete auch ihn das Leben.

Wenn ich für mei Feigheit nur net ane auf's Häupl kriag bei der nächsten Wahl…

l e i v u z , t u ie ne r B l

de m g u n a m e i n t u es t

i e n e r B l u t… W t…


Das Reiterstandbild von Prinz Eugen von Savoyen am Wiener Heldenplatz. Errichtet vom Bildhauer Anton Dominik Fernkorn stellt es ihn als siegreichen Feldherrn und Bezwinger der Türken dar und verkörpert das Haus Österreich als Verteidiger des christlichen Glaubens gegen die Türken. Das Standbild wurde 1865 enthüllt.

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Bin ich nicht ein wunderschönes rot-grünes Geschöpf? Glaub' mir, das Volk wird mich lieben!

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Das Basiliskenhhaus

Bist Dir wirklich sicher, dass Rot-Grün in Wien einegeht bei de Leut'?


DAS

Basiliskenhaus

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m Jahre 1212, sehr zeitig am Morgen, da hörten die Leute in der heutigen Schönlaterngasse Nr. 7 ein großes Gezeter und Geschrei. Schnell machten sie ihre Fenster auf, um zu sehen, was geschehen sei. Der Lärm kam aus dem Haus „Zum Goldenen Kreuz“, das dem Bäckermeister Garhibl gehörte. Die Leute liefen sogleich hinunter und wollten in das Haus hinein. Aber da das Haustor leider zugesperrt war, riefen die guten Leute besorgt: „Sofort aufmachen, was ist denn da drinnen los?“

Das Basiliskenhhaus

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Einige der Männer kamen mit dicken eisernen Stangen und wollten die Eingangstüre einschlagen. Andere wieder liefen besorgt zum Stadtrichter Jakob von der Hülben und erzählten ihm von dem furchtbaren Geschrei, das sie aus dem Hause vernommen hatten. Der Stadtrichter rief die Wachen, stieg auf sein Pferd und ritt zum Bäckerhaus. Dort packte er den eisernen Hammer, der an dem Haustor hing und schlug dreimal kräftig an das Tor (denn natürlich gab es im Mittelalter noch keine Hausglocken!). Heraus trat der Bäckermeister, ganz bleich im Gesicht, und erzählte dem Stadtrichter, mit folgenden Worten, was passiert war :

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Schau! Der rote Herr Bezirksvorsteher! Eh kloar, am hohen Ross! Richtig lästig diese Bürger, immer mit ihren Anliegen…

A, a, a… rot-grünes schiaches Viech!!! Und wia des stinkt!!

Das Basiliskenhhaus

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I versteh' des net! Die M端llabfuhr wird jedes Jahr teurer und trotzdem stinkt's so grauslich aus dem Brunnenloch!

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Das Basiliskenhhaus


„Unser Dienstmädchen, die Anna, ist heute wie alle Tage in den Hof gegangen und wollte Wasser aus dem Brunnen schöpfen. Und weil gar so wenig Wasser heraufgekommen ist, hat sie halt in den Brunnen hinuntergeschaut. Dann hat sie laut zum Schreien angefangen und wir sind alle gleich zu ihr in den Hof gelaufen, um zu sehen, was denn da los ist. Da hat uns die Anna erzählt, dass es unten im Brunnen so stark glänze und funkle und dass eine garstige Luft zu ihr heraufgekommen sei. Beim Brunnen angelangt, ist uns ein grauslicher Gestank entgegengekommen, bald wären wir daran erstickt! Johann, mein treuer Geselle, hat gleich gesagt, er wolle selbst nachschauen, was da unten so

glänze und meinte, dass da vielleicht ein Schatz verborgen sei. Er hat sich gleich ein Seil um den Leib gebunden und ist mit einer Pechfackel in der Hand von den anderen Gesellen in den Brunnen hinabgeseilt worden. Nach einigen Metern hat man ihn fürchterlich schreien gehört, aber man konnte von oben nichts sehen. Vor lauter Schreck hatte er die Fackel fallen gelassen! Schnell haben wir ihn dann sogleich heraufgezogen, aber da war der Arme schon bewusstlos! Erst vor einigen Minuten ist er wieder zu sich gekommen. Wenn Ihr meinen Gesellen sehen wollt, so kommt doch in den Hof herein. Vielleicht kann er Euch selbst erzählen, was er da unten Schreckliches erlebt Das Basiliskenhhaus

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hat!“ Der Stadtrichter und die Leute gingen sodann in den Hof. In einer Ecke saß der arme, bleiche Bäckergeselle Johann auf einem Stein und hustete so fürchterlich, dass einem angst und bange wurde. „Das war schrecklich!“, sagte er stockend, „da unten ist ein wahrhaft scheußliches Tier, das ausschaut wie ein großer Hahn, aber mit einem langen schuppigen Schwanz und großen Füßen mit Krallen dran. Es schaute mich da unten drohend mit seinen glühenden Augen an. Es hatte eine feurige Krone auf dem Kopf und aus dem Maul kam ein feuriger Schwall Dunst. Ich konnte kaum atmen und hab mich schon da unten verrecken gesehen.“ Er hustete und hustete und konnte gar nicht mehr weiter sprechen, so erschöpft war der Arme.

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Das Basiliskenhhaus


Keuch, keuch! Die Kreatur da unten mieft noch viel ärger als alle Giftler in meiner AntifaKommune z´sam! Glaubt's mir, des haßt wos, keuch!

Echt, so arg is´ es? Igitt, igitt!!!


Da trat ein Herr heraus aus der Menge, die herumstand, und sagte zum Stadtrichter: „Erlaubt, dass ich den Vorfall den Leuten erzähle. Vielleicht kann ich sie beruhigen und weiß eine Lösung!“ Der Stadtrichter rief den Leuten zu: „Ich bitte um Ruhe! Herr Pollitzer, Doktor der Weltweisheit, will Euch etwas sagen!“ Da wurde es ruhig und der Doktor sagte: „Liebe Leute, hier in diesem Brunnen ist wahrscheinlich ein Basilisk gefunden worden. Das ist ein äußerst merkwürdiges Tier, es ist aus einem Ei ausgeschlüpft, das ein Hahn gelegt und eine Kröte ausgebrütet hat. Der Basilisk ist sehr gefährlich, denn jeder Mensch, der ihn anschaut, muss sterben. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn umzubringen! Es muss ihm jemand einen

Ich versteh' net, warum's die Leute vor mir graust, wo ich doch so fein riach! Da sieht man halt wieder: Lauter Spießer voller Vorurteile!

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Spiegel aus Metall*) vor die Augen halten. Wenn das böse Tier dann sein eigenes Bild erblickt, dann erschrickt es so sehr über seine scheußliche Gestalt, dass es zerplatzt. Aber wenn ich wirklich ehrlich zu Euch sein soll, ich rate niemandem, tatsächlich mit einem Spiegel da in die Tiefen des Brunnens hinunterzusteigen! Denn dies könnte sein Leben kosten.“ Da wurde es ganz still im Hof und ein Mann fragte: „Kann man denn das furchtbare Vieh nicht vielleicht auf eine andere Art umbringen?“ Der Doktor antwortete ihm: „O ja. Wenn man den Brunnen bis oben mit Steinen und mit Erde anfüllt, dann muss der Basilisk ersticken, da bin ich mir ganz sicher.“

Genau! Uneinsichtiges G'sindel, undankbares!


Zah on! Sei net so feig und vertreib' des schiache Vieh aus'm Brunnen! Für wos bist denn Stadtrat, ha? Aber Schatzi! Warum ausg'rechnet ich? Ich bin do' gar nicht zuständig! Und eigentlich stört mich das Vieh persönlich ja net! Sollen doch die Leut selber… Und überhaupt, bei dem bisserl, was ich als Politiker verdien'…

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Darauf holten die Leute große Steine und viel Erde herbei und warfen sodann alles in den Brunnen, bis er ganz voll war. Als sie fertig waren, riefen sie: „So, jetzt braucht sich keiner von uns und auch nicht der gute Bäckergeselle Johann zu fürchten, der schreckliche Basilisk ist nun

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sicher tot!“ Aber Johann war gar nicht mehr zu sehen. Die Knechte hatten ihn in der Zwischenzeit in sein Zimmer hinaufgetragen. Als die Leute hinaufkamen, war er ohne Bewusstsein. Am selben Abend ist der arme Bäckergeselle dann leider gestorben...


Zum Andenken an dieses legendäre Ereignis wurde an dem Hause in der SchÜnlaterngasse Nr. 7 ein Basilisk aus Stein angebracht. Er ist heute noch zwischen den Fenstern des zweiten Stockes als ein Wahrzeichen des alten Wien zu sehen.

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Um das Jahr 1679 lebte in Wien ein lustiger Musikant‌

deN alle mochten und den man den

lieben Augustin nannte.

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D

as Jahr 1679 mag den Wienern noch lange im Gedächtnis geblieben sein! Es brachte wie kaum ein anderes Jahr viel Unheil und den Tod über viele Familien. Von Ungarn kommend war der grausame Würger, die Pest, in die Stadt geschlichen. Anfangs kaum bemerkt, verbreitete sich die Seuche in kurzer Zeit in fast allen Häusern. Jeder, der konnte, verließ die Stadt, denn die Zahl der Erkrankten stieg von Tag zu Tag und die Todesfälle wurden mehr und mehr. Manche Leute wurden mitten in den Straßen Wiens vom „schwarzen Tod“ ereilt, sodass zuletzt viele Tote in den Straßen herumlagen. Reiche und Arme, Junge und Alte fielen der schlimmen Krankheit zum Opfer. Unaufhörlich fuhren die Leichenwagen, hochbeladen mit Toten jedes Standes und Geschlechtes. Die Stadtknechte lasen von der Straße auf, wen sie fanden, beluden ihre Wagen bis oben hin und leerten sie in die Pestgruben, die man zu diesem Zweck vor der Stadt ausgehoben hatte. Waren die Gruben dann voll, wurden sie einfach zugeschüttet. In dieser schweren Zeit lebte in Wien ein gar lustiger Sänger und Dudelsackpfeifer, der immer fröhlich und guter Dinge war – ganz nach dem Grundsatz:

Wegen seines unverwüstlichen Humors war er den Wienern lieb und wert und man nannte ihn nur „den lieben Augustin“. Augustin hielt sich mit Vorliebe im Bierhaus „Zum roten Dachl“ (das ist das heutige Griechenbeisl am Fleischmarkt) auf und gab dort seine lustigen Possen und Lieder zum Besten. Obwohl während der Pestzeit die meisten Lokale aus Furcht vor Ansteckung von den Wienern gemieden wurden, gab es im „Roten Dachl“ stets vollbesetzte Tische, denn Augustins Humor lockte manchen Waghalsigen dorthin, der bei dem edlen Gerstensaft und den heiteren Klängen von Augustins Dudelsack sein tägliches Elend zu vergessen suchte. An einem klaren Septemberabend aber saß der liebe Augustin trüb und niedergeschlagen in der Schenke, denn heute wollte sich kein Gast zeigen. Wortlos und unwillig stierte er vor sich hin und ließ sich Glas um Glas vorsetzen, um seinen Unmut zu dämpfen. Wankend und höchst unsicher auf den Beinen verließ er spätabends den Schauplatz seiner früheren Triumphe, um seine vor der Stadt gelegene Behausung aufzusuchen.

„Lustig gelebt und lustig gestorben – so hat man schlussendlich dem Teufel die Rechnung verdorben.“

Der liebe augustin

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Als er über den Kohlmarkt zum Burgtor hinausgetorkelt war, stolperte er und fiel am Rande der Straße nieder, wo er, unfähig, sich wieder zu erheben, liegenblieb und gleich einschlief. Als ein wenig später die Pestknechte mit einer Leichenfuhre an der Stelle vorüberkamen, dachten sie, hier läge auch ein mausetoter Mann, packten ihn und warfen ihn zu den übrigen Toten auf den Wagen. Sie luden ihn dann mit den anderen in der Pestgrube ab und fuhren wieder davon. Augustin aber hatte weder das Aufladen noch das Abladen verspürt, sondern schlief mitten unter den Toten auf dem

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Der liebe augustin

Wagen und in der Grube weiter, als ob er zu Hause in seinem Bett läge. Als ihn dann die Morgenluft ernüchterte und er aus seinem Schlummer erwachte, sah er mit Bestürzung, dass eine Pestgrube voll mit schauerlichen Leichen seine unheimliche Schlafstätte gewesen war. Da kamen gerade die Pestknechte mit einer neuen Leichenfuhre zu der Grube und gewahrten entsetzt einen Mann zwischen den Toten herumstapfen. Augustin aber rief ihnen laut schimpfend zu: „So helft mir doch! Seht Ihr denn nicht, dass ich den Grubenrand nicht erreichen und daher aus dieser verdammten Grube nicht hinausklettern kann?“


Einer von den Knechten aber sagte: „Den haben wir doch gestern tot auf der Straße aufgelesen und in die Grube geworfen. Hat der Mensch Glück, dass die Grube gestern noch nicht voll war und daher nicht von uns zugeschüttet wurde, sonst hätte es für ihn aus seinem Rausch kein Erwachen mehr gegeben!“ Der liebe Augustin aber wurde ungeduldig. Die Helfer waren ihm zu langsam. „Mit einer Nacht in der Pestgrube habe ich vollauf genug“, rief er unwillig, „ich will keine Minute länger hier bleiben. Rasch, helft mir doch hinauf!“ Sie zogen ihn aus der Grube und er ging schimpfend davon. Das Nachtlager unter den Pestleichen hatte keine bösen Folgen

für ihn, er blieb gesund, so wie er es bisher gewesen war, und bildete weiter den Anziehungspunkt und die Attraktion für die Gäste des „Roten Dachls“, denen er sein schauriges Abenteuer in seinen Versen und Liedern noch oft zu Gehör brachte, bis er im Jahre 1702 als alter Mann eines natürlichen Todes starb. Das weltbekannte Lied und eine Gedenkpuppe vom lieben Augustin mit seinem Dudelsack im Eingang des Griechenbeisls am Fleischmarkt erinnern uns noch immer an diesen lebenslustigen Wiener, dem man doch tatsächlich nachsagt, dass der Genuss des Wiener Weines ihn „immun“ gegen die schwarze Pest gemacht hat!

Und so singen die Wiener, wie immer in schwierigen Zeiten: O, du lieber Augustin, Augustin, Augustin, O, du lieber Augustin, Alles ist hin! Geld ist hin, Mädl ist weg, Alles ist hin. Rock ist weg, Stock ist weg, Augustin liegt im Dreck. O, du lieber Augustin, Alles ist hin! Und selbst das reiche Wien, Hin ist's wie Augustin; Weint mit mir im gleichen Sinn, Alles ist hin! Jeder Tag war ein Fest, Jetzt haben wir die Pest! Nur ein großes Leichenfest, Das ist der Rest. Augustin, Augustin, Leg nur ins Grab dich hin! O, du lieber Augustin, Alles ist hin!

Oh h d u u u e b l ie r A u g u s t i n a l le s is t hi n!

Der liebe augustin

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Das

donauweibchen

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m Stadtpark, unter den schattigen Kronen der Bäume, steht auf einem Brunnensockel ein hübsches Marmorstandbild. Es stellt ein Mädchen dar, das einige Fischlein im Schoße hält. Das ist das Donauweibchen, von dem man sich folgende Geschichte erzählt:

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Vor vielen, vielen Jahren, als Wien noch ein kleines Städtchen war, lebten einfache Fischersleute am Ufer der wilden Donau. Sie floß damals noch nicht so friedlich in ihrem breiten Bett dahin wie heute. Ihre Wogen teilten sich in zahlreiche Arme, die sich ihren Weg durch dichte Auen und Buschwerk suchten. Kein Damm war da, der im Frühjahr die kleinen Holzhütten der Fischer vor dem gefährlichen Hochwasser schützen hätte können. Es war

kein leichtes Leben, das die Fischer hier führten. Den ganzen Sommer über mussten sie fleißig an der Arbeit sein. Den größten Teil des Tages und der Nacht verbrachten sie in ihren Booten auf dem Wasser. Hatten sie einen glücklichen Fang gemacht, gingen sie in die Stadt und verkauften ihre Fische auf dem Markt. Vom Verdienst aber legten sie etwas auf die Seite, damit sie im Winter davon leben konnten.

Das donauweibchen

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In einem solchen Dörfchen an der Donau bei Wien lebte auch ein alter Fischer mit seinem Sohn. Dem Vater ging die schwere Arbeit nicht mehr so flink von der Hand wie dem Sohn. Aber weil sie beide fleißig und zufrieden waren, gefiel ihnen das Leben recht gut. Oder war es nicht behaglich, beim knisternden Ofen zu sitzen, während draußen ein eisiger Sturm den Schnee über die zugefrorene Donau trieb? Der Sohn hatte die kleinen Fenster fest vermacht und die geflickten Netze in eine Ecke der Stube gelegt, denn bei dem spärlichen Licht konnten sie ja doch nicht richtig arbeiten. „Komm, Vater“, sagte der Sohn, „setz Dich hier zum warmen Ofen. Es ist Winter, da eilt die Arbeit nicht so sehr.“ „Du hast recht“, erwiderte der Greis, „wir wollen Feierabend machen für heute. Leg noch ein ordentliches Scheit auf, damit das Feuer anhält.“ Die Funken stoben, als der Sohn ein gro-

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Das Donauweibchen

ßes Aststück in die Flammen warf. „Nun, Vater, erzähl eine von den vielen Geschichten, die Du weißt, damit uns die Zeit nicht langweilig wird.“ Da erzählte der alte Fischer gar sonderbare Dinge von Wassergeistern und Nixen, die der Sohn gar nicht recht glauben wollte. Mahnend sprach der alte Fischer zu ihm: „Du bist zwar groß und stark und ein tüchtiger Fischer, aber Du bist noch jung und hast nicht soviel erlebt wie ich.“ Du darfst nicht lachen über das, was ich Dir erzähle und was Dir jeder alte Fischer bestätigen kann. Manch einer ist nicht mehr unter uns, weil die Geister der Donau ihn zu sich geholt haben. Am Grunde des Donaustromes, da steht ein mächtiger Palast. Er ist ganz aus grünem Glas und gehört dem Donaufürsten, der darin mit seiner Frau und seinen Kindern lebt. Auf großen Tischen stehen umgestülpte irdene Töpfe, darinnen halten sie die Seelen der Ertrunkenen gefangen.


Hoffentlich könn' ma uns die warme Stub'n weiter leisten! Der Häupl erhöht nämlich schon wieder die Preise für's Heizen…

... obwohl er des Gegenteil versprochen hat vor der Wahl.

Kassieren, des kann er! Sonst kann er gar nix!

Das Donauweibchen

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Der Donaufürst ist ein mächtiger Geist. Es gibt einige in unserem Dorf, die ihn in einer Mondnacht schon gesehen haben. Er hat die Gestalt eines Jägers und liebt es, am Ufer der Donau spazieren zu gehen. Wehe dem Fischer, der ihn anspricht. Er wäre unrettbar verloren, denn mit starkem Griff packt er ihn und zieht ihn in die Tiefe des reißenden Stromes hinab. Auch mit seinen Töchtern, den zierlichen Nixen, ist er grausam streng. Nur mit List gelingt es ihnen, dem unterirdischen Palaste zu entfliehen und sich unter die Menschen zu mengen. In windstillen Sommernächten kannst du ihren Gesang hören, mit dem sie die jungen Leute anlocken. Du kannst sie aber auch in den Tanzstuben treffen und wirst sie kaum von den übrigen Mädchen unterscheiden können. Wenn aber der Hahn zum ersten Mal kräht, sind sie verschwunden und kehren schleunigst in ihren Palast zurück. Wenn sie sich nur ein wenig verspäten, erhalten sie grausame Schläge von ihrem Vater. Es

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Das Donauweibchen

mag wohl auch geschehen, dass er sie auf der Stelle totschlägt. Dann ist am nächsten Tag das Wasser der Donau blutig rot.“ Während der Vater erzählte, schüttelte der Sohn immer wieder ungläubig den Kopf. „Sei mir nicht böse, Vater“, sagte er endlich, „deine Geschichten sind zwar recht kurzweilig und ich höre sie immer wieder gerne, aber glauben kann ich all das nicht, was du erzählst. Ich habe schon viele Nächte auf der Donau zugebracht, aber noch nie den Donaufürsten oder eine seiner Töchter gesehen.“


Glaub mir, eines schĂśnen Tages wird nicht nur unsere Donau blau sein, sondern die ganze Stadt! BĂźrgermeister ist dann ein fescher, junger Kerl namens HC! Schmacht!


Da wurde es mit einem Schlage hell in der Stube und im Türrahmen stand eine schlanke Mädchengestalt von überirdischer Schönheit. Um ihren zierlichen Körper floß ein langes, weißschimmerndes Kleid, ihr schwarzes Haar zierten weiße Wasserlilien. Erschrocken waren Vater und Sohn von ihren Sitzen aufgesprungen. Fassungslos starrten sie in das gütige Gesicht der Erscheinung. „Fürchtet Euch nicht vor mir“, sagte sie, „ich tue Euch nichts zuleide. Ich komme nur, um Euch zu warnen, denn bald wird Tauwetter kommen und das Eis krachend in Stücke gehen. Das Hochwasser wird die Auen und Dörfer überfluten und Eure Häuser bedrohen. Fliehet daher weit ins Land hinein, sonst seid Ihr alle verloren!“ Kaum hatte sie dies gesprochen, war die holde Gestalt auch schon verschwunden. Die beiden Fischer aber überlegten keinen Augenblick, sondern liefen trotz des eisigen Sturmes zu den einzelnen Hütten und verständigten die Leute.

„Das war das Donauweibchen“, sagte ein alter Fischer, „immer wenn unseren Hütten Gefahr droht, kommt es und warnt uns. Packt schnell das Nötigste und laßt uns fliehen!“ So kam es, dass die Fischerhütten alle leer standen, als nach wenigen Tagen wirklich Tauwetter einsetzte und die riesigen Wassermassen über die Ufer traten und alles ringsum überschwemmten. Nach einigen Wochen ging das Wasser wieder zurück und die Fischer kehrten an ihre alten Wohnplätze zurück.

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Eifrig bauten sie ihre Hütten wieder auf und die Freude über die Errettung des Dorfes vor dem sicheren Tod war groß. Nur der junge Fischer konnte sich nicht recht mitfreuen. Seit er das Donauweibchen gesehen hatte, war er vor lauter Sehnsucht nach dem schönen Geschöpf der Donau ganz außer sich. Er konnte nicht mehr lachen und scherzen, wie die anderen Burschen des Dorfes, sondern ruderte traurigen Herzens weit mit seinem Kahn in die offene Donau hinaus. Sein Vater wusste, was das zu bedeuten hatte,

und er sprach oft mit seinem Sohn, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Aber alles war umsonst, er konnte den Entschluss seines Sohnes nicht mehr ändern. Eines Tages kam der junge Fischer von seiner Fahrt nicht mehr zurück. Nur sein leerer Kahn wurde von den Wellen an das Ufer getragen. Da wusste der Greis, dass das Donauweibchen seinen Sohn zu sich geholt hatte, und er weinte bitterlich. Das Donauweibchen aber hat seit diesem Tage niemand mehr gesehen.

Das Donauweibchen

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Das

wunderkreuz

I

n der Donaugegend bei Wien, in der Nähe vom Gasthaus „Zum weißen Lamm“, trug sich einmal ein seltsames Ereignis zu.

Eines Morgens sahen die Leute, die dort am Donauufer gerade in großer Zahl beisammen standen, aus der Tiefe des Wassers ein großes Holzkreuz auftauchen und waren nicht wenig überrascht davon. Nach der Form wie auch nach der Farbe und der Goldverzierung konnte das seltsame Kreuz nur aus

dem Morgenlande stammen. Weiter schwamm das Kreuz stromabwärts gegen die Stadt zu, aber auf einmal blieb es auf dem Wasser ruhig liegen. Die Leute versuchten nun, das Kreuz ans Ufer zu ziehen. Sie warfen Seile aus, fassten es mit langen Stangen und zogen aus Leibeskräften an. Es war aber ganz vergebens, das Kreuz rührte sich nicht von der Stelle und blieb ganz ruhig auf dem Wasser liegen. Der Vorfall mit dem Kreuz erregte ungeheures Aufsehen in der Bevölkerung und wie ein Lauffeuer ging die Nachricht davon von Mund zu

Zaht´s an! Das Kreuz muss gerettet werden!


Mund. Schon am nächsten Tage standen in aller Frühe Tausende und Abertausende von Leuten an beiden Ufern der Donau und redeten von nichts anderem als von dem wunderbaren Kreuz. Bald kamen auch viele Geistliche in feierlichen Prozessionen, berieten, was zu machen sei, und wollten den Leuten helfen, das Kreuz aus dem Wasser zu holen. Aber auch alle zusammen konnten nichts erreichen, das Kreuz ließ sich nicht bewegen. Da kam ein frommer Klosterbruder aus dem Orden der Minoriten auf den Gedanken, mit seinem geweihten Gürtel das Kreuz aus den Fluten zu holen. Kaum hatte er es mit dem Gürtel umwunden, da ließ es sich ohne jede weitere Anstrengung ans Ufer ziehen. Das wunderbare Kreuz wurde sogleich in den

Stephansdom gebracht und unter viel Gebet und Glockengeläut öffentlich zur Schau gestellt. Aber als das Kreuz am nächsten Tage aus dem Dom verschwunden war, zeigte sich sogleich ein neues Wunder! Es dauerte nicht lange, so erzählten sich die Leute, in Wien, sei es an einer Wand in der Minoritenkirche gefunden worden, gerade über der Buchheimischen Kapelle. Von diesem Platz wurde es aber später entfernt und in derselben Minoritenkirche auf dem Hochaltar zur öffentlichen Verehrung ausgestellt. Viel später erst, als das Ordenshaus der Minoriten aufgehoben wurde, brachten die verbliebenen Ordensbrüder das Wunderkreuz nach Wimpassing. Während des 2. Weltkrieges viel das Kreuz einem Feuer zum Opfer.

Das Wunderkreuz

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Meister

Hans Puchsbaum

D

urch mehr als ein Jahrhundert hatte sich die Arbeit am Bau der Stephanskirche hingezogen. Nun aber war das stolze Werk fast vollendet. Der schlanke Südturm ragte in seiner ganzen Schönheit zum Himmel, sogar das Langhaus war fertiggestellt. Es fehlte nur noch der Nordturm. Der Stadtmagistrat hatte ein großes Schreiben erlassen, um dem tüchtigsten Baumeister in Wien die Arbeit zu übertragen, der den Turm in kürzester Zeit und unter den billigsten Baukosten vollenden würde. Da meldete sich, unter den vielen anderen Bewerbern, auch der Baumeister Hans Puchsbaum und erklärte kurz und bündig: „Ich mache gern die Arbeit in der Hälfte der Zeit, die andere dazu brauchen.“ So wurde ihm schlussendlich der Bau über-

tragen. Puchsbaum, ein bis zu diesem Zeitpunkt noch ziemlich unbekannter Baumeister, hoffte, durch rasche Vollendung eines so gewaltigen Werkes Ehre und Ansehen zu erringen und sich dadurch die Hand seiner geliebten Maria zu erwerben, deren geizigen Eltern der einfache und unberühmte Bewerber nicht allzu sehr gefiel. Rasch wurde der Bau in Angriff genommen und das Werk schritt anfangs rasch vorwärts. Doch schon nach kurzer Zeit gab es die ersten Schwierigkeiten und Hindernisse. Die Bauberechnungen wollten nicht stimmen, die Zufuhr des Baumaterials verzögerte sich und bald erkannte der Meister Puchsbaum, dass er mit dem Bau zum versprochenen Termin nicht fertig werden würde. Sorgenvoll stand er oft vor seinem angefangenen Werk und

Helft´s mir! A roter Bluat-Sauger!

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suchte einen Ausweg aus seiner schwierigen Lage zu finden. Doch guter Rat war teuer! Als er eines Abends wieder am Fuße des Turms stand und verzweifelt darüber nachdachte, wie er denn die Arbeit beschleunigen und sein Versprechen einhalten könnte, stand mit einem Male ein sonderbar aussehender Mann in grünem Wams neben ihm und blickte ihn lachend an. „Du tust mir leid“, begann der Fremde, „denn ich weiß, welcher Kummer Dich bedrückt.“ „Wer bist Du und was willst Du?“, fragte der Meister erschrocken. „Wer ich bin“, entgegnete der Fremde, „ist rasch gesagt. Man nennt mich den Höllenfürsten, andere nennen mich den Teufel, und was ich will, soll Dir sehr von Nutzen sein, denn ich will Dir helfen.“ Abwehrend streckte der Meister seine Hände aus und rief: „Du Schrecklicher, hinweg von mir, ich will mit Dir nichts zu tun haben!“ Der Satan aber setzte grinsend fort: „Wenn ich Dir helfen kann, den Turm in noch kürzerer Zeit fertigzustellen, als Du allen versprochen hast und wenn Du dadurch die Hand Deiner Geliebten erringst, willst Du dann auch noch auf meine Hilfe verzichten?“ Der Meister begann zu schwanken, denn die Versuchung war doch zu groß. „Und was verlangst Du dann für Deine Hilfe?“, fragte er schließlich den Versucher. „Nicht viel“, entgegnete dieser, „Du darfst nur während der ganzen Zeit des Baues weder den Namen Gottes noch der Jungfrau Maria, noch sonst irgendeines Heiligen aussprechen.“ Diese Bedingungen einzuhalten, schien unserem Meister weder allzu schwer noch gefährlich. Da zögerte er nicht länger und der Pakt

wurde geschlossen. Von diesem Tag an wuchs der Bau der Stephanskirche zusehends. Es gab keine Hindernisse und Verzögerungen mehr und alles ging wie am Schnürchen. Nicht nur der Magistrat und alle Zuschauer wunderten sich, auch der Meister selbst war aufs Höchste erstaunt, mit welcher Schnelligkeit die Arbeit nun vorwärtsging. Fröhlich dachte Hans Puchsbaum, dass es nun sicher gelingen werde, den Bau weit vor der gesetzten Frist zu vollenden und freudig dachte er an seine Maria, deren Hand ihm nun gewiss schien. Er hatte im Drang der Arbeit in den letzten Tagen gar nicht mehr an sie gedacht und war um so freudiger überrascht, als er sie heute von der Höhe des Turmes aus, wo er den Fortschritt der Arbeit überwachte, unten am Fuße des Domes über den Platz gehen sah. Sie war es, ganz sicher, es war seine Maria. Aber sie wandte den Blick nicht zu ihm empor. Da rief er aus übervollem Herzen hinunter, sich vorbeugend, dass sie ihn sehen musste: „Maria!“ Noch hatte er das Wort nicht zu Ende gesprochen, da schwankte plötzlich das Gerüst, auf dem er stand, ein donnerähnliches Krachen erscholl, und die Balken des fallenden Gerüstes sowie Schutt und Mauertrümmer des einstürzenden Turmes rissen den Meister Hans Puchsbaum in die Tiefe. Ein hohles Hohngelächter gellte über den Platz und für einen Moment soll die riesenhafte Gestalt eines grüngekleideten Mannes mit grinsender Fratze über den Trümmern des zusammengestürzten Bauwerkes geschwebt haben. Der Leichnam des Meisters aber blieb für immer verschwunden. Der Bau des zweiten Turmes wurde sodann eingestellt und niemals mehr weiter fortgeführt.

Meister Hans Puchsbaum

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Die Gefangennahme von

Richard Löwenherz

A

m 12. Juli 1191 wurde die Festung Akkon im Morgenland von den Kreuzrittern nach gefährlichen und blutigen Kämpfen erobert. Der Babenbergerherzog Leopold V., der Tugendhafte genannt, hatte besonders tapfer gekämpft und pflanzte so als erster seine Fahne auf den Turm der Festung. Als Richard Löwenherz, der englische König, das sah, war er darüber so erbost, dass er die Fahne herunterreißen ließ. Leopold fühlte sich beleidigt, schwor Rache und weigerte sich weiter an der Seite von König Richard zu kämpfen. Einige Tage später trat der Herzog mit seinem Gefolge die Heimreise an. Der Kreuzzug konnte nicht siegreich beendet werden und Richard war gezwungen, ein Friedensbündnis mit den Türken zu schließen. Dann bestieg er mit seinen Mannen ein Schiff, das sie in die Heimat bringen sollte. Als sie in einen Sturm gerieten, strandete die Fregatte an der Küste und wie durch ein Wunder überlebten König Richard und einige wenige seiner Ritter das Unglück. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihren Heimweg zu Fuß und als fromme Männer verkleidet anzutreten. Da es damals viele Pilger auf Wanderschaft gab, fielen sie nicht weiter auf. Sie aßen und schliefen äußerst bescheiden und kamen so unbehelligt bis in Leopolds Geltungsbereich. Es war Richard zu Ohren gekommen, dass der Herzog Kundschafter ausgeschickt habe, um ihn zu finden und gefangen zusetzen. Deshalb wagte er es nicht mehr, bei hellem Tageslicht zu wandern, sondern er versteckte sich mit seinen Leuten in den Wäldern und sie schlugen sich nur mehr bei Nacht durch

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Richard Löwenherz

unwegsames Gebiet. Inzwischen war der Winter ins Land gezogen, es wurde immer kälter und sie mussten trotzdem unter freiem Himmel schlafen. Auch mit der Beschaffung des täglichen Brotes klappte es nicht mehr, denn sie wagten es nicht, mit ihren fremdländischen Münzen zu bezahlen, und so hungerten sie schon seit Tagen. Richard und seine Männer erreichten Erdberg, ein kleines Weinbauerndorf in der Nähe von Wien, und sahen dort ein stattliches Jagdschloß, das im Besitz von Leopold V. war. Aus den Fenstern der Küche drang ein verführerischer Duft von gebratenem Fleisch und anderen Köstlichkeiten. Im Hof standen viele Pilger und hofften auf eine milde Gabe. Löwenherz und seine Ritter mischten sich unter die Menge. Richard betrat die Küche und bat um Essen. Aber da der König kein fremdes Geldstück hergeben wollte, verlangte der Koch von ihm, den Bratspieß zu drehen. Als der Küchenmeister nach einiger Zeit nachschaute, ob das Spanferkel schön braun gebraten sei, erkannte er in dem Pilger König Richard, den er während des Kreuzzuges oft gesehen hatte. Er rief nach den Soldaten, aber Löwenherz verlangte zu Herzog Leopold geführt zu werden. Diesem überreichte er sein Schwert, das er unter der Kutte getragen hatte. Dann wurde er mit seinen Rittern nach Wien in das Verlies in der Hofburg gebracht. Nach den Weihnachtsfeiertagen wurde Richard auf die Feste Dürnstein an der Donau verlegt, wo er eine lange Zeit gefangengehalten wurde. Als ihn sein treuer Hofsänger Blondel endlich fand, konnte er mit Hilfe einer großen Summe Lösegeldes von Leopold freigekauft werden.


Ihr kummt's schon noch in mei' Gass'n!

Oh, what a nice feeling! Isn't it? It is! Isn't it?

Oh, what a nice feeling! Isn't it?

It is! Isn't it?

Richard Lรถwenherz

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Der

Heidenschuss

D

er furchtbare Ansturm der Türken gegen Wien, die Hauptstadt des Reiches, im Jahre 1529 dauerte nun schon wochenlang. Aber noch war es dem erbitterten Feinde nicht gelungen, eine Bresche in die Mauern zu schlagen und in die Stadt einzudringen, so sehr er auch danach strebte, den Halbmond auf der Spitze des Stephansturms aufzupflanzen. Alle Bewohner der Stadt hatten sich zusammengetan und verteidigten mit allen Mitteln ihre Vaterstadt gegen den hartnäckigen Angreifer. Eines Tages meldete sich ein Überläufer beim Stadtkommandanten und gab an, dass die Türken, da sie ober der Erde

A wenn denan Roten eh ollas wurscht is: Wir Wiena wan uns scho' wehr'n gegen de teppaten Islamisten.

keinen Erfolg aufzuweisen hätten, es nun versuchen wollten, durch unterirdische Gänge, die sie mit Pulverladungen sprengen wollten, in die Stadt einzudringen. Er selbst habe mehrere solcher Stolleneingänge vor den Stadtmauern gesehen. Die Gefahr, welche der Stadt drohte, wenn sich diese Nachricht bewahrheiten sollte, war riesengroß. Daher ging man sogleich daran, Gegenmaßnahmen zu treffen. Alle Hausbesitzer, die in der Nähe der Stadtmauer ansässig waren, wurden angewiesen, mit Wasser gefüllte Bottiche in den Kellern aufzustellen und ständig beobachten zu lassen, da man am Zittern der Wasserfläche eine durch die Minierarbeit

Eh kloar! Die soll'n se schleich'n!


hervorgerufene Erschütterung des Bodens zu erkennen vermeinte. Außerdem wurden Trommeln in die Keller geschafft und kleine Würfel auf das gespannte Kalbfell gelegt, um aus der leisen Bewegung der Würfel auf eine unterirdische Grabarbeit in der Nähe zu schließen. In einer stürmischen Nacht war der Bäckergeselle Josef Schulz im Kellerraum eines Bäckerhauses, das auf der Freyung an der Ecke der heutigen Strauchgasse stand, vor dem Backofen beschäftigt. Denn in dieser traurigen Zeit der Türkennot waren auch viele Leute aus den Vororten in die Stadt geflüchtet, sodass es emsiger Arbeit bedurfte, um das tägliche Brot bereitzustellen und der Backofen fast gar nicht erkaltete. Plötzlich sah der Geselle, wie die auf der Trommel liegenden Würfel in zitternde Bewegung gerieten. Mit angespannten Sinnen lauschte er. Als er sein Ohr an den Erdboden preßte, um deutlicher zu hören, vermeinte er, dumpfes Stimmengewirr zu vernehmen und das leise Pochen ferner Werkzeuge zu hören. „Hilf, Himmel“, rief er, „die Türken sind unter der Erde schon nahe bis an unser Haus herangekommen“, und lief, so

schnell ihn seine Beine trugen, um die Wachen und den Kommandanten zu alarmieren, dem es fast nicht glaublich schien, dass sich die Türken schon so weit vorgearbeitet haben sollten. Sogleich begann man, vom Keller des Bäckerhauses aus einen Gegenstollen zu graben und traf wirklich nach kurzer Zeit auf den türkischen Minengang. Die Türken wurden im Dunkeln überraschend angegriffen und bis auf einige wenige, die in Gefangenschaft gerieten, niedergemacht. Der türkische Minenstollen aber, in dem schon eine große Ladung Pulver zum Sprengen bereitlag, wurde wieder zugeschüttet. So war die Stadt durch die Aufmerksamkeit des Bäckergesellen Josef Schulz vor namenlosem Unheil bewahrt geblieben. Das Haus, wo der Heide die Absicht hatte, sein Pulver zu verschießen, hieß von dieser Zeit an „Zum Heidenschuss“. Die Bäckerzunft aber, deren Mitglied durch seine Wachsamkeit zur Rettung der Stadt beigetragen hatte, erhielt vom Kaiser verschiedene Freiheiten und durfte alljährlich mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen ihren Bäckeraufzug feiern.

Der Heidenschuss

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Der

Stock im EIsen

V

or langer langer Zeit lebte in Wien ein Schlosserbub, der ein sehr lockerer Geselle war. Dem befahl einst sein Lehrmeister, er solle sich doch vors Stadttor hinaus auf das Feld begeben und Lehm fürs Gewerbe heimführen. Darauf ging der Bub hinaus und wollte zu arbeiten beginnen. Da sah er, wie auf dem Feld viele Knaben versammelt waren, die sich, um ihr „Letzerlspiel“ zu beginnen, mit einer ihm wohlbekannten Formel auszählten: „Ganichi, boanichi, fiarichi, fairichi, ripadi, bipadi, Knoll!“

Hallo Bürscherl, hähä! Wir Roten meinen´s nur gut mit Dir, hähähä!

Nun, das war für unseren Luftikus schon eine gar zu große Versuchung. Gleich ließ er alles liegen und stehen und gesellte sich zu den Kindern, fing an, mit ihnen zu spielen und vergaß darüber seine Arbeit und was ihm sein Meister aufgetragen hatte. So verspielte er kostbare Zeit, bis es dann auch anfing, dunkel zu werden und alle anderen nach Hause gingen. Nun schickte unser Geselle sich doch an, seine Arbeit endlich fertig zu machen. Aber es wurde immer dunkler und dunkler und zuletzt fiel die Nacht herein. Die Sonne war blutrot untergegangen und eine kohlrabenschwarze Wolkenfratze schnitt hässliche Gesichter herab auf die Erde.

Wie sagt ma so schön? Trau' kan Sozi! Sonst bist verloren!


Hui! Da wurde dem Buben aber angst und bang. „Ach herrje, wie habe ich mich verspätet! Jetzt heißt es Reißaus nehmen!“, rief der Bub, indem er Haue und Schaufel und seine anderen Werkzeuge schnell in die Scheibtruhe warf und rasch damit Richtung Stadt fuhr. Wie er aber vors Stadttor kam, war's schon verschlossen. Da weinte er bitterlich und jammerte: „Ach, ich Unglückskind, wie werd ich jetzt in die Stadt hineinkommen, so ganz ohne einen Sperrkreuzer, um mir das Tor öffnen zu lassen. Ei, der Teufel soll mich holen, wenn ich doch nur hinein könnte!“ Kaum hatte er so vermessen dahergeredet, – da stand auf einmal neben ihm ein winziges Männlein. Das hatte ein purpurrotes Röckchen an, ein kohlschwarzes Unterkleid und drei emporragende Hahnenfedern auf seinem Hute. „Warum weinst du so, mein Bub?“, fragte es ihn mit schnarrender Stimme. Da antwortete er: „Ach, ist es nicht schrecklich? Ich soll in die Stadt hinein und das Tor ist schon zugeschlossen und ich habe keinen Sperrkreuzer, um mir's öffnen zu lassen. Zu Hause bekomme ich überdies von dem Meister Schläge.“ „Hihihi!“, lachte das Männlein, „Nuss und Schelte auf die Nacht! Nuss und Schelte auf die Nacht! Das wäre keine üble Bescherung! Doch sei ruhig, Bub. Ich bin der – nun man spricht nicht gerne davon – da siehst du wohl, dass ich dir helfen kann

und ich will's auch. Siehe her, ich gebe dir einen Sperrkreuzer. Du sollst auch keine Schläge bekommen und überdies noch durch meine Macht und meinen Einfluss in Zukunft ein tüchtiger Schlosser werden, wenn du mir versprichst, dass du mein Eigen sein willst, solltest Du in Deinem weiteren Leben auch nur einen einzigen Sonntag verabsäumen, in die Kirche in die heilige Messe zu gehen.“ „Das kann ich ja leicht tun, der Teufel soll mich nicht erwischen!“, dachte der Bub und willigte sofort leichtsinnig ein, gab dem roten Männlein, da er ja nicht schreiben konnte, drei Tropfen seines eigenen Herzblutes als Pfand und empfing von diesem auch tatsächlich einen blitzblanken, neuen Kreuzer. Dann nahmen sie voneinander Abschied. Der Knabe aber ließ sich schleunigst aufsperren und wie er nach Hause kam, trat ihm sein Meister freundlich entgegen, nannte ihn einen fleißigen Buben und gab ihm viel zu essen. Zeitig am nächsten Morgen, wie Meister, Geselle und der Bub schon am Feuer arbeiteten, kam das rote Männlein und bestellte für die alte Wiener Eiche einen Eisenring und ein sehr kunstvolles Schloss. Dies getraute sich weder Meister noch Geselle zu machen. Da schien das Männchen sehr aufgebracht zu sein und sagte: „Ei, was seid Ihr für schändliche Versager! Euer Lehrbursche ist wahrscheinlich geschickter als Ihr!“ – „Und wenn er's zustande bringt“, sagte ärgerlich der Meister, „so soll er augenblicklich frei sein und zum Gesellen werden!“, Da sprach der Bub: „Meister, es gilt!“ und machte sich sogleich daran. In nur wenigen Stunden war das Schloss vollendet. Darauf ging er mit dem Männlein zur Wiener Eiche, umzog sie, damit sie nicht umfallen könne, mit dem Eisenringe, den er an das nahe Gemäuer befestigte, und legte dann das kunstvoll gearbeitete Schloss daran. Wie dies alles geschehen war, nahm das Männlein den Schlüssel zu sich und ging von dannen. Und seitdem heißt diese Eiche und der Platz, wo Der Stock im Eisen

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sie steht, „Der Stock im Eisen“. Der Bub aber wurde Geselle. Da er nun den Freibrief als Geselle erhalten hatte, ging er, wie die Handwerksburschen es gewohnt waren, auf die Wanderschaft und verdingte sich bei einem Nürnberger Schlosser. Da sagte morgens der Meister zu seinem Lehrbuben: „Du, wenn der fremde Geselle kommt, sag ihm, er soll Fenstergitter machen; es sind deren so viele, dass er wohl die ganze Woche

Nix is' mehr sicher! Heutzutage muss´t alles einsperr'n! Und der Bürgermeister schlaft!

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Der Stock im Eisen

daran zu arbeiten haben wird.“ Da erwiderte der Bub: „Ei, der Geselle ist schon seit einer Stunde da und die Fenstergitter sind schon alle fertiggemacht. Er möchte wissen, was er nun arbeiten soll!“ Da war der Nürnberger Meister sehr verwundert und sprach: „Potz Blitz, na so was, wenn der so geschwind ist, wo soll ich für ihn genug Arbeit her nehmen? Da mag er den eisernen Amboss zu Gitterwerk strecken!“ Kaum hörte dies der Geselle, da warf er im Nu, dass es nur so zischte, den Amboss in das Feuer und streckte ihn zu Gitterwerk. Da war der Nürnberger Meister so überrascht, dass er ihn auf der Stelle entließ. Unser Geselle wanderte aber nach Wien zurück. Gleich bei seiner Ankunft hörte er reden, wie sehr es die Obrigkeit verdrieße, dass ein unbekannter Mann den Schlüssel zum Schloss der Wiener Eiche habe und wie sie vereinbarten, denjenigen zum Meister zu machen, der zu dem dort angebrachten Schloss das Schlüsselein machen könnte. Da war unser Geselle gleich auf der Höhe und bot sich an, einen solchen Schlüssel zu fertigen. Natürlich aber war dem roten Männlein damit nicht gedient und es setzte sich, wie der Schlosser den Schlüssel schweißte, unsichtbar ins Feuer und verdrehte ihm den Schlüsselbart. Der Schlosser bemerkte aber sofort den Eingriff und schob, gar listig wie er war, den Schlüssel mit verkehrt angesetztem Bart wieder in den Ofen


hinein, und weil das Männlein vor Wut und Ärger blind war, drehte es ihn wieder um, sodass er recht angesetzt aus dem Feuer kam. Hierauf ging er mit der Obrigkeit zur Eiche und öffnete das Schloss, wofür man ihm auch das Bürger- und Meisterrecht erteilte. Dies stimmte ihn so gut gelaunt, dass er hellauf jauchzte: „Juchhe! Wieder ein neuer Meister!“, und schlug dann einen großen Nagel in die alte Eiche zum ewigen Andenken. Dann warf er den Schlüssel in die Höhe, der jedoch zu jedermanns Schreck nicht wieder herab fiel. Von nun verbreitete sich überall der Ruf seiner Geschicklichkeit und er lebte viele Jahre in Glück und Reichtum. Doch hörte er alle Sonntage die heilige Messe und bereute jetzt oft ernstlich die Vermessenheit seiner Jugend. Aber der böse Feind in ihm drinnen, der sich seiner schon einmal bemächtigt hatte, ließ nicht mehr ab von ihm, unterdrückte nur zu bald wieder sein reuiges Gemüt und betäubte sein Gewissen mit Saus und Braus und Wohlleben. Und so saß er an einem Sonntag morgen im Weinkeller „Zum Steinernen Kleeblatt“ unter den Tuchlauben mit seinen Kameraden, zechte und war fröhlicher Dinge. Da schlug es zehn auf der nahen Kirchenturmuhr. „Ei, nun muss ich in die Kirche gehen“, sprach der Schlosser und erhob sich von seinem Stuhl. „Nicht doch“, riefen seine Zechkumpanen, „du hast noch zwei Stunden Zeit, lass uns noch trinken und würfeln!“ Und man trank und spielte – da schlug es elf. „Ei, nun muss ich wirklich in die Kirche gehen“, sagte sich erhebend der Schlosser. „Nicht doch“, lärmten wieder die anderen, „du hast noch eine ganze Stunde Zeit. Bis dahin lass uns würfeln und trinken!“ Und man trank und spielte weiter – da schlug es zwölf! Käseweiß stürzte jetzt der Schlosser zur nahen Stephanskirche. O weh, da war es wie ausgekehrt. Ein einziges altes Mütterlein sah er gehen, die fragte er:

„Um Gottes Willen, liebe Frau, ist die letzte Messe schon aus?“ – „Letzte Messe? Es ist ja schon eins vorbei!“, erwiederte die betrügerische Hexe, obwohl es gleich erst zwölf war. „O du mein himmlischer Vater, so hab ich meine Seele verloren!“, jammerte der Schlosser und stürzte sich verzweifelt in den Weinkeller zurück, riss seine silbernen Knöpfe vom Rock und schenkte sie seinen Kameraden zum warnenden Andenken. Da stand das rote Männlein oben beim Eingange und rief herab: „Du versäume die Messe nicht! Hörst Du es nicht zwölfe läuten?“ Da stieg der Schlosser wie wahnsinnig hinauf und das Männlein war größer als er. Sie gingen gemeinsam und wie sie auf dem Stephansfriedhof ankamen, da schritt neben ihm ein blutroter Riese – und wie sie dann zur Kirchenpforte kamen, sagte der Priester gerade am Altar: „Die Messe ist beendet!“ – Da hatte der blutrote Riese neben ihm kohlschwarze Hörner und Klauen wie ein Greifvogel. Sodann fasste er grimmig den Schlosser und flog mit ihm in die heulenden Lüfte. Abends fand man seinen zerfleischten Körper auf dem Rabensteig liegen und das alte Mütterlein ging vorbei und sagte: „Ja, ja! Vorgetan und nachbedacht, hat manchem schon großes Leid gebracht!“

Der Stock im Eisen

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In Wien lebt die Tradition Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, findet noch heute allerorts Zeugnisse, die uns an vergangene Ereignisse erinnern sollen! Hier ein paar Beispiele:

Schloss Belv

edere

T端rkische Kanonenkugel in einem Wiener Gasthaus. Wien 1, Seidlgasse 4.

Heidenschuss zwischen Freyung und am Hof. Erinnert an die T端rkenbelagerung 1529. Prinz EugenReiterstandbild auf dem Heldenplatz.

Marco d卒A vian Kapuzinerk o-Denkmal vor der irche: Er feie rte am 12. September 1683 die hl. Messe vor der Entsatz schlacht.

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Sagen aus wien

Kolschitzky-D enkmal: Er durchbra ch als T端rke verkleidet die feindlichen Linien und b rachte wertvolle Info rmationen.


12. Bezirk

13. Bezirk

14. Bezirk

15. Bezirk

16. Bezirk

17. Bezirk

18. Bezirk

19. Bezirk

20. Bezirk

21. Bezirk

22. Bezirk

23. Bezirk

Sagen aus wien

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