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Technologie der neuen Hoffnung.“
Marcia Inhorn, Anthropologie-Professorin, Yale University
ist. Die Patientin nimmt Hormone ein, um die Eizellenbildung zu stimulieren. Die Eizellen werden dann im unbefruchteten Zustand entnommen, bei minus 196 °C eingefroren und in Kryobehältern in flüssigem Stickstoff gelagert. Das stoppt den Alterungsprozess der Zellen und erhält ihre chromosomale und biologische Beschaffenheit. In diesem Zustand können die Zellen über Jahrzehnte hinweg gelagert werden. Den passenden Moment zum Auftauen entscheidet die Patientin dann selbst. Die jeweiligen Eizellen werden, wenn es so weit ist, künstlich mit Samenzellen befruchtet und in die Gebärmutter der Frau eingesetzt. Eine wunderbare Möglichkeit, wie Inhorn findet, die jedoch leider überwiegend falsch interpretiert wird.
Auch aufgrund dieser Fehlinterpretationen hat sich Inhorn für ihr Buch Motherhood on Ice. The Mating Gap and Why Women Freeze Their Eggs mit 150 Frauen unterhalten, die sich für eine Kryokonservierung entschieden haben. Dass die jungen Frauen ihren beruflichen Ambitionen nacheifern wollen, von ihren Arbeitgebern zum Egg Freezing gedrängt werden oder einfach „ein bisschen Göttin spielen“ wollen, hat sich in ihren Gesprächen nicht ansatzweise bestätigt. Vielmehr wollten viele Betroffene die biologische Zeit anhalten, da die gegenwärtigen Gegebenheiten für die Gründung einer Familie nicht optimal seien. Fast alle der im Buch vorgestellten und anonymisierten Frauen befanden sich zum Zeitpunkt der Interviews in keiner Partnerschaft, für ein Kind fehlte ihnen schlicht der passende Partner.
Einsam unter Zweisamen
Für Frauen mit Kinderwunsch werden die Umstände derzeit aber nicht günstiger. So können in den vereinigten Staaten 27 Prozent mehr Frauen als Männer einen akademischen Abschluss vorzeigen, da sich immer mehr Männer zu einem früheren Zeitpunkt als Frauen für einen Berufseinstieg entscheiden. Schlussendlich bedeutet dies dann für die heterosexuellen Frauen, dass es schwieriger wird, auf einen gleichwertig gebildeten Partner zu treffen. Hinzu kommt für Inhorns Interviewpartnerinnen dann noch die Wahrnehmung, dass viele Männer dem höheren Einkommen oder Bildungsgrad von Frauen mit gewissen Ressentiments begegnen. Die Diskrepanz zwischen bindungswilligen Frauen und bindungszögerlichen Männern bezeichnet Inhorn als Mating gap. Diese „Paarungslücke“ kann jedoch nicht alles erklären.
Denn in Deutschland fällt die Lücke weitaus kleiner aus: Lediglich zwei Prozent mehr Frauen als Männer haben hier einen höheren akademischen Abschluss. Trotzdem bleiben ähnliche Probleme bestehen. So auch bei Jenny Saft, Co-Gründerin der Fertility-Benefits-Plattform Apryl, die nach beruflichem Aufenthalt in San Francisco nach Deutschland zurückkehrte. Sie hatte zwar keinen festen Partner und zu diesem Zeitpunkt auch keinen Kinderwunsch, wollte sich die Option zur Familiengründung aber durchaus für die Zukunft offenhalten. Deshalb ließ sie ihre Eizellen vorsorglich einfrieren. Die darauffolgenden Beratungsgespräche lösten jedoch nur Frustration in ihr aus. „Egg Freezing ist ein sehr teures Investment in sich selbst, da erwartet man auch einen gewissen Service. Und oft bedarf es eben nicht nur eines medizinischen Fachgespräches, sondern vor allem einer Analyse der momentanen Lebenssituation und inwieweit das Einfrieren der Eizellen überhaupt das Richtige für einen ist.“
Anders als bei Krebs- oder Rheumapatientinnen ist die Kryokonservierung aus sozialen Gründen nicht im Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen enthalten. Für Leistungen wie Beratung, Stimulationsbehandlung, Eizellentnahme und Kryokonservierung fallen Kosten um die 2.500 bis 3.000 Euro an. Hinzu kommen dann die Lagerungskosten für die eingefrorenen Eizellen, die sich pro Halbjahr auf knapp 150 Euro belaufen. Um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen künstlichen Befruchtung zu erhöhen, müssen sich viele Frauen einer mehrfachen Eizellentnahme unterziehen. Am Ende summieren sich die Kosten in den meisten Fällen auf 10.000 bis 20.000 Euro. Für Marcia Inhorn steht an dieser Stelle fest: „Der Kostenfaktor bestimmt, wer sich fortpflanzen kann und wer nicht.“
Wer die Ressourcen hat, sich umfassend beraten zu lassen, ist hier im Vorteil. Wie Saft bemängelten auch Inhorns Gesprächspartnerinnen eine unzureichende Beratung. „Die eigene Fruchtbarkeit gehört bei alleinstehenden Frauen in den wenigsten Fällen zur medizinischen Beratung, die man durch die behandelnde Gynäkologin oder den behandelnden Gynäkologen erhält. Das ist ein Problem.“ Viele ihrer Interviewpartnerinnen erhielten erst spät den Hinweis auf das bevorstehende „Verfallsdatum“ ihrer Eizellen – oft in einem Moment, in dem es fast schon zu spät war.