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Die Starthelferin
Irene Aniteye fördert Start-ups von Afrodeutschen Personen. Denn strukturelle Herausforderungen erschweren ihnen oft die Suche nach einem Investor oder einer Kapitalgeberin – und machen Aniteye und ihr Team besonders leistungsorientiert.
Das Kreativhaus Jupiter bietet an einem Montagmittag Ende Juni Zuflucht vor einem Gewitterschauer. Mit den Vogelgeräuschen wirkt es wie eine kleine Ruheoase zwischen dem geschäftigen Treiben um den Hamburger Hauptbahnhof. Der International Shopping Space (ISS) im Erdgeschoss bietet Möbel aus recycelten Flipflops, Puppen mit verschiedenen Hautfarben sowie Kleidung und Kosmetik an. Irene Aniteye grüßt die Personen aus dem anliegenden Café und dem Concept Store La Tribune Noire. „Der gehört André Cramer, einem unserer ersten Partner.“ Alle Produkte, die La Tribune Noire anbietet, kommen aus Unternehmen, die von Schwarzen Personen geführt werden.
Die 30-jährige Hamburgerin hat gerade ein vollgepacktes Wochenende mit ihrem Team von AiDiA hinter sich. Die größtenteils ehrenamtlichen Mitarbeitenden sind aus verschiedenen Ecken Deutschlands für ein Zusammentreffen in Hamburg angereist. Derzeit sind die Vorbereitungen für das nächste Pitch-Event am 2. September in vollem Gange. Bereits zum zweiten Mal dürfen dort Afrodeutsche Personen ihre Start-ups und Geschäftsideen für ein Preisgeld von insgesamt 53.000 Euro vorstellen.
Mit Medien und Menschen
Dass Irene Aniteye einmal ein Unternehmen gründen würde, war nicht immer ihr Plan. Als Kind wollte sie Stewardess werden, weil sie es schon immer geliebt hatte, zu reisen. Auch Sprachen zu lernen, hat ihr immer Spaß gemacht, was sie darauf zurückführt, dass sie in einem mehrsprachigen Haushalt aufgewachsen ist. Ihre Eltern kommen aus Ghana und sprechen neben Deutsch mehrere ghanaische Sprachen sowie Englisch.
Direkt nach dem Abitur reiste Aniteye nach Australien, ihr Berufswunsch hatte sich aber inzwischen geändert: „Ich war eine von denen, die sagen, sie wollen irgendwas mit Medien machen.“ In Australien absolvierte sie ein Praktikum in einem Verlag, unterstützte dort bei der Recherche und im Sales-Bereich, schrieb eigene Artikel. „Mich interessieren vor allem Menschen und ihre Geschichten.“ Das kombinierte sie nach ihrer Rückkehr in die Hansestadt Hamburg mit ihrem Interesse für Werbung und Marketing; sie studierte Wirtschaftspsychologie und stieg nach ihrem Praktikum in einer Werbeagentur als strategische Planerin ein.
Von Waren zu Lösungen
Obwohl ihr die Arbeit mit Werbung und Marketing gefiel, ist Irene Aniteye inzwischen nicht mehr aktiv in der Branche tätig. „Die Arbeitsbedingungen passten nicht mehr in mein Leben, man arbeitet viel und hat wenig Privatleben.“ Zudem hatte sie das Gefühl, mit ihrer unkonventionellen Denkweise nicht reinzupassen. „Meine Meinung kann eben manchmal einfach anders aussehen als die der Norm.“
Auch die Coronapandemie hat sie zum Nachdenken bewegt. „Mir ist bewusst geworden, dass ich der Welt etwas hinterlassen möchte, worauf ich stolz sein kann, womit ich etwas verändert habe.“ Schon in der Werbeagentur hat Aniteye angefangen, sich für eine Antidiskriminierungsinitiative zu engagieren. 2020 stand das Thema plötzlich im Fokus der Gesellschaft, nachdem der Schwarze US-Amerikaner George Floyd durch Polizeigewalt getötet wurde. Aniteye leistete Aufklärungsarbeit und beriet Kunden zum Thema kulturelle Sensibilität. „Auch in der Werbung merkt man: Selbst dann, wenn man meint, offen, tolerant und sensibel zu sein, ist das nicht immer der Fall.“
2021 kündigte Aniteye ihren Job. „Ich wollte nicht mehr Waren, sondern Lösungen anbieten“, erklärt sie den Schritt. Ihre Vision sei ihr dabei wichtiger gewesen als finanzielle Sicherheit. Dass die Kündigung für sie angstfrei möglich war, bezeichnet sie als Privileg. „Ich wusste, wenn es schiefgeht, werde ich durch mein persönliches Netzwerk und meine Familie aufgefangen.“ Aniteye hatte zunächst die Idee, gemeinsam mit ihrer Schwester ein Unternehmen zu gründen. Sie hatte festgestellt, dass in es in Deutschland große Lücken in den Angeboten für Menschen mit afrikanischen Wurzeln gebe – unter anderem im Bereich Haar- und Körperpflege – und wollte Zugang zu diesen Produkten schaffen.
Eine Bühne geben
Aber Aniteye ging noch einen Schritt weiter und setzte am gesamten System an. Durch ihre Freundin Shanice Sintim-Aboagye wurde sie auf den Verein FoG-Germany e.V. aufmerksam, der sich um die Interessen von Schwarzen Menschen in Deutschland kümmert. Sintim-Aboagye engagierte sich dort unter anderem zusammen mit Daniel Tiemor und Louisa Schätz. Im Vereinsbereich Business, der junge Menschen durch After-Work-Veranstaltungen