Der lange Weg zum Korken

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REISE

SAMSTAG, 19. JULI 2014

Der lange Weg zum Korken Neun Jahre muss die Rinde in den Eichenwäldern des portugiesischen Alentejos reifen

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ie Arbeit mit dem Machado, dem rasiermesserscharfen Beil der Korkarbeiter, geht Luís Dias immer noch leicht von der Hand. Mit wohldosierten Schlägen wird die Korkrinde zunächst vertikal, dann horizontal gespalten. Dann wird die Korkplatte vorsichtig mit dem Beil vom Stamm gehebelt. „Das sind 50 Prozent Arbeit und 50 Prozent Kunst“, erklärt Senhor Dias, Arbeit für Spezialisten und daher für landwirtschaftliche Saisonarbeit vergleichsweise gut bezahlt. Jetzt im Sommer sind die Arbeiter, die für Dias auf der Herdade das Barradas da Serra nahe dem Städtchen Grândola in der portugiesischen Region Alentejo den Kork von den Bäumen schä-

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SEHR NACHHALTIGE LANDWIRTSCHAFT Korkeichen müssen Jahrzehnte wachsen, ehe die abgestorbene Rinde erstmals geschält werden kann. Dann ist wieder Pause. Fotos: Pires (u.)/Viegas (r.)/Fotolia

LUÍS DIAS, DER HERR ÜBER 800 HEKTAR KORKEICHEN Der Gutsbesitzer repräsentiert einen der wichtigsten Wirtschaftszweige Portugals und des Alentejos. Foto: Kurtenbach

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LUXUSHOTEL IM EINSTIGEN KLOSTER Das Convento do Espinheiro in Évora dient heute dem Wohlergehen des Leibes. Foto: Kurtenbach

len und damit einen der wichtigsten Wirtschaftszweige ganz Portugals repräsentieren, wieder aktiv. Wenn die Sonne brennt und die Luft knochentrocken ist, sind die Chancen am besten, dass die Bäume das Prozedere, das sich alle neun bis zehn Jahre wiederholt, unbeschadet von Pilzen und Bakterien überstehen. Das ist wichtig, denn die Bäume sind die Grundlage von Dias’ Existenz und der seiner Arbeiter. „Ein neu gepflanzter Baum ist erst nach Jahrzehnten ein vollwertiger Ersatz“, sagt Dias. Er steht auf seinem Land, auf dem er auch Zimmer an Touristen vermietet, wie eine seiner rund 80 000 Korkeichen: gelassen und mit größtdenkbarer Selbstverständlichkeit: Hier stehe ich, hier sind

meine Wurzeln, hier gehöre ich hin, das war schon immer so, und es wird immer so sein. Seit fünf Generationen gehört das Land, das Dias mit seiner Frau Elsa bewirtschaftet, seiner Familie. Auf 800 Hektar ist es inzwischen angewachsen. Ein Spezifikum der Region: Landwirtschaftliche Flächen wie die Korkeichenwälder wie die von Senhor Dias, Olivenhaine, Obstplantagen und Flächen mit Weinanbau haben seit jeher gigantische Ausmaße. Oft gehören die Latifundien seit Jahrhunderten einer Familie. Großgrundbesitzer wie Dias’ Familie haben hier alle Umwälzungen überlebt. Die Revolution 1974 hat ihnen ebenso wenig etwas anhaben können wie die hier allgegenwärtigen Kommunisten es können, die sich in Portugal übrigens das Kürzel „CDU“ gegeben haben. Dass der Alentejo ebenso erzkatholisch wie erzrot ist, ist, wie die Menschheit seit den Abenteuern von Don Camillo und Peppone im fiktiven italienischen Örtchen Boscaccio weiß, nicht unbedingt ein Widerspruch.

Feste Haltegriffe und ein stabiles Bodenblech

WECHSELVOLLE MEERESKÜSTE Mal über Stock und über Stein, mal direkt am Wasser entlang: Am Ufer des Meeres – hier ein Stück hinter Porto Covo – lässt sich trefflich wandern. Foto: Kurtenbach

Auf der Herdade das Barradas da Serra fährt der Chef selbst. Senhor Dias hat seine Gäste, die mit ihm heute auf Korksafari gehen, inzwischen in einen älteren hochrädrigen Mitsubishi gelotst. Wer nicht schwindelfrei ist oder wem das Zutrauen fehlt in Luís Dias’ fahrerisches Vermögen, der muss jetzt tapfer sein. Der Wagen knarzt und klappert bei jedem Schlagloch, es knirscht beunruhigend, als Dias ein Bachbett durchfährt und dabei aufsetzt, und dass es wenig später direkt neben der Piste steil bergab geht, trägt auch nicht unbedingt zur Gelassenheit bei. Sind wenigstens die Bremsen gut gewartet? Nicht drüber nachdenken! Immerhin hat der Japaner Gurte, feste Hal-

tegriffe und ein stabiles Bodenblech, auf dem man sich abstützen kann. Wie eine arthrosekranke Bergziege klettert der Wagen steil nach oben: mühsam, aber beharrlich. Und irgendwann, beim Halt auf dem höchsten Punkt seiner Ländereien, als seine Besucher noch ganz berauscht sind und atemlos von der Aussicht über die Landschaft des Alentejo, sagt Luís Dias tatsächlich: „Sehen Sie dort hinten den Hügel? Alle schauen angestrengt in die Ferne und suchen den Hügel, der in der Verlängerung von Dias Zeigefinger zu finden sein muss. Der Hügel findet sich mächtig weit weg. „Dahinter endet unser Anwesen.“ Dahinter. Wer den Alentejo besucht, muss tatsächlich in anderen Dimensionen denken. Zum einen ist die Region sehr groß, sie deckt etwa 30 Prozent des portugiesischen Staatsgebiets ab, zum anderen ist sie sehr leer. Nur fünf Prozent der Bevölkerung leben hier. Landschaft ist also reichlich vorhanden. Sie lässt sich fabelhaft erwandern. Entlang der Küste etwa, auf der Rota Vicentina, insgesamt rund 340 Kilometer lang, mit Teilstücken speziell für mutige Fußwanderer oder solchen, die auch für Fahrradfahrer geeignet sind. Radwege besitzen ansonsten Exotenstatus, stark befahrene Straßen allerdings auch. Andre Birken lebt im Alentejo und arbeitet hier als Reiseleiter und Wanderguide. Seine Wanderrouten führen auch zu den Zeugnissen aus grauer Vorzeit. Lange vor Mauren, Römern oder Phöniziern haben in diesem mit Schönheit reich beschenkten Landstrich schon Menschen gelebt. Und der Nachwelt Rätselhaftes hinterlassen. Neben zahlreichen Grabstellen, Dolmen, die man im Norden Europas auch unter dem Namen Hünengräber kennt, findet sich nahe der sehenswerten Weltkulturerbestadt Évora der Cromlech von Almendres. Es handelt sich um eine

Ansammlung von rund 90 tonnenschweren, teilweise behauenen Steinen, die, wie Grabungen ergeben haben, von Menschen dort hingeschafft und in mehreren Phasen als Doppelellipse aufrecht gruppiert wurden. Das spielte sich vor rund 6000 Jahren ab. Die Steinansammlung ist mithin deutlich älter als Stonehenge. Wozu sie diente, ist unklar. Indizien, erklärt Birken, deuten auf einen Kult- und Opferplatz hin, die Anordnung könnte auch als eine Art astronomischer Kalender gedient haben. Vielleicht stimmt auch beides. Wer sich nicht per Rad oder per pedes betätigen möchte oder einen Ausgleich dazu sucht, der wird auf dem Gebiet der Kulinarik fündig. Die Küche ist abwechs-

ZEUGNISSE AUS GRAUER VORZEIT Der Cromlech von Almendres diente vermutlich einst als Kultstätte. Oder als astronomischer Kalender. Oder auch als beides. Fotos: Kurtenbach

lungs-, fisch- und fleischreich, bodenständig, tendenziell gehaltvoll und von einfach bis modernisiert in allen Stufen zu haben. Die Weine des Alentejo, viele basierend auf autochthonen, also spezifischen regionalen Trauben, können mit denen aus dem Douro-Tal im Norden gut mithalten.

Ein Gläschen zur Entspannung Senhor Dias hat seine Safari unterdessen heil wieder nach unten gebracht. Die Teilnehmer haben sich ein weiteres Mal in Autosuggestion geübt, als sie durch die Windschutzscheibe keine Bäume, keinen Horizont sahen, sondern die buckelige Pis-

te ein paar Meter unter ihnen: Er weiß, was er tut. Er weiß, was er tut. Nach dem Aussteigen, mit festem Boden unter den Füßen, lässt die Anspannung rasch nach und öffnet bei einem Gläschen den Raum für eine kleine Unverschämtheit. „Sagen Sie, Senhor Dias, stimmt es eigentlich, dass die Menschen aus dem Alentejo niemals lachen?“ Der Korkmogul schaut irritiert. José Saramago, der Literaturnobelpreisträger aus Portugal, hat das geschrieben. Luís Dias verdreht die Augen. Er mag Saramago nicht sonderlich. Der sei doch ein wenig verrückt gewesen. Habe so kompliziert geschrieben. „Aber um die Frage zu beantworten: Nein, das stimmt nicht“, sagt er. Sehr ernst. Thomas Kurtenbach

INFO Anreise: Ab Frankfurt zum Beispiel mit TAP Portugal. Genießer- und Kombinationsreisen in die Region bietet beispielsweise der Veranstalter Olimar an (info@olimar.com, www.olimar.de). Über Olimar kann man auch die Korkeichensafari bei Luís Dias buchen. Dessen eigene Homepage: www.barradasdaserra.com/. Wer es gehoben mag, findet Unterkunft etwa in zwei ehemaligen Klöstern Pousada Dom Afonso II in Alacacer do Sal (mit eigenem archäologischen Museum, über www.pousadas.pt) und dem Hotel Convento do Espinheiro bei Évora (http://www.conventodoespinheiro.com). Für Ferien mit Kindern ist der Club Hotel Vila Galé Clube de Campo mit dem benachbarten Weingut im Raum Beja geeignet (über www.vilagale.pt/de). Küche aus dem Alentejo: In seinem Lokal, das er in aller Bescheidenheit „Dom Joaquím“ (König Joaquím) genannt hat, steht Joaquím Almeida selbst am Herd (Rua Penedos 6, Évora, http://restaurantedomjoaquim.pai.pt). Reiseführer und Wanderguide Andre Birken: www.alentejowandern.com. Weitere Informationen: Turismo de Portugal Alentejo (http://www.visitalentejo.pt/de/), Portimar (http://www.portimar.pt/?idioma=en).


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