Die Tiefen Gottes

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Liebe Herold-Leser, Das Thema „Dreieinigkeit“ gehört leider zu den Themen der Gemeinde Jesu, die zu sehr vernachlässigt oder sogar ignoriert werden. Oder wann hast du das letzte Mal jemanden sagen hören: „Ich liebe die Dreieinigkeit“? Es soll sogar Christen geben, die behaupten, die Lehre der Dreieinigkeit wäre überhaupt keine biblische Lehre. Andere behaupten, sie wäre zwar biblisch, man habe aber keinerlei Nutzen von ihr. Wozu sich also mit ihr beschäftigen, mit einem so komplexen Thema, das ohnehin niemand versteht?

Um es gleich vorneweg zu sagen: Nein, die Bibel liefert uns keine systematische Darstellung der Dreieinigkeit. Trotzdem finden wir in darin sehr viele Hinweise und Antworten auf die Frage nach dem Wesen Gottes. Und unter

Wie die Dreieinigkeit deinen Glaubensalltag verändert

von Jona an Malisi

Als Christ musst du täglich in der Bibel lesen, beten und aktiv Teil einer Gemeinde sein“ – ein guter Ratschlag, den sicher schon viele (auch ich) am Anfang des Lebens mit Jesus gehört haben. Aber weshalb eigentlich? Sicher handelt es sich dabei um bewährte Schritte im Glauben, die Nachfolgern Jesu dabei helfen, geistlich gesund zu bleiben. Aber wenn wir tiefer bohren, entfaltet sich uns ein umwerfendes Panorama: Bibellesen, Gebet und Teil einer Gemeinde zu sein sind Mittel, die die Dreieinigkeit gebraucht, damit wir Anteil an der Gemeinschaft von Vater, Sohn und Geist haben.

Doch wieso steht das nicht ausdrücklich so in der Bibel? Hier hilft eine Einsicht des Philosophen Michael Polanyi, der davon sprach, dass es „unausgesprochenes Wissen“ gibt.1 Die Idee dahinter lautet, dass weite und grundlegende Teile unserer Überzeugungen und unseres Wissens einfach von uns unbewusst vorausgesetzt und nicht ausgesprochen werden. Sie sind so umfassend, dass wir sie nur schwer in Worte fassen können. Der Glaube an die Dreieinigkeit Gottes ist vermutlich genau so ein unausgesprochener Glaubenssatz. Darum fällt es uns oft so schwer, die Dreieinigkeit nicht nur anzuerkennen oder anderen gegenüber zu verteidigen, sondern auch ihre Bedeutung für unser persönliches Leben zu entdecken.

Die Dreieinigkeit Gottes – das Fundament des Evangeliums

Theologen unterscheiden üblicherweise Gottes dreieiniges Sein und Handeln voneinander: Zwar steht nirgends in der Bibel ausdrücklich, dass Gott ein dreieiniger Gott ist, aber wir können aus vielen Bibelstellen, von seinem Han1 Michael Polanyi: „Implizites Wissen“, Frankfurt: Suhrkamp (1985).

diesen Aussagen finden wir viele – wenn auch bruchstückhafte – Hinweise darauf, dass es nur einen Gott gibt, der sich aber in drei Personen offenbart hat – in Vater, Sohn und Heiligem Geist –, die in ihrem Wesen eins sind, die aber in ihrer ewigen Beziehung zueinander voneinander zu unterscheiden sind. Diese biblischen Hinweise sind wie die ganze Bibel „von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung und zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes ausgerüstet sei zu jedem guten Werk“ (2Tim 3,16).

Also lasst uns über Gott und über die Tiefe seines Wesens staunen und zu seiner Verherrlichung leben. Wir wünschen dir dabei den Segen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

deln und unserem Leben mit ihm darauf schließen. Dasselbe Prinzip können wir auch auf andere Bereiche unseres Lebens übertragen: So müssen wir beispielsweise das Verhältnis zu unseren Ehepartnern, Eltern, Freunden und Kindern auch nicht täglich neu und ausdrücklich definieren. Solche Beziehungen, die wir als erfüllend und liebevoll wahrnehmen, müssen wir nicht täglich neu schließen.

Die Dreieinigkeit ist das „Fundament“ des Evangeliums. Bibellesen, Gebet und Leben als Teil einer Gemeinde sind dann gewissermaßen das „Gebäude“ eines veränderten Lebens, das auf diesem Fundament errichtet wird. Wir Christen leben als Familie miteinander, beten zu unserem Gott und richten unser Leben an seinem Wort aus. Und wenn er dreieinig ist, dann handelt er auch so an uns.

Das Volk des dreieinigen Gottes

So setzen beispielsweise die Bilder, die der Apostel Paulus für die Gemeinde gebraucht, die Dreieinigkeit Gottes voraus:

– Er beschreibt die Gemeinde als Gottes „Volk“ oder „Familie“ (vgl. Röm 9,24-26; 2Kor 6,16; 1Thess 1,4; 2Thess 2,13-14; siehe auch 1Petr 2,9-10), denn Gott, der Vater, hat uns in Christus als seine Kinder angenommen (vgl. Eph 3,14-19; siehe 5Mo 14,1).

– Den Eintritt in die Familie hat uns Gott, der Sohn, durch sein gehorsames Leben, seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung erkauft. Weil wir zu ihm gehören, gehören wir zum Vater (vgl. 1Kor 6,9-11; siehe Joh 15,1-8); während der Heilige Geist uns fortwährend an unsere neue Identität erinnert (vgl. Röm 8,14-17). Wenn Paulus dagegen vom „Leib Christi“ spricht (1Kor 12,12-31), dann lenkt er unsere Aufmerksamkeit auf Gott, den Sohn: Jesus Christus, der wahrer Gott und wahrer Mensch ist, handelt in dieser Welt durch die Gemeinde. Er dient heute Menschen, indem er uns zum Dienst befähigt. Gott, der Sohn, ist dort, wo seine Gemeinde ist. – Beim Hinweis auf den „Tempel des Heiligen Geistes“ (1Kor 6,19; Eph 2,20-22) geht es Paulus dagegen vor allem um die verändernde Kraft des Evangeliums, die das Leben der Gemeinde prägt. Überlege einmal: Wo sonst wird das Leben von Menschen so nachhaltig und

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Vorwort

umfassend erneuert, wie in der Gemeinde? Der Heilige Geist macht die Nachfolger Jesu mehr und mehr ihrem Erlöser ähnlich.

Paulus versucht daher nicht, uns die Dreieinigkeit Gottes zu erklären (denn sie bleibt ein Geheimnis), sondern setzt sie einfach voraus und zeigt uns schlichtweg, wie der dreieinige Gott handelt. Seine Gemeinde bezeugt durch die verschiedenen Facetten ihres Wesens und Auftrags das vielfältige Wesen des dreieinigen Gottes Denn durch die Gemeinde sprechen Vater, Sohn und Geist z.B. in der Taufe Menschen die Vergebung und das neue Leben zu (vgl. Mt 28,19). Die Gemeinde ist Gottes geliebte Familie, sein heiliger Tempel, in dem er gegenwärtig ist; sie ist der erlöste Leib Jesu, berufen zu seinem Dienst; sie ist beauftragt, in der Kraft des Geistes zu bezeugen, wie Menschen durch das stellvertretende Werk des Sohnes Kinder Gottes werden (vgl. Apg 2,136). In der Gemeinde erfahren wir die „Gnade des Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes [des Vaters] und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes“ (2Kor 13,13). Das gilt für jede Gemeinde weltweit – ausnahmslos. Ja, deine Gemeinde hilft dir, besser zu erkennen und zu staunen, wie großartig Gott ist!

Das Gebet zum dreieinigen

Gott

Aber genauso wichtig, wie Teil einer Gemeinde zu sein, ist es zu beten. Und persönliches Gebet ist nur möglich, weil wir im Geist durch den Sohn zum Vater bitten: „Durch ihn [Jesus Christus] haben wir beide [Juden und Heiden] durch einen Geist den Zugang zum Vater“ (Eph 2,18). Wenn du dich also fragst: Hat ein Bewusstsein für die Dreieinigkeit irgendeine Bedeutung für mein Gebetsleben? Dann sage ich dir: Egal, wie begeistert und überfließend oder wie schwach, dahingestottert und sorgenvoll deine Gebete sind: alle drei Personen Gottes sind bei dir und mit dir, wenn du betest! Solange dir das bewusst ist, werden die Worte „im Namen Jesu“ oder das „Vaterunser“ niemals zu leeren Floskeln verkommen. Stattdessen offenbaren sie eine Herrlichkeit hinter dem Gebet, die zu einer Freude am Gebet führt, denn du hast eine persönliche, intime Gemeinschaft mit deinem dreieinigen Gott. Durch den Mittler Jesus Christus – den wahren Gott und wahren Menschen – kannst du zu deinem Va-

ter im Himmel beten (vgl. Joh 14,13). Und der Heilige Geist hilft dir, indem er deine Gebete gewissermaßen „übersetzt“ (vgl. Röm 8,26-27). Gebet ist also keine Last – es ist einzigartige Gemeinschaft mit Vater, Sohn und Geist.

Das Wort des dreieinigen Gottes Auch die Bibel ist ihrem Wesen nach ein „dreieiniges“ Buch: Je nach Zusammenhang wird sie als das „Wort Gottes“ (Hebr 4,12; gemeint ist „des Vaters“), das „Wort Jesu Christi“ (Kol 3,16) oder das „Wort des Heiligen Geistes“ (1Kor 2,10-14) bezeichnet. Aber welchen Unterschied macht es praktisch, so ein Verständnis von der Bibel zu haben? Wir sollen erkennen, dass die Bibel nicht eine Ansammlung toter Buchstaben oder frommer Erfahrungsberichte ist, sondern das unveränderliche Wort (Jes 40,8), das ewiges Leben wirkt (1Petr 1,23-25). Das ist so, weil Gott, der menschliche Autoren zum Schreiben der Bibel veranlasst hat, sich selbst in ihr bezeugt:

– Sie ist das einzigartige Zeugnis des Vaters über den Sohn, das durch den Geist eingegeben wurde (vgl. 2Petr 1,21; 2Tim 3,16).

– Die Bibel führt uns in ihrem Gesamtzeugnis aus Altem und Neuem Testament zu Jesus Christus (vgl. Joh 5,30-47), der uns durch sein Evangelium den Vater offenbart (vgl. Joh 14,8-9; 17,1-7).

– Der Geist bewirkt, dass wir dem aufgeschriebenen Wort Jesu Glauben schenken können (vgl. Joh 15,5-15).

Gottes Wort entfaltet seine rettende und verändernde Wirkung in deinem Leben, weil es dir deinen dreieinen Gott zeigt! Jedes Mal, wenn du deine Bibel aufschlägst und liest, begegnest du deinem Gott, verbringst persönlich Zeit in seiner Gegenwart und hörst, was er sagt – und das alles in verständlichen, menschlichen Worten. Der Pastor Adolph Saphir hat es so ausgedrückt: „Wir können nicht zu hoch von der lebendigen Verbindung der Schrift zu Christus und dem Geist sprechen, denken und fühlen“ 2 Das betrifft jedoch nicht nur „deine“ gedruckte Bibel, sondern ihre Auslegung in der und durch die Gemeinde. Zwar können sich Menschen in der Auslegung der Bibel irren oder sogar böse Absichten verfolgen. Aber wo Gottes Wort treu weitergegeben wird, will er, dass wir genau hinhören und glauben. Die Thessalonicher z.B. glaubten der mündlichen Verkündigung des Evan-

2 Zitiert nach Fred Sanders: „The Deep Things of God. How the Trinity Changes Everything“, 2. Aufl., Wheaton: Crossway (2017), S. 201.

geliums, weil sie darin Gottes Wort erkannten und seine stärkende Wirkung erfahren konnten (vgl. 1Thess 1,5.8; 2,2.4.13; 3,2; 4,2.15). Unser Gott ist gegenwärtig, wo das Evangelium gelesen, bezeugt und geglaubt wird. Das war und ist die Zuversicht aller Missionare, Prediger, Kinderstundenmitarbeiter, gläubigen Eltern und Ehepartner: der dreieinige Gott spricht in verständlichen Worten und offenbart uns Menschen so seine Herrlichkeit. Wenn du Tag für Tag und Woche für Woche Gottes Wort bezeugst, dann hören Menschen durch dich Gottes Stimme. Wenn die Bibel in deiner Gemeinde richtig erklärt und auf unser Leben angewandt wird, hörst du dann aufmerksam zu? Nutzt du Gelegenheiten am Sonntag und unter der Woche, um mit anderen aus der Gemeinde über Gottes Wort zu sprechen und für seine Anwendung zu beten? Kurzum: Suchst du Gottes Nähe, indem du ihn zu dir sprechen lässt? Deine Achtung vor und Freude an der Bibel können in ungeahntem Maß wachsen, wenn du lernst, über ihren dreieinigen Autor zu staunen.

Die Dreieinigkeit ist also keine schwierige Lehre weltabgewandter Theologen. Sondern sie offenbart dir das innerste Wesen Gottes, der dich einlädt in die liebevolle Gemeinschaft von Vater, Sohn und Geist. Und sie hilft dir, deinen Glaubensalltag nicht als willkürliche Aneinanderreihung von „frommen Hausaufgaben“ zu sehen. Stattdessen zeigt sie dir: Gott ist bereits in all seiner Fülle auf jeder Seite der Bibel, bei jedem deiner Gebete und in jeder Minute, die du mit der Gemeinde verbringst, bei dir und für dich! Denn dass Gott dreieinig ist, ist nicht nur wahr – es ist auch wunderschön!

Jonathan Malisi ist Pastor in der Immanuel-Gemeinde in Wetzlar mit den Schwerpunkten junger Erwachsener und Verwaltung. Seine Freizeit verbringt er gerne mit Freunden, guten Büchern oder auf dem Rad.

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Der dreieinige Gott im Johannesevangelium

Das Johannesevangelium ist ein außergewöhnliches Schriftstück für die Gemeinde Jesu Christi. Bei Johannes wird Jesus nicht nur ausdrücklich mit Gott identifiziert (vgl. 1,1 u. 18; 20,28), von allen neutestamentlichen Dokumenten liefert uns das Johannesevangelium auch das meiste Material über die Dreieinigkeit und schenkt uns die tiefsten Einblicke in die Beziehung zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist.

Der Abschnitt, in dem uns der tiefste und herrlichste Einblick in das Wesen, Handeln und die Gemeinschaft der Dreieinigkeit – zueinander und zu uns, den Gläubigen – gegeben wird, findet sich in Johannes 13,3117,26, der sogenannten Abschiedsrede Jesu. Hier finden wir einen theologisch tiefgründigen und zugleich sehr emotionalen Abschnitt. Wer also meint, Theologie sei trocken, der sollte diesen Bibelabschnitt unbedingt lesen. Wir werden uns nicht den gesamten Abschnitt anschauen und auch keine ausführliche theologische Abhandlung der Dreieinigkeit daraus entwickeln. Wir werden aber drei wichtige Wahrheiten über die Dreieinigkeit aus diesem Text entdecken!

Wir befinden uns am Abend von Jesu Verhaftung. Wenige Augenblicke zuvor hatte Judas Iskariot das Obergemach verlassen, in dem Jesus und seine Jünger sich aufhalten, um seinen Freund und Meister, mit dem er drei Jahre verbracht hatte, dessen Predigten er gehört und dessen Wunder er miterlebt hatte, an Jesu zukünftige Mörder zu verraten (13,21-30).

Kaum hatte Judas den Raum verlassen, richtet sich Jesus an seine wahren Jünger, an die, die ihm bis ans Ende ihres Lebens folgen würden; und er offenbart ihnen, dass jetzt ein ganz besonderer Moment ist:

„Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht, und Gott ist ver-

herrlicht in ihm. Wenn Gott verherrlicht ist in ihm, so wird auch Gott ihn verherrlichen in sich selbst, und er wird ihn sogleich verherrlichen“ (Joh 13,31-32).

Die Herrlichkeit des dreieinigen Gottes

Das Thema der Verherrlichung Gottes taucht in dieser Abschiedsrede immer wieder auf, besonders im Hohepriesterlichen Gebet (Kap 17). „Verherrlichen“ bedeutet im Neuen Testament (NT) auch, Gott preisen oder ihn für seine Herrlichkeit ehren Wenn wir Gott „verherrlichen“, fügen wir nicht etwas zu seiner Herrlichkeit hinzu, wir bestätigen seine unendliche Herrlichkeit, denn „Sein Tun ist voller Hoheit und Pracht; seine Gerechtigkeit hat für immer Bestand […] voller Gnade und Barmherzigkeit ist der Herr“ (Ps 111,3-4).

Jesus macht deutlich, dass durch ihn das Wesen und die Herrlichkeit Gottes sichtbar werden. Ganze zehn Mal hatte er von sich selbst als dem „Menschensohn“ und von sich als dem „Sohn Gottes“ gesprochen, und gesagt, dass er seine Herrlichkeit offenbaren wird und dadurch auch Gottes Herrlichkeit offenbar werden würde.1 Doch wodurch würde sich Gottes Herrlichkeit offenbaren? Würde er nun endlich als König seinen Thron besteigen, die Feinde Israels besiegen und Gottes Volk Frieden bringen? Ja, genau das! Aber nicht so, wie alle es erwarteten. Denn Jesus sagte auch voraus, dass seiner Erhöhung zuerst seine Erniedrigung vorausgehen würde. Jedes Mal, wenn Jesus den Titel „Sohn des Menschen“ in Johannes gebrauchte, kündigte er entweder seine Erniedrigung (durch seine Hinrichtung) oder seine Erhöhung als göttlicher Herrscher an – manchmal wies er auch auf beides gleichzeitig hin. Doch wie so oft „verstanden seine Jünger es nicht; erst als Jesus verherrlicht war, da erinnerten sie sich, dass dies von ihm geschrieben war“ (Joh 12,16).

Nun, wo Judas sich auf dem Weg befand, fest entschlossen, seinen Verrat durchzuführen, war für Jesus der Weg der Erniedrigung unaufhaltsam angebrochen. Dieser Weg lag in Gottes ewigem Plan festgelegt. Deshalb ließ sich Jesus, obwohl er „bis ins Innerste erschüttert“ war (13,21; siehe auch 12,27) auch durch nichts davon abhalten. In Johannes 17,4 spricht Jesus: „Ich habe dich auf der Erde verherrlicht und das Werk zu Ende geführt, das du mir aufgetra-

1 vgl. Joh 1,51;

gen hast.“ Es ist unter anderem dieser Gehorsam des Sohnes Gottes gegenüber dem Willen des Vaters, der uns die Herrlichkeit des Menschensohnes offenbart; und durch die Herrlichkeit im Gehorsam des Sohnes wird auch die Herrlichkeit des Vaters sichtbar.

Die Herrlichkeit des Sohnes Gottes, und die von Gott, dem Vater, sind so untrennbar miteinander verbunden, dass die Verherrlichung des einen unweigerlich zur Verherrlichung des anderen führt.

Nachdem der Sohn sein Werk am Kreuz vollbracht und sein Leben als Opfer gegeben hat, nachdem er gehorsam war bis zum Tod am Kreuz, hat ihn der Vater verherrlicht und ihn als Sohn Gottes erwiesen, indem er ihn von den Toten auferweckte. Der Hebräerbriefschreiber weist darauf hin, indem er Psalm 110 zitiert, eine Stelle, die für die frühe Gemeinde eine alttestamentliche Grundlage für Jesu Auferstehung und Verherrlichung war:

„So hat auch der Christus sich nicht selbst verherrlicht, um Hoher Priester zu werden, sondern der, welcher zu ihm gesagt hat: ‚Mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt‘“ (Hebr 5,5).

Das Wort „gezeugt“ darf hier nicht als Hinweis auf Jesu leibliche Zeugung verstanden werden, sondern wird im NT immer wieder auf die Auferstehung Jesu bezogen. Auch hier im Hebräerbrief macht der Kontext deutlich, dass dieses „heute“ der Moment war, an dem der Allerhöchste, Gott, der Vater, vor der gesamten Unsichtbaren Welt öffentlich bekannt gab, dass er seinen Sohn, den Gekreuzigten und Auferstandenen „sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht hat“ (Apg 2,36). Jesus wurde nicht erst Gottes Sohn, als er von den Toten auferstand, seine Auferstehung war die Bestätigung dafür, dass er tatsächlich „der Menschensohn“ ist, dass er der „ich bin“ ist, und dass er all dies ist, ehe Abraham war2 (Joh 8,58) – kurz gesagt: Obwohl Jesus ganz Mensch wurde, ist er doch von Ewigkeit her ganz Gott (Joh 5,18).

Bereits der Prophet Jesaja sah (um 700 v. Chr.) die göttliche Herrlichkeit Jesu. Er berichtet: „[Ich] sah den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel“ (Jes 6,1 ff.). Und Johannes klärt uns darüber auf: „Dies sprach Jesaja, als er Jesu Herrlichkeit sah und von ihm redete“ (Joh 12,41 – EÜ).

2 Jesus gebraucht hier die umständliche, aber bedeutungsschwere Formulierung: „Ehe Abraham war, ich bin“, anstatt einfach zu sagen: „Ich war schon lange vor Abraham da.“

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3,13-14; 6,62; 8,28; 11,4 u. 40; 12,23; 14,13; 15,8;

Die Liebe des dreieinigen Gottes

Schauen wir zurück ins Obergemach, wo Jesus seine vermutlich verwirrten Jünger mit den liebevollsten Worten auffängt:

„Kinder!“ (wörtl. „Kinderchen!“) Auch wenn Jesus sicher kaum älter war als seine Jünger, drückten diese Worte ernsthafte Liebe aus, wie wir gleich sehen werden. Jesus wusste, dass er ihnen etwas Schweres beibringen musste: „[N]och eine kleine Weile bin ich bei euch; ihr werdet mich suchen, und wie ich den Juden sagte: Wohin ich gehe, könnt ihr nicht hinkommen, so sage ich jetzt auch euch“ (V.33; vgl. 7,33-34; 8,21).

Diese Worte waren für die Jünger ein Schock. Nicht allein, dass Jesus weggehen würde, sondern auch wie er es ihnen sagt. Denn wenn Johannes von „den Juden“ sprach, meinte er damit die geistliche Elite, die in Opposition gegenüber Jesus stand und die ihn schließlich hinrichten würde. Wie kann Jesus seine Jünger mit ihnen gleichsetzen? Zumal er den Juden gesagt hatte: „Ich gehe hin, ihr werdet mich suchen und werdet in euren Sünden sterben“ (Joh 8,21). Da Jesus aber die Sorgen und Gedanken seiner Jünger kennt, macht er ihnen klar, dass sie sich zwar in „einer kleinen Weile“ in einer ähnlichen Situation befinden wie die ungläubigen Juden, doch sie werden eine völlig andere Realität erleben. Denn Jesus gibt ihnen „ein neues Gebot […], dass ihr einander liebt, damit, wie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebt. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt“ (V.34-35).

Mit diesem neuen Gebot eröffnet Jesus kein neues Thema, er nutzt nicht die noch wenige Zeit, um möglichst viel mit seinen Jüngern zu besprechen. Jesus ist der Herr der Zeit und der Geschicke. Er selbst hatte Judas losgesandt.

Das Gebot der Liebe ist Teil der Offenbarung der Herrlichkeit des Vaters, des Sohnes und des Geistes. Im Grunde war das Gebot der Liebe nichts völlig Neues, sondern wurde bereits im AT von Gott gefordert. Das Besondere und Neue an diesem Gebot ist, dass nun offenbar wird, dass diese Liebe ihren Ursprung, ihren Halt und ihr Ziel in der göttlichen Dreieinigkeit hat. Denn die Liebe ist das Wesen und der Kern der Gottheit – denn „Gott ist Liebe“ (1Joh 4,8b).

Mit den „Ich bin“–Worten stellte sich Jesus für alle unmissverständlich mit dem Gott Jahwe des Alten Testaments gleich; und durch seine Wunder und seine Auferstehung hat Gott, der Vater, bestätigt, dass er es tatsächlich ist!

Die Liebe, von der Christus spricht, die er zu seinen Jüngern hat, ist dieselbe Liebe, mit der auch der Vater den Sohn von Ewigkeit her geliebt hat: „Wie der Vater mich geliebt hat, habe auch ich euch geliebt“ (Joh 15,9) – und mit der der Vater auch uns, die Gläubigen, liebt:

„Ich bitte aber nicht für diese allein, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an mich glauben, damit sie alle eins seien […] damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt und sie geliebt hast, wie du mich geliebt hast“ (17,20-23).

Wenn unser Herr Jesus Christus, der ewige Gottessohn uns sein Gebot der Liebe gibt, dann fordert er uns nicht einfach zu einem Leben der Freundlichkeit auf. Vielmehr macht Jesus hier in Joh 14-17 etwas Gewaltiges deutlich: Durch seine Person und durch sein Werk der Verherrlichung, der Erniedrigung und der Erhöhung, eröffnet er für jeden, der an ihn glaubt, den Weg in die Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott.

Gott, der Vater und der Sohn haben sich vor Grundlegung der Welt geliebt. Gott ist seit jeher ein Gott der Liebe und Gemeinschaft. Wer meint, Gott hätte den Menschen erschaffen, um selbst ein Gegenüber zu haben, irrt gewaltig. Der dreieinige Gott erlebte seit Ewigkeiten eine vollkommene Gemeinschaft in Liebe und Glück. Und doch entschied sich der dreieinige Gott, aus dieser Liebe heraus, die Welt zu erschaffen, obwohl er wusste, welchen Weg all dies nehmen würde. Und aus Liebe entschied Gott, der Vater, Menschen aus dieser Welt herauszunehmen und sie dem Sohn zu geben, damit er sie durch sein Blut als sein Eigentum erwirbt, durch sein Wort bewahrt und sich in ihnen und durch sie verherrlicht (17,6-11).

Wo aber bleibt der Heilige Geist bei alledem? Es wirkt tatsächlich erst einmal seltsam, dass hinsichtlich der Liebe nur vom Vater und vom Sohn die Rede ist. Das Ganze klärt sich, wenn man berücksichtigt, wie Jesus ab Joh 14,16, vom Geist Gottes spricht. In Joh 14,1 beruhigt Jesus die Jünger, dass sie trotz seiner harten Worte nicht zu erschrecken brauchen. Denn er geht nicht weg, um sie im Stich oder „in ihren Sünden sterben“ zu lassen, sondern um ihnen ein Zuhause zu bereiten; und er wird wiederkommen, um sie zu sich zu holen (14,1-3). Und bis es soweit ist, senden er und der Vater den Heiligen Geist

als „Tröster“, „Beistand“, „Helfer“ (paraklet). Die Bedeutung dieses Begriffs macht deutlich, dass der Heilige Geist keine mystische unpersönliche Kraft Gottes ist, sondern eine Person, die im weiteren Kontext des Johannesevangeliums und der weiteren Heiligen Schrift klare göttliche Eigenschaften und Herrlichkeiten aufweist.

So macht Paulus deutlich, dass der Heilige Geist die Person der Dreieinigkeit ist, durch die die Liebe Gottes in unsere Herzen kommt. Der Heilige Geist ist sozusagen der Träger und Vermittler der göttlichen Liebe. Bei der Beziehung zwischen Vater und Sohn ist der Heilige Geist also nicht außen vor. Augustinus sprach davon, dass der Heilige Geist „das Band der Liebe ist, das den Vater und den Sohn miteinander verbindet“, und das von Ewigkeit her.

Der Sohn ist also das ewige Bild, das der Vater von seiner eigenen Vollkommenheit hat, und der Heilige Geist ist die ewige Liebe, die zwischen dem Vater und dem Sohn fließt, wenn sie sich aneinander erfreuen. In unserer Vorstellung klingt dies seltsam, denn wie kann „Liebe“ eine eigenständige Person sein? C. S. Lewis hat einmal versucht, das Ganze für uns verständlich zu machen:

„Wenn Menschen in einer Familie oder einem Verein zusammenkommen, spricht man vom „Geist“ der Familie oder des Vereins. Und zwar deshalb, weil die einzelnen Mitglieder, wenn sie zusammen sind, eine bestimmte Art zu reden und sich zu verhalten entwickelt haben, die sie nicht hätten, wenn sie getrennt wären. Es ist, als ob eine Art gemeinschaftliche Persönlichkeit entsteht. Dabei handelt es sich bei diesem „Geist“ nicht um eine echte Person, sondern nur um eine Art Person. Doch genau das ist einer der Unterschiede zwischen Gott und uns. Aus dem gemeinsamen Leben des Vaters und des Sohnes erwächst eine wirkliche Person, die dritte Person der Gottheit.“3

Ich gebe zu, Gottes Wesen ist nach wie vor ein großes Geheimnis. Aber um Gott zu kennen und zu lieben, ist es hilfreich, zumindest eine gewisse Vorstellung davon zu haben, was es heißt, dass es nur einen Gott gibt, der aber in drei Personen existiert.

3 C. S. Lewis: „Beyond Personality“, New York: Macmillan Co. (1948), S. 21.

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Die Gemeinschaft des dreieinigen Gottes

Das Wundervollste und Tröstlichste an alledem, was Jesus seinen Jüngern offenbart, ist, dass er sie zwar sichtbar verlassen, dass er ihnen aber näher sein wird als jemals zuvor. Während Jesus geht, um den Jüngern eine Wohnung zu bereiten, wohnt der dreieinige Gott in den Jüngern: „er [der Geist der Wahrheit] wird in euch sein“ (14,17) und auch „wir [mein Vater und ich] werden zu ihm [dem Gläubigen] kommen und Wohnung in ihm nehmen“ (14,23).

Hier beschreibt Jesus das, was Paulus an anderer Stelle als „Versiegelung des Geistes“ bezeichnet:

„In ihm [Christus] seid auch ihr, als ihr das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils, gehört habt und gläubig geworden seid, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist der Verheißung.“ (Eph 1,13).

Das Innewohnen, bzw. die Versiegelung des Heiligen Geistes gibt uns die Gewissheit, dass wir Gottes Kinder und Erben der zukünftigen Herrlichkeit sind (Röm 8,16). Jesus sagt, dass der Heilige Geist in uns bleiben wird, „bis in alle Ewigkeit“. Dieses Band der Gemeinschaft zwischen Gott und

Wir möchten darauf hinweisen, dass uns in der letzten Ausgabe (März 2024) ein Fehler unterlaufen ist. In dem Artikel „Die Verurteilung des einzig Gerechten“ handelt es sich bei der auf Seite 4 erwähnten Bibelstelle, in der Jesus sich als der Christus zu erkennen gibt, um Johannes 4,26, nicht um Johannes 2,26.

uns hat Gott aus Gnade gestiftet und er lässt es aus Gnade bestehen. Gott wohnt in uns, und zwar nicht so lange wir uns bewähren, sondern solange er uns bewahrt! „Die ihr in der Kraft Gottes durch Glauben bewahrt werdet bis hin zur Rettung“ (1Petr 1,5).

Dieses Innewohnen der Gottheit ist eine Vorwegnahme unserer zukünftigen endgültigen Verherrlichung, die sich dann erfüllt, wenn es heißt:

„Siehe, das Zelt Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein, ihr Gott“ (Offb 21,3).

Schatten der Dreieinigkeit im Alten Testament

VDie Lehre der Dreieinigkeit ist eine wundervolle Lehre, die uns viel von Gottes Herrlichkeit, Liebe und Barmherzigkeit offenbart. Wir dürfen die Gemeinschaft mit diesem Gott jeden Tag, in jedem Moment erleben. Das zu erkennen, bewirkt einen Frieden und eine Freude, wie sie die Welt nicht geben kann (14,27). Doch wir sind auch dazu berufen, diese Liebe auf eine Weise auszuleben, damit die Welt um uns herum auch etwas von Gottes Wesen und seiner Liebe erkennt (V.31). Doch ganz gleich, was in unserem Leben auch geschieht, Jesu Trost gilt zu jeder Zeit: „Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht“ (V.27b) – der dreieinige Gott ist mit uns!

Benjamin Schmidt ist verheiratet mit Hanna und dreifacher Vater. Er ist Leiter der Herold-Schriftenmission und verantwortlich für die Zeitschrift „Herold“.

IST JESUS GOTT?

Zehn Aspekte über biblische Aussagen zur Gottheit Jesu.

War Jesus von Nazareth nur ein Wanderprediger, ein Wunderheiler, oder ist er wirklich der, für den er sich selbst ausgab: der Sohn Gottes, menschgewordener, ewiger Gott? Gibt es in der Bibel, unabhängig von Jesu Aussagen, Hinweise darauf, dass Jesus Gott ist? Und wie sind solche Aussagen zu bewerten?

iele Menschen denken, dass die christliche Lehre von der Dreieinigkeit eine rein neutestamentliche Lehre ist. Das ist jedoch nicht richtig. Zwar finden wir erst im Neuen Testament (NT) deutlichere Aussagen (vgl. Mt 28,19; Joh 14-17; u.a.), aber im Grunde fassen diese Aussagen die vielen offenen Themen des Alten Testaments (AT) im Hinblick auf Christus zusammen und erklären sie. Im Grunde enthält das NT nichts vollkommen Neues, sondern ist die abschließende Fortsetzung dessen, was Gott bereits im AT offenbart hat (vgl. Hebr 1,1-2). Daher ist es auch zu erwarten, dass wir bezüglich der Lehre von der Dreieinigkeit auch Hinweise im AT finden – dass Gott eins im Wesen, aber in mehr als einer Person existiert. Allerdings finden sich diese Hinweise nicht unbedingt dort, wo wir sie vermuten würden.

Wenn Gott von „uns“ redet

Viele Christen sehen die ersten Hinweise auf die Dreieinigkeit in den Stellen, in denen Gott von ‚uns‘ spricht. Insgesamt gibt es vier solcher Stellen im AT (vgl. 1Mo 1,26; 3,22; 11,7 und Jes 6,8); die bekannteste ist wohl 1. Mose 1,26-27:

„Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen in unserm Bild, uns ähnlich! Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze Erde und über alle kriechenden Tiere die auf der Erde kriechen! Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie.“

Brian Schwertley geht diesen Fragen nach und die urchristliche Lehre der Göttlichkeit Jesu in zehn Aspekten ausführlich dar.

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Es wurden einige Vorschläge gemacht, wie diese Stelle zu verstehen ist, da die ursprünglichen Empfänger – die Israeliten zurzeit Mose – sicherlich noch keine neutestamentliche Vorstellung von der göttlichen Dreieinigkeit hatten. Einige sehen hier einen „Majestätsplural“, wobei Gott

von sich selbst in der dritten Person spräche, oder aber eine „Selbstreflexion“ Gottes. Die traditionell jüdische Auslegung ist, dass Gott die Engelwelt über seine Schöpfungsabsichten informiert und sie gewissermaßen in den Prozess einbezieht.

Vom NT her wissen wir, dass der Gott des ATs in drei Personen existiert – als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Wenn es daher in 1. Mose 1,2 heißt, „und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser“ können wir, bezugnehmend auf das NT, davon ausgehen, dass dieser Geist mehr war als nur „die Kraft“ Gottes, sondern Gott selbst. Dann lesen wir im weiteren Schöpfungsverlauf, dass Gott sprach und es geschah. In Psalm 33,6 lesen wir: „Durch des HERRN Wort ist der Himmel gemacht und all sein Heer durch den Hauch seines Mundes.“ Vom NT her wissen wir, dass der Sohn Gottes dieses Wort ist: „durch den hat er [Gott, der Vater] auch die Welten gemacht“ (Hebr 1,2). Vater, Sohn und Heiliger Geist waren sich demnach über ihre Schöpfungsabsichten einig – dennoch macht auch die traditionelle jüdische Auslegung im Gesamtkontext des ATs, nach der Gott die Engelwelt über seine Schöpfungsabsichten informierte, auch mit Blick auf das NT durchaus Sinn.

Zunächst einmal wird die Erschaffung der Engelwelt und auch der Fall der Engel in 1. Mose stillschweigend vorausgesetzt. Denn schon in 1. Mose 3 tritt der Versucher ohne Vorankündigung in Gestalt der Schlange an den Menschen heran und verführt ihn zur Rebellion gegen Gott. Bereits für die ersten Leser war klar, dass hinter der Schlange ein geistiges, antigöttliches Wesen steht, das bereits vor der Erschaffung des Menschen existiert haben muss. Aufschlussreich ist hier auch Hiob 38,4-7, wo Gott Hiob fragt:

„Wo warst du, als ich die Erde gründete? […] Worauf sind ihre Sockel eingesenkt? Oder wer hat ihren Eckstein gelegt, als die Morgensterne miteinander jubelten und alle Söhne Gottes jauchzten?“

So wie die Engel über die Menschwerdung des Sohnes Gottes jubelten (vgl. Lk 2,13-14), so jauchzten sie auch über das Schöpfungshandeln Gottes und waren daher in gewisser Weise daran beteiligt. Dennoch sagt Vers 27 ausdrücklich, dass Gott den Menschen allein erschaffen hat. Hierbei hilft vielleicht ein Vergleich. An-

genommen, ich sage meinen Kindern: Lasst uns in den Zoo fahren! Meine Kinder freuen sich natürlich, weil sie an dem Zoobesuch teilhaben. Dennoch bin ich derjenige, der den Zoobesuch initiiert und auch dafür sorgt, dass er tatsächlich stattfindet. Ich fahre hin und bezahle den Eintritt. Ohne mein Handeln würde es bei einer Idee bleiben. Theoretisch müsste ich meine Kinder nicht mitnehmen. Ich könnte auch allein in den Zoo gehen, aber als Vater macht es mir natürlich Spaß, sie am Zoobesuch teilhaben zu lassen. In vergleichbarer Weise waren die Engel begeisterte Zuschauer von Gottes Wunderwerk und beteiligten sich, indem sie ihn durch ihren Jubel und Lobpreis ehrten. Vom AT-Kontext her ist es wahrscheinlich, dass Gott, wenn er von „uns “ redet, seinen himmlischen Hofstaat anredet; vom gesamtbiblischen Kontext her wissen wir jedoch, dass es der dreieinige Gott ist, der hier spricht.

Jahwe und der Engel des HERRN

Bibelkenner werden bei der Lektüre des ATs immer wieder auf den „Engel des Herrn“ stoßen. Dieser ist offensichtlich kein gewöhnlicher Engel, denn er wird an mehreren Stellen mit Gott gleichgesetzt, aber auch von Gott unterschieden.

In 1. Mose 22 lesen wir von der (vereitelten) Opferung Isaaks. Gerade als Abraham die Hand gegen Isaak erhebt, erscheint ihm der Engel des HERRN und hält ihn davon ab. Er sagt: „Strecke deine Hand nicht aus nach dem Jungen, und tu ihm nichts! Denn nun habe ich erkannt, dass du Gott fürchtest, da du deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht vorenthalten hast“ (V.12). Kurz darauf schwört der Engel des HERRN im Namen Jahwes (V.15-18).

Auch als Jakob am Ende seines Lebens die Söhne seines Sohnes Josef segnet, hören wir von diesem Engel: „Der Gott, vor dessen Angesicht meine Väter, Abraham und Isaak gelebt haben, der Gott, der mich geweidet hat, seitdem ich bin, bis zu diesem Tag, der Engel, der mich von allem Übel erlöst hat, segne die Knaben“ (1Mo 48,1516). Jakob scheint einerseits zwischen Gott und dem Engel zu unterscheiden, andererseits scheint er aber in dem Engel den Gott zu sehen, der ihn gesegnet hat (vgl. 1Mo 32,27).

Genauso bei der Berufungsgeschichte Moses, als „ihm der Engel des HERRN in einer Feuerflamme

mitten aus dem Dornbusch“ begegnet (vgl. 2Mo 3,2); doch dann heißt es: „Als aber der HERR sah, dass er [Mose] hinzutrat, um zu sehen, da rief ihm Gott mitten aus dem Dornbusch zu und sprach: Mose, Mose!“ (V.4). Auch hier wird der Engel des HERRN mit Jahwe gleichgesetzt und von ihm unterschieden.

Noch deutlicher wird dies in 2. Mose 23,20-22, wo Gott zu Mose sagt:

„Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, damit er dich auf dem Weg bewahrt und dich an den Ort bringt, den ich für dich bereitet habe. Hüte dich vor ihm, höre auf seine Stimme und widersetze dich ihm nicht! Denn er wird euer Vergehen nicht vergeben, denn mein Name ist in ihm. Doch wenn du willig auf seine Stimme hörst und alles tust, was ich sage, dann werde ich Feind deiner Feinde sein und deine Bedränger bedrängen.“

Dieser Engel, den Gott senden wird, wird Gottes Namen tragen, er wird Dinge tun, die Gott vorbehalten sind – Sünden vergeben, Gebote erlassen und Feinde bedrängen.

Auf die Frage, wer Israel aus Ägypten in das verheißene Land geführt hat, gibt uns das AT zwei Antworten: Der Engel des HERRN (2Mo 23,20-22; Ri 2,1) und Gott (3Mo 11,45; Jos 24,1718). Auch in der Berufungsgeschichte Gideons in Richter 6 tauchen sowohl der Engel des HERRN als auch der HERR selbst wechselweise als Sprecher auf, während der Text nahelegt, dass Gideon nur eine Person sieht, die er mit „mein Herr“ anspricht.

Diese Stellen sind zwar keine lupenreinen Beweise für die Dreieinigkeit, aber sie stellen uns schon vor die Frage, warum der Engel des HERRN so häufig vorkommt und warum er einerseits von Jahwe unterschieden und andererseits mit ihm gleichgesetzt wird – zumal andere Engel ebenfalls Gottes Willen tun, denen aber nicht diese Ehre zuteilwird. Es gibt allerdings noch eine andere Stelle, die für unser Thema viel bedeutsamer ist – Daniel 7,13-14.

Der Menschensohn, kommend auf den Wolken des Himmels

In Daniel 7,13-14 beschreibt Daniel eine Vision:

„Ich schaute in Visionen der Nacht: Und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie der Sohn eines Menschen. Und

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er kam zu dem Alten an Tagen, und man brachte ihn vor ihn. Und ihm wurde Herrschaft und Ehre und Königtum gegeben, und alle Völker, Nationen und Sprachen dienten ihm. Seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergeht, und sein Königtum so, dass es nicht zerstört wird.“

Aus dem Kontext geht hervor, dass der „Alte an Tagen“ Gott selbst ist, der Richter der ganzen Welt (Dan 7,9-12). Nun erscheint eine andere Person, „wie ein Menschensohn“, der vor Gott gebracht wird. Hier wird also deutlich zwischen dem Alten an Tagen und dem Menschensohn unterschieden. Bibelwissenschaftler weisen darauf hin, dass das Bild vom „Wolkenreiter“ in ganz Mesopotamien eine Bezeichnung für Baal war. Im AT wird aber Jahwe als derjenige bezeichnet, der mit oder in den Wolken kommt, bzw. reitet (vgl. 2Mo 32,26; Ps 68,3335; Ps 104,1-4; Jes 19,1). Die einzige Stelle im AT, wo dies nicht direkt auf Jahwe bezogen wird, ist Daniel 7,13, wo der Menschensohn als in den Wolken kommend beschrieben wird! Vergleicht man nun diese Stelle mit Matthäus 26,63-66, wird deutlich, dass die Juden zur Zeit Jesu den Menschensohn mit Gott identifizierten. Denn als Jesus sich als Menschensohn bezeichnete, bezichtigten sie ihn der Gotteslästerung.

Doch was ist mit dem Heiligen Geist? Finden wir auch Hinweise auf ihn, im AT? Ja, zumindest im Ansatz. Sowohl Psalm 78 als auch Jesaja 63 fassen die Rebellion Israels und die Gnade Gottes zusammen. Psalm 78, liest sich so: „Immer wieder versuchten sie Gott und kränkten den Heiligen Israels“ (V.41). Und Jesaja legt diese Stelle aus und sagt: „Sie aber, sie sind widerspenstig gewesen und haben seinen heiligen Geist betrübt“ (Jes 63,10). Aus dieser Verknüpfung beider Stellen geht deutlich hervor, dass der Heilige Geist mit Gott gleichgestellt wird. In Hesekiel 8 berichtet der Prophet, wie „die Hand des Herrn, HERRN, auf mich [fiel]“ (V.1) und „der Geist hob mich zwischen Himmel und Erde empor“ (V.3). Auch wenn das hebräische Wort für Geist (rûaḥ), wenn es in Verbindung mit Gott ge-

braucht wird, lediglich seine Kraft bezeichnen kann, so schlussfolgert A. F. Kirkpatrick:

„An den meisten Stellen stimmt der Kontext jedoch zu, und die Analogie des Neuen Testaments deutet stark darauf hin, dass rûaḥ YHWH der Heilige Geist ist, ‚im vollsten christlichen Sinne‘.“1

Schlussfolgerung

Auch wenn die Lehre von der Dreieinigkeit erst mit dem Kommen Jesu, durch seine Verkündigung und durch die Vollendung des neutestamentlichen Kanons eine deutliche Gestalt angenommen hat, finden sich bereits im AT Hinweise darauf, dass es nur einen Gott gibt, der sich aber in Vater, Sohn und Heiligem Geist offenbart.

Andreas Münch ist Mitarbeiter der Herold-Schriftenmission. Er ist verheiratet mit Miriam und Vater von drei Söhnen.

1

R. Laird Harris, Gleason L. Archer Jr. und Bruce K. Waltke; in „Theological Wordbook of the Old Testament“, Chicago: Moody Press (1999), S. 837.

Bald erhältlich:

Kevin DeYoung: Der Heilige Geist

In diesem neuen und kurzen Herold-Buch (aus einer zehnteiligen Reihe) beschreibt Kevin DeYoung das Wesen des Heiligen Geistes, sein Wirken in unserem Leben und seine Rolle bei unserer Bekehrung. Außerdem gibt er einen kurzen Einblick in die Geistesgaben.

Voraussichtliches Erscheinungsdatum: Mai 2024

HEROLD ist eine monatliche Erweckungszeitschri , die allein von ihren Lesern finanziert wird. Bezug (jährlich): 10,- € (D/A), bzw. 12,– sfr (CH)·

Verleger: HEROLD-Schri enmission e.V., Postfach 1162, D-35634 Leun • Redaktion: Benjamin Schmidt · redaktion@herold-mission.com Wir sind telefonisch für Sie wie folgt erreichbar: Mo, Mi, Fr von 9-12 und von 13-16 Uhr unter +49 (0) 6473 - 931 076 Oder über unsere Homepage unter www.herold-mission.com

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Verwendete Bilder dieser Ausgabe: Titelbild: Daniel Malikyar on Unsplash.com.

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Payne, J. Barton: „2131 רִיַח“, Hg.:
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