25. Jahrgang / Heft 1 / 2016 Herausgeber Ulrike Petermann Franz Petermann Martin H. Schmidt Ulrich Stephani
Kindheit und Entwicklung Zeitschrift fĂźr Klinische Kinderpsychologie Schwerpunkt Psychische Gesundheit: Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie
Franz Petermann · Ulrike Petermann
Training mit Jugendlichen
Franz Petermann Ulrike Petermann
Training mit Jugendlichen
Franz Petermann · Ute Koglin Heike Natzke · Nandoli von Marées
Verhaltenstraining in der Grundschule
Aufbau von Arbeits- und Sozialverhalten
Aufbau von Arbeits- und Sozialverhalten
Ein Programm zur Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen
9., überarbeitete und erweiterte Auflage
Franz Petermann / Ute Koglin Heike Natzke Nandoli von Marées
Verhaltenstraining in der Grundschule Ein Programm zur Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen
2., überarbeitete Auflage
mit CD-ROM
mit DVD
9., überarb. und erw. Auflage 2010, 293 Seiten, inkl. CD-ROM, € 39,95 / CHF 53,90 ISBN 978-3-8017-2320-0 Auch als E-Book erhältlich
2., überarb. Auflage 2013, 248 Seiten, inkl. DVD, € 39,95 / CHF 53,90 ISBN 978-3-8017-2487-0 Auch als E-Book erhältlich
Das Training fördert den Aufbau von Sozial- und Arbeitsverhaltensweisen in Ausbildung und Beruf. Zahlreiche Arbeitsmaterialien erleichtern die Umsetzung des Trainings in der Praxis.
Mit Hilfe des Verhaltenstrainings können die emotionalen und sozialen Kompetenzen von Kindern in der 3. und 4. Klasse der Grundschule gefördert werden.
Franz Petermann · Heike Natzke Nicole Gerken · Hans-Jörg Walter
Verhaltenstraining für Schulanfänger
Franz Petermann Heike Natzke / Nicole Gerken Hans-Jörg Walter
Franz Petermann Ulrike Petermann Dennis Nitkowski
Verhaltenstraining für Schulanfänger
Emotionstraining in der Schule
Ein Programm zur Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen
Ein Programm zur Förderung der emotionalen Kompetenz
emottion naleer und sozialer Ko ompeteenzen 3., überaarbeittete un nd erweeiterte Au uflage mit CD-ROM
3., überarb. und erw. Auflage 2013, 292 Seiten, inkl. CD-ROM, € 34,95 / CHF 46,90 ISBN 978-3-8017-2488-7 Auch als E-Book erhältlich
2016, 244 Seiten, inkl. DVD, € 39,95 / CHF 48,50 ISBN 978-3-8017-2687-4 Auch als E-Book erhältlich
Das bereits an zahlreichen Schulen erfolgreich eingesetzte Verhaltenstraining für Schulanfänger liegt nun in einer Neuauflage vor. Es dient dem Aufbau sozialer und emotionaler Kompetenzen bei Kindern.
Mit Hilfe des Trainings können die emotionalen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern der fünften bis siebten Klassenstufe gefördert werden.
www.hogrefe.de
Kindheit und Entwicklung Zeitschrift fĂźr Klinische Kinderpsychologie
25. Jahrgang / Heft 1 / 2016
Schwerpunkt Psychische Gesundheit: Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie Herausgeber Ulrike Ravens-Sieberer, Fionna Klasen und Franz Petermann
Herausgeber
Prof. Dr. phil. Ulrike Petermann, Bremen Prof. Dr. phil. Franz Petermann, Bremen Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Martin H. Schmidt, Heidelberg Prof. Dr. med. Ulrich Stephani, Kiel Die Zeitschrift „Kindheit und Entwicklung“ wurde 1992 von G. Neuhäuser, F. Petermann und M. H. Schmidt gegründet.
Schriftleitung
Prof. Dr. phil. Ulrike Petermann, Bremen (presserechtlich verantwortlich) Prof. Dr. phil. Franz Petermann, Bremen
Redaktionsanschrift
Prof. Dr. phil. Ulrike Petermann, Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen, Grazer Straße 6, 28359 Bremen
Wissenschaftlicher Beirat
Prof. Dr. Dr. Tobias Banaschewski, Mannheim Prof. Dr. med. Bernd Blanz, Jena Prof. Dr. phil. Guy Bodenmann, Zürich Prof. Dr. Hanna Christiansen, Marburg Prof. Dr. phil. Günther Esser, Potsdam Prof. Dr. phil. Lutz Goldbeck, Ulm Prof. Dr. phil. Kurt Hahlweg, Braunschweig Prof. Dr. phil. Petra Hampel, Flensburg Prof. Dr. med. Johannes Hebebrand, Essen Prof. Dr. phil. Nina Heinrichs, Braunschweig Prof. Dr. phil. Ute Koglin, Oldenburg Prof. Dr. phil. Gerhard Lauth, Köln
Hinweise für Autoren
Die Richtlinien zur Manuskriptgestaltung und Hinweise für Autoren können unter www.hogrefe.de/zeitschriften/ke mit dem Acrobat Reader heruntergeladen werden.
Verlag
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Merkelstraße 3, 37085 Göttingen, Postfach 3751, 37027 Göttingen, Tel. 0551 99950-100, Fax 0551 99950-111 E-Mail Verlag: verlag@hogrefe.de, E-Mail Redaktion: journals@hogrefe.de, Internet: www.hogrefe.de Verleger: Dr. G.-Jürgen Hogrefe, Wissenschaftlicher Verlagsleiter: Dr. Michael Vogtmeier
Herstellung
Jenny Scheide, Tel. 0551 99950-442, Fax 0551 99950-445
Prof. Dr. phil. Arnold Lohaus, Bielefeld Prof. Dr. med. Gerhard Neuhäuser, Gießen PD Dr. phil. Meinolf Noecker, Münster Prof. Dr. phil. Franz Peterander, München Prof. Dr. phil. Rita Rosner, Eichstätt Prof. Dr. phil. Silvia Schneider, Bochum Prof. Dr. med. Gerd Schulte-Körne, München Prof. Dr. med. Kathrin Sevecke, Innsbruck Prof. Dr. phil. Rainer K. Silbereisen, Jena Prof. Dr. med. Andreas Warnke, Würzburg Prof. Dr. phil. Silvia Wiedebusch, Osnabrück Prof. Dr. phil. Silke Wiegand-Grefe, Hamburg
Vertrieb/Verwaltung
Hendriekje Thiel, Tel. 0551 99950-900, Fax 0551 99950-998
Anzeigen/Beilagen
Nadine Teichert, Tel. 0551 99950-526, Fax 0551 99950-111
Satz
Konrad Triltsch Print und digitale Medien GmbH, Johannes-Gutenberg-Str. 1-3, 97199 Ochsenfurt
Druck
AZ Druck und Datentechnik GmbH, Heisinger Straße 16, 87437 Kempten
Umschlagabbildung
© SolStock – iStock.com
ISSN
ISSN-L 0942-5403, ISSN-Print 0942-5403, ISSN-Online 2190-6246 Bei redaktionellen Einsendungen ohne besonderen diesbezüglichen Vermerk behält sich der Verlag das ausschließliche Recht der Vervielfältigung in jeglicher Form sowie das der Übersetzung in fremde Sprachen ohne jede Beschränkung vor. Die in der Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist die Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Der Verlag haftet nicht für die Richtigkeit mitgeteilter Angaben. Als Originalarbeiten werden grundsätzlich nur Erstveröffentlichungen angenommen. Nach Annahme für eine Veröffentlichung dürfen diese Arbeiten nicht im gleichen oder ähnlichen Wortlaut an anderer Stelle angeboten werden. Die Redaktion behält sich vor, den Zeitpunkt der Veröffentlichung zu bestimmen.
Erscheinungsweise
vierteljährlich (Januar/April/Juli/Oktober)
Bezugsbedingungen
Jahresabonnement Institute € 201,–/SFr 258,–; Jahresabonnement Privat € 91,–/SFr 121,–; Einzelheft € 51,–/SFr 65,– zzgl. Porto- und Versandgebühren (unverbindliche Preisempfehlung). Die Preise verstehen sich in Deutschland inkl. MwSt. und für Lieferungen von Deutschland ins Ausland exkl. MwSt. Das Abonnement verpflichtet zum Bezug eines ganzen Jahrgangs. Das Abonnement verlängert sich, wenn nicht bis 8 Wochen vor Jahresende abbestellt wird. Bei Ausfall der Lieferung durch höhere Gewalt, Streik oder dergleichen ergeben sich hieraus keine Ansprüche auf Lieferung oder Rückzahlung des Bezugsgeldes durch den Verlag. Lieferung erfolgt auf Gefahr des Empfängers. Der Abonnent ist damit einverstanden, dass der Transportdienstleister ggf. den Verlag während der Laufzeit des Abonnements über eine Anschriftenänderung informiert. Ist er nicht damit einverstanden, hat er dies spätestens zwei Wochen nach Erhalt des ersten Heftes schriftlich dem Verlag mitzuteilen.
Zahlungen
an Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Merkelstraße 3, 37085 Göttingen Bankverbindung: Deutsche Bank AG, IBAN DE32 2607 0072 0041 1116 00, BIC DEUTDE2H260
Gelistet in
Social Science Citation Index (SSCI), Current Contents/Social & Behavioral Sciences, ISI Alerting Services, Social Scisearch, PsycINFO, PsycLit, PsyJOURNALS, PSYNDEX, IBZ, IBR, Scopus und European Reference Index for the Humanities (ERIH), Impact Faktor (2014): 1.526
Elektronische Volltexte
http://econtent.hogrefe.com/
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1)
© 2016 Hogrefe Verlag
Inhalt Editorial
Kindheit und Entwicklung – 25 Jahre
1
Kindheit und Entwicklung – 25 Years Franz Petermann, Ulrike Petermann, Martin H. Schmidt und Ulrich Stephani Themenschwerpunkt
Psychische Kindergesundheit. Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie
4
Mental Health in Children and Adolescents: Results of the BELLA Cohort Study Ulrike Ravens-Sieberer, Fionna Klasen und Franz Petermann Studien
Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen. Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie
10
Trajectories of Mental Health Problems in Children and Adolescents: Results of the BELLA Cohort Study Fionna Klasen, Franz Petermann, Ann-Katrin Meyrose, Claus Barkmann, Christiane Otto, Anne-Catherine Haller, Robert Schlack, Michael Schulte-Markwort und Ulrike Ravens-Sieberer Risiko- und Schutzfaktoren generalisierter Ängstlichkeit im Kindes- und Jugendalter. Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie
21
Risk and Protective Factors for Symptoms of General Anxiety Disorder in Children and Adolescents: Results of the BELLA Cohort Study Christiane Otto, Franz Petermann, Claus Barkmann, Marc Schipper, Levente Kriston, Heike Hölling, Ulrike Ravens-Sieberer und Fionna Klasen Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten. Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie
31
Long-Term Consequences of Externalized Mental Health Problems: Results of the BELLA Cohort Study Anne-Catherine Haller, Fionna Klasen, Franz Petermann, Claus Barkmann, Christiane Otto, Robert Schlack und Ulrike Ravens-Sieberer Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern. Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie
41
Factors Promoting Mental Health in Children of Parents With Mental Health Problems: Results of the BELLA Cohort Study Angela Plass, Anne-Catherine Haller, Karoline Habermann, Claus Barkmann, Franz Petermann, Marc Schipper, Silke Wiegand-Grefe, Heike Hölling, Ulrike Ravens-Sieberer und Fionna Klasen
© 2016 Hogrefe Verlag
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1)
Inhalt
50
Verlauf gesundheitsbezogener Lebensqualität. Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie Course of Health-Related Quality of Life: Results of the BELLA Cohort Study Claus Barkmann, Franz Petermann, Robert Schlack, Monika Bullinger, Michael Schulte-Markwort, Fionna Klasen und Ulrike Ravens-Sieberer Mitteilungen Hinweise für Autoren
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1)
Kongresskalender
60 61
© 2016 Hogrefe Verlag
Editorial
Kindheit und Entwicklung – 25 Jahre Franz Petermann1, Ulrike Petermann1, Martin H. Schmidt2 und Ulrich Stephani3 1 2 3
Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen Zentralinstitut für seelische Gesundheit, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg Klinik für Neuropädiatrie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Zusammenfassung. Im Jahre 1992 wurde die Zeitschrift „Kindheit und Entwicklung“ gegründet und hat sich inzwischen zum führenden Publikationsorgan der Klinischen Kinderpsychologie in den deutschsprachigen Ländern etabliert. Themen der Pädiatrischen Psychologie, Kinderpsychiatrie, Kinder- und Jugendhilfe wurden genauso publiziert wie Beiträge zur Kinderpsychotherapie, Angewandten Entwicklungsdiagnostik und Entwicklungspsychopathologie. Knapp 100 Themenschwerpunkte wurden in diesem Zeitraum bearbeitet. Schlüsselwörter: Zeitschrift „Kindheit und Entwicklung“, Klinische Kinderpsychologie, Kinderpsychiatrie, Pädiatrische Psychologie, Kinderund Jugendhilfe
Kindheit und Entwicklung – 25 Years Abstract. The journal Kindheit und Entwicklung (Childhood and Development) was launched in 1992 and has established itself as the leading publication in the field of clinical child psychology in German-speaking countries. The journal has published issues on pediatric psychology, child psychiatry, and children’s aid/child welfare as well as scientific papers on child psychotherapy, applied developmental diagnostics, and developmental psychopathology. Around 100 special issues have been edited during this period. Keywords: journal Kindheit und Entwicklung, clinical child psychology, child psychiatry, pediatric psychology, child welfare
Im Jahre 1992 wurde unsere Zeitschrift als interdisziplinäres Journal von Gerhard Neuhäuser (Bereich Neuropädiatrie, Universität Giessen), Franz Petermann (Bereich Klinische Kinderpsychologie, Universität Bremen) und Martin H. Schmidt (Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Universität Heidelberg) begründet. Die „Kindheit und Entwicklung“ hatte in den knapp 25 Jahren nur eine geringe Variation in der Herausgeberschaft. Ende der 90er Jahre wurde das Herausgeberteam durch die damalige Schriftleiterin Ulrike Petermann ergänzt; vor ca. 10 Jahren schied unser Gründungsmitherausgeber Gerhard Neuhäuser aus und Ulrich Stephani (Klinik für Neuropädiatrie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein) trat Anfang dieses Jahrzehnts seine Nachfolge an. Unsere Zeitschrift verfolgte von Anfang an das Ziel, interdisziplinäre Themen aus den Gebieten der Kinderpsychiatrie, Kinderheilkunde und Klinischen Kinderpsychologie zu bearbeiten. Wesentlich war dabei, lern- und verhaltenspsychologische Grundlagen und evidenzbasierte präventive sowie therapeutische Methoden zu fördern, in verschiedenen Anwendungsgebieten zu etablieren und den Transfer in die klinische Praxis zu befördern. © 2016 Hogrefe Verlag
In der Gründungsphase (damals als Zeitschrift des Quintessenz-Verlages, München) sollten auch Themen der Verhaltensmedizin (n = 3; s. Tab. 1) aufgegriffen werden (z. B. Schmerzforschung); jedoch war die Resonanz bei den potentiellen Autoren im deutschen Sprachraum sehr gering. Erst durch den Wechsel zum Hogrefe Verlag im 2. Halbjahr 1995 wurde der Schwerpunkt der „Kindheit und Entwicklung“ auf die Klinische Kinderpsychologie, Kinderneuropsychologie, Kinderpsychiatrie und die Psychologie in der Kinderheilkunde (= Pädiatrische Psychologie) fokussiert.
Schwerpunktthemen von Anfang an Die „Kindheit und Entwicklung“ wurde als Zeitschrift mit Schwerpunktthemen konzipiert. Bislang wurden (den Jahrgang 2016 mit berücksichtigt) 99 Themenschwerpunkte bearbeitet. Einige davon wiederholt und leicht akzentuiert. So wurden die beiden externalisierenden Störungen (ADHS und Störungen des Sozialverhaltens) je 6-mal, Angst und Depression 4-mal und in jüngster Zeit 3Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 1–3 DOI: 10.1026/0942-5403/a000182
F. Petermann et al., Kindheit und Entwicklung – 25 Jahre
2
mal Posttraumatische Belastungsstörungen thematisiert. Insgesamt standen in mehr als einem Drittel aller Hefte psychische/psychiatrische Störungen im Mittelpunkt (n = 35; s. Tab. 1). Tabelle 1. Übersicht über die Themenschwerpunkte von 1992 bis 2016 (n = 99) Themenschwerpunkt
Häufigkeit
1.
Psychische/psychiatrische Störungen
35
2.
Risikokinder/Risikofamilien/familienorientierte Interventionen
15
3.
Entwicklungsstörungen
9
4.
Kinderverhaltenstherapie, neue Therapieansätze
9
5.
Kinder- und Jugendhilfe
8
6.
Klinische Kinderneuropsychologie/Entwicklungsdiagnostik
7
7.
Körperlich-chronische Krankheiten
7
8.
Säuglingsforschung, frühe Kindheit, Erziehungskompetenz
6
9.
Verhaltensmedizin
3
schen Kinderkrankheiten (= Pädiatrische Psychologie) auf der anderen Seite. In den letzten zehn Jahren kommt der klinisch-orientierten Säuglingsforschung, der frühen Kindheit (frühen Hilfen) und dem Thema „Erziehungskompetenz“ eine große Bedeutung zu (n = 6). Hierbei rücken die Themen „Eltern- und Familienarbeit“, „Elterntraining“ und „Eltern-Kind-Training“ in den Blickpunkt. Allerdings ist das „Angebot“ an evidenzbasierten familienbezogenen Therapieansätzen sowie an selektiven und indizierten Präventionsprogramm für Familien mit Säuglingen, Kleinkinder und Vorschulkindern noch sehr überschaubar (vgl. u. a. Kamp-Becker, Becker & Petermann, 2015; Petermann, Petermann & Franz, 2010), zumal eine entwicklungsorientierte Prävention erforderlich ist (Scheithauer, Mehren & Petermann, 2003). Weiterhin zeichnen sich neue Themen, wie die psychosoziale Lebenssituation von Migrantenkindern (vgl. Belhadj Kouider & Petermann, 2015), ab.
Aktuelle Kontroversen In einigen eher grundlagenorientierten Themenschwerpunkten standen risikohafte Entwicklungsverläufe (Risikokinder oder Risikofamilien), teilweise gekoppelt mit familienorientierten Interventionen, im Mittelpunkt (n = 15). Entwicklungsstörungen (u. a. Autismus-Spektrumstörung, Lese-/Rechtschreib-, Rechen- und Sprachstörungen) kam ebenfalls eine große Bedeutung zu (n = 9); dies war auch durch die Tatsache bedingt, dass solche Störungen oft komorbid mit psychischen Störungen auftreten. Selbstverständlich steht in der Tradition unserer Zeitschrift die Kinderverhaltenstherapie und die entsprechende Forschung im Vordergrund (n = 9); in diesem Kontext kommt innovativen Ansätzen (z. B. der Intensivtherapie; Petermann & Petermann, 2012) eine besondere Bedeutung zu. Die Kinder- und Jugendhilfe war Ende der 90er Jahre und um die Jahrtausendwende häufig Themenschwerpunkt, vor allem im Rahmen der JugendhilfeEffekte-Studie (JES); aktuell steht bei solchen Schwerpunktthemen die Kooperation zwischen Kinder- und Jugendhilfe einerseits und der Kinder-/Jugendpsychiatrie bzw. Psychotherapie andererseits im Mittelpunkt (vgl. Fegert & Petermann, 2014); einige Themen, wie die Jugenddelinquenz (Petermann & Brettfeld, 2014), weisen auch Beziehungen zur forensischen Kinderpsychologie und Kinder-/Jugendpsychiatrie auf (n = 8). Zwei kleinere Schwerpunktbereiche repräsentieren (jeweils mit n = 7) die Klinische Kinderneuropsychologie (vgl. Petermann & Lepach, 2007) und die Entwicklungsdiagnostik auf der einen und die Psychologie der chroniKindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 1–3
Die Rubrik „Aktuelle Kontroverse“ war zwar in den letzten zehn Jahren immer vertreten, sie soll jedoch zukünftig stärker aktiviert werden. Diese Beiträge wurden in der Vergangenheit besonders beachtet. Es stehen eine Reihe von Themen in unserem Fachgebiet an, die sich für „Aktuelle Kontroverse“ eignen (z. B. DSM-5 versus ICD-11). Dazu gehören auch Themen wie die Bedeutung traumaund belastungsbezogener Störungen im Kindes- und Jugendalter (Rosner, Hagl & Petermann, 2015) oder die psychiatrische Versorgung von Migrantenkindern (Belhadj Kouider & Petermann, 2015). Ebenso bedeutsam wäre es, die Spezifika von Wirksamkeitsforschung im Kontext der Kinderpsychotherapie kontrovers zu diskutieren. Sicherlich lassen sich die Kriterien einer erfolgreichen Wirksamkeitsforschung für die Störungsformen des Erwachsenenalters nicht problemlos auf die Kinderpsychotherapieforschung übertragen.
Innovationskraft und Sichtbarkeit als Zukunftsthemen Die künftige Rezeption unserer Zeitschrift wird vor allem von zwei Faktoren abhängen: Erstens: davon, frühzeitig Trends zu erkennen und durch grundlagen- und praxisorientierte Themenhefte einem großen Leserkreis zugänglich zu machen. Zweitens: von der Erhöhung der © 2016 Hogrefe Verlag
F. Petermann et al., Kindheit und Entwicklung – 25 Jahre
Sichtbarkeit unserer Zeitschrift. Deswegen werden ab dieser Ausgabe sehr ausführliche und einheitlich strukturierte englischsprachige Zusammenfassungen aller Beiträge gedruckt und den „Literaturdatenbanken“ zur Verfügung gestellt (Abstract-Länge = 3000 Zeichen). Ein solcher Service dient unseren Autorinnen und Autoren genauso wie auch den Anwendern in der Praxis. Innovationskraft und Sichtbarkeit von Forschungsbefunden ergänzen sich dabei gegenseitig; zudem wird auf diese Weise der Dialog zwischen unserer Zeitschrift und unserer Leserschaft auch international erleichtert.
Literatur Belhadj Kouider, E. & Petermann, F. (2015). Migrantenkinder. Kindheit und Entwicklung, 24, 199 – 208. Fegert, J. M. & Petermann, F. (2014). Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie versus Kinder- und Jugendhilfe. Kindheit und Entwicklung, 23, 135 – 139. Kamp-Becker, I., Becker, K. & Petermann, U. (2015). Elternarbeit und Elterntraining. Kindheit und Entwicklung, 24, 1 – 5. Petermann, F. & Brettfeld, K. (2014). Delinquenz. Kindheit und Entwicklung, 23, 195 – 197. Petermann, F. & Lepach, A. C. (2007). Klinische Neuropsychologie. Kindheit und Entwicklung, 16, 1 – 6. Petermann, F. & Petermann, U. (2012) Intensivtherapie. Kindheit und Entwicklung, 21, 123 – 126.
© 2016 Hogrefe Verlag
3
Petermann, U., Petermann, F. & Franz, M. (2010). Erziehungskompetenz und Elterntraining. Kindheit und Entwicklung, 19, 67 – 71. Rosner, R., Hagl, M. & Petermann, U. (2015). Trauma- und belastungsbezogene Störungen. Kindheit und Entwicklung, 24, 131 – 136. Scheithauer, H., Mehren, F. & Petermann, F. (2003). Entwicklungsorientierte Prävention von aggressiv-dissozialem Verhalten und Substanzmissbrauch. Kindheit und Entwicklung, 12, 84 – 99.
Prof. Dr. Franz Petermann Prof. Dr. Ulrike Petermann Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen Grazer Straße 6 28359 Bremen fpeterm@uni-bremen.de
Prof. Dr. Dr. Martin H. Schmidt Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters 68159 Mannheim
Prof. Dr. Ulrich Stephani Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Klinik für Neuropädiatrie Schwanenweg 20 24105 Kiel
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 1–3
Themenschwerpunkt
Psychische Kindergesundheit Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie Ulrike Ravens-Sieberer1, Fionna Klasen1 und Franz Petermann2 1
Forschungssektion Kinder- und Jugendgesundheit – Child Public Health des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf
2
Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen Zusammenfassung. Psychische Störungen gehören heute zu den häufigsten Krankheitsbildern im Kindes- und Jugendalter. Die Befragung zum seelischen Wohlbefinden und Verhalten (BELLA-Kohortenstudie) wurde als Modul zur psychischen Gesundheit des repräsentativen Kinder- und Jugendgesundheitssurveys Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) konzipiert. Ziel dieser längsschnittlich angelegten Kohortenstudie ist es, Erkenntnisse zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu gewinnen. In diesem Beitrag werden das Studiendesign sowie die Erhebungsverfahren kurz berichtet und Implikationen für die klinische Praxis ausgeführt. Schlüsselwörter: BELLA-Kohortenstudie, Jugend, Kindheit, Längsschnitt, psychische Gesundheit
Mental Health in Children and Adolescents: Results of the BELLA Cohort Study Abstract. Mental health problems are among the most common disease patterns in childhood and adolescence. The longitudinal BELLA cohort study represents the mental health module of the German National Health Interview and Examination Survey among children and adolescents (KiGGS). The aim of this study is to gather insights on mental health in children and adolescents in Germany. In this contribution, the design and methodology of the BELLA cohort study are briefly reported followed by an outline of several implications for clinical practice. Keywords: adolescence, BELLA cohort study, childhood, longitudinal design, mental health
Kinder und Jugendliche waren nie so gesund wie heute. Die Kindersterblichkeit ist in den letzten hundert Jahren massiv zurückgegangen. Wichtige Infektionskrankheiten konnten ausgerottet oder eingedämmt werde. Die hygienischen Bedingungen und die medizinische Versorgung haben sich stark verbessert. Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bekämpfung der Infektionskrankheiten im Fokus der Kindermedizin stand, liegt der Schwerpunkt heute viel stärker auf psychischen und chronischen körperlichen Erkrankungen (Reinhardt & Petermann, 2010). Psychische Störungen, wie beispielsweise Depressionen oder Angststörungen, sowie chronische körperliche Erkrankungen gehören heute zu den häufigsten Krankheitsbildern im Kindes- und Jugendalter (u.a. Hölling et al., 2014). Psychische Störungen gehen häufig mit anderen Gesundheits- und Entwicklungsproblemen und einem hohen individuellen Leidensdruck der Kinder und Jugendlichen einher. Diese Tatsache und die ökonomischen Kosten, die durch diese Erkrankungen verursacht werden, begründen deren erhebliche Public-Health-Relevanz. Zudem können psychische Störungen bis in das Erwachsenenalter fortbestehen und eine nachhaltige Beeinträchtigung in zahlreichen Lebensbereichen wie dem Bildungs- und BerufserKindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 4–9 DOI: 10.1026/0942-5403/a000183
folg, sozialen Beziehungen, der somatische Gesundheit und der Lebensqualität darstellen (Petermann, 2005). Die hohe Prävalenz von psychischen Erkrankungen in der Kindheit und Jugend ist eine der umfassendsten gesundheitsbezogenen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Diese Herausforderung bezieht sich nicht nur auf die individuellen und die familiären Leiden, sondern hat auch große gesellschaftliche Auswirkungen, beispielsweise erhöhte Kosten in der Gesundheitsversorgung und Bildung sowie Ressourcenbedarf in Sozialsystemen. Vor diesem Hintergrund ist die Gewinnung von umfassenden Informationen zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland von besonderer Bedeutung. Das Bundesgesundheitsministerium hat ab 2008 eine Dauerfinanzierung für ein kontinuierliches Gesundheitsmonitoring am Robert Koch-Institut (RKI) sichergestellt (Kurth, 2012). Das Gesundheitsmonitoring hat die Aufgabe, kontinuierlich Entwicklungen im Krankheitsgeschehen sowie im Gesundheits- und Risikoverhalten in Deutschland zu beobachten. Zentraler Bestandteil des Gesundheitsmonitorings am RKI ist die Gesundheitsstudie KiGGS. Das RKI startete die Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in © 2016 Hogrefe Verlag
U. Ravens-Sieberer et al., Psychische Kindergesundheit
Deutschland (KiGGS) im Jahr 2003 mit einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung, an der bundesweit 17 641 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 0 und 17 Jahren teilnahmen. Neben medizinischen Untersuchungen und Tests wurden die Jugendlichen und ihre Eltern in Interviews und Fragebögen umfassend zu ihrer Gesundheit, ihrem sozialen Umfeld und ihren Lebensbedingungen befragt (Kurth et al., 2008). Als Teil dieses Gesundheitsmonitorings erhebt KiGGS durch Wiederholungsbefragungen Hinweise auf zeitliche Trends und individuelle Verläufe. Die KiGGS-Welle 1 wurde von 2009 bis 2012 durchgeführt. Seit September 2014 läuft die Datenerhebung für die KiGGS-Welle 2, die 2016 abgeschlossen sein wird. Da in KiGGS lediglich die wichtigsten Indikatoren zur Gesundheit als Eckwerte erhoben werden können, werden vertiefende Erhebungen durch Zusatzmodule zu den Bereichen psychischer Gesundheit, Motorik, Ernährung und Umwelteinflüssen an Unterstichproben durchgeführt.
Die BELLA-Kohortenstudie Die BEfragung zum seeLischen WohLbefinden und VerhAlten (BELLA-Kohortenstudie) bildet das Modul zur psychischen Gesundheit des repräsentativen Kinder- und Jugendgesundheitssurveys KiGGS (Ravens-Sieberer & Kurth, 2008). Ziel der längsschnittlich angelegten BELLA-Kohortenstudie ist es, Erkenntnisse zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu gewinnen. Dabei liegt der Fokus der Studie auf der Untersuchung von Entwicklungsverläufen für psychische Auffälligkeiten von der Kindheit und Jugend bis ins junge Erwachsenenalter, der Identifikation von Risiko- und Schutzfaktoren psychischer Auffälligkeiten sowie der Untersuchung der Inanspruchnahme von Versorgungsangeboten. Nach der Basiserhebung (2003 bis 2006) fanden in der BELLA-Kohortenstudie zwei weitere Befragungswellen statt (2004 bis 2007 und 2005 bis 2008). Die dritte BELLA-Welle wurde von 2009 bis 2012 gemeinsam mit der KiGGS-Welle 1 durchgeführt, die Erhebung der vierten BELLA-Welle, gemeinsam mit der KiGGS-Welle 2, wird 2016 abgeschlossen sein.
5
nes geschichteten Zufallsverfahrens ausgewählt. Anschließend wurden die Teilnehmer zufällig über das offizielle Verzeichnis des lokalen Einwohnermeldeamtes ausgewählt (Kamtsiuris et al., 2007). Die Zielgruppengröße betrug 26 787. Bei einer Rücklaufquote von insgesamt 66.6% umfasste die finale KiGGS-Stichprobe 17 641 Kinder und Jugendliche von der Geburt bis zu einem Alter von 17 Jahren. Weitere Einzelheiten über Stichprobenziehung sowie Rücklaufquote der KiGGS-Studie sind an anderer Stelle veröffentlicht (Kamtsiuris et al., 2007; Kurth, 2007; Kurth et al., 2008). Für die BELLA-Kohortenstudie wurde eine zufällige Teilstichprobe von 2 942 Familien mit Kindern im Alter von 7 bis 17 Jahren aus der KiGGS-Stichprobe gezogen. Diese wurden nach dem Zufallsprinzip für jede Altersklasse ausgewählt. Bei Einverständnis wurden die Familien direkt vom BELLA-Studienzentrum kontaktiert. Schließlich gaben 2 863 (97.3 % von n = 2 942) Familien ihr schriftliches Einverständnis und wurden als Teilnehmer in die BELLA-Studie eingeschlossen (Ravens-Sieberer & Kurth, 2008). Die gewichtete Stichprobe bestand aus 950 Familien mit Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 bis 10 Jahre und 1 913 Familien mit Kindern im Alter von 11 bis 17 Jahre.
Follow-up Die Basiserhebungen von KiGGS und BELLA erfolgten in enger zeitlicher Abfolge in den Jahren 2003 bis 2006. Die BELLA-Basiskohorte wurde in der Folge zu drei weiteren Messzeitpunkten befragt: BELLA 1-Jahres-Follow-up zwischen 2004 und 2007, BELLA 2-Jahres-Follow-up zwischen 2005 und 2008 und BELLA-6-Jahres-Follow-up zwischen 2009 und 2012. Die Daten des dritten BELLA-Follow-up wurden wieder gemeinsam mit der KiGGS-Studie erhoben, so dass die zweite KiGGS-Befragung und die vierte BELLABefragung wieder in enger zeitlicher Abfolge stattfanden (Ravens-Sieberer et al., 2015). Von den 2 863 Teilnehmern zur BELLA-Basiserhebung nahmen an dem 1-Jahres-Follow-up 2 423 (84.6%, Welle 1), am 2-Jahres-Follow-up 2 190 (76.5%, Welle 2) und am 6Jahres-Follow-up 1 429 (49.9%, Welle 3) teil (siehe dazu Abb. 1).
Stichprobe Durchführung der BELLA-Kohortenstudie An der BELLA-Basiserhebung hat eine repräsentative Unterstichprobe der KiGGS-Studie teilgenommen. Für die Basiserhebung der KiGGS-Studie wurden die Teilnehmer in zwei Schritten ausgewählt: Zunächst wurden bundesweit 167 Stichprobeneinheiten in Städten und Gemeinden mittels ei© 2016 Hogrefe Verlag
Vor Beginn der Studie wurde ein Votum der Ethikkommission des Universitätsklinikums Charité in Berlin und der Bundesbeauftragten für den Datenschutz in Deutschland eingeholt. Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 4–9
6
U. Ravens-Sieberer et al., Psychische Kindergesundheit
Anmerkungen: *Repräsentative Stichproben; **von denjenigen, die zu BELLA Baseline eingeladen wurden; ***von denjenigen, die zu BELLA Baseline teilgenommen haben; ****Kinder und Jugendliche, die an allen vier Erhebungszeitpunkten teilgenommen haben ohne fehlende Werte.
Abbildung 1. Studienaufbau von KIGGS- und BELLA-Kohortenstudie (aus Ravens-Sieberer et al., 2015).
Nach der vollständigen Erklärung des Studienablaufs wurde zu allen Erhebungszeitpunkten eine schriftliche Zustimmung von den Eltern und den Jugendlichen (im Alter von 14 Jahren und älter) eingeholt. Anschließend führten trainierte und supervidierte Interviewer ein computergestütztes Telefoninterview (CATI) zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen durch. Befragt wurden die Eltern (Proxybericht) sowie die Kinder und Jugendlichen selbst, wenn sie mindestens 11 Jahre alt waren (Selbstbericht). Zusätzlich zu den Interviews wurden die Teilnehmer gebeten, einen Fragebogen auszufüllen und zurückzuschicken. In der BELLA-Basiserhebung sowie in den Wellen 1 (1Jahres Follow-up) und 2 (2-Jahres Follow-up) wurden Eltern (von 7- bis 17-Jährigen) sowie Kinder und Jugendliche (11– 18 bzw. 19 Jahre) befragt. In BELLA Welle 3 (6-Jahres-Followup) wurden Eltern (von 3-bis 17-Jährigen), Kinder und Jugendliche (11–17 Jahre) und junge Erwachsene (18–23 Jahre) befragt.
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 4–9
Erhebungsverfahren In der BELLA-Kohortenstudie kamen standardisierte und geprüfte Erhebungsverfahren zum Einsatz, die eine Ergänzung und Erweiterung der Themen erlauben, die teilweise bereits in der KiGGS-Welle 1 des Robert Koch-Instituts in Form von Eckwerten enthalten sind. Hierzu zählen Verfahren zur Erfassung von psychischen Auffälligkeiten, Lebensqualität, Belastungen und Risikofaktoren, Konsequenzen psychischer Auffälligkeiten sowie spezielle Fragen zur Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen. Einen Überblick der in der BELLA-Kohortenstudie erfassten Aussagebereiche gibt Tabelle 1. Die KiGGS-Studie möchte kontinuierlich Daten zur gesundheitlichen Lage der Kinder und Erwachsenen in Deutschland liefern. Als Modul ergänzt BELLA die KiGGSStudie, in dem sie umfangreiche vertiefende Daten zur psychischen Gesundheit bereitstellt. Die Daten bieten nicht nur für die Pädiatrie, die Gesundheitswissenschaften und die Gesundheitspolitik in Deutschland eine Daten- und Infor© 2016 Hogrefe Verlag
U. Ravens-Sieberer et al., Psychische Kindergesundheit
Tabelle 1. Aussagebereiche (Erhebungsverfahren) der BELLA-Kohortenstudie Aussagebereiche
Soziodemografische Merkmale, psychischer Zustand, Lebensqualität · Alter/Geschlecht · Sozioökonomischer Status · Allgemeine Gesundheitsprobleme (SDQ) · Angst · Depression · Störungen des Sozialverhaltens · ADHS · Essstörungen (Body-Mass-Index, SCOFF) · Gesundheitsbezogene Lebensqualität Risikofaktoren · Elterliche Psychopathologie · Elterliche Lebensqualität · Elterliche Belastung · Risiko-Index (familiäre Konflikte, Harmonie in der Partnerschaft, Arbeitslosigkeit, chron. Krankheit der Eltern, Alkoholismus der Eltern, ungewollte Schwangerschaft) · Lebensereignisse Schutzfaktoren · Selbstwirksamkeit · Selbstkonzept · Coping · Optimismus · Familienklima · Elterliche Unterstützung · Soziale Unterstützung · Peer Competence · Schulklima Inanspruchnahme von Gesundheitsleistung (Global)
zu allen Erhebungszeitpunkten: Ja/Nein
Ja Nein Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Nein Ja
Nein Ja Nein Nein Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja
mationsgrundlage, sondern auch für relevante Verbände und Organisationen sowie für die breite Öffentlichkeit.
Inhalte des Themenschwerpunktes In der Arbeit von Klasen et al. (2016) wird der Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen analysiert. Diese Studie basiert auf einer Stichprobe von n = 3 256 Kindern und Jugendlichen, die zu den ersten drei Erhebungszeitpunkten der BELLA-Kohortenstudie befragt wurden. Der Verlauf von psychischen Auffälligkeiten über die Zeit (Alter 7 – 19) wurde anhand komplexer Analyseverfahren untersucht. Die berichteten Resultate zeigen, dass mit zunehmendem Alter Symptome von © 2016 Hogrefe Verlag
7
ADHS und Störungen des Sozialverhaltens abnahmen, während Symptome von Depression und Angst zunahmen. Internalisierende Auffälligkeiten traten häufiger bei Mädchen auf, Symptome von ADHS und Störungen des Sozialverhaltens häufiger bei Jungen. Der Beitrag von Otto et al. (2016) berichtet über Ergebnisse zu Einflüssen ausgewählter Risiko- und Schutzfaktoren, die sich auf das Auftreten und die Entwicklung von Symptomen einer generalisierten Angststörung auswirken. Mit latenten Wachstumsmodellen und linearen Regressionen wurden die Angaben von n = 1 469 Teilnehmern (11 – 17 Jahre) zu drei Erhebungszeitpunkten analysiert. Zu Studienbeginn wirkten die „elterliche Ängstlichkeit“ als Risikofaktor und das „globales Selbstwertgefühl“ der Kinder und Jugendlichen als Schutzfaktor auf die „generalisierte Ängstlichkeit“. Initiale „elterliche Ängstlichkeit“ wirkte auch nachhaltig auf die Veränderung „generalisierter Ängstlichkeit“ über den Studienverlauf. Obwohl nur geringe Effekte gefunden wurden, scheint der Schutzfaktor „globales Selbstwertgefühl“ gerade für die Prävention und Therapiegestaltung einer generalisierten Angststörung interessant. Haller et al. (2016) beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit Langzeitfolgen externalisierender psychischer Auffälligkeiten. Ziel dieser Studie ist es, erstmalig in einer für Deutschland repräsentativen Stichprobe die Folgen von psychischen Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen hinsichtlich Gesundheitsverhaltensweisen zu analysieren. Die Bedeutung komorbid auftretender Langzeitfolgen (vor allem Substanzkonsum und Delinquenz) wird thematisiert. Hierfür wurde eine Stichprobe von 629 Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren mit psychischen Auffälligkeiten (Follow-up nach 6 Jahren) untersucht. Die Kinder und Jugendlichen mit externalisierender Verhaltensproblematik berichten, verglichen mit jenen ohne diese Problematik, vermehrt von Langzeitfolgen im frühen Erwachsenenalter. Nach sechs Jahren zeigten mehr als Viertel (27.6 %) der Kinder und Jugendlichen mit externalisierenden Auffälligkeiten Probleme im Umgang mit Alkohol und 13.8 % Probleme mit illegalen Drogen. Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern bilden die Grundlage der Studie von Plass et al. (2016). Ziel war es, die Prävalenz von Verhaltensauffälligkeiten und emotionalen Problemen sowie psychiatrischer Auffälligkeiten bei Kindern von psychisch belasteten Eltern in einer repräsentativen Stichprobe zu erfassen. Weiterhin werden Faktoren dargestellt, die bei Kindern psychisch belasteter Eltern eine gesunde Entwicklung fördern können. Die Daten von 165 psychisch belastete Eltern mit Kindern von 13 bis 17 Jahren aus dem vierten Erhebungszeitpunkt der BELLA-Kohortenstudie wurden in multiple lineare Regressionsanalysen einbezoKindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 4–9
8
gen. Die Ergebnisse bestätigen eine Kombination personenbezogener, familiärer und sozialer Ressourcen sowohl als Prädiktor für die psychische Gesundheit als auch für die Vorhersage der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Der abschließende Beitrag von Barkmann et al. (2016) behandelt den Verlauf gesundheitsbezogener Lebensqualität. Ziel dieses Beitrags war es, den Verlauf auf der Basis der psychischen und somatischen Problemen sowie der soziodemographischen Faktoren vorherzusagen. Hierfür wurden Daten von 1 597 Teilnehmern der BELLA-Kohortenstudie mit Hilfe eines Mehrebenen-Modells für Längsschnittdaten analysiert. Unter anderem zeigte sich eine signifikante Verringerung des physischen Wohlbefindens mit dem Alter, wobei Mädchen eine höhere Abnahme als Jungen zeigten. Generell korrespondierte das psychische mit dem physischen Wohlbefinden. In allen Beiträgen gehen die Autoren des Themenschwerpunktes auf die Bedeutung der Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie für die klinische Praxis ein. Es wird dabei deutlich, dass epidemiologische Basisdaten Hinweise darauf geben, welche Versorgungsangebote nötig sind und in welchen Bereichen Risikofaktoren durch Präventionsmaßnahmen in ihren Auswirkungen relativiert werden können. Als wesentlicher Schutzfaktor für Kinder und Jugendliche wird in allen Arbeiten die psychische Gesundheit der Familie insgesamt und die Erziehungskompetenz der Eltern betont (vgl. u. a. Petermann, Petermann & Franz, 2010). Möchte man Schutzfaktoren stärken, dann liegt in der Elternberatung und in familienbezogenen Maßnahmen eine wichtige Ressource unseres Gesundheitswesens (vgl. Herr, Mingebach, Becker, Christiansen & Kamp-Becker, 2015), die systematischer genutzt werden sollten.
Literatur Barkmann, C., Petermann, F., Schlack, R., Bullinger, M., SchulteMarkwort, M., Klasen, F. & Ravens-Sieberer, U. (2016). Verlauf gesundheitsbezogener Lebensqualität. Ergebnisse der BELLAKohortenstudie. Kindheit und Entwicklung, 25, 50-59. Haller, A.-C., Klasen, F., Petermann, F., Barkmann, C., Otto, C., Schlack, R. & Ravens-Sieberer, U. (2016). Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten. Ergebnisse der BELLAKohortenstudie. Kindheit und Entwicklung, 25, 31-40. Herr, L., Mingebach, T., Becker, K., Christiansen, H. & Kamp-Becker, J. (2015). Wirksamkeit elternzentrierter Interventionen bei Kindern im Alter von zwei bis zwölf Jahren. Ein systematisches Review. Kindheit und Entwicklung, 24, 6 – 19. Hölling, H., Schlack, R., Petermann, F., Ravens-Sieberer, U., Mauz, E. & KiGGS Study Group (2014). Psychische Auffälligkeiten und psychosoziale Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren in Deutschland – Prävalenz und zeitliche Trends zu 2 Erhebungszeitpunkten (2003 – 2006 Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 4–9
U. Ravens-Sieberer et al., Psychische Kindergesundheit
und 2009 – 2012). Ergebnisse der KiGGS-Studie. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 57, 807 – 819. Kamtsiuris, P., Lange, M. & Schaffrath-Rosario, A. (2007). Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS): Stichprobendesign, Response und Nonresponse-Analyse. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 50, 547 – 556. Klasen, F., Petermann, F., Meyrose, A.-K., Barkmann, C., Otto, C., Haller, A.-C., Schlack, R., Schulte-Markwort, M. & Ravens-Sieberer, U. (2016). Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kinder und Jugendlichen. Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie. Kindheit und Entwicklung, 25, 10-20. Kurth, B. M. (2007). Der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS): Ein Überblick über Planung, Durchführung und Ergebnisse unter Berücksichtigung von Aspekten eines Qualitätsmanagements. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 50, 533 – 546. Kurth, B.-M. (2012). Das RKI-Gesundheitsmonitoring – was es enthält und wie es genutzt werden kann. Berlin; Paper presented at the Public Health Forum. Kurth, B. M., Kamtsiuris, P., Hölling, H., Schlaud, M., Dolle, R., Ellert, U. et al. (2008). The challenge of comprehensively mapping children’s health in a nation-wide health survey: design of the German KiGGS-Study. BMC Public Health, 8, 196. Otto, C., Petermann, F., Barkmann, C., Schipper, M., Kriston, L., Hölling, H., Ravens-Sieberer, U. & Klasen, F. (2016). Risiko- und Schutzfaktoren generalisierter Ängstlichkeit im Kindes- und Jugendalter. Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie. Kindheit und Entwicklung, 25, 21-30. Petermann, F. (2005). Zur Epidemiologie psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter. Eine kritische Bestandsaufnahme. Kindheit und Entwicklung, 14, 48 – 57. Petermann, U., Petermann, F. & Franz, M. (2010). Erziehungskompetenz und Elterntraining. Kindheit und Entwicklung, 19, 67 – 71. Plass, A., Haller, A.-C., Habermann, K., Barkmann, C., Petermann, F., Schipper, M., Wiegand-Grefe, S., Hölling, H., Ravens-Sieberer, U. & Klasen, F. (2016). Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern. Ergebnisse der BELLAKohortenstudie. Kindheit und Entwicklung, 25, 41-49. Ravens-Sieberer, U. & Kurth, B. M. (2008). The mental health module (BELLA study) within the German Health Interview and Examination Survey of Children and Adolescents (KiGGS): study design and methods. European Child and Adolescent Psychiatry, 17(Suppl. 1), 10 – 21. Ravens-Sieberer, U., Otto, C., Kriston, L., Rothenberger, A., Döpfner, M., Herpertz-Dahlmann, B. et al. (2015). The longitudinal BELLA study: Design, methods and first results on the course of mental health problems. European Child and Adolescent Psychiatry, 24, 651 – 663. Reinhardt, D. & Petermann, F. (2010). Neue Morbiditäten in der Pädiatrie. Monatsschrift Kinderheilkunde, 158, 14.
Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer Forschungssektion Kinder- und Jugendgesundheit – Child Public Health des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik Martinistraße 52 20246 Hamburg ravens-sieberer@uke.de © 2016 Hogrefe Verlag
U. Ravens-Sieberer et al., Psychische Kindergesundheit
Dr. Fionna Klasen Forschungssektion Kinder- und Jugendgesundheit – Child Public Health des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik Martinistraße 52 20246 Hamburg f.klasen@uke.de
9
Prof. Dr. Franz Petermann Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen Grazer Straße 6 28359 Bremen fpeterm@uni-bremen.de
American Psychiatric Association American Psychiatric Association
Diagnostische Kriterien DSM-5®
Deutsche Ausgabe herausgegeben von Peter Falkai und Hans-Ulrich Wittchen mitherausgegeben von Manfred Döpfner, Wolfgang Gaebel, Wolfgang Maier, Winfried Rief, Henning Saß und Michael Zaudig
Diagnostische Kriterien DSM-5® Deutsche Ausgabe herausgegeben von Peter Falkai /Hans-Ulrich Wittchen mitherausgegeben von Manfred Döpfner / Wolfgang Gaebel Wolfgang Maier / Winfried Rief Henning Saß / Michael Zaudig 2015, LIX/467 Seiten, Kleinformat, € 59,95 / CHF 75,– ISBN 978-3-8017-2600-3 Auch als E-Book erhältlich
Die diagnostischen Kriterien des Diagnostischen und Statistischen Manuals Psychischer Störungen (DSM) dienen als Leitlinie für die Diagnosestellung und klinische Beurteilung.
Das vorliegende Taschenbuch enthält die diagnostischen Kriterien für alle offiziellen Störungsbilder gemäß der aktuellen Fassung DSM-5. Neben den Kriterien für die einzelnen Störungsbilder werden die korrespondierenden Codierungsschlüssel nach ICD-10 angegeben. Für viele Störungsbilder werden Subtypen und Zusatzcodierungen, z.B. zum Schweregrad oder Verlauf, aufgeführt, mit deren Hilfe die Spezifität einer Diagnose erhöht werden kann. Das »Kriterienbuch« ermöglicht klinisch tätigen Personen, in ihrer alltäglichen Praxis durch schnelles Nachschlagen das Vorhandensein oder das Fehlen störungsspezifischer Symptome zu überprüfen, und kann so die diagnostische Entscheidungsfindung erleichtern.
www.hogrefe.de
© 2016 Hogrefe Verlag
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 4–9
Studie
Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie Fionna Klasen1, Franz Petermann2, Ann-Katrin Meyrose1, Claus Barkmann1, Christiane Otto1, Anne-Catherine Haller1, Robert Schlack3, Michael Schulte-Markwort1 und Ulrike Ravens-Sieberer1 1 2 3
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin Zusammenfassung. Psychische Auffälligkeiten sind in der Kindheit und Jugend häufig und weisen geschlechts- und altersbedingte Unterschiede auf. Aktuelle, bundesweit repräsentative Daten über den Verlauf von psychischen Auffälligkeiten fehlen bisher. Anhand der Angaben von 3 256 Teilnehmern (7 – 19 Jahre) der prospektiven und für Deutschland repräsentativen BELLA-Kohortenstudie wurde mit Mehrebenenmodellen der Verlauf von Depression (CES-DC), Angst (SCARED-5), ADHS (Conners 3) und Störungen des Sozialverhaltens (CBCL) untersucht. Insgesamt zeigten im Elternbericht 11.2 % der Kinder und Jugendlichen klinisch bedeutsame Anzeichen für Depression, 10.6 % für Angst, 5.7 % für ADHS und 12.2 % für Störungen des Sozialverhaltens. Im Selbstbericht wiesen 16.1 % klinisch bedeutsame Symptome für Depression, 15.1 % für Angst und 2.0 % für ADHS auf. Mit zunehmendem Alter nahmen Symptome von ADHS und Störungen des Sozialverhaltens ab, während internalisierende Auffälligkeiten zunahmen. Symptome von Depression und Angst traten häufiger bei Mädchen auf, Symptome von ADHS und Störungen des Sozialverhaltens häufiger bei Jungen. Eltern schätzten die internalisierenden Auffälligkeiten ihrer Kinder niedriger ein als diese selbst. Für die klinische Praxis sind eine störungsspezifische, entwicklungs- und geschlechtssensitive Diagnostik und Behandlung von großer Bedeutung. Schlüsselwörter: Psychische Auffälligkeiten, Depression, Angst, ADHS, Störungen des Sozialverhaltens
Trajectories of Mental Health Problems in Children and Adolescents: Results of the BELLA Cohort Study Abstract. Mental health problems in childhood and adolescence are widespread. Current results from longitudinal studies give inconsistent information about the trajectories of internalizing and externalizing problems. Studies show inconsistent prevalence rates of mental health problems depending on gender and age as well as between self- and parent report. So far, little is known about the developmental course of mental health problems over the entire childhood and adolescence period in Germany. The aim of the present study was to identify the trajectories of mental health problems in childhood and adolescence for (a) different psychiatric disorders, (b) for boys and girls separately, and (c) for self- and parent report. The longitudinal BELLA study is the mental health module of the German National Health Interview and Examination Survey among children and adolescents (KiGGS). Data of 3,256 participants of the BELLA study aged between 7 and 19 years from up to four measurement points were analyzed to estimate the trajectories of depression (CES-DC), anxiety disorders (SCARED-5), attention deficit hyperactivity disorder (ADHD; Conners Global Index), and conduct disorder (CBCL) using mixed models for longitudinal data. According to parent report, 11.2 % of the children and adolescents showed clinically relevant symptoms of depression, 10.6 % of anxiety, 5.7 % of ADHD, and 12.2 % of conduct disorder. According to self-report 16.1 % showed clinically relevant symptoms of depression, 15.1 % of anxiety, and 2.0 % of ADHD. Over the entire period of childhood and adolescence, symptoms of ADHD and conduct disorder decreased and were more frequent in boys, whereas internalizing problems (depression and anxiety) increased and were about twice as high in girls compared with boys. Furthermore, girls rated their internalizing problems approximately 10 % higher than their parents did (depression: 20.8 % vs. 12.3 %; anxiety: 21.4 % vs. 12.3 %). The prevalence rate for internalizing problems among boys was about 10 % for the parent as well as self-report. For boys, parents indicated more symptoms of ADHD than their children themselves (7 % vs. 4.3 %). For girls, there was
Die Autoren danken Catharina Voss für die Unterstützung bei der Aufbereitung der Daten, Levente Kriston und Jonas Klasen für die Beratung bei den statistischen Analysen sowie den Mitgliedern der BELLA study group für die kompetente Beratung in allen Phasen der Studie. Die Mitglieder der BELLA study group sind: Ulrike Ravens-Sieberer und Fionna Klasen, Hamburg (Projektleiterinnen); Claus Barkmann, Hamburg; Monika Bullinger, Hamburg; Manfred Döpfner, Köln; Beate Herpertz-Dahlmann, Aachen; Heike Hölling, Berlin; Franz Petermann, Bremen; Franz Resch, Heidelberg; Aribert Rothenberger, Göttingen; Sylvia Schneider, Bochum; Michael Schulte-Markwort, Hamburg; Robert Schlack, Berlin; Frank Verhulst, Rotterdam; Hans-Ulrich Wittchen, Dresden. Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 10–20 DOI: 10.1026/0942-5403/a000184
© 2016 Hogrefe Verlag
F. Klasen et al., Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen
11
no difference between parent and child report (2 %, respectively). Prevalence rates for parent-rated conduct disorder were about 12 % for girls and boys. A substantial percentage of children and adolescents in Germany show clinically relevant symptoms in any developmental stage. The trajectories of mental health problems over the entire childhood and adolescence period differ between depression, anxiety disorders, ADHD, and conduct disorder as well as between parent and self-report. Children’s gender and age influence the developmental course meaningfully. These aspects should be taken into account for future prevention programs, diagnostics, and interventions. Keywords: mental health problems, depression, anxiety, ADHD, conduct disorder
Psychische Auffälligkeiten treten in Kindheit und Jugend häufig auf und sind neben den individuellen Konsequenzen für die betroffenen Familien auch mit hohen gesellschaftlichen Kosten verbunden, wie Einbußen in Produktivität, Kosten im Gesundheits- und Erziehungssektor sowie enormen Belastungen für den Sozialstaat insgesamt (Belfer, 2008; Ewest, Reinhold, Vloet, Wenning & Bachmann, 2013). Erkenntnisse zum Verlauf psychischer Störungen in Kindheit und Jugend vermitteln epidemiologische Studien. Diese reichen von deskriptiven Querschnittsstudien ab den 1960er Jahren, in denen psychische Auffälligkeiten häufig nur ad hoc und per Fremdurteil erhoben wurden, bis hin zu aktuellen, großen, prospektiven Kohortenstudien, in denen psychische Auffälligkeiten multiperspektivisch nach internationalen diagnostischen Kriterien eingeschätzt und häufig auch biologische Indikatoren erhoben werden (Verhulst & Tiemeier, 2015). Die Prävalenz psychischer Auffälligkeiten liegt bei deutschen Kindern und Jugendlichen bei um die 20 % (Barkmann & Schulte-Markwort, 2010; Hölling et al., 2014). Dies stimmt auch mit internationalen Studien überein (Belfer, 2008). Ca. 50 % aller psychischer Störungen beginnen vor dem 14. Lebensjahr (Kessler et al., 2005). Neben der hohen allgemeinen Prävalenz zeigen sich auch in den einzelnen Störungsbereichen hohe Häufigkeiten. Klinisch bedeutsame Symptome von Depression treten bei 11.0 % und Symptome von Angst bei 11.4 % der deutschen Jungen und Mädchen auf. ADHS zeigen 8.7 % der Kinder und Jugendlichen, während Anzeichen für Störungen des Sozialverhaltens bei 14.6 % vorliegen (Ravens-Sieberer et al., 2008). Die Prävalenzen aller psychischen Störungen weisen alters- und geschlechtsbedingte Unterschiede auf. Costello et al. (2011) fassten Ergebnisse wichtiger Studien kürzlich in einem Literaturüberblick, wie im Folgenden beschrieben, zusammen. Internalisierende Auffälligkeiten zeigen in der Kindheit einen Anstieg der Prävalenzen, während der Verlauf in der weiteren Entwicklung nicht eindeutig ist. Depressive Störungen steigen von der Kindheit bis in die Adoleszenz an. Dieser Anstieg ist allerdings meist nur für Mädchen signifikant. Im weiteren Verlauf lassen sich sowohl Hinweise auf einen mäßigen Anstieg als auch auf eine mäßige Abnahme finden. Ähnliche Er© 2016 Hogrefe Verlag
gebnisse zeigen sich für Angststörungen. Mit zunehmendem Alter lässt sich zunächst ein Anstieg verzeichnen. Anschließend werden sowohl steigende als auch abfallende Tendenzen berichtet. Spezifische Phobien, Soziale Phobie, Trennungsangst und Generalisierte Angststörung nehmen ab, während Panikstörungen und Agoraphobie ansteigen. Auch die Befunde zum Verlauf von externalisierenden Auffälligkeiten unterscheiden sich. ADHS nimmt im Laufe der Entwicklung von Kindheit hin zum Erwachsenenalter für beide Geschlechter gleichermaßen ab. Die Ergebnisse für die Störungen des Sozialverhaltens sind widersprüchlich. Während einige Studien mit fortschreitendem Alter einen Anstieg der Symptomatik feststellten, fanden andere eine Abnahme sowohl für Jungen als auch für Mädchen oder gleichbleibende Werte (vergl. Costello et al., 2011). Es gilt inzwischen als Goldstandard, psychische Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter multiperspektivisch einzuschätzen (Holmbeck, Li, Schurman, Friedman & Coakley, 2002). Insbesondere bei der Erfassung internalisierender Symptome sollte das Selbsturteil erfragt werden, da Eltern dazu neigen, diese Symptome zu übersehen (Holmbeck et al., 2002; Seiffge-Krenke & Kollmar, 1998). Bei externalisierendem Verhalten berichten die Eltern häufig mehr Probleme als ihre Kinder (SeiffgeKrenke & Kollmar, 1998). Außerdem sind sich Experten heute weitgehend einig, dass Kinder ab ungefähr acht Jahren zuverlässig Auskunft über ihren Gesundheitszustand geben können (Riley et al., 2004).
Fragestellung Bisher fehlen für Deutschland aktuelle Informationen über den Entwicklungsverlauf von psychischen Auffälligkeiten über die gesamte Kindheit und Jugend, insbesondere für (a) verschiedene Störungsbereiche, (b) getrennt für Jungen und Mädchen und (c) getrennt nach Selbstund Elternurteil. Unser Ziel ist es daher, den Verlauf von vier psychischen Störungen (Depression, Angst, ADHS, Störungen des Sozialverhaltens) bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 bis 19 Jahren getrennt nach GeKindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 10–20
12
F. Klasen et al., Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen
schlecht und Befragungsperspektive (Selbst- und Elternurteil) zu beschreiben.
Methoden Die Analysen beruhen auf Daten der Befragung zum seelischen Wohlbefinden und Verhalten (BELLA-Studie). Das Studiendesign und die Studiendurchführung sind bei Ravens-Sieberer, Klasen und Petermann (2016) beschrieben.
Stichprobe Für die folgenden Analysen wurden Teilnehmer der BELLA-Studie ausgewählt, die zu mindestens einem der vier Outcome-Merkmale (Depression, Angst, ADHS, Störungen des Sozialverhaltens) zu mindestens einem Erhebungszeitpunkt gültige Angaben gemacht hatten und zum Zeitpunkt der Befragung für das Elternurteil 7 bis 19 Jahre und für das Selbsturteil 11 bis 19 Jahre alt waren. In die Stichprobe gingen 3 256 Befragte ein (49.0 % Mädchen), von denen 2 863 aus der Basiskohorte und 393 aus den zum vierten Messzeitpunkt neu rekrutierten Teilnehmern stammten. Das mittlere Alter lag bei Basiserhebung für die Elternbefragung bei 11.78 Jahren (SD=3.15) und für die Selbstbefragung bei 13.93 Jahren (SD=2.01). In die Analyse ging jeder der 3 256 Befragten bis zu viermal ein, je nach dem zu wie vielen Messzeitpunkten Angaben vorlagen. Insgesamt wurden so 8 566 Urteile einbezogen. Eltern- und Selbsteinschätzung lagen für 5 697 (66.5 %) der 8 566 Urteile vor, nur die Elterneinschätzung für 2 774 (32.4 %) und nur die Selbsteinschätzung für 95 (1.1 %) Urteile. Aufgeteilt nach Messzeitpunkten wurden 2 863 Urteile aus dem ersten Messzeitpunkt, 2 420 aus dem zweiten Messzeitpunkt, 2 171 aus dem dritten Messzeitpunkt und 1 112 aus dem letzten Messzeitpunkt berücksichtigt. Pro Alterskohorte lagen zwischen 508 und 910 Urteile vor, nur die jüngste und älteste Kohorte waren mit 272 (7 Jahre) und 174 Urteilen (19 Jahre) geringer besetzt.
Erhebungsverfahren Depression Depressive Symtome wurden mit der Center for Epidemiological Studies Depression Scale for Children (CESDC, Weissman, Orvaschel & Padian, 1980) erfasst. Die Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 10–20
CES-DC beinhaltet 20 Items, die auf einer vierstufigen Skala beantwortet werden (0 = überhaupt nicht, 1 = ein wenig, 2 = ziemlich, 3 = sehr) und sich auf die vergangene Woche beziehen. Als Cut-off-Wert für die Einteilung in unauffällig versus auffällig wurde ein Wert von ≥16 eingesetzt (Weissman et al., 1980). Für die eigens angefertigte deutsche Übersetzung der CES-DC konnte bei ihrer psychometrischen Überprüfung eine zufriedenstellende faktorielle Validität festgestellt werden (Barkmann, Erhart, Schulte-Markwort & BELLA study group, 2008). Angst Symptome von Angst wurden mit dem SCARED-5 (Birmaher et al., 1999), der aus fünf Items bestehenden Kurzversion des Screen for Child Anxiety Related Emotional Disorders (Birmaher et al., 1999), erhoben. Jedes Item repräsentiert dabei eine der fünf Subskalen Panikstörung, Generalisierte Angst, Trennungsangst, Soziale Phobie und Schulangst. Die Antworten werden auf einer dreistufigen Skala kodiert (0 = trifft nicht oder fast nie zu, 1 = trifft manchmal oder etwas zu, 2 = trifft genau oder häufig zu) und zu einem Gesamtwert addiert. Die Dauer der Symptome wird nicht spezifiziert (Mittenzwei, 2013). Nach Birmaher et al. (1999) wurden Kinder und Jugendliche ab einem Cut-off-Wert ≥ 3 als auffällig kategorisiert. Der SCARED liegt in deutscher Übersetzung vor (Mittenzwei, 2013). Reliabilität und Validität des SCARED-5 erwiesen sich als gut und sind vergleichbar mit den Werten der Langversion (Birmaher et al., 1999). ADHS ADHS wurde mit dem Global-Index des Conners 3® erhoben (Lidzba, Christiansen & Drechsler, 2013). Die zehn Fragen beziehen sich auf den letzten Monat und werden auf einer vierstufigen Skala beantwortet (1 = überhaupt nicht, 2 = ein wenig, 3 = ziemlich, 4 = sehr viel). Die Conners-Skalen gelten als objektive, reliable und valide Verfahren zur Erfassung von Aufmerksamkeitsstörungen im Kindes- und Jugendalter (Lidzba et al., 2013). Der Cut-offWert lag bei ≥16 (Rowe & Rowe, 1997). Es wurde eine eigens angefertigte, deutsche Übersetzung des Global-Index verwendet, deren psychometrische Eigenschaften zufriedenstellend waren (Erhart, Döpfner & Ravens-Sieberer, 2008). Störungen des Sozialverhaltens Störungen des Sozialverhaltens wurden über die deutsche Version der Child Behavior Checklist (CBCL, Achenbach, 1991; Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist, 1998) mit Hilfe der Skala Externalisierende Auffälligkeiten erfasst, die aus 33 Items mit den Subskalen Aggressives Verhalten (20 Items) und Dissoziales Verhalten (13 Items) besteht. Die Items beziehen sich auf Symptome während der © 2016 Hogrefe Verlag
F. Klasen et al., Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen
letzten sechs Monate. Sie werden auf einer dreistufigen Skala beantwortet (0 = nicht zutreffend (soweit bekannt), 1 = etwas oder manchmal zutreffend, 2 = genau oder häufig zutreffend). Der Cut-off-Wert lag für Jungen bis einschließlich 11 Jahren bei ≥17, für Jungen ab 12 Jahren bei ≥18 und für alle Mädchen bei ≥ 14 (Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist, 1998). Eine Untersuchung der deutschen Version der CBCL ergab eine befriedigende Reliabilität und diskriminative Validität für die in BELLA verwendete Skala (Walter & Remschmidt, 1999). Alle Erhebungsverfahren wurden in Selbst- und Elternversion vorgelegt, einzig die Items zur Störungen des Sozialverhaltens wurden nur aus Elternperspektive erhoben. Die hier analysierten Daten stammten alle aus dem Telefoninterview (einzige Ausnahme: die CBCL wurde zum letzten Messzeitpunkt im schriftlichen Fragebogen eingesetzt). In der vierten Befragung wurden die Verfahren in beiden Perspektiven erst ab 13 Jahren eingesetzt.
Statistische Analysen Um sowohl die Veränderung in den Durchschnittswerten als auch die Unterschiede zwischen den Personen untersuchen zu können, wurde der Verlauf von psychischen Auffälligkeiten über die Zeit (Alter 7 – 19 Jahre, Einschluss von Alterskohorten mit Daten von mindestens 50 Personen) mit längsschnittlichen Mehrebenenmodellen untersucht. Einführende Erklärungen in die Mehrebenen-Terminologie sind in Kasten 1 enthalten.
Kasten 1. Mehrebenenmodelle
Mehrebenenmodelle bieten die Möglichkeit sowohl die durchschnittlichen Effekte über alle Personen hinweg (auch: feste Effekte, engl. fixed effects) als auch die individuellen Unterschiede zwischen den einzelnen Personen (auch: zufällige Effekte, engl. random effects) zu untersuchen. Diese Modelle enthalten ein Interzept, das das Ausgangsniveau angibt, sowie Slopes, die das Wachstum bzw. die Veränderung über die Zeit beschreiben (Zeiteffekte). In den vorliegenden Analysen wurde eine mögliche lineare, quadratische und kubische zeitliche Veränderung untersucht. Ein quadratischer oder kubischer Zeiteffekt zusätzlich zu einem linearen Anstieg oder Abfall beschleunigt den Verlauf oder flacht diesen ab. Zur Verbesserung der Modellgüte können weitere Einflussfaktoren neben der Zeit aufgenommen werden. In die vorliegenden Analysen wurden der Einfluss von Geschlecht, Alter und die Interaktion von Alter und Geschlecht einbezogen. Ein Überblick über Mehrebenen-Modelle findet sich bei Verbeke und Molenberghs (2000).
© 2016 Hogrefe Verlag
13
Vorabanalysen zeigten, dass die Verwendung von Mehrebenenmodellen unbedingt erforderlich ist, da die Variation der Werte bei allen vier Outcome-Merkmalen zu mindestens 39 % auf Unterschiede zwischen den einzelnen Personen (zufällige Effekte) zurückzuführen waren (Intra-Klassen-Korrelation (ICC) .39 bis .72). Die alleinige Verwendung von Durchschnittswerten über alle Personen (nur feste Effekte) wäre damit unzureichend. Konkret wurden Mehrebenenmodelle mit zufälligen Interzepts und zufälligen sowie festen linearen, quadratischen und kubischen Zeiteffekten (slopes) getestet. Zusätzlich wurden mögliche Alters- und Geschlechtseffekte sowie Interaktionseffekte zwischen Alter und Geschlecht aufgenommen. Die Modelle wurden für Selbst- und Elternurteil getrennt analysiert. Das am besten passende Modell wurde mit Hilfe des Akaike Information Criterions (AIC, Akaike, 1974) ausgewählt. Zur Präsentation der Resultate wurden Grafiken erstellt, die auf den geschätzten Randmitteln der dargestellten Variablen aus den bestangepassten Mehrebenenmodellen basieren. Bei der Berechnung der Datengrundlage für die Grafiken wurden die Verläufe mit lokalen Regressionen geglättet. Fehlende Werte mussten nicht ersetzt werden, da gemischte Modelle diesen gegenüber robust sind. In den Abbildungen stellt der Cut-off-Wert der abhängigen Variablen jeweils den Maximalwert der Skala auf der y-Achse dar. Alle Analysen wurden mit SPSS Version 22.0 (PASW Statistics for Windows, Version 22.0. Chicago: SPSS Inc.) durchgeführt. Die Grafiken wurden mit R Version 2.15.3 erstellt.
Ergebnisse Insgesamt zeigten im Elternbericht 11.2 % der Kinder und Jugendlichen klinisch bedeutsame Anzeichen für Depression, 10.6 % für Angst, 5.7 % für ADHS und 12.2 % für Störungen des Sozialverhaltens. Im Selbstbericht wiesen 16.1 % klinisch bedeutsame Symptome für Depression, 15.1 % für Angst und 2.0 % für ADHS auf. Dabei gaben Mädchen die Prävalenz ihrer internalisierenden Auffälligkeiten um etwa 10 % höher an als ihre Eltern (Depression: 20.8 % vs. 12.3 %, Angst: 21.4 % vs. 12.3 %, siehe Tab. 1 und Tab. 2). Für Jungen lag die Häufigkeit internalisierender Auffälligkeiten sowohl im Selbst- als auch im Elternurteil bei etwa 10 %. Klinisch bedeutsame ADHSSymptome wurden von den Eltern für Jungen häufiger angegeben als in deren Selbsteinschätzung (7 % vs. 4.3 %, siehe Tab. 1 und Tab. 2). Für Mädchen wurde die Häufigkeit klinisch bedeutsamer ADHS-Symptome aus beiden Perspektiven auf etwa 2 % eingeschätzt. Störungen des Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 10–20
14
F. Klasen et al., Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen
Sozialverhaltens wurden von den Eltern für beide Geschlechter mit ca. 12 % angegeben (siehe Tab. 1 und Tab. 2). Statistisch signifikante Kohorteneffekte traten lediglich bei selbstberichteten Depressions- (ηp² = .026) und selbstberichteten ADHS-Werten (ηp² = .025) auf. Nach Cohen (1988) sind diese Effekte als klein einzustufen. Bei allen anderen Outcome-Variablen zeigte sich kein Kohorteneffekt. Von systematischen Unterschieden zwischen den Entwicklungsverläufen unterschiedlicher Geburtskohorten ist also nicht auszugehen. Im Folgenden werden zunächst die bestangepassten Mehrebenenmodelle für die sieben Outcome-Variablen kurz charakterisiert und daraufhin die Ergebnisse beschrieben. Zu beachten ist dabei, dass die Ergebnisse im Folgenden nicht mehr auf Werten über dem Cut-off beruhen, sondern mittlere Symptom-Ausprägungen sind. Das bestangepasste Modell für Depression aus Elternperspektive beinhaltete ein festes (b = 8.90, SE = 0.56, p ≤ .001) und ein zufälliges Interzept (b = 15.79, SE = 0.69, p ≤ .001) sowie eine signifikante Interaktion aus Alter und Geschlecht (F(12, 6871.19) = 2.98, p ≤ .001). Das bestangepasste Modell für Depression aus Selbstperspektive enthielt zusätzlich zum festen (b = 11.90, SE = 0.65, p ≤ .001) und zufälligen Interzept (b = 23.98, SE = 1.51, p ≤ .001) sowie einer Alters- und Geschlechtsinteraktion (F(8, 3836.94) = 4.48, p ≤ .001) signifikante feste lineare (b = -0.62, SE = 0.13, p ≤ .001) und quadratische (b = 0.09, SE = 0.02, p ≤ .001) Zeiteffekte (slopes), einen zufälligen linearen Zeiteffekt (b = 0.80, SE = 0.15, p ≤ .001) sowie Alters- und Geschlechtseffekte (F(8, 3836.94) = 4.48, p ≤ .001; F(1, 2679.34) = 50.88, p ≤ .001). Die bestangepassten Modelle für Angst aus Eltern- und aus Selbstperspektive beinhalteten jeweils statistisch signifikante feste lineare Zeiteffekte (Eltern: b = 0.02, SE = 0.01, p = .037; Selbst: b = -0.02, SE = 0.01, p = .018) mit festen (b = 0.77, SE = 0.09, p ≤ .001; b = 1.77, SE = 0.10, p ≤ .001) sowie zufälligen Interzepts (b = 0.98, SE = 0.04, p ≤ .001; b = 1.03, SE = 0.06, p ≤ .001) und zufälligen linearen Zeiteffekten (b = 0.02, SE ≤ 0.01, p ≤ .001; b = 0.02, SE ≤ 0.01, p ≤ .001). Alter (F(12, 5622,18) = 8.02, p ≤ .001; F (8, 3807.52) = 2.08, p = .035) und Geschlecht (F(1, 2783.75) = 23.24, p ≤ .001; F(1, 2358.01) = 181.36, p ≤ .001) waren jeweils signifikante feste Effekte. Das bestangepasste Modell für ADHS aus der Selbstperspektive beinhaltete signifikante feste lineare (b = -0.53, SE = 0.07, p ≤ .001) und quadratische Zeiteffekte (b = 0.06, SE = 0.01, p ≤ .001) mit einem festen (b = 6.50, SE = 0.34, p ≤ .001) sowie zufälligen Interzept (b = 10.60, SE = 0.53, p ≤ .001) und einem zufälligen linearen Zeiteffekt (b = 0.32, SE = 0.04, p ≤ .001). Altersund Geschlechtseffekte waren einzeln (F(8, 3723.13) = 2.75, p = .005; F(1, 2623.93) = 5.87, p = .015) und in der Interaktion (F(8, 3642.90) = 3.39, p = .001) signifikant. Das bestangepasste Modell für ADHS aus Elternperspektive beinhaltete Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 10–20
zusätzlich zum festen (b = 5.36, SE = 0.37, p ≤ .001) und zufälligen Interzept (b = 20.30, SE = 0.70, p ≤ .001), festen linearen (b = -0.62, SE = 0.09, p ≤ .001) und quadratischen Zeiteffekten (b = 0.17, SE = 0.04, p ≤ .001) sowie einem zufälligen linearen Zeiteffekt (b = 1.17, SE = 0.24, p ≤ .001) einen festen kubischen (b = -0.01, SE ≤ 0.01, p = .008) sowie einen zufälligen quadratischen Zeiteffekt (b = 0.01, SE ≤ 0.01, p = .001). Alters- und Geschlechtseffekte waren auch in der Elternperspektive einzeln (F(12, 4627.51) = 8.07, p ≤ .001; F(1, 2966.53) = 24.23, p ≤ .001) und in der Interaktion (F(12, 4332.31) = 3.38, p ≤ .001) signifikant. Das bestangepasste Modell für Störungen des Sozialverhaltens aus Elternperspektive enthielt signifikante feste lineare Zeiteffekte (b = -0.43, SE = 0.14, p = .002) mit einem festen (b = 6.07, SE = 0.50, p ≤ .001) und zufälligen Interzept (b = 39.54, SE = 1.44, p ≤ .001) und einem zufälligen linearen (b = 5.66, SE = 1.24, p ≤ .001), quadratischen (b = 0.91, SE = 0.21, p ≤ .001) und kubischen Zeiteffekt (b = 0.01, SE ≤ 0.01, p ≤ .001). Alters- und Geschlechtseffekte lagen vor (F(12, 3866.91) = 2.40, p = .004; F(1, 2465.58) = 28.78, p ≤ .001). Mädchen berichteten fast doppelt so häufig wie Jungen von depressiven Symptomen. Diese stiegen bei Mädchen bis zum 18. Lebensjahr kontinuierlich an und fielen danach leicht ab (siehe Abb. 1). Jungen berichteten im Alter von 11 Jahren durchschnittlich sogar mehr erhöhte DepressionsWerte als Mädchen. Anschließend fielen die selbstberichteten Werte für Jungen bis zum 13. Lebensjahr deutlich ab und stiegen bis zum Alter von 19 Jahren wieder stetig an. Die von Eltern berichteten Depressions-Werte stiegen für Jungen und Mädchen von 7 bis 11 Jahren leicht an. Dabei lagen die Werte der Jungen höher als die der Mädchen. Jedoch fielen die Depressions-Werte der Jungen aus dem Elternurteil von 11 bis 15 Jahren deutlich ab und lagen ab dem 14. Lebensjahr unter den Werten für die Mädchen. Ab dem 13. Lebensjahr stiegen die Depression-Werte von Mädchen auch im Elternurteil stetig an und erreichten ihren vorläufigen Höhepunkt um das 18. Lebensjahr. Mädchen berichteten häufiger Angstsymptome als Jungen. Der mittlere Verlauf über das Alter war dabei leicht ansteigend und verlief bei beiden Geschlechtern ähnlich (siehe Abb. 2). Die Häufigkeit der von Eltern berichteten Angstsymptome fiel über die beobachtete Altersspanne ab und war insbesondere für Mädchen deutlich niedriger als die der selbstberichteten Symptome. Die Häufigkeit der von Eltern berichteten ADHS-Symptome fiel im Alter von 7 bis 19 Jahre statistisch signifikant ab (siehe Abb. 3), von insgesamt 9.3 % auf 1.8 % für Jungen und von 6.6 % auf 2.8 % für Mädchen (siehe Tab. 1). Die selbstberichteten ADHS-Symptome blieben dagegen auf niedrigerem Niveau und variieren relativ konstant um die 2 %. Bei Mädchen nahmen sie ab 12 Jahren sogar stetig leicht zu (siehe Tab. 2). Es zeigte sich ein signifikanter Interakti© 2016 Hogrefe Verlag
© 2016 Hogrefe Verlag
44
45
31
14 Jahre
15 Jahre
16 Jahre
17 Jahre
467
36
13 Jahre
Gesamt
42
12 Jahre
5
46
11 Jahre
28
53
10 Jahre
19 Jahre
44
8 Jahre
18 Jahre
32
52
8 Jahre
9
7 Jahre
N
11.1 %
8.9 %
12.5 %
8.6 %
11.2 %
9.8 %
8.8 %
11.5 %
12.8 %
13.9 %
11.2 %
13.4 %
11.9 %
6.0 %
%
Jungen
493
18
48
59
52
58
47
32
29
43
41
34
24
8
N
12.3 %
16.7 %
19.3 %
15.1 %
12.4 %
13.8 %
11.5 %
9.8 %
10.0 %
12.4 %
11.6 %
10.3 %
10.7 %
6.6 %
%
Mädchen
Depression
375
3
16
13
19
33
32
32
32
45
49
48
36
17
N
13.3 %
8.9 %
5.4 %
7.1 %
3.6 %
4.7 %
7.3 %
7.9 %
8.8 %
8.9 %
11.8 %
12.4 %
12.4 %
8
27
34
49
42
42
38
31
51
57
43
48
21
N
12.3 %
7.4 %
10.9 %
8.7 %
11.7 %
10.0 %
10.2 %
11.6 %
10.8 %
14.7 %
16.1 %
13.0 %
21.4 %
17.2 %
%
Mädchen
491
Angst
11.3 %
%
Jungen
Tabelle 1. Anzahl und Prozent der Urteile über Cut-Off aus Elternperspektive
293
1
5
11
18
25
24
27
20
45
32
40
31
14
N
7.0 %
1.8 %
2.2 %
3.1 %
4.5 %
5.6 %
5.9 %
7.4 %
5.6 %
11.9 %
8.1 %
10.3 %
11.5 %
9.3 %
%
Jungen
ADHS
171
3
4
17
18
11
18
12
17
14
16
15
18
8
N
4.3 %
2.8 %
1.6 %
4.4 %
4.3 %
2.6 %
4.4 %
3.7 %
5.9 %
4.0 %
4.5 %
4.5 %
8.0 %
6.6 %
%
Mädchen
444
1
14
24
38
53
48
38
36
42
54
41
34
21
N
11.8 %
2.1 %
7.3 %
7.5 %
10.1 %
13.2 %
12.5 %
11.8 %
11.0 %
13.2 %
15.6 %
12.1 %
13.9 %
15.3 %
%
Jungen
455
4
20
43
56
48
46
36
37
39
41
42
29
14
N
12.5 %
4.7 %
8.7 %
12.0 %
14.8 %
12.2 %
12.6 %
12.1 %
13.9 %
12.7 %
12.6 %
13.4 %
13.2 %
13.1 %
%
Mädchen
Störungen des Sozialverhaltens
F. Klasen et al., Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen 15
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 10–20
16
F. Klasen et al., Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen
Tabelle 2. Anzahl und Prozent der Urteile über Cut-Off aus Selbstperspektive Depression Jungen
Angst
Mädchen
ADHS
Jungen
Mädchen
Jungen
Mädchen
N
%
N
%
N
%
N
%
N
%
N
%
11 Jahre
55
15.0 %
45
13.4 %
41
11.2 %
62
18.4 %
13
3.6 %
4
1.2 %
12 Jahre
32
9.0 %
40
14.1 %
36
10.2 %
52
18.3 %
5
1.4 %
1
0.4 %
13 Jahre
34
9.6 %
53
16.3 %
31
8.7 %
59
18.2 %
3
0.8 %
4
1.2 %
14 Jahre
37
9.2 %
73
18.9 %
30
7.4 %
71
18.3 %
9
2.2 %
8
2.1 %
15 Jahre
46
10.7 %
105
25.6 %
31
7.2 %
90
22.0 %
5
1.2 %
13
3.2 %
16 Jahre
45
11.5 %
105
25.5 %
27
6.9 %
100
24.3 %
8
2.0 %
10
2.4 %
17 Jahre
42
12.2 %
101
26.2 %
34
9.9 %
101
26.2 %
6
1.7 %
12
3.1 %
18 Jahre
27
13.9 %
57
22.6 %
16
8.2 %
59
23.4 %
4
2.1 %
6
2.4 %
19 Jahre
8
16.0 %
25
23.4 %
4
8.0 %
27
25.2 %
-
-
5
4.7 %
Gesamt
326
11.3 %
604
20.8 %
250
8.7 %
621
21.4 %
53
1.8 %
63
2.2 %
Abbildung 1. Mittlere Depressionssymptome im Alter von 7 bis 19 Jahren nach Geschlecht und Befragungsperspektive.
onseffekt. Von 11 bis 13 Jahren wiesen Jungen mehr selbstberichtete ADHS-Symptome auf als Mädchen, aber ab 13 Jahren zeigten Mädchen in der Selbstperspektive und ab 17 Jahren in der Elternperspektive mehr ADHS-Symptome als Jungen (siehe Abb. 3). Eltern berichteten über einen kontinuierlichen Abfall von Symptomen von Störungen des Sozialverhaltens über die Altersspanne. Die Werte lagen für Jungen signifikant über den Werten von Mädchen (siehe Abb. 4). Jedoch fielen die Werte für Jungen insbesondere nach dem 14. Lebensjahr ab und lagen im Alter von 19 Jahren sogar knapp unter denen von Mädchen. Neben den mittleren Symptomverläufen zeigten die signifikanten zufälligen Zeiteffekte für alle Outcomes, dass es Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 10–20
signifikante individuelle Unterschiede gibt und sich die beobachteten Kinder und Jugendlichen nicht alle in dieselbe Richtung entwickeln.
Diskussion In der vorliegenden Arbeit wurde der Verlauf von psychischen Auffälligkeiten für Kinder und Jugendliche in Deutschland im Alter von 7 bis 19 Jahren aus zwei Befragungsperspektiven für jede Alterskohorte und für vier Störungsbilder dargestellt. Es zeigten sich in Überein© 2016 Hogrefe Verlag
F. Klasen et al., Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen
17
Abbildung 2. Mittlere Angstsymptome im Alter von 7 bis 19 Jahren nach Geschlecht und Befragungsperspektive.
Abbildung 3. Mittlere ADHS-Symptome im Alter von 7 bis 19 Jahren nach Geschlecht und Befragungsperspektive.
stimmung mit der Literatur deutliche Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen (Costello et al., 2011). Während Symptome von Depression und Angst bei Mädchen häufiger auftraten, zeigten sich Symptome von ADHS und Störungen des Sozialverhaltens häufiger bei Jungen. Darüber hinaus ließ sich ebenfalls in Übereinstimmung mit einem aktuellen Review von Costello et al. (2011) feststellen, dass Symptome von ADHS und Störungen des Sozialverhaltens über Kindheit und Jugend hinweg abnahmen, während internalisierende Auffälligkeiten (Depression und Angst) zunahmen. Die Ergebnisse stützen die aus der Literatur bekannte Annahme, dass Eltern internalisierende Auffälligkeiten ihrer Kinder niedriger einschätzen als diese selbst © 2016 Hogrefe Verlag
(Holmbeck et al., 2002; Seiffge-Krenke & Kollmar, 1998). Entsprechende Symptome sollten daher in der klinischen Praxis immer auch aus der Selbstperspektive erhoben werden, in zukünftigen Studien möglichst auch schon vor dem 11. Lebensjahr. Nur ein geringer Teil der Kinder und Jugendlichen mit klinisch signifikanten Symptomen ist in fachspezifischer Behandlung (Hintzpeter et al., 2014). Von den Kindern und Jugendlichen mit aktuellen, klinisch signifikanten Symptomen von Depression sind 13 %, mit Ängsten 11 %, mit ADHS 20 % und mit Störungen des Sozialverhaltens 14 % im letzten Jahr in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung gewesen (Hintzpeter et al., 2014). Bei der Behandlung sollte spezifischen Symptomgruppen Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 10–20
18
F. Klasen et al., Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen
Abbildung 4. Mittlere Symptome von Störungen des Sozialverhaltens im Alter von 7 bis 19 Jahren nach Geschlecht aus Elternperspektive.
auch mit spezifischen Interventionen begegnet werden (z. B. Depression, siehe Petermann, 2012; Störungen des Sozialverhaltens siehe Petermann & Petermann, 2013). Daneben sollten auch geschlechtsspezifische Aspekte bei der Therapie berücksichtigt werden (Stadler, Euler & Schwenck, 2013). Sutin et al. (2013) beschrieben kürzlich die Entwicklung von depressiven Symptomen im Alter von 19 bis 95 Jahren. Die Symptome wurden ebenfalls mit der CES erfasst, wodurch die Ergebnisse bezogen auf Altersspektrum und Erhebungsverfahren unmittelbar an die vorliegende Untersuchung anschließen. Depressive Symptome nehmen über das mittlere Erwachsenalter ab und im späteren Erwachsenenalter wieder zu (Sutin et al., 2013). Analysen über den Verlauf von Symptomen über die gesamte Lebensspanne für verschiedene Störungsbereiche stellen einen interessanten Gegenstand für zukünftige Studien dar. Auch die Grenzen der vorliegenden Arbeit sollen nicht unerwähnt bleiben. Pro Teilnehmer gingen in die vorliegenden Analysen nur bis zu vier Urteile über einen Zeitraum von maximal sechs Jahren ein und nicht über das gesamte Altersspektrum. Allerdings ließ sich ein signifikanter kleiner Kohorteneffekt nur für Depression und ADHS aus der Selbstperspektive nachweisen. Der Verlauf der Symptome ist nur über die Randmittel beschrieben, daher müssen die Grafiken mit Vorsicht interpretiert werden. Es zeigten sich signifikante individuelle Unterschiede, deswegen müssen die mittleren Verläufe als grobe Annäherung verstanden werden. Es konnten keine Daten für Kinder unter 7 Jahren ausgewertet werden, so dass der Verlauf der Symptome im Vorschulalter in zukünftigen Analysen berichtet werden sollte. Künftige Studien sollten das Selbsturteil von Kindern unter 11 Jahren Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 10–20
mit einbeziehen, da bereits jüngerer Kinder valide Urteile abgeben können. Die CBCL wurde für die Operationalisierung von Störungen des Sozialverhaltens eingesetzt, obwohl sie nach dem dimensionalen Ansatz entwickelt und für die Erfassung externalisierender Auffälligkeiten im Allgemeinen konzipiert wurde. Des Weiteren lagen Daten zu Störungen des Sozialverhaltens nur aus Elternperspektive vor. Zu den Stärken der vorliegenden Analysen gehören die Größe der Stichprobe, die Breite der erhobenen Symptome, das große beobachtete Altersspektrum von 12 Jahren sowie die getrennten Analysen nach Geschlecht und Befragungsperspektive. Um den Verlauf von psychischen Auffälligkeiten besser zu verstehen, beispielsweise den Anstieg oder Abfall von Symptomen in spezifischen Entwicklungsphasen, sollten zukünftige Studien auch genetische und soziale Determinanten untersucht werden. Kenntnisse über geschlechtsspezifische Risikoprofile verschiedener Symptomverläufe würden hilfreiche Ansatzpunkte für Prävention und Intervention liefern.
Schlussfolgerungen für die klinische Praxis Die vorliegenden Ergebnisse dokumentieren die Prävalenzen für die vier häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Es werden die aus der klinischen Praxis bekannten Urteile im Eltern- und Selbsturteil der Kinder und Jugendlichen bestätigt. Eltern nehmen inter© 2016 Hogrefe Verlag
F. Klasen et al., Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen
nalisierende Störungen als geringer ausgeprägt wahr als die betroffenen Kinder. Im Fremdurteil wird die ADHS dreimal häufiger eingeschätzt als im Selbsturteil. Erstmals wurde der geschlechtsspezifische Verlauf von psychischen Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland beschrieben, was für das Angebot an klinischen Versorgungsleistungen bedeutsam ist. Außerdem stimmt die Tatsache nachdenklich, dass weniger als 20 % aller Kinder und Jugendlichen mit psychischen Auffälligkeiten professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Insgesamt zeigt ein substanzieller Anteil aller Kinder und Jugendlichen in jeder Entwicklungsphase klinisch bedeutsame Symptome und benötigt eine entwicklungs- und geschlechtssensitive Diagnostik und Behandlung.
Literatur Achenbach, T. M. (1991). Manual for the Child Behavior Checklist/ 4 – 18 and 1991 profile. Burlington: University of Vermont, Department of Psychiatry. Akaike, H. (1974). A new look at the statistical model identification. IEEE Transactions on Automatic Control, 19, 716 – 723. Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist. (1998). Elternfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen; deutsche Bearbeitung der Child Behavior Checklist (CBCL/4 – 18). Einführung und Anleitung zur Handauswertung mit deutschen Normen (Band 2). Köln: Arbeitsgruppe Kinder-, Jugendund Familiendiagnostik (KJFD). Barkmann, C., Erhart, M., Schulte-Markwort, M. & BELLA study group. (2008). The German version of the Centre for Epidemiological Studies Depression Scale for Children: Psychometric evaluation in a population-based survey of 7 to 17 years old children and adolescents – Results of the BELLA study. European Child and Adolescent Psychiatry, 17, 116 – 124. Barkmann, C. & Schulte-Markwort, M. (2010). Prevalence of emotional and behavioural disorders in German children and adolescents: A meta-analysis. Journal of Epidemiology and Community Health, 66, 194 – 203. Belfer, M. L. (2008). Child and adolescent mental disorders: The magnitude of the problem across the globe. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 49, 226 – 236. Birmaher, B., Brent, D. A., Chiappetta, L., Bridge, J., Monga, S. & Baugher, M. (1999). Psychometric properties of the Screen for Child Anxiety Related Emotional Disorders (SCARED): A replication study. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 38, 1230 – 1236. Cohen, J. (1988). Statistical power analysis for the behavioral sciences (2nd ed.). Hillsdale, NJ: Erlbaum. Costello, E. J., Copeland, W. & Angold, A. (2011). Trends in psychopathology across the adolescent years: What changes when children become adolescents, and when adolescents become adults? Journal of Child Psychology and Psychiatry, and Allied Disciplines, 52, 1015 – 1025. Erhart, M., Döpfner, M. & Ravens-Sieberer, U. (2008). Psychometric properties of two ADHD questionnaires: Comparing the Conners’ scale and the FBB-HKS in the general population of German children and adolescents – Results of the BELLA study. European Child and Adolescent Psychiatry, 17, 106 – 115. © 2016 Hogrefe Verlag
19
Ewest, F., Reinhold, T., Vloet, T. D., Wenning, V. & Bachmann, C. J. (2013). Durch Jugendliche mit Störungen des Sozialverhaltens ausgelöste Krankenkassenausgaben. Eine gesundheitsökonomische Analyse von Versichertendaten einer gesetzlichen Krankenkasse. Kindheit und Entwicklung, 22, 41 – 47. Hintzpeter, B., Metzner, F., Pawils, S., Bichmann, H., Kamtsiuris, P., Ravens-Sieberer, U. & Klasen, F. (2014). Inanspruchnahme von ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen durch Kinder und Jugendliche mit psychischen Auffälligkeiten: Ergebnisse der BELLA-Studie. Kindheit und Entwicklung, 23, 229 – 238. Hölling, H., Schlack, R., Petermann, F., Ravens-Sieberer, U., Mauz, E. & KiGGS Study Group. (2014). Psychische Auffälligkeiten und psychosoziale Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren in Deutschland – Prävalenz und zeitliche Trends zu 2 Erhebungszeitpunkten (2003 – 2006 und 2009 – 2012). Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 57, 807 – 819. Holmbeck, G. N., Li, S. T., Schurman, J. V., Friedman, D. & Coakley, R. M. (2002). Collecting and managing multisource and multimethod data in studies of pediatric populations. Journal of Pediatric Psychology, 27, 5 – 18. Kessler, R. C., Demler, O., Frank, R. G., Olfson, M., Pincus, H. A., Walters, E. E. et al. (2005). Prevalence and treatment of mental disorders, 1990 to 2003. New England Journal of Medicine, 352, 2515 – 2523. Lidzba, K., Christiansen, H. & Drechsler, R. (2013). Conners 3 – Conners Skalen zu Aufmerksamkeit und Verhalten 3. Manual. Bern: Huber. Mittenzwei, K. (2013). The Screen for Child Anxiety Related Emotional Disorders (SCARED). Eine deutsche Übersetzung und erste empirische Anwendung des Fragebogens für Angststörungen im Kindes-und Jugendalter (SCARED-D). Dissertation, Universität Hamburg. Petermann, F. (2012). Depressive Störungen im Kindes- und Jugendalter. Gesundheitswesen, 74, 533 – 539. Petermann, F. & Petermann, U. (2013). Störungen des Sozialverhaltens. Kindheit und Entwicklung, 22, 123 – 126. Ravens-Sieberer, U., Klasen, F. & Petermann, F. (2016). Psychische Kindergesundheit. Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie. Kindheit und Entwicklung, 25, 4-9. Ravens-Sieberer, U., Wille, N., Erhart, M., Bettge, S., Wittchen, H. U., Rothenberger, A. et al. (2008). Prevalence of mental health problems among children and adolescents in Germany: Results of the BELLA study within the National Health Interview and Examination Survey. European Child and Adolescent Psychiatry, 17, 22 – 33. Riley, A. W., Forrest, C. B., Starfield, B., Rebok, G. W., Robertson, J. A. & Green, B. F. (2004). The Parent Report Form of the CHIPChild Edition: Reliability and validity. Medical Care, 42, 210 – 220. Rowe, K. S. & Rowe, K. J. (1997). Norms for parental ratings on Conners’ Abbreviated Parent-Teacher Questionnaire: Implications for the design of behavioral rating inventories and analyses of data derived from them. Journal of Abnormal Child Psychology, 25, 425 – 451. Seiffge-Krenke, I. & Kollmar, F. (1998). Discrepancies between mothers’ and fathers’ perceptions of sons’ and daughters’ problem behaviour: A longitudinal analysis of parent–adolescent agreement on internalising and externalising problem behaviour. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 39, 687 – 697. Stadler, C., Euler, F. & Schwenck, C. (2013). Mädchen mit Störungen des Sozialverhaltens. Gibt es geschlechtsspezifische Effekte? Kindheit und Entwicklung, 22, 127 – 138. Sutin, A. R., Terracciano, A., Milaneschi, Y., An, Y., Ferrucci, L. & Zonderman, A. B. (2013). The trajectory of depressive sym-
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 10–20
20
F. Klasen et al., Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen
ptoms across the adult life span. JAMA Psychiatry, 70, 803 – 811. Verbeke, G. & Molenberghs, G. (2000). Linear mixed models for longitudinal data. New York: Springer. Verhulst, F. C. & Tiemeier, H. (2015). Child psychiatric epidemiology: Stars and hypes. European Child and Adolescent Psychiatry, 24, 603 – 606. Walter, R. & Remschmidt, H. (1999). Untersuchungen zur Reliabilität, Validität und Faktorenstruktur einer deutschsprachigen Version der Child Behavior Checklist. Zeitschrift für Klinische Psychologie, 28, 177 – 184. Weissman, M. M., Orvaschel, H. & Padian, N. (1980). Children’s symptom and social functioning self-report scales comparison
of mothers’ and children’s reports. Journal of Nervous and Mental Disease, 168, 736 – 740.
Dr. Fionna Klasen Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik Forschungssektion Child Public Health Martinistraße 52, W29 20246 Hamburg f.klasen@uke.de
Sigrun Schmidt-Traub
Kinder liebevoll und konsequent erziehen Ein Ratgeber für Eltern und Erzieher 2015, 167 Seiten, Kleinformat, € 17,95 / CHF 24,50 ISBN 978-3-8017-2663-8 Auch als E-Book erhältlich
In diesem Ratgeber werden wirkungsvolle, lernpsychologisch untermauerte Erziehungsmethoden für Kinder aller Altersgruppen beschrieben. Eltern leben ihren Kindern bestimmte Wertvorstellungen, soziale Fähigkeiten und Bewältigungsmöglichkeiten in Krisen und bei Alltagsproblemen vor. Durch einen liebevollen Umgang und verläss-
lichen Austausch mit ihren Eltern können Kinder emotionale Sicherheit und Stärke entwickeln. Anhand zahlreicher Beispiele werden verschiedene effektive Erziehungsmethoden dargestellt. Eltern und Erzieher erhalten eine detaillierte Anleitung, wie sie diese im Alltag umsetzen können. Zudem wird auf besondere pädagogische Problembereiche, wie z.B. Geschwisterrivalität, Ordnung und Medienkonsum, eingegangen und erläutert, wie diese Erziehungsprobleme bewältigt werden können. Ziel ist es, Eltern und Erziehern pädagogisch-psychologische Anstöße zu geben, ihnen das Erziehen zu erleichtern, das Familienleben freundlicher zu gestalten und ihr Selbstvertrauen in die eigene Erziehungsfähigkeit zu stärken.
www.hogrefe.de
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 10–20
© 2016 Hogrefe Verlag
67. KINDERTHERAPIETAGE an der Universität Bremen 10./11. September 2016 VERANSTALTER FÖRDERVEREIN DER UNIVERSITÄTSKINDERAMBULANZ e.V. IM NAMEN DER UNIVERSITÄT BREMEN Prof. Dr. Ulrike Petermann Anmeldung und Auskünfte: Eva Todisco Grazer Straße 6, D-28359 Bremen Tel. 04 21/218-68603 Fax 04 21/218-68629 todisco@uni-bremen.de www.zkpr.uni-bremen.de
Angebote: Kurs 1 Eltern-/Familienarbeit bei aggressivem Verhalten im Kindesalter Leitung: Prof. Dr. Franz Petermann Kurs 2 Diagnostik und Behandlung bei Kindern mit ADHS Leitung: Prof. Dr. Sören Schmidt Kurs 3 SET 3-5: Sprachstandserhebungstest für Kinder im Alter zwischen drei und fünf Jahren sowie Fördermöglichkeiten Leitung: Jessica Melzer, M.Sc. Psych. Kurs 4 Emotionstraining in der Schule Leitung: Mirjam Laakmann, M. Sc. Psych. Rieke Petersen, M. Sc. Psych.
Kurs 5 Elterntraining für Kinder mit AufmerksamkeitsVW|UXQJHQ ± ÀDQNLHUHQG ]XP $77(17,21(5 Leitung: Dipl.-Psych. Katja Hustedt, approb. KJP Kurs 6 Verhaltenstraining für Schulanfänger/ für die Grundschule Leitung: Prof. Dr. Ute Koglin Kurs 7 Einnässen und Einkoten Leitung: Dipl.-Päd. Katrin Gösling, approb. KJP Kurs 8 Entspannungsverfahren für Kinder und Jugendliche Leitung: Prof. Dr. Ulrike Petermann
Pro Kurs werden von der Ärztekammer 18 Fortbildungspunkte anerkannt.
Studie
Risiko- und Schutzfaktoren generalisierter Ängstlichkeit im Kindes- und Jugendalter Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie Christiane Otto1, Franz Petermann2, Claus Barkmann1, Marc Schipper2, Levente Kriston3, Heike Hölling4, Ulrike Ravens-Sieberer1 und Fionna Klasen1 1
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
2
Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen 3 Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf 4
Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin Zusammenfassung. Die generalisierte Angststörung bei Kindern und Jugendlichen weist eine Prävalenz von 2 % und ein Erstmanifestationsalter von 8.5 Jahren auf. Anhand der Daten der BELLA-Kohortenstudie wurden Einflüsse ausgewählter Risiko- und Schutzfaktoren auf das Auftreten und die Entwicklung von Symptomen generalisierter Angststörung (generalisierte Ängstlichkeit) untersucht. Mit latenten Wachstumsmodellen und linearen Regressionen wurden die Angaben von n = 1 469 Teilnehmern (11 bis 17 Jahre) zu drei Messzeitpunkten analysiert. Zu Studienbeginn wirkte die elterliche Ängstlichkeit als Risikofaktor und das Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen als Schutzfaktor auf die generalisierte Ängstlichkeit. Initiale elterliche Ängstlichkeit wirkte auch nachhaltig auf die Veränderung generalisierter Ängstlichkeit über den Studienverlauf. Weiterhin ging eine Verbesserung des Selbstwertgefühls über den Studienverlauf mit einem Abfall generalisierter Ängstlichkeit einher. Einflüsse der potentiellen Schutzfaktoren elterliche Fürsorge und soziale Unterstützung lagen nicht vor. Obwohl nur geringe Effekte gefunden wurden, ist das Selbstwertgefühl für die klinische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit generalisierter Angststörung interessant. Schlüsselwörter: Generalisierte Angststörung, depressive Störung, soziale Unterstützung, elterliche Fürsorge, Selbstwertgefühl, Längsschnittstudie
Risk and Protective Factors for Symptoms of General Anxiety Disorder in Children and Adolescents: Results of the BELLA Cohort Study Abstract. The prevalence of generalized anxiety disorder is approximately 2 % among children and adolescents, and the age of onset is at about 8.5 years. Considering the individual and societal burden of psychiatric disorders, early interventions for individuals at risk and targeted interventions are reasonable. To provide necessary information for prevention and intervention, research on risk and protective factors of specific psychiatric disorders is needed. This study aimed to investigate the risk and protective factors of symptoms of generalized anxiety disorder cross-sectionally and longitudinally. Influences of parental anxiety as a risk factor and of self-esteem, parental care, and social support as protective factors on generalized anxiety in children and adolescents were analyzed. The longitudinal BELLA study is the mental health module of the German National Health Interview and Examination Survey among children and adolescents (KiGGS). Data of 1,469 participants aged 11 – 17 years from three measurement points (covering a period of 2 years) were analyzed. Latent growth and linear regression models controlling for age, sex, socioeconomic status, as well as comorbid depressive symptoms were calculated. Parental anxiety at baseline predicted symptoms of generalized anxiety disorder in children and adolescents at baseline as well as over time. Further, the protective factor self-esteem at baseline was associated with fewer symptoms of generalized anxiety disorder at baseline. Additionally, positive change in self-esteem was associated with the development of fewer symptoms of generalized anxiety disorder over time. However, no effects at all were found for parental care and social support. In terms of control variables, girls compared with boys and older compared with younger children and adolescents had more symptoms of generalized anxiety disorder. Moreover,
Die Autoren danken Catharina Voss für die Unterstützung bei der Datenaufbereitung sowie den Mitgliedern der BELLA study group. Die Mitglieder der BELLA study group sind: Ulrike Ravens-Sieberer und Fionna Klasen, Hamburg (Projektleiterinnen); Claus Barkmann, Hamburg; Monika Bullinger, Hamburg; Manfred Döpfner, Köln; Beate Herpertz-Dahlmann, Aachen; Heike Hölling, Berlin; Franz Petermann, Bremen; Franz Resch, Heidelberg; Aribert Rothenberger, Göttingen; Sylvia Schneider, Bochum; Michael Schulte-Markwort, Hamburg; Robert Schlack, Berlin; Frank Verhulst, Rotterdam; Hans-Ulrich Wittchen, Dresden. © 2016 Hogrefe Verlag
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 21–30 DOI: 10.1026/0942-5403/a000185
22
C. Otto et al., Risiko- und Schutzfaktoren generalisierter Ängstlichkeit im Kindes- und Jugendalter
symptoms of depression and generalized anxiety disorder were positively connected, initially as well as concerning their changes over time. Findings confirm that parental anxiety is a risk factor for the development of generalized anxiety in their children. Further, findings confirm that self-esteem may serve as a protective factor for generalized anxiety in children and adolescents. However, effects were only small in our general population sample and the longitudinal data covered only a period of 2 years. Thus, changes over time were only small. In terms of limitations, this study could not consider stressful or traumatic life events and parental anxiety was assessed by only one item. Further, we analyzed only data gathered by questionnaires, but did not conduct psychiatric diagnostics. The protective factor self-esteem may be of interest concerning clinical work with children and adolescents suffering from generalized anxiety disorder. Keywords: generalized anxiety disorder, depression, social support, parental care, self-esteem, longitudinal study
Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Auffälligkeiten in der Kindheit und Jugend (Ihle & Esser, 2007) mit Prävalenzen zwischen 6.9 % und 17.7 % (Beesdo, Knappe & Pine, 2009; Hölling et al., 2014). Bestimmte Angststörungen der Kindheit und Jugend treten mit Prävalenzen von 0.1 % bis 10.9 % auf (Beesdo et al., 2009) und sind oftmals mit komorbiden Auffälligkeiten assoziiert (vgl. beispielsweise Petermann & Petermann, 2009). Für die generalisierte Angststörung beträgt die Lebenszeitprävalenz laut einer US-amerikanischen Studie an Jugendlichen 2.2 % (Merkiangas, He, Burstein et al., 2010). Depressive Störungen sowie andere Angststörungen gelten als häufige komorbide Störungen der generalisierten Angststörung bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen (Copeland, Angold, Shanahan & Costello, 2014). Nach DSM-5 (APA, 2013) ist die generalisierte Angststörung bei Kindern und Jugendlichen gekennzeichnet durch eine übermäßige Angst und Sorge sowie das Vorliegen eines somatischen Symptoms über drei Monate. Das Erstmanifestationsalter der generalisierten Angststörung liegt bei achteinhalb Jahren (Keeton, Kolos & Walkup, 2009). Grundsätzlich scheinen Mädchen eher von dieser Störung betroffen zu sein als Jungen (Merkiangas et al., 2010). Von der Kindheit bis in das frühe Erwachsenenalter werden steigende Prävalenzschätzungen für die generalisierte Angststörung bei weiblichen Personen berichtet, bei männlichen Personen ist der Anstieg weniger steil und fällt zwischenzeitlich deutlich ab (Copeland et al., 2014). Angststörungen haben oftmals einen chronischen Verlauf (Kessler, Ruscio, Shear & Wittchen, 2010), weshalb diese Störungen in der Kindheit häufig Angststörungen im Erwachsenenalter vorhersagen können (Bittner, Egger, Erkanli et al., 2007). Um die hohen individuellen und gesellschaftlichen Belastungen, die durch Angststörungen und Depressionen hervorgerufen werden, reduzieren zu können, ist die Früherkennung dieser Störungen wichtig (Shanahan, Zucker, Copeland et al., 2015). Für die Planung entsprechender Präventions- und Interventionsmaßnahmen werden Forschungsbefunde zu störungsspezifischen Risiko- und Schutzfaktoren benötigt (Khalid-Khan, 2011). Bezogen auf Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen ist das Vorliegen von Angststörungen bei deren Eltern ein Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 21–30
wichtiger Risikofaktor (Khalid-Khan, 2011; Schreier, Wittchen, Höfler & Lieb, 2008). Bei Schutzfaktoren kann in Anlehnung an Masten und Reed (2002) zwischen personenbezogenen, familiären und sozialen Schutzfaktoren unterschieden werden. Als personenbezogene Schutzfaktoren vor Angststörungen können das Temperament, kognitive Fähigkeiten und soziale Kompetenz wirken (Farrell & Barrett, 2007). Darüber hinaus fanden Grills-Taquechel, Norton und Ollendick (2010) Hinweise auf eine schützende Wirkung des Selbstwertgefühls für die Entwicklung sozialer Angst bei Kindern und Jugendlichen. Basierend auf Daten anderer Längsschnittstudien fand eine umfangreiche Meta-Analyse eine reziproke Beziehung zwischen dem Selbstwertgefühl und Ängstlichkeit über die Zeit (Sowislo & Orth, 2013). Demnach sagt ein schwaches Selbstwertgefühl ausgeprägte Ängstlichkeit und ausgeprägte Ängstlichkeit ein schwaches Selbstwertgefühl über die Zeit vorher. Hinsichtlich familiärer Schutzfaktoren wurde basierend auf Daten aus sechs europäischen Ländern der Hinweis gefunden, dass elterliche Fürsorge vor Angststörungen schützen kann (Heider, Matschinger, Bernert et al., 2008). Als sozialer Schutzfaktor von Angststörungen kann nach einer Übersichtsarbeit soziale Unterstützung gelten (Khalid-Khan, 2011).
Fragestellung Die vorliegende Studie untersucht, ob und in wieweit wichtige ausgewählte Risiko- und Schutzfaktoren auf Symptome generalisierter Angststörung (im Weiteren als generalisierte Ängstlichkeit bezeichnet) bei Kindern und Jugendlichen wirken. Es werden sowohl initiale Einflüsse, als auch Veränderungen über den Studienverlauf analysiert. Als Risikofaktor wird die elterliche Ängstlichkeit gewählt, als Schutzfaktoren das Selbstwertgefühl, die elterliche Fürsorge und soziale Unterstützung. Weitere wichtige Einflussfaktoren, wie das Alter, Geschlecht, der sozioökonomische Status (SES) und das Vorliegen einer depressiven Symptomatik werden berücksichtigt. Zusätzlich wird übergeprüft, ob und inwieweit die Schutzfaktoren © 2016 Hogrefe Verlag
C. Otto et al., Risiko- und Schutzfaktoren generalisierter Ängstlichkeit im Kindes- und Jugendalter
jeweils moderierend auf die Beziehung zwischen elterlicher Ängstlichkeit und generalisierter Ängstlichkeit der Kinder und Jugendlichen wirken. In dieser Studie wird das Selbstwertgefühl als Schutzfaktor vor generalisierter Ängstlichkeit betrachtet, die Wirkung der generalisierten Ängstlichkeit auf das Selbstwertgefühl gemäß den Resultaten der erwähnten Meta-Analyse (Sowislo & Orth, 2013) kann im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht werden.
Methoden Studie und Durchführung Die Befragung zum seelischen Wohlbefinden und Verhalten (BELLA-Studie) ist das Modul Psychische Gesundheit der KiGGS-Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland des Robert Koch-Instituts. Die BELLA-Kohortenstudie wird ausführlich von RavensSieberer, Klasen und Petermann (2016) beschrieben.
Stichprobe In die vorliegenden Analysen wurden Teilnehmer eingeschlossen, die zu Studienbeginn 11 bis 17 Jahre alt waren, da Selbstberichte der Teilnehmer erst ab dem Alter von 11 Jahren in der BELLA-Studie erfasst wurden. Zur Durchführung der Längsschnittanalysen wurden Angaben der Teilnehmer zu den ersten drei Messzeitpunkten ausgewertet (Basiserhebung, 1-Jahres-Follow-up und 2-JahresFollow-up; vgl. Ravens-Sieberer et al., 2016). Analysebedingt konnten diejenigen Fälle in die Auswertungen eingeschlossen werden, die · vollständige Angaben zu Alter, Geschlecht und SES sowie · Angaben zu jeweils mindestens einem Messzeitpunkt zur generalisierten Ängstlichkeit, depressiven Symptomatik sowie zu jedem untersuchten Risiko- und Schutzfaktor aufwiesen.
23
zwischen 3 und 21 (Werte zwischen 3 und 8 weisen auf einen geringen, Werte zwischen 9 und 14 auf einen mittleren und Werte über 14 auf einen hohen SES hin). Generalisierte Ängstlichkeit. In der BELLA-Studie wurde der Screen for Child Anxiety Related Emotional Disorders (SCARED, Birmaher, Brent, Chiapetta et al., 1999) im Selbstbericht bei Kindern und Jugendlichen in einer autorisierten deutschen Übersetzung (SCARED-D, Plass, Mack & Barkmann, 2004) eingesetzt. Der SCARED-D wurde ausgewählt, da noch kein entsprechendes DSM-5basiertes Verfahren vorlag. Neben einem Gesamtwert bietet der SCARED-D Subskalen an, die auf die Symptome ausgewählter Angststörungen gemäß DSM‐IV (APA, 2000) ausgerichtet sind. Die vorliegende Studie analysiert die Subskala Generalisierte Angst, die mit 9 Items (z. B.: „Ich mache mir Sorgen darüber, ob andere Menschen mich mögen.“) Symptome der generalisierten Angststörung erfasst. Die Items des SCARED-D werden mit 3-stufigen Antwortskalen angeboten (0 = „trifft nicht oder fast nie zu“ bis 2 = „trifft genau oder häufig zu“). Für die vorliegenden Analysen wurde ein Skalen-Mittelwert berechnet (Spannweite von 0 bis 2), wobei ein hoher Wert eine ausgeprägte generalisierte Ängstlichkeit anzeigt. Diese Skala zeigte zu den drei Messzeitpunkten eine gute interne Konsistenz gemäß Cronbachs α mit Werten zwischen .81 und .85.
Erhebungsverfahren
Depressive Symptomatik. Die Center for Epidemiologic Studies Depression Scale (CES-DC, Weissmann, Orvaschel & Padian, 1980) wurde in der deutschen Übersetzung (Barkmann, Erhart & Schulte-Markwort, 2008) im Selbstbericht eingesetzt. Wie das Originalverfahren, so erhebt auch die deutsche Version der CES-DC das Auftreten und die Häufigkeit depressiver Symptome bezogen auf die letzte Woche anhand von 20 Items (z. B. „In der letzten Woche war ich niedergeschlagen und unglücklich“) mit einer 4-stufigen Antwortskala (0 = „überhaupt nicht“ bis 3 = „sehr“). Zur Auswertung werden vier Subskalen (Somatische Probleme, Depressiver Affekt, Positiver Affekt und Interpersonelle Probleme) sowie ein Gesamtwert über alle Items angeboten. Es wurde ein Mittelwert über alle 20 Items berechnet (Spannweite von 0 bis 3), wobei ein hoher Wert eine ausgeprägte depressive Symptomatik anzeigt. Die interne Konsistenz dieser Gesamtskala gemäß Cronbachs α erwies sich als gut, die Werte lagen zwischen .83 und .88 zu den Messzeitpunkten.
Soziodemografische Angaben. Neben dem Alter und Geschlecht der Kinder und Jugendlichen wurde der SES erfasst. Der Winkler-Index (Winkler & Stolzenberg, 1999) berücksichtigt die Bildung, Stellung im Beruf sowie das Einkommen beider Eltern und ergibt einen Gesamtwert
Elterliche Ängstlichkeit. Die elterliche Psychopathologie wurde mit der von Klaghofer und Brähler (2001) entwickelten Symptom-Checkliste-Kurzversion-9 (SCL-K-9) erfasst. Diese Kurzversion der Symptomcheckliste-90-R (SCL-90-R, Derogatis, 1994) gilt als objektives, reliables
© 2016 Hogrefe Verlag
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 21–30
24
C. Otto et al., Risiko- und Schutzfaktoren generalisierter Ängstlichkeit im Kindes- und Jugendalter
und valides Verfahren (Klaghofer & Brähler, 2001) und erfasst neun psychische Störungsbereiche durch je ein Item auf einer 5-stufigen Skala (1 = „überhaupt nicht“ bis 5 = „sehr stark“). Für die vorliegende Analyse wurde das Item zur Ängstlichkeit aus der SCL-K-9 genutzt („Wie sehr litten Sie in den letzten 7 Tagen unter dem Gefühl, gespannt oder aufgeregt zu sein?“). Ein hoher Itemwert (Spannweite von 0 bis 4) zeigt eine hohe elterliche Ängstlichkeit an. Selbstwertgefühl. Das Self-Perception Profile for Children (SPPC, Harter, 1985) erfasst das Selbstkonzept von Kindern und Jugendlichen. In der BELLA-Studie wurde die Subskala Selbstwertgefühl aus der deutschen Version des SPPC (SPPC-D, Asendorpf & van Aken, 1993) eingesetzt. Die Subskala Selbstwertgefühl umfasst sechs Items (z. B. „Einige Kinder sind sehr froh darüber, so zu sein, wie sie sind.“ versus „Andere Kinder wünschen sich, sie wären anders.“). Die Teilnehmer schätzen sich selbst in einem zweistufigen Prozess hinsichtlich jedes Items ein (1. Auswahl zwischen zwei Extremaussagen, 2. Genauere Einschätzung hinsichtlich der gewählten Aussage anhand von 1 = „Stimmt ganz genau“ oder 2 = „stimmt so ungefähr“). Für jedes Item errechnet sich ein Mittelwert, der zwischen 1 und 4 liegt. Es wurde ein Gesamtmittelwert über die Items berechnet, der bei hoher Ausprägung ein gutes Selbstwertgefühl anzeigt (Spannweite von 0 bis 3). Cronbachs α lag zwischen .80 und .88 zu den Messzeitpunkten und wies somit auf eine gute interne Konsistenz der Skala hin. Elterliche Fürsorge. Elterliche Fürsorge wurde gemäß dem Parental Bonding Instrument (PBI, Parker, Tupling & Brown, 1979) erfasst. Das Originalverfahren umfasst 25 Items, deckt die beiden Dimensionen Fürsorge und Überbehütung (alternativ als Kontrolle bezeichnet) ab und ist bei Jugendlichen ab 16 Jahren anwendbar. Für den Einsatz in BELLA wurden vier Items der Dimension Fürsorge ausgewählt, ins Deutsche übersetzt und leicht modifiziert, damit sie für Teilnehmer ab 11 Jahren verständlich waren (z. B.: „Meine Eltern verstehen meine Probleme und Sorgen.“). Die Items waren auf einer 3-stufigen Ratingskala zu beantworten (0 = „fast immer“ bis 2 = „nie“). Die Antworten zu den vier Items wurden umkodiert und zu einem Gesamtmittelwert zusammengefasst (Spannweite von 0 bis 2); ein hoher Skalenwert zeigt eine gute elterliche Fürsorge an. Die Skala wies eine zufriedenstellende interne Konsistenz auf, Cronbachs α lag zwischen .71 und .73 zu den Messzeitpunkten. Soziale Unterstützung. Im Selbstbericht der Kinder und Jugendlichen wurde soziale Unterstützung mit acht kindgerechten Items aus der deutschen Übersetzung der SoKindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 21–30
cial Support Scale (Donald & Ware, 1984) erfasst. Die Items (z. B.: „Gibt es jemanden, der dir zuhört, wenn du das Bedürfnis nach einem Gespräch hast?“) wurden mit einer 5-stufigen Ratingskala angeboten (1 = „nie“ bis 5 = „immer“). Es wurde ein Gesamtmittelwert über alle Items gebildet (Spannweite von 0 bis 4), wobei ein hoher Wert eine ausgeprägte soziale Unterstützung anzeigt. Diese Skala hatte eine gute bis exzellente interne Konsistenz, Cronbachs α lag zwischen .88 und .91 zu den Messzeitpunkten.
Statistische Analysen Die Daten wurden in einer zweistufigen Prozedur analysiert. Im ersten Schritt wurden latente Wachstumsmodelle in Mplus (Muthén & Muthén, 2011) berechnet. Diese und verwandte Verfahren haben sich in den letzten Jahren vor allem aufgrund ihrer enormen Flexibilität als Verfahren zur Veränderungsmessung etabliert (Schmiedek & Wolff, 2010). In der vorliegenden Arbeit wurde für jeden Risiko- und Schutzfaktor, für die generalisierte Ängstlichkeit sowie für die depressive Symptomatik je ein latentes Wachstumsmodell gerechnet. So wurde für jedes Merkmal ein Interzept, das den initialen Status in dem jeweiligen Merkmal zu Studienbeginn angibt, und ein Slope, der die Veränderung bzw. das Wachstum in dem zugehörigen Merkmal über die Zeit beschreibt, berechnet. Der Slope wurde jeweils über den Studienverlauf von zwei Jahren bestimmt, wobei die finale berechnete Variable zum Slope jeweils das Wachstum über ein Jahr abbildet. Zur Analyse der latenten Wachstumsmodelle wurde das robuste Maximum-Likelihood-Schätzverfahren verwendet, das nicht anfällig gegenüber Verletzungen der Normalverteilungsannahme ist und unverzerrte Ergebnisse liefert bei fehlenden Werten, deren Auftreten durch die restlichen Variablen erklärbar ist (zufällig fehlende Werte). Um sicherzustellen, dass das Wachstum für jedes Merkmal angemessen modelliert wurde, wurde als Vorprüfung für jedes Merkmal jeweils ein latentes Wachstumsmodell mit linearem Slope sowie ein Modell mit zusätzlichem quadratischem Wachstumsfaktor berechnet. Für den Vergleich dieser Modelle wurden das Akaike Information Criterion (AIC, Darling, Steinberg & Akaike, 1987), die Korrelation zwischen Interzept und Slope sowie die residualen Varianzen herangezogen. Der Vergleich beider Modelle zeigte jeweils, welche Art der Modellierung des Wachstums die Veränderung in dem jeweiligen Merkmal über den Studienverlauf am besten abbildete. Die schließlich ausgewählten latenten Wachstumsmodelle für die Merkmale wurden hinsichtlich ihrer Güte anhand des Root Mean © 2016 Hogrefe Verlag
C. Otto et al., Risiko- und Schutzfaktoren generalisierter Ängstlichkeit im Kindes- und Jugendalter
25
Tabelle 1. Beschreibung der Stichprobe (n = 1 469) in den untersuchten Merkmalen zu den Messzeitpunkten der BELLA-Kohortenstudie
Generalisierte Ängstlichkeit
Depressive Symptome
Elterliche Ängstlichkeit
Selbstwertgefühl
Elterliche Fürsorge
Soziale Unterstützung
Messzeitpunkt
Gültiges n
Spannweite
M
SD
t1
1 447
0–2
0.63
0.378
t2
1 135
0–2
0.60
0.393
t3
1 116
0 – 1.89
0.60
0.403
t1
1 447
0–2
0.44
0.534
t2
1 136
0–3
0.40
0.528
t3
1 116
0–3
0.38
0.552
t1
1 453
0–4
0.87
0.870
t2
1 168
0–4
0.83
0.861
t3
1 153
0–4
0.70
0.781
t1
1 374
0–3
2.20
0.608
t2
1 035
0–3
2.27
0.626
t3
874
0.17 – 3
2.26
0.620
t1
1 446
0–2
1.81
0.302
t2
1 132
0–2
1.78
0.325
t3
1 114
0.25 – 2
1.77
0.328
t1
1 449
0–4
3.12
0.736
t2
1 169
0.50 – 4
3.30
0.667
t3
990
0.88 – 4
3.32
0.647
Anmerkungen: t1 bezeichnet die Basiserhebung, t2 das 1-Jahres-Follow-up und t3 das 2-Jahres-Follow-up der BELLA-Kohortenstudie.
Error of Approximation (RMSEA, Steiger, 1990) und des Comparative Fit Index (CFI, Bentler, 1990) eingeschätzt. Der Zusammenhang zwischen Interzepts und Slopes aus den latenten Wachstumsmodellen wurde im zweiten Schritt in linearen Regressionsmodellen mit IBM SPSS 22 analysiert. Regressionsmodell A0 dient der Vorhersage der generalisierten Ängstlichkeit zu Studienbeginn (initialer Status) und enthält entsprechend das Interzept zu diesem Merkmal als abhängige Variable sowie die Interzepts der Risiko- und Schutzfaktoren als Prädiktoren. Regressionsmodell B0 dient der Analyse der Veränderung der generalisierten Ängstlichkeit über den Studienverlauf und schließt daher den Slope zu diesem Merkmal als abhängige Variable sowie die Interzepts und Slopes der Risiko- und Schutzfaktoren als Prädiktoren ein. Weitere Regressionsmodelle prüften, ob die genannten Schutzfaktoren jeweils die Assoziation zwischen dem Risikofaktor und der abhängigen Variable moderieren. Die Modelle A1 bis A3 untersuchten den initialen Einfluss der Interaktion des initialen Risikofaktors mit einem der initialen Schutzfaktoren auf die abhängige Variable initiale generalisierte Ängstlichkeit (Modell A1 untersuchte das Selbstwertgefühl, Modell A2 die elterliche Fürsorge und Modell A3 die soziale Unterstützung). Die Modelle B1 bis B3 analysierten entsprechend die Einflüsse der Interaktionen zwischen dem Risikofaktor und einem der Schutzfaktoren auf die Veränderung der generalisierten Ängstlichkeit. Alle Regressionsmodelle beinhalten die Kontrollvariablen Alter, Geschlecht, SES © 2016 Hogrefe Verlag
sowie depressive Symptomatik (Modelle A0 bis A3 schließen das zugehörige Interzept ein, die Modelle B0 bis B3 das Interzept und den Slope). Die Modelle A1 bis A3 sowie B1 bis B3 enthalten neben den zu untersuchenden Interaktionen und Kontrollvariablen jeweils auch die Haupteffekte zu den analysierten Interaktionen. Vor Durchführung der Regressionen wurden die Prädiktoren und metrischen Kontrollvariablen zentriert. Um die Stärke der gefundenen Effekte einzuschätzen, wurde auf Cohen (1988) zurückgegriffen, wonach ein standardisierter Regressionskoeffizient (β) von 0.1 einen schwachen Effekt, ein Koeffizient von 0.3 einen mittleren und ein Wert von 0.5 einen starken Effekt anzeigt.
Ergebnisse Die Angaben von 1 469 Kindern und Jugendlichen wurden analysiert, wobei 50.9 % der Teilnehmer weiblich waren. Zu Studienbeginn lag das Alter der Teilnehmer im Durchschnitt bei 13.9 Jahren (SD = 1.98) und der SES laut Winkler-Index im Mittel bei 11.9 (SD = 4.13). Die Mittelwerte der Teilnehmer in den untersuchten Merkmalen zu den Messzeitpunkten sind in Tabelle 1 dargestellt. Die Vorabanalysen zu den latenten Wachstumsmodellen zeigten, dass ein lineares Wachstum die untersuchten Daten Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 21–30
26
C. Otto et al., Risiko- und Schutzfaktoren generalisierter Ängstlichkeit im Kindes- und Jugendalter
Tabelle 2. Prädiktoren initialer und sich zeitlich verändernder generalisierter Ängstlichkeit bei Kindern und Jugendlichen Prädiktoren initialer generalisierter Ängstlichkeita b Konstante
β
0.58
Prädiktoren sich zeitlich verändernder generalisierter Ängstlichkeitb
p
b
< .001
-0.02
β
p < .001
Kontrollvariablen Geschlecht (weiblich)
0.09
0.15
< .001
0.01
0.09
.001
Alter (in Jahren zu Studienbeginn)
0.02
0.14
< .001
0.00
0.00
.951
Sozioökonomischer Status
0.01
0.08
< .001
0.00
0.05
.037
Initiale depressive Symptome
0.45
0.40
< .001
0.01
0.02
.583
0.64
0.23
< .001
0.01
0.06
.028
0.12
0.05
.058
Veränderung in depressiven Symptomen Risikofaktor Initiale elterliche Ängstlichkeit
0.05
0.07
< .001
Veränderung in elterlicher Ängstlichkeit Schutzfaktoren Initiales Selbstwertgefühl
-0.16
-0.24
< .001
0.00
0.02
.441
Initiale elterliche Fürsorge
0.04
0.03
.204
0.00
0.00
.952
-0.02
-0.03
.167
-0.01
-0.03
.384
Veränderung im Selbstwertgefühl
-0.06
-0.11
< .001
Veränderung in elterlicher Fürsorge
-0.09
-0.05
.066
Veränderung in sozialer Unterstützung
-0.02
-0.03
.287
Initiale soziale Unterstützung
Anmerkungen: aLineares Regressionsmodell A0 (n=1 469): R²=0.41; F=125.70; bLineares Regressionsmodell B0 (n=1 469): R²=0.10; F=13.38
angemessen repräsentierte; das heißt, es wurden keine Hinweise gefunden, welche die Aufnahme eines quadratischen Wachstumsfaktors in eines der Modelle nahelegten. Die Passung der Modelle mit linearem Wachstum lag zwischen nahezu akzeptabel und gut gemäß RMSEA und CFI (generalisierte Ängstlichkeit: Chi² = 0.39; Freiheitsgrade (FG) = 1; p = .534; RMSEA = 0 (90 %iges KI 0 - 0.06); CFI = 1; depressive Symptomatik: Chi² = 0.02; FG = 1; p = .888; RMSEA = 0 (90 %iges KI 0 – 0.03); CFI = 1; elterliche Ängstlichkeit: Chi² = 2.78; FG = 1; p = .095; RMSEA = 0.04 (90 %iges KI 0 – 0.09); CFI = 0.99; Selbstwertgefühl: Chi² = 3.79; FG = 1; p = .051; RMSEA = 0.04 (90 %iges KI 0 – 0.09); CFI = 1; elterliche Fürsorge: Chi² = 3.53; FG = 1; p = .06; RMSEA = 0.04 (90 %iges KI 0 – 0.09); CFI = 0.99; soziale Unterstützung: Chi² = 12.28; FG = 1; p ≤ .001; RMSEA = 0.09 (90 %iges KI 0.05 – 0.13); CFI = 0.97). Anhand des Regressionsmodells A0 wurden die Effekte der Risiko- und Schutzfaktoren auf die generalisierte Ängstlichkeit der Kinder und Jugendlichen zu Studienbeginn untersucht (siehe Tabelle 2; Abbildung 1). In den Resultaten zum Regressionsmodell A0 zeigte sich ein signifikanter Effekt elterlicher Ängstlichkeit auf die generalisierte Ängstlichkeit der Kinder und Jugendlichen. Bei den Schutzfaktoren ließ sich lediglich für das initiale SelbstwertKindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 21–30
gefühl ein signifikanter Effekt finden. Demnach ging ein gutes Selbstwertgefühl mit geringer generalisierter Ängstlichkeit einher. Anhand der Kontrollvariablen zeigte sich, dass Mädchen eher an generalisierter Ängstlichkeit litten als Jungen. Darüber hinaus war generalisierte Ängstlichkeit bei älteren im Vergleich zu jüngeren Kindern und Jugendlichen ausgeprägter. Weiterhin ging eine stärkere generalisierte Ängstlichkeit mit einem höheren SES einher. Diese Assoziation erwies sich nach Prüfung als Suppressoreffekt, d. h. der SES unterdrückte nicht relevante Varianz im Modell, korrelierte aber weder mit generalisierter Ängstlichkeit, noch mit den Prädiktoren des Modells wesentlich. Schließlich fand sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen generalisierter Ängstlichkeit und depressiver Symptomatik bei den Kindern und Jugendlichen. Die mit Hilfe des Regressionsmodells A0 gefundenen Effekte waren sehr schwach bis schwach, lediglich der Einfluss der initialen depressiven Symptomatik auf die initiale generalisierte Ängstlichkeit hatte mittlere Stärke. Das Regressionsmodell A0 konnte 41 % der Gesamtvarianz der Daten aufklären. Die Analyse des Regressionsmodells B0 offenbarte einen signifikanten Effekt initialer elterlicher Ängstlichkeit auf die Veränderung der generalisierten Ängstlichkeit bei Kindern und Jugendlichen (siehe Tabelle 2; Abbildung 1). Demnach wirkte elterliche Ängstlichkeit zu Studienbeginn nachhaltig auf die © 2016 Hogrefe Verlag
C. Otto et al., Risiko- und Schutzfaktoren generalisierter Ängstlichkeit im Kindes- und Jugendalter
27
Anmerkungen: EA=das Item zur Ängstlichkeit aus der Kurzversion der Symptomcheckliste-90-R (Klaghofer & Brähler, 2001); GA=Subskala Generalisierte Angst aus der Deutschen Version des Screen for Child Anxiety Related Emotional Disorders (Plass et al., 2004); SW=Subskala Selbstwertgefühl aus der deutschen Version des Self-Perception Profile for Children (Asendorpf & van Aken, 1993); EFS=Skala aus vier ins Deutsche übersetzten Items zur Fürsorge aus dem Parental Bonding Instrument (Parker et al., 1979); SU=Skala aus acht ins Deutsche übersetzten Items der Social Support Scale (Donald & Ware, 1984); β=standardisierter Regressionskoeffizient; ***p ≤ .001; **p ≤ .01; *p ≤ .05.
Abbildung 1. Effekte von Risiko- und Schutzfaktoren auf die generalisierte Ängstlichkeit bei Kindern und Jugendlichen.
Veränderung der generalisierten Ängstlichkeit der Kinder und Jugendlichen über den Studienverlauf. Unter den Schutzfaktoren wurde lediglich für die Veränderung im Selbstwertgefühl ein signifikanter Effekt gefunden, wonach eine Verbesserung des Selbstwertgefühls mit einer Abnahme der generalisierten Ängstlichkeit über die Zeit einherging. Die Resultate zu den Kontrollvariablen zeigten, dass die generalisierte Ängstlichkeit bei Mädchen im Vergleich zu Jungen über den Studienverlauf eher anstieg. Darüber hinaus nahm die generalisierte Ängstlichkeit bei Teilnehmern mit hohem im Vergleich zu Teilnehmern mit geringem SES eher zu. Weiterhin war ein Anstieg der generalisierten Ängstlichkeit mit einem Anstieg der depressiven Symptomatik assoziiert. Mit dem Regressionsmodell B0 wurden lediglich sehr schwache bis schwache Effekte entdeckt und es konnten nur 10 % der Gesamtvarianz der Daten aufgeklärt werden. © 2016 Hogrefe Verlag
Die Modelle A1 bis A3 sowie B1 bis B3 prüften, ob und inwieweit die Schutzfaktoren moderierend auf die Beziehung zwischen elterlicher Ängstlichkeit und generalisierter Ängstlichkeit der Kinder und Jugendlichen wirkten. In keinem der genannten Modelle wurden signifikante Effekte für die untersuchten Interaktionen entdeckt.
Diskussion Die vorliegende Arbeit analysierte die Einflüsse ausgewählter Risiko- und Schutzfaktoren auf das Auftreten und die Entwicklung von Symptomen der generalisierten Angststörung bei Kindern und Jugendlichen anhand einer Stichprobe Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 21–30
28
C. Otto et al., Risiko- und Schutzfaktoren generalisierter Ängstlichkeit im Kindes- und Jugendalter
aus der Allgemeinbevölkerung. Es wurden Hinweise gefunden, dass ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl Kinder und Jugendliche vor Symptomen der generalisierten Angststörung schützen kann und eine Verbesserung des Selbstwertgefühls mit einer Abnahme der Symptome dieser Störung über die Zeit einhergeht. Grundsätzlich sind diese Resultate mit den Ergebnissen früherer Studien vereinbar, allerdings fand die Studie von Sowislo und Orth (2013) einen stärkeren initialen Zusammenhang zwischen Selbstwertgefühl und Ängstlichkeit als unsere Studie basierend auf Daten aus der Allgemeinbevölkerung. Zukünftige Forschungsarbeiten sollten diesen Aspekt genauer untersuchen und möglichst die Wechselwirkung zwischen beiden Merkmalen über die Zeit berücksichtigen. Insgesamt legen die berichteten Resultate eine Berücksichtigung des Selbstwertgefühls als Schutzfaktor in der klinischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zur generalisierten Angststörung nahe. Die in dieser Arbeit gefundenen Effekte für Risiko- und Schutzfaktoren waren lediglich sehr schwach bis schwach, für elterliche Fürsorge sowie soziale Unterstützung wurden in keinem Modell Effekte gefunden. Weiterhin war die Varianzaufklärung für das Regressionsmodell zur Untersuchung der Einflüsse der Risiko- und Schutzfaktoren auf die zeitliche Veränderung der Symptome der generalisierten Angststörung bei Kindern und Jugendlichen recht gering (R² = 0.10). Diese Ergebnislage ist u. a. darauf zurückzuführen, dass keine klinische Stichprobe, sondern eine Stichprobe aus der Allgemeinbevölkerung untersucht wurde und das Zeitintervall lediglich zwei Jahre betrug. In diesem Zeitintervall waren lediglich geringe Veränderungen zu verzeichnen. Einhergehend mit früheren Studien (Khalid-Khan, 2011; Schreier et al., 2008) war in der vorliegenden Studie die Ängstlichkeit der Eltern mit Symptomen der generalisierten Angststörung bei deren Kindern assoziiert. Aber eine zunehmende Ängstlichkeit der Eltern ging nicht mit einer Zunahme der Symptome der generalisierten Angststörung ihrer Kinder über die Zeit einher. Dieses Resultat sollte unter Berücksichtigung der untersuchten Stichprobe und des betrachteten Zeitintervalls vorsichtig interpretiert werden. Es wäre zum einen denkbar, dass die Kinder ängstlicher Eltern Bewältigungsstrategien zum Umgang mit der Ängstlichkeit ihrer Eltern entwickeln. Zum anderen wäre vorstellbar, dass sich eine Veränderung bei den Eltern erst mit zeitlicher Verzögerung auf ihre Kinder auswirkt und diese Wirkung im Studienverlauf nicht mehr erfasst werden konnte. Darüber hinaus muss kritisch festgehalten werden, dass die elterliche Ängstlichkeit in der vorliegenden Studie lediglich mit einem Item aus der SCL-K-9 erfasst wurde. Die Folge ist eine möglicherweise eingeschränkte Reliabilität des so erfassten Merkmals in dieser Studie. Für elterliche Fürsorge hatte eine umfangreiche Studie Hinweise auf eine schützende Wirkung gefunden, die aber recht schwach und nur im Kontext mit anderen Merkmalen Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 21–30
aussagekräftig waren (Heider et al., 2008). In der entsprechenden Forschungsrichtung wird postuliert, abweisendes elterliches Verhalten, welches elterliche Nicht-Fürsorge durch einen Elternteil sowie Überbehütung durch den anderen Elternteil umfasst, als Risikofaktor für Angststörungen zu betrachten (Heider et al., 2008; Knappe, Beesdo-Baum, Fehm et al., 2012). Die vorliegende Studie bestätigt bekannte Befunde zu einer hohen Komorbidität von Angst- und depressiven Störungen im Kindes- und Jugendalter, wobei auch Hinweise gefunden wurden, wonach sich die Symptome beider Störungen miteinander entwickeln. Die generalisierte Angststörung ist nach DSM-IV gekennzeichnet durch Sorgen, die auf die Zukunft ausgerichtet sind (Essau, Olaya & Ollendick, 2013). Die genutzte Subskala des SCARED-D zur Erfassung von Symptomen dieser Störung enthält allerdings ein Item, das auf die Vergangenheit abzielt („Ich mache mir Sorgen über Dinge, die bereits geschehen sind.“). Dadurch ergibt sich in der vorliegenden Studie leider eine gewisse Unschärfe in der Abgrenzung zu den Symptomen depressiver Störungen. Die gefundenen geschlechts- und altersspezifischen Effekte sind mit Resultaten epidemiologischer Studien vereinbar (Copeland et al., 2014; Merkiangas et al., 2010). Allerdings wurde in der vorliegenden Studie kein Einfluss des Alters auf die Veränderung in den Symptomen der generalisierten Angststörung entdeckt. Dieser Umstand ist vermutlich auf die geringe Veränderung in den Symptomen der generalisierten Angststörung in der untersuchten Stichprobe über die Zeit zurückzuführen. Zum SES fasst eine Übersichtsarbeit zusammen, dass Angststörungen mit geringer Bildung und geringem Einkommen einhergehen, wobei unklar ist, ob beispielweise eine geringe Bildung als Prädiktor, Korrelat oder Konsequenz einer Angststörung zu verstehen ist (Beesdo et al., 2009). Diese Frage scheint sich besonders bezogen auf betroffene Kinder und Jugendliche zu stellen. Folgende Einschränkungen der vorliegenden Arbeit sind besonders zu erwähnen: In den Analysen wurden traumatische bzw. belastende Lebensereignisse nicht berücksichtigt. Zukünftige Studien sollten diese Aspekte einbeziehen. Darüber hinaus wurden Fragebogendaten analysiert, es wurde keine psychiatrische Diagnostik durchgeführt.
Schlussfolgerungen für die klinische Praxis In Präventions- und Interventionsmaßnahmen zur generalisierten Angststörung bei Kindern und Jugendlichen sollte das Selbstwertgefühl berücksichtigt werden. Ein © 2016 Hogrefe Verlag
C. Otto et al., Risiko- und Schutzfaktoren generalisierter Ängstlichkeit im Kindes- und Jugendalter
starkes Selbstwertgefühl kann schützend vor der Entwicklung einer generalisierten Angststörung wirken und eine Stärkung des Selbstwertgefühls geht mit einem Abbau der Symptome der generalisierten Angststörung einher. Darüber hinaus könnten familienbezogene Interventionsansätze bei dieser Störung hilfreich sein, obwohl die von den Betroffenen selbst eingeschätzten Merkmale elterliche Fürsorge und soziale Unterstützung nicht als Schutzfaktoren wirkten. Leiden allerdings die Eltern an einer Angststörung, benötigen ihre Kinder Unterstützung beim Aufbau von Bewältigungsstrategien. Weiterhin sollte eine komorbide depressive Symptomatik immer beachtet werden. Eine transdiagnostische Betrachtung der Angst- und depressiven Störung sollte sich in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen als Standardvorgehen etablieren. Für die Behandlung beider Störungen haben sich in der Kinderverhaltenstherapie identische Vorgehensweisen als evidenzbasiert herausgestellt (vgl. die aktuelle Übersicht von Belhadj Kouider & Petermann, 2015). Es sollte auch das erhöhte Risiko für Mädchen an der generalisierten Angststörung zu erkranken und der dramatischere Verlauf der Störung im Vergleich zu Jungen berücksichtigt werden. Auf Mädchen ausgerichtete Präventionsmaßnahmen könnten angeboten werden. Schließlich sind Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei jüngeren Kindern wichtig, denn bei 11- bis 17-Jährigen aus der Allgemeinbevölkerung wurden im Laufe von zwei Jahren nur geringe Veränderungen in der Symptomatik entdeckt.
Literatur American Psychiatric Association (APA) (2000). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (4 th ed.). Washington, DC: American Psychiatric Association. American Psychiatric Association (APA) (2013). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5 th ed.). Washington, DC: American Psychiatric Association. Asendorpf, J. & Aken, M. A. G. van (1993). Deutsche Version der Selbstkonzeptskalen von Harter. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 25, 64 – 86. Barkmann, C., Erhart, M. & Schulte-Markwort, M. (2008). The German version of the Centre for Epidemiological Studies Depression Scale for Children: Psychometric evaluation in a population-based survey of 7 to 17 years old children and adolescents – Results of the BELLA study. European Journal of Child and Adolescent Psychiatry, 17, 116 – 124. Beesdo, K., Knappe, S. & Pine, D. S. (2009). Anxiety and anxiety disorders in children and adolescents: Developmental issues and implications for DSM-V. Psychiatric Clinics of North America, 32, 483 – 524. Belhadj Kouider, E. & Petermann, F. (2015). Gemeinsame Risikofaktoren von depressiver und ängstlicher Symptomatik im Kindes- und Jugendalter: Ein systematisches Review aus © 2016 Hogrefe Verlag
29
transdiagnostischer Perspektive. Fortschritte der Neurologie Psychiatrie, 83, 321 – 333. Bentler, P. M. (1990). Comparative fit indexes in structural models. Psychological Bulletin, 107, 238 – 246. Birmaher, B., Brent, D. A., Chiappetta, L., Bridge, J., Monga, S. & Baugher, M. (1999). Psychometric properties of the Screen for Child Anxiety Related Emotional Disorders (SCARED): A replication study. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 38, 1230 – 1236. Bittner, A., Egger, H. L., Erkanli, A., Jane Costello, E., Foley, D. L. & Angold, A. (2007). What do childhood anxiety disorders predict? Journal of Child Psychology and Psychiatry, 48, 1174 – 1183. Cohen, J. (1988). Statistical power analysis for the behavioral sciences (2 nd ed.). Hillsdale, NJ: L. Erlbaum. Copeland, W. E., Angold, A., Shanahan, L. & Costello, J. E. (2014). Longitudinal patterns of anxiety from childhood to adulthood: The Great Smoky Mountains Study. Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 53, 21 – 33. Darling, N., Steinberg, L. & Akaike, H. (1987). Factor analysis and AIC. Psychometrika, 52, 317 – 332. Derogatis, L. R. (1994). Symptom Checklist 90–R: Administration, scoring, and procedures manual (3 rd ed.). Minneapolis, MN: National Computer Systems. Donald, C. A. & Ware, J. E. (1984). The measurement of social support. Research in Community and Mental Health, 4, 325 – 370. Essau, C. A., Olaya, B. & Ollendick, T. H. (2013). Classification of anxiety disorders in children and adolescents. In C. A. Essau & T. H. Ollendick (Eds.), The Wiley-Blackwell handbook of the treatment of childhood and adolescent anxiety (pp. 1 – 22). Chichester: Wiley-Blackwell. Farrell, L. J. & Barrett, P.M. (2007). Prevention of childhood emotional disorders: Reducing the burden of suffering associated with anxiety and depression. Child and Adolescent Mental Health, 12, 58 – 65. Grills-Taquechel, A. E., Norton, P. & Ollendick, T. H. (2010). A longitudinal examination of factors predicting anxiety during the transition to middle school. Anxiety, Stress, & Coping: An International Journal, 23, 493 – 513. Harter, S. (1985). Manual for the Self-Perception Profile for Children (Technical Report). Denver, CO: University of Denver. Heider, D., Matschinger, H., Bernert, S., Alonso, J., Brugha, T. S., Bruffaerts, R., de Girolamo, G., Dietrich, S. & Angermeyer, M. C. (2008). Adverse parenting as a risk factor in the occurance of anxiety disorders – A study in six European countries. Social Psychiatry & Psychiatric Epidemiology, 43, 266 – 272. Hölling, H., Schlack, R., Petermann, F., Ravens-Sieberer, U., Mauz, E. & KiGGS Study Group. (2014). Psychische Auffälligkeiten und psychosoziale Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren in Deutschland – Prävalenz und zeitliche Trends zu 2 Erhebungszeitpunkten (2003 – 2006 und 2009 – 2012). Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 57, 807 – 819. Ihle, W. & Esser, G. (2007). Psychische Störungen im Kindesund Jugendalter: Gesundheitliche Lage, gesundheitliche Versorgung und Empfehlungen. In Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (Hrsg.), Bericht zur Kinderund Jugendgesundheit in Deutschland (S. 11 – 21). Berlin: Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Keeton, C. P., Kolos, A. C. & Walkup, J. T. (2009). Pediatric generalized anxiety disorder: Epidemiology, diagnosis, and management. Paediatric Drugs, 11, 171 – 83. Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 21–30
30
C. Otto et al., Risiko- und Schutzfaktoren generalisierter Ängstlichkeit im Kindes- und Jugendalter
Kessler, R. C., Ruscio, A. M., Shear, K. & Wittchen, H. U. (2010). Epidemiology of anxiety disorders. Current Topics in Behavioral Neurosciences, 2, 21 – 35. Khalid-Khan, S. (2011). Prevention of childhood anxiety disorders, anxiety and related disorders. In A. Szirmai (Ed.), Anxiety and related disorders. Rijeka: InTech. Klaghofer, R. & Brähler, E. (2001). Konstruktion und teststatistische Prüfung einer Kurzform der SCL-90-R. Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, 49, 115 – 124. Knappe, S., Beesdo-Baum, K., Fehm, L., Lieb, R. & Wittchen, H.-U. (2012). Characterizing the association between parenting and adolescent social phobia. Journal of Anxiety Disorders, 26, 608 – 616. Masten, A. S. & Reed, M.-G. J. (2002). Resilience in development. In C. R. Snyder & S. J. Lopez (Ed.), The handbook of positive psychology (pp. 74 – 88). Oxford: University Press. Merkiangas, K. R., He, J. P., Burstein, M., Swanson, S. A., Avenevoli, S., Cui, L., Benjet, C., Georgiades, K. & Swendsen J. (2010). Life time prevalence of mental disorders in U.S. adolescents: Resul ts from the National Comorbidity Survey Replication-Adoles cent Supplement (NCS-A). Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 49, 980 – 989. Muthén, L. K. & Muthén, B. O. (2011). Mplus user’s guide (6th ed.). Los Angeles, CA: Muthén & Muthén. Parker, G., Tupling, H. & Brown L. B. (1979). A Parental Bonding Instrument. British Journal of Medical Psychology, 52, 1 – 10. Petermann, U. & Petermann, F. (2009). Soziale Angst / Soziale Unsicherheit. Kindheit und Entwicklung, 18, 1 – 5. Plass, A., Mack, B. & Barkmann, C. (2004). SCARED-D Screen for Child Anxiety Related Emotional Disorders – deutsche Version. In C. Barkmann, M. Schulte-Markwort & E. Brähler (Hrsg.), Klinisch-psychiatrische Ratingskalen für das Kindes- und Jugendalter (S. 411 – 416). Göttingen: Hogrefe. Ravens-Sieberer, U., Klasen, F. & Petermann, F. (2016). Psychische Kindergesundheit. Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie. Kindheit und Entwicklung, 25, 4-9.
Schmiedek, F. & Wolff, J. K. (2010). Latente Wachstumskurvenmodelle. In C. Wolf & H. Best (Hrsg.), Handbuch der sozialwissenschaftlichen Datenanalyse (S. 1017 – 1030). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Schreier, A., Wittchen, H. U., Höfler, M. & Lieb, R. (2008). Anxiety disorders in mothers and their children: Prospective longitudinal community study. British Journal of Psychiatry, 192, 308 – 309. Shanahan, L., Zucker, N., Copeland, W. E., Bondy, C. L., Egger, H. L. & Costello, E. J. (2015). Childhood somatic complaints predict generalized anxiety and depressive disorders during young adulthood in a community sample. Psychological Medicine, 45, 1721 – 1730. Sowislo, J. F. & Orth, U. (2013). Does low self-esteem predict depression and anxiety? A meta-analysis of longitudinal studies. Psychological Bulletin, 139, 213 – 240. Steiger, J. H. (1990). Structural model evaluation and modification – An interval estimation approach. Multivariate Behavioral Research, 25, 173 – 180. Weissmann, M. M., Orvaschel, H. & Padian, N. (1980). Children’s symptom and social functioning self-report scales: Comparison of mothers’ and children’s reports. Journal of Nervous Mental Disease, 168, 736 – 740. Winkler, J. & Stolzenberg, H. (1999). Der Sozialschicht-Index im Bundes-Gesundheitssurvey. Gesundheitswesen, 61, 178 – 183.
Dr. Christiane Otto Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik Forschungssektion Child Public Health Martinistraße 52, W29 20246 Hamburg c.otto@uke.de
Hogre efe Seminare Nutzen Sie unsere Kompeten nz! Ne N eben en Fa ach chli chli l te tera ratu tur bi bieten wir Ihnen ein ne br b eiite Pa Pale alle ett tte an an sta t nd dar ardi ard disi sierten Testverfahre en so sowie wiie Semi Se Sem mina nare re zu fo follg gen ende de d en Themen:
•
Intelllig igen en e nzdiagnostik
•
Pe Pers er ön önllichkeitsdiagno osttiik os ost
•
Sch Schu Sc hu ulllleiistungsdiagno no n os sttik ik
•
Pe errs son o al a auswahl und d Po Potte enz nzia iale lent len ntwi wic ck klu lung ng
www.hogrefe.de/seminare/ www ww
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 21–30
© 2016 Hogrefe Verlag
Studie
Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie Anne-Catherine Haller1, Fionna Klasen1, Franz Petermann2, Claus Barkmann1, Christiane Otto1, Robert Schlack3 und Ulrike Ravens-Sieberer1 1 2 3
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin Zusammenfassung. Externalisierende Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen gehen häufig mit späteren Risikoverhaltensweisen wie Substanzkonsum, Delinquenz und Gewaltbereitschaft sowie finanziellen Problemen einher. Anhand längsschnittlicher Daten einer bundesweiten, populationsbasierten Stichprobe von 12- bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen (N = 629) wird der Zusammenhang zwischen externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten (n = 116) und möglichen Langzeitfolgen beschrieben. 27.6 % der Teilnehmenden mit externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten wiesen sechs Jahre später riskanten Alkoholkonsum auf, 13.8 % konsumierten illegale Drogen, 19 % zeigten Delinquenz und 41.4 % Gewaltbereitbereitschaft, während 29.3 % von finanziellen Problemen berichteten. Insbesondere Jungen mit externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status standen unter Risiko für späteren riskanten Alkoholkonsum, Delinquenz und Gewaltbereitschaft. Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten in Kindheit und Jugend standen unabhängig von Geschlecht, Alter und sozioökonomischem Status in Zusammenhang mit illegalem Drogenkonsum im Erwachsenenalter. Von finanziellen Problemen im Erwachsenenalter waren die älteren Jugendlichen mit niedrigem sozioökonomischem Status betroffen. Bis zu 16.5 % der untersuchten Risikoverhaltensweisen waren dem Vorkommen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten geschuldet. Schlüsselwörter: Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten, Langzeitfolgen, Substanzkonsum, Delinquenz, finanzielle Probleme
Long-Term Consequences of Externalized Mental Health Problems: Results of the BELLA Cohort Study Abstract. Mental disorders during childhood and adolescence negatively affect young people’s development and can give rise to long-term consequences. Child and adolescent mental disorders also yield longstanding costs to society that are multiplied by the loss of economic productivity in adulthood. Longitudinal studies have associated externalizing behavior problems with subsequent risk behaviors such as substance use, delinquency, violence, or financial struggles multiple times. Regarding German children and adolescents, only little is known about the subsequent risk behaviors associated with externalizing behavior problems in childhood and adolescence. This study reports on the long-term consequences in early adulthood based on data from the longitudinal BELLA study (the mental health module of the German National Health Interview and Examination Survey for children and adolescents). We examined a sample of N = 629 children and adolescents aged 12 – 17 years with externalizing behavior problems. Data were taken from the BELLA study at baseline and a follow-up assessment conducted 6 years later. The risk of externalizing behavior problems in childhood and adolescence for long-term consequences (problematic alcohol use, illegal drug use, delinquency, propensity to violence, financial struggles) in early adulthood was assessed by means of odds ratios and 95 % confidence intervals. Population-attributable risk percentages were calculated to evaluate the degree to which externalizing behavior problems are accountable for the occurrence of long-term consequences. Several multiple logistic regressions were computed with each of the risk behaviors as outcome and with age, gender, socioeconomic status, and internalizing problems as control variables. German children and adolescents with externalizing behavior problems (n = 116) significantly more often reported long-term consequences in early adulthood than did children and adolescents without externalizing behavior problems. Six years later, 27.6 % (n = 32) of the children and adolescents with externalizing behavior problems reported problematic alcohol use and 13.8 % (n = 16) illegal drug use. Further, 19 % (n = 22) showed delinquency, 41.4 % (n = 48) showed propensity to violence, and 29.3 % (n = 34) reported financial struggles. After
Die Autoren danken Catharina Voss für die Unterstützung bei der Aufbereitung der Daten, Toni Klein für ihre Hilfe bei der Erstellung des Manuskripts sowie den Mitgliedern der BELLA study group für die kompetente Beratung in allen Phasen der Studie. Die Mitglieder der BELLA study group sind: Ulrike Ravens-Sieberer und Fionna Klasen, Hamburg (Projektleiterinnen); Claus Barkmann, Hamburg; Monika Bullinger, Hamburg; Manfred Döpfner, Köln; Beate Herpertz-Dahlmann, Aachen; Heike Hölling, Berlin; Franz Petermann, Bremen; Franz Resch, Heidelberg; Aribert Rothenberger, Göttingen; Sylvia Schneider, Bochum; Michael Schulte-Markwort, Hamburg; Robert Schlack, Berlin; Frank Verhulst, Rotterdam; Hans-Ulrich Wittchen, Dresden. © 2016 Hogrefe Verlag
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 31–40 DOI: 10.1026/0942-5403/a000186
32
A.-C. Haller et al., Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten
controlling for age, gender, socioeconomic status, and internalizing problems, the at-risk group for problematic alcohol use, delinquency, and propensity to violence included boys with externalizing behavior problems from families with a lower socioeconomic status. Illegal drug use was correlated with externalizing behavior problems only. Financial struggles correlated with older age and lower socioeconomic status. Up to 16.5 % of the cases with long-term consequences could be ascribed to externalizing behavior problems. These findings illustrate the necessity to identify children and adolescents at risk and to place greater emphasis on early prevention services. Keywords: externalizing behavior problems, long-term consequences, substance use, delinquency, financial struggles
Psychische Auffälligkeiten in Kindheit und Jugend können nicht nur die Betroffenen, die Familie und das soziale Umfeld spürbar belasten (Hölling et al., 2014), sondern auch weitreichende Folgen für den weiteren Lebensverlauf nach sich ziehen (Belfer, 2008). Insbesondere externalisierende Verhaltensauffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter stehen in Zusammenhang mit möglichen Langzeitfolgen, wie Substanzkonsum, Delinquenz, oder Arbeitslosigkeit im Erwachsenenalter (Fergusson, Horwood & Ridder, 2005). Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten zeitigen auch nicht zu unterschätzende Kosten für die Gemeinschaft (Belfer, 2008). Eine Analyse deutscher Krankenkassendaten aus dem Zeitraum von 2006 bis 2009 belegt, dass bei Jugendlichen mit Störungen des Sozialverhaltens knapp viermal so hohe Kosten zu verzeichnen sind als bei Jugendlichen einer Kontrollgruppe ohne Störungen des Sozialverhaltens (Ewest, Reinhold, Vloet, Wenning & Bachmann, 2013). Weitere, durch Langzeitfolgen externalisierender Störungen verursachte direkte und indirekte Kosten entstehen im Strafjustiz- und Sozialwesen (Scott, Knapp, Henderson & Maughan, 2001) oder durch Produktivitätsausfall am Arbeitsplatz (Belfer, 2008; Karow et al., 2013). Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen umfassen aggressive, hyperaktive und dissoziale Verhaltensweisen (Achenbach, 1991). Diese Auffälligkeiten können entweder kategorial oder dimensional erfasst werden. International anerkannte, dimensionale Erhebungsverfahren für externalisierende Verhaltensauffälligkeiten umfassen beispielsweise die Child Behavior Checklist (CBCL, Achenbach, 1991) und den Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ, Goodman, 1997). In Deutschland zeigen zwischen 14.2 % (erfasst mit der CBCL) und 22.7 % (erfasst mit dem SDQ) der 11- bis 17-Jährigen Symptome externalisierender Verhaltensauffälligkeiten (Ravens-Sieberer et al., 2008; Hölling, Erhart, Ravens-Sieberer & Schlack, 2007), wobei die Symptome in der Tendenz in der Jugend zu‐ und im frühen Erwachsenenalter wieder abnehmen (vgl. Klasen et al., 2016). Aktuelle Erklärungsansätze für die Entstehung externalisierender Verhaltensauffälligkeiten gehen von einem Zusammenwirken von biologischen und psychosozialen Faktoren aus. Diese Faktoren können überdies mit bestimmten Entwicklungsaufgaben und Lernerfahrungen Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 31–40
(z. B. Verstärkung dysfunktionalen Verhaltens) interagieren und so den weiteren Verlauf externalisierender Verhaltensauffälligkeiten positiv oder negativ beeinflussen (Scheithauer, Mehren & Petermann, 2003). Im letzteren, negativen Fall spricht man auch von externalisierenden Entwicklungspfaden (Schulenberg & Maggs, 2008). Zahlreiche Ergebnisse aus Längsschnittstudien bestätigen das psychopathologische Entwicklungsmodell externalisierender Entwicklungspfade. Kohortenstudien berichten konsistent von signifikanten Zusammenhängen zwischen externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten in der Kindheit und Langzeitfolgen wie Alkoholmissbrauch (Colman et al., 2009), illegalen Drogenkonsum oder Drogenabhängigkeit (Fergusson et al., 2005; Fergusson, Horwood & Ridder, 2007), Delinquenz und Gewalt (Fergusson, Boden & Horwood, 2013; Fergusson et al., 2005) oder finanziellen Problemen (Fergusson et al., 2013; Moffitt et al., 2011). So belegen Daten der British Cohort Study, dass Jugendliche mit externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten im Alter zwischen 13 und 15 Jahren 30 bis 40 Jahre später signifikant häufiger von Alkoholmissbrauch berichten als Jugendliche ohne externalisierende Verhaltensauffälligkeiten (Colman et al., 2009). Fergusson und Kollegen (2005) konnten darüber hinaus demonstrieren, dass das Ausmaß externalisierender Verhaltensauffälligkeiten im Alter zwischen sieben und neun Jahren mit dem Risiko, im jungen Erwachsenenalter Drogenabhängigkeit aufzuweisen oder (gewaltsames) delinquentes Verhalten zu zeigen, signifikant zusammenhängt. Fergusson, Arseneault und Belsky (2011) belegen ferner, dass externalisierende Verhaltensauffälligkeiten im Alter von sechs bis zehn Jahren neben Alkoholabhängigkeit, illegalem Drogenkonsum, Gewalt und Delinquenz auch signifikant mit armutsbezogenen Parametern zusammenhängen. Neben externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten existieren weitere Faktoren, die in Verbindung mit Risikoverhaltensweisen gebracht werden. Der Zusammenhang zwischen Geschlecht und Risikoverhaltensweisen im Erwachsenenalter ist gut belegt: Längsschnittstudien zeigen, dass Jungen signifikant häufiger problematischen Alkoholkonsum (Pitkanen, Lyyra & Pulkkinen, 2005) und illegalen Drogenkonsum (Von Sydow et al., 2001) im Erwachsenenalter aufweisen als Mädchen. Jungen werden zudem eher delinquent als Mädchen (Shoemaker, 2009). Für Geschlechtsunterschiede bei Gewaltausübung sind die Ergebnisse weniger eindeutig (Logan-Greene et al., 2011) und oft von soziokul© 2016 Hogrefe Verlag
A.-C. Haller et al., Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten
turellen Zuschreibungen von Geschlechterrollen abhängig (Richardson & Hammock, 2007). Auch Kinder und Jugendliche aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status weisen ein größeres Risiko auf, im Erwachsenenalter Risikoverhalten zu zeigen. So berichten Toumbourou und Kollegen (2007) in ihrem Meta-Review von einem klaren Zusammenhang zwischen dem Aufwachsen in sozioökonomisch benachteiligten Bedingungen und Substanzmissbrauch, Kriminalität und Gewalt. In der Literatur wird aber auch der Zusammenhang zwischen internalisierenden Auffälligkeiten und späteren Risikoverhalten, vornehmlich Substanzkonsum, diskutiert (Colder et al., 2013). Internalisierende Auffälligkeiten können demnach sowohl als Risikofaktor wie auch als hemmender Faktor hinsichtlich späteren Substanzkonsum wirken (Fite, Colder & O’Connor, 2006). Der mit internalisierenden Auffälligkeiten verbundene soziale Rückzug und/oder die Angst vor negativen Folgen könnte es dem Kind oder Jugendlichen erschweren, sich Gleichaltrigen anzuschließen, die Alkohol und illegale Substanzen konsumieren (Fite et al., 2006).
33
LLA-Kohortenstudie sind bei Ravens-Sieberer, Klasen und Petermann (2016) beschrieben.
Stichprobe Für die vorliegende Studie konnten die Daten von N = 629 Kindern und Jugendlichen, die sowohl an der Basiserhebung der BELLA-Studie wie auch sechs Jahre später an der dritten Folgeunteruntersuchung teilgenommen hatten, herangezogen werden. Insgesamt nahmen 49.9 % aller Teilnehmenden der Basiserhebung sechs Jahre später wieder an der Studie teil. Detailliertere Informationen zur BELLA-Kohorte und zur Drop-out-Rate über die verschiedenen Erhebungszeitpunkte hinweg sind bei RavensSieberer und Kollegen beschrieben (Ravens-Sieberer et al., 2014). Die vorliegende Stichprobe umfasst Kinder und Jugendliche, die zur Basiserhebung 12 bis 17 Jahren alt waren. Etwas mehr als die Hälfte waren Mädchen (n = 345, 54.8 %). Der Altersdurchschnitt lag bei M = 14.3 Jahren (SD = 1.69 Jahre).
Fragestellungen Erhebungsverfahren Zu Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten gibt es in Deutschland noch kaum populationsbasierte Daten. Ziel der vorliegenden Studie ist es, diese Lücke mit Hilfe der Daten einer bundesweiten, epidemiologischen Stichprobe zu schließen. Die Fragestellungen dieser Studie lauten: 1. Wie häufig treten bei 12- bis 17-Jährigen mit externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten riskanter Alkoholkonsum, illegaler Drogenkonsum, Delinquenz, Gewaltbereitschaft und finanzielle Probleme im frühen Erwachsenenalter auf ? 2. Wie hoch ist das Risiko bei betroffenen Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu nicht Betroffenen, im frühen Erwachsenenalter diese Langzeitfolgen zu entwickeln? 3. Welche Rolle spielen dabei Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status und internalisierende Auffälligkeiten?
Methoden Studie und Durchführung Die Analysen beruhen auf Daten der Befragung zum seelischen Wohlbefinden und Verhalten (BELLA-Studie). Das Studiendesign und die Studiendurchführung der BE© 2016 Hogrefe Verlag
Erhebungsverfahren aus der Basiserhebung (Teilnehmende 12 bis 17 Jahre alt) Zur Erfassung externalisierender Verhaltensauffälligkeiten sowie internalisierender Auffälligkeiten wurde der Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ, Goodman, 1997) in der deutschen Übersetzung (Klasen et al., 2000) im Selbsturteil herangezogen. Der SDQ besteht aus 25 Items die sich auf die letzten sechs Monate beziehen und vier Problemskalen sowie einer Skala zu prosozialem Verhalten zugeordnet sind. Die für die vorliegende Studie relevante Falldefinition für externalisierende Verhaltensauffälligkeiten und internalisierende Auffälligkeiten lehnt sich an die von Goodman, Lamping und Ploubidis (2010) publizierte Einteilung in externalisierende und internalisierende Auffälligkeiten an, deren Anwendung die Autoren insbesondere bei epidemiologischen Stichproben empfehlen (Goodman et al., 2010). Für die bivariaten Analysen wurden alle Werte der Problemskalen Verhaltensprobleme und Hyperaktivität/Unaufmerksamkeit, die als grenzwertig oder auffällig eingestuft werden, in eine dichotome Variable externalisierende Verhaltensauffälligkeiten integriert. Analog dazu wurden alle Werte der Problemskalen emotionale Probleme und Probleme mit Gleichaltrigen, die als grenzwertig oder auffällig eingestuft werden, in eine dichotome Variable internalisierende Auffälligkeiten integriert. Für die multivariaten Analysen Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 31–40
34
A.-C. Haller et al., Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten
wurden die Summenwerte der zwei jeweiligen Unterskalen gemittelt und die metrischen Skalen externalisierende Verhaltensauffälligkeiten und internalisierende Auffälligkeiten gebildet. Erhebungsverfahren zum Messzeitpunkt sechs Jahre später (Teilnehmende 18 bis 23 Jahre alt) Riskanter Alkoholkonsum wurde mit Hilfe des Alcohol Use Disorder Identification Test (AUDIT) im Selbsturteil gemessen. Der AUDIT ist ein von der WHO entwickeltes Screening zu riskantem und schädlichem Trinkverhalten (Babor, 2011), das international standardisiert wurde und in diversen Settings für unterschiedliche Zielgruppen eingesetzt werden kann. Für die vorliegende Studie wurden die drei Items aus dem Teilbereich zu riskantem Alkoholgebrauch (AUDIT-C) ausgewertet. Häufigkeit und Menge des Alkoholkonsums wurden mit den Items „Wie oft nehmen Sie ein alkoholisches Getränk, also z. B. ein Glas Wein, Bier, Mixgetränke, Schnaps oder Likör, zu sich?“ und „Wenn Sie Alkohol trinken, wie viele alkoholische Getränke trinken Sie dann üblicherweise an einem Tag?“ erfragt. Exzessives Trinkverhalten wurde durch das Item „Wie oft trinken Sie sechs oder mehr alkoholische Getränke bei einer Gelegenheit, z. B. auf einer Party?“ operationalisiert. Zur Erfassung riskanten Alkoholkonsums wurde eine dichotome Variable erstellt, die alle Teilnehmenden, deren Summenwert des AUDIT-C ins oberste Quartil fiel, positiv kodiert. Illegaler Drogenkonsum wurde mit Hilfe von neun Items aus der Europäischen Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen (ESPAD) operationalisiert (Hibell et al., 2009; Kraus, Pabst & Steiner, 2008). Acht Items im dichotomen Antwortformat erfragten im Selbstbericht die Lebenszeitprävalenz der Einnahme verschiedener illegaler psychoaktiver Substanzen (Cannabis; LSD oder Drogenpilze; Partydrogen wie Ecstasy, Amphetamine, Speed oder Crystal; Kokain; Crack; Heroin), Schnüffelstoffen (wie Leim oder Lösungsmittel), und verschreibungspflichtigen Medikamenten (wie Benzodiazepine, Antidepressiva, Neuroleptika). Ein weiteres Item erfasste die Häufigkeit des Cannabiskonsums pro Jahr. Zur Erfassung illegalen Drogenkonsums wurde eine dichotome Variable erstellt, die alle Teilnehmenden, die mindestens 40 Mal pro Jahr Cannabis und zusätzlich mindestens eine weitere illegale psychoaktive Substanz in ihrem Leben konsumiert hatten, positiv kodiert. Delinquenz wurde mit Hilfe dreier, ebenfalls aus dem ESPAD Fragebogen stammender Items erfasst. Die Teilnehmenden wurden gefragt, ob sie schon einmal Ärger mit der Polizei gehabt hätten, ob sie schon einmal in einem Gerichtsverfahren beschuldigt worden seien und ob sie schon einmal Strafstunden abarbeiten mussten oder in Jugendarrest, im Jugendgefängnis oder in Untersuchungshaft geweKindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 31–40
sen waren. Diese Fragen konnten auf einer 4-stufigen Skala (von trifft überhaupt nicht zu bis trifft genau zu) beantwortet werden. Zur Bildung einer dichotomen Variable zur Erfassung von Delinquenz wurden alle Teilnehmenden, die mindestens eine der drei Fragen affirmativ (trifft eher zu oder trifft genau zu) beantwortet hatten, positiv kodiert. Mit einer Skala von sechs Items wurde Gewaltbereitschaft erhoben (Schlack & Hölling, 2007; Schlack, Hölling, Erhart, Petermann & Ravens-Sieberer, 2010). Aussagen wie „Um mich durchzusetzen, muss ich manchmal auch gewalttätig werden.“ oder „Wenn mich jemand persönlich beleidigt, kann es ihm passieren, dass er sich eine fängt.“ wurden von den Teilnehmenden auf einer 4-stufigen Skala von trifft überhaupt nicht zu bis trifft genau zu beantwortet. Zur Erfassung von Gewaltbereitschaft wurde eine dichotome Variable erstellt, wobei alle Teilnehmenden, deren Gesamtwert ins oberste Quartil fiel, positiv kodiert wurden. Finanzielle Probleme wurden anhand von vier Items, die das Vorhandensein von Schulden erfragen, operationalisiert. Die Teilnehmenden gaben an, ob sie Schulden bei Familienmitgliedern, Freunden oder Bekannten, wegen eines Kredits bei der Bank oder Sparkasse, bei anderen Institutionen (z. B. öffentliche Stellen, Telefongesellschaft, Versandhandel, Vermieter, Energieversorger) oder bei einem anderen Gläubiger haben. Zur Bildung einer dichotomen Variable zur Erfassung finanzieller Probleme wurden alle Teilnehmenden, die mindestens eines der vier Items bejahten, positiv kodiert. Der sozioökonomische Status wurde durch den Winkler-Index (Winkler & Stolzenberg, 1999) erfasst. Dieser Index wird aus Angaben der Eltern zur schulischen und beruflichen Bildung, beruflicher Stellung und Haushaltsnettoeinkommen (Nettoeinkommen aller Haushaltsmitglieder nach Abzug der Steuern und Sozialabgaben) berechnet. Nach Winkler und Stolzenberg (1999) wurde eine Kategorisierung der Indexwerte in die drei Gruppen niedriger, mittlerer und hoher sozioökonomischer Status vorgenommen.
Statistische Analysen Neben deskriptiven Berechnungen wie Häufigkeiten, Mittelwerte und Chi2-Tests wurden für die Risikoberechnung der Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten Odds Ratios und Konfidenzintervalle berechnet. Zur besseren Interpretation der Odds Ratios wurde das populationsbezogene attributable Risiko, in Prozent ausgedrückt (PAR%), herangezogen (Jekel, Katz, Elmore & Wild, 2007). Das PAR% sagt aus, um wie viel Prozent geringer die Inzidenz einer interessierenden Größe (hier: die Langzeitfolgen externalisierender Ver© 2016 Hogrefe Verlag
A.-C. Haller et al., Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten
haltensauffälligkeiten) wäre, wenn der Risikofaktor (hier: externalisierende Verhaltensauffälligkeiten) eliminiert würde (Jekel et al., 2007). Zur Analyse des multivariaten Zusammenhangs wurden multiple logistische Regressionen durchgeführt. Die einzelnen Langzeitfolgen wurden jeweils als abhängige Variable, externalisierende Verhaltensauffälligkeiten jeweils als unabhängige Variable und Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status sowie internalisierende Auffälligkeiten jeweils als zusätzliche Prädiktoren eingesetzt. Fehlende Werte wurden mit Hilfe des Expectation-Maximization-Algorithmus ersetzt. Alle Analysen wurden mit Hilfe des Softwarepakets IBM SPSS Version 22.0 durchgeführt (IBM Corp, 2013).
35
Tabelle 1. Beschreibung der Stichprobe zur Basiserhebung N = 629 n (%) Geschlecht Mädchen
345 (54.8)
Jungen
284 (45.2)
Niedrig
114 (18.1)
Mittel
305 (48.5)
Hoch
210 (33.4)
12 Jahre alt
118 (18.8)
SES1
Alter
Ergebnisse
13 Jahre alt
121 (19.2)
14 Jahre alt
100 (15.9)
15 Jahre alt
105 (16.7)
16 Jahre alt
101 (16.1)
17 Jahre alt
84 (13.4)
unauffällig
570 (90.6)
grenzwertig
23 (3.7)
Psychische Auffälligkeiten2
Tabelle 1 beschreibt die Stichprobe zur Basiserhebung. Es sind auch die Ausprägungen in den vier einzelnen SDQProblemskalen dargestellt. Insgesamt zeigten 18.4 % (n = 116) der Kinder und Jugendlichen grenzwertige oder auffällige Ausprägungen in einer oder in beiden Problemskalen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten. Sechs Prozent (n = 38) der Kinder und Jugendlichen waren komorbid auffällig, d. h. sie wiesen gleichzeitig grenzwertige oder auffällige Ausprägungen in jeweils mindestens einer der jeweils zwei Problemskalen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten und internalisierender Auffälligkeiten auf. Von den Teilnehmenden mit externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten waren 48.3 % (n = 56) Mädchen; ein Fünftel (20.7 %, n = 24) wies einen niedrigen, etwas mehr als die Hälfte (53.4 %, n = 62) einen mittleren und 25.9 % (n = 30) einen hohen sozioökonomischen Status auf. Sechs Jahre später zeigte ein Fünftel (20.8 %, n = 131) aller Teilnehmenden riskanten Alkoholkonsum und 7.9 % (n = 50) konsumierten illegale Drogen. Insgesamt 11.1 % (n = 70) der Teilnehmenden wiesen Delinquenz auf, jeweils etwa ein Viertel Gewaltbereitschaft (26.4 %, n = 166), beziehungsweise finanzielle Probleme (24.3 %, n = 153). Tabelle 2 stellt die Häufigkeiten der Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten sowie das PAR% dar. Kinder und Jugendliche mit externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten wiesen sechs Jahre später signifikant häufiger riskanten Alkoholkonsum, illegalen Drogenkonsum, Delinquenz und Gewaltbereitschaft auf als Kinder und Jugendliche ohne externalisierende Verhaltensauffälligkeiten. Kein Unterschied konnte bei finanziellen Problemen beobachtet werden. Die bivariaten Analysen zeigten weiterhin, dass Kinder und Jugendliche mit externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten ein 1.6© 2016 Hogrefe Verlag
Emotionale Probleme
auffällig Probleme mit Gleichaltrigen
533 (84.7)
grenzwertig
74 (11.8)
auffällig Verhaltensprobleme
Hyperaktivität
36 (5.7)
unauffällig
unauffällig
22 (3.5) 565 (89.8)
grenzwertig
35 (5.6)
auffällig
29 (4.6)
unauffällig
554 (88.1)
grenzwertig
38 (6.0)
auffällig
37 (5.9)
Internalisierend3 grenzwertig oder auffällig
131 (20.8)
grenzwertig oder auffällig
116 (18.4)
Externalisierend4 Komorbid5 internalisierend und externalisierend
38 (6.0)
1
Anmerkungen: SES = Sozioökonomischer Status, gemessen anhand des Winkler-Indexes (Winkler & Stolzenberg, 1999). 2Psychische Auffälligkeiten = gemessen anhand der SDQ Problemskalen (Goodman, 1997). 3Internalisierende Auffälligkeiten = alle Fälle mit der Ausprägung grenzwertig oder auffällig einer oder beider SDQ Problemskalen emotionale Probleme und Probleme mit Gleichaltrigen. 4Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten = alle Fälle mit der Ausprägung grenzwertig oder auffällig einer oder beider SDQ Problemskalen Verhaltensprobleme und Hyperaktivität/Unaufmerksamkeit. 5Komorbide externalisierende Verhaltensauffälligkeiten und internalisierende Auffälligkeiten: alle Fälle mit der Ausprägung grenzwertig oder auffällig der zwei dichotomen Skalen internalisierende und externalisierende Auffälligkeiten.
faches Risiko aufweisen, sechs Jahre später riskanten Alkoholkonsum zu zeigen. Das Risiko, Problemverhalten in Form illegalen Drogenkonsums, Delinquenz oder GeKindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 31–40
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 31–40
Anmerkungen: Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten = alle Fälle mit der Ausprägung grenzwertig oder auffällig einer oder beider SDQ-Problemskalen Verhaltensprobleme und Hyperaktivität/Unaufmerksamkeit. OR = Odds Ratio; KI = Konfidenzintervall; PAR% = populationbezogenes attributables Risiko in Prozent ausgedrückt. ***p < .001; **p < .01; *p < .05.
4.5 12.9 15.3 7.2 PAR%
16.5
1.37 [0.88 – 2.15] 2.36*** [1.55 – 3.61] 2.27** [1.31 – 3.93] 2.25* [1.20 – 4.24] 1.60* [1.00 – 2.53] OR [95 %iges KI]
82 (70.7)
394 (76.8) 119 (23.2)
34 (29.3) 68 (58.6)
395 (77.0) 118 (23.0)
48 (41.4) 94 (81.0)
465 (90.6) 48 (9.4)
22 (19.0) 100 (86.2)
479 (93.4) 34 (6.6)
16 (13.8) 84 (72.4)
99 (19.3)
414 (80.7)
32 (27.6) (n = 116)
Nein (n = 513)
Ja
n (%) n (%) n (%) n (%) n (%) n (%) n (%) n (%) n (%) n (%) Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten
Nein Ja Nein Ja Nein
Gewaltbereitschaft Delinquenz
Ja Nein Ja Nein Ja
Die Hauptergebnisse der Studie belegen, dass Kinder und Jugendliche mit externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten bis zu zweimal häufiger riskanten Alkoholkonsum, illegalen Drogenkonsum, Delinquenz und Gewaltbereitschaft im frühen Erwachsenenalter aufweisen als solche ohne externalisierende Verhaltensauffälligkeiten. Ihr Risiko, im jungen Erwachsenenalter riskanten Alkoholkonsum, Delinquenz und Gewaltbereitschaft als Langzeitfolgen zu entwickeln, bleibt auch nach Kontrolle von Alter, Geschlecht und sozioökomischen Status erhöht. Der Zusammenhang zwischen externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten und späterem riskanten Alkoholkonsum war signifikant, aber von geringer Effektstärke. Colman und Kollegen (2009) berichten auf der Basis der British Cohort Study von höheren Effektstärken, obwohl das Messintervall mit einem zeitlichen Abstand von 30 bis 40 Jahren wesentlich größer ist als in der vorliegende Studie. Colman und Kollegen untersuchten jedoch den Zusammenhang zwischen externalisierenden Verhaltens-
Illegaler Drogenkonsum
Diskussion
Riskanter Alkoholkonsum
waltbereitschaft zu zeigen, war mindestens 2-fach erhöht. Die Berechnung des PAR% zeigte, dass bei einer (hypothetisch vollständigen) Reduzierung externalisierender Verhaltensauffälligkeiten die Prävalenz von Risikoverhaltensweisen im Erwachsenenalter um bis zu einem Sechstel zurückgehen würde. Tabelle 3 stellt die Ergebnisse der multivariaten Regressionen dar. Kinder und Jugendliche mit externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten wiesen nach Kontrolle von Alter, Geschlecht, sozioökonomischen Status und internalisierenden Auffälligkeiten ein erhöhtes Risiko für riskanten Alkoholkonsum, illegalen Drogenkonsum und insbesondere für Delinquenz und Gewaltbereitschaft im frühen Erwachsenenalter auf. Die Interaktion zwischen Geschlecht und externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten wurde überprüft und wurde nicht signifikant. Wie bei den bivariaten Analysen waren externalisierende Verhaltensauffälligkeiten nicht mit finanziellen Problemen im Erwachsenenalter verbunden. Jungen waren zudem einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt, später riskanten Alkoholkonsum, Delinquenz und Gewaltbereitschaft aufzuweisen als Mädchen. Ein höherer sozioökonomischer Status bedeutete eine Risikoreduktion für späteren riskanten Alkoholkonsum, Delinquenz, Gewaltbereitschaft und finanzielle Probleme. Außerdem zeigte sich, dass internalisierende Auffälligkeiten in einem inversen Zusammenhang mit riskantem Alkoholkonsum und Delinquenz im Erwachsenenalter standen.
Finanzielle Probleme
A.-C. Haller et al., Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten
Tabelle 2. Häufigkeit, Odds Ratio und populationsbezogenes attributables Risiko für Langzeitfolgen von Kindern und Jugendlichen mit und ohne vorangegangene externalisierende Verhaltensauffälligkeiten
36
© 2016 Hogrefe Verlag
A.-C. Haller et al., Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten
37
Tabelle 3. Multivariate logistische Regressionen zur Vorhersage verschiedener Langzeitfolgen im jungen Erwachsenenalter B
SE
OR
95 %iges KI
Riskanter Alkoholkonsum Alter
-.06
.06
0.94
[0.83 – 1.06]
Geschlecht
1.29
.22
3.64***
[2.35 – 5.64]
SES
-.06
.03
0.95*
[0.90 – 0.99]
Internalisierende Auffälligkeiten
-.21
.08
0.81*
[0.69 – 0.95]
Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten
.22
.08
1.25***
[1.07 – 1.46]
Modellgüte: Χ2(5, N = 629) = 65.457, p = .000, Nagelkerke R2 = 15.4 %. Illegaler Drogenkonsum Alter
.12
.09
1.13
[0.95 – 1.35]
Geschlecht
.46
.31
1.58
[0.86 – 2.91]
SES
-.03
.04
0.97
[0.90 – 1.04]
Internalisierende Auffälligkeiten
.07
.10
1.07
[0.88 – 1.30]
Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten
.28
.111
1.32*
[1.06 – 1.64]
Modellgüte: Χ (5, N = 629) = 12.904, p = .024, Nagelkerke R2 = 4.8 %. 2
Delinquenz Alter
-.01
.08
0.99
[0.84 – 1.16]
Geschlecht
1.44
.31
4.22***
[2.31 – 7.73]
SES
-.16
.04
0.85***
[0.80 – 0.91]
Internalisierende Auffälligkeiten
-.23
.11
0.79*
[0.64 – 0.98]
.40
.10
1.49***
[1.22 – 1.82]
Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten
Modellgüte: Χ2(5, N = 629) = 69.504, p = .000, Nagelkerke R2 = 20.8 %. Gewaltbereitschaft Alter
-.04
.08
0.96
[0.86 – 1.08]
Geschlecht
1.63
.21
5.12***
[3.37 – 7.78]
SES
-.08
.02
0.92**
[0.88 – 0.97]
Internalisierende Auffälligkeiten
-.12
.08
0.88
[0.76 – 1.02]
Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten
.34
.08
1.41***
[1.21 – 1.64]
Modellgüte: Χ2(5, N = 629) = 107.947, p = .000, Nagelkerke R2 = 23.0 %. Finanzielle Probleme Alter
.22
.06
1.24***
[1.11 – 1.39]
Geschlecht
-.08
.20
0.92
[0.62 – 1.36]
SES
-.08
.02
0.92**
[0.88 – 0.97]
Internalisierende Auffälligkeiten
.04
.07
1.04
[0.92 – 1.19]
Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten
.11
.07
1.11
[0.96 – 1.29]
Modellgüte: Χ (5, N = 629) = 31.929, p = .000, Nagelkerke R2 = 7.4 %. 2
Anmerkungen: SES = sozioökonomischer Status. Internalisierende Auffälligkeiten = alle Fälle mit der Ausprägung grenzwertig oder auffällig einer oder beider SDQ-Problemskalen emotionale Probleme und Probleme mit Gleichaltrigen. Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten = alle Fälle mit der Ausprägung grenzwertig oder auffällig einer oder beider SDQ-Problemskalen Verhaltensprobleme und Hyperaktivität/Unaufmerksamkeit. Signifikante Prädiktoren sind fett markiert. ***p < .001; **p < .01; *p < .05.
auffälligkeiten und Alkoholmissbrauch. In der vorliegenden Studie handelt es sich um ein Screening für riskanten Alkoholkonsum. © 2016 Hogrefe Verlag
Besonders deutlich war der Zusammenhang zwischen externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten und Delinquenz. Auch in der Literatur wird der Zusammenhang Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 31–40
38
A.-C. Haller et al., Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten
zwischen externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten und späterer Delinquenz als besonders ausgeprägt beschrieben (Aebi, Giger, Plattner, Metzke & Steinhausen, 2014; Petermann & Brettfeld, 2014; Witthöft, Koglin & Petermann, 2011). Es konnte kein Zusammenhang zwischen externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten und späteren finanziellen Problemen beobachtet werden. Dies steht im Widerspruch zu den Befunden der neuseeländischen Kohortenstudien (Fergusson et al., 2013; Moffitt et al., 2011), die von klaren Zusammenhängen zwischen externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten und späteren armutsbezogenen Parametern berichten. Mögliche Ursachen hierfür könnten die in der vorliegenden Studie eher weiche Operationalisierung finanzieller Probleme sowie das im Vergleich zu den anderen Kohortenstudien noch junge Alter der Teilnehmenden zum zweiten Messzeitpunkt sein. Die Analysen ergaben weiterhin, dass Jungen einem weitaus größeren Risiko ausgesetzt sind, im frühen Erwachsenalter Risikoverhaltensweisen in Form von riskantem Alkoholkonsum, Delinquenz und Gewaltbereitschaft zu zeigen als Mädchen. Ähnliche Ergebnisse berichten auch Fergusson und Kollegen (2013) mit Daten der Christchurch Health and Development Study. Weiterhin war ein niedrigerer sozioökonomischer Status mit einem erhöhten Risiko für riskanten Alkoholkonsum, Delinquenz, Gewaltbereitschaft und finanzielle Probleme verbunden, wie es auch schon Toumbourou und Kollegen (2007) und Fergusson und Kollegen (2013) berichten. Außerdem zeigt die vorliegende Studie, dass internalisierende Auffälligkeiten späteres Risikoverhalten unterbinden können. Dieser Effekt war sowohl bei riskantem Alkoholkonsum wie auch bei Delinquenz zu beobachten. Auch hier entsprechen die vorliegenden Ergebnisse früheren Längsschnittstudien (Colder et al., 2013; Fite et al., 2006) und lassen sich durch den mit internalisierenden Auffälligkeiten verbundenen sozialen Rückzug erklären (Fite et al., 2006). Die Bedeutung externalisierender Verhaltensauffälligkeiten für die Entwicklung von Langzeitfolgen im jungen Erwachsenenalter erschließt sich nicht zuletzt auch aus der Berechnung des PAR%: Die Prävalenz der untersuchten Langzeitfolgen könnte theoretisch, bei vollständiger Eliminierung externalisierender Verhaltensauffälligkeiten, in dieser Stichprobe um bis zu 16.5 % gesenkt werden. Insgesamt unterstützen die vorliegenden Befunde aus der BELLA-Studie, die auch durch die Ergebnisse früherer Längsschnittstudien bestätigt werden, das Modell externalisierender Entwicklungspfade. Um den mit externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten verbundenen, negativen Auswirkungen auf den weiteren Lebensverlauf entgegenzuwirken, sollte Kindern und Jugendlichen ein Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 31–40
frühzeitiger Zugang zu Präventionsmaßnahmen ermöglicht werden (Petermann & Lehmkuhl, 2010). Mit der vorliegenden Studie wurden zum ersten Mal in Deutschland die Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten anhand populationsbasierter Längsschnittdaten untersucht. Die Ergebnisse stützen sich auf Daten, die im Selbsturteil erhoben worden sind. Für ein vollständigeres Bild sollten zukünftige Arbeiten Fremdurteile mit einbeziehen. Außerdem sollte die Verwendung von standardisierten Erhebungsverfahren zur Messung von Langzeitfolgen bevorzugt werden, was in der vorliegenden Studie auf Grund des Studiendesigns nicht durchgehend möglich war. Ferner wurden externalisierende Verhaltensauffälligkeiten mit Hilfe von Erhebungsverfahren im Fragebogenformat erhoben, es wurden keine diagnostischen Interviews durchgeführt. Zukünftige Arbeiten sollten untersuchen, inwieweit sich junge Erwachsene, die seit ihrer Kindheit externalisierende Verhaltensauffälligkeiten zeigen, sich in den Langzeitfolgen von den jungen Erwachsenen, deren Verhalten nur vorübergehend auffällig war, unterscheiden. Aufgrund fehlender Passung der Erhebungsverfahren im Übergang zwischen Jugend- und Erwachsenenalter war dies in dieser Studie nicht möglich. Obwohl die Langzeitfolgen nur global und die externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten durch ein Screening-Verfahren erfasst wurden, lassen die Ergebnisse über den Verlauf von sechs Jahren deutliche Effekte sichtbar werden. Wir erwarten, dass die Verwendung standardisierter Verfahren und diagnostischer Interviews die vorliegenden Befunde bestätigen würden.
Schlussfolgerungen für die klinische Praxis Die auf Daten einer bevölkerungsbasierten Stichprobe von 12- bis 17‐Jährigen beruhenden Analysen zeigen, dass insbesondere Jungen aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status und externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten ein um bis zu anderthalbfach erhöhtes Risiko aufweisen, im frühen Erwachsenenalter übermäßig oft und viel Alkohol zu trinken, polizeilich bekannt zu werden und Gewalt anzuwenden. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen sind unruhig, leicht ablenkbar, aufbrausend, wenig folgsam, lügen und stehlen oder streiten sich oft. Ebenso haben Mädchen und Jungen mit externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten gleichermaßen ein um 1.3-fach erhöhtes Risiko, im frühen Erwachsenenalter regelmäßig Cannabis zu konsumieren und Bekanntschaft mit weiteren, härteren Drogen und Schnüffelstoffen zu machen beziehungsweise Medikamente zu miss© 2016 Hogrefe Verlag
A.-C. Haller et al., Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten
brauchen. Bis zu 16.5 % der untersuchten Risikoverhaltensweisen im Erwachsenenalter sind außerdem dem Vorkommen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten in der Kindheit und Jugend geschuldet. Die erzielten Ergebnisse verdeutlichen, dass sozial‐emotionale Fertigkeiten risikobelasteter Kinder gefördert und Präventionsprogramme dementsprechend gestaltet werden sollten (vgl. z. B. Lohbeck, Petermann & Petermann, 2014).
Literatur Achenbach, T. M. (1991). Manual for the Child Behavior Checklist/ 4 – 18 and 1991 profile. Burlington: University of Vermont, Department of Psychiatry. Aebi, M., Giger, J., Plattner, B., Metzke, C. W. & Steinhausen, H.-C. (2014). Problem coping skills, psychosocial adversities and mental health problems in children and adolescents as predictors of criminal outcomes in young adulthood. European Child & Adolescent Psychiatry, 23, 283 – 293. Babor, T. F., Higgins-Biddle, J. C., Saunders, J. B. & Monteiro, M. G. (2011). AUDIT. The Alcohol Use Disorders Identification Test – Guidelines for use in primary health care (2nd ed.). Genf: World Health Organization. Department of Mental Health and Substance Dependence. Belfer, M. L. (2008). Child and adolescent mental disorders: The magnitude of the problem across the globe. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 49, 226 – 236. Colder, C. R., Scalco, M., Trucco, E. M., Read, J. P., Lengua, L. J., Wieczorek, W. F. & Hawk, L. W., Jr. (2013). Prospective associations of internalizing and externalizing problems and their co-occurrence with early adolescent substance use. Journal of Abnormal Child Psychology, 41, 667 – 677. Colman, I., Murray, J., Abbott, R. A., Maughan, B., Kuh, D., Croudace, T. J. & Jones, P. B. (2009). Outcomes of conduct problems in adolescence: 40 year follow-up of national cohort. BMJ, 338, 208 – 215. Ewest, F., Reinhold, T., Vloet, T. D., Wenning, V. & Bachmann, C. J. (2013). Durch Jugendliche mit Störungen des Sozialverhaltens ausgelöste Krankenkassenausgaben. Eine gesundheitsökonomische Analyse von Versichertendaten einer gesetzlichen Krankenkasse. Kindheit und Entwicklung, 22, 41 – 47. Fergusson, D. M., Arseneault, L. & Belsky, D. (2011). Childhood self-control and adult outcomes: Results from a 30-year longitudinal study. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 108, 2693 – 2698. Fergusson, D. M., Boden, J. M. & Horwood, L. J. (2013). Childhood self-control and adult outcomes: Results from a 30-year longitudinal study. Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 52, 709 – 717.e1. Fergusson, D. M., Horwood, L. J. & Ridder, E. M. (2005). Show me the child at seven: The consequences of conduct problems in childhood for psychosocial functioning in adulthood. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 46, 837 – 849. Fergusson, D. M., Horwood, L. J. & Ridder, E. M. (2007). Conduct and attentional problems in childhood and adolescence and later substance use, abuse and dependence: Results of a 25year longitudinal study. Drug and Alcohol Dependence, 88, 14 – 26. © 2016 Hogrefe Verlag
39
Fite, P. J., Colder, C. R. & O’Connor, R. M. (2006). Childhood behavior problems and peer selection and socialization: Risk for adolescent alcohol use. Addictive Behaviors, 31, 1454 – 1459. Goodman, A., Lamping, D. L. & Ploubidis, G. B. (2010). When to use broader internalising and externalising subscales instead of the hypothesised five subscales on the Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ): Data from British parents, teachers and children. Journal of Abnormal Child Psychology, 38, 1179 – 1191. Goodman, R. (1997). The Strengths and Difficulties Questionnaire: A research note. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 38, 581 – 586. Hibell, B., Guttormsson, U., Ahlström, S., Balakireva, O., Bjarnason, T., Kokkevi, A. & Kraus, L. (2009). The 2007 ESPAD Report. Substance use among students in 35 European countries. Stockholm: The Swedish Council for Information on Alcohol an Other Drugs (CAN). Hölling, H., Schlack, R., Petermann, F., Ravens-Sieberer, U., Mauz, E. & KiGGS Study Group. (2014). Psychische Auffälligkeiten und psychosoziale Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren in Deutschland – Prävalenz und zeitliche Trends zu 2 Erhebungszeitpunkten (2003 – 2006 und 2009 – 2012). Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 57, 807 – 819. IBM Corp. (2013). IBM SPSS Statistics for Windows, Version 22.0. Armonk, NY: IBM Corp. Jekel, J. F., Katz, D. L., Elmore, J. G. & Wild, D. (2007). Epidemiology, biostatistics and preventive medicine (3rd ed.). Philadelphia: Saunders Elsevier. Karow, A., Bock, T., Naber, D., Löwe, B., Schulte-Markwort, M., Schäfer, I. et al. (2013). Die psychische Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen – Teil 2: Krankheitslast, Defizite des deutschen Versorgungssystems, Effektivität und Effizienz von „Early Intervention Services“. Fortschritte der Neurologie – Psychiatrie, 81, 628 – 638. Klasen, F., Petermann, F., Meyrose, A.-K., Barkmann, C., Otto, C., Haller, A. C. et al. (2016). Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kinder und Jugendlichen. Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie. Kindheit und Entwicklung, 25, 10-20. Klasen, H., Woerner, W., Wolke, D., Meyer, R., Overmeyer, S., Kaschnitz, W. et al. (2000). Comparing the German versions of the Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ-Deu) and the Child Behavior Checklist. European Child & Adolescent Psychiatry, 9, 271 – 276. Kraus, L., Pabst, A. & Steiner, S. (2008). Die Europäische Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen 2007: Befragung von Schülerinnen und Schülern der 9. und 10. Klasse in Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Thüringen. München: Institut für Therapieforschung. Logan-Greene, P., Nurius, P. S., Herting, J. R., Hooven, C. L., Walsh, E. & Thompson, E. A. (2011). Multi-domain risk and protective factor predictors of violent behavior among at-risk youth. Journal of Youth Studies, 14, 413 – 429. Lohbeck, A., Petermann, F. & Petermann, U. (2014). Reaktive und proaktive Aggression bei Kindern und Jugendlichen – Welche Rolle spielen sozial-emotionale Kompetenzen? Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 62, 211 – 218. Moffitt, T. E., Arseneault, L., Belsky, D., Dickson, N., Hancox, R. J., Harrington, H. et al. (2011). A gradient of childhood self-control predicts health, wealth, and public safety. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 108, 2693 – 2698. Petermann, F. & Brettfeld, K. (2014). Delinquenz. Kindheit und Entwicklung, 23, 195 – 197. Petermann, F. & Lehmkuhl, U. (2010). Prävention von Aggression und Gewalt. Kindheit und Entwicklung, 19, 239 – 244.
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 31–40
40
A.-C. Haller et al., Langzeitfolgen externalisierender Verhaltensauffälligkeiten
Pitkanen, T., Lyyra, A.-L. & Pulkkinen, L. (2005). Age of onset of drinking and the use of alcohol in adulthood: A follow-up study from age 8 – 42 for females and males. Addiction, 100, 652 – 661. Ravens-Sieberer, U., Otto, C., Kriston, L., Rothenberger, A., Döpfner, M., Herpertz-Dahlmann, B. et al. (2014). The longitudinal BELLA study: design, methods and first results on the course of mental health problems. European Child & Adolescent Psychiatry, 24, 651 – 663. Ravens-Sieberer, U., Klasen, F. & Petermann, F. (2016). Psychische Kindergesundheit. Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie. Kindheit und Entwicklung, 25, 4-9. Ravens-Sieberer, U., Wille, N., Erhart, M., Bettge, S., Wittchen, H. U., Rothenberger, A. et al. (2008). Prevalence of mental health problems among children and adolescents in Germany: Results of the BELLA study within the National Health Interview and Examination Survey. European Child & Adolescent Psychiatry, 17, 22 – 33. Richardson, D. S. & Hammock, G. S. (2007). Social context of human aggression: Are we paying too much attention to gender? Aggression and Violent Behavior, 12, 417 – 426. Scheithauer, H., Mehren, F. & Petermann, F. (2003). Entwicklungsorientierte Prävention von aggressiv-dissozialem Verhalten und Substanzmissbrauch. Kindheit und Entwicklung, 12, 84 – 99. Schlack, R. & Hölling, H. (2007). Gewalterfahrungen von Kindern und Jugendlichen im subjektiven Selbstbericht. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 50, 819 – 826. Schlack, R., Hölling, H., Erhart, M., Petermann, F. & Ravens-Sieberer, U. (2010). Elterliche Psychopathologie, Aggression und Depression bei Kindern und Jugendlichen. Kindheit und Entwicklung, 19, 228 – 238. Schulenberg, J. E. & Maggs, J. L. (2008). Destiny matters: Distal developmental influences on adult alcohol use and abuse. Addiction, 103, 1 – 6.
Scott, S., Knapp, M., Henderson, J. & Maughan, B. (2001). Financial cost of social exclusion: Follow up study of antisocial children into adulthood. BMJ, 323, 191 – 194. Shoemaker, D. J. (2009). Theories of delinquency: An examination of explanations of delinquent behavior. Oxford: Oxford University Press. Toumbourou, J. W., Hemphill, S. A., Tresidder, J., Humphreys, C., Edwards, J. & Murray, D. (2007). Mental health promotion and socio-economic disadvantage: Lessons from substance abuse, violence and crime prevention and child health. Health Promotion Journal of Australia, 18, 184 – 190. Von Sydow, K., Lieb, R., Pfister, H., Hofler, M., Sonntag, H. & Wittchen, H. U. (2001). The natural course of cannabis use, abuse and dependence over four years: A longitudinal community study of adolescents and young adults. Drug and Alcohol Dependence, 64, 347 – 361. Winkler, J. & Stolzenberg, H. (1999). Der Sozialschichtindex im Bundes-Gesundheitssurvey. Gesundheitswesen, 61, 178 – 183. Witthöft, J., Koglin, U. & Petermann, F. (2011). Neuropsychologische Korrelate aggressiv-dissozialen Verhaltens. Zeitschrift fur Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 59, 11 – 23.
Dipl.-Psych. Anne-Catherine Haller Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik Forschungssektion Child Public Health Martinistraße 52, W29 20246 Hamburg a.haller@uke.de
... mögen vergangen sein, sind aber nie ganz vergessen. Mit einer Kondolenzspende erzählen Sie die Geschichte eines geliebten Menschen weiter und unterstützen zugleich die Erforschung der Alzheimer-Krankheit.
Tel. 0800 / 200 400 1 (gebührenfrei)
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 31–40
Kreuzstr. 34 · 40210 Düsseldorf www.alzheimer-forschung.de
E41
Wir informieren Sie gerne.
© 2016 Hogrefe Verlag
Kindliche Entwicklung und Entwicklung der Malerei
Bettina Egger
Urformen des Malens Spuren der Wandlung und kunsttherapeutische Anwendung 2015. 176 S., 175 Abb., 2 Tab., Kt € 24.95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85537-0
Bettina Egger
Urformen des Malens Spuren der Wandlung und kunsttherapeutische Anwendung
«Wie soll ich Kinderbilder verstehen?» ist eine Frage, die überall gestellt wird, wo Kinder leben oder in die Schule gehen. Hier wird vorschnellen psychologischen Interpretationen eine überzeugende Alternative gegenübergestellt. Die Entwicklung von der ersten Kritzelei bis zur Kastenform wird durch Urformen der Kindermalerei aufgezeigt und jede Urform genau erläutert. Die Abwicklung aller Urformen wird auf die entsprechenden Entwicklungsstadien des Kindes bezogen und mit Fotos eines Kindes in diesen Stadien illustriert. Dass Urformen allgemeingültig sind, wird über ihr Erscheinen in der bilden-
www.hogrefe.com
den Kunst und in prähistorischen Darstellungen gezeigt. Zum Schluss wird eine Maltherapie der Urformen vorgeschlagen, die zur Selbstbehandlung geeignet ist. Das Buch eignet sich sowohl zur Anregung und als Geschenk für Eltern als auch als überzeugende Information für professionelle Kinder- und Maltherapeuten.
MOT 4-6
SI-KJ
Motoriktest für vier- bis sechsjährige Kinder
Schlafinventar für Kinder und Jugendliche
3., überarbeitete und neu normierte Auflage
M. G. Lehmkuhl / A. Agache / D. Alfer L. Fricke-Oerkermann / Ch. Tielsch A. Mitschke / E. Schäfermeister J. van der Stouwe / A. Wiater
R. Zimmer Einsatzbereich: Der MOT 4-6 erfasst den motorischen Entwicklungsstand von Kindern im Vorschulalter (4 bis 6 Jahre). Für Kinder mit Behinderungen oder Entwicklungsverzögerungen kann über diesen Altersbereich hinaus das motorische Entwicklungsalter ermittelt werden. Der Test ermöglicht eine quantitative Auswertung der Ergebnisse, er kann darüber hinaus aber auch als prozessbegleitendes Beobachtungsverfahren verwendet werden. Das Verfahren: Der MOT 4-6 besteht aus 17 Testaufgaben (und einer Aufwärmaufgabe), die in spielerischer, kindgerechter Weise den motorischen Entwicklungsstand des Kindes erfassen und sich sieben motorischen Bereichen zuordnen lassen (z.B. gesamtkörperliche Gewandtheit und Koordinationsfähigkeit, feinmotorische Geschicklichkeit, Gleichgewichtsvermögen). Neben der Ermittlung eines Normwertes (Gesamttestwert), der die Einordnung des Testergebnisses im Vergleich zur durchschnittlichen Leistung in der betreffenden Altersgruppe ermöglicht, gibt der Test dem Praktiker zusätzlich nützliche Hilfen zur qualitativen Beobachtung und Beurteilung der motorischen Performanz des Kindes an die Hand. Bearbeitungsdauer: Für die Durchführung des Tests müssen 20 bis 30 Minuten veranschlagt werden.
04 082 01
Test komplett
Einsatzbereich: Kinder und Jugendliche. Die vier Instrumente des SI-KJ umfassen unterschiedliche Altersbereiche, insgesamt wird der Altersbereich von 5 bis 18 Jahren abgedeckt. Das Verfahren kommt im Bereich der klinischen Psychologie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Pädiatrie und in Erziehungsberatungsstellen zum Einsatz. Das Verfahren: Das Schlafinventar für Kinder und Jugendliche (SIKJ) beinhaltet vier verschiedene Instrumente zur Diagnostik von Schlafproblemen und Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Zwei Fragebögen dienen der orientierenden Diagnostik aus Selbstsicht (Fragebogen für Kinder und Jugendliche) und Fremdsicht (Elternfragebogen). Es handelt sich um Screening-Instrumente, aus denen sich erste Hinweise für das Vorliegen von Schlafstörungen sowie von belastenden Schlafbedingungen ableiten lassen. Der Fragebogen für Kinder und Jugendliche enthält 28 Items, der Elternfragebogen umfasst 33 Items. Bearbeitungsdauer: Die Bearbeitung eines Fragebogens dauert etwa 10 bis 15 Minuten. Der zeitliche Aufwand der Interviews ist davon abhängig, ob Schlafprobleme vorhanden sind. Insgesamt muss hier von einer Dauer zwischen 15 und 45 Minuten ausgegangen werden.
628,00 € Artikel-Nr. 01 397 01
www.testzentrale.de
€ Test komplett
www.testzentrale.de
112,00
Studie
Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie Angela Plass1, Anne-Catherine Haller1, Karoline Habermann1, Claus Barkmann1, Franz Petermann2, Marc Schipper2, Silke Wiegand-Grefe1, Heike Hölling3, Ulrike Ravens-Sieberer1 und Fionna Klasen1 1 2 3
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin Zusammenfassung. Kinder psychisch belasteter Eltern bilden eine Hochrisikogruppe für die Entwicklung psychischer Auffälligkeiten und weisen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung eine geringere gesundheitsbezogene Lebensqualität auf. Für die Entwicklung spezifischer präventiver und therapeutischer Unterstützungsprogramme wurden veränderungssensitive Faktoren der psychischen Gesunderhaltung in einer Stichprobe von psychisch belasteten Eltern und ihren 13- bis 17-jährigen Kindern untersucht. Es wurden signifikante Prädiktoren aus den drei Bereichen personale, familiäre und soziale Ressourcen sowohl für die psychische Gesundheit als auch für die gesundheitsbezogene Lebensqualität identifiziert. Für psychische Gesundheit waren dies soziale Kompetenz, familiäre Unterstützung und Schulklima, für Lebensqualität Selbstwirksamkeitserwartung, Optimismus, Familienklima und Schulklima. Die Ergebnisse machen deutlich, dass personale, familiäre und soziale Ressourcen für Kinder psychisch belasteter Eltern von großer Bedeutung sind für die psychische Gesunderhaltung. Sie profitieren insbesondere von Ressourcen, die außerhalb der Familie angesiedelt sind, wie einer guten schulischen Integration. Spezifische Interventionsprogramme für Kinder psychisch belasteter Eltern sollten neben der persönlichen und familiären deshalb unbedingt auch die schulische Situation berücksichtigen. Schlüsselwörter: psychisch belastete Eltern, psychische Gesundheit, gesundheitsbezogene Lebensqualität, Ressourcen, Faktoren der Gesunderhaltung
Factors Promoting Mental Health in Children of Parents With Mental Health Problems: Results of the BELLA Cohort Study Abstract. Mental health problems in parents represent a well-established risk factor for a wide variety of maladaptive cognitive, psychosocial, and behavioral outcomes in their children. More than half of these children develop psychiatric disorders in childhood or adolescence constituting a risk for psychiatric disorders being two to three times higher than in the total population. Furthermore, children of parents with mental health problems rate their health-related quality of life significantly worse than do children from the general population. However, not all children exposed to parental mental health problems develop psychiatric disorders later in life, and some of these children function better than expected, given the level of exposure to risk factors they have experienced. Recent findings suggest that personal resources such as the cognitive and social capabilities of the youth, as well as positive family relationships and social support, act as protective factors for children of parents with mental health problems. In order to develop specific support programs for this high-risk group, protective factors, especially those that can be influenced by therapeutic or preventive interventions, should be studied in greater detail. The aim of the present study therefore was to identify factors associated with good mental health and good health-related quality of life in children of parents with mental health problems. We examined the data of N = 165 parents with mental health problems and their children aged 13 – 17 years from the fourth measurement point of the BELLA study (the mental health module of the German National Health Interview and Examination Survey for children and adolescents). Parental mental health problems were measured using the SCL-K 9, children’s mental health and health-related quality of life were measured using the SDQ and the KIDSCREEN-10, respectively. Furthermore, personal resources (self-efficacy, optimism, social competence), familial resources (family climate, parental support), and social resources
Die Autoren danken Ute Schües für ihre Unterstützung bei der Erstellung des Manuskripts. Außerdem geht unser Dank an die BELLA study group für die Möglichkeit, die Daten der BELLA-Studie auswerten zu dürfen sowie für die kompetente Beratung in allen Phasen der Arbeit. Die Mitglieder der BELLA studygroup sind: Ulrike Ravens-Sieberer und Fionna Klasen, Hamburg (Projektleiterinnen); Claus Barkmann, Hamburg; Monika Bullinger, Hamburg; Manfred Döpfner, Köln; Beate Herpertz-Dahlmann, Aachen; Heike Hölling, Berlin; Franz Petermann, Bremen; Franz Resch, Heidelberg; Aribert Rothenberger, Göttingen; Sylvia Schneider, Bochum; Michael Schulte-Markwort, Hamburg; Robert Schlack, Berlin; Frank Verhulst, Rotterdam; Hans-Ulrich Wittchen, Dresden. © 2016 Hogrefe Verlag
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 41–49 DOI: 10.1026/0942-5403/a000187
42
A. Plass et al., Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern
(social support, school climate) were assessed. All data were self-reported. Multiple linear regressions demonstrated that a combination of personal, familial, and social resources predicted both good mental health and health-related quality of life. More specifically, good mental health of the children was predicted by social competence, parental support, and school climate. Good health-related quality of life was predicted by self-efficacy, optimism, family climate, and school climate. The combination of personal, familial, and social resources positively influences the mental health and health-related quality of life of children with parents with mental health problems. School climate proved to be an important factor promoting both mental health and health-related quality of life. This finding supports the hypothesis that particularly resources outside of the family are important for children of parents with mental health problems. These results provide valuable information for preventive and therapeutic interventions for children of parents with mental health problems. Keywords: parents with mental health problems, mental health, health-related quality of life, resources, protective factors
Psychische Erkrankungen von Eltern sind bei ihren Kindern mit einem erhöhten Risiko für psychische Auffälligkeiten und Schwierigkeiten in der Entwicklung verbunden. Mehr als die Hälfte der Kinder mit psychisch kranken Eltern entwickeln ihrerseits psychische Störungen in der Kindheit oder Adoleszenz (Siegenthaler, Munder & Egger, 2012). Gegenüber der Gesamtbevölkerung entspricht dies einem etwa doppelt so hohen Risiko für psychische Erkrankungen (Barkmann & Schulte-Markwort, 2012; Hölling et al., 2014). Eine große epidemiologische Studie (McLaughlin et al., 2012), die sich auf WHO-Daten stützt, weist für Kinder mit einem psychisch erkrankten Elternteil ein 1.8- bis 2.9-fach erhöhtes Risiko gegenüber der Gesamtbevölkerung nach, selbst eine psychische Erkrankung zu entwickeln; bei zwei erkrankten Elternteilen ist das Risiko um das 2.2- bis 4.6-fache erhöht. Auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität, die als multidimensionales Konstrukt körperliche, emotionale, mentale, soziale und verhaltensbezogene Aspekte des Wohlbefindens und der Funktionsfähigkeit erfasst (Ravens-Sieberer et al., 2014), wird bei Kindern psychisch kranker Eltern gegenüber Referenzstichproben deutlich schlechter eingeschätzt (Jeske, Bullinger & Wiegand-Grefe, 2011). Trotz dieses deutlich erhöhten Risikos entwickeln nicht alle Kinder psychisch kranker Eltern psychische Auffälligkeiten und einige weisen sogar ein sehr gutes Funktionsniveau und eine hohe Lebensqualität auf (Brennan, Le Brocque & Hammen, 2003; Lewandowski et al., 2014; Rutter, 1985). Welche protektiven Faktoren in Gegenwart eines hohen Risikos eine gesunde psychische Entwicklung vorhersagen (Masten, Cutuli, Herbers & Reed, 2009) ist Gegenstand von längsschnittlichen Studien, die Merkmale des Kindes (personale Faktoren), der Familie (familiäre Faktoren) und des sozialen Umfeldes (soziale Faktoren) identifizieren (Werner, 1989). Personale Faktoren als Eigenschaften des Kindes wie eine gute Selbstwirksamkeitserwartung, Optimismus und gute soziale Kompetenz sind in Risikogruppen von Kindern depressiver Eltern mit einer gesunden psychischen Entwicklung der Kinder verbunden (Lewandowski et al., 2014; Pargas, Brennan, Hammen & Le Brocque, 2010). Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 41–49
Während Selbstwirksamkeitserwartung als stabiles Persönlichkeitsmerkmal die Überzeugung charakterisiert, schwierigen Anforderungen adäquat gewachsen zu sein (Schwarzer, 1994), beschreibt Optimismus eine generelle positive Zukunftserwartung, die unabhängig von der Bewertung eigener Fähigkeiten besteht (Schleier & Carver, 1985). Soziale Kompetenz als weiterer personaler protektiver Faktor bezeichnet Empathie und Problemlösestrategien im Umgang mit Menschen des sozialen Umfeldes sowie die soziale Ausdrucksfähigkeit (Luthar, 1993; Petermann, 2002). Familiäre Faktoren wie ein hohes Maß familiärer Unterstützung und ein gutes Familienklima sagen in Studien auch für Risikogruppen eine gesunde psychische Entwicklung voraus (Brennan et al., 2003; Lewandowski et al., 2014; Pargas et al., 2010). Familiäre Unterstützung beschreibt die Zuwendung, Fürsorglichkeit und Kontrolle, die Eltern ihren Kindern entgegenbringen (Parker, Tulping & Brown, 1979). Demgegenüber wird mit dem Familienklima der familiäre Zusammenhalt und das elterliche Erziehungsverhalten charakterisiert (Schneewind, Beckmann & Hecht-Jackl, 1985). Soziale Faktoren, beispielsweise soziale Unterstützung und Schulklima, werden ebenfalls mit einer gesunden psychischen Entwicklung in Verbindung gebracht (Beardslee & Podorefsky, 1988; Boyd & Waanders, 2013). Soziale Unterstützung (Schwarzer & Knoll, 2007) stellt eine Ressource dar, mit der psychosoziale (z. B. Anerkennung, Zugehörigkeit) und instrumentelle (z. B. Informationsbedarf, materieller Hilfebedarf) Bedürfnisse außerhalb der Familie befriedigt werden, was Kompetenzen stärken und Bewältigungsstrategien von Kindern optimieren kann. Als spezifischer sozialer Faktor erfasst das Schulklima, wie sich Kinder und Jugendliche in der Schule in Beziehungen zu Lehrkräften und Mitschülern sowie hinsichtlich der geforderten Leistungen akzeptiert fühlen. Um Familien mit psychisch kranken Eltern angemessen unterstützen zu können, ist es notwendig, ausgewählte Faktoren genauer zu untersuchen, die bei einer elterlichen psychischen Erkrankung mit einer psychisch gesunden Entwicklung der Kinder verbunden sind (WiegandGrefe, Werkmeister, Bullinger, Plass & Petermann, 2012), © 2016 Hogrefe Verlag
A. Plass et al., Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern
da sie Ansatzpunkte für gezielte Interventionen bilden können (Wiegand-Grefe, Halverscheid & Plaß, 2011). Während protektive Faktoren für eine gesunde psychische Entwicklung von Kindern im Allgemeinen bereits gut erforscht wurden (Bettge & Ravens-Sieberer, 2003; Wille, Bettge & Ravens-Sieberer, 2008), fehlt bisher die Analyse von spezifischen Faktoren bei Kindern psychisch kranker Eltern in einer großen Bevölkerungsstichprobe. Die bisherigen oben dargestellten Forschungsergebnisse beziehen sich auf Kinder von Eltern mit psychischen Erkrankungen, demgegenüber wurden im Rahmen der bundesweit repräsentativen Befragung zum seelischen Wohlbefinden und Verhalten (BELLA-Studie) psychische Auffälligkeiten der Kinder sowie die psychische Belastung der Eltern erhoben, aber keine klinischen Diagnosen gestellt. Deshalb bezieht sich die vorliegende Studie aus der BELLA-Studie auf Eltern, die aktuell eine psychische Belastung aufweisen.
Fragestellung Hauptfragestellung der vorliegenden Arbeit ist, welche Faktoren bei Kindern psychisch belasteter Eltern mit einer gesunden psychischen Entwicklung verbunden sind. In Hinblick auf die Entwicklung spezifischer Maßnahmen werden personenbezogene (personale), familiäre und soziale Faktoren untersucht, die durch präventive oder therapeutische Interventionen positiv beeinflusst werden können. Aufgrund der Ergebnisse aus Vorarbeiten (Lewandowski et al., 2014; Pargas et al., 2010) ist insbesondere die Frage, ob die Kombination von Faktoren aus verschiedenen Bereichen für eine gesunde psychische Entwicklung förderlich ist. Da bei psychisch belasteten Eltern Familienklima und elterliche Funktionen beeinträchtigt sein können, wird außerdem untersucht, ob fördernde Faktoren außerhalb der Familie, wie die soziale Unterstützung und das Schulklima für eine gesunde psychische Entwicklung relevant sind.
Methoden Studiendesign Das Studiendesign und die angewandten Methoden werden von Ravens-Sieberer, Klasen und Petermann (2016) detailliert beschrieben. © 2016 Hogrefe Verlag
43
Stichprobe Der vorliegenden Arbeit lag eine Unterstichprobe der zum BELLA-Messzeitpunkt 4 befragten Familien zugrunde. In der Altersgruppe der 13- bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen (N = 1 113) wurden die Familien ausgewählt, in denen die Eltern eine psychische Belastung angaben. Für die Analysen wurde der Selbstbericht von insgesamt N = 165 Kindern von Eltern mit psychischer Belastung (leibliche Mütter n = 145, 87.9 %; leibliche Väter n = 20, 12.1 %) herangezogen. Etwas mehr als 90 % der Mütter wurden von den Kindern als primäre weibliche Bezugsperson bezeichnet (n = 135, 93 %), die Väter wurden zu 95 % (n = 19) als primäre männliche Bezugsperson bezeichnet. Die Kinder waren im Durchschnitt 15.86 (SD = 1.43) Jahre alt und zu 53.3 % (n = 88) weiblich. Die Familien wiesen überwiegend (66.1 %, n = 109) einen mittleren sozioökonomischen Status auf, 18.8 % (n = 31) einen hohen und 14.5 % (n = 24) einen niedrigen. Kinder psychisch belasteter Eltern (13.3 %, n = 21 von 158) gaben gegenüber Kindern psychisch nicht belasteter Eltern (8.2 %, n = 74 von 906) signifikant häufiger psychische Auffälligkeiten an (χ2 = 4.34, df = 1, p = 0.037). In der Stichprobe Kinder psychisch belasteter Eltern wurde mittels Pearson-Korrelation ein mittelstarker negativer Zusammenhang zwischen psychischer Auffälligkeit und gesundheitsbezogener Lebensqualität nachgewiesen (r = -0.41; p < 0.001). Die vorliegende Stichprobe von N = 165 Kindern psychisch belasteter Eltern ist entsprechend den Ergebnissen früherer Studien mit Kindern psychisch kranker Eltern charakterisiert durch eine schlechtere psychische Gesundheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität als die Gesamtbevölkerung.
Erhebungsverfahren Risiko-Merkmale Psychische Belastung der Eltern wurde im Selbsturteil der Eltern mit der von Klaghofer und Brähler (2001) entwickelten Symptom-Checkliste-Kurzversion-9 (SCL-K-9), der eindimensionalen Kurzversion der Symptomcheckliste-90R (SCL-90-R) (Derogatis, Lipman, Rickels, Uhlenhuth & Covi, 1974) erfasst, die für die zurückliegenden sieben Tage psychische Auffälligkeiten und Beschwerden abbildet. Die Summe aller Antworten bildet den Global Severity Index (GSI), der den psychischen Beschwerdedruck abbildet. Da ein Cut-off-Wert des GSI für psychische Belastung fehlt, wurden in der vorliegenden Studie nach Umrechnung die entsprechenden Cut-off-Werte der SCLKindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 41–49
44
A. Plass et al., Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern
90-R verwendet (Franke, 2002) und die Eltern dementsprechend als psychisch belastet oder psychisch nicht belastet klassifiziert. Dieses Vorgehen wurde gewählt, um die psychische Belastung der Eltern stichprobenunabhängig zu definieren.
Soziale Kompetenz wurde mit fünf Items erhoben, die in der HBSC (Health Behavior in School-aged Children)Studie entwickelt wurden (Currie, Samdal, Boyce & Smith, 2001). Aussagen wie „Ich habe viele Freunde.“ wurden auf einer 4-stufigen Skala von beschreibt mich überhaupt nicht bis beschreibt mich genau eingeschätzt. In der vorliegenden Stichprobe betrug Cronbachs α = .97.
Outcome-Merkmale Psychische Auffälligkeiten der Kinder und Jugendlichen wurde mit dem Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ) im Selbsturteil erhoben (Goodman, 1999; Goodman, Meltzer & Bailey, 1998). Der SDQ erfasst mit je fünf Items für die zurückliegenden sechs Monate Verhaltensauffälligkeiten und –stärken der Kinder und Jugendlichen in den folgenden Bereichen: Emotionale Probleme, Hyperaktivität/Aufmerksamkeitsprobleme, Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen, Verhaltensauffälligkeiten und Prosoziales Verhalten. Die Werte der ersten vier genannten Skalen werden zu einem Gesamtproblemwert aufsummiert und als normal, grenzwertig oder auffällig klassifiziert. Gesundheitsbezogene Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen wurde mit dem KIDSCREEN-10 (Ravens-Sieberer et al., 2010), einer Kurzversion des KIDSCREEN-52, erfasst, der mit zehn Items auf jeweils 5-stufigen Antwortskalen (von niemals/überhaupt nicht bis immer/sehr) körperliche, psychische und soziale Aspekte der gesundheitsbezogenen Lebensqualität für die zurückliegende Woche abbildet. Für die vorliegende Arbeit wurde die Selbsteinschätzung der Kinder und Jugendlichen verwendet.
Merkmale der Gesunderhaltung Personale Faktoren Selbstwirksamkeitserwartung wurde mit der zehn Items umfassenden Skala zur Allgemeinen Selbstwirksamkeit von Schwarzer und Jerusalem (1995) erhoben. Die Items sind als Aussagen formuliert, beispielsweise „Die Lösung schwieriger Probleme gelingt mir, wenn ich mich darum bemühe.“, und werden auf einem 4-stufigen Antwortformat von stimmt nicht bis stimmt genau beantwortet. In der vorliegenden Stichprobe betrug Cronbachs α = .84. Optimismus wurde mit einer modifizierten Version des Berner Wohlbefindensfragebogens (Grob et al., 1991) mit vier Items erfasst. Aussagen wie beispielsweise „Meine Zukunft sieht gut aus.“, wurden von Kindern und Jugendlichen auf einer 6-stufigen Skala von total falsch bis total richtig eingeschätzt. In der vorliegenden Stichprobe betrug Cronbachs α = .72. Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 41–49
Familiäre Faktoren Familienklima wurde mit einer modifizierten Version der Familienskala von Schneewind erfasst (Schneewind et al., 1985). Aussagen wie „In unserer Familie geht jeder auf die Sorgen und Nöte des anderen ein.“ oder „Bei uns vergeht kein Wochenende, ohne dass wir etwas unternehmen.“, wurden von Kindern und Jugendlichen auf einer 4-stufigen Skala von stimmt nicht bis stimmt genau bewertet. In der vorliegenden Stichprobe betrug Cronbachs α = .98. Familiäre Unterstützung wurde mit einer modifizierten und verkürzten Form des Parental Bonding Instrument (PBI) erfasst (Parker et al., 1979). Es wurden Items aus den zwei Subskalen Fürsorge und Überbehütung oder Kontrolle verwendet. Aussagen wie „Meine Eltern/meine Bezugspersonen sind liebevoll.“ wurden von den Kindern und Jugendlichen auf einer 3-stufigen Antwortskala von nie bis fast immer bewertet. In der vorliegenden Stichprobe betrug Cronbachs α = .99.
Soziale Faktoren Allgemeine soziale Unterstützung wurde mit den drei folgenden Items erhoben: „Wie viele Menschen sind Dir so nahe, dass Du auf sie zählen kannst, wenn Du ernste Probleme hast? Wie viel Anteilnahme nehmen Menschen an dem, was Du tust? Wie leicht kannst Du praktische Hilfe von Deiner Familie, Deinen Freunden oder Nachbarn bekommen, wenn Du sie brauchst?“ Die drei eingesetzten Items werden auf unterschiedlich skalierten Formaten beantwortet. In der vorliegenden Stichprobe betrug Cronbachs α = .94. Schulklima wurde mit Hilfe von fünf Items erfasst, zwei Fragen beziehen sich auf die Lehrkräfte (z. B. „Wie beurteilen Deine Lehrer Deine Leistungen im Vergleich zu Deinen Mitschülern?“; 4-stufiges Antwortformat von überhaupt nicht gut bis sehr gut) und drei auf die Mitschüler (z. B. „Die meisten Schüler in meiner Klasse sind nett und hilfsbereit.“; 5-stufiges Antwortformat von stimmt überhaupt nicht bis stimmt genau). In der vorliegenden Stichprobe betrug Cronbachs α = .98. © 2016 Hogrefe Verlag
A. Plass et al., Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern
45
Statistische Analysen
Ergebnisse
Für die Erhebungsverfahren zur psychischen Belastung der Eltern sowie zur psychischen Auffälligkeit und gesundheitsbezogenen Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen wurden die Skalenwerte manualkonform berechnet. Für die Skalen zur Erfassung der Faktoren der Gesunderhaltung wurden jeweils Mittelwerte errechnet. Multiple lineare Regressionen wurden durchgeführt, um zu testen, ob die Faktoren der Gesunderhaltung psychische Auffälligkeit und gesundheitsbezogene Lebensqualität vorhersagen. Fehlende Werte wurden mit Hilfe der Expectation-Maximalization-Imputation (siehe Textkasten) ersetzt (Dempster, Laird & Rubin, 1977). Alle Analysen wurden mit Hilfe des Softwarepakets IBM SPSS Version 22.0 durchgeführt.
Die psychisch belasteten Eltern gaben als häufigste Belastung Depression an (39.4 %, n = 65), gefolgt von Unsicherheit im Sozialkontakt (30.9 %, n = 30), Zwanghaftigkeit (18.2 %, n = 30), Ängstlichkeit (17.6 %, n = 29) und Somatisierung (17 %, n = 28). Dabei waren Mehrfachnennungen möglich. Um den Einfluss der oben beschriebenen Faktoren der Gesunderhaltung auf die psychische Auffälligkeit der Kinder psychisch belasteter Eltern darzustellen, wurde eine multiple lineare Regression durchgeführt (siehe Tab. 1).
Kasten 1. EM-Imputation
In dieser Untersuchung wurde der Expectation-Maximization-Algorithmus (EM-Algorithmus) als Imputationsverfahren verwendet (Dempster, Laird & Rubin, 1977), um fehlende Werte der statistischen Erhebung in der Datenmatrix zu vervollständigen. Hierbei werden fehlende Werte durch plausible Werte ersetzt, die mit Hilfe der beobachteten Werte des gleichen Datensatzes geschätzt werden. Dabei wird mit einem zufällig gewählten Modell gestartet und dann abwechselnd die Zuordnung der Daten zu den einzelnen Teilen des Modells (Expectation-Schritt) und die Parameter des Modells an die neueste Zuordnung (Maximization-Schritt) verbessert. In beiden Schritten wird dabei die Qualität des Ergebnisses verbessert: Im Expectation-Schritt werden die Punkte besser zugeordnet, im Maximization-Schritt wird das Modell so verändert, dass es besser zu den Daten passt. Findet keine wesentliche Verbesserung mehr statt, beendet man das Verfahren. Voraussetzung für die Anwendung der EM-Imputation ist, dass der Anteil der fehlenden Werte der einzelnen Studienteilnehmer und der einzelnen Items in den verschiedenen Erhebungsverfahren unter 30 % liegt. Diese Voraussetzung war in der vorliegenden Studie erfüllt. Das vorliegende Ergebnis der Imputation wurde mit der Berechnung von Effektstärken überprüft, indem die Mittelwerte der einzelnen Items mit fehlenden Werten mit den Mittelwerten der gleichen Items nach Imputation verglichen wurden. Es zeigten sich Effektstärken von g = 0.00 bis 0.03; entsprechend ist davon auszugehen, dass durch die Imputation keine Unterschiede zwischen den Itemmittelwerten entstanden sind.
© 2016 Hogrefe Verlag
Tabelle 1. Multiple lineare Regression zur Vorhersage der psychischen Gesundheit β
B
SE
33.88
4.71
Alter
.01
.20
.01
.944
Geschlecht
.68
.59
.08
.252
-.10
.09
-.08
.284
Konstante
SES
p .000
Personale Faktoren Selbstwirksamkeitserwartung
.09
.84
.01
.914
Optimismus
-1.01
.65
-.13
.125
Soziale Kompetenz
-2.10
.61
-.27
.001*
-.48
.72
-.06
.502
-2.77
1.16
-.21
.018*
Familiäre Faktoren Familienklima Familiäre Unterstützung Soziale Faktoren Soziale Unterstützung Schulklima
-.27
.65
-.03
.686
-1.33
.61
-.16
.029*
Anmerkungen: Outcome: SDQ im Selbsturteil. n = 157. Signifikante Prädiktoren sind mit * gekennzeichnet. F = 8.83. df = 10/147. p < .001. R2 = 33.3 %.
Signifikante Prädiktoren zur Vorhersage von geringerer psychischer Auffälligkeit waren soziale Kompetenz als personaler Faktor, familiäre Unterstützung als familiärer Faktor und Schulklima als sozialer Faktor. Alter und Geschlecht sowie sozioökonomischer Status hatten keinen Einfluss auf berichtete psychische Auffälligkeiten. Das Modell leistete eine Varianzaufklärung von 33 %. In einer zweiten multiplen linearen Regression wurde der Einfluss der Faktoren der Gesunderhaltung auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität überprüft (siehe Tab. 2). Signifikante Prädiktoren zur Vorhersage besserer gesundheitsbezogener Lebensqualität waren Selbstwirksamkeitserwartung und Optimismus als personale Faktoren, Familienklima als familiärer Faktor und Schulklima Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 41–49
46
A. Plass et al., Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern
Tabelle 2. Multiple lineare Regression zur Vorhersage der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
Konstante
B
SE
-1.77
8.61
β
p .837
Alter
-.44
.37
-.07
.238
Geschlecht
-.92
1.08
-.05
.397
SES
-.01
.16
-.01
.938
Selbstwirksamkeitserwartung
3.95
1.51
.18
.010*
Optimismus
3.94
1.18
.25
.001*
Soziale Kompetenz
1.03
1.09
.07
.344
Familienklima
3.02
1.29
.18
.020*
Familiäre Unterstützung
2.03
2.07
.08
.327
Personale Faktoren
Familiäre Faktoren
Soziale Faktoren Soziale Unterstützung Schulklima
.88
1.17
.06
.451
3.58
1.08
.22
.001*
Anmerkungen: Outcome: KIDSCREEN-10 im Selbsturteil. Signifikante Prädiktoren sind mit * gekennzeichnet. n = 153. F = 14.75. df = 10/143. p < .001. R2 = 47.3 %.
als sozialer Faktor. Alter und Geschlecht sowie sozioökonomischer Status hatten keinen Einfluss auf die berichtete gesundheitsbezogene Lebensqualität. Das Modell leistete eine Varianzaufklärung von 47 %.
Diskussion Die vorliegende Arbeit untersucht Faktoren der psychischen Gesunderhaltung von Kindern psychisch belasteter Eltern in einer repräsentativen Stichprobe für Deutschland unter Verwendung der Selbsteinschätzung der Kinder und Jugendlichen. Der Anteil psychisch belasteter Eltern von etwa 15 % in dieser Stichprobe ist niedriger als in anderen epidemiologische Studien (Wittchen et al., 2011), entspricht aber der Rate psychischer Belastungen der Eltern in anderen BELLA-Substichproben (Wille et al., 2008). Kinder psychisch belasteter Eltern schätzten sich selbst in 13.3 % als psychisch auffällig oder grenzwertig ein, dies stellt gegenüber Vorarbeiten mit klinischen Stichproben von Kindern psychisch kranker Eltern, in denen etwa 50 % als psychisch auffällig eingestuft werden (Lapalme, Hodgins & La Roche, 1997; Wiegand-Grefe, Geers, Plaß, Petermann & Riedesser, 2009), eine deutlich niedrigere Rate psychischer Auffälligkeiten dar. Auch epidemiologische Daten ermitteln für Kinder psychisch kranker Eltern Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 41–49
eine höhere Prävalenz psychischer Erkrankungen (McLaughlin et al., 2012). Die unterschiedlichen Prävalenzraten müssen in Hinblick auf die verwendeten Beurteilerperspektiven diskutiert werden (Petermann, 2005): In der vorliegenden Studie führt das ausschließlich verwendete Selbsturteil der Kinder und Jugendlichen zu einer geringeren Prävalenz psychischer Auffälligkeiten als das ebenfalls erhobene aber hier nicht berichtete Elternurteil. Da jedoch Vorbefunde zu Beurteilungstendenzen von psychisch kranken Eltern sehr heterogen sind (Najman et al., 2000; Tarullo, Richardson, Radke-Yarrow & Martinez, 1995) und Verzerrungen aufgrund der elterlichen Symptomatik nicht ausgeschlossen werden können, wurde in der vorliegenden Studie das Selbsturteil der Kinder und Jugendlichen verwendet. Wie aufgrund der Vorarbeiten im Bereich Kinder psychisch kranker Eltern zu erwarten, beurteilten sich Kinder psychisch belasteter Eltern (13.3 %) gegenüber Kindern psychisch nicht belasteter Eltern (8.2 %) signifikant häufiger als psychisch auffällig oder grenzwertig. Auch bei Kindern psychisch nicht belasteter Eltern fällt die Prävalenz für psychische Auffälligkeiten in der vorliegenden Stichprobe deutlich geringer aus als aufgrund von Metaanalysen (Barkmann & Schulte-Markwort, 2012) zu erwarten (17.6 %). Dies ist ebenfalls auf die Selbsteinschätzung der Kinder und Jugendlichen zurückzuführen. Sowohl die psychische Gesundheit als auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Kinder psychisch belasteter Eltern wurde durch eine Kombination von personalen, familiären und sozialen Faktoren vorhergesagt. Für die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen war als personaler Faktor die soziale Kompetenz, als familiärer Faktor die familiäre Unterstützung und als sozialer Faktor das Schulklima signifikant. Für die gesundheitsbezogene Lebensqualität waren als personale Faktoren Selbstwirksamkeitserwartung und Optimismus, als familiärer Faktor das Familienklima und als sozialer Faktor das Schulklima signifikant. Obwohl psychische Gesundheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität viele Gemeinsamkeiten aufweisen (Wiegand-Grefe, Jeske, Bullinger, Plass & Petermann, 2010), werden sie in der vorliegenden Stichprobe von jeweils unterschiedlichen Unterfaktoren vorhergesagt, Ausnahme bildet hierbei nur das Schulklima. Die psychische Gesundheit wird von Unterfaktoren vorhergesagt, die insbesondere Beziehungsaspekte beinhalten, einerseits zum sozialen Umfeld (soziale Kompetenz) und andererseits zu den Eltern (familiäre Unterstützung). Die gesundheitsbezogene Lebensqualität dagegen hängt mit Aspekten zusammen, die sich auf eigene Fähigkeiten (Selbstwirksamkeitserwartung), eine positive Zukunftserwartung (Optimismus) und guten Familienzusammenhalt (Familienklima) beziehen. © 2016 Hogrefe Verlag
A. Plass et al., Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern
Während in der vorliegenden Studie eine Kombination personaler, familiärer und sozialer Faktoren psychische Gesundheit und gesundheitsbezogene Lebensqualität vorhersagten, waren in einer anderen Stichprobe der BELLA-Studie von 1 559 Kindern und Jugendlichen im Alter von 11 bis 17 Jahren, die unterschiedliche Risikofaktoren aufwiesen (z. B. niedrige soziale Schicht, familiäre Konflikte, unerwünschte Schwangerschaft, Arbeitslosigkeit), personale und familiäre Faktoren die wichtigsten protektiven Faktoren für die psychische Gesundheit (Wille et al., 2008). Als personaler Faktor war das Selbstkonzept mit den vier Bereichen kognitive Kompetenz, Sportkompetenz, Peerakzeptanz, Aussehen sowie dem globalen Selbstwertgefühl signifikant, als familiärer Faktor das Familienklima. Während also für Kinder mit unterschiedlichen Risikofaktoren personale und familiäre Ressourcen als Schutzfaktoren eine wichtige Rolle spielen, ist für Kinder psychisch belasteter Eltern mit dem Schulklima zusätzlich zu personalen und familiären Faktoren ein sozialer Faktor für die gesunde psychische Entwicklung ausschlaggebend. Dies bestätigt unsere Hypothese, dass Kinder psychisch belasteter Eltern von Ressourcen außerhalb der Familie besonders profitieren. Das Schulklima wurde sowohl für die psychische Auffälligkeit als auch für die gesundheitsbezogene Lebensqualität als signifikanter sozialer Faktor der Gesunderhaltung ermittelt. Aus Vorstudien ist bekannt, dass sich Kinder psychisch kranker Eltern, die eine gute psychische Entwicklung aufweisen, als Personen beschreiben, die sich aktiv im schulischen und sozialen Umfeld engagieren (Beardslee & Podorefsky, 1988). Positive Schulleistungen weisen protektive Effekte auf und können als Quelle der Selbstbestätigung dienen; negative Erfahrungen in der Familie können durch diese Erfolgserlebnisse besser kompensiert werden (Masten et al., 2009; Rutter, 1990). Auch der Kontakt zu gleichaltrigen Mitschülern, der mit dem Schulklima ebenfalls erfasst wurde, ist für Kinder und Jugendliche mit psychisch belasteten Eltern von zentraler Bedeutung. Für zukünftige Arbeiten zu Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern sind die folgenden konzeptuellen und methodischen Überlegungen relevant: Um gegenüber der hier verwendeten psychischen Belastung der Eltern im Eigenurteil einen differenzierteren Zusammenhang von elterlicher Symptomatik mit Belastungen der Kinder darstellen zu können, sollten zukünftige Studien elterliche Diagnosen und Belastungen im Eigen- und Fremdurteil mit spezifischer Diagnostik erheben. Außerdem könnten mit Hilfe längsschnittlicher Daten kausale Zusammenhänge weiter aufgeklärt werden. Ein Längsschnittdesign bietet auch die Möglichkeit, Dauer und Zeitraum der elterlichen psychischen Belastung, das Alter der Kinder in Bezug auf die elterliche psy© 2016 Hogrefe Verlag
47
chische Belastung sowie Informationen über die psychische Belastung des zweiten Elternteils zu berücksichtigen, da dies in Vorstudien für die Ausprägung psychischer Auffälligkeiten der Kinder relevant war (Brennan et al., 2000; Hammen, Brennan & Shih, 2004; McLaughlin et al., 2012). Auch wäre es wünschenswert, Mütter und Väter in einem ausgewogenen Verhältnis einzubeziehen, um geschlechtsspezifische Effekte untersuchen zu können. Die Güte der verwendeten Erhebungsverfahren sollte in zukünftigen Arbeiten weiter überprüft werden.
Schlussfolgerungen für die klinische Praxis Die Identifikation von Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern bildet die Voraussetzung für die Entwicklung und Implementierung präventiver und therapeutischer Maßnahmen, die das bekannte hohe Risiko dieser Kinder, selbst psychische Auffälligkeiten zu entwickeln, minimieren können. Die vorliegende Arbeit bietet Ansatzpunkte, die bei der Entwicklung spezifischer Interventionsprogramme Berücksichtigung finden sollten. In Hinblick auf eine gesunde psychische Entwicklung profitieren Kinder psychisch belasteter Eltern insbesondere von einer Kombination personaler, familiärer und sozialer Ressourcen. Für die Arbeit mit Kindern und Familien mit psychisch belasteten Eltern kann daraus abgeleitet werden, dass zunächst eine differenzierte Diagnostik der Ressourcen in diesen drei Bereichen durchgeführt werden sollte, um Defizite zu erfassen und davon ausgehend spezifische Förderung und Unterstützung anbieten zu können. Als ein bedeutsamer Faktor der Gesunderhaltung, der sowohl hinsichtlich psychischer Auffälligkeit als auch gesundheitsbezogener Lebensqualität relevant war, wurde das Schulklima identifiziert. Dies ist ein Hinweis darauf, dass sich die Arbeit mit Kindern und Familien mit psychisch belasteten Eltern nicht allein auf das familiäre Setting konzentrieren, sondern mit der Schule auch einen Lebensbereich berücksichtigen sollte, in dem Kinder mit höherem Alter zunehmend unabhängig von ihrem familiären Umfeld unterstützende Beziehungserfahrungen machen können.
Literatur Barkmann, C. & Schulte-Markwort, M. (2012). Prevalence of emotional and behavioural disorders in German children and adoKindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 41–49
48
A. Plass et al., Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern
lescents: A meta-analysis. Journal of epidemiology and community health, 66, 194 – 203. Beardslee, W. R. & Podorefsky, D. (1988). Resilient adolescents whose parents have serious affective and other psychiatric disorders: Importance of self-understanding and relationsships. American Journal of Psychiatry, 145, 63 – 69. Bettge, S. & Ravens-Sieberer, U. (2003). Schutzfaktoren fur die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen- empirische Ergebnisse zur Validierung eines Konzepts. Gesundheitswesen, 65, 167 – 172. Boyd, R. C. & Waanders, C. (2013). Protective factors for depression among African American children of predominantly low-income mothers with depression. Journal of Child and Family Studies, 22, 85 – 95. Brennan, P., Hammen, C., Andersen, M., Bor, W., Najman, J. & Williams, G. (2000). Chronicity, severity, and timing of maternal depressive symptoms: Relationships with the child outcome at age 5. Developmental Psychology, 36, 759 – 766. Brennan, P. A., Le Brocque, R. & Hammen, C. (2003). Maternal depression, parent-child relationships, and resilient outcomes in adolescence. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 42, 1469 – 1477. Currie, C., Samdal, O., Boyce, W. & Smith, R. (2001). Health Behaviour in school aged children: A WHO Cross-National Study (HBSC), Research Protocol for the 2001/2002 Survey. University of Edinburgh: Child and Adolescent Research Unit (CAHRU). Dempster, A. P., Laird, N. M. & Rubin, D. B. (1977). Maximum likelihood from incomplete data via the EM algorithm Journal of the Royal Statistical Society, 39, 1 – 38. Derogatis, L. R., Lipman, R. S., Rickels, K., Uhlenhuth, E. & Covi, L. (1974). The Hopkins Symptom Checklist (HSCL): A self-report symptom inventory. Behavioral Science, 19, 1 – 15. Franke, G. H. (2002). SCL-90-R: Symptom-Checkliste von L.R. Derogatis – deutsche Version. Göttingen: Beltz Test. Goodman, R. (1999). The extended version of the Strengths and Difficulties Questionnaire as a guide to child psychiatric caseness and consequent burden. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 40, 791 – 799. Goodman, R., Meltzer, H. & Bailey, V. (1998). The Strengths and Difficulties Questionnaire: a pilot study on the validity of the self-report version. European Child & Adolescent Psychiatry, 7, 125 – 130. Grob, A., Lüthi, R., Kaiser, F. G., Flammer, A., Mackinnon, A. & Wearing, A. (1991). Berner Fragebogen zum Wohlbefinden Jugendlicher. Diagnostica, 37, 66 – 75. Hammen, C., Brennan, P. A. & Shih, J. H. (2004). Family discord and stress predictors of depression and other disorders in adolescent children of depressed and nondepressed women. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 43, 994 – 1002. Hölling, H., Schlack, R., Petermann, F., Ravens-Sieberer, U., Mauz, E. & KiGGS Study Group. (2014). Psychische Auffälligkeiten und psychosoziale Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren in Deutschland – Prävalenz und zeitliche Trends zu 2 Erhebungszeitpunkten (2003 – 2006 und 2009 – 2012). Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 57, 807 – 819. Jeske, J., Bullinger, M. & Wiegand-Grefe, S. (2011). Do attachment patterns of parents with a mental illness have an impact on how they view their children? Vulnerable Children & Youth Studies, 6, 39 – 50. Klaghofer, R. & Brähler, E. (2001). Konstruktion und teststatistische Prüfung einer Kurzform der SCL-90-R. Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, 49, 115 – 124.
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 41–49
Lapalme, M., Hodgins, S. & La Roche, C. (1997). Children of parents with bipolar disorder: A metaanalysis of risk for mental disorders. Canadian Journal of Psychiatry, 42, 623 – 631. Lewandowski, R. E., Verdeli, H., Wickramaratne, P., Warner, V., Mancini, A. & Weissman, M. (2014). Predictors of positive outcomes in offspring of depressed parents and non-depressed parents across 20 years. Journal of Child and Family Studies, 23, 800 – 811. Luthar, S. S. (1993). Methodological and conceptual issues in research on childhood resilience. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 34, 441 – 453. Masten, A. S., Cutuli, J., Herbers, J. E. & Reed, M.-G. J. (2009). Resilience in development. In S. J. Lopez & C. R. Snyder (Eds.), Oxford handbook of positive psychology (2nd ed., pp. 117 – 131). New York, NY: Oxford University Press; US. McLaughlin, K. A., Gadermann, A. M., Hwang, I., Sampson, N. A., Al-Hamzawi, A., Andrade, L. H. ed al. (2012). Parent psychopathology and offspring mental disorders: results from the WHO World Mental Health Surveys. British Journal of Psychiatry, 200, 290 – 299. Najman, J. M., Williams, G. M., Nikles, J., Spence, S., Bor, W., OʹCallaghan, M. et al. (2000). Mother’s mental illness and child behavior problems: Cause-effect association or observation bias? Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 39, 592 – 602. Pargas, R. C. M., Brennan, P. A., Hammen, C. & Le Brocque, R. (2010). Resilience to maternal depression in young adulthood. Developmental Psychology, 46, 805 – 814. Parker, G., Tulping, H. & Brown, L. B. (1979). A parental bonding instrument. British Journal of Medical Psychology, 52, 1 – 10. Petermann, F. (2002). Klinische Kinderpsychologie: Das Konzept der sozialen Kompetenz. Zeitschrift für Psychologie, 210, 175 – 185. Petermann, F. (2005). Zur Epidemiologie psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter. Kindheit und Entwicklung, 14, 48 – 57. Ravens-Sieberer, U., Erhart, M., Rajmil, L., Herdman, M., Auquier, P., Bruil, J. et al. (2010). Reliability, construct and criterion validity of the KIDSCREEN-10 score: A short measure for children and adolescents’ well-being and health-related quality of life. Quality of Life Research, 19, 1487 – 1500. Ravens-Sieberer, U., Herdman, M., Devine, J., Otto, C., Bullinger, M., Rose, M. & Klasen, F. (2014). The European KIDSCREEN approach to measure quality of life and well-being in children: Development, current application, and future advances. Quality of Life Research, 23, 791 – 803. Ravens-Sieberer, U., Klasen, F. & Petermann, F. (2016). Psychische Kindergesundheit. Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie. Kindheit und Entwicklung, 25, 4-9. Rutter, M. (1985). Resilience in the face of adversity. Protective factors and resistance to psychiatric disorder. British Journal of Psychiatry, 147, 598 – 611. Rutter, M. (1990). Psychosocial resilience and protective mechanisms. In J. Rolf, A. S. Masten, D. Cicchetti, K. Nuechterlein & S. Weintraub (Eds.), Risk and protective factors in the development of psychppathology (pp. 181 – 214). Cambridge: Cambridge University Press. Schleier, M. F. & Carver, C. S. (1985). Optimism, coping and health: Assessment and implications of generalized outcome expectancies. Health Psychology, 4, 219 – 247. Schneewind, K., Beckmann, M. & Hecht-Jackl, A. (1985). Das Familienklima-Testsystem-Testmanual. Bericht 8.1 und 8.2. Universität München- Institut für Psychologie. Schwarzer, R. (1994). Optimistische Kompetenzerwartung: Zur Erfassung einer personalen Bewältigungsressource. Diagnostica, 40, 105 – 123. © 2016 Hogrefe Verlag
A. Plass et al., Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern
Schwarzer, R. & Jerusalem, M. (1995) Generalized self-efficacy scale. In J. Weinman, S. Wright & M. Johnson (Eds.), Measures in health psychology: A user’s portfolio. Causal and control beliefs (pp. 35 – 37). Windsor, UK: Nfer-Nelson. Schwarzer, R. & Knoll, N. (2007). Functional roles of social support within the stress and coping process: A theoretical and empirical overview. International Journal of Psychology, 42, 243 – 252. Siegenthaler, E., Munder, T. & Egger, M. (2012). Effect of preventive interventions in mentally ill parents on the mental health of the offspring: Systematic review and meta-analysis. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 51, 8 – 17. Tarullo, L. B., Richardson, D. T., Radke-Yarrow, M. & Martinez, P. E. (1995). Multiple sources in child diagnosis: Parent-child concordance in affectively ill an well families. Journal of Clinical Child Psychology, 24, 173 – 183. Werner, E. E. (1989). High-risk children in young adulthood: A longitudinal study from birth to 32 years. American Journal of Orthopsychiatry, 59, 72 – 81. Wiegand-Grefe, S., Geers, P., Plaß, A., Petermann, F. & Riedesser, P. (2009). Kinder psychisch kranker Eltern: Zusammenhänge zwischen subjektiver elterlicher Beeinträchtigung und psychischer Auffälligkeit der Kinder aus Elternsicht. Kindheit und Entwicklung, 18, 111 – 121. Wiegand-Grefe, S., Halverscheid, S. & Plaß, A. (2011). Kinder und ihre psychisch kranken Eltern: Familienorientierte Prävention – Der CHIMPs-Beratungsansatz. Göttingen: Hogrefe.
49
Wiegand-Grefe, S., Jeske, J., Bullinger, M., Plass, A. & Petermann, F. (2010). Lebensqualität von Kindern psychisch kranker Eltern. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 58, 315 – 322. Wiegand-Grefe, S., Werkmeister, S., Bullinger, M., Plass, A. & Petermann, F. (2012). Gesundheitsbezogene Lebensqualität und soziale Unterstützung von Kindern psychisch kranker Eltern. Effekte einer manualisierten Familienintervention. Kindheit und Entwicklung, 21, 64 – 73. Wille, N., Bettge, S. & Ravens-Sieberer, U. (2008). Risk and protective factors for children’s and adolescents’ mental health: Results of the BELLA study. European Child & Adolescent Psychiatry, 17, 133 – 147. Wittchen, H. U., Jacobi, F., Rehm, J., Gustavsson, A., Svensson, M., Jonsson, B. et al. (2011). The size and burden of mental disorders and other disorders of the brain in Europe 2010. European Neuropsychopharmacology, 21, 655 – 679.
Dr. Angela Plass Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik Martinistraße 52, W35 20146 Hamburg plass@uke.de
Hogrefe Tagungsplaner Alle Tagungen im Überblick Der Hogrefe Tagungsplaner bietet Ihnen ein umfassendes Verzeichnis von Tagungen, Kongressen und Symposien im Bereich der Psychologie und Psychiatrie. Sie können sich nach verschiedenen Suchkriterien die passende Tagung oder den passenden Kongress anzeigen lassen. •
Tagungsübersicht
•
Tagung beantragen und bearbeiten
•
Veranstaltungen eintragen
www.hogrefe.de/service
© 2016 Hogrefe Verlag
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 41–49
Studie
Verlauf gesundheitsbezogener Lebensqualität Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie Claus Barkmann1, Franz Petermann2, Robert Schlack3, Monika Bullinger1, Michael Schulte-Markwort1, Fionna Klasen1 und Ulrike Ravens-Sieberer1 1 2 3
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Universität Bremen Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin Zusammenfassung. Gesundheitsbezogene Lebensqualität (gLQ) als Parameter zur Beschreibung der subjektiven Gesundheit von Kindern und Jugendlichen wird zunehmend auch in der Gesundheitsberichterstattung berücksichtigt. In der vorliegenden prospektiven Kohortenstudie wurde der zweijährige Verlauf bei N = 1 597 repräsentativ aus der Allgemeinbevölkerung rekrutierten 11- bis 17-Jährigen im Selbstbericht untersucht und durch gesundheitsbezogene und soziodemographische Merkmale vorhergesagt. Die gLQ wurde mit Hilfe des mehrdimensionalen KIDSCREEN-27 gemessen. Die gLQ sank mit zunehmendem Alter auf allen Skalen außer bei der Skala Gleichaltrige und soziale Unterstützung leicht und Mädchen hatten meist etwas niedrigere Werte als Jungen. Signifikante Prädiktoren der gLQ waren psychische Auffälligkeiten und körperliche Probleme des Kindes, psychische Auffälligkeiten der Eltern sowie Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund und sozioökonomischer Status. Die Ergebnisse bieten eine Orientierung zur Beurteilung der Verläufe von einzelnen Patienten und Patientengruppen und geben Hinweise auf mögliche Zielgrößen zur Verbesserung der gLQ durch präventive Maßnahmen. Schlüsselwörter: Gesundheitsbezogene Lebensqualität, Psychische Gesundheit, Gesundheitsberichterstattung, Längsschnittuntersuchung, KIDSCREEN
Course of Health-Related Quality of Life: Results of the BELLA Cohort Study Abstract. Health-related quality of life (HrQoL) is regarded as an important parameter for describing the subjective health of children and adolescents and therefore increasingly taken into account in health reporting systems. Population-based cross-sectional studies have shown that HrQoL in children and adolescents is correlated with mental and physical health as well as with sociodemographic characteristics. However, empirical studies on the longitudinal course of HrQoL in the general population are rare. The aim of the present study was to examine the course of self-reported HrQoL in children and adolescents in the general population and to predict this in relation to mental health problems, somatic problems, sociodemographic factors, as well as further predictors. The survey on mental well-being and behavior (“BEfragung zum seeLischen WohLbefinden und VerhAlten,” BELLA) is a nationally representative and prospective cohort study of German children and adolescents between 7 and 17 years of age. Of four measurement points (t1 between 2003 and 2006, t2 and t3 1 year later each, t4 4 years later), the first three were used for the analyses presented here. At all three time points, the self-report of children and adolescents between 11 and 17 years was used (n = 1,597), and some predictors were obtained according to the parents’ judgment. The data were investigated using a multilevel model for longitudinal data. Physical well-being decreased significantly with age; girls had lower overall values and a greater decrease with age than boys did. The course of psychological well-being corresponded with that of physical well-being, although with smaller effect sizes. The values for relationship with parents and autonomy and school environment decreased slightly over the years but did so regardless of gender. There were no age or gender effects for peers and social support. Significant predictors were mental health problems and physical problems of the child, mental health problems of the parents, as well as age, gender, migrational background, and socioeconomic status. A stepwise inclusion of predictors revealed that the most important predictor for the course of HrQoL was the mental health problems of the child, cross-sectional predictors had a rather low impact, and interactions hardly contributed to the variance explained. To understand the temporal dynamics of HRQOL properly, not only a variety of relevant indicators but also a developmental theory
Wir danken den Mitglieder der BELLA study group für ihre Unterstützung! Mitglieder der BELLA study group sind Ulrike Ravens-Sieberer und Fionna Klasen, Hamburg (Projektleiterinnen); Claus Barkmann, Hamburg; Monika Bullinger, Hamburg; Manfred Döpfner, Köln; Beate HerpertzDahlmann, Aachen; Heike Hölling, Berlin; Franz Petermann, Bremen; Franz Resch, Heidelberg; Aribert Rothenberger, Göttingen; Sylvia Schneider, Bochum; Michael Schulte-Markwort, Hamburg; Robert Schlack, Berlin; Frank Verhulst, Rotterdam; Hans-Ulrich Wittchen, Dresden. Fionna Klasen und Ulrike Ravens-Sieberer teilen sich die Letztautorenschaft. Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 50–59 DOI: 10.1026/0942-5403/a000188
© 2016 Hogrefe Verlag
C. Barkmann et al., Verlauf gesundheitsbezogener Lebensqualität
51
of HrQoL is required. The results provide guidance for assessing the patterns of individual patients and patient groups, and give indications of possible outcomes for improving HRQOL through preventive measures. Keywords: health-related quality of life, mental health, health reporting system, longitudinal study, KIDSCREEN
In den letzten Jahrzehnten hat der medizinische Fortschritt in den Industrienationen zu einer Verschiebung der häufigsten Gesundheitsprobleme von akuten körperlichen zu chronischen Erkrankungen geführt (American Academy of Pediatrics, 1993; Bullinger, 2014). Als eine wesentliche Zielgröße bei epidemiologischen Untersuchungen und präventiven Interventionsmaßnahmen hat sich hier mittlerweile das Konzept der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (gLQ), also die subjektive Einschätzung des eigenen Gesundheitszustandes und seiner Auswirkungen auf die Aktivitäten und Teilhabe im Alltag etabliert (Ravens-Sieberer, Erhart, Wille, Bullinger & BELLA study group, 2008; Warschburger et al., 2004). Die Forschungsbemühungen zur gLQ im Kindes- und Jugendalter konzentrierten sich neben der Entwicklung von Messinstrumenten zunächst vor allem auf die Beschreibung von Kindern und Jugendlichen mit bestimmten Erkrankungen oder Behinderungen (z. B. Aspesberro, Mangione-Smith & Zimmerman, 2015; Law et al., 2014) sowie die Verwendung als sekundäres Zielkriterium in präventiven und klinischen Interventionsstudien (vgl. u. a. Gerber et al., 2010). Mittlerweile ist gLQ aber auch Bestandteil bevölkerungsrepräsentativer Survey- und Trenduntersuchungen (z. B. Michel, Bisegger, Fuhr, Abel & the KIDSCREEN group, 2009). Gesundheitsbezogene Lebensqualität wird als mehrdimensionales Konstrukt verstanden, das körperliche, psychische und soziale Aspekte der subjektiv wahrgenommenen Gesundheit umfasst (Krause et al., 2014; Matza, Swensen, Flood, Secnik & Kline Leidy, 2004). Um die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen angemessen abzubilden, werden diese Domänen meist in spezifische Dimensionen wie z. B. Familie, Beziehungen zu Gleichaltrigen oder Schule unterteilt. Als Zustandsmerkmal wird gLQ in der Regel über standardisierte Ratingskalen unipolar und aufsteigend positiv für die vergangene Woche im Selbsturteil quantifiziert, bei jüngeren Kindern wird die Einschätzung der Eltern („mein Kind würde sagen“) verwendet. Mit der Wahl der gLQ als Zielparameter ist auch die Entscheidung für eine individuelle und subjektive, diagnose- und disziplinenübergreifende sowie gesundheitsorientierte Perspektive verbunden (Schmidt, Waldmann, Petermann & Brähler, 2010). Spezielle Theorien zum entwicklungsbezogenen Verlauf der gLQ bei Kindern und Jugendlichen sind in der Literatur nicht zu finden. Die körperliche und psychische Reifung, Veränderungen in der Beziehung zu den Eltern und Gleichaltrigen, die schulische Laufbahn sowie die mit diesen Entwicklungsschritten einhergehenden Aufgaben und deren Bewältigung legen eine reifeabhängige Veränderung nahe. Allerdings werden diese © 2016 Hogrefe Verlag
Zusammenhänge durch die zunehmende Ausdifferenzierung von Selbstwahrnehmung, Selbstbewertung und Selbstauskunftsbereitschaft so komplex, dass sich nicht ohne weiteres ein genereller Alterstrend a priori postulieren ließe. Im Sinne des Risiko- und Schutzfaktorenmodells (Masten & Reed, 2002) wäre aber plausibel, dass aufgrund der vielfältigen Einflüsse von individuellen, familiären und umweltbezogenen Faktoren interpersonell unterschiedliche Verläufe der gLQ über die Altersspanne entstehen. Aus populationsbasierten Querschnittuntersuchungen ist bekannt, dass die gLQ von Kindern und Jugendlichen mit psychischer und körperlicher Gesundheit sowie mit soziodemographischen Merkmalen korreliert (z. B. Ellert, Brettschneider, Ravens-Sieberer & KiGGS Study Group, 2014; Houben-van Herten, Bai, Hafkamp, Landgraf & Raat, 2015). Empirische Studien zum längsschnittlichen Verlauf liegen bislang aber nur vereinzelt vor: · Meuleners und Lee (2003) untersuchten zwischen den Jahren 1999 und 2000 im australischen Perth N = 300 10- bis 18-jährige Schüler verschiedener Schulen mit einem 6-Monats-Follow-up. Insgesamt sank die gLQ über die Zeit leicht, allerdings variierten Verläufe der einzelnen Schüler signifikant. Bedeutsame Prädiktoren dafür waren das Alter (je älter, desto stärker der Abfall) und die subjektive körperliche Gesundheit. · Palacio-Vieira et al. (2008) beobachteten von 2003 bis 2006 N = 454 8- bis 18-jährige Kinder und Jugendliche aus Spanien. Die gLQ verschlechterte sich in dem 3-Jahres-Intervall in acht von zehn gemessenen Subdimensionen (d = -.10 bis -.34), nur nicht in „Soziale Akzeptanz“ und „Finanzielle Ressourcen“. Die Verschlechterung war signifikant stärker für ältere Jugendliche und für Mädchen. Außerdem zeigten sich signifikante negative Korrelationen mit der pubertären Entwicklung und dies insbesondere für Mädchen. · Jozefiak, Larsson und Wichstrøm (2009) verfolgten über sechs Monate (2004 bis 2005) die gLQ einer repräsentativen Stichprobe von N = 1 821 8- bis 16-Jährigen Schülern aus Norwegen. Dabei zeigten die Mittelwerte auf fast allen Skalen einen minimalen Anstieg über die Zeit, der aber zu gering war, um die Signifikanzgrenze zu erreichen. Außerdem ergaben sich einzelne statistisch signifikante Effekte für Alter und Geschlecht in verschiedenen Teilbereichen und im Gesamtwert mit leicht sinkenden Werten für ältere Schüler und Mädchen. · Viira und Koka (2012) analysierten zwischen 2009 und 2010 N = 401 13- bis 14-jährige Schüler aus verschiedenen Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 50–59
52
C. Barkmann et al., Verlauf gesundheitsbezogener Lebensqualität
Städten Estlands zu drei Messzeitpunkten (Ersterhebung, 3 und 6 Monate später). Im Mittel konnte keine signifikante Veränderung über die Zeit festgestellt werden. Mädchen zeigten tendenziell niedrigere Werte als Jungen. · Ravens-Sieberer, Ottova, Hillebrandt, Klasen und das HBSC-Team Deutschland (2012) verglichen im Rahmen einer internationalen Trendstudie die gLQ von 11-, 13- und 15-jährigen Schülern aus Deutschland zwischen 2006 und 2010 (N = 6 896 bzw. 4 723), fanden aber keine signifikante Veränderung zwischen beiden Zeitpunkten.
Zielgröße
Im Übrigen zeigen Untersuchungen bei chronisch kranken Kindern übereinstimmend, dass nicht nur der objektive Krankheitsverlauf und die damit verbundenen Beeinträchtigungen, sondern vor allem auch die subjektive Wahrnehmung und Bewertung derselben den Verlauf der gLQ bestimmen (z. B. Baiardini et al., 2006; Everhart & Fiese, 2009; Fakhry et al., 2013).
Fragestellung Insgesamt ist die Anzahl bislang vorliegender Studien zum Verlauf der gLQ bei Kindern und Jugendlichen in der Allgemeinbevölkerung gering, die Beobachtungsintervalle sind kurz und das Spektrum an Prädiktoren ist begrenzt. Die Fragestellungen der vorliegenden Analyse lauteten daher: (1) Wie verändert sich die selbstberichtete gLQ bei Kindern und Jugendlichen in der Allgemeinbevölkerung über die Zeit? (2) Wie können diese Verläufe mit Hilfe von soziodemographischen Merkmalen, somatischen und psychischen Auffälligkeiten sowie weiteren Prädiktoren vorhergesagt werden? Die Ergebnisse dienen der Gesundheitsberichterstattung und ermöglichen eine differenziertere Interpretation von störungs- und interventionsspezifischen klinischen Studien sowie populationsbasierten Trenddaten.
Methode Studiendesign Die Details der BELLA-Kohortenstudien wurden von Ravens-Sieberer, Klasen und Petermann (2016) beschrieben. Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 50–59
Der KIDSCREEN-27 (The KIDSCREEN-Group Europe, 2006) ist ein generischer, mehrdimensionaler Fragebogen zur Messung der gLQ bei Kindern und Jugendlichen mit 27 Items. Er erfasst die fünf Skalen Körperliches Wohlbefinden (5 Items, Beispiel-Item: „Hast du dich fit und wohl gefühlt?“), Psychisches Wohlbefinden (7 Items, Beispiel: „Hast du Spaß gehabt?“), Beziehungen zu Eltern und Autonomie (7 Items, Beispiel: „Hast du genug Zeit für dich selbst gehabt?“), Gleichaltrige und soziale Unterstützung (4 Items, Beispiel: „Hast du Zeit mit deinen Freunden verbracht?“) und Schulisches Umfeld (4 Items, Item: „Konntest du gut aufpassen?“). Die Beantwortung erfolgt auf fünf Häufigkeitsstufen (1 = überhaupt nicht bis 5 = sehr) wobei zur Bewertung die letzte Woche zugrunde gelegt wird. Die Skalenwerte werden durch die ungewichtete Summation der gleichsinnig gepolten Itemantworten errechnet, die Wertebereiche der fünf Skalen reichen also von 5 bis – in der obigen Reihenfolge der Skalen – 25, 35, 35, 20 und 20. Der KIDSCREEN-27 ist national und international untersucht worden, eine hinreichende interne Konsistenz, konvergente und diskriminante Konstruktvalidität (sowie Messinvarianz bezogen auf Alter und Geschlecht) sind belegt. In der vorliegenden Stichprobe reicht Cronbachs α über alle Zeitpunkte und Skalen hinweg von .75 (für Schulisches Umfeld bei t3) bis .86 (für Psychisches Wohlbefinden bei t2).
Prädiktoren Als Prädiktoren wurden die in den einleitend genannten Studien identifizierten gesundheitsbezogenen und soziodemographischen Faktoren verwendet, sofern sie im Datensatz verfügbar waren. Dabei wurde zwischen zeitlich variablen (Level 1, im Folgenden „L1“) und konstanten (Level 2, im Folgenden „L2“) Prädiktoren unterschieden: Zeitvariable Prädiktoren auf L1 sollten Unregelmäßigkeiten in den individuellen Verläufen erklären, zeitkonstante Prädiktoren auf L2 sollten Unterschieden zwischen den individuellen Verläufen erfassen (vgl. Kasten 1).
Kasten 1. Zusammenstellung der zeitlich variablen (= Level 1) und konstanten Prädiktoren (= Level 2)
L1 (Messwiederholung, t1, t2, t3) 1. Psychische Auffälligkeiten: Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ, Goodman, 1997, 20 Item-Gesamtproblemwert von 0 – 40 im Selbsturteil, Cronbachs α = .75 für jeden Zeitpunkt) © 2016 Hogrefe Verlag
C. Barkmann et al., Verlauf gesundheitsbezogener Lebensqualität
2. Körperliche Probleme: Akute oder chronische körperliche Erkrankungen, Behinderungen oder Unfälle (gesamt nein-ja im Elternurteil) 3. Psychische Auffälligkeiten der Eltern: 9-Item-Kurzform der Symptom-Checklist-Revised (SCL-K9, Klaghofer & Brähler, 2001; SCL-R, Derogatis, 1999, Skalenwert von 0 – 36 im Elternurteil, Cronbachs α für t1, t2 und t3 .82, .83 und .84) 4. Körperliche Probleme der Eltern (Akute oder chronische körperliche Erkrankungen, Behinderungen oder Unfälle, gesamt nein-ja im Elternurteil) 5. Inanspruchnahme von Gesundheitsversorgungsangeboten (mehr als üblich: nein-ja im Elternurteil) 6. Einnahme von Medikamenten (nein-ja im Elternurteil) 7. Psychosozialer Stress: Probleme in Familie, Schule und Peer-Beziehungen (studienspezifischer Index aus 11 Items im Elternurteil) 8. Messzeitpunkt (in exakten Jahren) L2 (einmalige Messung, t1) 9. Alter in Jahren 10. Geschlecht 11. Migrationshintergrund (beide Elternteile im Ausland geboren, nein-ja) 12. Sozioökonomischer Status (SES, Winkler-Index, Winkler & Stolzenberg, 1999; Index von 3 bis 21 Punkten, basierend auf Erziehung, Beruf und Einkommen der Eltern)
Stichprobe Die BELLA-Teilnehmer wurden aus der bundesweit repräsentativen KiGGS-Stichprobe von 2003 bis 2006 in Deutschland lebenden 7- bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen rekrutiert (vgl. im Detail Ravens-Sieberer et al., 2016). Von den 2 863 BELLA-Familien wurden alle Fälle eingeschlossen, für die zu mindestens einem der drei Zeitpunkte gültige Angaben zur Zielgröße im Selbsturteil vorlagen (N = 1 597 11- bis 19-Jährige der Geburtsjahrgänge 1986 bis 1995). Im bevölkerungsbezogenen Vergleich waren Familien mit Migrationshintergrund und geringem sozioökonomischen Status leicht unterrepräsentiert.
Analysen Die Daten wurden mit Hilfe eines Mehrebenenmodells für längsschnittliche Daten analysiert (Raudenbush & Bryk, 2002, Erläuterung im nachfolgenden Kasten). Zeit wurde in exakten Jahren operationalisiert und für alle Fälle bei t1 auf Null gesetzt. Alle metrischen Prädiktoren außer Alter wurden am Mittelwert zentriert. Die relative © 2016 Hogrefe Verlag
53
Modellpassung wurde mit Hilfe des Bayesischen Informationskriterium geprüft (BIC, je kleiner, desto besser). In den abschließenden Sensitivitätsbetrachtungen wurden Skalen und Indizes aufgetrennt sowie methodische Aspekte exploriert. Alle Analysen wurden mit IBM SPSS 22 (FML-Algorithmus) durchgeführt.
Kasten 2. Vorgehen im Rahmen einer Mehrebenenanalyse
Bei einer Mehrebenenanalyse geht man wie folgt vor (vgl. Raudenbush & Bryk, 2002): Zunächst wird für jeden einzelnen Fall eine eigene Regressionsgleichung über die Zeit berechnet (Level 1). Interzepts sind die Ausgangswerte bei t1, Slopes sind die Veränderungsraten pro Jahr. Die Ausgangswerte und Veränderungsraten aller Fälle können nun wiederum als Variable aufgefasst und über (Level 2‐) Regressionsgleichungen analysiert werden. Die Mittelwerte der Ausgangswerte und Veränderungsraten werden als feste Effekte, die Varianzen als zufällige Effekte bezeichnet. Die Regressionsgleichung zur Bestimmung der gLQ eines Falles i lautet z. B. in Modell 1 von Tabelle 2: Yi = 24.5 + Psychische Auffälligkeiti x (‐0.2) + Körperliche Problemei x (‐0.4) + Psychische Auffälligkeit der Elterni x (‐0.1) + … . Üblicherweise wird in längsschnittlichen Mehrebenenanalysen neben dem linearen Zeittrend auch ein quadratischer, also beschleunigter Zeiteffekt (Zeit x Zeit) überprüft. Die Intra-Cluster-Korrelation (ICC) gibt denjenigen Anteil an der Gesamtvarianz des Outcomes an, der auf die Unterschieden zwischen den Mittelwerten der Teilnehmer zurückzuführen ist. Fehlende Werte auf L1 müssen nicht ersetzt werden, weil einfach mit den vorhandenen Werten gerechnet wird. Dagegen müssen die Werte auf L2 vollständig sein.
Ergebnisse Tabelle 1 zeigt die Verteilung der veränderlichen Variablen (L1) für die drei Messzeitpunkte. Die variierende Anzahl gültiger Angaben resultierte aus unterschiedlichen Teilnahmequoten pro Messzeitpunkt und Befragungsmodul. Die gLQ-Dimensionen zeigten einen geringfügigen Anstieg der Mittelwerte zwischen t1 und t2, aber nicht für t2 und t3. Die meisten Prädiktoren verliefen innerhalb des erfassten Zeitraumes relativ stabil, bei einigen dichotomen Merkmalen war eine Verbesserung über die Zeit erkennbar. Das Alter war mit ca. 14 % (n = 228) für jede der sieben Jahresstufen 11 bis 17 relativ gleichverteilt, 50.4 % waren Mädchen. Beinahe jedes zehnte Kind (9.4 %) hatte einen Migrationshintergrund bezogen auf beide Elternteile. Laut Winkler-Sozialschicht-Index hatten 23.6 % einen Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 50–59
54
C. Barkmann et al., Verlauf gesundheitsbezogener Lebensqualität
niedrige, 50.2 % einen mittleren und 26.2 % einen hohen SES (M = 11.7, SD = 4.17).
sichtbar. Alter als Haupteffekt wurde immer, Geschlecht aber nie signifikant. Der Migrationsstatus hatte sowohl bei Beziehungen zu Eltern und Autonomie als auch bei Gleichaltrige und soziale Unterstützung einen Effekt. Die Interaktionseffekte waren v. a. bei Schulisches Umfeld relevant. Im Übrigen zeigten die Zufallseffekte, dass die Ausgangswerte der einzelnen Fälle signifikant unterschiedlich waren und teilweise mit der Zeit negativ korrelierten, also höhere Ausgangswerte mit geringeren zeitlichen Veränderungen einhergingen. Die hohe Intraklassenkorrelation (ICC) belegte, dass für alle Skalen ein bedeutsamer Anteil der Gesamtvarianz durch Unterschiede in den Mittelwerten zwischen den Fällen erklärbar war. In allen Modellen verblieb noch ungeklärte Restvarianz (Residuum). Insgesamt war die Modellpassung für alle fünf Skalen des KIDSCREEN-27 signifikant, die beste Modellanpassung zeigten die beiden Skalen Gleichaltrige und soziale Unterstützung und Schulisches Umfeld.
Verlauf Abbildung 1 illustriert den durchschnittlichen Altersverlauf selbstberichteter gesundheitsbezogener Lebensqualität im KIDSCREEN-27 von 11 bis 17 Jahre über zwei Jahre für Mädchen und Jungen. Auf allen Skalen lagen die Mittelwerte im oberen Drittel des jeweiligen Wertebereiches, die altersbezogenen Verläufe schienen eher stabil und die Geschlechter unterschieden sich nur wenig. Die insgesamt größte Dynamik zeigte Körperliches Wohlbefinden. Eine erste Analyse der Kurven ohne weitere Prädiktoren belegte die folgenden Effekte: · Das körperliche Wohlbefinden sank mit dem Alter signifikant (‐0.8 Punkte pro Jahr, p = .023), Mädchen hatten im Vergleich zu Jungen insgesamt niedrigere Werte (‐2.1 Punkte, p = .034) und einen stärkeren Abfall mit zunehmendem Alter (‐0.2 Punkte, p = .000). · Der Verlauf des psychischen Wohlbefindens korrespondierte mit dem des körperlichen Wohlbefindens, aber ohne die Signifikanzgrenze zu erreichen (M = -0.3, p = .760 für Alter; M = -2.9, p = .870 für Geschlecht; M = -0.3, p = .835 für Alter x Geschlecht). · Die Skalenwerte für Beziehung zu Eltern und Autonomie sowie Schulisches Umfeld sanken für beide Geschlechter mit den Jahren leicht (‐1.1 Punkte, p = .006 bzw. -1.4, p = .000). · Für die Skala Gleichaltrige und soziale Unterstützung lagen weder Alters- noch Geschlechtseffekte vor (p = .288 bzw. .107).
Vorhersagemodelle Tabelle 2 zeigt die vollständigen Modelle für die fünf Skalen des KIDSCREEN-27. Der Prädiktor Psychische Auffälligkeiten wurde auf allen Subskalen signifikant, körperliche Probleme nur bei den beiden Skalen Körperliches Wohlbefinden und Psychisches Wohlbefinden. Psychische Auffälligkeiten der Eltern waren für die ersten drei Skalen (Körperliches Wohlbefinden, Psychisches Wohlbefinden und Beziehungen zu Eltern und Autonomie), körperliche Probleme der Eltern nur bei Psychisches Wohlbefinden der Kinder relevant. Gesundheitsversorgung, Medikation und Stress zeigten keine Effekte. Der Prädiktor Messzeitpunkt war nur für die Skala Schulisches Umfeld von Bedeutung. Für alle Skalen außer Körperliches Wohlbefinden war außerdem eine geringe negative zeitliche Beschleunigung Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 50–59
Sensitivität Eine schrittweise Aufnahme der Prädiktoren machte deutlich, dass vor allem psychische Auffälligkeiten des Kindes die gLQ beeinflussten, die querschnittlichen (L2) Prädiktoren einen eher geringen Einfluss hatten und Interaktionen kaum zu einer Varianzaufklärung beitrugen. Vertiefte Analysen zeigten, dass … · alle Subskalen des SDQ signifikante Prädiktoren waren, aber die emotionalen Probleme den größten Erklärungswert leisteten, · chronische Erkrankungen, Behinderungen und Unfälle jeweils allein keine bedeutsamen Prädiktoren waren, wohl aber akute körperliche Probleme und · dass es keinen psychosozialen Risikofaktor gab, der als einzelner Faktor einen Einfluss besaß. Die Gesamtmodelle änderten sich nicht durch die zusätzliche Aufnahme methodischer Prädiktoren wie die Anzahl der Outcome-Messungen, eine Repräsentativitätsgewichtung oder verschiedene Regionaleinteilungen. Die Analyse der fehlenden Angaben zeigte, dass diese nicht von der Höhe der gLQ abhingen, aber eine Korrelation mit L1-Prädiktoren nicht ausgeschlossen werden konnte. Die Re-Analyse mit Hilfe von 15 vollständig imputierten Datensätzen bestätigte aber die dargestellten Ergebnisse. Weitere Explorationen zeigten, dass es keine Kovariaten oder Interaktionen gab, die zu einer Steigerung der Varianzaufklärung in den Verläufen beitragen konnten. © 2016 Hogrefe Verlag
C. Barkmann et al., Verlauf gesundheitsbezogener Lebensqualität
Tabelle 1. Beschreibung der Personenstichprobe Messwerte
gültiges n
55
Nein-Ja-Merkmale M
SD
gLQ (KIDSCREEN-27) Körperliches Wohlbefinden t1
1420
19.0
3.45
t2
1230
19.3
3.93
t3
1200
18.9
4.11
t1
1424
29.3
4.31
t2
1230
30.7
3.98
t3
1199
30.4
4.32
gültiges n
ja
%
t1
1439
497
34.5
t2
1251
422
26.4
t3
1224
377
30.8
Psychosoziale Belastungen
Anmerkungen: N = 1 597 11- bis 19-Jährige, t1 = Basiserhebung zwischen 2003 und 2006, t1 = 1-Jahres-Follow-up, t2 = 2-Jahres-Follow-Up; Erhebungsverfahren siehe Text.
Psychisches Wohlbefinden
Diskussion
Beziehungen zu Eltern und Autonomie t1
1415
29.0
4.42
t2
1229
30.2
4.05
t3
1197
30.2
4.08
Gleichaltrige und soziale Unterstützung t1
1421
16.5
2.87
t2
1229
17.5
2.42
t3
1198
17.5
2.41
t1
1423
15.4
3.05
t2
1219
16.1
2.72
t3
1154
16.0
2.78
Schulisches Umfeld
Psychische Auffälligkeiten (SDQ-Gesamtwert) t1
1580
9.8
4.54
t2
1233
7.9
4.44
t3
1201
7.5
4.30
Psychische Auffälligkeiten der Eltern (SCL-K9) t1
1559
5.4
4.69
t2
1252
5.4
4.80
t3
1219
4.6
4.61
gültiges n
ja
%
t1
1597
675
42.3
t2
1597
482
30.2
t3
1597
444
27.8
t1
1597
744
46.6
t2
1597
548
34.3
t3
1597
556
34.8
Nein-Ja-Merkmale Körperliche Probleme
Körperliche Probleme der Eltern
Inanspruchnahme von Gesundheitsversorgungseinrichtungen t1
1597
100
6.3
t2
1597
64
4.0
t3
1597
62
3.9
t1
1597
241
15.1
t2
1597
187
11.7
t3
1597
139
8.7
Medikamenteneinnahme
© 2016 Hogrefe Verlag
Die gLQ sinkt auf allen Skalen des KIDSCREEN-27 außer Gleichaltrige und soziale Unterstützung mit zunehmendem Alter leicht und Mädchen haben meist niedrigere Werte als Jungen. Dieses Ergebnis steht mit bisherigen Studien im Einklang (z. B. Palacio-Vieira et al., 2008) und lässt sich mit einer komplexen Interaktion aus mit dem Alter wachsenden Anforderungen sowie geschlechtsspezifischen Unterschieden in der körperlichen Entwicklung, sozialen Rolle und Selbstreflexion erklären (HerpertzDahlmann, Bühren & Remschmidt, 2013). Insbesondere der Geschlechtseffekt mit schlechteren Werten für Mädchen auf der Skala Körperliches Wohlbefinden hängt möglicherweise mit der pubertären Entwicklung zusammen (Dekker et al., 2007). Man kann annehmen, dass dies gleichzeitig das Psychische Wohlbefinden beeinflusst und die entsprechende Skala deshalb einen korrespondierenden Verlauf zeigte (Groen & Petermann, 2013). Die Vorhersagemodelle legen nahe, dass der Verlauf der gLQ neben Alter und Geschlecht vor allem von der jeweils aktuellen psychischen und körperlichen Verfassung des Kindes abhängt. Insofern stimmen die Ergebnisse mit bisherigen Untersuchungen überein (z. B. Ellert et al., 2014; Hölling et al., 2014). Meuleners & Lee, 2003). Allerdings müssen diese Effekte in weiteren Studien überprüft werden, weil sowohl innerhalb als auch zwischen den Kindern und Jugendlichen ein bedeutsamer Anteil der Outcome-Varianz unerklärt blieb. Insbesondere Maße bereichsspezifischen Wohlbefindens wie z. B. Familienbeziehungen würden wahrscheinlich zu einer besseren Varianzaufklärung führen. Allerdings sollte dabei auf eine konzeptuelle Trennung von echten Prädiktoren und Teilkomponenten der gLQ geachtet werden (Silva, Bullinger, Quitmann, Ravens-Sieberer & Rohenkohl, 2013). Warum aber wurden gesundheitsbezogene Indikatoren wie die Inanspruchnahme von Versorgungseinrichtungen, Medikation oder psychosozialer Stress in keinem Modell signifikant? Zum einen handelt es sich um eher rudimentär und im Elternurteil operationalisierte Indikatoren, deren Fehlervarianz zu groß sein könnte. Zum anKindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 50–59
56
C. Barkmann et al., Verlauf gesundheitsbezogener Lebensqualität
Abbildung 1. Durchschnittlicher Altersverlauf selbstberichteter gesundheitsbezogener Lebensqualität gemäß KIDSCREEN-27 (n = 1 597 11- bis 19-Jährige, y-Achse entspricht der jeweiligen Rohwertskala, Jungen/Mädchen = dunkle/helle Kurve).
deren könnte ihr Effekt auf die gLQ aber auch über Psychische Auffälligkeiten vermittelt werden. Tatsächlich werden die Inanspruchnahme und psychosozialer Stress signifikant, sobald Psychische Auffälligkeiten aus den Modellen herausgenommen wird. Wie komplex die einzelnen Zusammenhänge sind, ist auch am Zeitfaktor (Messzeitpunkt) erkennbar: Eine signifikante lineare Abnahme über die zwei beobachteten Jahre ist nur für die Skala Schulisches Umfeld beobachtbar, während die quadrierte Zeit, die einen abgebremsten AbKindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 50–59
fall repräsentiert, auf allen Skalen außer Körperliches Wohlbefinden relevant ist. Offensichtlich stellt die zeitliche Veränderung keinen direkten Effekt dar, sondern repräsentiert die indirekte Wirkung nicht näher spezifizierter, zeitlich variabler Einflussfaktoren. Mit der Aufnahme relevanter Prädiktoren wie Psychische Auffälligkeiten oder Körperliche Probleme wird aber der Faktor Zeit um genau diese Anteile bereinigt, wie eine schrittweise Aufnahme der Prädiktoren bestätigt. Die Tatsache, dass die Zeit bei der Skala Schulisches Umfeld dennoch signifikant blieb, © 2016 Hogrefe Verlag
© 2016 Hogrefe Verlag 0.2 -0.1
Alter bei t1 x Geschlecht
Zeit x Alter bei t1 x Geschlecht
.31 13385.7
5.84;7.17
0.02;2.45
0.17;1.43
1.95;4.35
ICC
6.47***
0.23
0.80*
-0.24;0.10
-0.04;0.50
-1.16;3.41
-0.11;0.14
-0.03;0.05
-1.15;0.10
-5.64;1.50
-0.64;-0.24
-0.33;0.13
BIC
Residuum
Zeit
Interzept x Zeit
2.91***
1.1
Interzept
0.0
0.0
Sozioökonomischer Status
Zeit x Alter bei t1
-0.5
Zeit x Geschlecht
-2.1
Geschlecht (männlich)
-0.4***
Migrationshintergrund
Alter bei t1 (Jahre)
-0.1
Zeit x Zeit
-2.09;1.09
-0.31;0.25
-0.75;0.00
-0.80;0.31
-0.24;0.39
-0.09;-0.02
-0.72;-0.17
-0.25;-0.18
22.81;28.14
95 %-KI
.37
6.42;8.01
0.51;1.97
-1.63;0.03
2.91;5.90
-0.27;0.10
-0.12;0.46
-0.96;4.06
-0.00;0.27
-0.09;-0.02
-1.11;0.11
-5.62;2.11
-0.71;-0.27
-0.78;-0.29
-2.65;0.84
-0.39;0.20
-0.64;0.14
-0.93;0.23
0.01;0.63
-0.10;-0.03
-0.71;-0.14
-0.42;-0.36
33.85;39.61
95 %-KI
13433.9
7.17***
1.01**
-0.80
4.14***
-0.1
0.2
1.6
0.1
-0.1**
-0.5
-1.8
-0.5***
-0.5***
-0.9
0.1
-0.2
-0.4
-0.3*
-0.1***
-0.4**
-0.4***
36.7***
Effekt
.57
5.37;6.85
0.48;1.94
-2.30;-0.49
6.59;10.10
-0.23;0.12
-0.24;0.36
-1.49;3.30
0.04;0.30
-0.04;0.05
-2.57;-1.20
-4.78;3.32
-0.63;-0.18
-0.77;-0.30
-2.74;0.60
-0.53;0.06
-0.51;0.29
-0.58;0.61
-0.43;0.23
-0.09;-0.03
-0.53;0.04
-0.35;-0.28
32.37;38.37
95 %-KI
13475.4
6.07***
0.97**
-1.39**
8.16***
-0.1
0.1
0.9
0.2*
0.0
-1.9***
-0.7
-0.4***
-0.5***
-1.1
-0.2
-0.1
0.0
-0.1
-0.1***
-0.2
-0.3***
35.4***
Effekt
Psychisches Wohlbefinden Beziehungen zu Eltern und Autonomie
.54
2.54;3.24
0.48;1.18
-1.50;-0.61
2.61;4.20
-0.16;0.09
-0.11;0.29
-1.17;2.21
-0.04;0.15
-0.08;-0.03
-1.06;-0.23
-4.40;1.02
-0.38;-0.07
-0.60;-0.27
-0.72;1.63
-0.30;0.09
-0.43;0.09
-0.52;0.26
-0.22;0.20
-0.04;0.01
-0.20;0.17
-0.20;-0.16
18.18;22.19
95 %-KI
11366.5
2.87***
0.75***
-1.05***
3.31***
-0.0
0.1
0.5
0.1
-0.1***
-0.6**
-1.7
-0.2**
-0.4***
0.5
-0.1
-0.2
-0.1
-0.0
-0.0
-0.0
-0.2***
20.2***
Effekt
Gleichaltrige und soziale Unterstützung
.50
3.10;3.91
0.25;1.05
-1.31;-0.35
2.71;4.45
-0.29;-0.02
-0.03;0.41
0.44;4.08
0.14;0.34
-0.04;0.02
-0.93;-0.02
-5.86;0.02
-0.63;-0.30
-0.43;-0.08
-4.01;-1.51
-0.28;0.14
-0.34;0.23
-0.56;0.28
-0.19;0.26
-0.04;0.00
-0.24;0.17
-0.28;-0.23
20.22;24.56
95 %-KI
11574.3
3.48***
0.52**
-0.83***
3.47***
-0.2*
0.2
2.3*
0.2***
-0.0
-0.48*
-2.9
-0.5***
-0.3**
-2.8***
-0.1
-0.1
-0.1
0.0
-0.0
-0.0
-0.3***
22.4***
Effekt
Schulisches Umfeld
Anmerkungen: KIDSCREEN-27-Rohwerte, längsschnittliche Mehrebenenanalyse (ML), N = 1 597 11- bis 17-Jährige, t1 zwischen 2003 und 2006, Erhebungsverfahren siehe Text, KI = Konfidenzintervall, ICC = Intra-Cluster-Correlation, BIC= Bayesian Information Criterion.
Modellgüte
Zufallseffekte
Interaktionen
Level 2 Slope
-0.0 -0.5
-0.4
Medikation
Zeit (Jahre)
-0.3
Gesundheitsversorgung
Psychosozialer Stress
-0.1
-0.1*
-0.4**
-0.2***
24.5***
Körperliche Probleme Eltern
Psychische Auffälligkeiten Eltern (SCL-K9)
Körperliche Probleme
Psychische Auffälligkeiten (SDQ-Gesamtwert)
Level 1 Slope
Interzept
Feste Effekte
Effekt
Körperliches Wohlbefinden
Tabelle 2. Vorhersage des Zwei-Jahres-Verlaufs gesundheitsbezogener Lebensqualität bei 11- bis 17-Jährigen in der Allgemeinbevölkerung
C. Barkmann et al., Verlauf gesundheitsbezogener Lebensqualität 57
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 50–59
58
C. Barkmann et al., Verlauf gesundheitsbezogener Lebensqualität
weist darauf hin, dass hier weitere sich zeitlich verändernde Einflüsse eine Rolle spielen könnten (wie z. B. das Anspruchsniveau). Der signifikante Effekt der quadrierten Zeit wirkt als Korrekturfaktor, weil entgegen dem oben beschriebenen Altersverlauf zwischen dem ersten und zweiten Messzeitpunkt ein Anstieg der gLQ gemessen wurde (vgl. Tab. 1), dieser aber ein methodisches Artefakt darstellt (t1 wurde als Fragebogen, t2 sowie t3 als telefonisches Interview durchgeführt). Im Vergleich der einzelnen Skalen des KIDSCREEN-27 untereinander sind jeweils leicht variierende Prädiktormuster erkennbar, die aber inhaltlich plausibel sind. So wird die gLQ im Schulischen Umfeld vor allem über Psychische Auffälligkeiten und Migrationsstatus vorhergesagt, während für Körperliches Wohlbefinden vorwiegend psychische und körperliche Probleme bedeutsam sind. Allerdings überrascht, dass das Geschlecht nur auf die Skala Schulisches Umfeld bezogen eine Rolle spielt und nicht bei den übrigen vier Skalen des KIDSCREEN-27. Gerade mit Eintritt der Menarche in der Pubertät wäre hier eine Verschlechterung für Mädchen auf der Skala Körperliches Wohlbefinden plausibel gewesen (vgl. Fuhrer, 2013). Tatsächlich verliert das Geschlecht seine signifikante Vorhersagekraft, wenn die Interaktionen in die Modelle aufgenommen werden. Um diesen Effekt zu interpretieren, bedarf es eines Entwicklungskonzeptes der gLQ; Zeit, Alter und Geschlecht sind keine einfachen Zustandsmerkmale, sondern Stellvertreter für nicht näher definierte Veränderungsprozesse (Waldmann & Petermann, 2014). Die folgenden Methodenprobleme sind bei der Bewertung der Ergebnisse zu berücksichtigen: · Mit einer Mehrebenenanalyse können Prädiktoren flexibel eingesetzt sowie individuell unterschiedliche Messzeitpunkte, Missings und komplexe Fehlerstrukturen verarbeitet werden, aber die Modellierung latenter Variablenbezüge ist nicht möglich. · Die Schätzung des Altersverlaufs basiert nur auf einem Zwei-Jahres-Beobachtungsintervall. · Alle KIDSCREEN-27-Skalen zeigten Deckeneffekte, die nahelegen, dass die gLQ in der Allgemeinbevölkerung hoch ist bzw. die Items zu leicht sind.
zung der eigenen Gesundheit ergänzt und damit neue Ansatzpunkte für eine patientenorientierte Versorgung ermöglichen.
In zukünftigen Längsschnittstudien sollten größere Beobachtungszeiträume untersucht werden, damit auch längerfristige Entwicklungen beurteilbar sind. Dabei sollten auch jüngere Kinder und das Elternurteil über die kindliche gLQ berücksichtigt werden. Um den zeitlichen Vorlauf der gLQ zu verstehen, bedarf es nicht nur weiterer Indikatoren, sondern vor allem eines Entwicklungskonzeptes der gLQ. Mit den dargestellten Ergebnissen liegen erstmalig bundesweit repräsentative, längsschnittliche Angaben zur gLQ von 11- bis 17-Jährigen vor, die die Gesundheitsberichterstattung um die subjektiven EinschätKindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 50–59
Schlussfolgerungen für die klinische Praxis Die gLQ kann mit Hilfe des KIDSCREEN-27 in mehrdimensionaler und dennoch ökonomischer Weise bei Kindern und Jugendlichen als Selbstbericht erfasst werden. Es ist gut belegt, dass die gLQ bei Kindern und Jugendlichen mit einer körperlichen und/oder psychischen Krankheit/Auffälligkeit deutlich reduziert ist. Über den natürlichen Verlauf der gLQ im Jugendalter war bislang wenig bekannt. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die gLQ über das Jugendalter hinweg leicht sinkt und bei Mädchen niedriger ausgeprägt ist. Vor diesem Hintergrund bieten die Verläufe der gLQ in einer repräsentativen Untersuchung wie der BELLA-Kohortenstudie einen Orientierungsrahmen für die Einordnung von Verlaufsdaten für jugendliche Patienten und Patientengruppen. Außerdem lassen sich Ansatzpunkte für die Planung von Präventionsprogrammen ableiten, die eine Stabilisierung oder Steigerung der gLQ zum Ziel haben. Solche Programme sollten alters- und geschlechtsspezifisch gestaltet werden und auf das soziale Umfeld der Jugendlichen Bezug nehmen.
Literatur American Academy of Pediatrics, Comittee on Children with Disabilites and Committee on Psychosocial Aspects of Child and Family Health (1993). Psychosocial risks of chronic health conditions in childhood and adolescence. Pediatrics, 92, 876–878. Aspesberro, F., Mangione-Smith, R. & Zimmerman, J. Z. (2015). Health-related quality of life following pediatric critical illness. Intensive Care Medicine, 41, 1235–1246. Baiardini, I., Braido, F., Brandi, S. & Canonica, G. W. (2006). Allergic diseases and their impact on quality of life. Annals of Allergy, Asthma, & Immunology, 97, 419–28. Bullinger, M. (2014). Das Konzept der Lebensqualität in der Medizin – Entwicklung und heutiger Stellenwert. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 108, 97–103. Dekker, M. C., Ferdinand, R. F., van Lang, N. D. J., Bongers, I. L., von Ende, J. & Verhulst, F. C. (2007). Developmental trajectories of depressive symptoms from early childhood to late adolescence: Gender differences and adult outcome. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 47, 657–666. Derogatis, L. R. & Savitz, K. L. (1999). The SCL-90-R, Brief Symptom Inventory, and matching clinical rating scales. In M.E. Maruish (Eds.), The use of psychological testing for treatment planning and © 2016 Hogrefe Verlag
C. Barkmann et al., Verlauf gesundheitsbezogener Lebensqualität
59
outcome assessment (2nd ed., pp. 679 –724). Mahwah, NJ: Erlbaum. Ellert, U., Bretschneider, A. K., Ravens-Sieberer, U. & KiGGS Study Group (2014) Gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse der KiGGS-Studie – Erste Folgebefragung (KiGGS Welle 1). Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 57, 798–806. Everhart, R. S. & Fiese, B. H. (2009). Asthma severity and child quality of life in pediatric asthma: a systematic review. Patient Education & Counseling, 75, 162–8. Fakhry, H., Goldenberg, M., Sayer, G., Aye, S. S., Bagot, K., Pi, S., Ghazzaoui, R., Vo, N., Gowrinathan, S., Bolton, M. & William, I. W. (2013). Health-related quality of life in childhood cancer. Journal of Developmental & Behavioral Pediatrics, 34, 419–40. Fuhrer, U. (2013). Jugendalter: Entwicklungsrisiken und Entwicklungsabweichungen. In F. Petermann (Hrsg.), Lehrbuch der Klinischen Kinderpsychologie (7., veränd. Aufl., S. 119–133). Göttingen: Hogrefe. Gerber, W.-D., Petermann, F., Gerber-von Müller, G., Dollwet, M., Darabaneanu, S., Niederberger, U., Schulte, I. E., Stephani, U. & Andrasik, F. (2010). MIPAS-Family-evaluation of a new multi-modal behavioral training program for pediatric headaches: Clinical effects and the impact on quality of life. Journal of Headache and Pain, 11, 215–225. Goodman, R. (1997). The Strengths and Difficulties Questionnaire: A research note. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 38, 581– 586. Groen, G. & Petermann, F. (2013). Depressive Störungen. In F. Petermann (Hrsg.), Lehrbuch der Klinischen Kinderpsychologie (7., veränd. Aufl., S. 439–458). Göttingen: Hogrefe. Herpertz-Dahlmann, B., Bühren, K. & Remschmidt, H. (2013). Growing up is hard – Mental disorders in adolescence. Deutsche Ärzteblatt International, 110, 432–440. Hölling, H., Schlack, R., Petermann, F., Ravens-Sieberer, U., Mauz, E. & KiGGS Study Group. (2014). Psychische Auffälligkeiten und psychosoziale Beeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren in Deutschland – Prävalenz und zeitliche Trends zu 2 Erhebungszeitpunkten (2003–2006 und 2009–2012). Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz, 57, 807–819. Houben-van Herten, M., Bai, G., Hafkamp, E., Landgraf, J. M. & Raat, H. (2015). Determinants of health-related quality of life in schoolaged children: A general population study in the Netherlands. PloS ONE 10 (5): e0125083. doi:10.1371/journal. pone.0125083. Jozefiak, T., Larsson, B. and Wichstrøm, L. (2009). Changes in quality of life among Norwegian school children: A six-month follow-up study. Health and Quality of Life Outcomes, 7, 7. doi: 10.1186/ 1477–7525–7-7. Klaghofer, R. & Brähler, E. (2001). Konstruktion und teststatistische Prüfung einer Kurzform der SCL-90-R. Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, 49, 115–124. Krause, C., Hohmann, C., Grabenhenrich, L., Forster, J., Bauer, C. P., Hoffmann, U., Zepp, F., Schuster, A. et al. (2014). Verhaltensauffälligkeiten mit 9 Jahren zur Vorhersage von Schulproblemen im Alter von 11 und 15 Jahren. Kindheit und Entwicklung, 23, 220– 228. Law, M., Hanna, S., Anaby, D., Kertoy, M., King, G. & Xu, L. (2014). Health-related quality of life of children with physical disabilities: A longitudinal study. BMC Pediatrics, 14, doi:10.1186/1471 –2431– 14–26. Masten, A. S. & Reed, M.-G. J. (2002). Resilience in development. In C. R. Snyder & S. J. Lopez (Eds.), The handbook of positive psychology (pp. 74–88). Oxford: University Press. Matza, L. S., Swensen, A. R., Flood, E. M., Secnik, K. & Kline Leidy, N. (2004). Assessment of health-related quality of life in children: A
review of conceptual, methodological, and regulatory issues. Value in Health, 7, 79–92. Meuleners, L. B., & Lee, A. H. (2003). Adolescent quality of life: A school-based cohort study in Western Australia. Pediatrics International, 45, 706–711. Michel, G., Bisegger, C., Fuhr, D. C., Abel, T. & the KIDSCREEN group (2009). Age and gender differences in health-related quality of life of children and adolescents in Europe: A multilevel analysis. Quality of Life Research, 18, 1147–1157. Palacio-Vieira, J. A., Villalonga-Olives, E., Valderas, J. M., Espallargues, M., Herdman, M., Berra, S., Alonso, J. & Rajmil, L. (2008). Changes in health-related quality of life (HRQoL) in a population-based sample of children and adolescents after 3 years of follow-up. Quality of Life Research, 17, 1207–1215. Raudenbush, S. W. & Bryk, A. S. (2002). Hierarchical linear models (2nd ed.). Thousand Oaks, CA: Sage Publications. Ravens-Sieberer, U., Klasen, F. & Petermann, F. (2016). Psychische Kindergesundheit. Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie. Kindheit und Entwicklung, 25, 4-9. Ravens-Sieberer, U., Erhart, M., Wille, N., Bullinger, M. & the BELLA study group (2008). Health-related quality of life in children and adolescents in Germany – Results of the BELLA study. European Child & Adolescent Psychiatry, 17 (Suppl.), 148–156. Ravens-Sieberer, U., Ottova, V., Hillebrandt, D., Klasen, F. & HBSCTeam Deutschland (2012). Gesundheitsbezogene Lebensqualität und psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland: Ergebnisse aus der deutschen HBSC-Studie 2006– 2010. Das Gesundheitswesen, 74 (Suppl 1), 33–41. Schmidt, S., Waldmann, H.-C., Petermann, F. & Brähler, E. (2010). Wie stark sind Erwachsene mit ADHS und komorbiden Störungen in ihrer gesundheitsbezogenen Lebensqualität beeinträchtigt? Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 58, 9–21. Silva, N., Bullinger, M., Quitmann, J., Ravens-Sieberer, U., Rohenkohl, A., and the QoLISSY Group. (2013). HRQoL of European children and adolescents with short stature as assessed with generic (KIDSCREEN) and chronic-generic (DISABKIDS) instruments. Expert Review of Pharmacoeconomics & Outcomes Research, 13, 817–827. The KIDSCREEN-27-Group Europe (2006). The KIDSCREEN-27 Questionnaires. Quality of life questionnaires for children and adolescents. Lengerich: Pabst Science Publishers. Viira, R., & Koka, A. (2012). Participation in afterschool sport: Relationship to perceived need support, need satisfaction, and motivation in physical education. Kinesiology, 44, 199–208. Waldmann, H.-C. & Petermann, F. (2014). Veränderungsmessung – Methodische Vorschläge für Forschung und klinische Praxis. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 62, 85–92. Warschburger, P., Busch, S., Bauer, C. P., Kiosz, D., Stachow, R. & Petermann, F. (2004). Health related quality of life in children and adolescents with asthma: Results from the ESTAR study. Journal of Asthma, 41, 463–470. Winkler, J., & Stolzenberg, H. (1999). Der Sozialschichtindex im Bundes-Gesundheitssurvey. Das Gesundheitswesen, 61, 178–183.
© 2016 Hogrefe Verlag
Dr. Claus Barkmann Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52 20246 Hamburg barkmann@uke.de
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 50–59
Mitteilungen Kongresskalender 04.03. - 05.03.2016. Münchner Symposion Frühförderung 2016, in München, Germany. Thema: Bedeutung kultureller Aspekte für das System Interdisziplinäre Frühförderung. Auskünfte: Agnes Winzker, Arbeitsstelle Frühförderung Bayern, Seidlstraße 18a, 80335 München, Tel. +49 89 54589820, Fax +49 89 54589829, E-Mail: paed@astffby.de, Internet: http://www.fruehfoerderungbayern.de. 05.03. - 06.03.2016. 66. Kindertherapietage an der Universität Bremen, in Bremen, Germany. Thema: Kinderverhaltenstherapie, Prävention, psychologische Diagnostik. Auskünfte: Eva Todisco, Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Grazer Str. 6, 28359 Bremen, Tel. +49 421 21868603, Fax +49 421 21868629, E-Mail: todisco@uni-bremen.de, Internet: www.zkpr.uni-bremen. de. 07.03. - 11.03.2016. 4. Tagung der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (GEBF), in Berlin, Germany. Thema: Erwartungswidriger Bildungserfolg über die Lebensspanne. Auskünfte: Germany, E-Mail: info@gebf2016. de, Internet: http://www.gebf2016.de/. 26.04. - 28.04.2016. British Psychological Society Annual Conference, in Nottingham, United Kingdom. Thema: Faces – Ageing – Impact – Wellbeing. Auskünfte: British Psychological Society, United Kingdom, E-Mail: annualconference@bps.org.uk, Internet: www.bps.org.uk/ events/conferences/annual-conference-2016. 03.05. - 05.05.2016. 10. Osnabrücker Kongress Bewegte Kindheit, in Osnabrück, Germany. Auskünfte: Kongressbüro Universität Osnabrück, Jahnstraße 75, 49090 Osnabrück, E-Mail: info@bewegtekindheit.de, Internet: http:// www.bewegtekindheit.de. 26.05. - 29.05.2016. 28th Annual Convention of the Association of Psychological Science, in Chicago, United States. Auskünfte: Association of Psychological Science, United States, Tel. +1 202 2939300, Fax +1 202 2939350, E-Mail: convention@psychologicalscience.org, Internet: http://www.psychologicalscience.org/index.php/convention/archive. 19.07. - 23.07.2016. 22nd World Meeting of the International Society for Research on Agression (ISRA), in Sydney, Australia. Auskünfte: Australia, Internet: http:// www.iec.mq.edu.au/research/cfrc/isra_2016/. 24.07. - 29.07.2016. 31st International Congress of Psychology (ICP), in Yokohama, Japan. Thema: Diversity in Harmony: Insights from Psychology. Auskünfte: The JapaKindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 60
nese Psychological Association, 5 – 23 – 13 Hongo, 113 – 0033 Bunkyo-ku, Tokyo, Japan, E-Mail: info@icp2016.jp, Internet: www.icp2016.jp. 04.08. - 07.08.2016. 124th Annual Convention of the American Psychological Association, in Denver, United States. Auskünfte: American Psychological Association, United States, E-Mail: convention@apa.org, Internet: http:// www.apa.org/news/events/2016/apa-convention.aspx. 10.09. - 11.09.2016. 67. Kindertherapietage an der Universität Bremen, in Bremen, Germany. Thema: Kinderverhaltenstherapie, Prävention, psychologische Diagnostik. Auskünfte: Eva Todisco, Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation, Grazer Str. 6, 28359 Bremen, Tel. +49 421 21868603, Fax +49 421 21868629, E-Mail: todisco@uni-bremen.de, Internet: www.zkpr.uni-bremen. de. 15.09. - 17.09.2016. 32. Bundeskongress DGf Sprachheilpädagogik, in Hannover, Germany. Thema: Sprache – Inklusion als Chance?! Expertise, Interdisziplinarität und Innovation für Kita, Schule und Praxis. Auskünfte: Germany, E-Mail: info@dgs-bundeskongress.de, Internet: http://www.dgs-bundeskongress.de/. 18.09. - 22.09.2016. 50. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, in Leipzig, Germany. Auskünfte: Prof. Dr. Immo Fritsche, Universität Leipzig, Neumarkt 9 – 19, 04109 Leipzig, Internet: www.dgpskongress. de. 22.09. - 24.09.2016. 16. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGSF Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie, in Frankfurt, Germany. Auskünfte: Tel. +49 611 944870, E-Mail: info@wispo.de. 28.09. - 30.09.2016. 22. Bundeskongress für Schulpsychologie, in Berlin, Germany. Thema: Psychologie für die Schule. Auskünfte: Stefan Drewes, BDP Sektion Schulpsychologie, Willi-Becker-Allee 10, 40227 Düsseldorf, Tel. +49 211 8995340, Fax +49 221 8929220, E-Mail: stefan.drewes@bdp-schulpsychologie.de, Internet: www.report-psychologie.de/service/termine/event. 28.04. - 29.04.2017. 2. BVKJ Kongress, in Berlin, Germany. Auskünfte: Bundesvereinigung Verhaltenstherapie im Kindes- und Jugendalter e.V. (BVKJ), Massenbergstraße, 9 – 13 Bochum, E-Mail: info@bvkj.org, Internet: http://www.bvkj.org.
DOI: 10.1026/0942 – 5403/a000189 © 2016 Hogrefe Verlag
Hinweise für Autoren Die Zeitschrift Kindheit und Entwicklung versteht sich als interdisziplinäre Fachzeitschrift, in der klinische Kinderpsychologen, Kinder- und Jugendpsychiater sowie Kinderärzte zu Wort kommen. Ergebnisse aus der Entwicklungspsychopathologie, der Kinderverhaltenstherapie und Kinderneuropsychologie sollen einem weiten Leserkreis bekanntgemacht werden. Die „Kindheit und Entwicklung“ möchte zudem einen Beitrag für die klinische und pädagogische Praxis leisten, was sich in den Rubriken „Aktuelle Kontroverse“, „Prävention“, „Therapie“, „Materialien“ und „Kasuistiken“ niederschlägt. Einsendung von Manuskripten. Alle Manuskripte sind in elektronischer Form als Word-Datei (nicht als pdf) per E-Mail an Prof. Dr. Ulrike Petermann zu senden: upeterm@uni-bremen.de Detaillierte Hinweise für Autoren finden Sie unter http:// www. hogrefe.de/zeitschriften/kindheit-und-entwicklung/ autorenhinweise/ Urheber- und Nutzungsrechte. Der Autor bestätigt und garantiert, dass er uneingeschränkt über sämtliche Urheberrechte an seinem Beitrag einschließlich eventueller Bildvorlagen, Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen und Tabellen verfügt, und dass der Beitrag keine Rechte Dritter verletzt. Der Autor räumt – und zwar auch zur Verwertung seines Beitrages außerhalb der ihn enthaltenen Zeitschrift und unabhängig von deren Veröffentlichung – dem Verlag räumlich und mengenmäßig unbeschränkt für die Dauer des gesetzlichen Urheberrechts das ausschließliche Recht der Vervielfältigung und Verbreitung bzw. der unkörperlichen Wiedergabe des Beitrags ein. Der Autor räumt dem Verlag ferner die folgenden ausschließlichen Nutzungsrechte am Beitrag ein:
in andere Sprachen, zu sonstiger Bearbeitung und zur Erstellung von Zusammenfassungen (Abstracts); b) das Recht zur Veröffentlichung einer Mikrokopie-, Mikroficheund Mikroformausgabe, zur Nutzung im Weg von Bildschirmtext, Videotext und ähnlichen Verfahren, zur Aufzeichnung auf Bildund/oder Tonträger und zu deren öffentlicher Wiedergabe – auch multimedial – sowie zur öffentlichen Wiedergabe durch Radiound Fernsehsendungen; c) das Recht zur maschinenlesbaren Erfassung und elektronischen Speicherung auf einem Datenträger (z. B. Diskette, CD-Rom, Magnetband) und in einer eigenen oder fremden Online-Datenbank, zum Download in einem eigenen oder fremden Rechner, zur Wiedergabe am Bildschirm – sei es unmittelbar oder im Wege der Datenfernübertragung – sowie zur Bereithaltung in einer eigenen oder fremden Online-Datenbank zur Nutzung durch Dritte; d) das Recht zu sonstiger Vervielfältigung, insbesondere durch fotomechanische und ähnliche Verfahren (z. B. Fotokopie, Fernkopie) und zur Nutzung im Rahmen eines sogenannten Kopienversands auf Bestellung; e) das Recht zur Vergabe der vorgenannten Nutzungsrechte an Dritte in In- und Ausland sowie die von der Verwertungsgesellschaft WORT wahrgenommenen Rechte einschließlich der entsprechenden Vergütungsansprüche. Online-Rechte für Zeitschriftenbeiträge. Hinweise für Autoren zur Online-Archivierung einer elektronischen Version Ihres Manuskriptes finden Sie unter den Autorenhinweisen auf unserer Homepage www.hogrefe.de/zeitschriften.
a) Das Recht zum ganzen oder teilweisen Vorabdruck oder Nachdruck – auch in Form eines Sonderdrucks, zur Übersetzung
Januar 2016
Kindheit und Entwicklung
g
Zeitschrift für Klinische Kinderpsychologie 25. Jahrgang / Heft 1 / 2016 Herausgeber Ulrike Petermann Franz Petermann Martin H. Schmidt Ulrich Stephani
Kindheit und Entwicklung Zeitschrift für Klinische Kinderpsychologie Schwerpunkt Psychische Gesundheit: Ergebnisse der BELLA-Kohortenstudie
Wir freuen uns über die Einreichung von Beiträgen für unsere Zeitschrift. Weitere Informationen zur Zeitschrift sowie alle notwendigen Hinweise für die Einreichung von Manuskripten (Autorenhinweise) finden Sie auf unserer Homepage.
www.hogrefe.de/zeitschriften/
© 2016 Hogrefe Verlag
Kindheit und Entwicklung (2016), 25 (1), 61
Das DSM® aus Sicht der ICD
Horst Dilling / Klaus Reinhardt
Überleitungstabellen ICD-10/DSM-5® 2016. 120 S., Kt € 19.95 / CHF 26.90 ISBN 978-3-456-85559-2 AUCH ALS E-BOOK
Das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM®) der American Psychiatric Association ist ein weltweit etabliertes Klassifikationssystem für psychische Störungen. Die neue, 2014 auf Deutsch erschienene Ausgabe DSM-5® bietet auch deutschsprachigen Benutzer tiefergehende Anregungen zu einer differenzierten und prozeduralen Diagnostik psychischer Störungen. Jedoch wird die Benutzung des DSM-5® für den mit der ICD-10 Vertrauten dadurch erschwert, dass zwar viele einzelne Diagnosen, nicht jedoch Struktur und
www.hogrefe.com
Reihenfolge der beiden Klassifikationssysteme übereinstimmen. Zudem verwendet DSM-5® als Diagnoseziffern diejenigen der amerikanischen Modifikation ICD-10-CM, die vielfach von der in den deutschsprachigen Ländern zur Diagnosenverschlüsselung und Abrechnung gebrauchten ICD-10-GM (German Modification) abweicht. Die Tabellen in diesem Buch erschließen die neue DSM-5®-Klassifikation aus der Sicht der vertrauten ICD-10 und erhöhen damit wesentlich die Benutzbarkeit des DSM-5® für deutschsprachige Leser.
SVF-KJ
CSAS
Stressverarbeitungsfragebogen nach Janke und Erdmann angepasst für Kinder und Jugendliche
Computerspielabhängigkeitsskala
2., vollständig überarbeitet und neu normierte Auflage
Ein Verfahren zur Erfassung der Internet Gaming Disorder nach DSM-5 F. Rehbein / D. Baier / M. Kleimann / T. Mößle Unter Mitarbeit von A. Hahn / M. Jerusalem Einsatzbereich: Jugendliche von der 7. bis zur 10. Klassenstufe sowie Erwachsene im Altersbereich 16 bis 49 Jahre. Einzeloder Gruppensetting.
P. Hampel / F. Petermann Unter Mitarbeit von B. Dickow Einsatzbereich: Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 16 Jahren. Zustands- und Verlaufsdiagnostik. Das Verfahren: Mit neun Subtests erfasst der SVF-KJ Aspekte der dispositionellen Stressverarbeitung. Es wird zwischen stressreduzierenden (günstigen) und stressvermehrenden (ungünstigen) Strategien unterschieden, die jeweils durch vier Items erhoben werden. Die Items werden in Bezug auf eine fiktive soziale und schulische Belastungssituation erfragt. Insgesamt resultieren 72 Items. Folgende stressreduzierende Strategien werden erfasst: „Bagatellisierung“, „Ablenkung/Erholung“, „Situationskontrolle“, „Positive Selbstinstruktionen“ und „Soziales Unterstützungsbedürfnis“. Als stressvermehrende Strategien werden „Passive Vermeidung“, „Gedankliche Weiterbeschäftigung“, „Resignation“ und „Aggression“ erhoben. Die neun Subtests lassen sich zu drei Sekundärtests verdichten, die als „Emotionsregulierende Bewältigung“, „Problemlösende Bewältigung“ und „Negative Stressverarbeitung“ interpretiert werden können. Diese Sekundärtests lassen sich theoretisch von der Einteilung der Bewältigungsfunktionen von R.S. Lazarus ableiten. Die Stressverarbeitungstendenzen können situationsspezifisch und situationsübergreifend bestimmt werden. Bearbeitungsdauer: Es werden etwa 10 bis 25 Minuten benötigt.
Das Verfahren: Mit der CSAS wird auffälliges Spielverhalten hinsichtlich elektronischer Bildschirmspiele (wie z. B. Onlinerollenspiele, Strategiespiele und Shooterspiele) erfasst. Der Beurteilungszeitraum erstreckt sich auf die letzten 12 Monate. Dabei werden sowohl online als auch offline durchgeführte Spiele (mit oder ohne aktive Internetverbindung) unabhängig vom benutzten Gerät berücksichtigt. Eine Abhängigkeit bezogen auf Glücksspiele wird mit der CSAS dagegen explizit nicht erfasst. Die Auswertung erfolgt durch einen Abgleich mit den Kriterien des DSM-5 für die Internet Gaming Disorder (Störung durch Spielen von Internetspielen). Zusätzlich wird ein Summenwert über alle Items bestimmt, mit dem der Schweregrad der Symptombelastung eingeschätzt werden kann. Die CSAS liegt in vier Versionen vor. Zwei Versionen dienen der Selbstbeurteilung aus Sicht von Jugendlichen (CSAS-J) bzw. Erwachsenen (CSAS-E). Zwei weitere Versionen dienen der Fremdbeurteilung aus der Sicht der Eltern oder nahestehender Erziehungspersonen (CSAS-FE) bzw. der Lebenspartner (CSAS-FP). Jede der vier Versionen besteht aus 18 Items, die anhand eines vierstufigen Antwortformats bearbeitet werden. Bearbeitungsdauer: Sowohl die Durchführungs- als auch die Auswertungszeit beträgt pro Fragebogen etwa 5 bis 10 Minuten.
01 437 01 01 513 01
Test komplett
www.testzentrale.de
Test komplett
99,00 €
www.testzentrale.de
94,00 €
Förderprogramme für Vor- und Grundschule
Wolfgang Schneider Marcus Hasselhorn (Hrsg.)
SEKJ
Förderprogramme für Vor- und Grundschule
Selbstwertinventar für Kinder und Jugendliche
(Reihe: „Jahrbuch der pädagogisch-psychologischen Diagnostik. Test und Trends). 2016, IIIV/251 Seiten, ca. € 34,95 / CHF 45,50 ISBN 978-3-8017-2772-7 Auch als E-Book erhältlich
Wolfgang Schneider Marcus Hasselhorn (Hrsg.)
Tests und Trends – Jahrbuch der pädagogischpsychologischen Diagnostik
Im vorliegenden Band werden eine Reihe von Verfahren genauer beschrieben, die für die Förderung in Vorschule und Schule konzipiert wurden und sich entweder zur Verbesserung relevanter Vorläufermerkmale (etwa der
phonologischen Bewusstheit bzw. der frühen Mengen-ZahlenKompetenz) im Kindergarten oder aber zur Förderung schriftsprachlicher und mathematischer Kompetenzen in der Schule anbieten.
Nadine Spörer / Helvi Koch Nina Schünemann Vanessa A. Völlinger
Das Lesetraining mit Käpt‘n Carlo für 4. und 5. Klassen Nadine Spörer Helvi Koch Nina Schünemann Vanessa A. Völlinger
Das Lesetraining mit Käpt’n Carlo für 4. und 5. Klassen Ein Lehrermanual mit Unterrichtsmaterialien zur Förderung des verstehenden und motivierten Lesens
Mit CD-ROM
Das Lesetraining mit Käpt‘n Carlo wurde für Schulkinder der 4. und 5. Jahrgangsstufe entwickelt und hat das Ziel, das verstehende und motivierte Lesen zu fördern. Das Training umfasst 14 Stunden und kann sowohl innerhalb
www.hogrefe.de
Ein Lehrermanual mit Unterrichtsmaterialien zur Förderung des verstehenden und motivierten Lesens 2016, 103 Seiten, Großformat, inkl. CD-ROM, € 34,95 / CHF 45,50 ISBN 978-3-8017-2723-9 Auch als E-Book erhältlich
als auch außerhalb des Regelunterrichts umgesetzt werden. Den Schülerinnen und Schülern werden spezifische Lesestrategien vermittelt und sie werden mit Hilfe eines Lesetagebuchs zum selbstregulierten Lernen angeregt.
C.Schöne / J. Stiensmeier-Pelster Einsatzbereich: Das SEKJ ist für Schüler der Klassenstufen 5-10 aller allgemeinbildenden Regelschulen normiert. Dies entspricht einem Altersbereich von ungefähr 10–16 Jahren. Das Verfahren: Das SEKJ erfasst über drei Skalen Selbstwerthöhe, Selbstwertstabilität und Selbstwertkontingenz die drei wichtigsten Selbstwertfassetten. Die Skalen bestehen jeweils aus 10 bis 12 Aussagen (insgesamt 32 Items), zu denen auf einer 5-stufigen Antwortskala das Ausmaß der Zustimmung oder Ablehnung ausgedrückt werden soll. Die erfassten Werte geben Auskunft über die Höhe des Selbstwerts, über das Ausmaß an zeitlicher Stabilität sowie Sicherheit/Robustheit des Selbstwerts sowie über das Ausmaß der Unabhängigkeit des Selbstwerts von Ereignissen im Kompetenzund Leistungsbereich. Die Fassetten des Selbstwerts (Höhe, Stabilität und Kontingenz) sind an der Entstehung vielfältiger klinischer wie auch pädagogisch-psychologischer Auffälligkeiten beteiligt, wie beispielsweise Depression, Ängsten, Aggressivem Verhalten und Problemen im Lern- und Leistungsverhalten. Ein präzises und differenziertes Bild vom Selbstwert zu haben, ermöglicht daher die Erstellung zielgenauer und effektiver therapeutischer sowie pädagogischer Interventionen. Die Anwendung des SEKJ ist angezeigt bei (1) Verdacht auf eine Selbstwertproblematik, insbesondere bei Verdacht auf einen geringen, zerbrechlichen und stark schwankenden und/oder vom Erreichen selbstoder fremdgesetzter Standards abhängigen Selbstwert; (2) bei klinisch-psychologischen Auffälligkeiten (z. B. depressive Störungsbilder, affektive Störungen, Aggression, Essstörungen, riskantes oder selbstdestruktives Verhalten, Substanzmissbrauch, narzisstischen Tendenzen) sowie (3) bei Auffälligkeiten im Lern- und Leistungsverhalten (z. B. Self-handicapping und Prokrastination, übertriebener Perfektionismus, selbstwertdienliche Verzerrungen, Leistungs- und Prüfungsangst, Schwierigkeiten bei der Selbst- und Motivationsregulation, Underachievement). Bearbeitungsdauer: Die Bearbeitungsdauer beträgt ca. 20 Minuten inklusive Instruktion. Die Auswertung nimmt in etwa 5 Minuten in Anspruch. 01 513 01
Test komplett
www.testzentrale.de
99,00 €
Verlängerte Konfrontationstherapie für Jugendliche mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung
Edna B. Foa Kelly R. Chrestman Eva Gilboa-Schechtmann
Die emotionale Verarbeitung traumatischer Erfahrungen Deutsche Übersetzung und Bearbeitung von Anne Boos, Theres Gläser und Sabine Schönfeld
Therapeutische Praxis
Edna B. Foa Kelly R. Chrestman Eva Gilboa-Schechtman
Verlängerte Konfrontationstherapie für Jugendliche mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung
Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie
Regina Steil · Rita Rosner
Posttraumatische Belastungsstörung
Regina Steil / Rita Rosner
Posttraumatische Belastungsstörung
Die emotionale Verarbeitung traumatischer Erfahrungen
(Reihe: „Therapeutische Praxis“) 2016, 142 Seiten, Großformat, inkl CD-ROM, € 44,95 / CHF 55,90 ISBN 978-3-8017-2630-0 Auch als E-Book erhältlich
(Reihe: „Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie“, Band 12). 2009, IX/140 Seiten, € 24,95 / CHF 35,50 (Im Reihenabonnement € 17,95 / CHF 25,90) ISBN 978-3-8017-1818-3 Auch als E-Book erhältlich
Das Manual beschreibt die Durchführung der Verlängerten Konfrontationstherapie nach Edna Foa für traumatisierte Jugendliche zwischen 13 und 18 Jahren. Zahlreiche Arbeitsblätter liegen auf der CDROM vor.
Der Leitfaden bietet einen praxisorientierten und umfassenden Einblick in die Diagnostik und Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTB) bei Kindern und Jugendlichen.
Markus A. Landolt Thomas Hensel (Hrsg.)
Rita Rosner / Regina Steil Rosner · Steil
Ratgeber
Posttraumatische Belastungsstörung Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher
Ratgeber Posttraumatische Belastungsstörung Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher
Traumatherapie bei Kindern und Jugendlichen Markus A. Landolt · Thomas Hensel (Hrsg.)
Traumatherapie bei Kindern und Jugendlichen 2., aktualisierte und erweiterte Auflage
(Ratgeber zur Reihe: „Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie“, Band 12). 2009, 56 Seiten, Kleinformat, € 8,95 / CHF 13,50 ISBN 978-3-8017-1819-0 Auch als E-Book erhältlich
2., akt. und erw. Auflage 2012, 479 Seiten, € 39,95 / CHF 53,90 ISBN 978-3-8017-2332-3 Auch als E-Book erhältlich
Der Ratgeber bietet für Eltern, Lehrer und Erzieher leicht verständliche Informationen zur Posttraumatischen Belastungsstörung in Kindheit und Jugend.
Die aktualisierte und erweiterte Neuauflage bietet einen Überblick über neue Entwicklungen im Bereich der Behandlung traumatisierter Kinder und Jugendlicher.
www.hogrefe.de
Aggressivoppositionelles Verhalten im Kindesalter Franz Petermann Manfred Döpfner Anja Görtz-Dorten
3., überarbeitete Auflage
Franz Petermann Manfred Döpfner Anja Görtz-Dorten
Franz Petermann Manfred Döpfner Anja Görtz-Dorten
Aggressivoppositionelles Verhalten im Kindesalter
Ratgeber aggressives und oppositionelles Verhalten bei Kindern
Franz Petermann Manfred Döpfner Anja Görtz-Dorten
Ratgeber aggressives und oppositionelles Verhalten bei Kindern Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher 3., überarbeitete Auflage
Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher
Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie
(Reihe: „Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie“, Band 3). 3., überarb. Auflage 2016, X/181 Seiten, € 24,95 / CHF 32,50 (Im Reihenabonnement € 17,95 / CHF 24,50) ISBN 978-3-8017-2648-5 Auch als E-Book erhältlich
(Ratgeber zur Reihe: „Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie“, Band 3) 3., überarb. Auflage 2016, ca. 40 Seiten, Kleinformat, ca. € 7,95 / CHF 10,90 ISBN 978-3-8017-2649-2 Auch als E-Book erhältlich
Der Band beschreibt Leitlinien zur Diagnostik und Therapie aggressiv-oppositioneller Störungen bei Kindern und erläutert deren Umsetzung in der klinischen Praxis.
Der Ratgeber informiert über aggressives Verhalten bei Kindern und gibt Hinweise, wie man in Familie, Schule oder Kindergarten mit dieser Problematik besser klarkommen kann.
Monika Löhle
Effektiv lernen Erprobte Strategien für mehr Erfolg in der Schule
Störung des Sozialverhaltens bei Jugendlichen
Rudolf Eigenheer Bruno Rhiner Marc Schmid Edith Schramm
Die Multisystemische Therapie in der Praxis
Rudolf Eigenheer Bruno Rhiner / Marc Schmid Edith Schramm
Störung des Sozialverhaltens bei Jugendlichen Die Multisystemische Therapie in der Praxis
Praxis der Paarund Familientherapie
2., überarb. Auflage 2016, 186 Seiten, Kleinformat, € 19,95 / CHF 26,90 ISBN 978-3-8017-2730-7 Auch als E-Book erhältlich
(Reihe: „Praxis der Paar- und Familientherapie“, Band 10) 2016, X/289 Seiten, € 29,95 / CHF 39,90 ISBN 978-3-8017-2528-0 Auch als E-Book erhältlich
Schülerinnen und Schüler finden in diesem Ratgeber jede Menge anschauliche Tipps für erfolgreiches und effizientes Lernen. Die erprobten Strategien zeigen Wege für mehr Erfolg in der Schule auf.
Der Band stellt konkret und praxisorientiert ein Therapieverfahren zur Behandlung der Störung des Sozialverhaltens bei Jugendlichen vor, die Multisystemische Therapie.
www.hogrefe.de