Jahrgang 48 / Heft 2 / 2020 Geschäftsführender Herausgeber Martin Holtmann
Zeitschrift für
Assoziierte Herausgeber Anke Hinney Kerstin Konrad Benno Schimmelmann
Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
Junior-Herausgeber Sarah Hohmann Jochen Seitz Redaktion der Fachgesellschaft Hans-Henning Flechtner Christine Freitag Marcel Romanos Renate Schepker
Autismus und Asperger-Syndrom im Internet Kognitionen von Kindern mit SAD unter Stress und weitere Beiträge
Sein
Potenzial
fä l l t a u f, n i c h t seine
ADHS.
ZEIG, WER DU SEIN WILLST!
Hochwirksam auf die Kernsymptome mit einer Effektstärke von 1,8 1,* Wirkt über den gesamten Tag mit einer Wirkdauer von 13 Stunden 1,** Einmalig flexible Einnahme als Kapsel, verrührt oder gelöst 1
Mehr über das ADHS-Portfolio von Shire auf www.takeda-adhs.de
C-APROM/DE//3400
1. Elvanse® Fachinformation, November 2019; *vs. Placebo; **Untersucht bei Kindern von 6 –12 Jahren. Elvanse ® 20 mg / 30 mg / 40 mg / 50 mg / 60 mg / 70 mg Hartkapseln Wirkstoff: Lisdexamfetamindimesilat. Zusammensetzung: 1 Hartkps. enth. 20/30/40/50/60/70 mg Lisdexamfetamindimesilat, entspr. 5,9/8,9/11,9/14,8/17,8/20,8 mg Dexamfetamin. Sonstige Bestandteile: Mikrokristalline Cellulose, Croscarmellose-Natrium, Magnesiumstearat, Gelatine, Titandioxid, Schellack, Eisen(II,III)-oxid. Zusätzl. Erythrosin (Elvanse ® 30/70 mg), Brillantblau (Elvanse ® 40/50/60/70 mg), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H 2O (Elvanse ® 20/40 mg). Anwendungsgebiet: Im Rahmen einer therapeut. Gesamtstrategie zur Behandl. von ADHS bei Kindern ab 6 Jahren, wenn das Ansprechen auf eine zuvor erhaltene Behandlung mit Methylphenidat als klinisch unzureichend angesehen wird. Behandlung durch Spezialisten. Diag nose nach DSM o. ICD. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit geg. Wirkstoff, sympathomimetische Amine o. sonst. Bestandteile; kürzliche o. laufende Einnahme v. MAO-Inhibitoren; Hyperthyre ose, Thyreotoxikose; Erregungszustände; symptomat. Herz-Kreislauf-Erkrankung; fortgeschrittene Arteriosklerose; mittelschwere bis schwere Hypertonie; Glaukom. Neben wirkungen: Verminderter Appetit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Gewichtsabnahme, Oberbauchschmerzen, Agitiertheit, Angst, Libido vermindert, Tic, Affektlabilität, psychomotorische Hyperaktivität, Zähneknirschen, Aggression, Schwindel,
Unruhe, Tremor, Somnolenz, Tachykardie, Palpitationen, Dyspnoe, Durchfall, Obstipation, Übelkeit, Erbrechen, Hyper hidrose, Hautausschlag, erektile Dysfunktion, Schmerzen in der Brust, Reizbarkeit, Müdigkeit, Zerfahrenheit, Fieber, Blutdruckanstieg, Überempfindlichkeit, Logorrhoe, Depression, Dysphorie, Euphorie, Dermatillomanie, Manie, Halluzi nationen, Dyskinesie, Dysgeusie, verschwommenes Sehen, Mydriasis, Raynaud-Syndrom, Urtikaria, anaphylaktische Reaktion, psychotische Episoden, Krampfanfall, Kardiomyopathie, eosinophile Hepatitis, Angioödem, StevensJohnson-Syndrom. Weitere Angaben: s. Fach- u. Gebrauchsinformation. Verschreibungspflichtig, BtM. Shire Pharmaceuticals Irland Ltd., Dublin 2, Irland. Stand der Information: November 2019. Shire Deutschland GmbH, jetzt Teil der Takeda Group Friedrichstraße 149 · 10117 Berlin Telefon 030/206582-0 Telefax 030/206582-100 www.shire.de · www.takeda-adhs.de
Zeitschrift für
Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
48. Jahrgang / Heft 2 / 2020
Geschäftsführender Herausgeber
M. Holtmann, Hamm
Assoziierte Herausgeber
A. Hinney, Essen K. Konrad, Aachen B. Schimmelmann, Bern
Junior-Herausgeber
S. Hohmann, Mannheim J. Seitz, Aachen
Redaktion der Fachgesellschaft
C. Freitag, Frankfurt am Main M. Kölch, Rostock M. Romanos, Würzburg R. Schepker, Ravensburg
Gegründet von
H. Stutte und H. Harbauer
Frühere Herausgeber
B. Blanz, J. Hebebrand, B. Herpertz-Dahlmann, G. Lehmkuhl, H. Remschmidt, M. Schmidt, P. Strunk, A. Warnke
Beirat
T. Banaschewski, Mannheim K. Becker, Marburg S. Bender, Köln R. Brunner, Regensburg H. Christiansen, Marburg A. Dempfle, Kiel M. Döpfner, Köln S. Ehrlich, Dresden J. M. Fegert, Ulm G. Fink, Köln H.-H. Flechtner, Magdeburg C. Fleischhaker, Freiburg C. M. Freitag, Frankfurt am Main M. Gerlach, Würzburg A. von Gontard, Homburg J. Hebebrand, Essen S. Herpertz, Heidelberg B. Herpertz-Dahlmann, Aachen M. Kaess, Bern K. von Klitzing, Leipzig M. Kölch, Rostock K. Konrad, Aachen
Verlag
Hogrefe AG, Länggass-Strasse 76, 3012 Bern, Schweiz, Telefon +41 (0)31 300 45 00 zeitschriften@hogrefe.ch, www.hogrefe.ch
Anzeigenleitung
Josef Nietlispach, Tel. +41 (0)31 300 45 69, inserate@hogrefe.ch
Herstellung
Reto Mastria, Tel. +41 (0)31 300 45 73, reto.mastria@hogrefe.ch
Satz
punktgenau GmbH, Am Froschbächle 21, 77815 Bühl, Deutschland, www.punktgenau-buehl.de
Druck
AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten im Allgäu, Deutschland, www.az-druck.de
ISSN
1422-4917 (Print), ISSN 1664-2880 (Online), ISSN-L 1422-4917
Library of Congress Catalog Number
73-76150
Erscheinungsweise
6 Hefte jährlich
Bezugsbedingungen
Jahresabonnement Institute: CHF 481.–/€ 367.– (Print only; Informationen zu den Online-Abonnements finden Sie im Zeitschriftenprospekt unter hgf.io/zftkatalog) Jahresabonnement Private: CHF 225.–/€ 166.– (Print & online) Abbestellungen spätestens drei Monate vor Ablauf des Abonnements Einzelheft CHF 72.50/€ 53.50 (Print only) + Porto und Versandgebühren, Unverbindliche Preisempfehlung
Indexierung
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie ist gelistet in Medline, Social Sciences Citation Index, Social Scisearch, Current Contents/Social and Behavioral Sciences, Journal Citation Reports/Social Sciences Edition, EMBASE, EMCARE, PsycINFO, PsyJOURNALS, Europ. Reference List for the Humanities (ERIH), IBZ, IBR und Scopus. 2018 Impact Factor 0.707, Journal Citation Reports (® Clarivate Analytics, 2019).
Elektronischer Volltext
www.psyjournals.com
Umschlagfoto
© Schule im Heithof/LWL-Universitätsklinik Hamm
T. Legenbauer, Hamm M. M. Nöthen, Bonn P. Plener, Wien L. Poustka, Göttingen T. Renner, Tübingen F. Resch, Heidelberg V. Roessner, Dresden M. Romanos, Würzburg G. Romer, Münster A. Rothenberger, Göttingen R. Schepker, Ravensburg K. Schmeck, Basel F. Schneider, Düsseldorf S. Schneider, Bochum G. Schulte-Körne, München M. Schulte-Markwort, Hamburg M. Siniatchkin, Bielefeld C. Stadler, Basel R. Thomasius, Hamburg S. Walitza, Zürich F. Zepf, Jena
Die Zeitschrift ist das offizielle Organ der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2)
© 2020 Hogrefe
Inhalt Editorial
Geschlechtsidentitäten im Wandel
93
Esther Strittmatter und Martin Holtmann Originalarbeiten/ Original Articles
Case-control study of the low intensive autism-specific early behavioral intervention A-FFIP: Outcome after one year
103
Janina Kitzerow, Karoline Teufel, Katrin Jensen, Christian Wilker, and Christine M. Freitag Gaming Disorder and Computer-Mediated Communication in Children and Adolescents with Autism Spectrum Disorder
113
Frank W. Paulus, Charlotte S. Sander, Monika Nitze, Anne-Rose Kramatschek-Pfahler, Anette Voran, and Alexander von Gontard Wirkung von Lichttherapie auf den Nachtschlaf von Kindern mit Schlafproblemen
123
Nino Wessolowski, Claus Barkmann, Lydia Yao Stuhrmann und Michael Schulte-Markwort Segen oder Fluch? Das Internet als Informationsquelle über Autismus und Asperger-Syndrom
133
Inge Kamp-Becker, Sanna Stroth, Thomas Stehr und Lisa Weber Kognitionen von Kindern mit sozialer Angststörung unter Stress
145
Judith Schwarz, Franziska Schreiber, Martina Kühnemund, Christoph Weber, Ulrich Stangier und Siebke Melfsen Rezension
Pornografie und psychosexuelle Entwicklung im gesellschaftlichen Kontext
159
Maximilian Römer Nachrufe
Zum Gedenken an Professor Christian Eggers
162
Johannes Hebebrand Zum Gedenken an Professor Dr. Manfred Laucht
164
Günter Esser, Martin H. Schmidt und Tobias Banaschewski Gesellschaftsseiten
Feature: Mehrfache Medienpreise für die „Sendung mit der Maus“Themensendung zu psychischen Störungen im Kindesalter
165
Katja Becker Policy: Stellungnahme zum Arbeitsentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit – Approbationsordnung für Ärzte und Ärztinnen (ÄApprO) der DGKJP
167
Michael Kölch Policy: Stellungnahme der DGKJP zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz
169
Michael Kölch 171
News: Mitteilungen DGKJP-Geschäftsstelle
© 2020 Hogrefe
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2)
- Anzeige -
Länger, erholsamer schlafen. Kinder mit Autismus: Vorteile von retardierten Melatonin-Minitabletten Vor allem bei Patienten mit Autismus-SpektrumStörungen spricht vieles dafür, dass ihre geringe körpereigene Melatonin-Ausschüttung ein wichtiger Faktor bei der Entstehung chronischer Schlafstörungen ist.1 Für die Behandlung der Schlafstörungen von betroffenen Kindern werden, da bis vor kurzem kein zugelassenes Fertigarzneimittel zur Verfügung stand, schon länger verschiedenste Melatonin-Präparate off-label eingesetzt. So enthalten viele Melatonin-Präparate – darunter auch Nahrungsergänzungsmittel oder individuelle Saft-Rezepturen aus der Apotheke – Melatonin in einer schnell freisetzenden Form. Da Nahrungsergänzungsmittel als Lebensmittel gelten, müssen sie nicht die strengen Qualitätsansprüche von Arzneimitteln erfüllen, so dass bei ihnen schwankende Zusammensetzungen und Kontaminationen gefunden werden können.2 Das darin enthaltene nicht-retardierte Melatonin besitzt nur eine Halbwertszeit von 30 – 40 Minuten. Es lässt die Kinder zwar schneller einschlafen, führt jedoch zu frühe-
Melatonin (% Freisetzung)
60
rem Erwachen, ohne dass die Kinder im Hinblick DXI GLH *HVDPWVFKODI]HLW SURëWLHUHQ 3 Erheblich günstiger wirkt das retardierte Slenyto®. Seit seiner Einführung steht erstmalig eine zugelassene, erstattungsfähige und kindgerechte Minitablette für die Therapie von Schlafstörungen bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störung und/oder Smith-Magenis-Syndrom zur Verfügung. Da autisWLVFKH .LQGHU K¤XëJ VHQVRULVFK VHKU HPSëQGOLFK VLQG XQG DXFK ì¼VVLJH )RUPXOLHUXQJHQ K¤XëJ QLFKW tolerieren, wurde Slenyto® speziell als lediglich 3 mm kleine, geruchs- und geschmacksneutrale Minitablette entwickelt. Slenyto® imitiert die endogene Melatonin-Ausschüttung und bewahrt die physiologische Schlafstruktur.4 Die kurz nach der Einnahme freigesetzte Dosis an Melatonin ist ausreichend, um die Einschlafzeit zu verkürzen. Die Retardierung ermöglicht überdies die verlängerte Freisetzung von Melatonin während der ganzen Nacht. Die KinGHU SURëWLHUWHQ GDGXUFK ]XV¤W]OLFK HUKHEOLFK LP Hinblick auf die Gesamtschlafzeit und das Durchschlafen, ohne jedoch früher aufzuwachen.5,6
50 Retardiertes Melatonin (Slenyto®)
40
Schnell freisetzendes Melatonin
30 20 10 0 0
1
2
3
4
5
6
Zeit (Stunden)
7
8
9
10
Bei der Umstellung von Melatonin-Präparaten mit einer schnellen Wirkstofffreisetzung auf Slenyto® sollte beachtet werden, dass die verabreichten Dosen nicht äquivalent sind. Daher sollten alle Patienten, unabhängig von Alter, Gewicht und davon, ob und in welcher Dosierung sie zuvor schon ein Melatonin-Präparat eingenommen haben, zunächst mit 2 mg Slenyto® beginnen und bei nicht ausreichendem Ansprechen auf 5 mg oder ggf. im nächsten Schritt auf 10 mg aufdosiert werden. 8001550-01-0220 / 200x277
Gute Nächte. Bessere Tage. 1 Tordjman, S. et al. Advances in the research of melatonin in autism spectrum disorders: literature review and new perspectives. Int J Mol Sci 2013. 14: 20509–20542 2 Erland, L.A. and Saxena, P.K. Melatonin Natural Health Products and 6XSSOHPHQWV 3UHVHQFH RI 6HURWRQLQ DQG 6LJQLëFDQW 9DULDELOLW\ RI 0HODWRQLQ &RQWHQW - &OLQ 6OHHS 0HG S 3 Gringras, P., et al., Melatonin for sleep problems in children with neurodevelopmental disorders: randomised double masked placebo controlled trial. Bmj, 2012. 345: p. e6664 4 Zisapel, N., Melatonin and Sleep. The Open Neuroendocrinology Journal, 2010 5 *ULQJUDV 3 HW DO (IëFDF\ DQG 6DIHW\ RI 3HGLDWULF 3URORQJHG 5HOHDVH 0HODWRQLQ IRU ,QVRPQLD LQ &KLOGUHQ ZLWK $XWLVP 6SHFWUXP 'LVRUGHU -$$&$3 S Ë 6 0DUDV $ HW DO /RQJ WHUP (IëFDF\ DQG 6DIHW\ RI 3HGLDWULF 3URORQJHG 5HOHDVH 0HODWRQLQ IRU ,QVRPQLD LQ &KLOGUHQ ZLWK $XWLVP 6SHFWUXP 'LVRUGHU -RXUQDO RI &KLOG DQG $GROHVFHQW 3V\FKRSKDUPDFRORJ\ 'HF KWWS GRL RUJ FDS Slenyto, 1 mg/5 mg Retardtabletten. Wirkst.: Melatonin. Zus.: 1 Retardtabl. enth. 1 mg/5 mg Melatonin. Sonst. Bestandt.: Tablettenkern: $PPRQLXPPHWKDFU\ODW &RSRO\PHU &DOFLXPK\GURJHQ SKRVSKDW 'LK\GUDW /DFWRVH 0RQRK\GUDW KRFKGLVSHUVHV 6LOLFLXPGLR[LG 7DONXP nur bei 1 mg 0DJQHVLXP VWHDUDW Filmüberzug: &DUPHOORVH 1DWULXP 0DOWRGH[WULQ *OXFRVH 0RQRK\GUDW /HFLWKLQ 7LWDQ GLR[LG (LVHQ ,,, R[LG nur bei 1 mg (LVHQ ,,, K\GUR[LG R[LG [ + 2 Anw.: Behandl. v. Schlafstör. b. Kindern u. Jugendl. im Alter v. 2–18 J. m. Autismus Spektrum-Störung u./o. Smith-Magenis-Syndrom, wenn Schlafhygienemaßn. unzur. waren. Gegenanz.: EHUHPSëQGO JJ G :LUNVW R HLQHQ G VRQVW %HVWDQGW Warnhinw.: (QWK /DFWRVH ZHLWHUH ,QIR LQ 3DFNXQJVEHLO Nebenw.: 6WLPPXQJVVFKZDQN $JJUHVVLYLW¤W 5HL]EDUN 6RPQROHQ] .RSIVFKP SO¶W]O 6FKODIDWWDFNHQ 6LQXVLWLV (UVFK¶SI PRUJHQGO 0¼GLJN (SLOHSVLH 6HKVW¶U '\VSQRH Epistaxis, Obstipat., vermind. Appet., Schwell. d. Gesichts, Hautläsion, anorm. Gefühl, anorm. Verh., Neutropenie. 9HUVFKUHLEXQJVSìLFKWLJ 6WDQG 3KDUPD]HXWLVFKHU 8QWHUQHKPHU 5$' 1HXULP 3KDUPDFHXWLFDOV ((& 6$5/ UXH GH 0DULYDX[ 3DULV )UDQNUHLFK 'HXWVFKH 9HUWUHWXQJ ,QIHFWR3KDUP $U]QHLPLWWHO XQG &RQVLOLXP *PE+ 9RQ +XPEROGW 6WU +HSSHQKHLP
Editorial
Geschlechtsidentitäten im Wandel Gender identities in transition Esther Strittmatter1 und Martin Holtmann2 1 2
Gesundheitszentrum Walstedde, Tagesklinik GmbH, Drensteinfurt LWL-Universitätsklinik Hamm der Ruhr-Universität Bochum, Hamm
Zusammenfassung: Die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, die sich aufgrund von Geschlechtsinkongruenzerleben und/oder Geschlechtsdysphorie in den Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie bzw. den vorhandenen Trans-Spezialsprechstunden vorstellen, ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Sowohl national als auch international findet ein Diskurs über die psychotherapeutischen und medizinischen Gesundheitsbedarfe dieser jungen Menschen sowie die zugrunde liegende ethische Auslegung der Problematik statt. Die divergierenden Expertenmeinungen und fachlichen Verunsicherungen spiegeln sich nicht zuletzt in der unzureichenden psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung für die geschlechtlich nonkonformen und geschlechtsdysphorischen Kinder und Jugendlichen wider. Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über die verfügbaren epidemiologischen Daten, den gesellschaftlichen, rechtlichen und medizinischen Paradigmenwechsel, die Entwicklungen in den neuen diagnostischen Klassifikationssysteme (DSM-5, ICD-11) sowie über wichtige Aspekte der AWMF-S3-Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit“ für das Erwachsenenalter. Auf dieser Basis werden der aktuelle Diskurs und die ethischen Dilemmata im Kindes- und Jugendalter dargestellt sowie die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie skizziert. Schlüsselwörter: Trans, Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie, Kinder und Jugendliche, ethische Dilemmata, therapeutische Herausforderungen
Gender identities in transition Abstract: In recent years, the healthcare system has been confronted with an increasing number of children and adolescents with gender nonconformity, gender incongruence, and gender dysphoria. Medical professionals are still debating how to interpret this phenomenon and how best to meet the healthcare needs of this diverse group of young people. Meanwhile, the transgender and gender nonconforming youths themselves face enormous challenges in finding appropriate support and treatment in the mental healthcare system. This article reviews the available epidemiological data, the paradigm shift in the social, legal, and medical systems, the developments in diagnostic classifications (DSM-5, ICD-11) as well as important aspects of the AWMF S3 guideline for adults with gender incongruence and gender dysphoria. In addition, it describes the complexity of working with transgender, gender nonconforming, and gender-questioning youth in the context of the current discourse and the underlying ethical dilemmas. In conclusion, this article outlines the challenges facing child and adolescent psychiatry and psychotherapy in this complex environment. Keywords: transgender, gender incongruence, gender dysphoria, children and adolescents, ethical dilemma, therapeutic challenge
Gegenwärtig findet sowohl in den nationalen und internationalen Fachzeitschriften als auch in der Populärwissenschaft und der Öffentlichkeit ein Diskurs über die deutlich steigende Anzahl von Kindern und Jugendlichen statt, die ihre empfundene Geschlechtsidentität im Widerspruch zu der ihnen zugeschriebenen Geschlechtszugehörigkeit erleben (u. a. Arcelus et al., 2015; De Graaf, Giovanardi, Zitz & Carmichael, 2018; Hummel, 2019; Louis, 2020; Schwarzer, 2020; Spiewak, 2018). Die oftmals polarisierende Diskussion entzündet sich insbesondere an Jugendlichen, die in der Pubertät erstmals Geschlechtsinkongruenzerleben und Geschlechtsdysphorie beschreiben, sowie an der Frage einer pubertätsunter© 2020 Hogrefe
drückenden und/oder geschlechtsangleichenden Hormonbehandlung im Jugendalter. Da die psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung für geschlechtsvariante, geschlechtlich nonkonforme und geschlechtsdysphorische Kinder, Jugendliche und ihre Familien unzureichend ist, haben betroffene Familien häufig einen langen Leidensweg und unzumutbare Wartezeiten hinter sich, bis sie an qualifizierte Beratungsund Behandlungsangebote gelangen. Dabei spiegeln sich die Verunsicherungen und divergierenden Einschätzungen sowohl in den Familien als auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie wider. Die Fertigstellung des angemelde-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 93–102 https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000724
94
E. Strittmatter & M. Holtmann, Geschlechtsidentitäten im Wandel
ten S3-Leitlinienvorhabens „Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter, Diagnostik und Behandlung“ wurde auf Ende 2020 verschoben. Unterdessen ist aus verschiedenen Quellen von Mitwirkenden der Leitliniengruppe zu lesen, dass „Fachdiskussionen […] mit emotionaler Heftigkeit ausgetragen und […] gegensätzliche Positionen und Annahmen“ (Möller, Güldenring, Wiesemann & Romer, 2018) aufweisen würden und dass „die Debatte komplett durchideologisiert“ (Louis, 2020) sei. Es ist Zeit, zu einem unaufgeregteren Umgang mit dem Thema „Geschlecht“ zurückzukehren. Einerseits tragen die divergierenden Expertenmeinungen zu der großen Verunsicherung bei, andererseits weisen sie aber auch auf die Chance und Notwendigkeit hin, sich das aktuelle Fachwissen anzueignen und eine eigene ethische und therapeutische Haltung zu entwickeln.
Gesellschaftlicher und rechtlicher Paradigmenwechsel
Was ist bekannt? Körperliches Geschlecht und geschlechtliche Identitäten sind endlos vielfältig und individuell. Geschlechtsidentität bezeichnet eine verinnerlichte, tief gefühlte Gewissheit über das eigene Geschlechtserleben, die nicht mit objektiven Kriterien gemessen werden kann (Güldenring, 2015). In Anlehnung an die S3-Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und TransGesundheit“ wird der Begriff „Trans“ zur Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt im Sinne eines inklusiven Oberbegriffs für Menschen gewählt, deren „Geschlecht nicht (bzw. nicht komplett und/oder dauerhaft) mit ihren körperlichen Merkmalen übereinstimmt“ (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, 2019). Im vorliegenden Artikel werden entsprechend der Richtlinien einer geschlechtergerechten Sprache des Hogrefe Verlages der Unterstrich benutzt, sofern Wortbestandteile der deklinierten Form enthalten sind, und Doppelnennungen verwendet, wenn dies nicht der Fall ist. So wird versucht, neben Männern und Frauen auch Menschen gerecht zu werden, die sich nicht (ausschließlich) als männlich oder weiblich erleben. In der Vergangenheit haben Trans-Menschen durch die Medizin, die Rechtsprechung und die Gesellschaft viel Unrecht, Pathologisierung, Diskriminierung und Gewalt erfahren (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2015; Collier, van Beusekom, Bos & Sandfort, 2013; Grant et al., 2011; Valentine & Shipherd, 2018). Das „Gesundheitssystem“ wird von ihnen als einer der am stärksten belastenden Bereiche erlebt (Güldenring, 2009; Hamm & Sauer, 2014).
In den letzten Jahren hat sich in der Gesellschaft, der Rechtsprechung, der Gesetzgebung und im psychologischmedizinischen Diskurs ein grundlegender Paradigmenwechsel vollzogen. Soziologische Studien trugen zum Perspektivwechsel bei, indem sie den Fokus auf die kulturspezifisch zugewiesenen Geschlechtsrollenerwartungen und die Auswirkungen der Heteronormativität legten (Kessler & Mc Kenna, 1978; Treibel, 2000). 1996 wurde vom Europäischen Gerichtshof ein Urteil zum Schutz der Geschlechtsidentität erlassen. 2009 und 2011 hat das Bundesverfassungsgericht schrittweise die Voraussetzungen für die Personenstandsänderungen (Ehelosigkeit, Operations- und Sterilisationszwang mit Unfruchtbarkeit) nach dem Transsexuellengesetz für verfassungswidrig erklärt. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat unlängst eine interministerielle Arbeitsgruppe „Inter- und Transsexualität“ ins Leben gerufen, um die Lebenssituation von Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung und von Trans-Menschen zu verbessern und um Diskriminierungen in der Gesellschaft und Benachteiligungen in Medizin und Recht abzubauen (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2015). Im Dezember 2019 stimmte das Bundeskabinett einem Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Spahn zu, welcher Konversionstherapien auch an heranwachsenden, transgeschlechtlichen Menschen verbieten und unter Strafe stellen soll (vgl. die Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie [DGKJP] dazu in diesem Heft auf den Seiten 169–170).
Medizinisch-psychologischer Paradigmenwechsel Eine Wende in der Gesundheitsversorgung für Trans-Menschen stellte die siebte Version der Versorgungsempfehlungen (Standards of Care [SOC 7] for the Health of Transsexual, Transgender, and Gender-Nonconforming People) der World Professional Association for Transgender Health (WPATH) dar, die Geschlechtsinkongruenz als Ausdruck von Vielfalt (nicht Pathologie) und als ein heterogenes Phänomen mit pluralen Verlaufsformen begreift (Coleman et al., 2012). Auch in den Neufassungen der diagnostischen Manuale wurden die Begriffe „Störungen der Geschlechtsidentität“ und „Transsexualität“ ersetzt. In der fünften Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5; American Psychiatric Association, 2013) wurde der Begriff „Geschlechtsdysphorie“ eingeführt und damit unterstrichen, dass nicht die Geschlechts-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 93–102
© 2020 Hogrefe
E. Strittmatter & M. Holtmann, Geschlechtsidentitäten im Wandel
95
identität, sondern das Leiden an der erlebten Geschlechtsinkongruenz die Krankheit darstellt. Außerdem erfolgte dabei erstmals eine Aufweitung für andere, z. B. nonbinäre Geschlechtsidentitäten. Die angekündigte Veröffentlichung der ICD-11 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt die Entpathologisierung noch einen Schritt weiter, nimmt die neue Diagnose „Geschlechtsinkongruenz“ aus dem F-Kapitel (Psychische und Verhaltensstörungen) und verortet sie unter „Zustände im Zusammenhang mit sexueller Gesundheit“ (Drescher, Cohen-Kettenis & Winter, 2012). Die Diagnosestellung setzt keinen gegenwärtigen Leidensdruck voraus, sondern kann auch bei antizipiertem Leidensdruck vergeben werden (Nieder, Briken & Güldenring, 2016). Ende 2018 wurde die evidenz- und konsensbasierte S3Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit zur Diagnostik, Beratung und Behandlung“ für das Erwachsenenalter verabschiedet (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, 2019). In dieser werden Alltagserfahrungen sowie eine psychotherapeutische Begleitung zwar empfohlen, stellen jedoch keine notwendige Voraussetzung für den Beginn körpermodifizierender Behandlungen dar. Ebenso gibt es keine festen zeitlichen Vorgaben für körpermodifizierende Behandlungen sowie fast keine absoluten Kontraindikationen (mit Ausnahme von Psychosen und dissoziativen Identitätsstörungen). Laut S3-Leitlinie stellt die hormonelle Behandlung von Behandlungssuchenden eine Therapiemethode dar, die „zur Reduktion von Geschlechtsinkongruenz und/oder Geschlechtsdysphorie und möglicher sekundär bedingter Symptome sowie zur Verbesserung der Lebensqualität beiträgt“ (Evidenzgrad III, starker Konsens). Unter ärztlicher Supervision wird die hormonelle Behandlung bei Erwachsenen als kurz- und mittelfristig „sichere Behandlungsmethode“ eingeschätzt (Evidenzgrad III, starker Konsens). Des Weiteren besteht ein „starker Konsens“, dass „modifizierende Behandlungen körperlicher Geschlechtsmerkmale“ für Trans-Personen, die körpermodifizierende Behandlungen in Anspruch nehmen wollen, die „Therapie der ersten Wahl“ sind. Aus Respekt vor der autonomen, selbstverantwortlichen Trans-Person werden voll informierte, partizipative Entscheidungen angestrebt (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, 2019).
nischer Studien mit dem Behandlungsparadigma des Transsexualismus ergab eine Gesamtprävalenz von 4.6/ 100 000 (2.6/100 000 Frau-zu-Mann-Transitionen; 6.8/ 100 000 Mann-zu Frau-Transitionen; Arcelus et al., 2015). Collin, Reisnner, Tangpricha und Goodman (2016) beschreiben eine Prävalenz von Trans-Selbstzuschreibungen von 355/100 000, von transbezogenen Diagnosen von 6.8/100 000 und von geschlechtsangleichenden Behandlungen (Hormone, Operationen) von 9.2/100 000. In einer niederländischen repräsentativen Querschnittsbefragung an 8064 Teilnehmenden einer nichtklinischen Stichprobe gaben 4.6 % von den bei Geburt als Mann zugewiesenen Menschen an, sich ambivalent und 1.1 % sich inkongruent gegenüber dem eigenen Geschlecht zu fühlen. Von den bei Geburt als Frau zugewiesenen Menschen gaben 3.2 % eine Geschlechtsambivalenz und 0.8 % eine Geschlechtsinkongruenz an. Geschlechtsambivalenz oder -inkongruenz und der Wunsch nach geschlechtsangleichenden Maßnahmen traten bei 0.6 % der bei Geburt als Mann und 0.2 % der als Frau zugewiesenen Menschen auf. (Kuyper & Wijsen, 2014). Auch andere Quellen weisen darauf hin, dass sich eine signifikante Anzahl von Trans-Menschen trotz Geschlechtsinkongruenzerleben partiell gegen geschlechtsangleichende Maßnahmen entscheidet (Beek, Kreukels, Cohen-Kettenis & Steensma, 2015; Bockting, 2008; Eyssel, Koehler, Dekker, Sehner & Nieder, 2017). In einer amerikanischen Onlinestudie mit 6456 Transgender oder geschlechtlich nonkonformen Studienteilnehmenden identifizierten sich 67 % als binär (männlich oder weiblich) und 33 % als ein anderes Geschlecht (z. B. nonbinär; Grant et al., 2011; ähnlich: EU-LGBT Survey; European Union Agency for Fundamental Rights, 2014). Es ist wahrscheinlich, dass auch nonbinäre Menschen verstärkt Hilfe in den Spezialsprechstunden suchen (Richards et al., 2016). Mehrere Studien weisen auf steigende Prävalenzzahlen (Arcelus et al., 2015; De Graaf et al., 2018) und eine Inversion des Geschlechterverhältnisses hin, mit mehr Jugendlichen, denen bei Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde und die sich als trans-männlich bezeichnen (Aitken et al., 2015 Kaltiala-Heino, Sumia, Työläjärvi & Lindberg, 2015; Zucker, 2017). Deutsche Studien mit entsprechend großen Fallzahlen liegen bislang nicht vor.
Epidemiologie
Aktueller Diskurs und ethische Dilemmata im Kindes- und Jugendalter
Angaben zur Prävalenz variieren je nach zugrunde gelegtem Definitionskriterium (Nieder et al., 2016; Köhler, Stern, Eyssel & Nieder, 2019). Eine Metaanalyse kli-
Laut einer Statistik des Londoner Gender Identity Development Service haben sich 2009/2010 insgesamt 97 Kinder und Jugendliche mit Geschlechtsdysphorie vorgestellt,
© 2020 Hogrefe
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 93–102
96
E. Strittmatter & M. Holtmann, Geschlechtsidentitäten im Wandel
im Jahr 2015/2016 waren es 1419 (Tavistock and Portman NHS Foundation Trust, 2016). Auch die deutschen Spezialambulanzen verzeichnen seit 2015 einen Anstieg der Inanspruchnahme, wobei die Neuvorstellungszahlen eher die Verfügbarkeit von Behandlungskapazitäten widerspiegeln als den Bedarf der Nachfrage. In den Spezialsprechstunden in Hamburg, Münster und München wurden die Wartelisten aufgrund unzumutbarer Wartezeiten zwischenzeitlich geschlossen.
Entwicklungsverläufe
„Doing digital gender“? Im Jahr 2015 lag erstmals eine nahezu vollständige Ausstattung (99 %) der 12- bis 19-Jährigen mit Smartphones vor (JIM-Studie 2015; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2015). Einerseits hilft das Internet Informationen zu verbreiten, die Kommunikation zu erleichtern, Selbsthilfestrukturen effizienter aufzubauen und zu einem veränderten Selbstverständnis mit Positivbesetzung geschlechtlicher Vielfalt beizutragen. Andererseits steigen der Druck der gesellschaftlichen Schönheitsideale und die Aufforderungen zur Selbstoptimierung. Eine Untersuchung über weibliche Selbstinszenierung in den neuen Medien kam zu dem Ergebnis, dass Geschlechterdarstellungen in den erfolgreichsten YouTube-Kanälen und auf Instagram auf veraltet anmutenden Rollenstereotypen („Kinder, Küche, Kosmetik“) basieren (MaLisa Stiftung, 2019). Bislang ist wenig bekannt, welche Auswirkungen die z. T. idealisierte Darstellung von Influencern in den sozialen Medien, die Erwartung der ununterbrochenen alltäglichen Selbstzurschaustellung sowie die Rückmeldungen aus der virtuellen Peergruppe auf die Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen haben und ob dadurch auch Illusionen einer natürlich gegebenen Geschlechtsidentität erzeugt werden können. Auffallend in den Spezialsprechstunden für geschlechtsvariante Kinder und Jugendliche ist, dass Beschreibungen der Trans-Entwicklung bei einigen der Jugendlichen, die in der Pubertät erstmals Geschlechtsinkongruenzerleben und Geschlechtsdysphorie beschreiben, eher stereotyp anmutenden schematischen Erzählungen als Prozessen des inneren Gewahrwerdens gleichen. Allen diesen Jugendlichen ist gemeinsam, dass sie sich mit YouTube-Videos oder Darstellungen auf Instagram „identifizieren“ konnten. Alternativ könnten es auch Versuche sein, den antizipierten Erwartungen an die Begutachtungsanleitung geschlechtsangleichender Maßnahmen bei Transsexualität des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (2009) zu entsprechen (Nieder & Richter-Appelt, 2011).
Das evidenzbasierte Wissen über die Entwicklungsverläufe von jungen Menschen, die sich erstmals in der Pubertät aufgrund von Geschlechtsinkongruenzerleben und Geschlechtsdysphorie in den Spezialsprechstunden vorstellen, ist sehr beschränkt. Faktoren, die die Beständigkeit (Persistenz) bzw. Unbeständigkeit (Desistenz) der Geschlechtsdysphorie sicher vorhersagen können, sind nicht bekannt (Steensma, Biemond, de Boer & CohenKettenis, 2011). Von der Kindheit bis in das Pubertätsalter bleibt das Geschlechtsinkongruenzerleben in der Mehrzahl der Fälle nicht bestehen. Die Persistenzraten variieren zwischen 12 % und 55 %, wobei die Fallzahlen der einzelnen Studien allesamt niedrig sind (Drummond, Bradley, Peterson-Badali & Zucker, 2008; Steensma et al., 2011; Steensma, Kreukels, de Vries & Cohen-Kettenis, 2013; Wallien & Cohen-Kettenis, 2008). Während nicht alle Kinder mit Geschlechtsvarianz im Erwachsenenalter als Trans-Menschen leben, hatten nicht alle TransErwachsenen von Kindheit an geschlechtsvariantes Erleben (Drescher, Cohen-Kettenis & Reed, 2016). Güldenring (2009) beschreibt bei den phasenspezifischen Konfliktthemen transsexueller Entwicklungswege, dass die innere Wahrnehmung des transsexuellen Erlebens bei „einer größeren Anzahl“ erstmals während der Pubertät stattfindet und mit großen Irritationen, Einsamkeitserleben, Isolation sowie internalisierter Transphobie verbunden sein kann. Kliniker_innen und Forscher_innen, die sich jahrzehntelang in der Begleitung und Behandlung von Trans-Menschen engagiert haben, betonen, dass sich Trans-Menschen jeden Alters nicht „wünschen“, dem anderen Geschlecht anzugehören. Sie haben sich ihr geschlechtliches Sosein nicht ausgesucht. Vielmehr handelt es sich um ein „tiefes Bedürfnis, eine lebenserhaltende Notwendigkeit“, entsprechend dem inneren Geschlechtsidentitätsempfinden leben zu können und anerkannt zu werden (Preuss, 2019b; Rauchfleisch, 2017). TransJugendliche können durch die Entwicklung des nichtstimmigen Geschlechtskörpers in der Pubertät in ihrer psychosexuellen Entwicklung massiv beeinträchtigt werden (Preuss, 2019a). Reaktive Folgeerkrankungen (z. B. Depressionen, Angsterkrankungen) werden u. a. mit dem Minoritätenstressmodell erklärt (Bockting, Miner, Swinburne Romine, Hamilton & Coleman, 2013; Güldenring, 2009). Aus vielfältigen Studien ist bekannt, dass Trans-Kinder und -Jugendliche in fremdzugewiesenen Geschlechtsrollen ein deutlich höheres Risiko für emotionale Störungen, Verhaltensprobleme und psychische Auffälligkeiten haben als Trans-Kinder und -Jugendliche, die geschlechtlich selbstbestimmt und authentisch leben (Durwood, McLaughlin & Olson, 2017; Möller et al., 2018; Roberts, Rosario, Corliss, Koenen & Austin, 2012).
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 93–102
© 2020 Hogrefe
E. Strittmatter & M. Holtmann, Geschlechtsidentitäten im Wandel
Begleiterkrankungen und Differenzialdiagnostik Die differenzialdiagnostische Abgrenzung und Einordnung von Begleiterkrankungen (siehe Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, 2019, S. 26–36) ist bei Betroffenen, die erstmals im Jugendalter ihr geschlechtsdysphorisches Erleben thematisieren, schwierig und im Querschnitt nicht immer trennscharf möglich. Die Geschlechtsidentitätsproblematik kann Ausdruck einer pubertären Reifungskrise sein (Waddell, 1998). Sie kann passager im Rahmen allgemeiner Identitätsverunsicherung, begleitender Psychopathologie oder dem Wunsch nach Zugehörigkeit entstehen (Churcher Clarke & Spiliadis, 2019). Besonders schwierig ist diese Einschätzung bei Jugendlichen, die zusätzlich zum Trans-Erleben ein niedriges Strukturniveau sowie begleitende psychiatrische Erkrankungen aufweisen (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, 2019; Bock et al., 2019; vgl. Seiffge-Krenke & Schmeck, 2019; Seikowski, Gollek, Harth & Reinhardt, 2008). Neben einer Übergangsidentität ist die Herausbildung einer nonbinären Geschlechtsidentität oder binären Trans-Entwicklung als Verlauf möglich (Preuss, 2019b). In der Populärwissenschaft kursiert momentan der von Littmann nach Befragung von Eltern (2018/2019) geprägte Begriff der „Rapid-Onset Gender Dysphoria“ (ROGD). Die Vereinfachung, alle Jugendlichen, die erstmals in der Pubertät ihre Geschlechtsinkongruenz und/oder Geschlechtsdysphorie nach außen öffnen, einer „ROGD“-Gruppe zuzuordnen, wird der Komplexität der Thematik nicht gerecht und birgt die Gefahr, dass diese besonders vulnerable Betroffenengruppe stigmatisiert und nicht ernst genommen wird. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bislang keine evidenzbasierten Kriterien existieren, die mit ausreichender Sicherheit die weitere Entwicklung der individuellen Geschlechtsidentität zuverlässig und trennscharf voraussagen könnten. Es werden dringend prospektive Forschungsansätze benötigt mit dem Ziel, unterschiedliche Subgruppen und Bedarfe zu differenzieren und bessere klinische Vorhersagen treffen zu können.
Hormonbehandlung Weder national noch international besteht ein Konsens über den Beginn einer (pubertätsunterdrückenden und/ oder geschlechtsangleichenden) Hormonbehandlung sowie über die zugrunde liegende ethische Auslegung der Problematik (Churcher Clarke & Spiliadis, 2019; Möller et al., 2018; Vrouenraets, Fredriks, Hannema, Cohen-Kettenis & de Vries, 2015). Die Diskussion bewegt sich im Spannungsfeld zwischen dem Persönlichkeitsrecht auf geschlechtliche © 2020 Hogrefe
97
Selbstbestimmung der Betroffenen auf der einen Seite und der Angst vor Fehlentscheidungen der Behandelnden auf der anderen Seite (Strauss & Nieder, 2014). Bislang sind nur wenige prospektive Untersuchungen verfügbar. Studien mit großen Fallzahlen fehlen ebenso wie randomisiert kontrollierte Studien. Die Hormonbehandlung stellt einen Off-Label-Gebrauch dar. Neben der fehlenden sicheren Vorhersagbarkeit erscheint es problematisch, dass unter Expertinnen und Experten keine einheitlichen Entscheidungskriterien vorhanden zu sein scheinen. Vielmehr differiert die Entscheidung, welche Behandlungsangebote geschlechtsdysphorische Jugendliche erhalten je nach aufgesuchter Spezialsprechstunde, nach subjektiver Einschätzung der Untersuchenden vom „Passing“ in der angestrebten Geschlechtsrolle und nach der Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen, d. h., wie glaubwürdig und konsistent das innere Erleben geschildert werden kann. Korte, Beier und Bosinski (2016) warnen, dass es keine gesicherten Erkenntnisse gibt, wie sich eine Hormonbehandlung vor Abschluss der Pubertät auf die psychosexuelle Entwicklung und auf die Gehirnentwicklung auswirke und weisen auf die Gefahr hin, dass altersgerechte soziosexuelle Erfahrungen verhindert werden und TransEntwicklungen zementiert werden könnten. Auch muss berücksichtigt werden, dass sich gesundheitliche Probleme erst durch geschlechtsangleichende Maßnahmen und deren Komplikationen ergeben können. Befürworter_innen einer differenziellen Indikationsstellung von pubertätsunterdrückenden und geschlechtsangleichenden Hormonen verweisen auf die Gefahr von reaktiven psychischen Störungen beim Leben in der fremdzugewiesenen Geschlechtsrolle (Durwood et al., 2017; Möller et al., 2018; Roberts et al., 2012) und auf die im Langzeitverlauf überwiegend gute bis sehr gute gesundheitsbezogene Lebensqualität (Cohen-Kettenis, Delmarre-van der Waal & Gooren, 2008). Sauer, Güldenring und Tuider (2015) unterstreichen, dass das Vorenthalten einer Behandlung zu weitreichenden lebenslangen Folgen mit erschwertem Passing, Mobbing und Stigmatisierungserfahrungen führen könne.
Wie kann die Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie den Herausforderungen gerecht werden? Entwicklungen brauchen Zeit (Preuss, 2019b). Manchmal überholen die Veränderungen der Kinder und Jugendlichen die Anpassungsgeschwindigkeit der Eltern und des professionellen Hilfesystems. Jugendliche stellen sich
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 93–102
98
E. Strittmatter & M. Holtmann, Geschlechtsidentitäten im Wandel
häufig erst mit einem erheblichen Leidensdruck in den Spezialsprechstunden vor, nachdem sie bereits in allen Lebensbereichen den sozialen Rollenwechsel vollzogen und Fakten geschaffen haben. Junge Trans-Menschen sind in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Die Kinderund Jugendpsychiatrie und Psychotherapie ist gefordert, sich mit den sich wandelnden gesellschaftlichen Realitäten auseinanderzusetzen und für Zustände, die mit einem krankheitswertigen Leidensdruck assoziiert sind, wohnortnahe, qualifizierte Beratungs- und Behandlungsangebote zu schaffen. Fachliche Voraussetzungen, die Gender-Spezialisten erfüllen sollten, sind in den SOC 7 (Coleman et al., 2012) und von der American Psychological Association (2015) formuliert worden. Unabhängig von einem geschlechtsangleichenden Behandlungswunsch Betroffener und der Frage nach einer vorhandenen Indikation sollten Kinder und Jugendliche in ihren geschlechtlichen Selbstbeschreibungen gehört, geachtet und ernst genommen werden sowie in ihrem individuellen Ausdrucksbedürfnis gesehen werden (Möller et al., 2018). Auf der Basis einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung ist es möglich, auch Ängste, Zweifel und Ambivalenzen zu besprechen, um die Betroffenen in einer gesunden Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung zu unterstützen. Insbesondere in der Pubertät bedarf es ausreichender Zeit für die Auseinandersetzung mit dem Unwohlsein im eigenen Körper, für die Exploration der Geschlechtsidentität und die Überprüfung der Lebbarkeit der individuellen Geschlechtsrollenvorstellungen. Eine realistische Einschätzung der Möglichkeiten und Grenzen geschlechtsangleichender Behandlungen sowie der mit ihnen verbundenen gesundheitlichen Risiken ist unabdingbar. Dies beinhaltet auch eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, der eigenen Sexualität und Fertilität. Psychotherapie eröffnet die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen geschlechtliches Empfinden als existenzielles Bedürfnis wertzuschätzen und sich mit der individuellen geschlechtlichen Identität auseinanderzusetzen (Möller et al., 2018; Preuss, 2019a). Kinder und Jugendliche sollten ergebnisoffen und Ich-stärkend begleitet werden. Dabei sollten anstehende Entwicklungsaufgaben, ggf. begleitende Psychopathologie, Persönlichkeitsstruktur und soziale Integration beachtet werden (Di Ceglie, 2009). Im Kindes- und Jugendalter ist eine Prozessdiagnostik (differenzialdiagnostische Verlaufsbeobachtung) erforderlich, um prognostische Einschätzungen mit größtmöglicher Sicherheit treffen zu können. Eltern brauchen Unterstützung, Unsicherheiten auszuhalten, ihr Kind unabhängig vom Geschlecht als liebenswerten Menschen wohlwollend zu akzeptieren und mit einer Wachstum ermöglichenden Haltung zu begleiten, was auch die gemeinsame kritische Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Wahrnehmungen und Einschätzungen miteinschließt.
Da Geschlechtsidentität ein tiefes inneres, individuelles Erleben ist, das nicht objektiviert werden kann (Güldenring, 2015), erscheint die in der Populärwissenschaft aufgeworfene Frage nach „echten“ und „Neo-Transsexuellen“ nicht hilfreich. Wichtiger ist es, den vorhandenen Leidensdruck und die psychosexuelle Entwicklung gemeinsam mit den Betroffenen und der zugehörigen Familie zu verstehen, die Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung abzugleichen, um zu einer realistischen Selbsteinschätzung zu gelangen. Psychotherapie kann helfen, die häufig initial undifferenzierten, geschlechtsdysphorischen Gefühlszustände, die beispielsweise aus Angst, Ekel, Scham, Wut und Neid bestehen können, besser zu verstehen und einzuordnen (Preuss, 2019a). Ziel ist es, die geschlechtsdysphorischen jungen Menschen in der psychosexuellen und Identitätsentwicklung so zu unterstützen, dass sie Kohärenz und Kontinuität im Kontext der sozialen Beziehungen entwickeln können. Die Frage der Indikationsstellung einer (pubertätsunterdrückenden und/oder geschlechtsangleichenden) Hormonbehandlung muss sehr sorgfältig geprüft werden. Es handelt sich um eine Dilemmasituation, in der eine neutrale Position nicht möglich ist (Cohen-Kettenis et al., 2008), da auch eine Nichtentscheidung eine Entscheidung darstellt. Kurz- und langfristige Chancen und Risiken einer Behandlung müssen gegenüber einer Nichtbehandlung abgewogen werden. Entscheidungen müssen prospektiv getroffen werden, sie werden sich jedoch erst retrospektiv nach einer längeren Zeit als richtig oder falsch erweisen. Basierend auf den Diskriminierungs- und Pathologisierungserfahrungen sowie dem oftmals langen Leidensweg von erwachsenen Trans-Menschen (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2015; Sauer et al., 2015), den retrospektiven Berichten von Trans-Erwachsenen über die sichere Wahrnehmung der Geschlechtsdysphorie ab dem Kindes- und/oder Jugendalter (Güldenring, 2009), wurden Möglichkeiten einer frühzeitigen Hormonbehandlung sorgfältig geprüft und eingeführt (De Vries et al., 2014). In Anlehnung an das Amsterdamer Modell haben sich auch Spezialsprechstunden/ Ambulanzen an Universitätskliniken in Deutschland entwickelt. Allerdings hat der Wunsch, zur Prävention dieses Leidensweges beizutragen, sekundäre Folgeerkrankungen zu vermindern und die Lebensqualität zu verbessern – in Kombination mit der deutlich steigenden und sich qualitativ verändernden Inanspruchnahmepopulation der Spezialambulanzen – zu einer zu niedrigschwelligen und unkritischen Indikationsstellung für (pubertätsunterdrückende und/oder geschlechtsangleichende) Hormonbehandlungen geführt. Nun geht es darum, im Jugendalter aus dem Verfügbarkeitsmodus in einen kritischen Resonanzmodus zurückzukehren (Rosa, 2019), indem sorgfältig gemeinsam geprüft wird, ob es sich um eine Form der
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 93–102
© 2020 Hogrefe
E. Strittmatter & M. Holtmann, Geschlechtsidentitäten im Wandel
99
lebenslang persistierenden, tiefgreifenden, nichtveränderbaren, quälenden Geschlechtsdysphorie handelt, bei der es ohne geschlechtsangleichende Maßnahmen keine Linderung gibt. Das Grundprinzip, dass „eine geschlechtsangleichende Hormonbehandlung nur dann indiziert werden sollte, wenn alle Beteiligten (Patientinnen und Patienten, beide Eltern, alle behandelnden Ärztinnen und Ärzte und Psychotherapeutinnen und -therapeuten inkl. Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiater, Gender Spezialistinnen und Spezialisten, pädiatrische Endokrinologinnen und Endokrinologen) darin übereinstimmen, dass eine Nichtbehandlung den Leidensdruck verschlimmern und zu einem absehbar größeren FolgeSchaden führen würde, als die Folge des Restrisikos einer sich möglicherweise später zeigenden Fehlindikation“ (Preuss, 2019a), sollte angestrebt werden. Als Arbeitsund Verständnismodell für die Arbeit mit Trans-Jugendlichen und ihren Familien ist das (in der SOC 7 gestrichene) Prinzip der grundsätzlichen Eignung („elegibility“) und des richtigen Zeitpunktes („readiness“) für geschlechtsangleichende Maßnahmen hilfreich, um den Möglichkeitsraum für die Entwicklung von Sicherheit und Einwilligungsfähigkeit zu vergrößern. Da Geschlechtsidentität einen der zentralen Aspekte von Würde und Selbstbestimmung darstellt (Yogyakarta Prinzipien, 2006) und die Einschätzung des prospektiven Nutzens und Schadens in hohem Maße von der Bewertung der Betroffenen abhängt, geht es nicht darum, für die Betroffenen Entscheidungen zu treffen. Vielmehr sollen die Jugendlichen und ihre Eltern mithilfe der therapeutischen Begleitung befähigt werden, auf der Basis des vorhandenen Wissens partizipative, informierte Entscheidungen treffen zu können (Möller et al., 2018). Therapeutinnen und Therapeuten wiederum dürfen in jedem Einzelfall nur Indikationen stellen, wenn sie diese auch ethisch vertreten können. Sie sind gefordert, ihre ggf. vorhandenen Bedenken transparent und wertschätzend mit den Betroffenen und deren Familien zu besprechen.
tischen Praxen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene) entstanden. Das Thema Transgeschlechtlichkeit sollte zusätzlich stärker in die Curricula der Facharztweiterbildung und psychotherapeutischen Weiterbildungsinstitute mit aufgenommen werden. Die aktuelle Befundlage zeigt, dass dringend prospektive Forschungsarbeiten benötigt werden, um Subgruppen besser voneinander abgrenzen zu können sowie mögliche Verläufe (Desistenz- und Persistenzraten) und das Ansprechen auf unterschiedliche Behandlungselemente besser vorhersagen zu können. Es sollte dargelegt werden, nach welchen Parametern welches Therapieangebot eröffnet wird und wie die Angemessenheit des Therapieangebotes überprüft werden kann. Neben dem Erfahrungswissen von erwachsenen Trans-Menschen, die retrospektiv ihre Entwicklung betrachten, wären auch Veröffentlichungen von nicht erfolgreichen Behandlungsverläufen sowie von der Gruppe von Jugendlichen hilfreich, die sich zu einer Re-Transition entscheiden. Um ausreichende Fallzahlen zu erzielen, wäre es ferner wünschenswert, konkurrenzbedingte Abgrenzungen zwischen den einzelnen Spezialzentren abzubauen sowie eine deutschlandweite Basiserhebung und vernetzte Forschung voranzubringen. Neben dem Diskurs über die Veränderung von Geschlechtsidentitäten und über die Zunahme von Behandlungsanfragen wurde in den letzten Jahren zu wenig beachtet, welche inhaltlichen psychotherapeutischen Behandlungsbedarfe Trans-Kinder und -Jugendliche haben und in welchem Setting diese angeboten werden sollten. In der psychotherapeutischen Begleitung werden das direkte Spüren und Erleben des Körpers und die Sexualität häufig vernachlässigt. Da Trans-Sein durch ein dysphorisches Erleben der eignen Körperlichkeit gekennzeichnet ist, sind mehr transsensible, körpertherapeutische Angebote vonnöten (Hahne & Stern, 2019). Des Weiteren gelingt ein glückliches und erfülltes Leben von Kindern und Jugendlichen in der individuellen geschlechtlichen Identität insbesondere dann, wenn sie vorbehaltlos in tragenden familiären und erweiterten sozialen Beziehungen angenommen werden (Güldenring & Sauer, 2017). Im Kindes- und Jugendalter sind daher systemische Angebote von besonderer Bedeutung, die vornehmlich die Familie, aber auch das erweiterte soziale Umfeld mit berücksichtigen. Erste erfolgversprechende, multifamilientherapeutische Ansätze sind dabei in den letzten Jahren etabliert worden und sollten weiter evaluiert werden (Strittmatter, 2017). Zusätzlich können Selbsthilfe, Peerberatung und Projekte wie beispielsweise „Trans – ja und?“ helfen, das Gefühl von Selbstwert und Akzeptanz zu stärken und eine verbesserte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Die Arbeit mit transgeschlechtlichen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien stellt hohe ethische und therapeu-
Entwicklungsaufgaben Für den Aufbau einer wohnortnahen Versorgung bedarf es qualifizierter Fort- und Weiterbildungsangebote zu den Themen Geschlechtsidentitätsentwicklung und Transgeschlechtlichkeit. Seit 2019 findet in Hamburg ein erster akkreditierter Fortbildungsgang „Geschlechtsdysphorie, Geschlechtsinkongruenz, Trans- und Intergeschlechtlichkeit“ nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung statt. Durch diesen sind bereits neue qualifizierte Versorgungsangebote (z. B. am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, im Gesundheitszentrum Walstedde sowie in psychiatrischen und psychotherapeu© 2020 Hogrefe
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 93–102
100
E. Strittmatter & M. Holtmann, Geschlechtsidentitäten im Wandel
tische Anforderungen an die Behandelnden (Möller et al., 2018). Gender-Spezialistinnen und -Spezialisten brauchen Vernetzung, die Möglichkeit zur Einholung von Zweitmeinungen aus anderen Zentren und Supervision. Es wäre daher wünschenswert, wenn die vorhandenen Spezialsprechstunden an den Universitätskliniken jenseits von Fortbildungsangeboten auch Kooperationsmöglichkeiten anbieten würden. Nicht zuletzt kann geschlechtsbezogene Selbsterfahrung Therapeutinnen und Therapeuten helfen, zu lernen, wie die möglicherweise im therapeutischen Beziehungsraum stehende Verwirrung zu verstehen ist. Beim Thema Geschlecht greifen Natur-, Geistes- und Kulturwissenschaften in besonderer Art und Weise ineinander. Interdisziplinäre Forschungsansätze sind daher genauso wünschenswert wie die Klärung der Fragen: Wo beginnt die Rolle der Medizin? Und wo hört sie auf? In den letzten Jahren sind durch den gesellschaftlichen Diskurs, die Möglichkeiten des Internets, die Rechtsprechung, die Gesetzgebung und die Entpathologisierung im medizinisch-psychologischen Diskurs wichtige Schritte für die Achtung und Akzeptanz der geschlechtlichen Selbstbestimmung erreicht worden. Dabei sollten auch die den therapeutischen Kontroversen zugrunde liegenden ethischen Fragen diskutiert werden. Am 19. Februar 2020 fand eine erste öffentliche Veranstaltung auf Einladung des Deutschen Ethikrates in der Reihe „Forum Bioethik“ zum Thema Trans-Identität bei Kindern und Jugendlichen statt. In der Folge wurden Ad-hoc-Empfehlungen zu ethischen Grundsätzen in der Begleitung und Behandlung von transidenten Kindern und Jugendlichen veröffentlicht (siehe Deutscher Ethikrat, 2020). Gleichsam entsteht momentan der Eindruck, dass durch die Suche von Menschen nach einer passenden Selbstbeschreibung (u. a. agender, bigender, demigender, intergender, neutrosis, trigender, genderfuck, stargender, LSBATIQQP+; Queer Lexikon, 2020) und der damit verbundenen wechselseitigen Ab- und Ausgrenzung weniger statt mehr geschlechtliche Freiheit und Toleranz zu entstehen scheint. Die erhöhte Inanspruchnahme von Trans-Spezialambulanzen unterstreicht deutlich die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der geschlechtlichen Identität, den kulturspezifischen Geschlechtsrollenerwartungen und den pubertären Veränderungen als wichtige Aufgabe auch für unser Fach.
American Psychiatric Association. (2013). Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5: Deutsche Ausgabe (P. Falkei & H.-U. Wittchen, Hrsg). Göttingen: Hogrefe. American Psychological Association. (2015). Guidelines for psychological practice with transgender and gender non-conforming people. American Psychologist, 70, 832–864. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (2019). Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit: S3-Leitlinie zur Diagnostik, Beratung und Behandlung. AWMF-Register-Nr. 138/ 001. Version 1.1, Stand: 22.02.2019. Arcelus, J., Bouman, W. P., van den Norortgate, W., Claes, L., Witcomb, G. & Fernandez-Aranda, F. (2015). Systematic review and meta-analysis of prevalance studies in transsexualism. European Psychiatry, 30, 807–815. Beek, T. F., Kreukels, B. P., Cohen-Kettenis, P. T. & Steensma, T. D. (2015). Partial treatment requests and underlying motives of applicants for gender affirming interventions. Journal of Sexual Medicine, 12, 2201–2205. Bock, A., Huber, E., Müller, S., Henkel, M., Sevecke, K., Schopper, A. et al. (2019). Psychisches Strukturniveau im Jugendalter und der Zusammenhang mit späterer psychischer Erkrankung – eine Langzeitstudie. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 47, 400–410. Bockting, W. O. (2008). Psychotherapy and the real-life experience: From gender dichotomy to gender diversity. Sexologies, 17, 211–224. Bockting, W. O., Miner, M. H., Swinburne Romine, R. E., Hamilton, A. & Coleman, E. (2013). Stigma, mental health, and resilience in an online sample of the US transgender population. American Journal of Public Health, 103, 943–951. Bundesminsterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (2015). Gutachten: Begrifflichkeiten, Definitionen und disziplinäre Zugänge zu Trans- und Intergeschlechtlichkeiten. Begleitmaterial zur Interministeriellen Arbeitsgruppe Inter- & Transsexualität, Bd. 1. Verfügbar unter https://www.bmfsfj.de/ blob/93956/ba3f7d5070103da9f2b62d08b23b2bac/imagband-1-gutachten-begrifflichkeiten-data.pdf Churcher Clarke, A. & Spiliadis, A. (2019). „Taking the lid off the box“: The value of extended clinical assessment for adolescents presenting with gender identity difficulties. Clinical Child Psychology and Psychiatry 24, 338–352. Cohen-Kettenis, P. T., Delmarre-van der Waal, H. A. & Gooren, L. J. G. (2008). The treatment of adolescent transsexuals: Changing insights. Journal of Sexual Medicine, 5, 1892–1897. Coleman, E., Bockting, W., Botzer, M., Cohen-Kettenis, P. T., DeCuypere, G., Feldman, J. et al. (2012). Standards of care, for health of transsexuals, transgender, and gender nonconforming people. International Journal of Transgenderism, 13, 165–232. Collier, K. L., van Beusekom, G., Bos, H. M. W. & Sandfort, T. G. M. (2013). Sexual orientation and gender identity/expression related peer victimization in adolescence: A systematic review of associated psychosocial and health outcomes. Journal of Sexual Research, 50, 299–317. Collin, L., Reisnner, S. L., Tangpricha, V. & Goodman, M. (2016). Prevalence of transgender depends on the „case“ definition: A systematic review. Journal of Sexual Medicine, 13, 613–626. De Graaf, N. M., Giovanardi, G., Zitz, C. & Carmichael, P. (2018). Sex ratio in children and adolescents referred to the Gender Identity Development Service in the UK (2009–2016). Archives of Sexual Behavior, 47, 1301–1304. Deutscher Ethikrat. (2020). Trans-Identität bei Kindern und Jugendlichen. Therapeutische Kontroversen-ethische Orientierungen. Ad-hoc-Empfehlungen. Verfügbar unter https://www. ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Ad-hoc-Empfehlungen/ deutsch/ad-hoc-empfehlung-trans-identitaet.pdf.
Literatur Aitken, M. A., Steensma, T. D., Blanchard, R., VanderLaan, D. P., Wood, H., Fuentes, A .et al. (2015). Evidence for an altered sex ratio in clinic-referred adolescents with gender dysphoria. Journal of Sexual Medicine, 12, 756–763.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 93–102
© 2020 Hogrefe
E. Strittmatter & M. Holtmann, Geschlechtsidentitäten im Wandel
101
de Vries, A. L. C., McGuire, J. K., Steensma, T. D., Wagenaar, E. C. F., Doreleijers, T. A. H. & Cohen-Kettenis, P. T. (2014). Young adult psychological outcome after puberty suppression and gender reassignment. Pediatrics 134, 696–704. Di Ceglie, D. (2009). Engaging young people with atypical gender identity development in therapeutic work: A developmental approach. Journal of Child Psychotherapy, 35, 3–12. Drescher, J., Cohen-Kettenis, P. T. & Reed, G. M. (2016). Gender incongruence of childhood in the ICD-11: Controversies, proposal, and rational. Lancet Psychiatry, 3, 297–304. Drescher, .J, Cohen-Kettenis, P. & Winter, S. (2012). Minding the body: Situating gender identity diagnosis in the ICD-11. International Review of Psychiatry, 24, 568–577. Drummond, K. D., Bradley, S. J., Peterson-Badali, M. & Zucker, K. J. (2008). A follow-up study of girls with gender identity disorder. Developmental Psychology, 44, 34–45. Durwood, L., McLaughlin, K. A. & Olson, K. R. (2017). Mental health and self-worth in socially transitioned transgender youth. Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 56, 116–123.e2. European Union Agency for Fundamental Rights. (2014). Being trans in the European Union. Comparative analysis of EU LGBT survey data. Verfügbar unter https://fra.europa.eu/en/publica tion/2014/being-trans-eu-comparative-analysis-eu-lgbt-sur vey-data Eyssel, J., Koehler, A., Dekker, A., Sehner, S. & Nieder, T. O. (2017). Needs and concerns of transgender individuals regarding interdisciplinary transgender healthcare: A non-clinical online survey. PLoS ONE, 12, e0183014. Grant, J. M., Mottet, L. A., Tanis, J., Harrison, J., Herman, J. L. & Keisling, M. (2011). Injustice at every turn: A report of the national transgender discrimination survey. Washington: National Center for Transgender Equality and National Gay and Lesbian Task Force. Güldenring, A. (2009). Phasenspezifische Konfliktthemen eines transsexuellen Entwicklungsweges. Psychotherapie im Dialog, 10, 25–31. Güldenring, A. (2015). A critical view of transgender health care in Germany: Psychopathologizing gender identity – Symptom of „disordered“ psychiatric/psychological diagnostics? International Review of Psychiatry, 27, 427–434. Güldenring, A. & Sauer, A. (2017). Trans*…. inklusiv? Geschlechtsidentitäten in Medizin, Recht und Gesellschaft. In E. Diehl (Hrsg.), Teilhabe für alle?! Lebensrealitäten zwischen Diskriminierung und Partizipation (S. 231–257). Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. Hahne, A. & Stern, K. (2019). Trans*Körper*Wahrnehmung. Körperpraktische Methoden als Ergänzung zu Gesprächstherapie und Beratung. In M. N. Appenroth & M. do Mar Castro Varela (Hrsg.), Trans & Care. Trans Personen zwischen Selbstsorge, Fürsorge und Versorgung (S. 241–254). Bielefeld: Transcript. Hamm, J. & Sauer, A. (2014). Perspektivenwechsel: Vorschläge für eine menschenrechts- und bedürfnisorientierte Trans*-Gesundheitsversorgung. Zeitschrift für Sexualforschung, 27, 4–30. Hummel, K. (2019). Einmal Mann sein, bitte. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. 8. Dezember 2019, Nr. 49, S. 11–12. Kaltiala-Heino, R., Sumia, M., Työläjärvi, M. & Lindberg, N. (2015). Two years of gender identity service for minors: Overrepresentation of natal girls with severe problems in adolescent development. Child and Adolescent Psychiatry and Mental Health, 9, 1–9. Kessler, S. J. & McKenna, W. (1978). Gender – an ethnomethological approach. New York: University of Chicago Press. Köhler, A., Stern, K., Eyssel, J. & Nieder, T. O. (2019). Zur Zweigeschlechtlichkeit und darüber hinaus. Identitäten, Körper und Behandlungsanliegen von trans Personen. Persönlichkeitsstörungen, 23, 101–113.
Korte, A., Beier, K. M. & Bosinski, H. A. G. (2016). Behandlung von Geschlechtsidentitätsstörungen (Geschlechtsdysphorie) im Kindes- und Jugendalter – Ausgangsoffene psychotherapeutische Begleitung oder frühzeitige Festlegung und Weichenstellung durch Einleiten einer hormonellen Therapie? Sexuologie, 23, 117–132. Kuyper, L. & Wijsen, C. (2014). Gender identities and gender dysphoria in the Netherlands. Archives of Sexual Behavior, 43, 377–385. Littman, L. (2018). Parent reports of adolescents and young adults perceived to show signs of a rapid onset of gender dysphoria. PLoS ONE, 13, e0202330 (Correction in: PLoS ONE [2019] 14, e0214157). Louis, C. (2020). Emma Dossier (Sie Er Ich. Einfach das Geschlecht wechseln? Was richten wir da an? Interview mit A. Korte). Emma, Januar/Februar 2020, S. 50–61. MaLisa Stiftung. (2019). Weibliche Selbst-Inszenierung in den neuen Medien. Geschlechterdarstellungen auf YouTube, Instagram und in Musikvideos. Verfügbar unter https://malisastif tung.org/geschlechterdarstellung-neue-medien/ Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. (2015). JIMStudie 2015. Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Verfügbar unter https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/2015/ Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (2009). Grundlagen der Begutachtung – Begutachtungsanleitung – Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität. Verfügbar unter https://www.mds-ev.de/filead min/dokumente/Publikationen/GKV/Begutachtungsgrundla gen_GKV/07_RL_Transsex_2009.pdf, abgerufen 26.01.2020. Möller, B., Güldenring, A., Wiesemann, C. & Romer, G. (2018). Geschlechtsdysphorie im Kindes- und Jugendalter. Kinderanalyse, 26, 228–263. Nieder, T. O., Briken, P. & Güldenring, A. (2016). Geschlechtsinkongruenz, -dysphorie und Trans*-Gesundheit, InFo Neurologie & Psychiatrie, 18(12), 37–46. Nieder, T. O. & Richter-Appelt, H. (2011). Tertium non datur – either/ or reactions to transsexualism amongst health care professionals: The situation past and present, and its relevance to the future. Psychology and Sexuality, 2, 224–243. Preuss, W. F. (2019a). Geschlechtsdysphorie, Transidentität und Transsexualität im Kindes- und Jugendalter. Diagnostik, Psychotherapie und Indikationsstellungen für die hormonelle Behandlung (2. akt. Aufl.). München: Ernst Reinhardt Verlag. Preuss, W. F. (2019b). Trans*-Jugendliche brauchen Zeit, um Frauen und Männer zu werden. Drei Fallvignetten mit Anmerkungen zur Aufgabe der Psychotherapie bei transsexuellen Jugendlichen und Erwachsenen. Kinderanalyse, 27, 85–104. Queer Lexikon. (2020). Glossar. Verfügbar unter https://queer-lexikon.net/category/queer-lexikon/glossar Rauchfleisch, U. (2017). Transsexualität – Transidentität. Begutachtung, Begleitung, Therapie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Richards, C., Bouman, W. P., Seal, L., Barker, M. J., Nieder, T. O. & T’Sjoen, G. (2016). Non-binary or genderqueer genders. International Review of Psychiatry, 28, 95–102. Roberts, A. L., Rosario, M., Corliss, H. L., Koenen, K. C. & Austin, S. B. (2012). Childhood gender nonconformity: A risk indicator for childhood abuse and posttraumatic stress in youth. Pediatrics, 129, 410–417. Rosa, H. (2019). Das Gespräch: Lob der Unverfügbarkeit. Philosophie Magazin, 4, 68–73. Sauer, A., Güldenring, A. & Tuider, E. (2015). Queering Trans*-Gesundheit: Auf dem Weg zu einer individualisierten, menschenrechtskonformen Gesundheitsversorgung. In P. Kolip & K. Hurrelmann (Hrsg.), Handbuch Geschlecht und Gesundheit. Männer und Frauen im Vergleich (S. 420–432). Bern: Huber
© 2020 Hogrefe
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 93–102
102
E. Strittmatter & M. Holtmann, Geschlechtsidentitäten im Wandel
Schwarzer, A. (2020). Transsexualität 2020. Anpassung an die Rolle? Transsexualität 1984 Befreiung von der Rolle, Emma, Januar/Februar 2020, S. 6–7. Seiffge-Krenke, I. & Schmeck, K. (2019). Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik im Kindes- und Jugendalter: Befunde zur Beziehungs- und Strukturachse. Zeitschrift für Kinderund Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 47, 385–387. Seikowski, K., Gollek, S., Harth, W. & Reinhardt, M. (2008). Borderline-Persönlichkeitsstörungen und Transsexualität. Psychiatrische Praxis, 35, 135–141. Spiewak, M. (2018). Zwischen Kopf und Körper. Die Zeit, 48, S. 33–34. Steensma, T. D., Biemond, R., de Boer, F. & Cohen-Kettenis, P. T. (2011). Desisting and persisting gender dysphoria after childhood: A qualitative follow-up study. Clinical Child Psychology and Psychiatry, 16, 499–516. Steensma, T. D., Kreukels, B. P. C., de Vries, A. L. C. & Cohen-Kettenis, P. T. (2013). Gender identity development in adolescence. Hormones and Behavior, 64, 288–297. Strauss, B. M. & Nieder, T. O. (2014). Leitlinienentwicklung Geschlechtsdysphorie. Zeitschrift für Sexualforschung, 27, 1–3. Strittmatter, E. (2017). Multifamiliengruppen für transidente Kinder, Jugendliche und ihre Familien. In E. Asen & M. Scholz (Hrsg.), Handbuch der Multifamilientherapie (S. 123–133). Heidelberg: Carl-Auer. Tavistock and Portman NHS Foundation Trust. (2016). Gender Identity Development Service Statistics. Verfügbar unter https://tavistockandportman.nhs.uk/documents/408/gids-ser vi ce-statistics.pdf Treibel, A. (2000). Geschlecht als soziale Konstruktion: Ethnomethodologie und Feminismus. In A. Treibel (Hrsg.), Einführung in soziologische Theorien der Gegenwart (S. 133–153). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Valentine, S. E. & Shipherd, J. C. (2018). A systematic review of social stress and mental health among transgender and gender non-conforming people in the United States. Clinical Psychology Review, 66, 24–38. Vrouenraets, L. J., Fredriks, A. M., Hannema, S. E., Cohen-Kettenis, P. T. & de Vries, M. C. (2015). Early medical treatment of children
and adolescents with gender dysphoria: An empirical ethical study. Journal of Adolescent Health, 57, 367–373. Waddell, M. (1998). Inside lives: Psychoanalysis and the growth of personality. London: England Kranac Books. Wallien, M. S. C. & Cohen-Kettenis, P. T. (2008). Psychosexual outcome of gender-dysphoric children. Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 47, 1413–1423. Yogyakarta Principles. (2006). Principles on the application of international human rights law in relation to sexual orientation and gender identity. Verfügbar unter https://yogyakartaprinciples.org Zucker, K. J. (2017). Epidemiology of gender dysphoria and transgender identity. Sexual Health, 14, 404–411.
Interessenkonflikt Dr. Strittmatter leitet u. a. eine Trans-Ambulanz im Gesundheitszentrum Walstedde.
Dr. Esther Strittmatter Gesundheitszentrum Walstedde Tagesklinik GmbH Dorfstr. 9 48317 Drensteinfurt Deutschland esther.strittmatter@tagesklinik-walstedde.de
Prof. Dr. Dr. Martin Holtmann LWL-Universitätsklinik Hamm der Ruhr-Universität Bochum Heithofer Allee 64 59071 Hamm Deutschland martin.holtmann@lwl.org
Anzeige
AGNP-Psychopharmakologie-Tage 19. – 20. Juni 2020, Mercure Hotel Moa Berlin
In diesem zweitägigen Intensivkurs wird sowohl Erwachsenen- als auch Kinder- und Jugendpschiatern sowie anderen interessierten Fachärzten und Psychologen von ausgewiesenen Experten ein umfassendes Wissen über alle Themen der Psychopharmakotherapie vermittelt. Der Kurs wird ohne Sponsoring der Pharmaindustrie veranstaltet. Die Kosten inklusiver einer Bewirtungspauschale betragen 300 € (270 € für AGNP-Mitglieder). Das Programm finden Sie auf der Homepage der AGNP. Die Anmeldung erfolgt online unter www.agnp.de
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 93–102
© 2020 Hogrefe
Original Article
Case-control study of the low intensive autism-specific early behavioral intervention A-FFIP: Outcome after one year Janina Kitzerow1, Karoline Teufel1, Katrin Jensen2, Christian Wilker1, and Christine M. Freitag1 1
2
Department of Child and Adolescent Psychiatry, Psychosomatics and Psychotherapy, Autism Research and Intervention Center of Excellence Frankfurt, Goethe University Frankfurt am Main, Germany Institute of Medical Biometry and Informatics, University of Heidelberg, Germany
Abstracts: Objective: In current international research, early intervention in children with autism-spectrum disorder (ASD) focuses on naturalistic developmental behavioral interventions (NDBI). The manualized Frankfurt Early Intervention Program for preschool-aged children with ASD (A-FFIP) implements NDBI principles within a low-intensity approach of 2 h intervention/week. The present case-control study established effect sizes of change in autistic symptoms, comorbid behavioral problems as well as IQ after one year. Methodology: An intervention group (N = 20; age: 3.4–7.9 years) and a treatment-as-usual control group (N = 20; age: 3.2–7.3 years) of children with ASD were matched for developmental and chronological age. The outcome measures used were the ADOS severity score, the Child Behavior Checklist, and cognitive development. Results: After one year, the A-FFIP group showed a trend towards greater improvement in autistic symptoms (η2 = .087 [95 %-CI: .000–.159]) and significantly greater improvements in cognitive development (η2 = .206 [CI: .012–.252]) and global psychopathology (η2 = .144 [CI: .001–.205]) compared to the control group. Conclusion: The efficacy of A-FFIP should be established in a larger, sufficiently powered, randomized controlled study. Keywords: ASD, autism, early intervention, NDBI, A-FFIP
Autismus-spezifische, verhaltenstherapeutische Frühintervention (A-FFIP): Ergebnisse einer Fall-Kontroll-Studie nach einem Jahr Zusammenfassung: Fragestellung: Frühförderansätze für Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS), die entwicklungsorientiert vorgehen und verhaltenstherapeutische Techniken in der natürlichen Lernumgebung des Kindes einsetzen, stehen aktuell im Zentrum internationaler Forschung. Das manualisierte Frankfurter Frühinterventionsprogramm für Vorschulkinder mit ASS (A-FFIP) arbeitet mit diesen Grundsätzen im Rahmen einer niederfrequenten Förderung von 2 Stunden/Woche. In der vorliegenden Fall-Kontroll-Studie werden Effektgrößen bezüglich der Entwicklung der autistischen Symptomatik, komorbider Verhaltensprobleme sowie IQ nach 1-jähriger A-FFIP Förderdauer im Vergleich zur Standardbehandlung beschrieben. Methodik: Therapie- (N = 20; Alter 3.4–7.9 Jahre) und Kontrollgruppe (N = 20; Alter 3.2–7.3 Jahre), die die ortsübliche Intervention erhielt, waren zu Beginn der Intervention bezüglich Entwicklungsalter und Alter gematcht. Untersuchte Zielgrößen waren der ADOS-Schweregradindex, die Child Behavior Checklist und die kognitive Entwicklung. Ergebnisse: Nach 1-jähriger Förderung zeigte die A-FFIP-Gruppe einen Trend zu einer stärkeren Verbesserung der autistischen Symptomatik (η2 = .087 [CI: .000–.159]), sowie eine stärkere Verbesserung der kognitiven Entwicklung (η2 = .206 [CI: .012–.252]) und globalen Psychopathologie (η2 = .144 [CI: .001–.205]) als die Kontrollgruppe mit jeweils mittleren bis hohen Effektgrößen. Schlussfolgerung: A-FFIP sollte bezüglich seiner Effektivität in einer größeren randomisiert-kontrollierten Studie mit ausreichender Teststärke untersucht werden. Schlüsselwörter: ASS, Autismus, Frühförderung, NDBI, A-FFIP
Introduction Rising prevalence rates of autism spectrum disorder (ASD) have led to a growing number of intervention programs (Elsabbagh et al., 2012). Several early-intervention programs for toddlers and preschool-aged children with ASD © 2019 Hogrefe
have been developed and studied predominantly in the US and the UK (Murza et al., 2016; Oono et al., 2013; Reichow et al., 2012; Weitlauf et al., 2014). Early intervention programs differ greatly regarding the underlying theoretical concept (behavioral, discrete trial, naturalistic, developmental, or combined), use of evidence-based methods, set-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 103–112 https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000661
104
J. Kitzerow et al., One-Year Outcome of Autism Early Intervention by A-FFIP
ting (home, center-based), intensity (weekly treatment hours, duration), and the degree of therapist and parental involvement (therapist-delivered, therapist-supported, parent-delivered, parent-supported, or a combination thereof). So-called naturalistic developmental behavioral interventions (NDBI) represent the current state of the art (Schreibman et al., 2015). NDBIs are implemented in natural settings, involve shared control between child and therapist, utilize natural contingencies, and use a variety of behavioral strategies to teach developmentally appropriate and prerequisite skills. NDBIs can be differentiated in comprehensive (such as the Early Start Denver Model, ESDM; Rogers & Dawson 2010) and target-focused programs (such as the Preschool Autism Communication Trial, PACT; Green et al., 2010). Targeted programs are designed to address the core symptoms of autism by teaching specific, early, nonverbal social communication and learning skills, which are impaired in children with ASD. This includes social reciprocity, joint attention, and imitation. The intensity of these programs is generally low. Some of these programs also address parent-child interactions and are provided as parent-delivered programs. Improvements have been shown for parent-child interaction (Green et al., 2010), language outcome (Kasari et al., 2012), and autism core deficits (Pickles et al., 2016). Comprehensive programs in turn address developmental areas and outcomes, and therefore are often designed to be applied at a higher intensity, between 25 to 40 hours per week (Reichow et al., 2012). Positive treatment outcomes have been found mainly for IQ , adaptive behavior, and language development, whereas improvement of autism-specific symptoms has rarely been reported for intensive NDBI programs of high methodological quality (Dawson et al., 2010; Reichow, 2012; Warren et al., 2011). Highly intensive programs are expensive and are available for only a small number of children and their families. Several authors have emphasized the need for comprehensive but low-intensive programs that can be implemented in community settings and provided through public social and health services (Colombi et al., 2018; Dawson & Bernier, 2013; Kaale et al., 2014; Vismara et al., 2009). Recently, the comprehensive ESDM program, originally conceptualized and evaluated with high weekly intensity (15 h/week therapist-delivered and additional 16 h/week parent-delivered; Dawson et al., 2010) was applied in different community settings at a far lower intensity (3–6 h/week; therapist-delivered). These first low-intensity studies with a comprehensive NBDI approach showed promising results regarding gains in cognitive and adaptive skills (Colombi et al., 2018; Devescovi et al., 2016), comparable to more intensive approaches. Yet improvement of core autism symptoms failed to appear. Additional research focusing on improving
autistic symptoms via low-intensity comprehensive programs is thus needed to ultimately increase the availability of evidence-based, autism-specific interventions through the public healthcare system for all children with ASD. Germany provides approximately 2–5 hours per week of early intervention via public social and healthcare services. Unfortunately, most currently available interventions are not autism-specific, and only 35 % of the children with ASD actually receive behavioral or developmentally based early intervention (Salomone et al., 2015). To improve the standard of care, we developed a comprehensive NDBI, namely, the Frankfurt Early Intervention Program (AFFIP; Teufel et al., 2017), which corresponds to the needs of the German welfare system (Weinmann et al., 2009). The A-FFIP is manualized as a comprehensive, low-intensity program (2 h/week over 2–3 years) and contains the above-mentioned evidence-based elements and methods, thus qualifying it as NDBI (Schreibman et al., 2015). More Information about the program contents and tasks is provided in the Supplementary Material Section. Using A-FFIP, a small one-year pre-post study (Freitag et al., 2012; Kitzerow et al., 2014; Kitzerow et al., 2016) observed medium-to-large improvements in language and cognitive abilities as well as adaptive behavior and autism-specific symptoms. A strong limitation of these first publications, however, was the lack of a control group. The current study describes the effects of one-year intervention by A-FFIP compared to a treatment-as-usual clinical control group on autistic symptoms, comorbid psychopathology, and cognitive development in preschool-aged children with ASD.
Methods Study Design Group enrolment was based on waiting-list contingencies and place of residence. All families who lived in the residential area were offered a waiting-list placement for A-FFIP after ASD diagnosis. A-FFIP intervention was offered according to the position on the waiting list, and all children were successively included into the intervention group. All preschool-aged children who received A-FFIP at the Autism Research and Intervention Center of Excellence in Frankfurt during the study were enrolled if parents were willing to participate in the study. The baseline assessment (T1) was done within 6 weeks prior to the start of the intervention, and the follow-up assessments (T2) took place after one year (M = 12.7 month; SD = 1.0). Children of families who lived too far away, who had to wait longer than 12 months for A-FFIP, or who chose to do
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 103–112
© 2019 Hogrefe
J. Kitzerow et al., One-Year Outcome of Autism Early Intervention by A-FFIP
another intervention were offered participation in the control group. Children were included once all baseline assessments had been conducted within 3 months after diagnosis, when the families did not receive A-FFIP within the following 12 months, and when the families participated in the follow-up assessments (T2), which took place after one year (M = 12.7 month; SD = 1.9). All assessments were done by researchers not involved in the child’s therapy. The allocation of the intervention was independent of study participation. The study design was approved by the local Ethics Committee of the Medical Faculty at JW Goethe University Frankfurt. All parents gave written informed consent to participate with their child in the study.
105
treatable by antiepileptic therapy, other chronic neurological and motor disorders, severe psychosocial deprivation, insufficient care by parents, attachment disorder, and institutional upbringing. At baseline, the groups did not differ regarding autism symptom severity, chronological or developmental age, or for any other outcome measure. More details are shown in Table 1. In the A-FFIP group, 4 children received psychotropic medication during the course of the study (Abilify, risperidone). To exclude confounding by medication, we did additional sensitivity analyses on the group without psychotropic medication only. At baseline all children went to kindergarten, and some children received part-time individual support not specialized in ASD.
Participant Characteristics The study group consisted of 38 male and 2 female children (5 %; both in the A-FFIP group) with ASD diagnosed according to ICD-10 criteria by an experienced clinician, based on the information by the parents in the Autism Diagnostic Interview-revised (ADI-R; Bölte et al., 2006) and direct observation by the Autism Diagnostic Observation Schedule (ADOS; Rühl et al., 2004). The A-FFIP group comprised 15 children (75 %) diagnosed with autism, 2 (10 %) with atypical autism, and 3 (15 %) showed Asperger syndrome according to ICD-10 criteria. The TAU group had 12 children (60 %) diagnosed with autism, 2 (10 %) with atypical autism, and 6 children (30 %) showed Asperger syndrome according to ICD-10 criteria. Children with a developmental or intelligence quotient (EQ /IQ ) < 35 or with a mental age < 18 months were excluded from the study. Other exclusion criteria were severe sensory impairments, cerebral palsy, epileptic seizures un-
Intervention The Frankfurt Early Intervention Program (A-FFIP) is an individualized developmental behavioral and naturalistic approach with low intervention frequency (2 h/week) and intensive parental and kindergarten involvement (Teufel et al., 2017). Children included in the current study received a mean of 1.1 h/week (SD = 0.3) A-FFIP in an outpatient setting over 12 months (total hours mean = 57.9 h/ year; SD = 16.1). Because of holidays, illness, and other individual factors, the actual intervention intensity was lower than the planned maximum intensity (like comparable interventions, e. g., ESDM, Dawson et al., 2010). More detailed baseline data are provided in Table 1. Children in the control group received treatment as usual representative of a German sample (Salomone et al., 2015). Thereof, 10 children (50 %) received an ASD-specific intervention with varying intensity from 0.5 to 10 h/
Table 1. Baseline sample characteristics for the intervention and control group. A-FFIP (N = 20) Mean
SD
Range
TAU (N = 20) Mean
SD
p
Range
Age at study entry
5.5
1.5
3.4–7.9
5.0
1.2
3.2–7.3
.350
Developmental age
4.1
1.9
1.6–8.2
4.2
1.8
1.6–8.2
.715
71.7
25.2
37.3–115
81.6
23.7
47.5–134
.213
ADOS severity score
7.3
1.4
5–10
6.5
1.8
4–10
.118
Autism-specific weekly intervention hours
1.1
0.3
0.6–1.7
2.1
2.8
0.5–10
.740
Additional weekly therapy hours*
0.9
0.9
0–3
1.5
0.9
0–3
.029
Developmental quotient
Note. ADOS: Autism Diagnostic Observation Schedule; A-FFIP: Frankfurt Early Intervention Program; TAU: treatment as usual; *such as general (not ASDspecific) early intervention, occupational therapy, speech, and language therapy.
© 2019 Hogrefe
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 103–112
106
J. Kitzerow et al., One-Year Outcome of Autism Early Intervention by A-FFIP
week (M = 2.1; SD = 2.8). These interventions were based on applied behavior analyses (ABA) approaches (30 %), TEACCH- (30 %), social skills training (10 %), or undefined (30 %).
Instruments The Autism Diagnostic Interview–Revised (ADI-R; Bölte et al., 2006; Lord et al., 1994) is a semistructured parent interview that assesses autism symptoms across three domains: social relatedness, communication, and repetitive, restricted behaviors. Together with the Autism Diagnostic Observation Schedule (ADOS; Lord et al. 1999; Rühl et al., 2004) it is considered the gold standard of autism diagnosis (Falkmer et al., 2013). The ADOS is a semistructured standardized observation that measures autism symptoms in social relatedness, communication, play, and repetitive behaviors. Here, we used modules 1 to 3, depending on the respective child’s language development. The ADOS severity score (Gotham et al., 2009) was calculated to achieve comparability across the different modules. Double coding of 11 ADOS videos (14.1 %) showed satisfying interrater reliabilities. The intraclass correlations (ICC) of the ADOS algorithm domain scores were all comparable to the interrater reliabilities from the original German ADOS norming study (Rühl et al., 2004): Communication ICC = .86; Socialization ICC = .91; Stereotyped behavior ICC = .81. The interrater reliability of the ADOS severity score showed an ICC = .89. The Social Responsiveness Scale (SRS; Bölte & Poustka 2008) is a 65-item parent rating scale (coded on a 4-point Likert scale) on social responsiveness over the previous 6 months. The Social Communication Questionnaire (SCQ ; Bölte & Poustka 2006) is a 40-item parent-report screening questionnaire (with yes/no coding) for autism based on the ADI-R. Here, we implemented the “current behavior” version. Developmental age (DA) was assessed either by the cognitive scale of the Bayley Scales II (Bayley-II; Reuner et al., 2008) in children with a mental age below 30 months; or by the Snijders-Oomen Nonverbal Intelligence Test 2 ½–7 (SON-R; Tellegen et al., 2007). A developmental quotient (DQ ) from the Bayley-II was calculated as follows: DQ = DA/CA × 100. The parent rating form of the Vineland Adaptive Behavior Scales II (VABS-II; Sparrow et al., 2005) is a standardized adaptive behavior questionnaire that assesses the child’s development of personal independence and social responsibility by gathering information about day-to-day activities. American norms were used to calculate the level of adaptive functioning.
The Aberrant Behavior Checklist (ABC; Aman et al. 1985) is a 58-item parent questionnaire on problematic behavior in children with disabilities. Psychiatric symptoms in different domains were assessed with the German version of the Child Behavior Checklist (CBCL 1 ½–5; Achenbach 2002; CBCL 4-18; Achenbach 1998). The CBCL is a widely used parent report assessing global psychopathology and behavioral problems (Berubé, 2010). Here, we compared the total Tscore and the second-order T-scores assessing internalizing and externalizing psychopathology.
Statistics We calculated the interrater reliability of the ADOS severity score using intraclass correlation coefficients from the SPSS model for one-way random single measures (IBM Statistics 22). All other statistical analyses described below were conducted by SAS version 9.4 (SAS Institute Cary, NC, USA). Baseline differences between groups were compared by the Wilcoxon rank-sum test (two-sided). The diagnostic categories between groups were compared by χ2-test. Group x Time interaction effects were calculated by repeated measures analyses of variance (ANOVA with repeated measures). Ftest statistic, p-value, partial η2, and its 95 % confidence intervals are reported in the text. Additional results and parameters are provided in the supplementary materials. Missing data were not replaced. No correction for multiple testing was done as the current study aimed at describing effect sizes in an exploratory way. p-values and 95 %-confidence intervals of effect sizes are reported descriptively.
Results Figures 1, 2, and 3 show the results of ADOS, IQ , and CBCL development of both groups over time. Table A in the supplementary material displays the complete data of the one-year outcome, by group, within-group change scores relative to baseline, and the group comparisons for all relevant measures.
Autism-Specific Development A trend for a Group × Time interaction with a medium effect size was found for the ADOS severity score (F = 3.44; p = .072; η2 = .087 [CI: .000–.159], for the group without medication (nonmed group): F = 5.29; p = .028; η2 = .142 [CI: .000–.211]). The A-FFIP group lost M = –1.3 points (SD = 1.6), the TAU group M = –0.2 (SD = 2.0).
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 103–112
© 2019 Hogrefe
J. Kitzerow et al., One-Year Outcome of Autism Early Intervention by A-FFIP
107
Parents similarly described a trend for change in the SRS social motivation subscale with a medium effect size (Group × Time F = 3.10; p = .087; η2 = .081 [CI: .000–.154]; for the nonmed group: F = 1.99; p = .168; η2 = .059 [CI: .000–.141]). The A-FFIP group lost M = –8.9 points (SD = 11.6), TAU lost M = –1.95 (SD = 12.6). The subscale social interaction of the SCQ parent questionnaire also showed a trend for a Group × Time interaction with a medium effect size (F = 3.49; p = .071; η2 = .096 [CI: .000–.166]; for the nonmed group: F = 2.47; p = .126; η2 = .076 [CI: .000–.157]). The A-FFIP group lost M = –1.6 points (SD = 3.6), whereas the mean of the TAU group increased slightly (M = 0.4; SD = 2.7). Figure 1. Development of the ADOS severity score for the intervention and the control group after one year.
Adaptive Functioning A trend for a Group × Time interaction with a medium effect size was found for adaptive behavior in the subscale daily living (F = 2.87; p = .099; η2 =.072 [CI: .000–.148]; for the nonmed group: F = 2.33; p = .137; η2 = .066 [CI: .000– .149]). The A-FFIP group gained M = 3.2 points (SD = 9.8), while TAU lost M = –4.1 points (SD = 16.2).
Cognitive Development
Figure 2. Cognitive development for the intervention and the control group after one year. Developmental or intelligence quotient was assessed with the Bayley scales-II or with the SON-R 2 ½–7.
A significant Group × Time interaction was observed for the developmental quotient with a high effect size in favor of the A-FFIP group (F = 9.6; p = .004; η2 = .206 [CI: .012– .252]; for the nonmed group: F = 8.25; p = .007; η2 = .200 [CI: .008–.255]). Children in the A-FFIP group gained on average 12.1 points (SD = 10.7) in age-standardized cognitive development, while children in the TAU group gained M = 1.5 points (SD = 10.6).
Additional Psychopathology
Figure 3. Development of the Child Behavior Checklist (CBCL, parent rating) total t-scores for the intervention and the control group after one year.
© 2019 Hogrefe
No Group × Time interaction was found for any parentrated ABC subscales. A significant Group x Time interaction with a high effect size was observed regarding the parent-rated CBCL total score (F = 5.88; p = .020; η2 = .144 [CI: .001–.205]; for the nonmed group: F = 5.21; p = .029; η2 = .144 [CI: .000–.212]). The A-FFIP group lost M = –2.7 points (SD = 6.3) on the total score, while children in the TAU group showed increased psychopathology compared to baseline (M = 3.6; SD = 9.2). On the internalizing subscale, which comprises many ASD-specific behaviors like anxiousness, being withdrawn, and social problems, a trend for a Group × Time interaction with a medium effect size was found (F = 3.02; p = .091; η2 = .079 [CI: .000–.153]; for the nonmed group:
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 103–112
108
J. Kitzerow et al., One-Year Outcome of Autism Early Intervention by A-FFIP
F = 1.81; p = .188; η2 = .055 [CI: .000–.138]). The A-FFIP group lost M = –3.6 points (SD = 5.1), while TAU lost M = –0.6 (SD = 5.4).
Discussion A-FFIP was developed as a comprehensive, individualized and cost-effective low intensity NDBI based on the empirical findings of different naturalistic and developmentally based learning approaches (Schreibman et al., 2015). Most early intervention programs with an NDBI approach are either comprehensive with a high intensity (such as ESDM; Dawson et al., 2010) or targeted with a low intensity (such as PACT; Green et al., 2010). A-FFIP is one of the first programs to be conceptualized and manualized as both comprehensive (by addressing five developmental domains and six basic core abilities) and low intensive (intensity of 2 hours per week center-based intervention). Here, we report for the first time the oneyear effect sizes based on a clinical trial with a matched, but not randomized control group. Medium effects, albeit not reaching significance, were achieved regarding different measures of autism symptom severity by A-FFIP compared to TAU. The absolute change of the ADOS severity score in the A-FFIP group is comparable to the change induced by the targeted low-intensity (weekly sessions over 6 months, followed by monthly sessions over 6 months) parent-mediated (20–30 min daily practice) PACT trial with children of the same age (Pickles et al., 2016). Children in the PACT treatment group also lost a mean of 1.3 points (SD = not available [NA]) in the ADOS severity score after one year of parent-child interaction and communication training. For the comprehensive ESDM approach with younger children implementing high intensity (15 h/week therapist-delivered and 16 h/week parent-delivered), also only a trend for a Group × Time interaction (no effect size reported) regarding the ADOS severity score was reported in favor for the intervention group, which lost a mean of 0.7 points (SD = NA), while the value of the control group increased by a mean of 0.4 points (SD = NA) after one year (Dawson et al., 2010). When the ESDM approach was applied within a low-intensity setting (3 h/week) with younger children, no significant changes were found, and again no effect sizes of the ADOS severity score after 15 months were reported (Devescovi et al., 2016). Most other NDBIs assessed the change of autism-related variables such as joint attention, symbolic play, joint engagement, or imitation (Ingersoll et al., 2012; Kaale et al., 2012; Kasari et al., 2006; Kasari et al., 2015) but did not use a global outcome measure like the ADOS. When the ADOS was done in NDBI studies, the
reported outcome was either a change in diagnostic categories (Solomon et al., 2014) or in domain scores (Wetherby et al., 2014), but not in the ADOS severity score. In EIBI studies of higher quality, the ADOS was also not used as an outcome measure (Reichow et al., 2012). Taken together, the effect size as well as the absolute change in autistic symptoms achieved by A-FFIP is comparable to the parent-child interaction training PACT as well as the highintensity ESDM approach – but did not achieve significance because of the low power and limited sample size of the present study. In addition, the A-FFIP showed a large effect size on cognitive development with a mean improvement of 12.1 points (SD = 10.7) compared to a mean improvement of 1.5 points (SD = 10.6) by TAU after one year. Although no significant baseline differences, because of high variance between the groups were found, the TAU group started at a descriptively higher DQ /IQ level, and after one year, no differences between A-FFIP and TAU (mean IQ of both groups in the low average IQ range around 80 [SD = 25.8– 27.7]) were observed. Similar gains in IQ were reported by high-intensity interventions after one to three years (~11– 15 points; SD = NA; Dawson et al., 2010; Reichow et al., 2012). But in these studies, the investigated groups started with (descriptively) more comparable baseline scores. Thus, for the present study, it remains unclear whether the group differences regarding cognitive development might result from ceiling effects in the control group or selection bias. Therefore, the present IQ results should be interpreted with caution. Only small, negligible effects were found for change in adaptive behavior after one year. Change in adaptive behavior in previous early intervention studies was also highly variable after one year of intervention, possibly because of different characteristics of the included children regarding age, mental abilities, and adaptive behavior at baseline (Reichow et al., 2012; Warren et al., 2011; Weitlauf et al., 2014), or the psychometric properties of the implemented measures. In the original ESDM study, which included younger children than the present study, the VABS scores decreased on all subscales in both groups, except the communication subscale, and there was no Group × Time effect after one year, similar to our study (Dawson et al., 2010). In a less intensive ESDM-based approach with slightly younger children than A-FFIP at start of intervention, although the scores of all VABS subscales increased, no significant Group × Time interaction was found after 6 months (Colombi et al., 2018). Most of the targeted approaches did not study adaptive behavior as outcome. Interestingly, the A-FFIP group showed a significant decrease with a large effect size of additional parent-rated psychopathology indicated by the CBCL total score. Especially a reduction of internalizing psychopathology
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 103–112
© 2019 Hogrefe
J. Kitzerow et al., One-Year Outcome of Autism Early Intervention by A-FFIP
seems to underlie this finding. Other studies on early intervention did not assess psychopathology beyond core ASD symptoms, so that results cannot be compared. It is likely that the same A-FFIP ingredients increasing social motivation may also lead to a reduction of internalizing psychopathology. A-FFIP as a NDBI contains several natural learning program ingredients, but it does not implement as intensively as ESDM the classical discrete trial methods – and it focuses on a far broader range of developmental areas than the targeted programs. The following A-FFIP characteristics may have led to improvement of core autism symptoms, reduction of internalizing behavior, and cognitive gains: By therapist-delivered intervention, the children showed gains in basic nonverbal and learning skills in a broad range of areas impaired in ASD (attentional control, joint attention, imitation, representation, planning, and self/other distinction). Generalization is supported by including parents in the therapeutic setting, teaching parents how to support the child using the acquired skills at home, and by supporting a positive parent-child interaction. Targeted early intervention studies showed that teaching the core basic abilities included in A-FFIP leads to improvement in exactly these core abilities, for example, joint attention (Murza et al., 2016). Also, an increase in more distant abilities, occurring later in development, and a positive parent-child interaction are achieved by these methods (Kasari et al., 2008, 2012; Pickles et al., 2016; Solomon et al., 2014). For example, a joint attention and play intervention resulted in improved language scores one year later (Kasari et al., 2008, 2012). Similarly, in intervention studies resulting in improvement of the targeted parent-child interaction and communication, distant gains such as improvement of autistic symptoms (Green et al., 2010) or the global functional level (Solomon et al., 2014) were reported. In addition, AFFIP works with natural reinforcement as well as taking on the child’s interests, which likely leads to an increase in social motivation. Thus, core ASD symptoms as well as cognitive abilities may improve because the children themselves become interested in social interaction, play, and other aspects of their environment, which may enable them to acquire new skills independently of the intervention. In addition, the inclusion of parents into the therapist-child training session and the psychoeducation of the parents as well as kindergarten teachers may support the generalization of skills.
Limitations We observed a high variability in all outcome measures at baseline and after one year, which – despite the observed medium effect sizes – resulted only in trends, but no nomi© 2019 Hogrefe
109
nally significant findings of improvement of ASD symptoms by A-FFIP. A high variability in outcomes has been observed in almost all intervention studies in ASD (Reichow et al., 2012; Weitlauf et al., 2014). In the intervention group, four children received psychotropic medication. Sensitivity analyses in the nonmedicated sample resulted in comparable effect sizes to the “whole-group-results” regarding ADOS, IQ , CBCL, and ABC, but smaller effect sizes in the parent questionnaires SRS and SCQ. Thus, core behavioral and cognitive changes were overall stable, and confounding by medication can be excluded. Still, further large, well-powered studies should assess the role of medication on intervention outcome by moderator analysis. In addition, we did not perform randomization for group allocation. Still, both groups were matched regarding chronological and developmental age at start of the study, and the children represent a standard community sample. In order to plan and perform large-scale phase-III efficacy studies of a new intervention, we would need field-tested, nonrandomized and randomized studies with small sample sizes as a necessary first step (Lord et al., 2005; Rogers & Vismara 2008). A-FFIP was conceptualized as a low-intensity and comprehensive intervention for preschool-aged children with ASD within the German welfare context. The current approach was compared to TAU in Germany, which also is mostly low intensive, but largely not ASD-specific. To examine whether low-intensity approaches such as A-FFIP are comparable to more intensive and ASD-targeted approaches, future studies need to specially focus on this important research question. In the present study, the ratio of females/males was lower than that reported in epidemiological studies. Because the current study recruitment was naturalistic by waitinglist placement, no children were excluded from treatment because of their characteristics or sex. Gender ratios vary a lot between different intervention studies, and a similar overrepresentation of males has been reported elsewhere (Reichow, 2012; Rogers & Vismara, 2008). The ADOS was chosen as outcome measure in order to objectively measure autistic symptoms in an observerblind fashion independent of parents, who are involved into the intervention and thus cannot be blinded. The ADOS, however, was not designed to measure change in autism-specific symptoms over time and thus shows a low sensitivity for change. Using a more appropriate instrument might have led to detecting larger and more subtle changes in autistic symptoms (McConachie et al., 2015). Future studies should take more sensitive instruments into consideration, for example, the BOSCC (Grzadzinski et al., 2016; Kitzerow et al., 2016), which was not available when the current study was being planned.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 103–112
110
J. Kitzerow et al., One-Year Outcome of Autism Early Intervention by A-FFIP
Conclusion This exploratory case-control study reports medium to high effect sizes of change in various outcome measures for children in a one-year A-FFIP intervention compared to a nonrandomized TAU control group. A-FFIP is a therapist-mediated, low-intensity (2 h/week), manualized comprehensive program that implements evidence-based developmental and behavioral techniques and involves parents into the intervention. The study emphasizes the important role of NDBI approaches in the early intervention of ASD and fuels the debate on necessary treatment intensity. The program is feasible for children, parents, and therapists, and it has been established within a given care environment for preschool-aged children. A sufficiently powered, randomized controlled trial needs to be done to establish efficacy and to replicate the preliminary findings of the present study.
Electronic Supplementary Material The electronic supplementary material (ESM) is available with the online version of the article https://doi.org/10.102 4/1422-4917/a000661. ESM 1. List. Detailed description of the Frankfurt early intervention program (A-FFIP). ESM 2. Table. One-year outcomes. ESM 3. Tables. Full model information of all ANOVAs from the complete sample (N = 2 × 20). ESM 4. Figures and Tables. Data and graphics for the nonmedicated subgroup.
References Achenbach, T. M. (1998). Elternfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen; Deutsche Bearbeitung der Child Behavior Checklist (CBCL/4-18) [German version of the Child Behavior Checklist 4–18]. Köln: Arbeitsgruppe Kinder-, Jugendund Familiendiagnostik. Achenbach, T. M. (2002). Child Behavior Checklist 1 ½–5. Deutsche Fassung Elternfragebogen für Klein- und Vorschulkinder [German version of the Child Behavior Checklist 1 ½–5]. Köln: Arbeitsgruppe Kinder-, Jugend- und Familiendiagnostik. Aman, M. G., Singh, N. N., Steward, A. W., & Field, C. J. (1985). The aberrant Behavior Checklist: A behavior rating scale for the assessment of treatment effects. American Journal of Mental Deficiency, 89(5), 485–491. Berubé R. L., Achenbach T. M. (2010). Bibliography of published studies using the Achenbach System of Empirically Based As-
sessment: 2006 Edition. Burlington, VT: University of Vermont, Research Center for Children, Youth, & Families; 2010. Available online at www.ASEBA.org. Bölte, S., & Poustka, F. (2006). Fragebogen zur sozialen Kommunikation: Autismus Screening, FSK, Manual: Deutsche Fassung des Social Communication Questionnaire (SCQ) von Michael Rutter, Anthony Bailey und Catherine Lord [German version of the SCQ]. Bern: Huber. Bölte, S., & Poustka, F. (2008). Skala zur Erfassung sozialer Reaktivität: Dimensionale Autismus-Diagnostik. Deutsche Fassung der Social Responsiveness Scale (SRS) von N. Constantino und Christian P. Gruber [German version of the SRS]. Bern: Huber Hogrefe. Bölte, S., Rühl, D., Schmötzer, G., & Poustka, F. (2006). Diagnostisches Interview für Autismus – revidiert, ADI-R. Deutsche Fassung des Autism Diagnostic Interview–Revised (ADI-R) von Michael Rutter, Ann Le Couteur und Catherine Lord. Manual [German version of the ADI-R]. Bern: Huber Hogrefe. Colombi, C., Narzisi, A., Ruta, L., Cigala, V., Gagliano, A., Pioggia, G., … & Prima Pietra Team. (2018). Implementation of the Early Start Denver Model in an Italian community. Autism, 22, 126–133. Dawson, G., & Bernier, R. (2013). A quarter century of progress on the early detection and treatment of autism spectrum disorder. Development and Psychopathology, 25, 1455–1472. Dawson, G., Rogers, S., Munson, J., Smith, M., Winter, J., Greenson, J., et al. (2010). Randomized, controlled trial of an intervention for toddlers with autism: The Early Start Denver Model. Pediatrics, 125, e17. Devescovi, R., Monasta, L., Mancini, A., Bin, M., Vellante, V., Carrozzi, M., et al. (2016). Early diagnosis and Early Start Denver Model intervention in autism spectrum disorders delivered in an Italian Public Health System service. Neuropsychiatric Disease and Treatment, 12, 1379–1384. Elsabbagh, M., Bailey, A. J., Divan, G., Koh, Y.-J., Kim, Y. S., Kauchali, S., et al. (2012). Global prevalence of autism and other pervasive developmental disorders. Autism Research, 5, 160–179. Falkmer, T., Anderson, K., Falkmer, M., & Horlin, C. (2013). Diagnostic procedures in autism spectrum disorders: A systematic literature review. European Child and Adolescent Psychiatry, 22, 329–340. Freitag, C. M., Feineis-Matthews, S., Valerian, J., Teufel, K., & Wilker, C. (2012). The Frankfurt early-intervention program FFIP for preschool-aged children with autism spectrum disorder: A pilot study. Journal of Neural Transmission, 119, 1011–1021. Gotham, K., Pickles, A., & Lord, C. (2009). Standardizing ADOS scores for a measure of severity in autism spectrum disorders. Journal of Autism and Developmental Disorders, 39, 693–705. Green, J., Charman, T., McConachie, H., Aldred, C., Slonims, V., Howlin, P., et al. (2010). Parent-mediated communication-focussed treatment in children with autism (PACT): A randomised controlled trial. The Lancet, (375), 2152–2160. Grzadzinski, R., Carr, T., Colombi, C., McGuire, K., Dufek, S., Pickles, A., et al. (2016). Measuring changes in social communication behaviors: Preliminary development of the Brief Observation of Social Communication Change (BOSCC). Journal of Autism and Developmental Disorders, 46, 2464–2479. Ingersoll, B. (2012). Brief report: Effect of a focused imitation intervention on social functioning in children with autism. Journal of Autism and Developmental Disorders, 42, 1768–1773. Kaale, A., Fagerland, M. W., Martinsen, E. W., & Smith, L. (2014). Preschool-based social communication treatment for children with autism: 12-month follow-up of a randomized trial. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 53, 188–198.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 103–112
© 2019 Hogrefe
J. Kitzerow et al., One-Year Outcome of Autism Early Intervention by A-FFIP
Kaale, A., Smith, L., & Sponheim, E. (2012). A randomized controlled trial of preschool based joint attention intervention for children with autism. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 53, 97–105. Kasari, C., Freeman, S., & Paparella, T. (2006). Joint attention and symbolic play in young children with autism: a randomized controlled intervention study. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 47, 611–620. Kasari, C., Paparella, T., Freeman, S., Jahromi, L. B. (2008): Language outcome in autism: Randomized comparison of joint attention and play interventions. Journal of Consulting and Clinical Psychology 76, 125–137. doi: 10.1037/0022-0 06X.76.1.125. Kasari, C. Gulsrud, A. Freeman, S., Paparella, T., Hellemann, G. (2012): Longitudinal Follow-Up of Children With Autism Receiving Targeted Interventions on Joint Attention and Play. Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry 51, 487–495. doi: 10.1016/j.jaac.2012.02.019. Kasari, C., Gulsrud, A., Paparella, T., Hellemann, G., & Berry, K. (2015). Randomized comparative efficacy study of parent-mediated interventions for toddlers with autism. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 51, 487–495. Kitzerow, J., Teufel, K., Wilker, C., & Freitag, C. M. (2016). Using the brief observation of social communication change (BOSCC) to measure autism-specific development. Autism Research, 9, 940–950. Kitzerow, J., Wilker, C., Teufel, K., Soll, S., Schneider, M., Westerwald, E., et al. (2014). Das Frankfurter Frühinterventionsprogramm (FFIP) für Vorschulkinder mit Autismus-Spektrum-Störungen: Erste Ergebnisse zur Sprachentwicklung [Frankfurt Early Intervention Program (FFIP) for preschoolers with autism spectrum disorders (ASD): First results for language development]. Kindheit und Entwicklung, 23, 34–41. Lord, C., Rutter, M., DiLavore, P. C., & Risi, S. (1999). ADOS. Autism diagnostic observation schedule: Manual. Los Angeles, CA: Western Psychological Services. Lord, C., Rutter, M., & Le Couteur, A. (1994). Autism Diagnostic Interview-Revised: A revised version of a diagnostic interview for caregivers of individuals with possible pervasive developmental disorders. Journal of Autism and Developmental Disorders, 24, 659–685. Lord, C., Wagner, A., Rogers, S., Szatmari, P., Aman, M., Charman, T., et al. (2005). Challenges in evaluating psychosocial interventions for autistic spectrum disorders. Journal of Autism and Developmental Disorders, 35, 695–708. McConachie, H., &Fletcher-Watson, S. (2015). Building capacity for rigorous controlled trials in autism: The importance of measuring treatment adherence. Child: Care, Health and Development, 41, 169–177. McConachie, H., Parr, J. R., Glod, M., Hanratty, J. Livingstone, N., Oono, I. P. et al. (2015): Systematic review of tools to measure outcomes for young children with autism spectrum disorder. Health Technology Assessment 19 (41), 1–506. doi: 10.3310/ hta19410. Nakagawa, S., & Cuthill, I. C. (2007). Effect size, confidence interval and statistical significance: A practical guide for biologists. Biological Reviews, 82, 591–605. Oono, I. P., Honey, E. J., & McConachie, H. (2013). Parent-mediated early intervention for young children with autism spectrum disorders (ASD). Evidence-Based Child Health, 8, 2380–2479. Pickles, A., Le Couteur, A., Leadbitter, K., Salomone, E., ColeFletcher, R., Tobin, H., et al. (2016). Parent-mediated social communication therapy for young children with autism (PACT): Long-term follow-up of a randomised controlled trial. The Lancet, 388(10059), 2501–2509. © 2019 Hogrefe
111
Reichow, B. (2012). Overview of meta-analyzed in early intensive behavioral intervention for young children with autism spectrum disorders. Journal of Autism and Developmental Disorders (42)(4), 512–520. Reichow, B., Barton, E. E., Boyd, B. A., & Hume, K. (2012). Early intensive behavioral intervention (EIBI) for young children with autism spectrum disorders (ASD). Cochrane Database of Systematic Reviews, (10). Reuner, G., Rosenkanz, J., Pietz, J., & Horn, R. (2008). Bayley-II: Bayley Scales of Infant Development (2nd ed) [German version of the Bayley Scales II]. Frankfurt: Pearson. Rogers, S. J., & Dawson, G. (2010). Early Start Denver Model for young children with autism: Promoting language, learning, and engagement. New York: Guilford. Rogers, S. J., & Vismara, L. A. (2008). Evidence-based comprehensive treatments for early autism. Journal of Clinical Child and Adolescent Psychology, 37, 8–38. Rühl, D., Bölte, S., Feineis-Matthews, S., & Poustka, F. (2004). ADOS: Diagnostische Beobachtungsskala für autistische Störungen; Manual. dt. Fassung der Autism Diagnostic Observation Schedule von Catherine Lord, Michael Rutter, Pamela C. Dilavore und Susan Risis [German version of the ADOS]. Bern: Huber. Salomone, E., Beranova, S., Bonnet-Brilhault, F., Briciet Lauritsen, M., Budisteanu, M., Buitelaar, J., et al. (2015). Use of early intervention for young children with autism spectrum disorder across Europe. Autism, 20, 233–249. Schreibman, L., Dawson, G., Stahmer, A. C., Landa, R., Rogers, S. J., McGee, G. G., et al. (2015). Naturalistic developmental behavioral interventions: Empirically validated treatments for autism spectrum disorder. Journal of Autism and Developmental Disorders, 45, 2411–2428. Solomon, R., Van Egeren, Laurie A., Mahoney, G., Quon Huber, Melissa S., & Zimmerman, P. (2014). PLAY Project Home Consultation Intervention Program for Young Children with autism spectrum disorders. Journal of Developmental and Behavioral Pediatrics, 35, 475–485. Sparrow, S. S., Balla, D. A., Cicchetti, D. V., & Doll, E. A. (2005). Vineland adaptive behavior scales (Vineland-II) (2nd ed). Minneapolis, MN: Pearson. Tellegen, P. J., Laros, J. A., & Petermann, F. (2007). SON-R 2 ½–7: Non-verbaler Intelligenztest; Testmanual mit deutscher Normierung und Validierung [German version of the SON-R 2 ½–7]. Göttingen: Hogrefe. Vismara, L. A., Colombi, C., & Rogers, S. J. (2009). Can one hour per week of therapy lead to lasting changes in young children with autism? Autism, 13, 93–115. Warren, Z., McPheeters, M. L., Sathe, N., Foss-Feig, J., Glasser, A., & Veenstra-VanderWeele, J. (2011). A systematic review of early intensive intervention for autism spectrum disorders. Pediatrics, 127, e1303–e1311. Weinmann, S., Schwarzbach, C., Begemann, M., Roll, S., Vauth, C. W. S. N., & Greiner, W. (2009). Verhaltens- und fertigkeitenbasierte Frühintervention bei Kindern mit Autismus [German HTA report about early interventions for children with autism]. Health Technology Assessment. Deutsche Agentur für HTA des Deutschen Instituts für medizinische Dokumentation und Information, doi 10.3205/hta000072L Weitlauf, A. S., McPheeters, M. L., Peters, B., Sathe, N., Travis, R., Aiello, R., et al. (2014). Therapies for children with autism spectrum disorder. Comparative Effectiveness Review, No. 137; Report No.: 14-EHC036-EF. Rockville, MD. Wetherby, A. M., Guthrie, W., Woods, J., Schatschneider, C., Holland, R. D., Morgan, L., & Lord, C. (2014). Parent-implemented social intervention for toddlers with autism: An RCT. Pediatrics, 134, 1084–1093. doi 10.1542/peds.2014-0757
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 103–112
112
J. Kitzerow et al., One-Year Outcome of Autism Early Intervention by A-FFIP
served as consultant for Desitin and Roche, and receives royalties for books on ASD, ADHD, and MDD.
Funding Internally; no external funding source. Ethical Approval All procedures performed in studies involving human participants were in accordance with the ethical standards of the institutional and/or national research committee and with the 1964 Helsinki Declaration and its later amendments or comparable ethical standards. This article does not contain any studies with animals performed by any of the authors. Informed Consent Informed consent was obtained from all parents of the children included in the study. Conflicts of Interest The authors JK and KJ do not report any conflict of interest. The authors KT, CW, and CMF developed the A-FFIP approach and receive royalties for writing the intervention manual. CMF has
History Manuscript submitted: 05.08.2018 Accepted after revision: 18.02.2019 Published online: 11.04.2019
Janina Kitzerow, M.Sc. Department of Child and Adolescent Psychiatry, Psychosomatics, and Psychotherapy Autism Research and Intervention Center of Excellence Frankfurt Goethe University Frankfurt am Main Deutschordenstraße 50 60528 Frankfurt am Main Germany janina.kitzerow@kgu.de
Anzeige
Die Kunst des Dialogischen Gestaltens Ruth Janschek-Schlesinger
Praxisbuch Dialogisches Gestalten Kommunizieren mit künstlerischen Materialien 2019. 120 S., 52 Abb., Kt € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-86014-5 Auch als eBook erhältlich Dialogisches Gestalten ist eine analoge, nonverbale Kommunikationsform mit gestalterischen Mitteln zwischen zwei und mehreren Personen. Statt Sprache dienen hierbei die künstlerischen Materialien als Transporteure im zwischenmenschlichen Austausch, mit
deren Hilfe verbal schwer auszudrückende Themen sichtbar werden und verarbeitet werden können. Anhand zahlreicher Beispiele aus der Praxis zeigt die Autorin, wie diese Form der kunsttherapeutischen Arbeit professionell umgesetzt werden kann.
www.hogrefe.com
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 103–112
© 2019 Hogrefe
Original Article
Gaming Disorder and ComputerMediated Communication in Children and Adolescents with Autism Spectrum Disorder Frank W. Paulus1, Charlotte S. Sander1, Monika Nitze1, Anne-Rose Kramatschek-Pfahler2, Anette Voran1, and Alexander von Gontard1 1 2
Department of Child and Adolescent Psychiatry, Saarland University Hospital, Homburg, Germany Autismus Therapie Zentrum Saar gGmbH, Saarlouis, Germany
Abstract: Background: This study investigates how children and adolescents with autism spectrum disorder (ASD) make use of computer gaming and computer-mediated communication (CMC) in comparison to their nonautistic peers. Method: Parents filled out a standardized questionnaire on media use, gaming disorder (GD), and CMC. Sixty-two boys with a diagnosis of ASD aged 4 to 17 years (mean = 11.5; SD = 3.2) were compared to 31 healthy control boys (mean = 11.5; SD = 3.7). Results: Children and adolescents with ASD used CMC less frequently than their nonautistic peers but played video games for longer times than the controls. They preferred playing alone rather than in company of others and less frequently in multiplayer mode. Levels of GD symptoms were higher in boys with ASD. Conclusions: Children and adolescents with ASD seem to be an especially vulnerable subpopulation for GD. For them, the gaming situation (alone and in single-player mode) and CMC behavior seem to correspond to social patterns in real life. Our findings also provide support for the inclusion of offline gaming in the GD definition. Keywords: autism spectrum disorder, gaming disorder, computer-mediated communication, children, adolescents
Zusammenfassung: Fragestellung: Die Studie untersucht, wie Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) im Vergleich zu ihren nichtautistischen Altersgenossen Computerspiele und Internetbasierte Kommunikationsmöglichkeiten (IBK) nutzen. Methodik: Die Eltern füllten einen standardisierten Fragebogen über Mediennutzung, Computerspielabhängigkeit und IBK aus. 62 Jungen mit der Diagnose ASS im Alter von 4 bis 17 Jahren (Mittelwert = 11.5; SD = 3.2) wurden mit 31 unbeeinträchtigten Jungen als Kontrollgruppe (Mittelwert = 11.5; SD = 3.7) verglichen. Ergebnisse: Kinder und Jugendliche mit ASS benutzten IBK weniger häufig und spielten Computerspiele länger als die Kinder in der Kontrollgruppe. Bei gegebener Diagnose ASS spielten sie eher allein, nicht in Gesellschaft anderer und seltener im Mehrspielermodus. Das Niveau der Computerspielabhängigkeit war bei Jungen mit ASS höher. Schlussfolgerung: Kinder und Jugendliche mit ASS scheinen eine besonders gefährdete Gruppe für die Entwicklung einer Computerspielabhängigkeit zu sein. Die Spielsituation (allein und im Einzelspieler-Modus) und das IBK-Verhalten entspricht den sozialen Mustern im realen Leben. Unsere Ergebnisse unterstützen auch den Einbezug von OfflineSpielen in die Definition von Computerspielabhängigkeit. Schlüsselwörter: Autismus-Spektrum-Störung, Computerspielabhängigkeit, Internetbasierte Kommunikation, Kinder, Jugendliche
Introduction Anecdotal data on autism spectrum disorder (ASD) and computer use has apparently led IT companies to look specifically for autistic employees (Florentine, 2015; Jones, 2016). Why are people on the autistic spectrum so valuable for the IT sector? ASD is a lifelong neurodevelopmental condition (Joseph, Soorya, & Thurm, 2015). Diagnostic criteria in the 5th edition of the Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5; American Psychological Association, © 2019 Hogrefe
2013) include social-communicative and interactional deficits as well as restricted repetitive behaviors. Epidemiological rates of ASD range from 1 % (Fombonne, 2003) to 6 % (Newschaffer et al., 2007). Psychiatric comorbidities are frequent in children with ASD (Simonoff et al., 2008), but gaming disorder (GD) as a new ASD comorbidity and the impact of ASD on computer-mediated communication (CMC) have not been studied in detail. Social and verbal activities appear to lead to a reduction of the social impairments (Orsmond & Kuo, 2011), highlighting the importance of the type of leisure time. Leisure
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 113–122 https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000674
114
F. W. Paulus et al., Gaming Disorder and Computer-Mediated Communication in ASD
time as well as educational and working environments are increasingly being influenced by new mass media, including computers, video games, the internet, smartphones, and social media. Electronic screen media could facilitate the perception and understanding of individuals with ASD thus appealing to them particularly (Mineo, Ziegler, Gill, & Salkin, 2009). In addition, the use of CMC is especially important regarding autistic core symptoms (e. g., Thurlow, Lengel, & Tomic, 2004). CMC can be defined as the use of electronic devices for communication purposes; examples include emails, text messaging, social networks like Facebook or Instagram, and instant messengers like WhatsApp or Skype. There are limited empirical data available on CMC use and social adaptation in real life (Mikami, Swedo, Allen, Evans, & Hare, 2010) and their implications for individuals with ASD. On the one hand, based on the social compensation hypothesis (Valkenburg & Peter, 2007), they are drawn to CMC because it allows interactions from a safe distance with higher control and with fewer contextual, auditory, and visual distractions (Finkenauer, Pollmann, Begeer, & Kerkhof, 2012). Further, typical autistic problems of face-to-face communication are reduced (Mazurek, 2013; Van Schalkwyk et al., 2017), such as the recognition of facial expressions (Rump, Giovannelli, Minshew, & Strauss, 2009) and deficits in verbal and nonverbal communication (Tager-Flusberg, Paul, & Lord, 2003). The opposing rich-get-richer hypothesis (Valkenburg & Peter, 2007) suggests that young people display a cross-situational continuity of social interaction which transfers to CMC. Thus, the socially competent use CMC to extend social networks, whereas those with communicational difficulties in real life also have difficulties with CMC (virtually “poor-get-poorer”). Preliminary empirical studies support the latter theory, showing below-average CMC usage times for individuals with ASD (Mazurek et al., 2012; Mazurek & Wenstrup, 2013). Another important aspect of new mass media is video gaming. Video games encompass a wide range of different genres (e. g., action, adventure, role-playing, strategy) for various electronic devices in different social settings (e. g., online, offline, alone, or with others). Video gaming could be especially rewarding for autistic youth (Mazurek & Wenstrup, 2013), as they have enhanced general visual abilities (Mottron, Dawson, Soulières, Hubert, & Burack, 2006). Because of their extraordinary attention to details and their visual abilities (O’Riordan & Plaisted, 2001), individuals with ASD are exceptionally adept at video games that require fast visual scanning for stimuli in a complex environment, such as in shooter or construction games (Orsmond & Kuo, 2011). Studies have shown that young people with ASD use video games excessively (Liu et al., 2017; Mazurek & Engelhard, 2013a; Mazurek & Wenstrup, 2013).
Video games can also have positive potentials (Green & Bavelier, 2006; Li & Atkins, 2004), such as creating new cognitive challenges and providing relaxation. They can be used in the treatment of persons with ASD (Bernard-Opitz, Sriram, & Nakhoda-Sapuan, 2001; Hetzroni & Tannous, 2004). While electronic media do not lead to social isolation and addictive behavior in healthy young people (Lenhart et al., 2008; Olson, 2010; Olson, Kutner, & Warner, 2008), children and youth with ASD are at risk for social difficulties and isolation (Bölte, 2009; Mazurek & Wenstrup, 2013). DSM-5 (American Psychological Association, 2013) introduced the concept of internet gaming disorder (IGD) and defined it as “the persistent and recurrent use of the internet in order to play games, that leads to clinically significant impairment.” Diagnostic criteria further encompass five of nine symptoms, for example, an exceeding preoccupation with the games, increasing time spent gaming before feeling satisfied, withdrawal symptoms, risks toward relationships, job or education, and others. The Beta Draft of the WHO ICD-11(International Classification of Diseases, 11th revision) proposes the diagnostic category of gaming disorder (GD) (WHO, 2018), including persistent online and offline gaming patterns with impaired control over gaming, increasing priority of gaming and the continuation of gaming despite negative consequences. Instruments to measure GD are lacking or of low quality (King, Haagsma, Delfabbro, Gradisar, & Griffiths, 2013; Petry et al., 2014) and cannot provide accurate prevalence rates for GD (King et al., 2013). The etiology of video gaming and internet addiction is “complex and multicausal,” including classical and operant conditioning as well as neurobiological processes (Koepp et. al., 1998; Vousooghi, Zeinolabedin, Sadat-Shirazi, Eghbali, & Zarrindast, 2015; Weinstein & Lejoyeux, 2015). Psychosocial risks encompass male sex, impulsiveness, low social skills, loneliness, and an increased amount of time spent gaming (Chen, Chen, & Gau, 2015; Gentile et al., 2011; Lemmens, Valkenburg, & Peter, 2011; Paulus, Ohmann, von Gontard, & Popow, 2018), as well as attentional difficulties and hyperactivity (Bioulac, Arfi, & Bouvard, 2008; Carli et al., 2013; Gentile, 2009; Paulus et al., 2018) and online role-playing, shooter, action-adventure and strategy video games (Elliott, Golub, Ream, & Dunlap, 2012; Rehbein, Kleimann, & Mößle, 2010). Children and youth with ASD are at special risk for GD symptoms (Liu et al., 2017; Mazurek & Wenstrup, 2013; Mazurek & Engelhardt, 2013a, So et al., 2017) with a higher rate of males (Fombonne, 2003), increased playing times (Mazurek & Wenstrup, 2013; Mazurek & Engelhardt, 2013a) and preference of video games with increased addictive qualities (Elliot et al., 2012; Mazurek & Engelhardt, 2013a; Mazurek & Engelhardt, 2013b; Rehbein et al., 2010). In addition, decreased social skills (Gentile et al., 2011; Lem-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 113–122
© 2019 Hogrefe
F. W. Paulus et al., Gaming Disorder and Computer-Mediated Communication in ASD
mens et al., 2011; Mazurek & Engelhardt, 2013a), certain qualities of screen-based media (Mineo et al., 2009; Mazurek & Wenstrup, 2013), and internet addiction are further risks (Finkenauer et al., 2012; Romano, Truzoli, Osborne, & Reed, 2014). Previous studies found that young patients with ASD spend less time with CMC and more with gaming, mirroring their social difficulties in their gaming behavior (Mazurek et al., 2012; Mazurek & Engelhard, 2013a; Mazurek & Wenstrup, 2013). However, replications of these findings with controls and with standardized assessment tools are outstanding. Therefore, this study investigates the associations between ASD, CMC, and video gaming in young patients with ASD and in a control group. We hypothesized the following concerning video gaming: 1. Patients with ASD prefer to play alone rather than in company of others and to play less frequently in multiplayer mode. 2. Patients with ASD play video games more often and for longer times than the controls. 3. The levels of GD symptoms are higher in the patients with ASD than in control children Concerning CMC, there were two main hypotheses: 1. ASD patients spend less time using CMC and use it less frequently than their nonautistic peers. 2. CMC applications were explored descriptively.
Methods Participation in the study was voluntary, and there was no financial compensation. All participants and their parents gave informed consent. The local ethics committee approved the study. Participants with ASD were recruited at two locations in Southwest Germany: at the specialized outpatient clinic for autistic disorders at a tertiary university hospital for child and adolescent psychiatry and at a center for autism therapy (ATZ Saar). All patients with confirmed ASD diagnoses, aged between 4 years and 17 years and 11 months attending the outpatient clinic and the center from January to July 2015 who were willing to participate were included in the sample (N = 68, 62 boys, 6 girls). Data of 85 controls was collected via word-of-mouth recruitment as well as in several sports clubs. Eighteen control children had to be excluded because of missing data (1 case), because the child was too young (1 case), and because of total scores below 1 on the CBCL/4-18 (Achenbach, 1991; Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist, 1998; Döpfner, Plück, & Kinnen, 2014), suggesting unclear statements (16 cases). Because of large differ© 2019 Hogrefe
115
ences in the gender distribution between the ASD and control group, it was decided to only include male participants. Thus, 31 (33.3 %) control boys without a documented psychiatric diagnosis, mean age 11.5 years (SD = 3.7, range 4 to 17.8 years), and 62 (66.7 %) boys with a confirmed autistic diagnosis, mean age 12 years (SD = 3.2, range 4.5 to 17.7 years) took part in the study. The two groups did not differ in age. The final total sample consisted of N = 93 boys. A notable difference, however, was found in the type of school: Whereas most control boys attended elementary (35.5 %, n = 11) or secondary schools (46.5 %, n = 15), boys with ASD most likely attended special schools (29 %, n = 18). The mean intelligence score of the ASD group, as reported by the parents, was in the average range with 87.6 (SD = 23.8), ranging from 50 to 143, although comparability of the scores is limited: Because of the large age range, the scores stem from several different intelligence tests. 22 % (n = 14) of the boys had a reported IQ below 70 and 14 % (n = 9) had a reported IQ above 114. Approximately one-third of the ASD boys were taking one or more medications, with methylphenidate being the most frequently used substance (18 %, n = 11), followed by melatonin (6 %, n = 4), amphetamine (5 %, n = 3), atomoxetine (3 %, n = 2), pipamperone (3 %, n = 2), and aripiprazole (1 %, n = 1). 61 % of the autistic boys had two or more comorbid diagnoses, most frequently developmental disorders (language disorders, motor disorders, specific learning disorders) and attention deficit hyperactivity disorder (ADHD). Parents of all participants were given general information regarding the study and two questionnaires to fill in. Video game and CMC use as well as GD symptoms (online and offline gaming) were assessed with a parent questionnaire specifically compiled for this study, based on a questionnaire developed for a former study (Paulus, Sinzig, Mayer, Weber, & von Gontard, 2018). To the knowledge of the authors, no established questionnaire met the specific requirements of this study (sufficient psychometric evaluation, parents as informants, age range of 4 to 17 years, and German language). The questionnaire comprised four sections. The first part covered basic information about the child or adolescent. Parents of ASD patients additionally answered questions concerning the primary diagnosis, comorbid disorders, and the IQ of their sons. The second part, labeled “video game use,” started with an introductory definition of the study’s concept of video games. This was followed by items relating to the number and types of devices owned by or being accessible to the child and the frequency as well as usage time of video gaming. Usage time was assessed by single choice question (0 min, 30 min, 60 min, 2 h, 5 h, 7 h, more than 7 h) as well as by an open-ended question (free format indication: hours/minutes). Additionally, there were questions about social aspects of video gaming (play-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 113–122
116
F. W. Paulus et al., Gaming Disorder and Computer-Mediated Communication in ASD
ing in multiplayer mode, by oneself or with others, online or offline). The third section (Table 1), labeled “video gaming behavior,” assessed the degree of GD symptoms. The 16 items were composed in accordance with the symptom criteria of the internet gaming disorder of DSM-5, with supplementary items on sleeping and eating behavior. They were rated on a 4-point scale ranging from 0 (never) to 3 (always). A total score and mean values were calculated by adding up the 16 items. Missing items were replaced by mean values. Reliability was high with Cronbach’s α = .93. As confirmed by a reliability analysis, total reliability did not increase by eliminating any of the 16 items. Additionally, discriminatory power analyses ensured a value of r > .3 for every item. Thus, all 16 items remained in the scale for the calculations. Because a sufficient psychometric evaluation is still lacking, no cut-off value could be set to determine pathological cases of gaming disorder. Patterns of CMC use were determined in the fourth and last section of the questionnaire. If the answer to the first item concerning whether the child has online access to CMC was answered with “no,” parents could directly con-
tinue with the next questionnaire. If the answer was “yes,” six more items followed, relating to frequency and duration of media usage and the three most frequently used applications. To increase the external validity of autism spectrum diagnoses and to validate the control group, we used all 11 syndrome scales of the Child Behavior Checklist, CBCL/418, (Achenbach, 1991; Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist, 1998; Döpfner et al., 2014). All parametric and nonparametric data analyses (t-tests, Mann Whitney U-tests, chi-square tests) were conducted with the IBM SPSS Statistics program, version 23.
Results CBCL Scales Boys with ASD scored significantly higher in all CBCL scales than the controls (Table 2). They scored highest on “social problems,” “thought problems,” and “attention
Table 1. Items of gaming disorder symptoms: third section of the questionnaire. 1. Do you think that your child’s usage time of the computer or the game console has increased over the last months? 2. Are other leisure activities of your child (e. g., sports, music, meeting friends) affected by gaming with the computer or game consoles? 3. Have there been conflicts with you as the parent or legal guardian when you have limited or forbid the use of the computer/game console? 4. Does your child become nervous, aggressive, or irritable if he/she doesn’t have the opportunity to play with the computer/game console? 5. How often does your child show an urgent desire to play with the computer/game console? 6. Does your child become moody or sad if he/she doesn’t have the opportunity to play with the computer/game console? 7. If your child doesn’t have the opportunity to play with the computer/game console, can he/she come up with an alternative activity? Does he/she become bored? 8. Does your child play with the computer/game console for a longer period of time than was agreed on with you? 9. Has your family life been impaired by your child’s using the computer/game console to play with? 10. Once your child has started playing with the computer/game console, is it very difficult for him or her to stop playing and must he/she continue? 11. Has your child hidden his/her computer/game console playing activities or has deceived you about them? 12. Has your child’s eating behavior changed because of the increased occupation with the computer/game console? 13. Has your child’s sleeping behavior changed because of the increased occupation with the computer/game console? 14. Does your child use video games in order to get distracted from negative thoughts and/or feelings? 15. Do you think that your child spends a lot of time thinking about video games or fantasizing about them even when he/she is not playing? 16. Are there serious negative consequences of the video gaming on the child’s academic performance or social relationships (e. g., family and friends)?
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 113–122
© 2019 Hogrefe
F. W. Paulus et al., Gaming Disorder and Computer-Mediated Communication in ASD
problems,” which agrees with the typical CBCL profile of children with ASD (Bölte, Dickhut, & Poustka, 1999). A detailed analysis of the control group’s CBCL syndrome scales’ outliers showed no ASD typical profiles, validating the group membership.
117
half of the control boys owned a smartphone, χ²(1) = 6.09, p = .014 (Figure 2). Again, more ASD boys possessed another kind of mobile phone, χ²(1) = 5.589, p = .018.
Video Gaming Access to and Possession of Media Devices More than two thirds of the ASD boys had access to a computer or a home video game console, and about half of them had access to a handheld video game console, a tablet computer, and a smartphone (Figure 1). Overall, more ASD boys had access to technical devices than the control group, although the differences mostly didn´t reach statistical significance (see Figure 1). A notable exception was the access to smartphones: The proportion of the control boys with access to a smartphone was about 20 % higher, though this difference also failed to reach statistical significance (χ²(1) = 2.61; ns). In return, the proportion of ASD boys who had access to another kind of mobile phone (not web-enabled) was significantly larger, χ²(1) = 5.66, p = .017 (Figure 1). ASD boys also had significantly greater access to a children’s computer for educational purposes, χ²(1) = 3.875, p = .049 (Figure 1). The number of media devices owned by the children was largely comparable between groups (Figure 2). But here the difference concerning the possession of smartphones was statistically significant: Only a quarter of the ASD boys but
About two-thirds of the ASD boys (65.5 %, n = 36) and the controls (65.5 %, n = 19) usually played video games offline. About one-tenth (11 %) of the ASD boys and one-quarter (24 %) of the controls reported using video games usually online. There were similarly considerable differences between the groups: 84 % of ASD boys usually played by themselves, but only 66 % of the controls. Subsequently, frequencies of playing in the company of parents, siblings, and friends were all lower for the ASD boys than for the control group. The biggest difference emerged in the frequency of playing usually in the company of friends (ASD boys: 24 %, controls: 48 %). ASD boys (n = 54, mean rank = 38.67, Mdn = 0.0) were also less likely than the control group (n = 29, mean rank = 46.67, Mdn = 0.0) to play video games in multiplayer mode, Mann-Whitney U = 618.5, z = –1.75, p = .044, r = –.19, 1-β = .54. Furthermore, a chi-square test revealed a significant interaction between group and playing video games alone or in company of others, χ²(1) = 7.35, p = .006. ASD boys were 4.29 times more likely (OR) to play video games on their own (Hypothesis 1). As expected, the mean daily video gaming time of ASD boys (85 min, SD = 11.4) was significantly higher than that
Table 2. CBCL scales for boys with ASD and controls: Means and standard deviations of T-values (based on German norms, Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist, 1998). Boys with ASD Scale
M (SD)
Controls M (SD)
t
Cohen’s d
Social withdrawal
64.08 (8.74)
53.23 (4.46)
–7.93**
1.43
Somatic complaints
59.37 (9.21)
53.19 (4.75)
–4.27**
0.77
Anxiety/depression
61.73 (7.90)
52.00 (3.22)
–8.40**
1.45
Social problems
67.94 (9.70)
53.32 (6.54)
–8.59**
1.67
Thought problems
67.13 (10.45)
50.84 (3.41)
–11.14**
1.86
Attention problems
67.85 (7.67)
51.84 (3.66)
–13.63**
2.42
Delinquent behavior
58.26 (6.94)
51.35 (2.82)
–6.79**
1.17
Aggressive behavior
61.37 (8.87)
51.58 (2.86)
–7.91**
1.32
Internalizing problems
63.82 (8.13)
48.87 (7.57)
–8.55**
1.88
Externalizing problems
59.97 (8.65)
47.16 (6.20)
–7.34**
1.62
Total problems
66.60 (7.07)
47.87 (5.75)
–12.77**
2.81
Note. **p < .01.
© 2019 Hogrefe
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 113–122
118
F. W. Paulus et al., Gaming Disorder and Computer-Mediated Communication in ASD
* *
*
Figure 1. Distribution of access to screen media devices in boys with ASD and controls (in %).
*
Note. *Significant difference chi-square test (p < .05).
*
*
*
Figure 2. Distribution of screen media devices possessed by boys with ASD and controls (in %).
*
Note. *Significant difference chi-square test (p < .05).
of the controls (M = 50.1 min, SD = 8.1), t(80) = –2.46, p = .008, d = .48 (see Table 3). There was a nonsignificant difference between groups in the frequency of video gaming, Mann-Whitney U = 878.0, p = ns, r = –.07. Power was very low with 1-β = .17 (Hypothesis 2). Lastly, as hypothesized, ASD boys (M = 0.71, SD = 0.62) were revealed to have comparably higher rates of GD symptoms than the control boys (M = 0.38, SD = 0.30), t(90) = –3.52, p < .001, d = .62) (Hypothesis 3). In an open-ended format parents reported the three most commonly played video games. Minecraft was reported most often as the favorite video game for ASD boys (18.5 %, n = 10), followed by racing games (9.3 %). Minecraft also was the most often reported favorite game in 20 % of the the controls, although the football game FIFA
was equally popular. Racing games were not among the favorite games of the control boys.
CMC Boys with no access to CMC were excluded for subsequent analyses, 79 % (n = 49) of ASD boys and all control boys used CMC at least sometimes. As expected, ASD boys (n = 30, mean rank = 18.41, Mdn = 2.5) used CMC significantly less frequently than the controls (n = 15, mean rank = 28.7, Mdn = 4.0), Mann-Whitney U = 109.5, p = .003, r = –.41). Interestingly, as can be seen in Table 3, a considerable number of ASD boys (21 %) did not use CMC at all despite its potential accessibility (Figure 1). In the open-ended answering format, boys with ASD used
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 113–122
© 2019 Hogrefe
F. W. Paulus et al., Gaming Disorder and Computer-Mediated Communication in ASD
119
Table 3. Percentage distribution of frequency of computer-mediated communication (CMC) use and video gaming. Boys with ASD CMC (N = 28) N (%)
Controls
Video gaming (N = 62) N (%)
CMC (N = 15) N (%)
Video gaming (N = 31) N (%)
Never
6 (21.4)
7 (11.3)
0 (00.0)
2 (06.5)
Less often than once a week
7 (25.0)
6 (09.7)
1 (06.7)
6 (19.4)
Once a week
1 (02.3)
4 (06.5)
0 (00.0)
1 (03.2)
Several times a week
6 (21.4)
22 (35.5)
5 (33.3)
14 (45.2)
Daily
8 (28.6)
23 (37.1)
9 (60.0)
8 (25.8)
Note. Boys with no access to CMC were excluded from the CMC analyses.
CMC on average for 29 minutes/day and controls for 51 minutes/day, but the difference did not reach statistical significance, probably because of low power, t(38) = 1.22, p = .12., d = –.4 (Hypothesis 4). In an open-ended format parents reported the three most commonly used CMC applications. The instant messengers WhatsApp (65 %) and Skype as well as the webpage Youtube (both 20 %) were the most frequently used applications by ASD boys. Controls showed a similar pattern of preferred programs with one exception: Youtube was not the most frequently used program for any of them (Hypothesis 5).
Discussion The results suggest that children and adolescents with ASD (at least boys) differ from their nonautistic peers in specific patterns of media use as well as the severity of GD symptoms.
Access to and Possession of Media Devices A reduced accessibility to and possession of a smartphone in ASD boys was the most intriguing finding in the descriptive analysis. One possible explanation might be that ASD children have less interest in smartphones and thus do not ask their parents to buy them one because of their lack of concern about the social status associated with a smartphone. Because social recognition and standing are less important to ASD patients (Izuma, Matsumoto, Camerer, & Adolps, 2011), they might be satisfied with a less expensive, less technically and visually sophisticated mobile phone. This would explain the higher number of ASD patients using another kind of mobile phone. The use of © 2019 Hogrefe
smartphones in individuals with ASD could be an interesting topic for future research.
Video Gaming As hypothesized, the autistic boys played video games for longer periods of time (85 min vs. 51 min). This finding successfully replicates data of US studies by Mazurek and colleagues (Mazurek & Engelhard, 2013a; Mazurek & Wenstrup, 2013) as well as Asian studies (Liu et al., 2017; So et al., 2017). However, contrary to our hypotheses, there was no significant difference in the frequency of gaming. This, again, might be explained by the small sample size. It could also indicate that boys with ASD don’t necessarily play more often, yet if they do play, they continue to do so for longer times than their peers. Video games may be of such great appeal to boys with ASD that it is even harder for them to stop playing. Fittingly, the data in this study supports the preexisting evidence of a heightened level of GD symptoms in ASD boys compared to controls. Again, US data by Mazurek and colleagues were replicated in Germany, even though we used a different measurement procedure. Young patients with ASD do in fact seem to be an especially vulnerable subpopulation for GD. On the other hand, computer gaming symptoms in individuals with ASD can be difficult to isolate from restricted interests and repetitive behaviors, which are common in persons diagnosed with ASD (e. g., Mazurek et al., 2012). If computer gaming occurs as part of an addictive disorder, it is a pathological symptom; but if computer gaming is a restrictive interest of an individual with ASD, it should not automatically be considered pathological. This distinction has vital implications for therapy: If an individual with ASD has developed a GD, it should be treated as comorbid diagnosis. But if the gaming activity is a restricted interest,
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 113–122
120
F. W. Paulus et al., Gaming Disorder and Computer-Mediated Communication in ASD
it might be a useful aspect to implement into the therapy of the autistic core symptoms (Winter-Messiers, 2007). Furthermore, our findings suggest differences concerning the social aspects of video gaming. Boys with ASD were shown to play video games significantly less often in multiplayer mode and were more likely to play them exclusively by themselves. As with CMC, social patterns in real life seem to be reflected in the gaming situation. Whilst several social aspects play a crucial role when typically developed children play video games (Lenhart et al., 2008; Olson, 2010; Olson, Kutner, & Warner, 2008), ASD boys are apparently less able to use the opportunities for social interaction that video games can offer. With regard to the ongoing scientific debate on the classification and nosology of a possible IGD versus GD, it could be argued that the findings in this study provide support for the inclusion of offline gaming (and not only online gaming) in the definition: Young patients with ASD exhibited addictive patterns of gaming that in a way were more “isolated” (less multiplayer mode, more gaming exclusively on their own, less use of CMC). The DSM-5 definition of IGD includes only online gaming and would thus probably not allow for a diagnosis in many cases of patients from the autistic spectrum. Another group of patients whose addictive gaming behavior might also be difficult to describe with the DSM-5 IDG criteria are preschool children (Paulus, Sinzig, Mayer, Weber, & von Gontard, 2018).
CMC Regarding CMC, we identified a significant difference in use patterns between boys with and without ASD. As expected, autistic boys used CMC less frequently, supporting the rich-get-richer hypothesis. These findings agree with the preliminary findings by Mazurek and Wenstrup (2013), enabling further generalization because of our independent control group. It appears that children and youth with social deficits use the internet less than their socially more competent peers to communicate. The assumption of a cross-situational continuity of individual communicational features apparently applies to the internet as well. In our study, there was a notable difference between usage times of CMC (29 vs. 51 min), which probably didn´t reach statistical significance due to low power and the small sample size. But there might also be another explanation: More than one-fifth of the ASD boys who had access to CMC devices and apps never used CMC, and one-fourth used it less than once a week. Taken together, these findings could mean that a subgroup of ASD boys hardly uses CMC at all, whereas another subgroup uses CMC even longer than socially competent boys. The social compensation hypothesis may apply to this latter group, in that they recognize
and make use of the potential inherent in this form of communication to improve their social skills. Nonclinical studies show CMC to lead to an increase in social integration (Kraut et al., 2002) and a decrease in loneliness and depression (Shaw & Gant, 2002). Such an ASD subgroup and positive effects of CMC need to be investigated further. The identification of this subgroup could help to develop therapeutic approaches for social skills in children and adolescents with ASD.
Strengths and Limitations A major strength of this study is that it investigates two large and relevant fields of new mass media and their meaning in the daily life of autistic children and adolescents. To our knowledge, this study is the first to investigate the association between children and adolescents with ASD from 4 to 17 years of age with CMC and GD compared to an independent control group. It also replicates findings of American studies in a German sample with different measurements, thus enabling a broader theoretical generalization. GD symptoms were determined using a questionnaire that covers all nine DSM-5 dimensions of IGD. Ecological validity of our findings is high, given the quasiexperimental design of the study. One major limit is the cross-sectional design of this study, so that no causal associations can be identified. Further limitations are the partially low power, and that only parent reports were used for most information. Because of the recruitment process, the intelligence scores of the control boys were not assessed, but in light of the types of school they attended, intelligence can be expected to be normally distributed. Also, the questionnaire on computer and internet use has not been psychometrically evaluated and normed. Lastly, because of lacking data, only boys were included for the investigations, which reduces generalizability of the findings to girls. In summary, young male patients with ASD used CMC less frequently than their peers. They played video games for longer times, played alone rather than in company of others, and played less frequently in multiplayer mode. Levels of GD symptoms were higher in boys with ASD, which makes patients with ASD very likely to be a specifically vulnerable population for GD. The gaming situation (without company and in single-player mode) as well as the CMC behavior seem to mirror real-life social patterns. Some of the exact characteristics that make a person with ASD special can be of help not only to IT companies but perhaps also to those with ASD themselves. It remains open whether the distinctive features of ASD youth regarding the use of electronic media identified in this study should be seen as a part of the pathology or whether they
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 113–122
© 2019 Hogrefe
F. W. Paulus et al., Gaming Disorder and Computer-Mediated Communication in ASD
in fact demonstrate how digital media can be of special benefit to ASD patients. The success of training programs using computer technology, such as The Transporters (Golan et al., 2009), FEFA (Bölte et al., 2002) and Mind Reading (Golan & Baron-Cohen, 2006), supports the latter conclusion. A very recent study by Sundberg (2018) even suggests that online games might help individuals with ASD to build and sustain friendships and feel less lonely.
References Achenbach, T. M. (1991). Manual for the Child Behavior Checklist/4–18 and 1991 profile. Burlington, VT: University of Vermont, Department of Psychiatry. American Psychiatric Association. (2013). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5th ed.). Washington, DC: American Psychiatric Association. Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist. (1998). Elternfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen: Deutsche Bearbeitung der Child Behavior Checklist CBCL/4–18). Einführung und Anleitung zur Handauswertung. (2. Aufl. mit deutschen Normen). Köln: Arbeitsgruppe Kinder-, Jugend-, und Familiendiagnostik (KFDJ). Bernard-Opitz, V., Sriram, N., & Nakhoda-Sapuan, S. (2001). Enhancing social problem solving in children with autism and normal children through computer-assisted instruction. Journal of Autism and Developmental Disorders, 31, 377–384. Bioulac, S., Arfi, L., & Bouvard, M. P. (2008). Attention deficit/hyperactivity disorder and video games: A comparative study of hyperactive and control children. European Psychiatry, 23, 134–141. Bölte, S. (2009). Computer- und Informationstechnik. In S. Bölte (Hrsg.), Autismus: Spektrum, Ursachen, Diagnostik, Intervention, Perspektiven (S. 400–410). Bern: Huber. Bölte, S., Dickhut, H., & Poustka, F. (1999). Patterns of parent-reported problems indicative in autism. Psychopathology, 32, 93–97. Bölte, S., Feineis-Matthews, S., Leber, S., Dierks, T., Hubl, D., & Poustka, F. (2002). The development and evaluation of a computer-based program to test and to teach the recognition of facial affect. International Journal of Circumpolar Health, 61, 61–68. Carli, V., Durkee, T., Wasserman, D., Hadlaczky, G., Despalins, R., Kramarz, E., … Kaess, M. (2013). The association between pathological internet use and comorbid psychopathology: A systematic review. Psychopathology, 46, 1–13. Chen, Y.-L., Chen, S.-H., & Gau, S. S. (2015). ADHD and autistic traits, family function, parenting style, and social adjustment for Internet addiction among children and adolescents in Taiwan: A longitudinal study. Research in Developmental Disabilities, 39, 20–31. Döpfner, M., Plück, J., & Kinnen, C. (2014). Manual deutsche Schulalter Formen der Child Behavior Checklist von Thomas M. Achenbach. Göttingen: Hogrefe. Elliott, L., Golub, A., Ream, G., & Dunlap, E. (2012). Video game genre as a predictor of problem use. CyberPsychology, Behavior and Social Networking, 15, 155–161. Finkenauer, C., Pollmann, M., Begeer, S., & Kerkhof, P. (2012). Brief report: Examining the link between autistic traits and compulsive internet use in a non-clinical sample. Journal of Autism and Developmental Disorders, 42, 2252–2256. Florentine, S. (2015, December 9). How SAP is hiring autistic adults for tech jobs. CIO. Retrieved from http://www.cio.com/artic © 2019 Hogrefe
121
le/3013221/careers-staffing/how-sap-is-hiring-autistic-adul ts-for-tech-jobs.html Fombonne, E. (2003). Epidemiological surveys of autism and other pervasive developmental disorders: An update. Journal of Autism and Developmental Disorders, 33, 365–382. Gentile, D. A. (2009). Pathological video-game use among youth ages 8 to 18: A national study. Psychological Science, 20, 594–602. Gentile, D. A., Choo, H., Liau, A., Sim, T., Li, D., Fung, D., & Khoo, A. (2011). Pathological video game use among youths: A two-year longitudinal study. Pediatrics, 127, e319–e329. Green, C. S., & Bavelier, D. (2006). Effect of action video games on the spatial distribution of visuospatial attention. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 32, 1465–1478. Golan, O., & Baron-Cohen, S. (2006). Systemizing empathy: Teaching adults with Asperger syndrome or high-functioning autism to recognize complex emotions using interactive multimedia. Development and Psychopathology, 18, 591–617. Golan, O., Ashwin, E. Granader, Y., McClintock, S., Day, K., Leggett, V., & Baron-Cohen, S. (2009). Enhancing emotion recognition in children with autism spectrum conditions: An intervention using animated vehicles with real emotional faces. Journal of Autism and Developmental Disorders, 40, 269–279. Hetzroni, O. E., & Tannous, J. (2004). Effects of a computer-based intervention program on the communicative functions of children with autism. Journal of Autism and Developmental Disorders, 34, 95–113. Izuma, K., Matsumoto, K., Camerer, C. F., & Adolphs, R. (2011). Insensitivity to social reputation in autism. PNAS Proceedings of the National 143 Academy of Sciences of the United States of America, 108, 17302–17307. Jones, K. (2016, October 17). Autistic employees can give companies an edge in innovative thinking. The Guardian. Retrieved from https://www.theguardian.com/sustainable-business/201 6/oct/17/autistic-employees-can-give-companies-an-edge -in-innovative-thinking Joseph, L., Soorya, L., & Thurm, A. (2015). Autism spectrum disorder. Boston, MA: Hogrefe Publishing. King, D. L., Haagsma, M. C., Delfabbro, P. H., Gradisar, M., & Griffiths, M. D. (2013). Toward a consensus definition of pathological video-gaming: A systematic review of psychometric assessment tools. Clinical Psychology Review, 33, 331–342. Koepp,M. J., Gunn, R. N., Lawrence, A. D., Cunningham, V. J., Dagher, A., Jones, T., … Grasby, P. M. (1998). Evidence for striatal dopamine release during a video game. Nature, 393(6682), 266–268. Kraut, R., Kiesler, S., Boneva, B., Cummings, J., Helgeson, V., & Crawford, A. (2002). Internet paradox revisited. Journal of Social Issues, 58, 49–74. Lemmens, J. S., Valkenburg, P. M., & Peter, J. (2011). Psychosocial causes and consequences of pathological gaming. Computers in Human Behavior, 27, 144–152. Lenhart, A., Kahne, J., Middaugh, E., Macgill, A. R., Evans, C., & Vitak, J. (2008). Teens, video games, and civics: Teens’ gaming experiences are diverse and include significant social interaction and civic engagement. Washington, DC: Pew Internet & American Life Project. Li, X., & Atkins, M. (2004). Early childhood computer experience and cognitive and motor development. Pediatrics, 113, 1715–1722. Liu, S., Yu, C., Conner, B. T., Wang, S., Lai, W., & Zhang, W. (2017). Autistic traits and internet gaming addiction in Chinese children: The mediating effect of emotion regulation and school connectedness. Research in Developmental Disabilities, 68, 122–130. Mazurek, M. O. (2013). Social media use among adults with autism spectrum disorders. Computers in Human Behavior, 29, 1709–1714.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 113–122
122
F. W. Paulus et al., Gaming Disorder and Computer-Mediated Communication in ASD
Mazurek, M. O., & Engelhardt, C. R. (2013a). Video game use and problem behaviors in boys with autism spectrum disorders. Research in Autism Spectrum Disorders, 7, 316–324. Mazurek, M. O., & Engelhardt, C. R. (2013b). Video game use in boys with autism spectrum disorder, ADHD, or typical development. Pediatrics, 132, 260–266. Mazurek, M.O., Shattuck, P.T., Wagner, M., & Cooper, B.P. (2012). Prevalence and correlates of screen-based media use among youths with autism spectrum disoders. Journal of Autism and Developmental Disorders, 42, 1757-1767. Mazurek, M. O., & Wenstrup, C. (2013). Television, video game and social media use among children with ASD and typically developing siblings. Journal of Autism and Developmental Disorders, 43, 1258–1271. Mikami, A. Y., Szwedo, D. E., Allen, J. P., Evans, M. A., & Hare, A. L. (2010). Adolescent peer relationships and behavior problems predict young adults’ communication on social networking websites. Developmental Psychology, 46, 46–56. Mineo, B. A., Ziegler, W., Gill, S., & Salkin, D. (2009). Engagement with electronic screen media among students with autism spectrum disorders. Journal of Autism and Developmental Disorders, 39, 172–187. Mottron, L., Dawson, M., Soulières, I., Hubert, B., & Burack, J. (2006). Enhanced perceptual functioning in autism: An update, and eight principles of autistic perception. Journal of Autism and Developmental Disorders, 36, 27–43. Newschaffer, C. J., Croen, L. A., Daniels, J., Giarelli, E., Grether, J. K., Levy, S. E., … Windham, G. C. (2007). The epidemiology of autism spectrum disorders. Annual Review of Public Health, 28, 235–58. Olson, C. K. (2010). Children’s motivations for video game play in the context of normal development. Review of General Psychology, 14, 180–187. Olson, C. K., Kutner, L. A., & Warner, D. E. (2008). The role of violent video game content in adolescent development: Boys’ perspectives. Journal of Adolescent Research, 23, 55–75. O’Riordan, M., & Plaisted, K. (2001). Enhanced discrimination in autism. Quarterly Journal of Experimental Psychology: Section A, 54, 961–979. Orsmond, G. I., & Kuo, H.-Y. (2011). The daily lives of adolescents with an autism spectrum disorder Discretionary time use and activity partners. Autism, 15, 579–599. Paulus, F.W., Sinzig, J., Mayer, H., Weber, M., & von Gontard, A. (2018). Computer gaming disorder and ADHD in young childrend - a population based study. International Journal of Mental Health and Addiction, 16, 1193-1207. Paulus, F.W., Ohmann, S., von Gontard, A. (2018). Internet gaming disorder in children and adolescents: a systematic review. Developmental Medicine & Child Neurology, 60(7), 645-659. Petry, N. M., Rehbein, F., Gentile, D. A., Lemmens, J. S., Rumpf, H.-J., Mößle, T. … O’Brien, C. P. (2014). An international consensus for assessing internet gaming disorder using the new DSM-5 approach. Addiction, 109, 1399–1406. Rehbein, F., Kleimann, M., & Mößle, T. (2010). Prevalence and risk factors of video game dependency in adolescence: Results of a German nationwide survey. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking, 13, 269–277. Romano, M., Truzoli, R., Osborne, L. A., & Reed, P. (2014). The relationship between autism quotient, anxiety, and internet addiction. Research in Autism Spectrum Disorders, 8, 1521–1526. Rump, K. M., Giovannelli, J. L., Minshew, N. J., & Strauss, M. S. (2009). The development of emotion recognition in individuals with autism. Child Development, 80, 1434–1447. Shaw, L. H., & Gant, L. M. (2002). In defense of the Internet: The relationship between Internet communication and depression,
loneliness, self-esteem, and perceived social support. CyberPsychology and Behavior, 5, 157–171. Simonoff, E., Pickles, A., Charman, T., Chandler, S., Loucas, T., & Baird, G. (2008). Psychiatric disorders in children with autism spectrum disorders: Prevalence, comorbidity, and associated factors in a population-derived sample. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 47, 921–929. So, R., Makino, K., Fujiwara, M., Hirota, T., Ohcho, K., Ikeda, S., … & Inagaki, M. (2017). The prevalence of internet addiction among a Japanese adolescent psychiatric clinic sample with autism spectrum disorder and/or attention-deficit hyperactivity disorder: A cross-sectional study. Journal of Autism and Developmental Disorders, 47, 2217–2224. Sundberg, M. (2018). Online gaming, loneliness and friendships among adolescents and adults with ASD. Computers in Human Behavior, 79, 105–110. Tager-Flusberg, H., Paul, R., & Lord, C. (2003). Language and communication in autism. In F. R. Volkmar, R. Paul, A. Klin, & D. Cohen (Eds.), Handbook of autism and pervasive developmental disorders (Vol. 1) (pp. 335–364). Hoboken, NJ: Wiley. Thurlow, C., Lengel, L., & Tomic, A. (2004). Computer mediated communication: Social interaction and the internet. London: Sage. Valkenburg, P. M., & Peter, J. (2007). Preadolescents’ and adolescents’ online communication and their closeness to friends. Developmental Psychology, 43, 267–277. Van Schalkwyk, G. I., Marin, C. E., Ortiz, M., Rolison, M., Qayyum, Z., McPartland, … Silverman, W. K. (2017). Social media use, friendship quality, and the moderating role of anxiety in adolescents with autism spectrum disorder. Journal of Autism and Developmental Disorders, 47, 2805–2813. Vousooghi, N., Zeinolabedin, S., Sadat-Shirazi, M.-S., Eghbali, F., & Zarrindast, M. R. (2015). MRNA expression of dopamine receptors in peripheral blood lymphocytes of computer game addicts. Journal of Neural Transmissions, 122, 1391–1398. Weinstein, A., & Lejoyeux, M. (2015). New developments on the neurobiological and pharmaco- genetic mechanisms underlying internet and videogame addiction. American Journal of Addiction, 24, 117–25. Winter-Messiers, M. A. (2007). From tarantulas to toilet brushes: Understanding the special interest areas of children and youth with Asperger syndrome. Remedial and Special Education, 28, 140–152. WHO. (2018, June 5). Gaming disorder. Retrieved from https://icd. who.int/browse11/lm/en#/http%3a%2f%2fid.who.int%2fi cd%2fentity%2f1448597234
Conflicts of interests No conflicts of interest exist. History Manuscript submitted: 21.01.2019 Accepted after revision: 19.04.2019 Published online: 27.05.2019
Corresponding author: Frank W. Paulus Department of Child and Adolescent Psychiatry Saarland University Hospital 66421 Homburg Germany frank.paulus@uks.eu
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 113–122
© 2019 Hogrefe
32nd International Congress of Psychology
July 19 - 24, 2020 Prague, Czech Republic 5-day Scientific Programme Over 25 State-of-the-Art Lectures Over 100 Keynote Addresses Over 190 Invited 4ymposia Over 5 Controversial Debates and much more …
Represent your country and join us at the ICP 2020! Follow us on Facebook, TwitUer, Instagram!
Essentials für die Praxis
World Health Organization
Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen Mit Glossar und Diagnostischen Kriterien sowie Referenztabellen ICD-10 vs. ICD-9 und ICD-10 vs. DSM-IV-TR Nach dem englischsprachigen Pocket Guide von J. E. Cooper Deutsche Ausgabe herausgegeben von Horst Dilling / Harald J. Freyberger. 9., aktualisierte Auflage entsprechend ICD-10 GM 2019. 528 S., Gb € 36,95 / CHF 45.90 ISBN 978-3-456-85992-7
Im Gesamtwerk der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) der WHO kommt den psychischen Störungen eine Sonderstellung zu. Der „Taschenführer“ enthält die diagnostischen Kriterien für die einzelnen psychischen Störungen und Störungsgruppen in kommentierter Form. Nach einem kurzen Einführungsabschnitt zu jeder Störung werden die für die Diagnose relevanten Kriterien aufgeführt und mit Hinweisen zur Differenzial- und Ausschlussdiagnostik ergänzt. Damit umfasst dieser Ansatz sowohl die pragmatische Darstellung der Diagnosen entsprechend den ICD-10-Forschungskriterien als auch, anstelle der ausführlicheren diagnostischen Leitlinien, die kompakte Definition und Beschreibung der einzelnen Störungen.
www.hogrefe.com
Ergänzend enthält diese Ausgabe: • Referenztabellen zu ICD-9 und DSM IV-TR • ein Faltblatt mit allen psychiatrischen ICD-10-Diagnosen im Überblick. Für die 8. Auflage wurde das Buch entsprechend der German Modification (ICD-10-GM) 2016 des Deutschen Instituts für Medizinische Datenverarbeitung und Information (DIMDI) überarbeitet und ergänzt.
Originalarbeit
Wirkung von Lichttherapie auf den Nachtschlaf von Kindern mit Schlafproblemen Nino Wessolowski1, Claus Barkmann2, Lydia Yao Stuhrmann2 und Michael Schulte-Markwort2 1 2
Department Psychologie, Fakultät für Humanwissenschaften, Medical School Hamburg, Hamburg Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg
Zusammenfassung: Studien zur Wirkung von Lichttherapie auf den Nachtschlaf von Jugendlichen zeigen ein früheres Einschlafen und eine längere Schlafdauer. Die vorliegende Studie möchte entsprechende Effekte bei Kindern prüfen. 28 Kinder (M = 10.0; SD = 1.65 Jahre) mit Einund Durchschlafproblemen erhielten ein Lichttherapiegerät für die Heimanwendung. Die Wirkung wurde in einem A-B-A-B-Design mit vierfacher Messwiederholung überprüft. Eine Reduktion der Einschlafdauer um ca. 10 Minuten wurde festgestellt sowie signifikante Effekte kleinerer bis mittlerer Größe hinsichtlich der Einschlafschwierigkeiten, des nächtlichen Aufwachens und der Stimmung. Die Repräsentativität der Stichprobe ist eingeschränkt, jedoch entsprechen die Ergebnisse überwiegend den Befunden bei Jugendlichen. Durch den wöchentlichen Wechsel zwischen Anwendung und Nichtanwendung werden zeitlich trägere circadiane Effekte eher unterschätzt. Somit scheinen die Effekte übertragbar zu sein. Weitere Forschung ist jedoch notwendig. Schlüsselwörter: Licht, Lichttherapie, Schlaf, Schlafstörung, Kindheit
Effect of light therapy on the night sleep of children with sleep problems Abstract: Studies on the effect of light therapy on the nighttime sleep of adolescents revealed earlier sleep onset and longer sleep periods. The present study examines the corresponding effects in children. A group of 28 children (M = 10.0; SD = 1.65 years) with difficulties falling asleep and sleeping through the night received a light therapy device for home application. The effect was investigated by an A-B-A-B design with four measurement points. We detected significant, small- to medium-sized effects on the children’s sleep-onset problems and ability to sleep through the night as well as mood. Sleep onset was reduced by approximately 10 minutes. The representativeness of the sample is limited, but the results largely correspond to the findings in adolescents. Because of the weekly switch between application and nonapplication, the true circadian effects might be underestimated. In principle, however, the effects found in adolescents appear to be transferable to children, though further research is necessary. Keywords: light, light therapy, sleep, sleep disorder, childhood
Einleitung Natürliches Sonnenlicht wirkt sich physisch und psychisch auf den Menschen aus. Sonnenlicht synchronisiert die „innere Uhr“ und beeinflusst damit u. a. den Schlaf-WachRhythmus, unsere Energie, Lebensfreude, Motivation und Konzentration (vgl. Auras, Barkmann, Niemeyer, SchulteMarkwort & Wessolowski, 2016; Barkmann, Wessolowski & Schulte-Markwort, 2012; Rea, 2002; Wessolowski, Koenig, Schulte-Markwort & Barkmann, 2014). Lichttherapie führt bei Erwachsenen zu einer Stabilisierung des Schlaf-Wach-Rhythmus und somit auch zu einer vermehrten Aktivierung während des Tages sowie zu einer Verbes© 2019 Hogrefe
serung des emotionalen Wohlbefindens. Ähnliche Effekte werden bei der Behandlung von Jugendlichen mit Schlafstörungen beobachtet. Für die Altersgruppe der Kinder ist hinsichtlich der Behandlung von Schlafstörungen mit Lichttherapie wenig bekannt, obwohl Schlafprobleme bei Kindern weit verbreitet sind. So treten laut der repräsentativen KiGGS-Studie des Robert Koch-Instituts Einschlafprobleme bei 13.6 % und Durchschlafprobleme bei 4.9 % der Schulkinder im Alter zwischen 7 und 10 Jahren in Deutschland laut Selbstauskunft auf (Schlarb, Gulewitsch, Weltzer, Ellert & Enck, 2015). Die Folgen von Ein- und Durchschlafproblemen bei Kindern sind nicht zu vernachlässigen. Diese wirken sich negativ auf die kindliche Ge-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 123–131 https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000683
124
sundheit bzw. das Wohlbefinden aus und führen zu vermehrten Belastungen der Eltern und familiären Konflikten. Ziel der vorliegenden Studie war es, zu überprüfen, ob Lichttherapie ähnliche Wirkeffekte auf Ein- und Durchschlafprobleme bei Kindern zeigt wie bei Erwachsenen und Jugendlichen. Während eine kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung bei Ein- und Durchschlafstörungen typischerweise durch verhaltenstherapeutische Maßnahmen zur Stabilisierung circadianer Rhythmen erfolgt und angemessene Einschlafrituale fördert (vgl. z. B. Fricke-Oerkermann & Lehmkuhl, 2013; Knölker, Mattejat & SchulteMarkwort, 2000), sollte im Rahmen dieser Studie die Wirksamkeit von lichttherapeutischen Anwendungen im häuslichen Setting bei Ein- und Durchschlafproblemen überprüft werden. Unter Lichttherapie wird die gezielte Anwendung von Licht zu einer Heilentwicklung verstanden (vgl. Baumeier, 2000; Terman & Terman, 2005). Fachgerechte lichttherapeutische Anwendungen führen bei Erwachsenen zur Stabilisierung circadianer Rhythmen und werden u. a. bei der Behandlung von Schlafstörungen erfolgreich eingesetzt (vgl. z. B. Baumeier, 2000; Gradisar et al., 2011; Rea, 2002). Neurobiologisch lässt sich diese Wirkung durch die erhöhte Empfindlichkeit von speziellen Ganglienzellen auf der Retina für Licht mit hoher Beleuchtungsstärke und hohem Blauanteil erklären (vgl. Berson, Dunn & Takao, 2002; Brainard et al., 2001; Hattar, Liao, Takao, Berson & Yau, 2002). Diese sogenannten „intrensically photo sensitive retinal ganglion cells“ (ipRGCs) stellen einen dritten photosensitiven Rezeptortyp, neben Zapfen für die Farbwahrnehmung und Stäbchen für das Hell-Dunkel-Sehen, im Auge dar. Diese Ganglienzellen ziehen sich wie ein Spinnennetz über die Retina und sind über den retino-hypothalamischen Trakt (RHT) direkt mit dem Nucleus Suprachiasmaticus (SCN) im Hypothalamus verbunden. Der SCN ist der primäre Taktgeber für alle circadianen Körperfunktionen und steuert diese durch die Hormone Melatonin und Cortisol sowie die Proteine Cry und Per (vgl. z. B. Birbaumer & Schmidt, 2006; Kavaklı & Sancar, 2002; van Gelder, 2002). Aus dem Hormon Serotonin, welches auch das Wohlbefinden beeinflusst, wird in der Zirbeldrüse Melatonin erzeugt. Bei Licht wird die Bildung von Melatonin unterdrückt. Das Hormon Melatonin hat eine schlaffördernde Funktion und wird vermehrt abends und nachts ausgeschüttet. Durch Lichtinterventionen am Morgen kann zum einen der circadiane Rhythmus durch erfolgte Melatoninsupression nach vorne verlegt werden, zum anderen kann dadurch ein Rebound-Effekt, also eine verstärkte Ausschüttung des Melatonins, in den Abendstunden erwartet werden. Dies kann vor allem von chronologischen Spättypen genutzt werden. Cortisol wird indirekt über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA) in der Nebennierenrinde ausgeschüttet
N. Wessolowski et al., Lichttherapie bei Kindern mit Schlafproblemen
und steht auf diese Weise wahrscheinlich mit dem SCN und der Reaktion auf Licht in Verbindung. Das Steroidhormon Cortisol erfüllt eine Vielzahl an wichtigen Funktionen im menschlichen Körper z. B. bei Stressreaktionen, hat eine eher aktivierende Funktion und wird vor allem während des Tages ausgeschüttet. Es verläuft ungefähr gegensätzlich zur Ausschüttung von Melatonin und hat einen wichtigen Einfluss auf das Einschlafen und Erwachen (vgl. Jung et al., 2010). Der akute Einfluss von Licht auf den Cortisolspiegel kann bei hohen Beleuchtungsstärken belegt werden, die Befunde bei niedrigen Beleuchtungsstärken sind jedoch uneinheitlich (vgl. ebd.). Die Synchronisation der circadianen Rhythmik durch Licht wirkt sich u. a. auf die Tagesaktivität, den Schlaf und die Stimmung aus (vgl. z. B. Gradisar et al., 2011; Kavaklı & Sancar, 2002; van Gelder, 2002). Die Durchsicht der einschlägigen Abstract-Datenbanken Embase, MEDLINE, PsycINFO, PSYNDEX und PubMed zur Wirkung von Lichttherapie auf den Nachtschlaf offenbart folgende empirische Befunde. Die morgendliche Anwendung der Lichttherapie führt bei Erwachsenen zu einer Verbesserung des REM-Schlafes (Rapid Eye Movement; Kohsaka et al., 2000). Weiterhin fanden Kohsaka et al. nach morgendlicher Lichttherapie eine signifikant reduzierte Zeit, die insgesamt im Bett verbracht wurde, eine veränderte Schlafstruktur sowie eine Reduktion des nächtlichen Aufwachens. Die Studie von Stoll, Rodenbeck, Cohrs, Schierz und Kunz (2010) zeigte ebenfalls, dass Tageslicht am Morgen (8 bis 11 Uhr) die REM-Schlafdauer in der folgenden Nacht erhöht. Die Behandlung mit hellem Licht zieht den abendlichen Anstieg von Plasma-Melatonin und die morgendliche Beendigung des Schlafes um durchschnittlich eine Stunde vor. Dabei wird der REM-Schlaf beeinflusst, nicht aber die anderen Schlafphasen (Dijk, Beersma, Daan & Lewy, 1989). Außerdem zieht morgendliche Lichttherapie die Phasen des Temperaturrhythmus um 1.23 Stunden vor (Dumont & Carrier, 1997). In der Studie von Stoll et al. (2010) wurde auch die Wirkung abendlicher lichttherapeutischer Anwendungen auf Erwachsene untersucht. Diese führte sowohl zu einer Verzögerung der Phasen des Temperaturrhythmus um 1.62 Stunden als auch zu einer reduzierten Frühabend-Schlaftendenz. Allerdings ist der durch die abendliche Lichtexposition verursachte Phasensprung nicht groß genug, um einen systematischen Effekt auf die Schlafkonsolidierung oder REM-Schlafparameter festzustellen (Dumont & Carrier, 1997). Studien zur Wirkung von Lichttherapie auf den Nachtschlaf von Jugendlichen zeigen vergleichbare Ergebnisse wie die Erwachsenenstudien. So konnte beispielsweise von Auger, Burgess, Dierkhising, Sharma und Slocumb (2011) festgestellt werden, dass bei Jugendlichen früheres Einschlafen und längere Schlafdauer mit Lichteinflüssen
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 123–131
© 2019 Hogrefe
N. Wessolowski et al., Lichttherapie bei Kindern mit Schlafproblemen
am Morgen korreliert. Auch Figueiro und Rea (2012) konnten eine Verbesserung des Aufwachens und einen Einfluss auf den Cortisolspiegel bei Jugendlichen durch morgendliche Lichtanwendung nachweisen. Higuchi, Nagafuchi, Harada, Tanaka und Harada (2012) stellten auch bei abendlicher Anwendung von Lichttherapie bei n = 33 Grundschülern im Alter von 7 bis 11 Jahren eine stärkere nächtliche Suppression des Schlafhormons Melatonin fest als bei Erwachsenen. Demnach scheinen Kinder empfindlicher auf die Wirkung von Licht zu reagieren. Das verzögerte Schlafphasensyndrom korreliert dagegen mit verstärkten Lichteinflüssen am Abend. Die Kombination aus kognitiv-behavioraler Therapie und Lichttherapie führt bei Jugendlichen mit verzögertem Schlafphasensyndrom (Delayed Sleep Phase Disorder, DSPD) zu einer bedeutsamen Verbesserung hinsichtlich reduzierter Tagesschläfrigkeit, früheren Einsetzens des Schlafes, früheren Aufstehens, längerer Schlafdauer und reduzierten nächtlichen Aufwachens. Die Kombination erweist sich auch als effektiv, um multiple Schlaf- und tageszeitliche Beeinträchtigungen zu verbessern (Gradisar et al., 2011). Licht wirkt sich ebenfalls auf die subjektive Schlafqualität von Jugendlichen aus. So zeigte eine Studie an n = 62 depressiven Jugendlichen im Alter von 13 bis 18 Jahren eine Verbesserung der subjektiven Schlafqualität, sowohl in einer Lichttherapiegruppe als auch in einer Gruppe, die Licht- und Aufwachtherapie erhielt (Gest et al., 2016). Ein signifikanter Gruppenunterschied zugunsten der Lichttherapiegruppe wurde ebenfalls beim Verlauf der depressiven Symptomatik (Gruppe x Zeit) festgestellt (Gest et al., 2016). Eine kontrollierte Studie von Bogen, Legenbauer, Gest und Holtmann (2016) mit n = 57 depressiven jugendlichen Patientinnen und Patienten zeigte bei lichttherapeutischen Anwendungen eine signifikante Verbesserung der subjektiven Schlafqualität zugunsten der Experimentalgruppe „Bright-Light“. Eine signifikante Verbesserung depressiver Symptome wurde allerdings sowohl in der sogenannten Placebogruppe „Inactive Light“ als auch in der Experimentalgruppe festgestellt. In anderen Studien zeigen sich deutlichere Effekte von Lichttherapie als einfache und wirksame Behandlungsform hinsichtlich depressiver Beschwerden bei Kindern und Jugendlichen (Gest et al., 2016; Niederhofer & von Klitzing, 2011; Steinberger & Griesser, 2004). Lichttherapie wirkt ebenfalls bei saisonal abhängigen Depressionen (Seasonal Affective Disorder, SAD) nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern (Krysta, Krzystanek, JanasKozik & Krupka-Matuszczyk, 2012; Magnusson, 1998). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Wirkung von Licht auf das Schlafverhalten bei Erwachsenen bereits im größeren Umfang erforscht wurde, während der Erkenntnisstand zur Wirkung bei Kindern weniger weit fortgeschritten ist. Fraglich ist auch, ob in der hier vorlie© 2019 Hogrefe
125
genden Studie, dem Pilotversuch einer praktischen Anwendung im häuslichen Setting bei Kindern mit Schlafproblemen und nichtdiagnostizierten Störungen ähnliche Effekte wie in den hier aufgeführten Referenzstudien gefunden werden. Aus diesem Grund soll die Wirksamkeit der lichttherapeutischen Anwendung am Tage auf Kinder primär auf die subjektive Bewertung des Nachtschlafes überprüft werden.
Methodik Design Die Wirkung lichttherapeutischer Anwendung am Tage wurde bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu Hause im A-B-A-B-Design erhoben. Im A-B-A-B-Design wurden die gleichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer in zeitlich festgelegter Abfolge hintereinander unter Kontroll-, Interventions-, Kontroll- und Interventionsbedingung gemessen, wobei jeweils nach einer Woche Anwendung/ Nichtanwendung der Lichttherapie ein Fragebogen bearbeitet wurde.
Stichprobenansatz Die über einen redaktionellen Zeitungsaufruf im Hamburger Abendblatt rekrutierte Population von n =30 war aufgrund der Einschlusskriterien eingeschränkt. Zu den Einschlussbedingungen gehörten Schlafschwierigkeiten entsprechend des Cut-Off-Wertes des eingesetzten Schlaffragebogens sowie des Alters zwischen 6 und 13 Jahren. Ausschlusskriterien waren Augenoperationen in den letzten 12 Monaten, Augenerkrankungen, die das Vermeiden von hellem Licht erfordern, Krebserkrankungen, geistige Behinderungen sowie eine diagnostizierte psychische Erkrankung in den letzten 12 Monaten. Aufgrund der Erkrankung einer Mutter und der nichterfolgten Angabe des Fragebogenmaterials einer weiteren Familie kam es in zwei Fällen zum Abbruch der Studie. Ansonsten gab es keine nennenswerten Abweichungen. Kleinere Abweichungen (wie Ausfall der Anwendung durch z. B. Schulausflüge) wurden von den Eltern auf einem Protokoll vermerkt, traten aber nur vereinzelt auf. Ein positives Ethikvotum wurde von der Ärztekammer Hamburg erteilt (PV4145). Für die lichttherapeutische Anwendung erhielten die teilnehmenden Familien ein Lichttherapiegerät (Philips EnergyLight HF3319/01 mit jeweils zwei Leuchtstoffröhren PL-L 36 W) für zu Hause und eine Einführung durch den Testleiter vor Ort. Die verwendeten Lichttherapiege-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 123–131
126
räte verfügten über eine ähnlichste Farbtemperatur von ca. 4000 Kelvin und über eine Beleuchtungsstärke von bis zu 10 000 Lux (in Abhängigkeit der Entfernung vom Bezugsgegenstand). Die Lichtanwendungen/Nichtanwendungen erfolgten insgesamt über einen Zeitraum von 4 Wochen. Die täglichen Anwendungen sollten bis mittags erfolgen und mindestens jeweils eine halbe Stunde dauern (Terman & Terman, 2005).
Messinstrumente Als abhängige Variable wurde in beiden Modulen die subjektive Wahrnehmung des Nachtschlafes betrachtet. Dazu wurden folgende Skalen zweier etablierter Fragebogen verwendet und die Items beider Instrumente wurden für Kinder sprachlich angepasst. Zur Messung der Bewertung des Nachtschlafes wurden die Skalen Einschlafschwierigkeiten, Durchschlafschwierigkeiten, vorzeitiges Aufwachen, allgemeine Schlafcharakterisierung und Gesamtschlafdauer aus dem Schlaffragebogen (SF-B/R) von Görtelmeyer (2011) verwendet. Die Reliabilität der fünf Skalen beträgt Cronbachs Alpha r= .87 (Görtelmeyer, 2004). Ein Beispiel für ein sprachlich angepasstes Item der Skala Einschlafschwierigkeiten ist: „Wie häufig kam es letzte Woche an Wochentagen vor, dass du nach dem Schlafenlegen sofort eingeschlafen bist?“ (Antwort: fünfstufige Likertskala von nie bis immer). Aus dem Pittsburgher Schlafqualitätsindex (PSQI; Buysse, Reynolds III, Monk, Berman & Kupfer, 1989) wurde die Skala Schlafdauer in der Elternbefragung aus der zeitlichen Differenz zwischen Einschlafen und Aufwachen der Kinder ermittelt. Ergänzend wurde die subjektive Stimmung der Kinder mit der Eigenschaftswörterliste für Kinder und Jugendliche (EWL-KJ-20) von Janke und Janke (2009) erfasst. Die EWL-KJ-20 enthält zwei Skalen negatives und positives Befinden mit einer angegebenen Reliabilität von Cronbachs Alpha .8 bis .9. Letztere Skala enthält beispielsweise das Item „Im Moment fühle ich mich fröhlich“ (Antwort: vierstufig likertskaliert, von gar nicht bis sehr). Folgende Störgrößen wurden kontrolliert: • Alter und Geschlecht • Krankheit • Tätigkeit während der lichttherapeutischen Anwendung (Protokoll) • Sozialschichtindex der Eltern (Winkler & Stolzenberg, 1999) • Nationalität • Teilnahmemotivation (eigene Likert-Items) • Wirksamkeitserwartung (eigene Likert-Items, bzgl. der Zielgrößen)
N. Wessolowski et al., Lichttherapie bei Kindern mit Schlafproblemen
• • •
aktuelle Belastung, körperlich und psychosozial (eigene Likert-Items) Chronotyp (Fremdrating Eltern mit Munich Chronotype Questionnaire; Roenneberg & Merrow, 2006) Uhrzeit der erfolgten Testung
Datenerhebung Die Datenerhebung zur lichttherapeutischen Anwendung am Tage fand bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der Zeit vom 12. März bis 30. September 2012 zu Hause statt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden über einen Zeitungsaufruf gesucht und erhielten eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 50,– €. Die Eltern wurden telefonisch vom Testleiter über die Studie informiert und die Einschlusskriterien aufgeklärt. Des Weiteren wurden die Eltern gebeten, die Informationen an ihre Kinder weiterzugeben und die Bereitschaft zur Teilnahme zu erörtern. Eltern und Kinder erhielten dann postalisch Informationsmaterial. Bei Einverständnis wurde ein Termin für die Testung der Lichtanwendung vereinbart. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bekamen vom Testleiter ein Lichttherapiegerät EnergyLight und das Fragebogenmaterial nach Hause geliefert und erhielten dort eine Einführung zum Gerät. Eltern und Kinder wurden über die Bedienung des Lichttherapiegeräts, den empfohlenen Abstand von ca. 0.5 m (Herstellerangabe), die Tageszeit der Anwendung nach dem morgendlichen Aufstehen sowie ergänzend bis 15 Uhr nachmittags, der Dauer der Anwendung von mindestens 30 Minuten täglich sowie über das Setting (Gesicht dem Gerät zugewandt und gelegentlicher direkter Augenkontakt z. B. beim Frühstücken) entsprechend den modifizierten Empfehlungen für Erwachsene instruiert (vgl. z. B. Wirz-Justice & Bromundt, 2013). Die Befragung zur Schlafqualität und zum Zusatzeffekt erstreckte sich auf die Woche vor dem Termin (ohne Lichtanwendung), auf die erste Woche der Studie mit Lichtanwendung, auf die zweite Woche der Studie ohne Lichtanwendung und die dritte Woche der Studie mit wiederholter Lichtanwendung. Die Lichtanwendung erfolgte täglich für mindestens 30 Minuten in der Zeit zwischen 7 und 15 Uhr bei den Teilnehmern zu Hause, die währenddessen an einem Tisch saßen, z. B. während der Hausaufgaben.
Statistische Auswertung Die deskriptive Auswertung wurde mithilfe von Tabellen, Grafiken und statistischen Verteilungskennwerten vorgenommen. Zur Exploration und Hypothesenprüfung wurden v. a. schwerpunktmäßig Mehrebenenanalysen in SPSS (Version 25 für Mac OS) verwendet. Erwartet wurden mitt-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 123–131
© 2019 Hogrefe
N. Wessolowski et al., Lichttherapie bei Kindern mit Schlafproblemen
127
lere Effektgrößen. Wichtige Analyseeinheiten sind Unterschiede zwischen der wiederholten Kontrollbedingung und der entsprechenden Lichtexposition. Die Kontrollgrößen wurden durch Korrelationen auf die Zielgrößen überprüft (hier nicht dargestellt) und aufgrund der Beschränkung durch die zur Verfügung stehenden Freiheitsgrade die beiden Kontrollgrößen (Alter und Geschlecht) mit dem höchsten Einfluss auf die Zielgrößen als Kovariaten ausgewählt und in der Mehrebenenanalyse berücksichtigt. Zuvor wurden die abhängigen Variablen und Kontrollgrößen auf Normalverteilung mittels Betrachtung der Schiefe und Kurtosis erfolgreich überprüft.
der a priori M = 71.8 (SD = 46.80) Minuten zum Einschlafen und wachten nachts M = 1.7 (SD = 1.20) mal bemerkt von den Eltern auf. Die Zellenbesetzung erlaubte keine separate Auswertung nach Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten oder die Aufnahme dieser Variablen in das Modell der Mehrebenenanalyse, da nur ein Teilnehmer eine ausschließliche Durchschlafstörung aufwies und die Zellen somit nicht ausreichend besetzt waren. Entsprechend der vorher definierten Einschlussbedingungen wurde dieser Fall jedoch in der Stichprobe berücksichtigt. Tabelle 2 stellt die klinische Gradierung der Ein- bzw. Durchschlafschwierigkeiten der teilnehmenden Kinder entsprechend dem SFB/R Score zum ersten Messzeitpunkt dar.
Ergebnisse
Mehrebenenanalyse
Stichprobenbeschreibung
Tabelle 3 gibt eine Übersicht über die in der Studie festgestellten Effekte. Bis auf einen Fall werden signifikante Unterschiede von kleiner Größe, entsprechend der Einteilung nach Cohen (1988), zwischen der Interventions- und Kontrollbedingung festgestellt. In Bezug auf das Einschlafen werden drei signifikante Effekte festgestellt: • So wird ein signifikanter Effekt des Faktors Licht auf die Einschlafproblematik aus Sicht der Kinder festgestellt. Das bedeutet, dass die Einschlafproblematik eines durchschnittlichen Teilnehmers um 5.1 % bei Lichttherapie reduziert wurde und die Einschlafproblematik vom Alter und Geschlecht der Teilnehmer beeinflusst wurde.
Die Stichprobenpopulation bestand aus Familien, deren Kinder an Ein- oder Durchschlafbeschwerden litten und sich zur Studienteilnahme bereit erklärt hatten. Insgesamt umfasste die Studienstichprobe N = 28 Kinder im Alter zwischen 6 und 13 Jahren (53.6 % Jungen, 46.4 % Mädchen) sowie deren Eltern. Das Durchschnittsalter der teilnehmenden Kinder betrug ca. 10 Jahre (SD = 1.65). In Bezug auf die Verteilung des Sozialschichtindex wurde eine stärkere Beteiligung der gehobenen Schicht mit 77.8 % (n = 21) gegenüber der mittleren mit 18.5 % (n = 5) und der niedrigen mit 3.7 % (n = 1) festgestellt. Dieser Index wurde über den Schulabschluss und die berufliche Tätigkeit der Eltern in Anlehnung an Winkler und Stolzenberg (1999) berechnet. Des Weiteren wurde der Chronotyp nach Roenneberg und Merrow (2006) bestimmt. Anteilig waren die Frühtypen stärker repräsentiert als erwartet (95.8 %), wohingegen die Normal- (0 %) und Spättypen (4.2 %) gar nicht bis weniger stark repräsentiert waren. Allerdings liegen normierte Vergleichsdaten erst ab dem 13. Lebensjahr vor (vgl. ebd.). Die Lichtanwendung erfolgte mehrheitlich (61.1 %) morgens vor Schulbeginn um 8 Uhr und ansonsten ersatzweise bis zum Nachmittag (38.9 %). Als häufigster Grund für die Anwendung am Nachmittag wurde zu wenig Zeit zwischen Aufstehen und Schulbeginn genannt. Durchschnittlich 45 Minuten nutzten die Kinder die Lichtanwendung pro Tag und somit 15 Minuten länger als mindestens empfohlen. Des Weiteren wird in Tabelle 1 die Zellenbesetzung nach Ausgangsymptomatik entsprechend des SF-B/R Score dargestellt. Insgesamt weist die gesamte Stichprobe a priori häufige bis anhaltende Einschlafschwierigkeiten (M = 3.3; SD = 0.57; Range = 1.7–4.6) und weniger stark ausgeprägte Durchschlafschwierigkeiten auf (M = 2.6; SD = 1.89; Range = 1.0–4.8). Nach Angaben der Eltern benötigten die Kin© 2019 Hogrefe
Tabelle 1. Stichprobenzusammensetzung nach Ausgangssymptomatik der teilnehmenden Kinder. Ausgangsymptomatik
n (%)
Einschlafschwierigkeiten
15 (53.6 %)
Durchschlafschwierigkeiten
1 (3.6 %)
beides
12 (42.9 %)
Tabelle 2. Gradierung der Ein- bzw. Durchschlafschwierigkeiten der teilnehmenden Kinder. klinische Gradierung
Einschlafschwierigkeiten
Durchschlafschwierigkeiten
keine bis seltene
1 (3.6 %)
15 (53.6 %)
häufige
7 (25.0 %)
11 (39.3 %)
20 (71.4 %)
2 (7.1 %)
schwerwiegende und anhaltende
Anmerkung: Diese Einstufung basiert auf der Erwachsenennormstichprobe. Normdaten für Kinder liegen derzeit für den SF-B/R nicht vor (vgl. Görtelmeyer, 2011).
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 123–131
128
N. Wessolowski et al., Lichttherapie bei Kindern mit Schlafproblemen
Tabelle 3. Hauptergebnisse der Mehrebenenanalyse mit zufälligen Effekten (linearer zeitlicher Verlauf, Versuchsbedingungen). Ergebnis unter Berücksichtigung der Kontrollgrößenskalen
n
IB M (SEM)
KB M (SEM)
F
df
p
Effekt
Kovariaten
Einschlafschwierigkeiten Einschlafschwierigkeiten (SF-B/R Score)
28
Einschlafdauer der Elternbefragung (in Minuten) 26 Einschlafprobleme der Elternbefragung (Anzahl pro Nacht)
25
3.2 (0.11)
3.4 (0.11)
2.907
55
.047*
–0.16
Alter***, Geschlecht**
56.8 (6.07)
66.5 (6.07)
8.346
49
.003**
–9.72
Alter**, Geschlecht
1.8 (0.40)
2.0 (0.40)
2.823
70
.049*
–0.27
Alter, Geschlecht
Durchschlafschwierigkeiten Durchschlafschwierig-keiten (SF-B/R Score)
27
1.4 (0.20)
1.3 (0.20)
0.011
76
.457
0.01
Alter**, Geschlecht
Nächtliches Aufwachen der Elternbefragung (Anzahl pro Nacht)
25
0.7 (0.16)
0.9 (0.16)
3.608
46
.032*
–0.18
Alter, Geschlecht
Zusatzeffekte Positives Befinden (EWL-KJ-20 Score)
27
2.1 (0.16)
1.9 (0.16)
4.000
77
.025*
0.15
Alter, Geschlecht
Negatives Befinden (EWL-KJ-20 Score)
27
0.3 (0.06)
0.4 (0.06)
2.826
74
.049*
–0.09
Alter, Geschlecht
Anmerkungen: IB = Interventionsbedingung; KB = Kontrollbedingung; Effekt = Steigungskoeffizient des auf Regressionen basierenden Verfahrens; SF-B/R = Schlaffragebogen B; EWL-KJ-20 = Eigenschaftswörterliste für Kinder und Jugendliche; * p < .05; ** p < .01; *** p < .001.
•
•
Somit schliefen ältere Kinder und Mädchen schlechter ein. Nach Einschätzung der Eltern lässt sich ebenfalls eine signifikante Verbesserung der Einschlafdauer feststellen. Das bedeutet, dass während der Lichttherapiephasen die Eltern von einer um 14.5 % reduzierten Einschlafdauer berichteten, was durchschnittlich in etwa 10 Minuten bedeutet. Bedeutsame Geschlechtsunterschiede in der Einschlafdauer konnten nicht festgestellt werden, aber ein Einfluss des Alters der Kinder. Das bedeutet, dass ältere Kinder langsamer einschliefen. Aus Sicht der Eltern verbessert sich ebenso signifikant die Einschlafproblematik. Das bedeutet, dass während der Lichttherapiephasen die Eltern die Ausprägung der Einschlafproblematik um 10.0 % geringer bewerteten. Alter und Geschlecht der Kinder beeinflussten nicht bedeutsam die Einschätzung der Einschlafbeschwerden durch die Eltern.
Hinsichtlich des Durchschlafens werden dagegen widersprüchliche Effekte festgestellt: • So wird kein bedeutsamer Unterschied hinsichtlich des Faktors Licht auf die Durchschlafproblematik aus Sicht der Kinder festgestellt. Die Kontrollgröße Alter hat ei-
•
nen signifikanten Einfluss auf das Ergebnis, während die andere Kontrollgröße Geschlecht keinen maßgeblichen Einfluss darauf hat. Das bedeutet, dass die Durchschlafproblematik eines durchschnittlichen Teilnehmers nicht bedeutsam durch die Lichtintervention beeinflusst wurde und jüngere Kinder signifikant mehr Durchschlafschwierigkeiten als ältere aufwiesen. Aus Sicht der Eltern verändert sich aber die Häufigkeit des nächtlichen Aufwachens bedeutsam zwischen den Messzeitpunkten. Diese wird von ihnen deskriptiv um 22.2 % geringer bewertet während der Phasen der Lichtintervention. Alter und Geschlecht hatten keinen bedeutsamen Einfluss auf die berichtete Anzahl des nächtlichen Aufwachens.
Bei der subjektiven Stimmung der teilnehmenden Kinder können signifikante Veränderungen hinsichtlich positiver und negativer Stimmung festgestellt werden. Die Kontrollgrößen Alter und Geschlecht hatten dabei keinen maßgeblichen Einfluss. So erhöhte sich das positive Befinden eines durchschnittlichen Teilnehmers signifikant um 10.5 % während der Lichttherapiephasen und die negativen Stimmungszustände konnten um 25.0 % reduziert werden.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 123–131
© 2019 Hogrefe
N. Wessolowski et al., Lichttherapie bei Kindern mit Schlafproblemen
Diskussion Hinsichtlich der Einschlafschwierigkeiten wurde bei allen drei gemessenen Parametern eine signifikante Verbesserung während der lichttherapeutischen Anwendung festgestellt. Bei der Bewertung der Durchschlafschwierigkeiten durch die Kinder wurde keine Verbesserung während der Anwendung festgestellt, wobei das nächtliche Aufwachen der Kinder während der Lichtexposition laut der Eltern jedoch signifikant abnahm. Während der Lichtanwendung sind ebenfalls eine signifikante Verbesserung der positiven Stimmung und eine signifikante Abnahme von negativen Emotionen festgestellt worden. Die Effekte von kleiner Größe, entsprechend der Einteilung nach Cohen (1988), fallen jedoch etwas geringer aus als ursprünglich erwartet. Zwar wurde die vorliegende Studie im häuslichen Setting praxisnah in Selbstanwendung im natürlichen Umfeld durchgeführt, was für eine hohe externe Validität spricht, doch trotz hohem Aufwand bei der Kontrolle der Störgrößen bleiben selbstverständlich die Nachteile von Feldstudien hinsichtlich der internen Validität bestehen. Letztendlich kann unter methodischen Gesichtspunkten die Stichprobengröße als kritisch betrachtet werden. Auch da die Effekte kleiner als erwartet ausfielen. Eine größere Stichprobe war jedoch mit den zur Verfügung stehenden Zeit- und Geldmitteln nicht zu bewerkstelligen. Durch die geringe Stichprobengröße sind Subgruppen bzw. die Zellenbesetzung zu klein, um entsprechende Gruppen beispielsweise nach der Ausgangsdiagnostik Einoder Durchschlafstörung bilden und auswerten zu können. Des Weiteren ist aufgrund der Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich freiwillig auf eine Zeitungsanzeige meldeten, und der geringen Stichprobengröße die Repräsentativität eingeschränkt. Da depressive Störungen bei Erwachsenen häufig in Komorbidität mit Schlafstörungen stehen, wäre eine genauere Betrachtung depressiver Symptome wünschenswert gewesen. Allerdings wurden Traurigkeit und Niedergeschlagenheit unter dem Aspekt physische und psychische Gesundheit, die keinen bedeutsamen Einfluss bei dieser Befragung besaß, berücksichtigt und die Befragungszeit für Kinder und Jugendlichen nicht noch weiter ausgedehnt. Ein weiterer Kritikpunkt aus methodischer Sicht ist, dass die Jahreszeit über den Untersuchungszeitraum variiert. So erstreckten sich die nur zum Teil parallel stattfindenden Testungen bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu Hause über Frühling, Sommer und Herbst. Während von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Perioden mit wenig Sonnenschein größere Effekte berichtet wurden, konnte in der statistischen Kontrolle über die Sonnenscheindauer pro Tag kein relevanter Einfluss festgestellt werden. Andere damit verbundene mögliche saisonale Wirkfaktoren (Sommer-/Winterzeit, Pollenflug, im Freien © 2019 Hogrefe
129
verbrachte Zeit etc.) konnten dagegen nicht kontrolliert werden. Kritisch kann auch die große Zeitspanne von morgens bis nachmittags für die Lichtintervention gesehen werden. Denkbar wäre gewesen den Zeitpunkt der Lichtintervention individuell nach Chronotyp bzw. entsprechend dem „Dim light melatonin onset“ (DLMO) auszurichten (vgl. z. B. Pandi-Perumal et al., 2007). Andererseits sollte in der vorliegenden Feldstudie aber auch der Effekt von Lichttherapie unter realistischen und weitestgehend uneingeschränkten Bedingungen stattfinden. Die Effekte der Lichttherapie werden somit also eher unterschätzt, auch da der wöchentliche Wechsel zwischen Anwendung und Nichtanwendung aus chronobiologischer Sichtweise relativ kurz gewählt wurde, um die Dauer der Studie für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer akzeptabel zu gestalten. In allen drei getesteten Parametern zur Einschlafproblematik wurden signifikante Effekte festgestellt. Das bedeutet, dass eine Verbesserung der Einschlafproblematik einheitlich sowohl von den Eltern als auch den Kindern berichtet wurde. Das Untersuchungsergebnis gibt erste Hinweise darauf, dass die bei Erwachsenen und Jugendlichen festgestellten Effekte von morgendlicher Lichttherapie auf das Einschlafen auf Kinder übertragbar sind. So konnten beispielsweise Kohsaka et al. (2000) eine Verbesserung von Einschlafproblemen bei Erwachsenen durch Lichttherapie feststellen und Dijk et al. (1989) zeigen, dass es möglich ist, die Zeit des Einschlafens durch Lichtinterventionen nach vorne zu verlegen. Die empirischen Studien mit Jugendlichen zeigen ebenfalls vergleichbare Ergebnisse. So stellen beispielsweise Auger et al. (2011) einen Zusammenhang zwischen morgendlicher Lichttherapie und verringerter Einschlafproblematik fest und eine Studie von Gradisar et al. (2011) zeigt die Wirksamkeit von zusätzlicher Lichttherapie auf Einschlafbeschwerden. Die Befunde zur Einschlafdauer lassen sich darüber hinaus auch in ihrer Wirkung durch die Vorverlegung des circadianen Rhythmus schlüssig erklären (vgl. z. B. Gradisar et al., 2011; Kavaklı & Sancar, 2002; van Gelder, 2002). Während bei der von den Kindern eingeschätzten Durchschlafproblematik keine bedeutsame Veränderung festgestellt wurde, berichteten die Eltern von einem signifikanten Rückgang des nächtlichen Aufwachens der Kinder. Diese unterschiedliche Sichtweise kann zum einen dadurch bedingt sein, dass die Anzahl des Aufwachens objektiver quantifizierbar war als die Selbsteinschätzung der Symptomschwere, oder zum anderen dadurch, dass das nächtliche Aufwachen von den Kindern subjektiv als wenig problematisch wahrgenommen wurde. Bei Erwachsenen konnte von Kohsaka et al. (2000) eine Reduktion des nächtlichen Aufwachens durch Lichttherapie festgestellt werden. Dies entspricht dem von den Eltern berichteten Rückgang des nächtlichen Aufwachens ihrer Kinder und widerspricht der Aussage der Kinder. Allerdings könnten
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 123–131
130
auch soziale Erwünschtheit, Testleiter- und Placebo-Effekt eine Rolle gespielt haben. Als Zusatzeffekt der lichttherapeutischen Anwendungen bei der Indikation Schlafstörung wurde eine signifikante Verbesserung des kurzfristigen emotionalen Erlebens festgestellt. So verbesserte sich die positive Stimmung während der Lichtanwendungen signifikant. Negativ empfundene Stimmungszustände nahmen signifikant ab. Lichttherapeutische Anwendungen zeigten sich in der Behandlung von saisonalen Stimmungsschwankungen (vgl. Baumeier, 2000; Terman & Terman, 2005) und depressiven Beschwerden bei Erwachsenen (z. B. Beauchemin & Hays, 1997; Martiny, Lunde, Unden, Dam & Bech, 2005; Yamada, Martin-Iverson, Daimon, Tsujimoto & Takahashi, 1995) als wirksam. Vergleichbare Effekte von Lichttherapie konnten auch bei Kindern beobachtet werden. So verringerte Lichttherapie SAD auch bei Kindern (Krysta et al., 2012; Magnusson, 1998) und wirkt im Kindes- und Jugendalter auch bei depressiven Beschwerden (Niederhofer & von Klitzing, 2011; Steinberger & Griesser, 2004). Ingesamt betrachtet entsprechen die festgestellten Effekte hinsichtlich der Stimmung somit dem aktuellen Forschungsstand und Lichttherapie scheint auch in der vorliegenden Studie einen positiven Zusatzeffekt auf die Stimmung zu haben. Die gefundenen Effekte sind von der Anzahl aus betrachtet hauptsächlich im Bereich der Einschlafschwierigkeiten zu finden. Dieses Ergebnis mag sicherlich durch die Stichprobe mitbedingt werden, da 27 von 28 teilnehmenden Kindern zu Studienbeginn über eine entsprechende Ausgangsproblematik verfügten. Dennoch scheint der Haupteffekt von morgendlichen lichttherapeutischen Anwendungen in einer Verbesserung der Einschlafproblematik zu liegen. Aus Sicht der teilnehmenden Kinder liegen die Vorteile der eingesetzten lichttherapeutischen Anwendung darin, dass für sie das Verfahren ohne nennenswerten Aufwand durchführbar ist, beispielsweise während des morgendlichen Frühstücks. Auch wurde die Lichttherapie als wenig invasiv oder stigmatisierend von den Kindern erlebt. Nennenswerte Nebenwirkungen wurden nicht berichtet, jedoch über eine gewisse Eingewöhnungsphase an die hohe Beleuchtungsstärke. Diese Einschätzungen wurden weitestgehend von den Eltern geteilt. Zusätzlich berichteten die Eltern, dass die Durchführung der lichttherapeutischen Maßnahmen zu einer zusätzlichen Verfestigung von Tagesstrukturen beitrage, jedoch aus organisatorischen Gründen manchmal schwer im Alltag umzusetzen sei. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass bei schwerwiegenden Schlafstörungen lichttherapeutische Maßnahmen in den seltensten Fällen eine zusätzliche psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung ersetzen. Auch können lichttherapeutische Anwendungen selbstverständlich nicht eine liebevolle und fördernde Eltern-Kind-Beziehung, feste Tagesstrukturen wie
N. Wessolowski et al., Lichttherapie bei Kindern mit Schlafproblemen
Einschlafrituale und Verhaltensweisen sowie eine Gelassenheit und Entkatastrophisierung im Umgang mit der Schlafstörung ersetzen. Lichttherapeutische Anwendungen scheinen bei Kindern jedoch insbesondere die Einschlafproblematik zu reduzieren und einen positiven Einfluss auf den Nachtschlaf zu haben. Weitere randomisierte Studien werden benötigt, um die Evidenz zu erklären sowie zu erforschen, welche Faktoren die Wirkung von Lichttherapie verbessern und welche praktischen Erfahrungen im begleitenden Einsatz kombinierter Behandlungsangebote gesammelt werden können.
Literatur Auger, R., Burgess, H., Dierkhising, R., Sharma, R. & Slocumb, N. (2011). Light exposure among adolescents with delayed sleep phase disorder: A prospective cohort study. Chronobiology International, 28(10), 911–920. Auras, M. I., Barkmann, C., Niemeyer, M., Schulte-Markwort, M. & Wessolowski, N. (2016). Wirksamkeit von variablem Licht in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 44(2), 148–157. Barkmann, C., Wessolowski, N. & Schulte-Markwort, M. (2012). Efficacy and applicability of dynamic light in schools. Physiology & Behavior, 129(5), 565–581. Baumeier, D. (2000). Der Einfluss von Licht auf die Psyche (Unveröffentlichte Dissertation). Universität Leipzig. Beauchemin, K. M. & Hays, P. (1997). Phototherapy is a useful adjunct in the treatment of depressed in-patients. Acta Psychiatrica Scandinavica, 95(5), 424–427. Berson, D. M., Dunn, F. A. & Takao, M. (2002). Phototransduction by retinal ganglion cells that set the circadian clock. Science, 295(5557), 1070–1073. Birbaumer, N. & Schmidt, R.-F. (2006). Biologische Psychologie (6., vollständig überarbeitete und ergänzte Aufl.). Berlin: Springer. Bogen, S., Legenbauer, T. Gest, S. & Holtmann, M. (2016). Lighting the mood of depressed youth: Feasibility and efficacy of a 2 week-placebo controlled bright light treatment for juvenile inpatients. Journal of Affective Disorders, 190, 450–456. Brainard, G. C., Hanifin, J. P., Greeson, J. M., Byrne, B., Glickman, G., Gerner, E. et al. (2001). Action spectrum for melatonin regulation in humans: Evidence for a novel circadian photoreceptor. The Journal of Neuroscience, 21(16), 6405–6412. Buysse, D. J., Reynolds III, C. F., Monk, T. H., Berman, S. R. & Kupfer, D. J. (1989). The Pittsburgh Sleep Quality Index: A new instrument for psychiatric practice and research. Psychiatry Research, 28(2), 193–213. Cohen, J. (1988). Statistical power analysis for the behavioral sciences (2nd ed.). Hillsdale, NJ: Erlbaum. Dijk, D. J., Beersma, D. G., Daan, S. & Lewy, A. J. (1989). Bright morning light advances the human circadian system without affecting NREM sleep homeostasis. American Journal of Physiology, 256(1), R106–111. Dumont, M. & Carrier, J. (1997). Daytime sleep propensity after moderate circadian phase shifts induced with bright light exposure. Sleep, 20(1), 11–17. Figueiro, M. & Rea, M. (2012). Short-wavelength light enhances cortisol awakening response in sleep-restricted adolescents. International Journal of Endocrinology. ID 301935. Fricke-Oerkermann, L. & Lehmkuhl, G. (2013) Schlafstörungen. In F. Petermann (Hrsg.), Lehrbuch der Klinischen Kinderpsycholo-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 123–131
© 2019 Hogrefe
N. Wessolowski et al., Lichttherapie bei Kindern mit Schlafproblemen
gie (7., überarbeitete und erweiterte Aufl., S. 621–638). Göttingen: Hogrefe. Gest, S., Holtmann, M., Bogen, S., Schulz, C., Pniewski, B. & Legenbauer, T. (2016). Chronotherapeutic treatments for depression in youth. European Child & Adolescent Psychiatry, 25(2016), 151–161. Görtelmeyer, R. (2004). Reliability and validitiy of the new sleep questionaire SAAQ for clinical evaluation trials. Journal of Sleep Research, 13(Suppl. 1), 272–272 Görtelmeyer, R. (2011). SF-A/R und SF-B/R – Schlaffragebogen A und B – Revidierte Fassung. Göttingen: Hogrefe. Gradisar, M., Dohnt, H., Gardner, G., Paine, S., Starkey, K., Menne, A. et al. (2011). A randomized controlled trial of cognitive-behavior therapy plus bright light therapy for adolescent delayed sleep phase disorder. Sleep, 34(12), 1671–1680. Hattar, S., Liao, H.-W., Takao, M., Berson, D. M. & Yau, K.-W. (2002). Melanopsin-containing retinal ganglion cells: Architecture, projections, and intrinsic photosensitivity. Science, 295(5557), 1065–1070. Higuchi, S., Nagafuchi, Y., Harada, T., Tanaka, I. & Harada, K. (2012). Influence of domestic light at night on melatonin concentration and circadian phase in Japanese children. Journal of Sleep Research, 21(Suppl. 1), 209. Janke, B. & Janke, W. (2009). Die EWL-KJ. Ein Verfahren zur Erfassung der Befindlichkeit bei Kindern und Jugendlichen. Göttingen: Hogrefe. Jung, C. M., Khalsa, S. B. S., Scheer, F., Cajochen, C., Lockley, S. W., Czeisler, C. A. et al. (2010). Acute effects of bright light exposure on cortisol levels. Journal of Biological Rhythms, 25(3), 208–216. Kavaklı, Í. H. & Sancar, A. (2002). Circadian photoreception in humans and mice. Molecular Interventions, 2(8), 484–492. Knölker, U., Mattejat, F. & Schulte-Markwort, M. (2000). Kinderund Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Systematisch. Bremen: Uni-Med Verlag. Kohsaka, M., Fukuda, N., Kobayashi, R., Honma, H., Sakakibara, S., Koyama, E. et al. (2000). Effect of short duration morning bright light in elderly men: Sleep structure. Psychiatry & Clinical Neurosciences, 54(3), 367–368. Krysta, K., Krzystanek, M., Janas-Kozik, M. & Krupka-Matuszczyk, I. (2012). Bright light therapy in the treatment of childhood and adolescence depression, antepartum depression, and eating disorders. Journal of Neural Transmission, 119(10), 1167–1172. Magnusson, A. (1998). Light therapy to treat winter depression in adolescents in Iceland. Journal of Psychiatry & Neuroscience, 23(2), 118–122. Martiny, K., Lunde, M., Unden, M., Dam, H. & Bech, P. (2005). Adjunctive bright light in non-seasonal major depression: Results from patient-reported symptom and well-being scales. Acta Psychiatrica Scandinavica, 111(6), 453–459. Niederhofer, H. & von Klitzing, K. (2011). Therapy augmentation by bright light treatment for non-seasonal depression of adolescents. Clinical Neuropsychiatry, 8(3), 225–227. Pandi-Perumal, S. R., Smits, M., Spence, W., Srinivasan, V., Cardinali, D. P., Lowe, A. D. et al. (2007). Dim light melatonin onset (DLMO): A tool for the analysis of circadian phase in human sleep and chronobiological disorders. Progress in Neuro-Psychopharmacology & Biological Psychiatry, 31(1), 1–11. Rea, M. S. (2002). Light – much more than vision. Retrieved from www.lrc.rpi.edu/programs/lightHealth/pdf/moreThanVision.pdf Roenneberg, T. & Merrow, M. (2006). Munich Chronotype Questionnaire (MCTQ). Retrieved from https://www.bioinfo.mpg.de/ mctq/core_work_life/core/introduction.jsp?language=deu
© 2019 Hogrefe
131
Schlarb, A. A., Gulewitsch, M. D., Weltzer, V., Ellert, U. & Enck, P. (2015). Sleep duration and sleep problems in a representative sample of german children and adolescents. Health, 7(11), 1397–1408. Steinberger, K. & Griesser, B. (2004). Lichttherapie bei Kindern und Jugendlichen. In S. Kasper & H.-J. Möller (Hrsg.), Herbst-/Winterdepression und Lichttherapie (S. 111–118). Wien: Springer. Stoll, C., Rodenbeck, A., Cohrs, S., Schierz, C. & Kunz, D. (2010). Daytime light and nighttime sleep – How does daytime light affect sleep, alertness and melatonin secretion? Journal of Sleep Research, 19(Suppl. 2), 186–187. Terman, M. & Terman, J. S. (2005). Light therapy for seasonal and nonseasonal depression: Efficacy, protocol, safety, and side effects. CNS Spectrums, 10(8), 647–663. van Gelder, R. N. (2002 ). Tales from the cryptochromes. Journal of Biological Rhythms, 17(2), 110–120. Wessolowski, N., Koenig, H., Schulte-Markwort, M. & Barkmann, C. (2014). The effect of variable light on the fidgetiness and social behavior of pupils in school. Journal of Environmental Psychology, 39(2014), 101–108. Winkler, J. & Stolzenberg, H. (1999). Der Sozialschichtindex im Bundesgesundheitssurvey. Gesundheitswesen, 61(Sonderheft 2), 178–183. Wirz-Justice, A. & Bromundt, V. (2013). Lichttherapie. Schlaf, 2(1), 20–29. Yamada, N., Martin-Iverson, M. T., Daimon, K., Tsujimoto, T. & Takahashi, S. (1995). Clinical and chronobiological effects of light therapy on nonseasonal affective disorders. Biological Psychiatry, 37(12), 831–897.
Danksagungen Wir danken den teilnehmenden Kindern sowie deren Eltern für die dreiwöchige Erprobung der lichttherapeutischen Anwendung und für die Bereitschaft zu wiederholten Befragungen. Frau Renate Schneider vom Hamburger Abendblatt danken wir für den Aufruf zur Teilnahme an unserer Studie. Frau Josephine Schulz danken wir für die Unterstützung bei der Studienorganisation. Dem Unternehmensbereich Lighting der Philips GmbH und dem Förderverein „Hamburg macht Kinder gesund e. V.“ danken wir für die finanzielle Unterstützung unserer Studie. Interessenkonflikte Die Autoren haben keinen Interessenkonflikt. Historie Manuskript eingereicht: 30.11.2018 Nach Revision angenommen: 16.06.2019 Artikel online: 08.08.2019
Dipl.-Psych. Dr. Nino Wessolowski MSH Medical School Hamburg University of Applied Sciences and Medical University Am Kaiserkai 1 20457 Hamburg Deutschland nino.wessolowski@medicalschool-hamburg.de
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 123–131
auf Jetzt h sc D e u t ch tli l erhä
Stanford-Binet Intelligenz-Skalen in der fünften Edition Das international bewährte Einzeltestverfahren zur Erfassung der Intelligenz ist jetzt neu als Deutsche Version erhältlich. Altersspanne von 4 bis 83+ Jahren. Die Intelligenzwerte der SB5 korrelieren hoch mit denen anderer, etablierter Intelligenztestverfahren. Für spezifische Personengruppen (überdurchschnittliche Intelligenz, Intelligenzminderung, fremdsprachiger Hintergrund, Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten und ADHS) zeigen sich erwartungskonforme Intelligenzprofile. Test komplett bestehend aus: • Manual • Normtabellen • 10 Protkollheften • Aufgabenbücher 1 bis 3 • 10 blaue Formbrettfiguren, 9 grüne Würfel, 9 rote Zählreihen, Formenbrett • 30 Sortierkarten, Kinderkarte, Layout-Karte, weisse A4-Unterlage • Becher, Ente, Vogel, Löffel, Katze, Softball Best.-Nr. 03 189 01 Test komplett: € 1028,00 (1099,96 inkl. MwSt.) CHF 1172.50 (1262.78 inkl. MwSt.)
Die SB5 eignen sich für die Anwendung in der Intelligenzdiagnostik, in der Entwicklungs- und Schulpsychologie, Erziehungs- und Familienberatung, Pädiatrie, Sonder- und Heilpädagogik, klinischen Psychologie, Psychiatrie, Neuropsychologie, Geriatrie sowie Berufs- und Laufbahnberatung. Zusätzlich bietet das Verfahren • Die Erfassung der fünf Intelligenzfaktoren Fluides Schlussfolgern, Wissen, Quantitatives Schlussfolgern, Visuell-Räumliche Verarbeitung und Arbeitsgedächtnis • Die Erfassung der vier Intelligenzwerte Gesamt-IQ, IQ-Screening, Nonverbaler IQ und Verbaler IQ reliabel und valide • Eine große Altersspanne von 4 bis 83+ Jahren • Umfangreiche und für Kinder ansprechend gestaltete Materialien • Varierende Durchführungsdauer je nach gewählter Testvariante
Originalarbeit
Segen oder Fluch? Das Internet als Informationsquelle über Autismus und Asperger-Syndrom Inge Kamp-Becker, Sanna Stroth, Thomas Stehr und Lisa Weber Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Philipps-Universität Marburg
Zusammenfassung: Fragestellung: Sehr viele Menschen informieren sich heutzutage über gesundheitsrelevante Themen im Internet, wobei die Qualität dieser Informationen fraglich ist. In der vorliegenden Studie soll beispielhaft für ein psychisches Störungsbild (Autismus-Spektrum-Störung) die Qualität der Informationsquelle Internet sowie die sich daraus ergebenden Implikationen diskutiert werden. Methodik: Es wurde eine systematische Auswertung von 96 deutschsprachigen Internetseiten durchgeführt mit dem Ziel, neben konkreten Charakteristika der Internetseiten auch die Zuverlässigkeit der Publikationen, die Informationsdarstellung sowie die Gesamtqualität der Internetseiten zu bewerten und die sich aus der Darstellung ergebenden klinischen Implikationen zu analysieren. Ergebnisse: Nur bei 39 % der Internetseiten ließen sich Referenzen für wissenschaftlich fundierte Informationen feststellen, Werbung war hingegen auf 53 % der Internetseiten vorhanden. Die meisten falschen Informationen wurden im Bereich der „Behandlung“ (17 %) verbreitet. Bei 75 % der Internetseiten traf die Vollständigkeit nicht zu. Lediglich 10 % der Internetseiten thematisierte die Beeinträchtigung bzw. Belastung der Familien. Die Qualität der Seiten wurde bei 30 % als ungenügend, bei 41 % als mangelhaft und nur bei 6 % als gut beurteilt. Schlussfolgerungen: Ähnlich wie durch die bereits vorliegenden Analysen zu englischsprachigen Internetseiten festgestellt, können für viele der deutschsprachigen Seiten deutliche Qualitätsmängel konstatiert werden. Die Implikationen in Bezug auf Bestätigungsfehler, Stigmatisierung, Überidentifikation, Ingroup-Outgroup-Effekte, Kontrast- und Schneeballeffekte werden diskutiert. Schlüsselwörter: Autismus, Asperger-Syndrom, Autismus-Spektrum-Störung, mediale Darstellung, Internet-Recherche
Blessing or curse? The World Wide Web as information source for autism and Asperger Syndrome Abstract: Objective: The World Wide Web is today one of the most common methods used for obtaining health-related information, though the quality of the information is sometimes questionable. The present study addresses the quality of the information source internet and the resulting implications and discusses examples related to autism spectrum disorder. Method: We systematically evaluated 96 German websites, with the aim of estimating specific characteristic features, reliability of publications, presentation of information as well as overall website quality. We also analyzed the clinical implications of the presentations. Results: Only 39 % of the websites provided references to scientifically well-founded information, whereas advertisements were found on 53 % of websites. The greatest percentage of false information (17 %) was disseminated concerning therapy. 75 % of the websites provided incomplete information. Only 10 % of websites discussed the impairment or familial burden. The quality of information was insufficient on 30 %, poor on 41 %, and good on only 6 % of the websites. Conclusions: Similar to results available for English-language websites, the quality of German websites providing health-related information can be considered low. Implications concerning confirmation bias, stigma, overidentification, in-group/outgroup, contrast and snowball effects are discussed. Keywords: autism, Asperger syndrome, autism spectrum disorder, medial presentation, internet research
Einleitung Das Internet stellt eine zunehmend dominante Quelle gesundheitsrelevanter Informationen dar: War es im Jahr 2007 fast jeder Dritte (Prokosch, 2008), waren es laut Statistischem Amt der Europäischen Union im Jahr 2018 bereits 64 % der 16- bis 74-Jährigen in Deutschland, die in den letzten 3 Monaten das Internet zur Beschaffung von gesundheitsrelevanten Informationen genutzt hatten (Statistisches Amt der Europäischen Union, 2018). Auch inter© 2019 Hogrefe
netbasierte Interventionen und „Gesundheits-Apps“ werden häufig genutzt und kontrovers diskutiert (z. B. Klein et al., 2019). Das Internet stellt jedoch eine in seinen Inhalten weitgehend ungeprüfte bzw. nicht regulierte Informationsquelle dar und die Qualität der Informationen weist eine hohe Variabilität auf (Reavley & Jorm, 2011) bzw. wird als schlecht angesehen (Central Krankenversicherung AG, 2015). Aufgrund der Vielfalt der Informationsangebote fordern Verbraucherschützer Gütesiegel (Albrecht, 2018), da die Nutzung ungeprüfter Informationsangebote proble-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 133–143 https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000693
134
matische Folgen haben kann. Bereits bestehende Gütesiegel wie z. B. der Verhaltenskodex der Stiftung Health on the Net (HON) oder das Qualitätslogo des Aktionsforums Gesundheitsinformationssystem (afgis) bieten jedoch keine inhaltliche Prüfung der medizinischen Informationen. Im Vordergrund steht die Prüfung der Transparenz hinsichtlich Aspekten wie z. B. um welchen Autor es sich handelt, welche Qualifikation er besitzt und auf welche Datenquelle er bei der Erstellung zurückgegriffen hat, Aktualität, Erstellungs-/Änderungsdaten, Finanzierung, Sponsoring, Trennung von Werbung und redaktionellem Beitrag sowie bei der Vermittlungsqualität: Barrierefreiheit, Benutzerfreundlichkeit und Verständlichkeit. Das Internet bietet grundsätzlich die Möglichkeit, sich mit Erkrankungen auseinanderzusetzen und sich umfassend zu informieren – sofern es gelingt, die richtigen und verlässlichen Fakten aus der unüberschaubaren Fülle herauszufiltern. In vorliegenden Studien wurden zur Bewertung der Qualität Richtigkeit und Vollständigkeit der verbreiteten Informationen, Nutzerfreundlichkeit und Aktualität der Website sowie Angabe von Referenzen berücksichtigt. Es stellte sich heraus (Zschorlich et al., 2015), dass zur Einschätzung der Glaubwürdigkeit Design und Nutzerfreundlichkeit eine große, die inhaltliche Qualität hingegen eine untergeordnete Rolle spielt. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass eine Orientierung im Internet kaum neutral erfolgt, da individuelle Überzeugungen und Annahmen bei der Aufnahme und Bewertung von Informationen eine leitende Rolle spielen: Menschen unterliegen der Neigung, Informationen so auszuwählen, zu interpretieren und im Gedächtnis zu behalten, dass die eigenen Erwartungen bestätigt werden (Nickerson, 1998). Dies kann unter Umständen zu der Verfestigung einer Annahme führen, die dann durch konsultierte Spezialisten nur noch schwer aufzufangen oder zu widerlegen ist (= Bestätigungsfehler), was wiederum zu einer Verzögerung einer korrekten Diagnosestellung und entsprechenden therapeutischen Fehlversuchen führen kann. Daher sind neben den bereits vorliegenden Gütesiegeln, die insbesondere die Transparenz der Darstellung bewerten, auch eine Einschätzung und Diskussion der inhaltlichen Aspekte notwendig. In der vorliegenden Studie soll daher beispielhaft für die Autismus-Spektrum-Störung die Qualität der im Internet zur Verfügung gestellten Themenseiten sowie die sich daraus ergebenden Implikationen diskutiert werden. Eine kritische Diskussion der Qualität der im Internet hinterlegten Informationen sowie der medialen Darstellung des Störungsbildes insgesamt soll dazu beitragen, die o. g. selektiven Wahrnehmungsprozesse zu reflektieren, den Mangel bestehender Informationsangebote aufzuzeigen und den Bedarf an verbesserten Angeboten aufzeigen (siehe auch Lühnen, Albrecht, Mühlhauser & Steckelberg, 2017).
I. Kamp-Becker et al., Autismus und Asperger-Syndrom im Internet
Autistische Störungen wie der frühkindliche Autismus oder das Asperger-Syndrom werden im DMS-5 unter dem Begriff der „autism spectrum disorder“ (ASD) zusammengefasst. Es handelt sich um schwerwiegende, lebenslange tiefgreifende Entwicklungsstörungen (ICD-10) bzw. „neurodevelopmental disorders“ (DSM-5). Kernmerkmale sind bereits in der Kindheit vorliegende Beeinträchtigungen der sozialen Kommunikation sowie restriktive, repetitive Verhaltensweisen. Der Ausprägungsgrad, die sprachlichen und kognitiven Beeinträchtigungen variieren, jedoch ist die Mehrzahl der Betroffenen unterdurchschnittlich begabt (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften [AWMF] – Ständige Kommission Leitlinien, 2016) und 80 % weisen mindestens eine komorbide Störung auf. Das Störungsbild geht mit einer deutlich reduzierten Lebensqualität sowie familiären Belastung einher (van Heijst & Geurts, 2015). Zahlreiche andere Verhaltens- oder Entwicklungsstörungen gehen jedoch mit Symptomen einher, die der ASD ähneln (Simms, 2017). Daher hat die Differenzialdiagnostik hohe Relevanz. Die Diagnosestellung sollte durch eine spezialisierte Stelle erfolgen, die über umfassende Erfahrungen mit dem gesamten Spektrum sowie aller relevanten Differenzialdiagnosen der ASD verfügt (AWMF – Ständige Kommission Leitlinien, 2016). Der vielfältigen Pathologie und Heterogenität liegt eine komplexe genetische Ätiologie zugrunde, die mit einer reduzierten synaptischen Plastizität neuronaler Netzwerke einhergeht (de la Torre-Ubieta, Won, Stein & Geschwind, 2016). Verhaltenstherapeutische Interventionen sind indiziert (Lord, Elsabbagh, Baird & VeenstraVanderweele, 2018).
Methode Es wurde eine systematische quantitative Auswertung von 100 deutschsprachigen Internetseiten durchgeführt mit dem Ziel, neben konkreten Charakteristika der Internetseite auch die Zuverlässigkeit der Publikationen, die Informationsdarstellung sowie die Gesamtqualität der Internetseiten zu bewerten und Implikationen daraus abzuleiten. Mittels Google-Suchmaschine wurden die jeweils ersten 50 angezeigten Internetseiten zu den Begriffen „Autismus“ und „Asperger“ analysiert. Um ein möglichst naturalistisches Vorgehen zu gewährleisten, bei dem eine Person im Internet nach Informationen zu diesen Begriffen sucht, und um zu analysieren, welches medial vermittelte Bild dabei entsteht, wurden außer dem Ausschluss von Doppelungen keine weiteren Einschluss- oder Ausschlusskriterien festgelegt. Es liegen Kriterien zur Bewertung von Gesundheitsinformationen vor (Lühnen et al., 2017), das methodische Vorgehen hinsichtlich der
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 133–143
© 2019 Hogrefe
I. Kamp-Becker et al., Autismus und Asperger-Syndrom im Internet
Qualitätseinschätzung erfolgte jedoch in Anlehnung an Studien von Reichow et al. (Reichow, Gelbar, Mouradjian, Shefcyk & Smith, 2014; Reichow, Shefcyk & Bruder, 2013), die sich ebenfalls mit der Qualität von Internetseiten zu Autismus beschäftigten. Analog wurden folgende Charakteristika erfasst: Herausgeber, wissenschaftliche Referenzen, Haftungsausschlusses, Werbung sowie ergänzend: Thematisierung von Belastung. Es erfolgte eine Analyse folgender inhaltlicher Bereiche: Symptomatik, Diagnostik, Differenzialdiagnostik, Ätiologie, Intelligenz sowie Interventionen. Hierzu wurden Qualitätsscores (Q ) für die Richtigkeit (Q1) und Vollständigkeit (Q2) der Informationen anhand vorab festgelegter Kriterien, basierend auf den ICD-10-Kriterien und S3-Leitlinien sowie in Bezug auf therapeutische Interventionen anhand der aktuellen Studienlage (siehe Poustka & Kamp-Becker, 2017), erstellt. Zudem wurden Aktualität (Q3) sowie Benutzerfreundlichkeit (Q4) beurteilt. Die Internetseiten wurden von mindestens zwei bis vier Beurteilern eingeschätzt, differierende Einschätzungen diskutiert und eine Konsenseinschätzung getroffen. Auf Grundlage der vier Qualitätsscores wurde der Website Quality Score (WQS) berechnet, dabei wurden jedoch abweichend von dem Vorgehen der englischsprachigen Analysen (Reichow et al., 2013) Q1 und Q2 aufgrund der hohen Relevanz für die vorliegende Fragestellung, deren Schwerpunkt auf der Richtigkeit und Vollständigkeit sowie sich daraus ergebender Implikationen liegt, doppelt gewichtet. Eine ausführliche Darstellung des methodischen Vorgehens sowie eine Auflistung aller analysierten Internetseiten sind im Supplement verfügbar.
135
Tabelle 1. Herausgeber bzw. Autoren der Internetseite sowie deren Häufigkeit. Herausgeber der Internetseite
Absolute Häufigkeit (n)
Verlag/Magazin/Zeitschrift
27
Vereine
12
Gesundheitsportal
10
Lexika/Duden
8
Selbstbericht/Selbsthilfeverein/Blog
7
Autismus-Therapiezentren (ATZ) Je 4 Fernseh- und Radiosender Klinik/Psychiatrie Schule/Schulamt Je 3 Verbände Videos Institute Nachrichtenportale
Je 2
Online-Shops (z. B. für Nahrungsmittelergänzung)/Verkaufsplattform Bildungsserver Jobvermittlung Rechtsanwaltskanzlei Je 1 Studierendenausschuss (Universität) Therapeutische Einrichtung Wissenschaftliche Portale Anmerkungen. n = Anzahl
Ergebnisse Nach dem Abzug von Dopplungen gingen 96 Internetseiten in die Analyse ein. Am häufigsten (N = 27) waren Internetseiten von Verlagen, Magazinen oder Zeitschriften (z. B. Welt, 2015). Am zweithäufigsten (N = 12) tauchten Seiten von Vereinen auf (z. B. autismus Mittelfranken, 2019), Selbstberichte oder Blogs waren an fünfter Stelle der Häufigkeit (N = 7), während wissenschaftliche Portale oder Bildungsserver (jeweils N = 1) selten auftraten. Bei lediglich 5 % der Internetseiten war ein Haftungsausschluss erkennbar. Tabelle 1 listet die Häufigkeiten der jeweiligen Arten der Internetseiten auf. Nur bei 39 % der Internetseiten ließen sich Referenzen für wissenschaftlich fundierte Informationen feststellen. Auf 53 % der Internetseiten war Werbung erkennbar, wobei ca. ein Drittel spezifische Werbung (z. B. populärwissenschaftliche Bücher, Biografien) beinhaltete. Lediglich 10 % thematisierte eine familiäre Belastung. © 2019 Hogrefe
Richtigkeit der Informationen: Bei 38 Internetseiten ließen sich ≤ 20 % richtige Informationen feststellen. Bei 14 Internetseiten waren zwischen 21 und 40 % richtige Informationen vorhanden, wohingegen 22 Internetseiten zwischen 41 und 60 % richtige Informationen darboten. Bei lediglich 9 der Internetseiten waren zwischen 61 und 80 % und bei 13 Internetseiten zwischen 81 und 100 % der Informationen richtig. Eine Aufschlüsselung in Bezug auf die Inhaltsbereiche befindet sich in Abbildung 1. Fast 27 % der Internetseiten mit weniger als 40 % richtigen Informationen hatten eine mindestens eher gute Benutzerfreundlichkeit. Umfang bzw. Vollständigkeit der Informationen: Bei 75 % der Internetseiten traf die Vollständigkeit nicht zu, jedoch wiesen hiervon 57 % eine mindestens eher gute Benutzerfreundlichkeit auf. Bei lediglich einer Internetseite fanden sich zwischen 81 bis 100 % vollständige richtige Angaben zu ASD, dabei handelt es sich um die Internetseite
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 133–143
136
der S3-Leitlinie (AWMF – Ständige Kommission Leitlinien, 2016). Die meisten fehlenden Informationen ließen sich für den Bereich „Differenzialdiagnostik“ (81 %) und „spezialisierte Diagnostik“ (71 %) feststellen (siehe Abbildung 1). Aktualität, Benutzerfreundlichkeit und Website Quality Score (WQS): 45 % der Internetseiten machten keinerlei Angaben zur Aktualität bzw. Erstellung der Internetseite. Bei den meisten (35 %) traf die Aussage: „Das Handling der Internetseite ist benutzerfreundlich und einfach“, eher zu. Bei 36 % traf die Aussage (eher) nicht zu, d. h., bei diesen Internetseiten wurde das Handling als ungenügend eingeschätzt. Der WQS wurde bei 41 % als mangelhaft und bei 30 % als ungenügend beurteilt. Bei 17 %
I. Kamp-Becker et al., Autismus und Asperger-Syndrom im Internet
wurde eine ausreichende, bei 6 % eine befriedigende und bei lediglich 6 % eine gute Informationsvermittlung durch den WQS konstatiert (siehe Abbildung 2).
Diskussion Die vorliegende Studie liefert Hinweise auf die Güte von im Internet verfügbaren Informationen zum Störungsbild ASD. Ziel der Analyse war es, die Darstellung des Störungsbildes ASD im Internet zu erfassen und die sich daraus ergebenden Implikationen zu diskutieren. Positiv kann fest-
Abbildung 1. Prozentuale Häufigkeit der Internetseiten mit richtigen und vollständigen („Comprehensiveness“), richtigen, aber unvollständigen („Accuracy“), falschen oder keinen Informationen innerhalb des jeweiligen Inhaltsbereiches
Abbildung 2. Website Quality Score (WQS)
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 133–143
© 2019 Hogrefe
I. Kamp-Becker et al., Autismus und Asperger-Syndrom im Internet
gestellt werden, dass relativ wenig falsche Informationen vorliegen, wenngleich auch dieser geringe Anteil für den Einzelnen fatale Folgen haben kann, wenn z. B. die falsche Information, dass die Masern-Mumps-Röteln-Impfung ASD auslöse (Zentrum der Gesundheit, 2019), in ansprechendem Design und nutzerfreundlich präsentiert auf Eltern trifft, die gegenüber Impfungen ängstlich eingestellt sind (Arif et al., 2018; Storr, Sanftenberg, Schelling, Heininger & Schneider, 2018; Zschorlich et al., 2015). Sehr problematisch ist dagegen die Beobachtung, dass drei Viertel der Seiten hinsichtlich Diagnostik, Differenzialdiagnosen und Behandlung nur unvollständige Informationen präsentieren. Kurze und prägnante Darstellungen entsprechen zwar einerseits einer Patientenorientierung (Lühnen et al., 2017) und werden dann evtl. entsprechend eher gelesen und evtl. als benutzerfreundlich eingeschätzt. Jedoch ist die Vollständigkeit ein wichtiges Qualitätsmerkmal von Gesundheitsinformationen: Hinweise auf Variationsbreite der Symptomatik, Darstellung unspezifischer Symptome, Hinweise auf Krankheiten mit ähnlichen/gleichen Symptomen, ausreichende Darstellung der Therapieoptionen, Informationen zu Unsicherheiten und zu fehlender Evidenz usw. sind wesentliche inhaltliche Anforderungen an die Güte von Gesundheitsinformationen (siehe auch Central Krankenversicherung AG, 2015; Lühnen et al., 2017). Besonders alarmierend ist die fehlende Wissenschaftlichkeit: Auf 61 % der Internetseiten findet sich keine fundierte Referenz für die getroffenen Aussagen. Im Folgenden sollen einzelne Aspekte der Darstellung und mögliche Folgen für die Informationssuchenden dargestellt werden. Die Symptomatik von ASD wird ausführlich, in vielen Fällen jedoch überzeichnet und unspezifisch dargestellt. Beispielsweise wird eine „andersartige Wahrnehmung“ in den Vordergrund gerückt: „Stark vereinfacht könnte man sagen, dass all seine Sinne anders funktionieren – sehen, schmecken, riechen, fühlen und hören“ (Welt, 2015). Diese „Hypersensibilität“ wird als Erklärungsmodell (ohne wissenschaftliche Belege) propagiert (z. B.: „Dies führt unter anderem zu einer ungefilterten Aufnahme von Reizen aus dem Umfeld und nicht selten zu einer Reizüberflutung. Die autistische Wahrnehmung ist dabei durch das primär kognitive, vorurteilsfreie, lösungsorientierte und logikbasierte Denken geprägt“ (DocCheck Flexikon, 2019; siehe auch You Tube, 2019). Die Reduzierung von Autismus als „Wahrnehmungsstörung“ ist nicht per se falsch (Haker, Schneebeli & Stephan, 2016), jedoch nicht spezifisch für ASD, denn die meisten psychischen Störungen können als „Wahrnehmungsstörungen“ betrachtet werden. Die Einschränkungen in der Emotionserkennung und der Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, werden ebenfalls häufig als zentral dargestellt, was inhaltlich nicht falsch ist, jedoch liegen diese Defizite bei vielen Störungsbildern vor (Bours et al., 2018; Collin, Bindra, Raju, Gill© 2019 Hogrefe
137
berg & Minnis, 2013; Martin-Key, Graf, Adams & Fairchild, 2018; Nuske, Vivanti & Dissanayake, 2013; Tseng et al., 2017), worauf keine Internetseite hinweist. Auch verbreitet ist die Darstellung, dass bei Betroffenen eine überdurchschnittliche Intelligenz vorliege (z. B.: „[…] für gewöhnlich überdurchschnittliche Intelligenz“ (Pychologie Magazin, 2019)), was jedoch bei der Mehrzahl nicht der Fall ist (Charman et al., 2011). Auch wird bei einigen berühmten Persönlichkeiten (allen voran Albert Einstein) gemutmaßt, bei ihnen läge ASD vor, ohne dass es hierfür irgendeinen Beleg gäbe (Kamp-Becker, 2013). Es wird eine Stereotype erzeugt im Sinne von: „Sie lieben Logik und Wahrheit. Lügen und Smalltalk schätzen Autisten gar nicht. Ihre Gefühle sind eben anders. […] Menschen mit dem AspergerSyndrom nehmen die Welt optisch, akustisch und vor allem Gefühle anders wahr“ (ZDF, 2019). Die unspezifische, unvollständige, aber allgemeinverständlich formulierte Darstellung der Symptomatik führt dazu, dass diese auf viele psychische Störungen zutrifft (z. B. Aufmerksamkeitsstörungen, emotionale Störungen, Verhaltensstörungen, Persönlichkeitsstörungen). Das kann zur Folge haben, dass sich eine Vielzahl von Menschen mit mehr oder weniger spezifischen Symptomen in diesen Beschreibungen wiederfindet und zu einer (möglicherweise unbegründeten) Krankheitsüberzeugung gelangt – was dem weiteren Verlauf von Diagnostik und Behandlungsempfehlung erheblich im Wege stehen kann. Eine notwendige Abgrenzung der Symptomatik von anderen psychischen Erkrankungen im Rahmen einer spezialisierten, umfassenden (Differenzial-)Diagnostik wird nur bei einem kleinen Teil der untersuchten Seiten thematisiert. Eine unvollständige Darstellung der Symptomatik in Kombination mit fehlender Differenzierung zu anderen psychischen Störungsbildern erscheint „alles erklärend“ und die durch „Reizüberflutung“ bedingten sogenannten „Shutdowns“ oder „Meltdowns“ (Bauerfeind, 2019) sind nicht belegbar. Dies geht so weit, dass letztlich fast jede psychische Auffälligkeit als „autistische Züge“ gedeutet werden kann: „die Unterschiede sind fließend, und genauso fließend ist der Übergang vom Autismus-Spektrum zur ‚Normalität‘“ (Müller, 2019). Schon Kanner, der Erstbeschreiber des Autismus, hat 1965 die Sorge geäußert: „it became a habit to dilute the original concept of infantile autism by diagnosing it in many disparate conditions which show one or another isolated symptom found as a part feature of the overall syndrome. Almost overnight, the country seemed to be populated by a multitude of autistic children“ (Kanner, 1965). Auf vielen Seiten werden Symptome der ASD als „Stärken“ dargestellt (Müller, 2019), was eine positive Wahrnehmung des Störungsbilds mit sich bringt. ASD wird dabei nicht als Krankheit definiert bzw. dies wird negiert: „Autismus ist keine Krankheit. Es ist eine andere Wesens-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 133–143
138
art, eine andere Art zu sein […]“ (Müller, 2019). Im Sinne einer „Neurodiversität“ wird eine „Pathologisierung“ abgelehnt, da Menschen mit ASD nicht „gestört“ sondern lediglich „anders“ seien (Baron-Cohen, 2017). Es wird argumentiert, dass in einer „autismusfreundlichen“ Welt bei den Betroffenen keine Beeinträchtigung vorliegen würde, sondern eine höhere Funktionalität aufgrund der ihnen zugeschriebenen Stärken (hohe Intelligenz, starke Bevorzugung von Details, gutes Gedächtnis; Baron-Cohen, 2017). Diese Sicht lässt jedoch komorbide Erkrankungen, wie Epilepsie, Störungen der Sprache, Intelligenzminderung, Angststörungen, Depressionen, die bei 80 % der Betroffenen vorkommen und Behandlungsbedarf mit sich bringen, sowie die Belastung vieler Betroffener und deren Familien, außer Acht. Problematische Folge einer solchen Fokussierung auf positive Aspekte kann eine dysfunktionale Identifikation mit dem Störungsbild ASD bzw. die Wahrnehmung der ASD als integralen Bestandteil der (eigenen) Identität (Giles, 2014; McDonald, 2017; Ripamonti, 2016) fördern. Die starke mediale Präsenz nicht nur im Internet, sondern in vielen anderen Medien(wie z. B. der Film „The Good Doctor“, in der die Hauptfigur betroffen sein soll und in der Medizin als inselbegabtes Genie mit fotografischem Gedächtnis auftritt) ist mit einer größeren Bekanntheit bzw. Sichtbarkeit und damit Sensibilisierung für das Störungsbild sowohl bei Laien als auch Fachleuten verbunden. Dies ist assoziiert mit geringeren öffentlichen sowie Selbststigmatisierungen (Bachmann et al., 2019; Baeyens, Moniquet, Danckaerts & van der Oord, 2017; Dillenburger, Jordan, McKerr, Devine & Keenan, 2013; Durand-Zaleski, Scott, Rouillon & Leboyer, 2012; Stronach, Wiegand & Mentz, 2019) im Vergleich zu anderen psychischen Störungen (wie z. B. Schizophrenie, bipolare Störungen, Aufmerksamkeitsstörungen). In der Studie von Bachmann et al. (2019) wurden 149 Erwachsene mit ASD untersucht. Insgesamt 85 % der Befragten berichteten kaum oder kein Stigmaerleben. Allerdings sind die undifferenzierten Darstellungen auf eine individuelle Person kaum übertragbar, was im Einzelfall dann mit „Enttäuschungen“ verknüpft sein kann, wenn eine betroffene Person im Alltag nicht der dargestellten Stereotype entspricht. In extremen Fällen kommt es zu Überidentifikation, ähnlich wie bei anderen Störungsbildern (z. B. Anorexie; Schnell, 2019), wobei Prozesse übermäßiger Identifikation mit der Diagnose und der damit verbundenen Gemeinschaft („autism community“) im Vordergrund stehen und dann „Nichtmitglieder“ abgegrenzt werden, indem sie als „neurotypisch“ (Müller, 2019) bezeichnet werden (= Ingroup-Outgroup-Effekt). Bei Überidentifikation besteht das hohe Risiko, dass sich die Motivation, das problematische Verhalten zu ändern, reduziert oder eine Behandlung der ASD sogar abgelehnt bzw. entsprechende Methoden als „ethisch verwerflich“
I. Kamp-Becker et al., Autismus und Asperger-Syndrom im Internet
dargestellt werden, da diese „die Rechte auf freie Persönlichkeitsentfaltung und Rechte auf Selbstbestimmung“ (autismus Mittelfranken, 2019) beeinträchtigen. Zwar geht die mediale Darstellung mit positiven Assoziationen, einem hohen Identifikationspotenzial, einem Erklärungsansatz, der von Verantwortung bzw. „Schuld“ freispricht sowie geringerer Stigmatisierung einher (Bachmann et al., 2019). Dadurch kann jedoch ein negativer Kontrasteffekt entstehen, d. h., andere Störungen werden negativer beurteilt, wenn man sich zunächst mit der „positiven“ Darstellung von ASD beschäftigt hat. Die undifferenzierte Darstellung führt auch zu einem „Schneeballeffekt“ in dem Sinne, dass einzelne subklinische Symptome ausreichen, um die (Verdachts-)Diagnose ASD zu stellen, und somit werden die Prävalenzzahlen in die Höhe getrieben (Fombonne, 2018). Dies könnte insgesamt erklären, dass die spezialisierten Stellen für ASD derzeit überlaufen werden von falsch positiven (Verdachts-)Fällen. Zunehmend kommt es zu Vorstellungen von Patientinnen und Patienten, die sich selbst oder deren Bezugspersonen sich im Internet informiert haben, sich mit der dort präsentierten Darstellung identifizieren bzw. der festen Überzeugung sind, dass die dort dargestellte Diagnose auf sie zutrifft. Auch die im Internet vielfältig zur Verfügung gestellten Screening-Fragebögen differenzieren vor diesem Hintergrund nicht ausreichend, ob die Symptomatik im Rahmen einer ASD oder einer anderen psychischen Störung einzuordnen ist (Garcia-Primo et al., 2014; Sheldrick & Garfinkel, 2017). In den auf ASD spezialisierten Stellen wird bei 50 bis 80 % der Vorstellungen die Diagnose einer ASD nicht bestätigt (Kamp-Becker et al., 2016; Lehnhardt et al., 2013; Strunz, Dziobek & Roepke, 2014), sondern es liegen andere psychische Störungen vor. In vielen Fällen führt dies zu Frustrationen, Widerspruch und „Enttäuschung“, sodass es mittlerweile schwieriger geworden ist, das Nicht-Zutreffen der Diagnose ASD mitzuteilen, als umgekehrt. Durch das verstärkte Aufsuchen der spezialisierten Stellen entstehen einerseits erhebliche gesundheitsökonomische Kosten (Murphy, Beecham, Craig & Ecker, 2011), andererseits verlängert sich die Wartezeit bis zur Diagnosestellung bei tatsächlich von ASD Betroffenen.
Limitationen Es ist wichtig, zu berücksichtigen, dass die Einschätzung auf den zum Analysezeitpunkt präsentierten Informationen beruht. Die große Fluktuation der im Internet präsentierten Informationen wird auch daran deutlich, dass selbst die Reihenfolge des Erscheinens der jeweiligen Seiten sich innerhalb von wenigen Tagen ändert (siehe Tabelle S1 im
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 133–143
© 2019 Hogrefe
I. Kamp-Becker et al., Autismus und Asperger-Syndrom im Internet
Supplement). Dies bedeutet, dass die Einschätzung vorgenommene Updates, die nach der Einschätzung erfolgten, nicht berücksichtigt. Ziel der Analyse war es, die Darstellung des Störungsbildes ASD im Internet zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erfassen und die sich daraus ergebenden Implikationen zu analysieren. Um die Aktualität der getroffenen Aussagen und Implikationen zu gewährleisten, wurde ein Drittel (N = 32) der analysierten Internetseiten im Mai 2019 nochmals eingeschätzt. Zwar haben sich – aufgrund der vorgenommenen Updates – die einzelnen Einschätzungen leicht verändert, jedoch haben sich die darauf beruhenden Implikationen und die Einschätzung der Gesamtqualität nicht geändert. Ein weiterer zu berücksichtigender Punkt ist, dass in die Analyse sehr unterschiedliche Internetseiten eingingen, d. h. die unterschiedlichen Zielsetzungen und -gruppen der Seiten wurden bei der Erstellung der Bewertungskriterien nicht berücksichtigt. Ziel der vorgenommenen Analysen war es, anhand vorher festgelegter Kriterien, welche konsistent für alle Internetseiten angewandt wurden, eine deskriptive Beschreibung der medialen Darstellung von Autismus zu erhalten und die Implikationen zu diskutieren. Es wurde nicht angestrebt die Qualität einzelner Seiten in Bezug auf die jeweilige Zielsetzung oder Zielgruppe zu beurteilen, wenngleich eine solche Analyse ebenfalls sinnvoll und notwendig wäre. Allerdings sollte erwähnt werden, dass ein Kriterium zur Einschätzung der Richtigkeit der Informationen nachträglich geändert wurde: Zwar sollten bei der Vermittlung von Gesundheitsinformationen der mögliche Nutzen und Schaden aller Behandlungsoptionen in angemessener Weise unbedingt dargestellt werden (siehe Lühnen, 2017), jedoch wurde dieses nicht als notwendiges Kriterium für die Einschätzung der Richtigkeit der Seite in der Analyse festgelegt, da dieses Kriterium ca. 95 Prozent der analysierten Internetseiten nicht erfüllen: Lediglich auf 4 Seiten werden nicht-wirksame Interventionen auch als solche benannt und dargestellt. Dies bedeutet, dass die hier vorgenommene Einschätzung in diesem Punkt positiver ausfällt, als wenn man die „Leitlinien zu evidenzbasierter Gesundheitsinformationen“ zugrunde legen würde. Außerdem ist es wichtig zu berücksichtigen, dass die Einschätzungen nicht als objektive Urteile aufgefasst werden können. Es sollte lediglich überprüft werden, ob die Präsentation im Medium Internet auf der Grundlage von aktuellen wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen beruht, diese wiedergeben oder von diesen abweichen. Die Einschätzung der Benutzerfreundlichkeit beruhte beispielsweise nur auf der Einschätzung einer Laiin, sodass es sich hierbei um eine subjektive Einschätzung handelt, aus der keine generellen Aussagen abgeleitet werden können. Eine verallgemeinerbare Bewertung wäre nur über die Einschätzung einer größeren Gruppe von Ratern möglich oder über die Festlegung von Kriterien, die dann wieder© 2019 Hogrefe
139
um von mehreren Ratern hätte erfolgen müssen. Da dies den Rahmen der vorliegenden Studie gesprengt hätte, wurde lediglich die Einschätzung einer Laiin herangezogen und der Qualitätsscore wurde nur einfach gewertet. In Folgestudien sollten die Definitionen und Gewichtungen der Bewertungskriterien daher systematischer (z. B. in Anlehnung an die „Leitlinie evidenzbasierte Gesundheitsinformation“, Lühnen et al., 2017) vorgenommen werden sowie eine Überprüfung hinsichtlich Reliabilität und Validität der Einschätzungen erfolgen. Die vorliegende Studie kann lediglich als ein erster Schritt angesehen werden, da durch das beschriebene methodische Vorgehen vornehmlich deskriptive Aussagen über die mediale Darstellung von ASD im Internet sowie deren klinische Implikationen angestrebt wurden.
Fazit Ohne Zweifel ist es wichtig die Öffentlichkeit über die vielfältigen Erscheinungsformen der ASD zu informieren, um zu einem besseren Verständnis, Zugang zu Hilfsangeboten (z. B. Schulbegleitung, Förderung, Therapie, Vermittlung von Arbeitsplätzen, pädagogische Begleitung) beizutragen und ihnen somit eine Teilhabe im schulischen, beruflichen und gesellschaftlichen Bereich zu ermöglichen. Ähnlich wie die Analysen zu englischsprachigen Interseiten, kann jedoch für die deutschsprachigen Seiten überwiegend eine geringe Qualität der Informationen konstatiert werden (Grant, Rodger & Hoffmann, 2015; Kollia, KamowskiShakibai, Basch & Clark, 2017; Reichow et al., 2012). Die derzeitige mediale Darstellung von ASD ist leider zu großen Teilen einseitig, klischeehaft und inadäquat, aber medial sehr „verwertbar“. Um Aufmerksamkeit zu erwecken wird ASD häufig über Individuen, die ein positives Bild vermitteln, dargestellt (Wendorf Muhamad & Yang, 2017), dabei werden einzelne Aspekte pointiert und emotional betont in den Fokus gerückt. So entsteht eine medial vermittelte Stereotype des hochbegabten, aber sozial ungeschickten „Autisten“, die mit positiven Assoziationen verknüpft ist (Kamp-Becker et al., in Vorb.). Die geringere Stigmatisierung beruht jedoch auf einem zweifelhaften Stereotyp, welche eher mit „positiven“ Attributen verknüpft ist. Negative Stereotype über psychische Krankheiten sind in der Allgemeinbevölkerung weitverbreitet und mit Ausgrenzung und Diskriminierung verknüpft (Rossler, 2016). Im Fall von ASD geht die geringere Stigmatisierung mit einer einseitigen, unrealistischen Darstellung einher und es bleibt fraglich, ob dies tatsächlich zu weniger Ausgrenzung und Diskriminierung für den einzelnen Betroffenen führt. Scheinbar ist unsere Gesellschaft noch weit davon entfernt Menschen mit Beeinträchtigungen, psychi-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 133–143
140
schem Störungen und Belastungen akzeptieren und integrieren zu können. Dringend notwendig sind differenzierte, wissenschaftlich fundierte Darstellungen von ASD in den Medien (Lord et al., 2018), die ein realistisches Bild des Störungsbildes vermitteln und somit Diagnostik, Differenzialdiagnostik und Behandlung verbessern. Ein wichtiger Meilenstein in diese Richtung sind die Empfehlungen zur Einschätzung der Informationsqualität von Internetseiten sowie die verlässlichen und verständlichen Informationsseiten für Patienten und Interessierte der Bundesärztekammer, auf der leider noch Informationen zum Störungsbild ASD fehlen (Bundesärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung, 2016). Informierte Entscheidungen können erst durch verbesserte Informationsangebote gefördert werden. Daher ist es erfreulich, dass der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nun ein multizentrisches Projekt fördert, bei dem u. a. eine Internetseite entwickelt werden soll, die entsprechend der „Leitlinie evidenzbasierter Gesundheitsinformation“ differenziert über ASD informiert.
Literatur Albrecht, U.-V. (2018). Gesundheits-Apps: Fachübergreifende Qualitätskriterien sind unabdingbar. Deutsches Ärzteblatt, 115(3), A67–68. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) – Ständige Kommission Leitlinien. (2016). Autismus-Spektrum-Störungen im Kindes-, Jugendund Erwachsenenalter – Teil 1: Diagnostik. Interdisziplinäre S3-Leitlinie der DGKJP und der DGPPN sowie der beteiligten Fachgesellschaften, Berufsverbände und Patientenorganisationen. Verfügbar unter: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ ll/028-018.html Arif, N., Al-Jefri, M., Bizzi, I. H., Perano, G. B., Goldman, M., Haq, I. et al. (2018). Fake news or weak science? Visibility and characterization of antivaccine webpages returned by google in different languages and countries. Frontiers in Immunology, 9, 1215. autismus Mittelfranken. (2019). http://www.autismus-mfr.de/wpcontent/uploads/2016/01/Stellungnahme_gegen_ABA.pdf Bachmann, C., Hoefer, J., Kamp-Becker, I., Kuepper, C., Poustka, L., Roepke, S. et al. (2019). Internalised stigma in adults with autism spectrum disorder: A German multi-center survey. Psychiatry Research, 276, 94–99. Baeyens, D., Moniquet, A., Danckaerts, M. & van der Oord, S. (2017). A comparative study of the structural stigmatisation of ADHD and autism spectrum disorder in Flemish newspapers. Tijdschrift voor Psychiatrie, 59(5), 269–277. Baron-Cohen, S. (2017). Editorial perspective: Neurodiversity – a revolutionary concept for autism and psychiatry. Journal of Child Psychology & Psychiatry & Allied Disciplines, 58(6), 744–747. Bauerfeind, S. (2019). https://ellasblog.de Bours, C. C. A. H., Bakker-Huvenaars, M. J., Tramper, J., Bielczyk, N., Scheepers, F., Nijhof, K. S. et al. (2018). Emotional face recognition in male adolescents with autism spectrum disorder or disruptive behavior disorder: An eye-tracking study. European Child & Adolescent Psychiatry, 27(9), 1143–1157. Bundesärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung. (2016). https://www.patienten-information.de/
I. Kamp-Becker et al., Autismus und Asperger-Syndrom im Internet
Central Krankenversicherung AG, (2015). https://www.central.de/ ueber-central/presse/praxis-dr-internet/ Charman, T., Pickles, A., Simonoff, E., Chandler, S., Loucas, T. & Baird, G. (2011). IQ in children with autism spectrum disorders: Data from the Special Needs and Autism Project (SNAP). Psychological Medicine, 41(3), 619–627. Collin, L., Bindra, J., Raju, M., Gillberg, C. & Minnis, H. (2013). Facial emotion recognition in child psychiatry: A systematic review. Research in Developmental Disabilities, 34(5), 1505–1520. de la Torre-Ubieta, L., Won, H., Stein, J. L. & Geschwind, D. h. (2016). Advancing the understanding of autism disease mechanisms through genetics. Nature Medicine, 22(4), 345–361. Dillenburger, K., Jordan, J. A., McKerr, L., Devine, P. & Keenan, M. (2013). Awareness and knowlegde of autism and autism intervention: A general survey. Research in Autism Spectrum Disorders, 7, 1558–1567. DocCheck Flexikon. (2019). https://flexikon.doccheck.com/de/ Asperger-Syndrom Durand-Zaleski, I., Scott, J., Rouillon, F. & Leboyer, M. (2012). A first national survey of knowledge, attitudes and behaviours towards schizophrenia, bipolar disorders and autism in France. BMC Psychiatry, 12, 128. Fombonne, E. (2018). Editorial: The rising prevalence of autism. Journal of Child Psychology & Psychiatry & Allied Disciplines, 59(7), 717–720. Garcia-Primo, P., Hellendoorn, A., Charman, T., Roeyers, H., Dereu, M., Roge, B. et al. (2014). Screening for autism spectrum disorders: State of the art in Europe. European Child & Adolescent Psychiatry, 23(11), 1005–1021. Giles, D. C. (2014). „DSM-V is taking away our identity“: The reaction of the online community to the proposed changes in the diagnosis of Asperger’s disorder. Health: an Interdisciplinary Journal for the Social Study of Health, Illness & Medicine, 18(2), 179–195. Grant, N., Rodger, S. & Hoffmann, T. (2015). Evaluation of autismrelated health information on the web. Journal of Applied Research in Intellectual Disabilities, 28(4), 276–282. Haker, H., Schneebeli, M. & Stephan, K. E. (2016). Can bayesian theories of autism spectrum disorder help improve clinical practice? Frontiers in Psychiatry, 7, 107. Kamp-Becker, I. (2013). War Albert Einstein ein Asperger-Autist? Nervenheilkunde, 32(5), 319–324. Kamp-Becker, I., Langmann, A., Stehr, T., Custodis, K., Poustka, L. & Becker, K. (2016). Zur Validität der deutschen Fassung der ADOS-2 unter Berücksichtigung von Geschlechtereffekten. Zeitschrift fur Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 44, 1–15. Kamp-Becker, I., Weber, L., Stehr, T., Weber, L., Mingebach, T. & Stroth, S. (in Vorb.). Wissen über Autismus bei Studierenden. Kanner, L. (1965). Infantile autism and the schizophrenias. Behavioral Science, 10(4), 412–420. Klein, J. P., Knaevelsrud, C., Bohus, M., Ebert, D. D., Gerlinger, G., Gunther, K. et al. (2019). Die Nadeln im Heuhaufen finden: Qualitätskriterien für den Einsatz von internetbasierten Selbstmanagement-Interventionen in Prävention und Behandlung psychischer Störungen. Fortschritte der NeurologiePsychiatrie, 87(3), 187–191. Kollia, B., Kamowski-Shakibai, M. T., Basch, C. H. & Clark, A. (2017). Sources and content of popular online videos about autism spectrum disorders. Health Promotion Perspectives, 7(4), 238–244. Lehnhardt, F.-G., Gawronski, A., Pfeiffer, K., Kockler, H., Schilbach, L. & Vogeley, K. (2013). The investigation and differential diagnosis of Asperger syndrome in adults. Deutsches Ärzteblatt International, 110(45), 755–763. Lord, C., Elsabbagh, M., Baird, G. & Veenstra-Vanderweele, J. (2018). Autism spectrum disorder. Lancet, 392(10146), 508–520.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 133–143
© 2019 Hogrefe
I. Kamp-Becker et al., Autismus und Asperger-Syndrom im Internet
Lühnen, J., Albrecht, M., Mühlhauser, I. & Steckelberg, A. (2017). Leitlinie evidenzbasierte Gesundheitsinformation. Verfügbar unter: http://www.leitliniegesundheitsinformation.de/ Martin-Key, N. A., Graf, E. W., Adams, W. J. & Fairchild, G. (2018). Facial emotion recognition and eye movement behaviour in conduct disorder. Journal of Child Psychology & Psychiatry & Allied Disciplines, 59(3), 247–257. McDonald, T. A. M. (2017). Discriminative and criterion validity of the Autism Spectrum Identity Scale (ASIS). Journal of Autism & Developmental Disorders, 47(10), 3018–3028. Müller, L. (2019). https://autismus-kultur.de Murphy, D. G. M., Beecham, J., Craig, M. & Ecker, C. (2011). Autism in adults: New biologicial findings and their translational implications to the cost of clinical services. Brain Research, 1380, 22–33. Nickerson, R. S. (1998). Confirmation bias: A ubiquitous phenomenon in many guises. Review of General Psychology, 2, 175–220. Nuske, H. J., Vivanti, G. & Dissanayake, C. (2013). Are emotion impairments unique to, universal, or specific in autism spectrum disorder? A comprehensive review. Cognition & Emotion, 27(6), 1042–1061. Poustka, L. & Kamp-Becker, I. (2017). Current practice and future avenues in autism therapy. Current Topics in Behavioral Neurosciences, 30, 357–378. Prokosch, H.-U. (2008). Kontinuiertlicher Anstieg. Deutsches Ärzteblatt, 105(50), 2712. Pychologie Magazin. (2019). Schwierigkeiten mit sozialer Interaktion – Asperger-Syndorm bei Frauen. Verfügbar unter: www. psyheu.de/10322/schwierigkeiten-sozialer-interaktion-aspergersyndrom-frauen/ Reavley, N. J. & Jorm, A. F. (2011). The quality of mental disorder information websites: A review. Patient Education & Counseling, 85(2), e16–25. Reichow, B., Gelbar, N. W., Mouradjian, K., Shefcyk, A. & Smith, I. C. (2014). Characteristics of international websites with information on developmental disabilities. Research in Developmental Disabilities, 35(10), 2293–2298. Reichow, B., Halpern, J. I., Steinhoff, T. B., Letsinger, N., Naples, A. & Volkmar, F. R. (2012). Characteristics and quality of autism websites. Journal of Autism & Developmental Disorders, 42(6), 1263–1274. Reichow, B., Shefcyk, A. & Bruder, M. B. (2013). Quality comparison of websites related to developmental disabilities. Research in Developmental Disabilities, 34(10), 3077–3083. Ripamonti, L. (2016). Disability, diversity, and autism: Philosophical perspectives on health. New Bioethics, 22(1), 56–70. Rossler, W. (2016). The stigma of mental disorders: A millennialong history of social exclusion and prejudices. EMBO Reports, 17(9), 1250–1253. Schnell, T. (2019). Folgen subjektiver Verarbeitung von psychiatrischen Diagnosen. Psychotherapeutenjournal, 1, 11–16. Sheldrick, R. C. & Garfinkel, D. (2017). Is a positive developmentalbehavioral screening score sufficient to justify referral? A review of evidence and theory. Academic Pediatrics, 17(5), 464–470. Simms, M. D. (2017). When autistic behavior suggests a disease other than classic autism. Pediatric Clinics of North America, 64(1), 127–138.
© 2019 Hogrefe
141
Statistisches Amt der Europäischen Union. (2018). Personen, die das Internet zur Beschaffung von gesundheitsrelevanten Informationen genutzt haben. Verfügbar unter: https://ec.europa. eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&language=de&p code=tin00101&plugin=1 Storr, C., Sanftenberg, L., Schelling, J., Heininger, U. & Schneider, A. (2018). Masernstatus – Impfbarrieren und Strategien zu deren Überwindung. Deutsches Ärzteblatt, 115, 723–730. Stronach, S., Wiegand, S. & Mentz, E. (2019). Brief report: Autism knowledge and stigma in university and community samples. Journal of Autism & Developmental Disorders, 49(3), 1298–1302. Strunz, S., Dziobek, I. & Roepke, S. (2014). Komorbide psychiatrische Störungen und Differenzialdiagnostik bei nicht-intelligenzgeminderten Erwachsenen mit Autismus-Spektrum-Störung. Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie, 64(6), 206–213. Tseng, H.-H., Huang, Y.-L., Chen, J.-T., Liang, K.-Y., Lin, C.-C. & Chen, S.-H. (2017). Facial and prosodic emotion recognition in social anxiety disorder. Cognitive Neuropsychiatry, 22(4), 331–345. van Heijst, B. F. C. & Geurts, H. M. (2015). Quality of life in autism across the lifespan: A meta-analysis. Autism, 19(2), 158–167. Welt. (2015). https://www.welt.de/kmpkt/article160243545/Wiees-im-Kopf-eines-Autisten-aussieht.html Wendorf Muhamad, J. & Yang, F. (2017). Framing autism: A content analysis of five major news frames in U. S.-based newspapers. Journal of Health Communication, 22(3), 190–197. You Tube. (2019). https://www.youtube.com/watch?v=6VgB5OcQ6XE ZDF.(2019).https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad/kein-smalltalkkeine-luegen-leben-mit-autismus-102.html Zentrum der Gesundheit. (2019). https://www.zentrum-der-gesund heit.de/autismus.html Zschorlich, B., Gechter, D., Jansen, I. M., Swinehart, T., Wiegard, B. & Koch, K. (2015). Gesundheitsinformationen im Internet: Wer sucht was, wann und wie? Zeitschrift für Evidenz Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen, 109(2), 144–152.
Historie Manuskript eingereicht: 22.05.2019 Nach Revision angenommen: 02.09.2019 Artikel online: 16.10.2019 Interessenkonflikte Die Autoren haben keinen Interessenkonflikt.
Prof. Inge Kamp-Becker Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Philipps-Universität Marburg Schützenstr. 49 35039 Marburg Deutschland kampbeck@med.uni-marburg.de
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 133–143
142
I. Kamp-Becker et al., Autismus und Asperger-Syndrom im Internet
CME-Fragen 1. Frage: Welche Aussage zu Gesundheitsinformationen aus dem Internet ist korrekt? a. Im Internet stehen vielfältige und differenzierte Informationen zur Gesundheit zur Verfügung, die überwiegend eine gute Qualität aufweisen. b. Das Internet und auch Gesundheits-Apps sind in ihren Inhalten weitgehend ungeprüfte bzw. nicht regulierte Medien und die Qualität der Informationen weist eine hohe Variabilität auf. c. Fast jeder dritte Bundesbürger informiert sich im Internet zu Fragen der Gesundheit, da diese Informationen von hoher Qualität sind. d. Zur Abschätzung der Glaubwürdigkeit eignen sich insbesondere das Design und die Nutzerfreundlichkeit der Website. e. Individuelle Überzeugungen und Annahmen spielen bei der Aufnahme und Bewertung von Informationen aus dem Internet eine untergeordnete Rolle. 2. Frage: Das Internet bietet grundsätzlich die Möglichkeit, sich mit Erkrankungen auseinanderzusetzen und sich umfassend zu informieren – sofern es gelingt, die richtigen und verlässlichen Fakten aus der unüberschaubaren Fülle herauszufiltern. Welche Qualitätsmerkmale sind für die Güte der Informationen relevant? a. Richtigkeit ist das einzig relevante Merkmal. b. Richtigkeit, Nutzerfreundlichkeit und Aktualität sind ausreichend. c. Richtigkeit, Vollständigkeit, Nutzerfreundlichkeit, Aktualität sowie Angabe von Referenzen. d. Nutzerfreundlichkeit und ansprechendes Design. e. Die Angabe, wie oft eine Website angeklickt wird. 3. Frage: Welche Aussage ist laut AWMF-Leitlinien für die Diagnosestellung einer Autismus-SpektrumStörung richtig? a. Die Diagnosestellung sollte durch eine spezialisierte Stelle erfolgen, die über umfassende Erfahrungen mit dem gesamten Spektrum sowie aller relevanten Differentialdiagnosen der Autismus-Spektrum-Störung verfügt. b. Es ist zu überprüfen, ob die Kernmerkmale für das Vorliegen einer Autismus-Spektrum-Störung erfüllt sind. Weitere Schritte sind nicht notwendig. c. Die Diagnose erfordert keine spezifischen Kenntnisse, da die Symptome sehr eindeutig sind. d. Komorbiditäten sind eher selten und sind zu vernachlässigen. e. Der Ausprägungsgrad, der Symptomatik ist sehr variabel, jedoch ist die Mehrzahl der Betroffenen überdurchschnittlich begabt.
4. Frage: Welche Aussagen zur Diagnostik und Ätiologie der Autismus-Spektrum-Störung werden zwar im Internet häufig dargestellt, sind aber nicht korrekt. a. Der vielfältigen Pathologie und Heterogenität liegt eine komplexe genetische Ätiologie zugrunde, die mit einer reduzierten synaptischen Plastizität neuronaler Netzwerke einhergeht. b. Autismus wird durch die Masern-Mumps-RötelnImpfung ausgelöst und hat eine Reizfilterschwäche zur Folge, die zu sogenannten „Meltdowns“ oder „Shutdowns“ führt. c. Autismus ist eine genetische bedingte Hirnfunktionsstörung. d. Eine Abgrenzung der Symptomatik von anderen psychischen Erkrankungen im Rahmen einer spezialisierten, umfassenden (Differential)-Diagnostik ist erforderlich. e. Komorbide Erkrankungen, wie Epilepsie, Störungen der Sprache, Intelligenzminderung, Angststörungen, Depressionen u.v.a. kommen bei 80 % der Betroffenen vor und sollten beachtet werden. 5. Frage: Welche Aussage lässt sich aus der vorgelegten Studie ableiten? a. Die derzeitige mediale Darstellung von Autismus und Asperger-Syndrom ist zu großen Teilen adäquat, differenziert und mit positiven Assoziationen für die Störungsbilder verbunden. b. Ähnlich wie durch die bereits vorliegenden Analysen zu englischsprachigen Internetseiten können für viele der deutschsprachigen Internetseiten keine wesentlichen Qualitätsmängel konstatiert werden. c. Es finden sich auf den deutschsprachigen Internetseiten differenzierte, wissenschaftlich fundierte Darstellungen von Autismus und Asperger-Syndrom, die ein realistisches Bild des Störungsbildes vermitteln und somit Diagnostik, Differentialdiagnostik und Behandlung verbessern. d. Die Darstellung von Autismus und Asperger-Syndrom impliziert eine positive Darstellung, die einerseits mit einer reduzierten Stigmatisierung, andererseits jedoch der Gefahr der erhöhten Anzahl an falsch positiven (Verdachts-)Fällen, Überidentifikation, Ingroup-OutgroupEffekte, Bestätigungsfehler, Kontrast- und Schneeballeffekte verknüpft ist. e. Die Darstellung von Autismus und Asperger-Syndrom im Sinne einer Neurodiversität ist als uneingeschränkt positiv zu bewerten, da eine Pathologisierung damit abgelehnt wird und die Betroffenen als nicht „gestört“, sondern lediglich „anders“ dargestellt werden.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 133–143
© 2019 Hogrefe
I. Kamp-Becker et al., Autismus und Asperger-Syndrom im Internet
Um Ihr CME-Zertifikat zu erhalten (min. drei richtige Antworten), schicken Sie bitte den ausgefüllten Fragebogen mit einem frankierten Rückumschlag bis zum 4.5.2020 an die nebenstehende Adresse. Später eintreffende Antworten und solche ohne bzw. mit nicht frankierten Rückumschlägen können nicht mehr berücksichtigt werden.
143
Denise Feige LWL-Universitätsklinik Hamm der Ruhr-Universität Bochum Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Heithofer Allee 64 59071 Hamm, Deutschland
Fortbildungszertifikat Die Ärztekammer Niedersachsen erkennt hiermit 2 Fortbildungspunkte an. Stempel
„Autismus und Asperger-Syndrom im Internet“
Die Antworten bitte deutlich ankreuzen! 1
Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 02/2020
2
3
4
5
a b c d e
Ich versichere, alle Fragen ohne fremde Hilfe beantwortet zu haben. Name Berufsbezeichnung, Titel Straße, Nr. Datum
© 2019 Hogrefe
Unterschrift
PLZ, Ort
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 133–143
Gruppentest Basisdiagnostik Mathematik für Ende 3. bis Anfang 4. Klasse BASIS-MATH-G 3+ ist ein Verfahren zur Abklärung von Rechenschwäche und zur Evaluation des Bedarfs an Fördermaßnahmen für rechenschwache Schülerinnen und Schüler. Der Test überprüft anhand von 19 Aufgaben zentrale Kompetenzen der Grundschulmathematik, indem in den Bereichen Arithmetik und Sachrechnen der Umgang mit Zahl und Maß, Operationen und Rechenverfahren überprüft wird. Test komplett bestehend aus: • Manual • Je 5 Testhefte Testform A und B • Je 5 Auswertungsbogen Testform A und B • Je 1 Auswertungsvorlage Testform A und B • Auswertungsprogramm • Instruktionsvorlage • Box Best.-Nr. 03 211 01 (D / A-Version) Best.-Nr. 03 211 11 (CH-Version) € 142,10 (152,05 inkl. MwSt.) CHF 180. 0 (193.86 inkl. MwSt.)
www.hogrefe.com
Besonderheiten: • Vielfältige Aufgabenstellungen aus der Grundschulmathematik (zu Zahl- und Operationsverständnis, Rechnen und (halb-) schriftlichen Rechenverfahren) • Einsetzbar bei Schülerinnen und Schülern im vierten Quartal der 3. Klasse und im ersten Quartal der 4. Klasse • Länderspezifische Testhefte für Kinder aus Deutschland / Österreich und der Schweiz • Zwei parallele Testformen A und B • Durchführung inklusive Einführung in ca. 60 Minuten • Schnelle Auswertung in nur je ca. 5 Minuten pro Testheft, wahlweise per Auswertungsprogramm oder Auswertungsbogen • Normierung an insgesamt 2769 Schülerinnen und Schülern am Ende der 3. und am Anfang der 4. Klasse in Deutschland und der Schweiz
Originalarbeit
Kognitionen von Kindern mit sozialer Angststörung unter Stress Judith Schwarz1, Franziska Schreiber1, Martina Kühnemund1, Christoph Weber2, Ulrich Stangier1 und Siebke Melfsen3,4 1 2 3 4
Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Deutschland Institut für mathematische Stochastik, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Deutschland Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Schweiz Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Zentrum für Psychische Gesundheit, Universitätsklinikum Würzburg, Deutschland
Zusammenfassung: Fragestellung: Kognitive Störungsmodelle der sozialen Angststörung (SAD) wie das von Clark und Wells (1995) postulieren u. a. negativ verzerrte Kognitionen als entscheidende Komponente in der Entstehung und Aufrechterhaltung der Störung. Beurteilungsbias über eigene Bewältigungsmöglichkeiten lassen sich ebenso ableiten. Anders als im Erwachsenenalter ist die Studienlage im Kindesalter unbefriedigend. Die vorliegende Studie geht der Frage nach, ob sich Kognitionen und selbstwahrgenommene Bewältigungsmöglichkeiten von Kindern mit und ohne SAD in angstinduzierenden Situationen unterscheiden. Methodik: 60 Kinder mit SAD (n = 30) und ohne psychische Störung (n = 30) im Alter von 9 bis 15 Jahren (Altersstufen 9–10, 11–12, 13–15 Jahre) wurden hinsichtlich der Anzahl negativer, positiver und Bewältigungsgedanken vor, während und nach einer stressinduzierenden Situation mittels Bestätigungsmethode untersucht. Die antizipierte Bewältigungsmöglichkeit wurde vor der Situation erfasst. Ergebnisse: Kinder mit SAD unterschieden sich zu keinem Messzeitpunkt in negativen und Bewältigungs-, jedoch in positiven Gedanken von Kindern ohne psychische Störung unter Berücksichtigung des Alters. Die älteren SAD-Gruppen berichteten von signifikant weniger positiven Kognitionen, während die jüngere mehr angab als die Kontrollgruppe. Die Gruppen unterschieden sich nicht in ihrer erwarteten Bewältigungsmöglichkeit. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse verweisen auf die Bedeutung positiver Kognitionen für ein Störungsmodell der SAD im Kindesalter und unterstützen eine alterssensitive Anpassung. Schlüsselwörter: Kognitionen, Bewältigungsgedanken, soziale Angststörung, Kindesalter, Störungsmodell, Clark und Wells
Cognition in children with social anxiety disorder experiencing stress Abstract: Empirical data on cognitions of children with social anxiety disorder (SAD) are inconclusive. Objective: The present study examines the significance of cognition in children with SAD. Method: Thirty children suffering from SAD and 30 control children free of diagnosis (HC) aged between 9 and 15 years took part in an experiment. Their cognition was assessed before, during, and after a stress-inducing social situation. The assessment method was a self-report measurement. Coping perception was also assessed. Results: Children with SAD did not report a higher level of negative or coping cognition than those in the HC group. An interaction was apparent on the positive cognition scale: Older children (11–12 or 13–15 years) with SAD reported less positive cognition than those in the HC group, and younger children with SAD (9–10 years) reported more than those in the HC group. No group differences were found for perceived coping. Conclusions: The findings are important to the cognitive model and for the psychological treatment of SAD in children. Keywords: cognition, experimental design, social anxiety disorder, children and adolescents, cognitive model, Clark and Wells
Einleitung Die soziale Angststörung (SAD) gehört mit Prävalenzraten bis 6.8 % (Chavira, Stein, Bailey & Stein, 2004) zu den häufigsten psychischen Störungen im Kindesalter und verläuft meist chronisch (Albano & Hayward, 2004; Ginsburg et al., 2011) mit schwerwiegenden Folgeerscheinungen (Essau & Gabbidon, 2013; Kendall et al., 2010). Zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Störung wurde besonders für das kognitive Modell von Clark und Wells © 2020 Hogrefe
(1995) im Erwachsenenalter empirische Evidenz aufgezeigt. Ein empirisch überprüftes Störungsmodell der SAD für das Kindesalter fehlt bislang (Halldorsson & Creswell, 2017; Hodson, McManus, Clark & Doll, 2008; Schäfer, Schmitz & Tuschen-Caffier, 2012). Dennoch liegen häufig kognitiv-behavioralen Behandlungskonzepten für Kinder mit SAD psychologische Theorien zugrunde, die Annahmen über dysfunktionale kognitive Inhalte und Prozesse vor, während und nach sozialen Situationen enthalten und in wissenschaftlichen Studien (RCTs) zufriedenstel-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 145–157 https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000702
146
lende Behandlungserfolge mit Effektstärken um g = 1 (Scaini, Belotti, Ogliari & Battaglia, 2016) zeigen. Jedoch bleibt unklar, in welchem Ausmaß kognitive Faktoren dafür bedeutsam sind (vgl. z. B. Kendall et al., 2016). Es scheinen bei den wenigen spezifischen Behandlungsprogrammen (z. B. Melfsen & Walitza, 2012; Spence, 1995) diejenigen mit kognitiven Elementen gegenüber behavioralen nicht unbedingt überlegen zu sein (vgl. Creswell, Murray & Cooper, 2014). Übersichtsarbeiten zeigen, dass bereits im Kindesalter negativ verzerrte antizipatorische und nachträgliche Grübelprozesse (vgl. Clark & Wells, 1995) eine Rolle für die Aufrechterhaltung der SAD zu spielen scheinen (z. B. Halldorsson & Creswell, 2017). Die Studienlage zu einem höheren Auftreten von dysfunktionalen kognitiven Inhalten (z. B. auch Beck, Emery & Greenberg, 1985; Rapee & Heimberg, 1997) bei Kindern mit SAD ist inkonsistent (Halldorsson & Creswell, 2017; Schäfer et al. 2012). Einige Studien konnten diese Annahme bei Kindern mit SAD unterstützen (z. B. Muris, Mayer, den Adel, Roos & van Wamelen, 2009; Sood & Kendall, 2007; Tuschen-Caffier, Kühl & Bender, 2011). Demgegenüber berichten zwei der bekanntesten Untersuchungen von Beidel (1991) und Beidel, Turner und Trager (1994) bei Kindern im Schulalter erstmals von einer Gedankenleere („paucity of thoughts“; zitiert nach Beidel & Randall, 1994) in sozialen Angstsituationen. Im Unterschied zu Erwachsenen mit SAD vermuten Alfano, Beidel und Turner (2002) hierzu, dass ängstliche Kinder von Emotionen derart überwältigt sind, dass sie nicht mehr denken oder zumindest mögliche vorhandene negative Gedanken nicht abrufen können. Als mögliche Erklärung der geringen Kognitionenanzahl bei Beidel (1991) und Beidel et al. (1994) wurde kritisch die retrospektive Erhebung im freien Antwortformat angeführt (Alfano et al., 2002). Ein Methodeneffekt zeigte sich auch bei Bögels und Zigterman (2000); Kinder mit SAD oder anderen Angststörungen gaben nach ambiguen Geschichten mehr negative Kognitionen an als Kinder mit externalisierenden Störungen, jedoch erfolgte eine Gefahrenüberschätzung nur mittels geschlossener, nicht freier Antwortgebung. In Letzterer scheint es für Kinder schwieriger, Kognitionen unterschiedlicher Valenz gleichzeitig zu benennen („one-track reporting“; Kendall & Chansky, 1991). Das bedeutet, dass nur negative oder positive Kognitionen geäußert werden, selbst wenn beide Wertungen vorhanden wären. Alfano, Beidel und Turner (2006) berichten, dass negative Kognitionen eher vor einer angstinduzierenden Situation angegeben werden, als währenddessen. Auch seien erst mit zunehmendem Alter die mit SAD assoziierten kognitiven Symptome zu beobachten (vgl. auch Schmitz, Krämer, Blechert & Tuschen-Caffier, 2010; 1 2
J. Schwarz et al., Kognitionen von Kindern mit SAD unter Stress
Stuijfzand, Creswell, Field, Pearcey & Dodd, 2017). Bisher ist ungeklärt, in welchem Alter diese erstmals zutage treten. Mit fortschreitendem Alter verbessern sich metakognitive Fähigkeiten und Kognitionen können besser benannt werden, doch unterscheidet sich die kindliche Introspektion noch von der Erwachsener (Flavell, Flavell & Green, 2000). Im früheren Kindesalter (5–9 Jahre) wurde keine Evidenz gefunden, dass kognitive Verzerrungen eine erhöhte Vulnerabilität für die Ausbildung einer Angststörung erklären können (Ewing, Monsen, Thompson, Cartwright-Hatton & Field, 2015). Der Einbezug des gesamten Altersbereichs (7– 12 Jahre) führte z. B. in den Analysen von Creswell et al. (2014) zu einer Maskierung von Gruppenunterschieden. Nur ältere Kinder (10–12 Jahre) beider Angstgruppen (SAD vs. andere Angststörungen) unterschieden sich in ihrer Selbstbeurteilung der Bewältigungsmöglichkeiten von nichtängstlichen Kindern (vgl. auch Waite, Codd & Creswell, 2015). Kendall (1994) verwies mit dem Begriff „power of nonnegative thinking“ auf die Schlüsselfunktion negativer anstatt positiver Gedanken in der funktionalen Anpassung (z. B. Bögels & Zigterman, 2000; Graf, Gerlach & Melfsen, 2007; Ronan & Kendall, 1997; Sood & Kendall, 2007; Vassilopoulos & Banerjee, 2008). Positive kognitive Inhalte sind in Störungsmodellen nicht enthalten, doch ist deren Aufbau in der kognitiv-behavioralen Behandlung häufig zentral (z. B. Melfsen & Walitza, 2012). Positive Kognitionen meinen meist selbstwertstärkende Selbstaussagen über die eigene Person (z. B. Situationen wie diese meistere ich gut; Fragebogen zur Erfassung sozial ängstlicher Kognitionen von Kindern [SÄKK]; Graf et al., 2007), die sich auf die Aufgabe (z. B. Ich habe die Aufgabe gut gemacht1; Thoughts Questionnaire – Child [TQ-C]; Schmitz et al., 2010), Emotionen (z. B. Ich habe mich gut gefühlt1; TQ-C) oder den sozialen Kontext/ Beobachter (z. B. Die Beobachter hielten mich für selbstsicher1; TQ-C) beziehen können. Es bestehen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen positiven Selbstaussagen und niedriger Angst (Zatz & Chassin, 1985), auch Gruppenunterschiede zwischen Kindern mit und ohne SAD wurden in der erwarteten Richtung gefunden (Kley, Tuschen-Caffier, Heinrichs, 2011; Schmitz et al., 2010). Im Unterschied dazu beziehen sich Bewältigungsgedanken auf die Bewältigung der bevorstehenden Aufgabe („on task“, z. B. Konzentriere dich auf das, was du tust!2; Children’s Cognitive Assessment Questionnaire [CCAQ ]; Zatz & Chassin, 1985) oder auf die Bewältigung der Angst („coping“, z. B. Entspanne dich! 2; CCAQ ). Trotz meist positiver Valenz scheint diese Gedankenform unerwartet mit einem hohen Angstausmaß verbunden zu sein (z. B. Graf et al., 2007; Kendall & Chansky, 1991; Zatz & Chas-
Übersetzung durch die Autoren Übersetzung durch Graf et al. (2007)
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 145–157
© 2020 Hogrefe
J. Schwarz et al., Kognitionen von Kindern mit SAD unter Stress
sin, 1983; 1985): Beide wurden von hochängstlichen Kindern häufiger angegeben als von niedrigängstlichen. Sie wiesen einen signifikanten Zusammenhang zu negativen Gedanken auf, während positive und negative Gedanken unabhängige Konstrukte zu sein scheinen (z. B. Abbott & Rapee, 2004; Graf et al., 2007; vgl. Schmitz et al., 2010; Schwartz & Garamoni, 1986, 1989). Im Sinne einer Selbstberuhigungsstrategie wurden sie als Antwort auf starkes Angsterleben interpretiert. Der Begriff der Bewältigungsmöglichkeit, auch Bewältigungskompetenz oder Copingkompetenz, ist allgemein definiert als die Fähigkeit, mit Stress umzugehen. Sie beinhaltet z. B. nach der transaktionalen Stresstheorie von Lazarus und Folkman (1987) eine Selbsteinschätzung, die Einfluss auf die Auswahl eingesetzter Bewältigungsstrategien nimmt. Negative antizipatorische oder retrospektive Beurteilungsbias über eigene Bewältigungsmöglichkeiten lassen sich aus kognitiven Modellen ableiten und fanden im Kindesalter wiederholt (Schäfer et al., 2012), doch nicht umfassend (z. B. Asbrand, Krämer, Tuschen-Caffier & Schmitz, 2014; Inderbitzen-Nolan, Anderson & Johnson, 2007) empirische Unterstützung. Eine verbesserte Selbsteinschätzung der Bewältigungskompetenz erwies sich als Mediator für den anhaltenden Behandlungserfolg bei Angststörungen im Kindesalter (Kendall et al., 2016). Die Beurteilung eigener Bewältigungsmöglichkeiten vor der Situation, die Copingerwartung, wird häufig als antizipierte Emotionen und erwartete Kontrolle (Creswell et al., 2014; Miers, Blöte, Bokhorst & Westenberg, 2009) oder als wahrgenommener Schwierigkeitsgrad (Kendall, 1994) operationalisiert. Die Operationalisierungen variieren in Abhängigkeit der angewandten Erhebungsmethoden. Insgesamt ist ungeklärt, welche Bedeutung verzerrte Annahmen über sich selbst bei Kindern mit SAD haben. Die inkonsistente Ergebnislage wird v. a einer Methodenvarianz der Untersuchungen zugeschrieben (Alfano et al., 2002; Halldorsson & Creswell, 2017). Es ist daher notwendig, relevante Untersuchungsparameter vergleichend einzubeziehen (vgl. Alfano et al., 2002, 2006; Creswell et al., 2014). Vor diesem Hintergrund wurde in der vorliegenden Studie erstmals zu drei Messzeitpunkten (prä, peri, post) in einer angstinduzierenden sozialen Situation untersucht, ob sich Kinder mit SAD auf drei Altersstufen von Kindern ohne psychische Störungen hinsichtlich der Anzahl und Valenz ihrer Kognitionen (negative Selbstevaluation, positive Selbstevaluation, Bewältigungsgedanken) sowie ihrer selbst- und fremdbeurteilten Bewältigungsmöglichkeit unterscheiden. Hypothese 1: Es wird erwartet, dass nur ältere Kinder (11–12 Jahre) und Adoleszente (13–15 Jahre) mit SAD vor und nach einer stressinduzierenden Situation signifikant mehr negative und Bewältigungsgedanken angeben als Kinder der gleichen Altersstufen ohne psychische Störungen. © 2020 Hogrefe
147
Hypothese 2: Es wird erwartet, dass nur ältere Kinder (11–12 Jahre) und Adoleszente (13–15 Jahre) mit SAD vor und nach einer stressinduzierenden Situation signifikant weniger positive Kognitionen angeben als Kinder der gleichen Altersstufen ohne psychische Störungen. Hypothese 3: Es wird erwartet, dass Kinder während einer angstinduzierenden Situation signifikant weniger negative Kognitionen angeben als davor und danach. Hypothese 4: Es wird erwartet, dass nur ältere Kinder (11–12 Jahre) und Adoleszente (13–15 Jahre) mit SAD eine signifikant geringere Selbst- und Fremdbeurteilung der Bewältigungsmöglichkeit aufweisen als Kinder der gleichen Altersstufen ohne psychische Störungen.
Methodik Teilnehmer Es nahmen insgesamt N = 60 Kinder an der Untersuchung teil. Davon erfüllten n = 30 Kinder die diagnostischen Kriterien der SAD nach DSM-IV (Diagnostic and statistical manual of mental disorders; American Psychiatric Association, 1994), die mittels Durchführung des Kinder-DIPS (Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter; Unnewehr, Schneider & Margraf, 1995) mit Kind und Mutter erhoben wurden. Ausschlusskriterien waren akute Eigenoder Fremdgefährdung, selbstverletzendes Verhalten, psychotische Symptome, IQ < 70 sowie eine gleichzeitige Teilnahme an anderen psychosozialen, -therapeutischen oder -pharmakologischen Behandlungen. Die Kinder mit SAD (n = 30) waren bei Teilnahme am Experiment zwischen 9 und 14 Jahre alt (M = 11.71, SD = 1.76, range: 9.11– 14.90), 100 % waren kaukasisch und 50 % weiblich. Das Intelligenzniveau gemessen mit dem CFT 20 (Culture Fair Test 2; Weiß, 1998) lag mit M = 110.30 (SD = 14.11) im Durchschnittsbereich. Der Schweregrad der SAD lag auf der Beurteilungsskala des Kinder-DIPS (0–8) bei M = 5.07 (SD = 0.87). Im SPAIK (Sozialphobie und -angstinventar für Kinder; Melfsen, Florin & Warnke, 2001) ergaben sich hohe Werte (M = 21.43, SD = 5.54), die auf ausgeprägte soziale Ängste im klinischen Bereich hinweisen. Von den n = 30 Kindern mit primärer SAD wiesen insgesamt n = 13 Kinder komorbide Diagnosen auf, davon n = 11 mit anderen Angststörungen (n = 10 spezifische Phobie, n = 1 Trennungsangst), n = 1 Kind mit einer affektiven Störung und n = 1 Kind mit Enuresis. Die n = 30 Kinder mit SAD wurden hinsichtlich Alter, Geschlecht und Schulform mit einer Kontrollgruppe (KG) von n = 30 Kindern ohne psychische Störung parallelisiert. Nach Studieneinschluss mussten n = 2 Kinder aufgrund
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 145–157
148
fragmentarischen Ausfüllens der Fragebögen oder Teilnahmeverweigerung nacherhoben werden (n = 32). Die Rekrutierung erfolgte durch Werbung in Schulen, bei Ärztinnen und Ärzten, in therapeutischen Institutionen und öffentlichen Medien. Ausschlusskriterien waren zusätzlich das Vorliegen einer sozialen oder anderen Angststörung. Das Alter der KG lag zwischen 9 und 15 Jahren (M = 11.81, SD = 1.68, range = 9.11–15.1), 100 % waren kaukasisch und 50 % weiblich. Die KG verfügte im CFT 20 über eine leicht überdurchschnittliche mittlere Intelligenz von M = 116.41 (SD = 13.13). Im SPAIK zeigte sich ein Ausmaß, das auf altersadäquate soziale Ängste im Normbereich hinweist (M = 9.11, SD = 5.60). Die Kinder der KG wiesen nach Kinder-DIPS (Unnewehr et al., 1995) keine psychischen Störungen auf.
J. Schwarz et al., Kognitionen von Kindern mit SAD unter Stress
CQ-C Das Selbstbeurteilungsinstrument Coping-Questionnaire – Child (CQ-C; Kendall, 1994) dient der Erfassung der selbstwahrgenommenen Bewältigungskompetenz des Kindes in individuellen angstbesetzten Situationen. Gemeinsam mit der Mutter werden drei üblicherweise angstauslösende soziale Situationen ausgewählt und formuliert, die dann auf einer fünfstufigen Skala (von 1 = gar nicht schwierig bis 5 = sehr schwierig) hinsichtlich ihrer antizipierten Schwierigkeit für das Kind beurteilt werden. Die Test-Retest-Reliabilität wird von den Autoren bei Kindern mit Angststörungen nach 2 Monaten zufriedenstellend mit rtt = .73 angegeben. Aus den drei Situationen wurde für die experimentelle Angstinduktion eine Situation mittleren Schwierigkeitsgrades ausgewählt.
Maße Kinder-DIPS Alle Kinder und ihre Mütter nahmen an einem strukturierten klinischen Interview (Kinder-DIPS; Unnewehr et al., 1995) zur Diagnosestellung nach DSM-IV (American Psychiatric Association, 1994) teil. Im Kinder-DIPS werden die Selbstauskunft des Kindes sowie die Fremdbeurteilung der Mutter über das Kind erhoben und in ein klinisches Urteil integriert. Hierfür wurden die Diagnosen aus der Kinder- und der Elternversion zusammengefügt. Bei Nichtübereinstimmung wurden beide Versionen herangezogen. Ab dem Alter von 10 Jahren wurde zunehmend den Angaben des Kindes gefolgt (Schneider, Suppiger, Adornetto & Unnewehr, 2008; Schneider, Unnewehr & Margraf, 1995). Die berichteten Interrater-Reliabilitäten der diagnostischen Kategorien können als zufriedenstellend bis gut bezeichnet werden (Unnewehr et al., 1995). Die Interviews wurden von zwei Diplom-Psychologen in psychotherapeutischer Ausbildung durchgeführt. Eine ausführliche Darstellung des diagnostischen Trainings findet sich bei Melfsen et al. (2011). In der vorliegenden Studie lag auf der Basis von 25 % der Fälle (n = 15) eine Übereinstimmung der Primärdiagnosen in 100 % und in ≥ 85 % der Komorbiditäten mit einem unabhängigen Experten vor. SPAIK Das Sozialphobie und -angstinventar für Kinder (SPAIK; Melfsen et al., 2001; Social Phobia and Anxiety Inventory for Children [SPAI-C]; Beidel, Turner & Morris, 1995) erfasst Art und Ausmaß sozialer Ängste im Kindesalter. Das Selbstauskunfts-Inventar kann als reliables (α = .92; rtt = 84) und valides (r = .60) Messinstrument angesehen werden (Melfsen et al., 2001). Der berichtete Cutoff-Wert von 20 diskriminiert zwischen klinisch relevanter und subklinischer sozialer Angst (Melfsen et al., 2001).
SÄKK Der Fragebogen zur Erfassung sozial ängstlicher Kognitionen von Kindern (SÄKK; Graf et al., 2007; CCAQ ; Zatz & Chassin, 1985) wurde herangezogen, um Kognitionen in sozialen Situationen zu erfassen (siehe Tabelle 1). Das Selbstbeurteilungsinstrument umfasst in der deutschen Version drei Subskalen (negative Selbstevaluation, positive Selbstevaluation, Bewältigungsgedanken) mit je neun Items und zeigt gute psychometrische Eigenschaften (Reliabilität: α = .84–.92; rtt = .84; Validierung anhand des SPAIK: r = .64; Graf et al., 2007). Stressoren Jedes Kind durchlief eine soziale Situation. Die Stressorart wurde kontrolliert. Auf Basis der Eingangsdiagnostik wurden als Stressoren individuelle alltägliche stressinduzierende Situationen auf mittlerem Angstniveau von je der Hälfte der Kinder mit und ohne SAD ausgewählt, z. B. mit Unbekannten sprechen oder ein Referat halten. Die individuellen Situationen wurden den parallelisierten Kindern der anderen Gruppenhälfte (SAD oder KG) fix vorgegeben. Vor Beginn wurde die entsprechende Interaktions- oder Leistungssituation auf dem CQ-C abgebildet. Erfassung von Kognitionen sowie selbst- und fremdwahrgenommener Bewältigungsmöglichkeit Die Kognitionen wurden vor, während und nach der Stressinduktion mittels SÄKK erhoben. Vor Durchlaufen der Situation erfolgte die Selbstbeurteilung der erwarteten Bewältigungsmöglichkeit anhand des CQ-C (Schwierigkeit der Situation) durch das Kind. Nach der Durchführung wurde auf der gleichen Skala der Schwierigkeitsgrad der bewältigten Situation aus Versuchsleitersicht fremdbeurteilt und als beobachtbare Bewältigungsmöglichkeit in der Situation erfasst.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 145–157
© 2020 Hogrefe
J. Schwarz et al., Kognitionen von Kindern mit SAD unter Stress
Beginn. Die Kinder wurden instruiert, die Häufigkeit ihrer Gedanken in der zu bewältigenden sozialen Situation anzugeben. Für den ersten Testzeitpunkt (prä) wurde den Kindern im Diagnostikraum der SÄKK vorgegeben. Die Angstinduktion erfolgte in einem angrenzenden Untersuchungsraum, in dem der SÄKK für den zweiten (peri) und dritten Testzeitpunkt (post) vorgelegt wurde. Die Dauer variierte mit der Situationsauswahl (z. B. ein Referat halten) und betrug max.10 Minuten. Je nach Angstinhalt waren fremde/bekannte Kinder/Erwachsene anwesend.
Tabelle 1. SÄKK-Items und -Skalen. Item
Negative Selbstevaluation
11 18 10 15 25 6 7 5 12
Ich frage mich, ob mich die anderen mögen Ich mache bestimmt alles falsch Ich kann so etwas schlechter als andere Ich bin nicht gut genug Ich denke daran, was alles schiefgehen könnte Ich wünschte, ich wäre zu Hause Das ist schwerer für mich als für andere Ich frage mich, was die anderen von mir denken Ich frage mich, ob ich dumm dastehen werde Positive Selbstevaluation
22 17 20 26 19 27 21 23 16
Ich kann das leicht schaffen Situationen wie diese meistere ich gut Ich habe die Fähigkeiten, das gut zu machen Ich kann mit solchen Situationen gut umgehen Ich mache es richtig so Mich kann das nicht verunsichern Ich bin gut so, wie ich bin Wichtiger als das, was andere über mich denken, ist das, was ich über mich denke Ich weiß, wie ich mich verhalten muss Bewältigungsgedanken
9 8 3 2 4 24 1 13 14
Bleibe ruhig Erst einmal tief Luft holen Atme ruhig Versuche, dich zu beruhigen Ich stelle mir vor, wie ich es gut schaffe Entspanne dich Konzentriere dich auf das, was du tust Mach es, so gut du kannst Ich stelle mir vor, wie ich meine Angst überwinden kann
Anmerkungen. Itemnummern und Skalen des Fragebogens zur Erfassung sozialängstlicher Kognitionen für Kinder (SÄKK): negative Selbstevaluation, positive Selbstevaluation, Bewältigungsgedanken.
Ablauf Die Untersuchung wurde durch das Ethikkomitee der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) genehmigt. Vor Beginn der Untersuchung wurden die Erziehungsberechtigten schriftlich aufgeklärt und ihre Einwilligungserklärung eingeholt. Die Kinder mit SAD nahmen an der experimentellen Untersuchung im Rahmen einer Studie zur kognitiv-behavioralen Behandlung der Störung im Kindesalter (Melfsen et al., 2011) teil. Der Angstinduktion gingen fünf edukative Sitzungen und drei bis vier Sitzungen zur Vorbereitung der Verhaltensexperimente voraus. Den Familien der KG wurden die Fragebögen zuvor postalisch übersandt, die sie zur Untersuchung mitbrachten. Das Kinder-DIPS wurde mit Kind und Mutter vor Ort durchgeführt. Bei Einschluss in die Untersuchung erhielten die Kinder der KG 15 € für ihre Teilnahme. Der Versuchsablauf war standardisiert. Die Aufklärung über den Zweck der Untersuchung erfolgte zu © 2020 Hogrefe
149
Statistische Datenanalyse Zur Hypothesentestung wurden 3 (Alter: 9–10, 11–12, 13– 15) × 3 (Zeit: prä, peri, post) × 2 (Gruppe: SAD, KG) × 2 (Stressor: individuell, vorgegeben) ANOVAs mit und ohne Wiederholungsmessung und t-Tests für unabhängige Stichproben durchgeführt. Alle Hypothesen wurden auf dem α = .05 Signifikanzniveau geprüft. Die Kinder wurden in drei Altersgruppen von 9 bis 10 Jahre (jüngere Kinder), 11 bis 12 Jahre (ältere Kinder) und 13 bis 15 Jahre (Adoleszente) unterteilt. Die Effektstärken werden nach Ellis (2010) von ηp2≥ .06 als mittel und ηp2≥ .14 als groß und für Cohens d von d ≥ .50 als mittel und d ≥ .08 als groß (Cohen, 1988) klassifiziert.
Ergebnisse Es lagen durch die Parallelisierung keine relevanten Gruppenunterschiede in Alter, Geschlecht und Schulform vor. Im Intelligenzniveau gemessen mit dem CFT 20 (t[60] = –1.77, p = .08) unterschieden sich die Gruppen nicht signifikant. Signifikante Gruppenunterschiede mit großem Effekt zeigten sich im Ausmaß sozialer Ängste (SPAIK; t[58] = 8.57, p < .01, d = 2.21).
Hypothesentestung Negative und positive Selbstevaluation, Bewältigungsgedanken (SÄKK) Die ANOVAs mit Messwiederholungsfaktor Zeit (prä, peri, post) auf den abhängigen Variablen Kognitionen ergaben keine Haupteffekte für den Faktor Gruppe (negative Selbstevaluation: F[1, 41] = .00, p = .99, ηp2 = .00; positive Selbstevaluation: F[1, 39] = .00, p = .99, ηp2 = .00; Bewältigungsgedanken: F[1, 41] = .07, p = .80, ηp2 = .00; siehe Tabellen 2, 3 und 4). Es zeigte sich ein signifikanter Haupteffekt für den Faktor Alter auf der Skala negative Selbstevaluation (F[2, 41] = 4.38, p = .02), der mit einer Effektstärke von ηp2 = .18 als groß zu bezeichnen ist. Mittels Scheffé-Test ließ sich das Ergebnis auf eine signifi-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 145–157
150
J. Schwarz et al., Kognitionen von Kindern mit SAD unter Stress
Tabelle 2. Negative Selbstevaluation (SÄKK). 9–10 Jahre
11–12 Jahre
13–15 Jahre
SAD M (SD)
KG M (SD)
Gesamt M (SD)
SAD M (SD)
KG M (SD)
Gesamt M (SD)
SAD M (SD)
KG M (SD)
Gesamt M (SD)
Vor der Situation
3.18 (3.49)
6.67 (7.22)
4.93 (5.81)
10.24 (6.88)
7.78 (6.69)
8.99 (6.69)
13.29 (7.74)
11.29 (6.75)
12.29 (7.05)
Während der Situation
1.36 (3.11)
4.23 (7.00)
2.80 (5.48)
7.50 (6.88)
4.67 (5.83)
6.00 (6.62)
9.00 (10.25)
9.86 (8.61)
9.43 (9.10)
Nach der Situation
2.27 (2.87)
6.43 (7.67)
4.35 (6.04)
7.88 (5.77)
7.89 (8.21)
7.88 (6.95)
11.51 (7.91)
9.14 (5.76)
10.36 (6.77)
Anmerkungen. Skala negative Selbstevaluation des Fragebogens zur Erfassung sozialängstlicher Kognitionen (SÄKK) zu drei Testzeitpunkten (vor, während und nach der angstinduzierenden Situation); Altersstufen: 9–10, 11–12, 13–15 Jahre; Gruppen: SAD = soziale Angststörung, KG = Kontrollgruppe; M = Mittelwert, SD = Standardabweichung.
Tabelle 3. Bewältigungsgedanken (SÄKK). 9–10 Jahre
11–12 Jahre
13–15 Jahre
SAD M (SD)
KG M (SD)
Gesamt M (SD)
SAD M (SD)
KG M (SD)
Gesamt M (SD)
SAD M (SD)
KG M (SD)
Gesamt M (SD)
Vor der Situation
10.51 (6.21)
8.09 (7.02)
9.03 (6.58)
15.25 (6.96)
17.19 (5.84)
16.28 (6.27)
16.71 (7.63)
13.86 (8.45)
15.29 (7.88)
Während der Situation
11.40 (6.48)
8.89 (6.60)
10.14 (6.51)
14.25 (8.48)
15.67 (8.70)
15.00 (8.36)
15.86 (5.79)
13.71 (7.65)
14.79 (6.61)
Nach der Situation
11.91 (6.96)
7.67 (6.21)
9.79 (6.79)
14.25 (7.43)
15.33 (9.23)
14.82 (8.68)
15.71 (9.38)
12.86 (6.04)
14.29 (7.72)
Anmerkungen. Skala Bewältigungsgedanken des Fragebogens zur Erfassung sozialängstlicher Kognitionen (SÄKK) zu drei Testzeitpunkten (vor, während und nach der angstinduzierenden Situation); Altersstufen: 9–10, 11–12, 13–15 Jahre; Gruppen: SAD = soziale Angststörung, KG = Kontrollgruppe; M = Mittelwert, SD = Standardabweichung.
Tabelle 4. Positive Selbstevaluation (SÄKK). 9–10 Jahre
11–12 Jahre
13–15 Jahre
SAD M (SD)
KG M (SD)
Gesamt M (SD)
SAD M (SD)
KG M (SD)
Gesamt M (SD)
SAD M (SD)
KG M (SD)
Gesamt M (SD)
Vor der Situation
19.91 (10.20)
16.20 (8.54)
18.14 (8.42)
14.50 (5.43)
19.63 (7.67)
17.06 (6.95)
14.29 (7.63)
15.86 (6.41)
15.07 (6.82)
Während der Situation
20.36 (9.74)
12.30 (8.24)
16.52 (9.75)
14.50 (4.99)
19.13 (10.09)
16.81 (8.05)
14.00 (7.48)
15.14 (7.24)
14.57 (7.10)
Nach der Situation
21.55 (9.40)
11.30 (7.70)
16.67 (9.92)
14.25 (4.86)
19.13 (9.33)
16.69 (7.61)
12.14 (9.26)
15.00 (5.86)
13.57 (7.59)
Anmerkungen. Skala positive Selbstevaluation des Fragebogens zur Erfassung sozialängstlicher Kognitionen (SÄKK) zu drei Testzeitpunkten (vor, während und nach der angstinduzierenden Situation); Altersstufen: 9–10, 11–12, 13–15 Jahre; Gruppen: SAD = soziale Angststörung, KG = Kontrollgruppe; M = Mittelwert, SD = Standardabweichung.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 145–157
© 2020 Hogrefe
J. Schwarz et al., Kognitionen von Kindern mit SAD unter Stress
kante Mittelwertedifferenz zwischen der ersten und dritten Altersstufe (x̅d = –7.20, p = .01, 95 %-CI {–12.64, –1.76}) zurückführen, bei der die ältere Gruppe eine höhere Anzahl aufwies. Auf der Skala Bewältigungsgedanken (F[2, 41] = 5.04, p = .01) zeigte sich ebenso ein signifikanter Haupteffekt für den Faktor Alter, der mit ηp2 = .20 als groß einzustufen ist. Im Scheffé-Test ergab sich ein signifikanter Unterschied zwischen der ersten und zweiten (x̅d = –5.62, p = .045, 95 %-CI{–11.15, –.10}) sowie der ersten und dritten (x̅d = –5.38, p = .04, 95 %–CI {–11.46, –.21}) Altersstufe mit einer höheren Anzahl der älteren Gruppen. Darüber hinaus ergab sich eine signifikante Interaktion Gruppe × Alter (F[2, 39] = 3.49, p = .04, ηp2 = .15) auf der Skala positive Selbstevaluation mit großem Effekt (siehe Abbildung 1). Zu allen Testzeitpunkten berichteten ältere Kinder und Adoleszente mit SAD weniger positive Gedanken, während jüngere Kinder mit SAD signifikant mehr berichteten. In der KG war es umgekehrt: Jüngere Kinder gaben weniger positive Gedanken an, ältere mehr. Es wurde kein Interaktionseffekt Gruppe × Alter auf der Skala negative Selbstevaluation (F = 1.08, p = .35, ηp2 = .05) und auf der Skala Bewältigungsgedanken (F = 1.12, p = .34, ηp2 = .05) gefunden. Kein weiterer Effekt (prä, peri, post, gesamt) erreichte statistische Signifikanz. Hypothese 1 (negative Selbstevaluation/Bewältigungsgedanken) muss verworfen werden. Hypothese 2 (positive Selbstevaluation) konnte teilweise bestätigt werden.
151
Bewältigungskompetenz (CQ-C) In der Selbstbeurteilung der erwarteten Bewältigungskompetenz ergab sich ein großer signifikanter Haupteffekt für den Faktor Alter (F[2, 47] = 4.71, p = .01, ηp2 = .17), der auf eine höhere Schwierigkeitserwartung zwischen der ersten und dritten Altersstufe (Scheffé-Test: x̅d = –1.06, p = .02, 95 %-CI {–1.95, –.17}) zurückgeht (siehe Tabelle 5). Es zeigte sich kein Haupteffekt für den Faktor Gruppe (F[1, 47] = .00, p = .97, ηp2 = .00) und kein Interaktionseffekt Gruppe × Alter (F[2, 47] = 1.55, p = .22, ηp2 = .06). In der Fremdbeurteilung der Bewältigungsmöglichkeit zeigte sich ein signifikanter Haupteffekt für den Faktor Gruppe (F[1, 45] = 10.50, p < .01), der groß ausfiel (ηp2 = .19). Die Kinder der SADGruppe erreichten signifikant höhere Werte als die Kinder der KG. Es ergab sich ein signifikanter Haupteffekt für den Faktor Alter (F[2, 45] = 3.23, p = .049,) mit einer mittleren Effektstärke von ηp2 = .13. Es zeigte sich eine Zunahme der Schwierigkeitsratings im Altersverlauf zwischen der ersten und dritten Altersstufe (Scheffé-Test: x̅d = –.83, p = .04, 95 %-CI {–1.65, –.02}). Es wurde kein Interaktionseffekt Gruppe × Alter (F[2, 45] = .60, p = .55, ηp2 = .03) gefunden. Hypothese 4 (Bewältigungsmöglichkeit) kann teilweise angenommen werden. Erhebungszeitpunkt Es ergab sich ein signifikanter Haupteffekt für den Faktor Zeit auf der Skala negative Selbstevaluation (F[2, 82] = 10.91, p < .01,). Der Effekt ist mit ηp2 = .20 als groß einzu-
Abbildung 1. Mittelwerte der Anzahl positiver Kognitionen auf allen drei Altersstufen (9–10, 11–12, 13–15 Jahre) der Kinder mit SAD im Vergleich zu Kindern ohne psychische Störungen. Gruppen: Kinder mit SAD, Kinder ohne psychische Störungen (Kontrollgruppe).
© 2020 Hogrefe
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 145–157
152
J. Schwarz et al., Kognitionen von Kindern mit SAD unter Stress
Tabelle 5. Selbst- und Fremdbeurteilung der Bewältigungskompetenz (CQ-C; Schwierigkeit der Situation). 9–10 Jahre
11–12 Jahre
13–15 Jahre
Alter Gesamt
SAD M (SD)
KG M (SD)
Gruppe M (SD)
SAD M (SD)
KG M (SD)
Gruppe M (SD)
SAD M (SD)
KG M (SD)
Gruppe M (SD)
SAD M (SD)
KG M (SD)
Gruppe M (SD)
Selbstbeurteilung
2.40 (.84)
2.00 (1.18)
2.19 (1.03)
2.13 (.84)
2.88 (1.25)
2.50 (1.10)
3.43 (.98)
3.11 (1.67)
3.25 (1.07)
2.60 (1.00)
2.61 (1.26)
2.60 (1.13)
Fremdbeurteilung
2.30 (.68)
1.64 (.67)
1.95 (.74)
2.63 (.92)
2.00 (.93)
2.31 (.95)
3.43 (.98)
2.14 (1.46)
2.79 (1.37)
2.72 (.94)
1.89 (.99)
2.29 (1.05)
Anmerkungen. Mittelwerte und Standardabweichungen der Selbst- und Fremdbeurteilung der Bewältigungskompetenz (Schwierigkeitsgrad der Situation) in einer sozialen Situation auf dem Coping Questionnaire – Child (CQ-C), 1 = gar nicht schwierig, 2 = ein wenig schwierig, 3 = mittelmäßig schwierig, 4 = schwierig, 5 = sehr schwierig.
stufen. In beiden Gruppen wurden weniger Kognitionen während der Stresssituation benannt als vorher oder danach. Auf der gleichen Skala zeigte sich ein signifikanter Interaktionseffekt (F[2, 82] = 3.81, p = .03) für Zeit × Stressor (prä: individuell: M = 8.53 (SD = 7.23), vorgegeben: M = 7.78 (SD = 6.88); peri: individuell: M = 7.07 (SD = 8.30), vorgegeben: M = 3.90 (SD = 5.78); post: individuell: M = 7.61 (SD = 7.24), vorgegeben: M = 6.47 (SD = 6.54)). Der Effekt liegt im mittleren Bereich (ηp2 = .09). Er geht v. a. auf weniger negative Kognitionen in vorgegebenen gegenüber eigenen Angstsituationen während der Angstinduktion zurück. Kein weiterer signifikanter Effekt wurde gefunden. Hypothese 3 (Testzeitpunkt) konnte bestätigt werden.
Stressor (Kontrolle) Die Art der Stressorquelle (individuell vs. vorgegeben) erbrachte über den genannten Interaktionseffekt (Zeit × Stressor auf der Skala negative Selbstevaluation, s. o.) hinaus keine weiteren signifikanten Effekte, weder auf der Skala negative Selbstevaluation (Haupteffekt: F[1, 41] = .95, p = .34, ηp2 = .02 ; Gruppe × Stressor: F[1, 41] = .35, p = .56, ηp2 = .01, Alter × Stressor: F[2, 41] = .41, p = .67, ηp2 = .02), positive Selbstevaluation (Haupteffekt: F[1, 39] = 2.81, p = .10, ηp2 = .07; Gruppe × Stressor: F[1, 39] = 1.45, p = .24, ηp2 = .04, Alter × Stressor: F[2, 39] = 1.62, p = .21, ηp2 = .08) noch Bewältigungsgedanken (Haupteffekt: F[1, 41] = .50, p = .48, ηp2 = .01; Gruppe × Stressor: F[1, 41] = .38, p = .54, ηp2 = .01, Alter × Stressor: F[2, 41] = .88, p = .42, ηp2 = .04).
Diskussion Auf keiner Altersstufe zeigte sich eine erhöhte Anzahl negativer Kognitionen bei Kindern mit SAD im Vergleich zur KG (Hypothese 1). Damit konnte die Modellkomponente
negativ verzerrter Kognitionen von Clark und Wells (1995) für das Alter von 9 bis 15 Jahren nicht bestätigt werden. Das entspricht einigen vorausgegangenen Untersuchungsergebnissen (Alfano et al., 2006; Beidel, 1991; Beidel et al., 1994; Bögels & Zigterman; 2000, Creswell et al., 2014) und steht im Einklang mit einer multimodalen Studie von Kendall et al. (2016), in der die Reduktion negativer Selbstausaussagen kein signifikanter Mediator für einen nachhaltigen Behandlungserfolg mehr war. Erwartungsgemäß gaben ältere Kinder und Adoleszente mit SAD verglichen mit Gleichaltrigen ohne psychische Störung weniger positive Gedanken an (Hypothese 2), was mit kognitiven Modellen zu vereinbaren ist (vgl. z. B. Calvete & Cardenoso, 2002; Ronan & Kendall, 1997). Es scheint, dass Kinder mit SAD ab dem Alter von 11 bis 12 Jahren unter Stress weniger als psychisch unauffällige Gleichaltrige fähig sind, sich selbst Sicherheit zu geben. Äquivalent zu unseren Ergebnissen benannten bei Schmitz et al. (2010) Kinder ohne psychische Störungen (8–12 Jahre) mehr positive Kognitionen nach einer Stressinduktion als Kinder mit SAD. Die Autoren interpretierten die vermehrten positiven Gedanken psychisch unauffälliger Kinder analog der benignen Beurteilungsverzerrung (Hirsch & Mathwes, 2000). Diese ist beschrieben als positiver Interpretationsbias und scheint als allgemeine protektive Strategie dem Selbstwerterhalt und der Angstreduktion zu dienen. Bei SAD wurde diese als beeinträchtigt angenommen (Hirsch & Clark, 2004; Hirsch & Mathews, 2000). Zudem scheint ein Training der benignen Beurteilung, d. h., in einem ambiguen sozialen Szenario die Entscheidung zugunsten einer positiven Interpretation zu treffen, bei hoch sozialängstlichen Kindern mit einer Reduktion sozialer Trait-Ängste einherzugehen (Vassilopoulos, Banerjee & Prantzalou, 2009). Das ließ sich allerdings bei Kindern mit SAD nicht replizieren (Orchard, Apetroaia, Clarke & Creswell, 2017). Die Autoren diskutieren, ob ein intensiveres Training bei klinischer Ausprägung notwendig sei. Übereinstimmend mit den vorliegenden Ergebnissen fan-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 145–157
© 2020 Hogrefe
J. Schwarz et al., Kognitionen von Kindern mit SAD unter Stress
den Hogendoorn et al. (2014), dass der Anstieg positiver, nicht die Abnahme negativer Gedanken ein potenzieller Mediator für den Behandlungserfolg von Angststörungen bei Kindern zu sein scheint. Zusammengenommen ließe sich für die Behandlung der SAD im Risikoalter ableiten, dass nicht die Veränderung negativer, sondern der Aufbau positiver Selbstbewertung fokussiert werden sollte. Möglicherweise handelt es sich bei diesem Alter um einen Wendepunkt, in dem kognitive Symptome der SAD vermehrt auftreten oder erst valide erfasst werden können. Eine unerwartete Gruppendifferenz zeigte sich in der vorliegenden Untersuchung bei den jüngeren Kindern. Im Alter von 8 bis 9 Jahren gaben Kinder mit SAD mehr positive Kognitionen an als Gleichaltrige der KG. Dieses Ergebnis ist überraschend, da es sich mit kognitiven Modellen nicht vereinbaren lässt. Damit stehen die Daten der jüngeren Kinder mit SAD in einer Reihe mit Studienergebnissen, die positive Kognitionen in Zusammenhang mit hohem Angstausmaß oder schlechterer Anpassung fanden (z. B. Safran, 1982; Schwartz & Garamoni, 1986; Vassilopoulos, Brouzos, Tsorbatzoudis & Tziouma, 2017). So zeigten z. B. Vassilopoulos et al. (2017) Nachteile von experimentell induzierten positiven im Vergleich zu ablenkenden Gedanken vor einer sozial-evaluativen Aufgabe (z. B. hinsichtlich Angstausmaß und katastrophisierender Gedanken). Jüngere Kinder mit SAD könnten positive Gedanken zur Selbstberuhigung einsetzen. Es bleibt jedoch offen, ob diese adaptiv sind und, wie intendiert, zur Verringerung der situativen Angst beitragen oder ob gestörte Informationsverarbeitungsprozesse wie maladaptives positives Ruminieren (vgl. Vassilopoulos et al., 2017) vorliegen. Bei Creswell et al. (2014) antizipierten Kinder mit SAD ebenso überraschend weniger negative Emotionen. Darin sahen die Autoren ein unter klinisch Ängstlichen vorbeschriebenes Phänomen der Selbstwertwahrung (Sedikides & Strube, 1997), eine Art unrealistischer Optimismus (Weinstein, 1980), wie er bei der Unterschätzung negativer Lebensereignisse beschrieben ist. Dieser Vorhersagefehler kann auf eine Angstabwehrtendenz oder ein Bedürfnis nach Selbst-Verstärkung zum Selbstwertschutz zurückgehen. Die Interpretation könnte auch für die vorliegenden Ergebnisse herangezogen werden. Alternativ kann für die jüngere Altersgruppe eine gewisse einspurige Antwortgebung („one-track reporting“; Kendall & Chansky, 1991) nicht vollständig ausgeschlossen werden. Erst ab dem Alter von 10 bis 12 Jahren scheint die Fähigkeit zu wachsen, zwei konfligierende Emotionen gleichzeitig wahrzunehmen (Caroll & Steward, 1984; Harter, 1986). Auf keiner Altersstufe wurden Gruppenunterschiede in den Bewältigungsgedanken gefunden (Hypothese 1). Frühere Untersuchungen verwiesen auf vermehrte Bewältigungsgedanken bei hoher Angst als Selbstberuhi© 2020 Hogrefe
153
gungsstrategie (Graf et al., 2007; Prins & Hanewald, 1997; Zatz & Chassin, 1985), jedoch wurden darin Leistungsängste und nichtklinische Stichproben untersucht. In dem für soziale Ängste angepassten deutschen SÄKK umfasst die Skala positive Selbstevaluation wenige Items, die im Original (CCAQ ) der „Coping“-Kategorie zugeordnet waren und die abweichenden Ergebnisse erhellen könnten. Zudem bestehen in der Forschungsliteratur keine übereinstimmenden Begriffsdefinitionen von positiven und Bewältigungsgedanken. Verschiedene Erhebungsinstrumente erfassen unterschiedliche Konstrukte, was zu einer Konfundierung führen könnte. Eine Abgrenzung scheint aber notwendig, da in früheren Studien Bewältigungsgedanken mit negativen Gedanken und dem Angstausmaß positiv korrelierten, positive Gedanken hingegen nicht (z. B. Graf et al., 2007). Solange deren Funktionalität unklar ist, ist der Zweck eines Aufbaus von Copinggedanken als Behandlungskomponente der SAD im Kindesalter fraglich (vgl. Alfano et al., 2002). Im ungünstigen Fall könnte die Therapeutin oder der Therapeut die Angst implizit verstärken (z. B. Wenn ich so viel Selbstberuhigung brauche, muss die Gefahr riesig sein!). Der von Kendall und Chansky (1991) berichtete „excessive non-functional use of coping self-talk“ (S. 167) von Kindern mit SAD würde begünstigt werden. Erwartungsgemäß gaben alle Kinder während der Angstinduktion weniger negative Kognitionen an als davor oder danach (Hypothese 3). Im Gegensatz zur Studie von Alfano et al. (2006) unterschieden sich weder die Gruppen noch Altersstufen. Diese Ergebnisse scheinen mit dem Konstrukt der kognitiven Leere zu korrespondieren. Doch selbst wenn ein solcher Mechanismus einen Unterschied im kognitiven Stil von Kindern allgemein zu Erwachsenen mit SAD anzeigen würde, bietet dies keine Hinweise auf kognitive Spezifika von Kindern mit SAD. Alternativ erscheint plausibel, dass negative Gedanken vorhanden, aber nicht abrufbar sind (Alfano et al., 2002). Das könnte damit zusammenhängen, dass Kinder von negativen Emotionen überwältigt sind (Alfano et al., 2002), dass sie mehr auf die Aufgabe konzentriert sind (Alfano et al., 2002) oder dass sich negative Vorstellungsbilder (vgl. Clark & Wells, 1995) in den Vordergrund drängen. Bei Alfano, Beidel und Turner (2008) war die Präsenz von negativen Vorstellungsbildern im Kindesbzw. Jugendalter mit einer generellen Reduktion negativer Ressourcen verbunden, was möglicherweise auch in der vorliegenden Untersuchung die verringerte Anzahl negativer Gedanken erklären könnte. Vorstellungsbilder scheinen bei Jugendlichen mit SAD lebhafter und belastender zu sein als bei Jugendlichen ohne SAD (Schreiber & Steil, 2013). Obwohl die Kritik an den Untersuchungen von Beidel (1991) und Beidel et al. (1994; retrospektiv im freien Antwortformat) hier nicht zum
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 145–157
154
Tragen kommt, muss angemerkt werden, dass auch der Fragebogeneinsatz nachteilig sein könnte. Möglicherweise sind andere Methoden für eine valide Kognitionserfassung im Kindesalter vonnöten. Dagegen spricht, dass sich in der vorliegenden Untersuchung nur die Anzahl negativer Kognitionen zum Testzeitpunkt während der Aufgabe reduzierte, nicht aber die der positiven und der Bewältigungsgedanken. Das deutet auf valenzabhängige Zeitverläufe hin, wie sie bereits zuvor auftraten (Alfano et al., 2006; Kendall & Chansky, 1991). Für die Behandlung der SAD im Kindesalter ließe sich ableiten, dass auf die Veränderung verbal repräsentierter negativer Kognitionen während einer Angstinduktion, z. B. in Verhaltensexperimenten, verzichtet werden könnte, weil sie bei Kindern zu diesem Zeitpunkt nicht prädominieren. Entgegen der Erwartung und mehrheitlicher Vorbefunde (Schäfer et al., 2012) unterschied sich die SAD-Gruppe in keinem Altersbereich von der KG in der Copingerwartung (Hypothese 4). Es ist anzunehmen, dass mögliche bedeutsame Moderatorvariablen, z. B. Merkmale der Situation oder das situative Angstausmaß (vgl. Asbrand et al., 2014), nicht mit erfasst wurden. Abweichende Konstruktoperationalisierungen, wie antizipierte Emotionen und erwartete Kontrolle (z. B. Creswell et al., 2014; Miers et al., 2009), könnten zudem maßgeblich sein. Unterschiede in der Fremdbeurteilung der Bewältigungsmöglichkeit traten zwischen den Gruppen erwartungskonform auf (Hypothese 4). Da sich die Beurteilung auf beobachtbares Verhalten in der Situation bezieht, stimmt das Ergebnis im weitesten Sinn mit Studien überein, die soziale Performanzdefizite von Kindern mit SAD fanden (z. B. Asbrand et al., 2014; Halldorsson & Creswell, 2017; Scharfstein & Beidel, 2015; Spence, Donavan & Brechman-Toussaint, 1999). Soziale Performanz ist definiert als das konkret gezeigte und beobachtbare Verhalten in sozialen Situationen (Fydrich, 2002). Einschränkend an den Ergebnissen ist die fragliche Reliabilität der Angaben durch nur eine Beurteilerin bzw. einen Beurteiler. Auch ein Versuchsleitererwartungseffekt (z. B. Rosenthal, 1976) kann nicht ausgeschlossen werden. Insgesamt sind somit die Ergebnisse zurückhaltend zu interpretieren. Beurteilungen von mehreren unabhängigen Beobachterinnen und Beobachtern sind zukünftig notwendig. Alterseffekte zeigten sich gruppenübergreifend als Anstieg negativer Kognitionen, Bewältigungsgedanken und in der Schwierigkeitserwartung. Darin könnte sich eine zunehmende Vulnerabilität für die Entstehung der Störung bis zum Jugendalter widerspiegeln und stimmt mit den noch höheren Prävalenzzahlen in der Adoleszenz (z. B. Kessler et al., 2012) überein. Da keine Gruppenunterschiede gefunden wurden, stehen die Ergebnisse dennoch Voruntersuchungen an hoch sozialängstlichen Jugendlichen (z. B. Hodson et al., 2008; Schreiber, Höfling, Stangier,
J. Schwarz et al., Kognitionen von Kindern mit SAD unter Stress
Bohn & Steil, 2012) gegenüber und können keinen SADspezifischen Bedeutsamkeitszuwachs der Modellkomponenten von Clark und Wells (1995) im Entwicklungsverlauf (vgl. Schäfer et al., 2012) erhärten. Die Generalisierbarkeit der Untersuchungsergebnisse ist eingeschränkt. Kinder mit SAD erhielten vor Durchführung des Experimentes zum Motivationsaufbau vorbereitende Sitzungen innerhalb eines Behandlungsprogramms (Melfsen et al., 2011). Ein früher Profit durch die Behandlung ist nicht ausgeschlossen. Dagegen spricht, dass es sich um edukative Sitzungen handelte und die kognitive Hauptintervention in späteren Verhaltensexperimenten (Clark & Wells, 1995; Leigh & Clark, 2018) lag. Neben der geringen Stichprobengröße ist deren Aufteilung in drei Altersgruppen mit einer verringerten statistischen Power verbunden, sodass etwaige in der Population vorliegende Effekte in den negativen oder Bewältigungsgedanken möglicherweise nicht aufgedeckt werden konnten. Die Replikation der Ergebnisse, auch die der signifikanten Unterschiede v. a. der jüngeren Altersgruppe, ist erforderlich, wofür eine größere Stichprobe wünschenswert wäre. Ein Einfluss der Stressorart zeigte sich nur in Abhängigkeit vom Testzeitpunkt auf der Skala negative Kognitionen. Allerdings existiert in der Literatur keine diesem Vorgehen zugrunde liegende Theorie. Einschränkend ist zudem, dass die Ergebnisse keine Aussagen zu möglichen Unterschieden sozialer und evaluativer Stressoren (z. B. Spence et al., 1999) zulassen. Der Fragebogeneinsatz erlaubt eine konstruktvalide, wenig reaktive und objektive Erhebung (z. B. Kendall & Sessa, 1993), die mit der Vorgabe unterschiedlicher Valenzen dem „one-track reporting“ entgegensteht. Jedoch geben prototypische Aussagen nicht unbedingt individuelle Gedanken wieder (Cameron & Meichenbaum, 1980), was die Antwortgebung erschweren könnte. Andere Modellkomponenten wurden nicht erfasst. Die selbstevaluativen Aussagen könnten auf dem Boden überdauernder kognitiver Schemata aufgetreten sein, doch dazu sind zwingend spezifische Untersuchungen erforderlich, die bisher fehlen (Halldorsson & Creswell, 2017). Die Fragen, wann und ob Kognitionen von Kindern mit SAD, vergleichbar mit Erwachsenen, in störungsspezifischen Mustern auftreten, sind ungeklärt. Die vorliegende Studie verweist über eine verringerte (ab 11 Jahren) oder erhöhte (8–9 Jahren) Anzahl positiver Kognitionen auf systematische kognitive Abweichungen von Kindern mit SAD. Darüber hinaus unterstützen die Ergebnisse eine Alterssensitivität eines Störungsmodells und zukünftiger Studien im Kindesalter. Eine Begriffsdifferenzierung zwischen positiven und Bewältigungsgedanken scheint für Forschungsfragen und die psychotherapeutische Behandlung notwendig.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 145–157
© 2020 Hogrefe
J. Schwarz et al., Kognitionen von Kindern mit SAD unter Stress
Literatur Abbott, M. J. & Rapee, R. M. (2004). Post-event rumination and negative self-appraisal in social phobia before and after treatment. Journal of Abnormal Psychology, 113(1), 136–144. Albano, A. M. & Hayward, C. (2004). Social anxiety disorder. In T. H. Ollendick & J. S. March (Eds.), Phobic and anxiety disorders in children and adolescents: A clinician’s guide to effective psychosocial and pharmacological interventions (pp. 198–235). New York, NY: Oxford University Press. Alfano, C. A., Beidel, D. C. & Turner, S. M. (2002). Cognition in childhood anxiety: Conceptual, methodological, and developmental issues. Clinical Psychology Review, 22(8), 1209–1238. Alfano, C. A., Beidel, D. C. & Turner, S. M. (2006). Cognitive correlates of social phobia among children and adolescents. Journal of Abnormal Child Psychology, 34(2), 189–201. Alfano, C. A., Beidel, D. C. & Turner, S. M. (2008). Negative self imagery among adolescents with social phobia: A test of an adult model of the disorder. Journal of Clinical Child & Adolescent Psychology, 37, 327–336. American Psychiatric Association. (1994). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (4th ed.). Washington, DC: American Psychiatric Association. Asbrand, J., Krämer, M., Tuschen-Caffier, B. & Schmitz, J. (2014). Der Einfluss von situativer Angst auf die soziale Performanz und Selbstbewertung von Kindern mit sozialen Ängsten. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 43(2), 83–91. Beck, A., Emery, G. & Greenberg, R. (1985). Anxiety disorders and phobias: A cognitive perspective (pp. 300–368). New York: Basic Books. Beidel, D. C. (1991). Social phobia and overanxious disorder in school-age children. Journal of the American of Child & Adolescent Psychiatry, 30, 545–552. Beidel, D. C. & Randall, J. (1994). Social Phobia. In T. H. Ollendick, N. J. Young & W. Yule (Eds.) International handbook of phobic and anxiety disorders in children and adolescents. Issues in Clinical and Child Psychology (pp 111–129). Boston: Springer. Beidel, D. C., Turner, S. M. & Morris, T. L. (1995). A new inventory to assess childhood social anxiety and social phobia: The social phobia and anxiety inventory for children. Psychological Assessment, 7, 73–79. Beidel, C. C., Turner, S. M. & Trager, K. N. (1994). Test anxiety and childhood anxiety disorders in African American and white school children. Journal of Anxiety Disorders, 8(2), 169–179. Bögels, S. M. & Zigterman, D. (2000). Dysfunctional cognitions in children with social phobia, separation anxiety disorder, and generalized anxiety disorder. Journal of Abnormal Child Psychology, 28, 205–211. Calvete, E. & Cardenoso, O. (2002). Self-talk in adolescents: Dimensions, states of mind, and psychological maladjustment. Cognitive Therapy and Research, 26, 473–485. Cameron, R. & Meichenbaum, D. (1980). Cognition and behavior change. Australian and New Zealand Journal of Psychiatry, 14, 121–125. Caroll, J. J. & Steward, M. S. (1984). The role of cognitive development in children’s understanding of their own feelings. Child Development, 55(4), 1486–1492. Chavira, D. A., Stein, M. B., Bailey, K. & Stein, M. T. (2004). Child anxiety in primary care: Prevalent but untreated. Depression and Anxiety, 20(4), 155–164. Clark, D. M. & Wells, A. (1995). A cognitive model of social phobia. In R. G. Heimberg, M. R. Liebowitz, D. A. Hope & F. R. Schneier (Eds.), Social phobia. Diagnosis, assessment, and treatment (pp. 69– 93). New York, NY: The Guilford Press. © 2020 Hogrefe
155
Cohen, J. (1988). Statistical power analysis for the behavioral sciences (2nd ed.). Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum Associates. Creswell, C., Murray, L. & Cooper, P. J. (2014). Interpretation and expectation in childhood anxiety disorders: Age effects and social specificity. Journal of Abnormal Child Psychology, 42, 453–465. Ellis, P. D. (2010). The essential guide to effect size: Statistical power, meta-analysis, and the interpretation of research results. Cambridge,NY: Cambridge University Press. Essau ,C. A. & Gabbidon, J. (2013). Epidemiology, comorbidity and mental health service utilization. In C. A. Essau & T. H. Ollendick (Eds.), The Wiley-Blackwell handbook of the treatment of childhood and adolescent anxiety (pp. 23–42). Chichester: Wiley-Blackwell. Ewing, D. L., Monsen, J. J., Thompson, E. J., Cartwright-Hatton, S. & Field, A. (2015). A meta-analysis of transdiagnostic cognitive behavioural therapy in the treatment of child and young person anxiety disorders. Behavioural and Cognitive Psychotherapy, 43(5), 562–577. Flavell, J. H. H., Flavell, E. R. & Green, F. L. (2000). Development of children’s awareness of their own thoughts. Journal of Cognition and Development, 1, 97–112. Fydrich, T. (2002). Soziale Kompetenz und soziale Performanz bei sozialer Phobie. In U. Stangier & T. Fydrich (Hrsg.), Soziale Phobie und Soziale Angststörung (S. 181–203). Göttingen: Hogrefe. Ginsburg, G. S., Kendall, P. C., Sakolsky, D., Compton, S. N., Piacentini, J., Albano, A. M. et al. (2011). Remission after acute treatment in children and adolescents with anxiety Disorders: Findings from the CAMS (Vol. 79). Washington, DC: American Psychological Association. Graf, A., Gerlach, A. L. & Melfsen, S. (2007). Fragebogen zur Erfassung sozial ängstlicher Kognitionen bei Kindern und Jugendlichen. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 35, 257–264. Halldorsson, B. & Creswell, C. (2017). Social anxiety in preadolescent children: What do we know about maintainance? Behavior Research and Therapy, 99, 19–36. Harter, S. (1986). Cognitive-developmental processes in the integration of concepts about emotions and the self. Social Cognition, 4(2), 119–151. Hirsch, C. R. & Clark, D. M. (2004). Information-processing bias in social phobia. Clinical Psychology Review, 24(7), 799–825. Hirsch, C. R. & Mathews, A. (2000). Impaired positive inferential bias in social phobia. Journal of Abnormal Psychology, 109(4), 705–712. Hodson, K. J., McManus, F. V., Clark, D. M. & Doll, H. (2008). Can Clark and Wells’ (1995) cognitive model of social phobia be applied to young people. Behavioural and Cognitive Psychotherapy, 36(4), 449–461. Hogendoorn, S., Prins, P., Boer, F., Vervoort, L., Wolters, L., Moorlag, H. et al. (2014). Mediators of cognitive behavioral therapy for anxiety-disordered children and adolescents: Cognitive, perceived control, and coping. Journal of Clinical Child & Adolescent Psychology, 43(3), 486–500. Inderbitzen-Nolan, H. M., Anderson, E. R. & Johnson, H. S. (2007). Subjective versus objective behavioral ratings following two analogue tasks: A comparison of socially phobic and non-anxious adolescents. Journal of Anxiety Disorders, 21, 76–90. Kendall, P. C. (1994). Treating anxiety disorders in children: Results of a randomized clinical trial. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 62, 100–110. Kendall, P. C. & Chansky, T. E. (1991). Considering cognition in anxiety disordered children. Journal of Anxiety Disorders, 5, 167–185.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 145–157
156
Kendall, P. C., Compton, S. N., Walkup, J. T., Birmaher, B., Albano, A. M., Sherrill, J. et al. (2010). Clinical characteristics of anxiety disordered youth. Journal of Anxiety Disorders, 24, 360–365. Kendall, P. C., Cummings, C. M., Villabo, M. A., Narayanan, M. K., Treadwell, K., Birmaher, B. et al. (2016). Mediators of change in the child/adolescent anxiety multimodal treatment study. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 84(1), 1–15. Kendall, P. C. & Sessa, F. M. (1993). Cognitive assessment for intervention. In T. Kratochwill & R. Morris (Eds.). Handbook of psychotherapy with children and adolescents (pp. 58–74). Needham Heights: Pergamon. Kessler, R. C., Avenevoli, S., Costello, E. J., Georgiades, K., Green, J. G., Gruber, M. J. et al. (2012). Prevalence, persistence, and sociodemographic correlates of DSM-IV disorders in the national comorbidity survey replication adolescent supplement. Archives of General Psychiatry, 69, 372–380. Kley, H., Tuschen-Caffier, B. & Heinrichs, N. (2011). Safety behaviors, self-focused attention and negative thinking in children with social anxiety disorder, socially anxious and non-anxious children. Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry, 43, 548–555. Lazarus, R. S. & Folkman, S. (1987). Transactional theory and research on emotions and coping. European Journal of Personality, 1, 141–170. Leigh, E. & Clark, D. M. (2018). Understanding social anxiety disorder in adolescents and improving treatment outcomes: Applying the cognitive model of Clark and Wells (1995). Clinical Child and Family Psychology Review, 21, 388–414. Melfsen, S., Florin, I. & Warnke, A. (2001) Das Sozialphobie und -angstinventar für Kinder (SPAIK). Göttingen: Hogrefe. Melfsen, S., Kühnemund, M., Schwieger, J., Warnke, A., Stadler, C., Poustka, F. et al. (2011). Cognitive behavioral therapy of socially phobic children focusing on cognition: A randomised wait-list control study. Child and Adolescent Psychiatry and Mental Health, 5(1), 5. Melfsen, S. & Walitza, S. (2012). Behandlung sozialer Ängste bei Kindern. Das „Sei kein Frosch“-Programm. Göttingen: Hogrefe. Miers, A. C., Blöte, A. W., Bokhorst, C. L. & Westenberg, P. M. (2009). Negative self-evaluations and the relation to performance level in socially anxious children and adolescents. Behaviour Research and Therapy, 47, 1043–1049. Morgan, J. & Banerjee, R. (2006). Social anxiety and self-evaluation of social performance in a nonclinical sample of children. Journal of Clinical Child & Adolescent Psychology, 35, 292–301. Muris, P., Mayer, B., den Adel, M., Roos, T. & van Wamelen, J. (2009). Predictors of change following cognitive-behavioral treatment of children with anxiety problems: A preliminary investigation on negative automatic thoughts and anxiety control. Child Psychiatry and Human Development, 40, 139–151. Orchard, F., Apetroaia, A., Clarke, K. & Creswell, C. (2017). Cognitive bias modification of interpretation in children with social anxiety disorder. Journal of Anxiety Disorders, 45, 1–8. Prins, P. J. M. & Hanewald, G. J. F. P. (1997). Self-statements of testanxious children: Thought-listing and questionnaire approaches. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 65, 440–447. Rapee, R. M. & Heimberg, R. G. (1997). A cognitive-behavioral model of anxiety in social phobia. Behaviour Research and Therapy, 35(8), 741–756. Ronan, K. R. & Kendall, P. C. (1997). Self-talk in distressed youth: States-of-mind and content specifity. Journal of Clinical Child Psychology, 26, 330–337. Rosenthal, R. (1976). Experimenter effects in behavioral research. New York: Wiley Safran, F. E. (1982). The functional asymmetry of negative and positive self-statements. British Journal of Clinical Psychologie, 21, 223–224.
J. Schwarz et al., Kognitionen von Kindern mit SAD unter Stress
Scaini, S., Belotti, R., Ogliari, A. & Battaglia, M. (2016). A comprehensive meta-analysis of cognitive-behavioral interventions for social anxiety disorders in children and adolescents. Journal of Anxiety Disorders, 42, 105–112. Schäfer, J., Schmitz, J. & Tuschen-Caffier, B. (2012). Hat das kognitive Modell von Clark und Wells zur sozialen Phobie Erklärungskraft für das Kindesalter? Ein Literaturüberblick. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 41 (1), 9–18. Scharfstein, L. A. & Beidel, D. C. (2015). Social skills and social acceptance in children with anxiety disorders. Journal of Clinical Child & Adolescent Psychology, 44(5), 826–838. Schmitz, J., Krämer, M., Blechert, J. & Tuschen-Caffier, B. (2010). Post-event processing in children with social phobia. Journal of Abnormal Child Psychology, 38(7), 911–919. Schneider, S., Suppiger, A., Adornetto, C. & Unnewehr, S. (2008). Handbuch zum Kinder-DIPS. Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter (3. Aufl.). Berlin: Springer. Schneider, S., Unnewehr, S. & Margraf, J. (1995). Handbuch zum Kinder-DIPS. In S. Unnewehr, S. Schneider & J. Margraf (Hrsg.), Kinder-DIPS. Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Berlin: Springer. Schreiber, F., Höfling, V., Stangier, U., Bohn, C. & Steil, R. (2012). A cognitive model of social phobia: Applicability in a large adolescent sample. International Journal of Cognitive Therapy, 5, 341–358. Schreiber, F. & Steil, R. (2013). Haunting self-images? The role of negative self-images in adolescent social anxiety disorder. Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry, 44(2), 158–164. Schwartz, R. M. & Garamoni, G. L. (1986). A structural model of positive and negative states of mind: Asymmetry in the internal dialogue. In P. C. Kendall (Ed.), Advances in cognitive-behavioral research and therapy, 5 (pp. 1–62). Orlando, FL: Academic Press. Schwartz, R. M. & Garamoni, G. L. (1989). Cognitive balance and psychopathology: Evaluation of an information processing model of positive and negative states of mind. Clinical Psychology Review, 9, 271–294. Sedikides, C. & Strube, M. J. (1997). Self evaluation: To thine own self be good, to thine own self be sure, to thine own self be true, and to thine own self be better. Advances in Experimental Social Psychology, 29, 209–268. Sood, E. & Kendall, P. (2007). Assessing anxious self-talk in youth: The Negative Affectivity Self-Statement Questionnaire – Anxiety Scale. Cognitive Therapy and Research, 31, 603–618. Spence, S. H. (1995). Social skills training: Enhancing social competence with children and adolescents. Windsor, UK: NFER-Nelson. Spence, S. H., Donovan, C. & Brechman-Toussaint, M. (1999). Social skills, social outcomes, and cognitive features of childhood social phobia. Journal of Abnormal Psychology, 108(2), 211–221. Stuijfzand, S., Creswell, C., Field, A. P., Pearcey, S. & Dodd, H. (2017). Research Review: Is anxiety associated with negative interpretations of ambiguity in children and adolescents? A systematic review and meta-analysis. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 59(11), 1127–1142. Tuschen-Caffier, B., Kühl, S. & Bender, C. (2011). Cognitive-evaluative features of childhood social anxiety in a performance task. Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychology, 42, 233–239. Unnewehr, S., Schneider, S. & Margraf, J. (1995). Kinder-DIPS. Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen im Kindesund Jugendalter. Berlin: Springer. Vassilopoulos, S. & Banerjee, R. (2008). Interpretations and judgments regarding positive and negative social scenarios in
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 145–157
© 2020 Hogrefe
J. Schwarz et al., Kognitionen von Kindern mit SAD unter Stress
childhood social anxiety. Behaviour Research and Therapy, 46, 870–876. Vassilopoulos, S. P., Banerjee, R. & Prantzalou, C. (2009). Experimental modification of interpretation bias in socially anxious children: Changes in interpretation, anticipated interpersonal anxiety, and social anxiety symptoms. Behaviour Research and Therapy, 47, 1085–1089. Vassilopoulos, S. P., Brouzos, A., Tsorbatzoudis, H. & Tziouma, O. (2017). Is positive thinking in anticipation of a perfomance situation better than distraction? An experimental study in preadolescents. Scandinavian Journal of Psychology, 58(2), 142–149. Waite, P., Codd, J. & Creswell, C. (2015). Interpretation of ambiguity: Differences between children and adolescents with and without an anxiety disorder. Journal of Affective Disorders, 188, 194–201. Weinstein, N. D. (1980). Unrealistic optimism about future life events. Journal of Personality and Social Psychology, 39(5), 806–820. Weiß, R. H. (1998). Grundintelligenztest Skala 2 (CFT 20) mit Wortschatztest (WS) und Zahlenfolgentest (ZF). Handanweisung (4., überarb. Aufl.). Göttingen: Westermann. Zatz, S. & Chassin, L. (1983). Cognitions of test-anxious children. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 51, 526–534.
157
Zatz, S. & Chassin, L. (1985). Cognitions of test-anxious children under naturalistic test-taking-conditions. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 53, 393–401.
Historie Manuskript eingereicht: 07.01.2019 Nach Revision angenommen: 06.11.2019 Artikel online: 10.01.2020 Interessenkonflikt Die Autoren haben keinen Interessenkonflikt.
Judith Schwarz Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie Goethe-Universität Varrentrappstr. 40–42 60486 Frankfurt am Main Deutschland j.schwarz@psych.uni-frankfurt.de
Anzeige
Klinische Experten bieten praktische Hilfe Gunter Groen / Franz Petermann
Wie wird mein Kind wieder glücklich? Praktische Hilfe gegen Depressionen 2., überarb. Aufl. 2019. 160 S., 3 Abb., 2 Tab., Kt € 19,95 / CHF 26.90 ISBN 978-3-456-85959-0 Auch als eBook erhältlich Lange Zeit waren Depressionen bei Kindern und Jugendlichen ein Tabu. Noch heute ist es für die Eltern oder andere Bezugspersonen schwer einzuschätzen, ob ein Kind tatsächlich depressiv ist und wie sie darauf reagieren können. Angehörige, aber auch
Profis aus Pädagogik, Therapie und Medizin finden in diesem fundierten und aktuellen Ratgeber hilfreiche und verständliche Antworten auf die zentralen Fragen zu diesem wichtigen Thema.
www.hogrefe.com
© 2020 Hogrefe
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 145–157
Passende JOBs. Neue Talente. PsychJOB Ihr Online-Stellenmarkt im Bereich Psychologie
www.psychjob.eu
Rezensionen Pornografie und psychosexuelle Entwicklung im gesellschaftlichen Kontext. Psychoanalytische, kultur- und sexualwissenschaftliche Überlegungen zum anhaltenden Erregungsdiskurs Maximilian Römer, M.Sc. Korte, Alexander: Pornografie und psychosexuelle Entwicklung im gesellschaftlichen Kontext. Psychoanalytische, kultur- und sexualwissenschaftliche Überlegungen zum anhaltenden Erregungsdiskurs. 2018, 230 S. EUR 29.90. Gießen: Psychosozial Verlag. ISBN-13: 978-3-8379-2817-4
Es scheint, als habe die Pornografie gegenwärtig beinahe alle Bereiche der (Populär-)Kultur durchdrungen; Alexander Korte, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Sexualmediziner, spricht in seiner Monographie gar von einer „Porno(graf)isierung des Alltags“ (vgl. S. 15–16). Dem omnipräsenten Phänomen der Pornografie bzw. der Pornografisierung versucht Korte sich mithilfe seines interdisziplinären und mehrdimensionalen Ansatzes zu nähern und betrachtet daher zum einen die kulturelle Verortung des Begriffs sowie die zeitgenössischen gesellschaftlichen Bedeutungszuschreibungen und Paradigmenwechsel bezüglich der Pornografie und der Diskurse über diese, zum anderen widmet er sich den Auswirkungen des Pornografiekonsums auf die psychosexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Dies geschieht unter Zuhilfenahme psychoanalytischer, medien- und kulturwissenschaftlicher Denkfiguren, sowie unter Einbezug von Befunden der Entwicklungspsychologie und der empirisch fundierten Sexualwissenschaft. Einleitend verortet Korte den Begriff der Pornografie sozial- und kulturgeschichtlich und unternimmt den Versuch einer Begriffsdefinition, der jedoch aufgrund der Polymorphie dessen, was gegenwärtig als Pornografie begriffen, beschrieben oder gar denunziert wird, zwangsläufig scheitert. So wird der Begriff hermeneutisch umkreist und bezüglich seiner juridischen, theoretischen, ideologischen, als auch deskriptiven Implikationen geprüft. Im Rahmen dieser Abhandlung wird deutlich, warum es bei einer Annäherung, einem Definitionsversuch bleiben muss: Porno(grafie) erscheint als postmoderne Worthülse und gleichzeitig als ein Grenzbegriff, der sich scheinbar in verschiedenen kulturel© 2020 Hogrefe
len Produktionen (z. B. in Literatur, in bildender Kunst) offenbart und ausdrückt. Ein rein deskriptives Vorgehen in der Begriffsbestimmung mit der Annahme, es handle sich bei Pornografie um geschlechtliche Vorgänge mit der Fokussierung und Betonung des genitalen Bereiches unter Auslassung der psychischen Dimension der menschlichen Sexualität (so der gängige Vorschlag der medizinisch-sexualwissenschaftlichen Perspektive), umreißt den Begriff nicht in seinem Facettenreichtum. Im darauffolgenden kulturgeschichtlichen Überblick zeichnet Korte zunächst die Entstehungsgeschichte des Pornografischen nach. Im Anschluss an den historischen Überblick richtet der Autor den Fokus auf den Bedeutungswandel bezüglich der Rezeption und Intention des Pornografischen im Rahmen technischmedialer Weiterentwicklungen und zeichnet die Erfolgswellen der (Softsex-)Pornografie seit den 1960er Jahren im Kino und Fernsehen nach. Exkursiv wird auch die Rolle der sexuellen Revolution der späten 1960er Jahre betrachtet, um aufzuzeigen, wie in der Expansion des Pornografischen das „ideelle, materielle, kulturelle, soziale, politische, ökonomische und technologische“ (S. 54) Wirken in einer untrennbaren Beziehung zu einander steht. Im Folgekapitel wird ein umfassender Überblick über die empirische Datenlage zum Pornografiekonsum von Jugendlichen gegeben. Dabei ist für Korte stets die Frage einer „möglichen Entwicklungsgefährdung Minderjähriger durch die öffentliche, (…) nicht mehr zu kontrollierende (…) Darstellung von sexuellen, im Speziellen pornografischen Webinhalten“ (S. 63) von zentraler Bedeutung. Nach Korte existieren in aktuellen Diskursen um die Auswirkungen des Konsums auf die Entwicklung von Kindern und
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 159–161 https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000677
160
Jugendlichen zwei Meinungspole: Zum einen bestehe eine „übertriebene Panikmache“ (vgl. S. 27), welche eine aktuelle Gefahrenlage für Heranwachsende konstatiere, zum anderen eine „bagatellisierende Beschwichtigung“ bezüglich des Pornografiediskurses im Allgemeinen und möglichen negativen Auswirkungen auf die psychosexuelle Entwicklung der Kinder im Besondern (ebd.). Es ist Kortes Anliegen, sich mit seiner Fragestellung auf Grundlage von Studien- und Forschungsergebnissen dem Thema zu nähern, nicht zu moralisieren oder zu beschwichtigen, sondern im Sinne der empirischen Sexualwissenschaft die von ihm zusammengetragenen Daten in einem ersten Schritt für sich sprechen zu lassen. Die Schwierigkeit im Vergleich des vorliegenden quantitativen Datenmaterials zeigt sich in dem bereits eingangs formulierten Problem der dispers gewählten Definition der einzelnen Erhebungen, was unter Pornografie zu verstehen ist (vgl. S. 72f). Dennoch resümiert Korte, dieses methodische Problem durchaus reflektierend, dass Pornografiekonsum unter Jugendlichen „eher die Regel als die Ausnahme“ (S. 75) darstelle, wobei dem Konsum geschlechtsspezifische Unterschiede zu Grunde liegen. Dieser Gendereffekt wird von Korte dabei durch das Überwiegen einer Bindungsdimension beim weiblichen Geschlecht erklärt und durch ein evolutionsbiologisches Paradigma zu erklären versucht, und so lassen sich auch wichtige Implikationen für die praktische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und deren Umgang mit Pornografie(konsum) ableiten. Bei den von Korte angeführten Studien handelt es sich zumeist um quantitative Studien im Querschnittsdesign, welche somit als empirische Momentaufnahme und als Ausgangspunkt zur Hypothesengenerierung verstanden werden können, jedoch keine Möglichkeit für einen direkten Rückschluss auf eine mögliche kausale Beziehung bieten. Trotz dieser Einschränkungen ist die präsentierte Studienlage und deren metaanalytische Auswertung als Diskussionsgrundlage durchaus dienlich und produktiv nutzbar. Ein Überblick über die aktuelle Studienlage zu den Effekten „normaler (gewaltfreier) Pornografie“ zeigt auf, dass ein Großteil der im öffentlichen Diskurs postulierten Effekte auf Kinder und Jugendliche nicht konsistent nachzuweisen sind. Ein kritischer Blick auf das, was als normale Pornographie verstanden werden kann, kann lediglich mit Hilfe eines juridischen Maßes bestimmt werden. Der Gewaltbegriff bleibt an dieser Stelle eine Worthülse, auch die Frage nach struktureller Gewalt in der Pornografie-Industrie wird leider nicht diskutiert. In Bezug auf die Devianz-Pornographie, d. h. Pornographie, die Szenen von Vergewaltigung, Kindesmissbrauch und „roher Gewalt“ aufzeigt, führt Korte ebenfalls eine Vielzahl empirischer Studien ins Feld. Der öffentlichen Haltung und Meinung, dass sich die Skripte der gewaltsamen Pornografie im Enactment der gelebten Sexualität des Konsumenten
Rezensionen
durch Habituierung verstärken, stellt Korte die empirische Befundlage entgegen. Diese populäre Annahme erscheint als nicht belegbar, vielmehr ist davon auszugehen, dass „Personen, die gewaltvolle Fantasien und diesbezüglich Sexualpräferenzen haben, eben auch entsprechende Medieninhalte konsumieren“ (S. 118). Insgesamt wird das medial vermittelte Zerrbild einer durch Pornografiekonsum verführten und verrohten sowie unreflektiert konsumierenden jugendlichen Mehrheit entkräftet, wenn er wiederholt darstellt, wie in Studien sich „keinerlei Hinweise auf die Übernahme pornografieähnlicher Einstellungen und Normen“ (S. 87) und „keinerlei überzeugende Hinweise darauf, dass Normen, die in konventioneller Pornografie vermittelt werden, von Jugendlichen kritiklos übernommen werden“ (S. 87–88), nachweisen lassen. Korte stellt auch die in den öffentlichen Diskursen nur marginal diskutierte Frage nach möglichen Ressourcen, die durch Pornografiekonsum entstehen können, sowie nach dem progressiven Potential, und stellt heraus (S. 189):
„Die Behauptung einer unausweichlichen Verrohung der angeblich pornobesessenen jungen Generation – das ist vielleicht das wichtigste Ergebnis der Metaanalyse der vorliegenden Studien – ist empirisch definitiv nicht haltbar, und solche skandalisierenden Übertreibungen und Katastrophisierungen sind als Ausdruck jener moralischen Panik zu betrachten, die charakteristisch ist für den Sexualdiskurs und, wie ein Blick in die Geschichte zeigt, zyklisch aufzutreten scheint.“ Im Kapitel Das moderne Pornokabinett setzt sich Korte mit den inhaltlichen Besonderheiten des pornografischen Angebotes auseinander und stellt das geläufige Angebot dem einst Verfügbaren gegenüber. Des Weiteren verschafft er einen Überblick über das disperse Angebot von Pornografie (insbesondere im Internet), von paraphilen Angeboten hin zu den filmisch aufwendigen Artcore-Inszenierungen, und beleuchtet Phänomene wie Sexting oder Erotic Posing und auch die Möglichkeit der aktiven Partizipation innerhalb der pornographischen Sphäre durch die mittlerweile weit verbreitete Amateurpornografie. Im letzten Drittel seines Buches in den Kapiteln Porno, Sexualität, Gesellschaft und Pornografie revisited ist Korte um eine Zusammenführung und Neubewertung der zuvor gewonnen Ergebnisse der historischen Analysen und empirischen Daten zur Auswirkung des Konsums von Pornografie auf die psychosexuelle Entwicklung und die gelebte Sexualität von Kindern und Jugendlichen bemüht. In Rückgriff auf kulturwissenschaftlich-psychoanalytische Konzepte untersucht Korte den latenten Gehalt der zeitgenös-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 159–161
© 2020 Hogrefe
Rezensionen
161
sischen Diskurse um Pornografie. In Rekurs auf das Freud’sche Konzept der Wiederkehr des Verdrängten, dem folgend das in der Pornografie zum sichtbaren Ausdruck gebrachte, als das zuvor Verdrängte zu verstehen ist, beschreibt er den Ursprung pornografischer Bilder. Weiter wird Pornografie als kompensatorische Ersatzleistung und als utopische Form diskutiert. (vgl. S. 129 f.) Auch ein feministischer Zugang, der nach Korte in der Pornografie die „gesellschaftliche Sexualordnung sozusagen unverhüllt zur Darstellung [kommen lässt], namentlich der patriarchale Herrschaftsanspruch des Mannes über die Frau“ wird in Grundzügen dargelegt. Die „emotive Wirkkraft des Mediums Film“ (S. 136) wird in Bezug auf psychoanalytische Filmtheorien untersucht und Korte stellt verdichtet theoretische filmanalytische Axiome dar. Zusammenfassend schafft Korte einen Überblick über die verschiedenen Erklärungsansätze des Begehrens nach pornografischen Bildern: So kann Konsum der eigenen identitären Selbstvergewisserung dienen, die Projektion eigner sexuell-aggressiver Anteile beinhalten oder auch im Modus einer Angstbewältigung, sprich einer Abwehrstrategie vollzogen werden. Welcher Erklärungsansatz zutrifft, kann jedoch nicht pauschal – auch nicht für soziale Gruppierungen – getroffen werden, sondern bedarf immer einer Analyse der individuellen intrapsychischen Dynamik des Einzelnen. Hier nimmt Korte eine wünschenswerte offene analytische Haltung ein, welche sich einem voreiligen eindimensionalen und monokausalen Erklärungskonzept verwehrt.
© 2020 Hogrefe
Alexander Korte hat sich der gesellschaftlichen Relevanz der Pornografie und der Auswirkung auf die psychosexuelle Entwicklung (insbesondere) von Kindern und Jugendlichen mit einem umfassenden und durchaus weitsichtigen Blick genähert. Eine Gefahr sieht Korte in der Pornografie per se nicht, sondern in den „sexualmoralischen Kontroversen über richtige und falsche Sexualität“ (S. 209). Des Weiteren plädiert Korte für die Notwendigkeit einer Etablierung von Medien- und Kommunikationskompetenz von Kindern und Jugendlichen in pädagogischen Bereichen. Durch das breite Betrachtungsspektrum können einige bedeutungsträchtige Bereiche (z. B. Rolle der Kulturindustrie, Begriff der Gewalt, feministische Zugänge) leider nur flankiert werden, dennoch ist Kortes Veröffentlichung eine überaus wichtige Bestandsaufnahme des gegenwärtigen empirischen Forschungsstandes, sie liefert Praktikerinnen und Praktikern einen fundierten Überblick, der für die (therapeutische) Arbeit mit Kindern und Jugendlichen von Bedeutung sein kann, und Korte generiert zudem bedeutsame Thesen, die als Grundlage für weitere Forschung verstanden werden können.
Maximilian Römer, M.Sc. Zionskirchstraße 66 10119 Berlin Deutschland maximilian.d.roemer@gmail.com
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 159–161
Nachruf
Zum Gedenken an Professor Christian Eggers (15.9.1938–10.1.2020) Professor Christian Eggers wurde am 15. September 1938 geboren. Seine Mutter sei eine „schöne Frau, sehr zurückhaltend und bescheiden und von fröhlicher Wesensart“ gewesen; sein Vater war Chemiker, dessen beruflicher Werdegang erschwert war aufgrund seiner Weigerung, in die NSDAP einzutreten. Vergeblich versuchte der Vater nach dem Zweiten Weltkrieg die Wiedereinsetzung des Vorstands und Aufsichtsratsvorsitzenden der Firma zu verhindern, der für ein Jahr inhaftiert und anschließend entnazifiziert worden war. Als Folge wurde der Vater aus der Firma entlassen: „Ich erinnere mich an triste Sonntagsspaziergänge, wenn ich neben oder hinter den Eltern hertrottete, welche die Folgen der Entlassung und die daraus resultierende Not besprachen.“ Die ein Jahr ältere Schwester von Herrn Eggers, Bärbel, weist eine mentale Retardierung auf; sie kam mit drei Jahren erstmalig für 18 Monate in ein Kinderheim, nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte abermals eine vorübergehende Unterbringung. Zur dritten und endgültigen Trennung von ihrer Familie kommt es 1948. „Mein Vater hat Bärbel in einer Art Nacht- und Nebelaktion nach Mariaberg, in das dortige Heim für Menschen mit geistiger Behinderung, gebracht. Ich habe überhaupt keine Erinnerung an den Tag des Abschieds, plötzlich war meine Schwester nicht mehr da, die Eltern haben nicht mit mir darüber gesprochen.“ Bärbel Eggers wurde in Mariaberg sehr glücklich. Das Geburtsgewicht ihres Sohnes betrug etwas mehr als 1500 g. Seine Mutter habe sich beim ersten Anblick abgewandt, „das ist nicht mein Kind“, die im Haus wohnhafte Allgemeinärztin habe ihn als nicht lebensfähig bezeichnet. Nach einer „akzelerierten Entwicklung“ habe mit drei Jahren eine schwere Essstörung eingesetzt, die jahrelang anhielt. „Ich erinnere mich an grässliche Frühstücksszenen mit meiner Mutter und dem Brei-Teller, das dauerte mindestens eine Stunde und war entsetzlich für beide Beteiligten.“ Prof. Eggers beschreibt sich im Kindesalter als „extrem kontaktscheu und ängstlich“. Als ein Gedicht gemeinsam in der Klasse aufgesagt werden sollte, blieb sein Mund verschlossen; der Lehrer habe ihn deshalb mit dem Rohrstock bestraft. „Für die Schulklasse war die Bestrafung des extrem braven und schüchternen Buben eine kleine Sensation.“
Damit sind bereits in jungen Jahren die Lebensthemen gesetzt. Wie soll man umgehen mit den Verbrechen der Nazis? Wie lehnt man sich gegen autoritäre und nicht rechtschaffene Strukturen auf? Wie überkommt man die Sprachlosigkeit in Anbetracht eines engen Angehörigen, der sich geistig nicht normal entwickelt? Wie setzt man sich als ängstlicher und scheuer Mensch in dieser Welt durch und wie lehnt man sich gegen die Stärkeren auf? Wie entsteht psychisches und körperliches Leiden? Prof. Eggers habe sich gehorsam seinem Vater beugen müssen und Medizin studiert. Wäre es nach Prof. Eggers gegangen, wäre die Wahl wohl eher auf Theologie, Psychologie und/oder Philosophie gefallen. Er studierte zunächst in Freiburg, später in Montpellier und Marburg; „als beschämend empfand ich damals die mangelnde Ehrfurcht, die Universitätsprofessoren entgegengebracht wurde.“ Der Anlass: Bei der Immatrikulationsfeier im Jahre 1958 waren „zahlreiche Studenten in gewöhnlicher Straßenkleidung erschienen“. Er erlebt für ihn prägende Gespräche mit Professoren, mit denen er auch „über die Zusammenhänge zwischen Naturwissenschaften und Philosophie“ sprechen durfte. 1965 absolvierte er das Staatsexamen. Seine Medizinalassistentenzeit verbringt er in der Marburger Kinder- und Jugendpsychiatrie und Inneren Medizin, anschließend in der Frauenklinik in Bremen und der Psychiatrie in Weißenau. Prof. Stutte in Marburg habe ihm als Dissertationsthema Verlaufsuntersuchungen von Patienten mit einer kindlichen Schizophrenie vorgeschlagen. Der Vater von Prof. Eggers empfiehlt ihm um ein magna cum laude zu kämpfen; dies gelingt seinem Sohn. Nach Erlangung der Approbation durchlief Prof. Eggers die Weiterbildung zum Kinderarzt an der Kinderklinik der Universität Heidelberg. Er habilitierte sich 1974 unter Anleitung von Prof. Bickel. 1975 wechselte er in die Kinderund Jugendpsychiatrie nach Tübingen (Prof. Lempp). 1979 begann er seine Tätigkeit als Klinikdirektor der neu etablierten Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Essen (LVR-Klinikum). Gemeinsam mit Frau Dr. Möllering als Leitende Oberärztin stand er dieser Klinik bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2004 vor. Sein primäres wissenschaftliches Interesse galt der kindlichen und präpubertären Schizophrenie. Intelligenz-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 162–163 https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000718
© 2020 Hogrefe
Nachruf
163
minderung, kinder- und jugendpsychiatrische Forensik, Gewalt und Ausländerhass, und die traumatischen Folgen der NS-Zeit bildeten weitere Schwerpunkte. Prof. Eggers hat in der deutschen Kinder- und Jugendpsychiatrie sehr früh begonnen, Fachartikel in englischer Sprache zu publizieren. Mit Prof. Schepker, Prof. Oades, Dr. Bunk und Dr. Röpcke gelang es ihm eine schlagkräftige und wissenschaftlich erfolgreiche Forschung zu betreiben. Prof. Eggers hat bei verschiedenen Lehrbüchern für das Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie als Herausgeber fungiert. Prof. Eggers Leben ist geprägt von dem Bemühen, Menschen mit einer Behinderung zu helfen und Gewalttaten zu verstehen. Der Prozess um den Solinger Mordanschlag im Jahre 1993 mit rechtsextremem Hintergrund, bei dem er als Gutachter wirkte, beschäftigte ihn zutiefst. Seine Abschiedsvorlesung im Rahmen seiner Emeritierung handelte von den Tätern und den Opfern; die hohe persönliche Wertigkeit der Thematik war für alle Anwesenden überdeutlich spürbar. Weit über die Stadtgrenzen Essens hinaus ist Prof. Eggers für seine soziale Wohltätigkeit bekannt. Die Prof. Dr. Eggers-Stiftung wurde 1997 von ihm gegründet zur Förderung von psychisch kranken Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Stiftung ist weit über Essen hinaus bekannt; sie ist Träger der Jugendhilfeeinrichtung Trialog in Essen, des Ambulant Betreuten Wohnens in Essen und Düsseldorf, und des Wulf-Alexander-StrauerHauses in Düsseldorf. Es wird im Rahmen der Jugend- und Eingliederungshilfe ein umfangreiches und aufeinander abgestimmtes pädagogisch/therapeutisches Hilfeangebot bereitgehalten, das spezifisch für Jugendliche mit einer Psychose entwickelt wurde. Im Anschluss an eine stationäre Behandlung stehen das Haus Trialog bzw. das Alexander-Strauer-Haus Jugendlichen mit einer schizophrenen Erkrankung für maximal zwei Jahre zur Verfügung. Die jungen Patienten werden nicht in einem Heim fern ab von der Stadt untergebracht. Das Konzept sieht im Gegen-
© 2020 Hogrefe
teil die Stabilisierung von Jugendlichen nach einem psychotischen Einbruch mitten in der Stadt vor, um eine altersentsprechende Entwicklung zu ermöglichen und den Wiederaufbau sozialer Beziehungen zu unterstützen. Prof. Eggers erhielt für seine Verdienste das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse im Jahre 2015. Im Rahmen meiner Bewerbung auf die Nachfolge von Prof. Eggers habe ich ihn erstmals im Jahre 2003 kennengelernt. Er war damals von seiner Krankheit gekennzeichnet; in den Folgejahren ist es wiederholt zu persönlichen Zusammenkünften gekommen. Beeindruckend war sein Vermögen trotz wiederholter gesundheitlicher Krisen, immer wieder aufzustehen und seine Arbeit fortzusetzen. Das Schicksal der Jugendlichen im Haus Trialog bewegte ihn. Seine anfängliche Enttäuschung, einen Nachfolger aus Marburg mit biologischem Hintergrund hinnehmen zu müssen, wich einem offeneren Umgang. Wiederholt zeigte er mir seine einprägsame Kunstsammlung, wobei die meisten Bilder aus Platzgründen leider nicht gehängt waren. Höhepunkte bildeten Abendessen bei uns zu Hause, im Rahmen derer er seine hohe Unterhaltungskunst, aber auch seinen Appetit, unter Beweis stellte. Noch zuletzt im Krankenhaus überbrachte ihm meine Frau seine Leib- und Magenspeise: rote Grütze mit Vanillesoße. Professor Eggers verstarb am 10. Januar 2020. Die Essener Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Stadt Essen trauern um ihn. Prof. Dr. med. Johannes Hebebrand (johannes.hebebrand@lvr.de)
Die Zitate stammen aus: Eggers C. (2015). Ein Lebenswerk für psychisch kranke Kinder und Jugendliche. Biografie. Paranus Verlag der Brücke Neumünster gGmbH Prof. Dr. Eggers-Stiftung: https://www.eggersstiftung.de/ start-2.html
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 162–163
Nachruf
Zum Gedenken an Professor Dr. Manfred Laucht (12.6.1946–16.1.2020) Manfred Laucht ist am 16. Januar 2020 von uns gegangen. Wir verlieren mit ihm nicht nur einen herausragenden Wissenschaftler und Lehrer, sondern vor allem einen überaus geschätzten Kollegen und einen guten Freund. Prof. Dr. Manfred Laucht wirkte über einen Zeitraum von 37 Jahren als Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Projektleiter und Arbeitsgruppenleiter an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Sein wissenschaftliches Lebenswerk ist untrennbar mit der Mannheimer Risikokinderstudie verknüpft, die er von 1985 bis 2018 leitete und zu deren Erfolg er einen entscheidenden Beitrag leistete. Durch seine zahlreichen und hochkarätigen Publikationen in den Top-Journals unseres Fachs hat er die Studie und insbesondere die damit verbundenen relevanten Forschungsergebnisse weltweit bekannt gemacht. Manfred Laucht studierte in Marburg Psychologie und promovierte danach als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Psychologischen Instituten in Marburg und Mannheim in den Fächern Psychologie und Linguistik bei Prof. Herrmann, war approbierter Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Leiter der Arbeitsgruppe Neuropsychologie des Kindes- und Jugendalters, wurde 2006 zum Honorarprofessor an der Universität Potsdam ernannt, war daneben Dozent an verschiedenen Hochschulen und staatlich anerkannten Ausbildungsinstituten für Psychotherapie. Seine wissenschaftliche Arbeit wurde durch zahlreiche Preise und Auszeichnungen gewürdigt. Stellvertretend seien der Herrmann-Emminghaus-Preis (2007), der
Kramer-Pollnow-Preis (2007) zur Erforschung von ADHS und der Wilhelm-Feuerlein-Forschungspreis für Studien zu genetischer Anfälligkeit, Trinkverhalten und Alkoholabhängigkeit (2010) genannt. Seine Forschungsschwerpunkte wie z. B. Psychologische und biologische Hintergründe riskanten Suchtmittelkonsums, Eltern-Kind-Interaktionsforschung, Risiko- und Schutzfaktoren, Postpartale Depression, Antisoziales Verhalten oder die Entwicklung frühgeborener Kinder belegen eindrucksvoll, dass es sich bei Manfred Laucht nicht um einen Forscher im Elfenbeinturm handelte, sondern vielmehr um einen Wissenschaftler, der immer den Anwendungsbezug und den potentiellen Nutzen für die betroffenen Kinder, Jugendlichen und deren Familien sowie die Gesellschaft im Blick hatte. Seine liebenswürdige Art sorgte stets für ein angenehmes Arbeitsklima in den von ihm geleiteten Projekten und seiner Arbeitsgruppe. Auch außerhalb seiner Arbeitsgruppe und des Zentralinstituts wurde er wegen seiner Kooperationsbereitschaft geschätzt. Neben seiner disziplinierten und harten Arbeit lagen ihm seine Frau, die Kinder und Enkel besonders am Herzen. Gutes Essen, klassische Musik und Reisen in ferne Länder wusste er zu genießen. Es hat ihn gefreut zu sehen, dass sein Werk an der Risikokinderstudie von seinen Mitarbeitern weitergeführt wird. Viel zu früh hat er uns in Folge einer tückischen Erkrankung verlassen. Die Kollegen und Freunde vermissen ihn sehr und sind in Gedanken bei seiner Familie. Günter Esser, Martin H. Schmidt, Tobias Banaschewski (tobias.banaschewski@zi-mannheim.de)
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 164–164 https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000719
© 2020 Hogrefe
Mehrfache Medienpreise für die „Sendung mit der Maus“Themensendung zu psychischen Störungen im Kindesalter
Vorbemerkung der Redaktion Wie man Wissen über die klinische Versorgung in Breite an die potenziell betroffenen Kinder und Jugendlichen, aber auch deren Peers bringen kann, ist eine vielfach erörterte und oft als kaum möglich abgetane Frage. Vor die öffentliche Diskussion von Suiziden ist der Pressekodex gesetzt, wegen des Werther-Effekts nicht dazu zu berichten. Vor die öffentliche Darstellung von Patientenschicksalen ist der Datenschutz gesetzt. Vielfach ist unsererseits Aufklärungsarbeit in Anbetracht falscher oder überzeichneter Darstellungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in den Medien zu führen, die Angst und Verunsicherung hinterlässt. Anders als etwa die Sensationsberichterstattung zu angeblichen Medikamentenversuchen ist hier nun ein wundervolles Beispiel gelungen, wie man durch ein Medium, das Kindern bekannt ist und das mit viel Ruhe und Humor Kinderfragen beantwortet und Einsicht in den klinischen Alltag gewährt, Vertrauen in unser Fach schaffen kann. In Zusammenhänge – etwa, dass es Krankheiten gibt, die man nicht sehen kann, oder die Zusammenhänge von Gedanken und Gefühlen – wird einfach und sachlich eingeführt. Zum Weitergeben empfohlen und an die Preisträger_ innen unsere wiederholte Gratulation!
Die Sendung mit der Maus, die nächstes Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiern wird, ist eine der erfolgreichsten Kindersendungen im deutschen Fernsehen. Die bereits am 14. Oktober 2018 ausgestrahlte Themensendung mit dem Titel „Die unsichtbare Krankheit“ widmete sich in der kompletten 30-minütigen Sendezeit psychischen Störungen im Kindesalter. Sachlich berichtet der Mausreporter Johannes Büchs, was eine Kinder- und © 2020 Hogrefe
Jugendpsychiatrie ist, wie es in einer solchen Klinik aussieht, erklärt kindgerecht, wie Gefühle und Gedanken zusammenhängen und lässt sich von den Expertinnen Prof. Dr. Katja Becker und Dr. Judith Smidt an der Marburger Uniklinik seine Fragen beantworten. Auch Patientinnen und Patienten kommen zu Wort, die von ihren Problemen berichten und wie ihnen geholfen wurde. Um die Anonymität zu gewährleisten, wurden die vier Kinder liebevoll durch Zeichentrickfiguren dargestellt, und es waren ihre Originalstimmen zu hören. Schon kurz nach der Ausstrahlung wurde sehr deutlich, wie viele Kinder und deren Eltern von diesem wichtigen Thema und der Art der Information im Kinderfernsehprogramm angesprochen wurden. Sowohl die weit überdurchschnittliche Zahl der Briefe und E-Mails an die WDR-Redaktion sowie Kommentierungen und Rückmeldungen im Internet (Facebook etc.) als auch die inhaltlich sehr positiven Berichte, Lobes- und Dankestexte machten die Themensendung auch zu einer besonderen in der Geschichte der Sendung mit der Maus. Aufgrund dieser sehr positiven Resonanz entschied der WDR, dass diese Maus-Themensendung dauerhaft in der
Abbildung 1. Johannes Büchs vor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Marburg.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 165–166 https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000720
Feature
Katja Becker
Feature
166
WDR Mediathek auf der Seite der Sendung mit der Maus abrufbar bleibt (siehe QR-Code). Angesprochen fühlten sich Kinder, die selbst von einer psychischen Störung (wie z. B. Ängsten) betroffen sind, Geschwister, Eltern oder Freunde von Betroffenen, Eltern mit psychischer Erkrankung (die durch die Sendung besser mit ihren Kindern darüber sprechen konnten) sowie Lehrkräfte und pädagogisch Arbeitende, die ebenso wie Kolleginnen und Kollegen Ausschnitte dieser Sendung zur Aufklärung und Psychoedukation nutzen. Im Jahr 2019 folgten dann mehrfache Ehrungen und Auszeichnungen der beiden Autorinnen Katja Engelhardt und Inka Friese: Nach der Nominierung für den GrimmePreis in der Kategorie „Kindheit und Jugend“ im Februar 2019 erhielt die Themensendung am 21. September 2019 den Deutschen Medienpreis Depressionshilfe, der im Gewandhaus zu Leipzig von Harald Schmidt als Vorsitzenden der Jury überreicht wurde. Es folgten dann am 8. November 2019 die Verleihung des Film- und Fernsehpreis des Hartmannbundes in Berlin und am 29. November 2019 während des DGPPN-Kongresses die Verleihung des DGPPN-Medienpreises im Wissenschaftsjournalismus 2019 in der Kategorie TV. Sowohl von den Fachjurys, den Zuschauern als auch den in der KJP arbeitenden Ärztinnen und Ärzten und Psychotherapeut_innen, die bei der DGKJP-Tagung im März die moderierte Veranstaltung mit Johannes Büchs und Prof. Dr. Katja Becker besuchten, wurden übereinstimmend die kindgerechte Erklärung, die sensible Darstellung des kom-
Feature
plexen Themas gelobt und wertgeschätzt, dass das wichtige Thema in die Wohnzimmer Deutschlands gebracht wurde. Ein wichtiger Schritt in der Anti-Stigmatisierung psychischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Die Sendung ist abrufbar unter:
QR-Code zum Abruf der Themensendung auf der WDR-Homepage.
Prof. Dr. Katja Becker Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Philipps-Universität Marburg & Universitätsklinikum Hans-Sachs-Str. 6 35039 Marburg Deutschland katja.becker@med.uni-marburg.de
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 165–166
© 2020 Hogrefe
Stellungnahme zum Arbeitsentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit – Approbationsordnung für Ärzte und Ärztinnen (ÄApprO) der DGKJP
Sehr geehrter Herr Suhr, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) begrüßt prinzipiell die Reform der ÄApprO, in der die Ziele der ärztlichen Ausbildung dargelegt sind, wobei sowohl die wissenschaftliche als auch die praktische Ausbildung beachtet werden soll. Es sollen insbesondere grundlegende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in allen Fächern, die für eine umfassende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung erforderlich sind, vermittelt werden. Wir bedanken uns herzlich für die Möglichkeit zur Kommentierung. Sie finden in der Anlage Vorschläge zur weiteren Verbesserung der ÄApprO in Aufnahme der Ziele der ärztlichen Ausbildung. Wir möchten dabei betonen, dass der Bereich der ärztlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen, insbesondere der Kinder und Jugendlichen mit psychischen Störungen, weiterhin nicht adäquat abgedeckt ist. Kinder und Jugendliche sind eine Gruppe mit sehr besonderen physiologischen, psychologischen und sozialen Besonderheiten, die im Medizinstudium insbesondere aufgrund der möglichen Chronizität ihrer Krankheitsbilder sowie deren gesellschaftlicher Bedeutung deutlich mehr in den Fokus der Ausbildung kommen sollten. Insbesondere sind psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen sehr häufig (siehe epidemiologische Daten aus der BELLA-Studie des Robert-Koch-Instituts). © 2020 Hogrefe
In Deutschland gehen wir von behandlungsbedürftigen psychischen Störungen bei 10 % aller Kinder- und Jugendlichen aus. Zusätzlich betreffen psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen die gesamte Familie und neigen zur Chronifizierung. Drei von vier psychischen Störungen nehmen ihren Beginn vor dem 18. Lebensjahr. Zur effektiven Erkennung, Behandlung und Prävention von psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter ist es erforderlich, dass die Grundlagen hierzu im Medizinstudium ausreichend vermittelt werden. Trotz der hohen Relevanz für die populationsbezogene Gesundheit sowie das Kind und seine Familie ist das Fach Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (KJPP) als einziges klinisches, auch in der Versorgung aktives Fach nicht Approbationsfach. Die das gesamte Altersspektrum abdeckende Einbeziehung sowohl bei den Kompetenzbereichen, bei denen es um Kindergesundheit geht, wie bei den Bereichen, bei denen es um psychische Gesundheit und Erkrankung geht, erscheint uns deshalb unerlässlich. Dies kommt auch dem grundsätzlichen Ansatz der Reform und Erneuerung der ÄApprO, Kompetenzen im allgemeinen medizinischen Bereich als Grundversorgung zu stärken, entgegen. Psychische Störungen greifen erheblich in die familiären, sozialen, schulischen und beruflichen Gefüge ein und verursachen erhebliche und langfristige Kosten, u. a. für die sozialen Sicherungssysteme. Grundlagenkenntnisse hinsichtlich Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen bei Kindern und Jugend-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 167–168 https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000722
Policy
Aufnahme des Faches Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychotherapie als Approbationsfach in die neue Approbationsordnung
Policy
168
lichen sind von daher unabdingbar auch im Studium zu erwerben. Die KJPP ist in der klinischen Versorgung genuin mit der Früherkennung, Diagnostik, Prävention, Therapie und Rehabilitation von psychischen und psychosomatischen Störungen im Kindes- und Jugendalter betraut. Dabei ist die KJPP wesentliches Scharnierfach in der interdisziplinären Vernetzung mit der Pädiatrie, der Psychiatrie und der Psychosomatik des Erwachsenenalters, sowie gleichermaßen außerhalb der Medizin mit der Psychologie und der Pädagogik. Gleichzeitig ist die Vermittlung der notwendigen Kenntnisse in der medizinischen Lehre im Vergleich zur gesamtgesellschaftlichen Bedeutung früh beginnender psychischer Störungen dramatisch unterrepräsentiert. Auch in der neuen ÄApprO findet keine hinreichende Definition hinsichtlich eines dementsprechenden Kompetenzerwerbs zu Ätiologie und Entstehung, Verlauf sowie Behandlung der o. g. Störungsbilder im Sinne der Grundversorgung. Die überragende Bedeutung der gesundheitlichen Prävention im Kindes- und Jugendalter in Bezug auf die gesamtgesellschaftliche psychische Gesundheit wird an keiner Stelle der medizinischen Lehre verpflichtend erläutert. Die Kinderärzte sind diesbezüglich die „Primärärzte“ für unser Fach. Daher schließen wir uns der Stellungnahme der DGKJ an, dass die allgemeinmedizinische Kompetenz im Medizinstudium auch auf die pädiatrischen Patienten und Störungsbilder ausgedehnt gehört.
Policy
Fazit Wir haben im Anhang* einzelne Kommentierungen zum vorgelegten Entwurf vorgenommen. Zusätzlich fordern wir, dass die o. g. relevanten Inhalte stärker in die medizinische Lehre zu integrieren sind und damit die Studierenden auf die Versorgungsaufgaben im Rahmen von allgemeinärztlicher, pädiatrischer, internistischer und kinder- und jugendpsychiatrisch-psychosomatischer Versorgung besser vorzubereiten sind. Dazu sind erforderlich: 1. Die Anerkennung der KJPP als Approbationsfach 2. Die Einbindung der KJPP spezifischen Inhalte in die curriculare Lehre Bei Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Berlin, 24. Januar 2020 Prof. Dr. Michael Kölch Präsident DGKJP-Geschäftsstelle Reinhardtstr. 27 B 10117 Berlin Deutschland michael.koelch@med.uni-rostock.de * = Anhang erhältlich bei der Geschäftsstelle der DGKJP
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 167–168
© 2020 Hogrefe
Stellungnahme der DGKJP zum Referentenentwurf des BMJV
Sehr geehrter Herr Knoll-Biermann, hiermit erhalten Sie die Stellungnahme zum o. g. Gesetz aus Sicht der wissenschaftlichen Fachgesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. Freundlicherweise wurde uns der Referentenentwurf von der DGPPN, der wissenschaftlichen psychiatrischen Fachgesellschaft für Erwachsene, weitergeleitet. Als wissenschaftliche Fachgesellschaft, die sich mit der seelischen Gesundheit von Minderjährigen, entwicklungspsychologischen und psychopathologischen Aspekten und psychischen Störungen bei Minderjährigen beschäftigt, sind wir verwundert, dass wir nicht zu den direkt vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz adressierten Fachgesellschaften gehören. Wir bitten höflich darum, bei entsprechenden Fragen in Ihren Verteiler aufgenommen zu werden. Generell ist die Intention des Gesetzesvorhabens zu begrüßen, dass Kinder mit unklarer Geschlechtszuordnung bei Geburt keiner „angleichenden“, d. h. „geschlechtszuweisenden“ Operation unterzogen werden dürfen, wir begrüßen auch, dass dieses Vorgehen künftig strafbewehrt sein soll. Einen Änderungs- oder Ergänzungsbedarf sehen wir jedoch in Hinsicht auf die Frage der Sachverständigengutachten und die Frage der Ausdehnung der Regelung auf transsexuelle Kinder und Jugendliche.
1. Zur Frage der Sachverständigengutachten Die DGKJP ist sehr verwundert, dass für Sachverständigengutachten nach dem Wortlaut des Art. 2 Punkt 2, Einfügung § 163 c), ausschließlich Ärzte benannt sind, die „Erfahrung mit operativen Eingriffen an den inneren und äußeren Geschlechtsmerkmalen eines Kindes haben“ müssen. Das schließt Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (zumindest nach der gültigen Musterweiterbildungsordnung) aus. Die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit wird nach dem Wortlaut des Paragraphen ausschließlich den Familienrichterinnen und -richtern und © 2020 Hogrefe
der Einschätzung operativ erfahrener Ärzte auferlegt. Eine abweichende Konkretisierung in der Begründung erfolgt nicht. Dabei dürfte im Falle etwa von Intelligenzminderung (häufig mit Fehlbildungen und Intersexualität koinzident) oder im Falle von sekundären psychischen Störungen (ebenfalls mit Intersexualität häufig koinzident, nicht zuletzt infolge der noch nicht durchgehend auf Diversität eingestellten sozialen Umgebungen) die Einschätzung der Einwilligungsfähigkeit Jugendlicher für die damit befassten Familienrichterinnen und -richter ohne jugendpsychiatrische Expertise sehr schwierig und fehlerbehaftet sein. Wir halten in den Fällen, in denen eine psychische Beeinträchtigung oder gar Erkrankung manifest ist oder auch nur droht, kinder- und jugendpsychiatrische Expertise im familiengerichtlichen Verfahren für unabweisbar. Zwar sind Familienrichter frei in ihrer Entscheidung, zusätzliche Sachverständige beizuziehen, jedoch bedürfte es aus unserer Sicht einer gesetzlichen Klarstellung dahingehend, dass je nach Lage des Einzelfalls die Aufzählung der Sachverständigen seitens des Gesetzgebers nicht abschließend gemeint ist. Formulierungsvorschlag Einfügung hinter „Der Sachverständige muss über eine ärztliche Berufsqualifikation verfügen und Erfahrung mit operativen Eingriffen an den inneren und äußeren Geschlechtsmerkmalen eines Kindes haben“: „und/oder über eine einschlägige kinder- und jugendpsychiatrisch-psychotherapeutische Expertise verfügen.“
2. Zur Ausdehnung des Regelungsentwurfs auf transsexuelle Kinder und Jugendliche Transsexuelle Kinder und Jugendliche werden ausdrücklich erwähnt. S. 11: „Dabei soll das Verbot nicht auf „geschlechtsangleichende“ Operationen, das heißt solche zur Beendigung eines Zustands der geschlechtlichen Uneindeutigkeit beschränkt werden. Vielmehr soll es im Sinne einer allgemein kindesschutzrechtlichen Regelung auf alle „geschlechts-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 169–170 https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000723
Policy
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Kindern vor geschlechtsverändernden operativen Eingriffen
Policy
170
verändernden“ Operationen und damit auf jede Änderung von jedem Geschlecht hin zu einem jeweils anderen erstreckt werden.“ In der gesetzlichen Begründung (S. 18) findet sich zusätzlich die Erwähnung der Anzahl der Diagnosen von Transsexualität bei Kindern und Jugendlichen (bb) sowie der Anzahl durchgeführter geschlechtsverändernder Operationen (S. 18, cc). Wir begrüßen ausdrücklich, dass der familiengerichtliche Schutz auch auf minderjährige Personen mit einer Geschlechtsidentitätsstörung ausgedehnt werden soll. Allerdings ist nach dem aktuellen Wortlaut des Referentenentwurfs davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der Meinung ist, dass ein 14-jähriges Kind sich auch bei Vorliegen einer Transsexualität eigenständig zu einer geschlechtsumwandelnden Operation entschließen und einen entsprechenden Antrag beim Familiengericht stellen kann – das darüber hinaus auch noch mit nur einem kinderchirurgischen Sachverständigengutachten, wie weiter oben diskutiert. Diese Möglichkeit trifft unsererseits auf erhebliche fachliche Bedenken. Wir halten sowohl den Zeitpunkt von 14 Jahren für die Einwilligungsfähigkeit zu einer Transgender-Operation in dieser Allgemeinheit für zu früh, als auch die isolierte Hervorhebung der Operation für fachlich nicht geboten. • Die Einwilligungsfähigkeit muss die Tragweite des Eingriffs abschätzen. Mit 14 Jahren ist sexuelles Erleben eben erst im Entstehen, und die Auseinandersetzung mit einer Transsexualität kann durchaus noch ambivalent sein, d. h. die transsexuelle Identifizierung ist in vielen Fällen im Rahmen der steigenden Prävalenz noch nicht eindeutig. Ob eine wahre Transsexualität vorliegt und nicht nur eine „Geschlechtsunzufriedenheit“ infolge pubertärer Konfliktlagen, muss nach allgemeinem fachlichen Konsens per se ein Facharzt oder eine Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, idealerweise in einer spezialisierten Beratungsstelle, feststellen. • Ansonsten gilt für die Einwilligungsfähigkeit das unter 1. Gesagte – es muss im Fall einer psychiatrischen Erkrankung auf jeden Fall ein jugendpsychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt werden. • Auch im Falle einer Geschlechtsidentitätsstörung sind vor eine geschlechtsangleichende Operation erst die Schritte pubertätsunterdrückender Hormontherapie und gegengeschlechtlicher Hormontherapie gestellt, parallel dazu bisher eine Phase an Psychotherapie zur Unterstützung der Identitätsentwicklung und außerdem mindestens ein Jahr mit probatorischem Leben in der transgender-Zuordnung zur Realitätsüberprüfung, so dass eine Einwilligungsmöglichkeit mit bereits 14 Jahren in eine geschlechtsumwandelnde, finale Operation und deren Durchführung in diesem Alter bereits in Anbetracht der etablierten fachlich-klinischen Ab-
Policy
läufe, die ihre eigene Zeit benötigen, obsolet ist. Eine Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zum Thema wurde erst im November 2019 veröffentlicht (Aktenzeichen WD 9 – 3000 – 079/1 vom 15.11.2019) und verhält sich zu geschlechtsangleichenden Operationen bei Genderdysphorie analog (S. 40 f) so, dass diese nach derzeitigem – wenngleich unzureichendem – wissenschaftlichem Kenntnisstand nur in klinischen Ausnahmefällen allenfalls ab dem Alter von 16 Jahren durchgeführt werden sollen. Eine S3-Leitlinie unter Federführung unserer Fachgesellschaft zum Thema der diagnostischen und therapeutischen Vorgehensweisen bei Transgender-Jugendlichen ist bei der AWMF angemeldet und derzeit in Arbeit. Ob nun eine geschlechtsverändernde Operation ab dem Alter von 16 Jahren erfolgen können darf – mit familiengerichtlicher Zustimmung und selbstverständlich einem kinder- und jugendpsychiatrischen Sachverständigengutachten – oder ob nicht eher, wie vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages referiert, das Alter von 18 Jahren dafür maßgeblich sein sollte, ist zusammenfassend derzeit fachlich nicht fundiert zu befinden. Hier überwiegt der Einzelfall. Keinesfalls jedoch ist das Alter von 14 Jahren dafür als adäquat anzunehmen. Daher plädieren wir dafür, Jugendliche mit Geschlechtsidentitätsstörung zumindest aus der altersbezogenen Regelung herauszunehmen und den Regelungsvorschlag ab dem Alter von 14 Jahren ausschließlich auf Kinder mit uneindeutiger Geschlechtszugehörigkeit zu beziehen. Formulierungsvorschlag Aufnahme einer Formulierung unter „Ziele“ – oder hilfsweise in die Begründung: „Eine feste Altersgrenze für die Einwilligungsfähigkeit in eine geschlechtsumwandelnde Operation bei Jugendlichen mit Geschlechtsidentitätsstörung verbietet sich nach heutiger Kenntnis. Sie unterliegt ebenfalls einer familiengerichtlichen Zustimmung, erfordert jedoch eine zusätzliche sachverständige Begutachtung durch einen diesbezüglich ausgewiesenen Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie.“ Für weitere Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung. Berlin, 30. Januar 2020 Prof. Dr. Michael Kölch, Präsident DGKJP-Geschäftsstelle Reinhardtstr. 27 B 10117 Berlin Deutschland geschaeftsstelle@dgkjp.de
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 169–170
© 2020 Hogrefe
Politik Das Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz (PsychThAusbG) ist mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 1604) in Kraft getreten. Psychotherapeuten in Ausbildung nach altem Recht, die sich nach dem 31. August 2020 in Ausbildung befinden, erhalten ab da eine Vergütung von 1000 Euro monatlich, was sich erhöhend auf das Krankenhausbudget auswirkt. Spezialisierungen für die Behandlung von Kindern sollen im Rahmen der Weiterbildung (d. h. nach der Approbation) erworben werden (eine Musterweiterbildungsordnung liegt noch nicht vor). Die von der DGKJP kritisierten zusätzlichen Regelungen, dass PIA-Ärzte gemäß einer noch durch den G-BA zu entwickelnden Vorgabe künftig auf den ambulanten Versorgungsgrad angerechnet werden sollen und dass die Personalvorgaben der PPP-Richtlinie für Psychotherapeuten künftig durch den G-BA bettenbezogen (d. h. anders als die aller anderen Berufsgruppen patientenunabhängig) erfolgen sollen, sind in den finalen Gesetzestext übernommen worden. Ebenso wird trotz einem Monitum des Bundesrates der § 120 Abs. 2 SGB V, der die Psychiatrischen Institutsambulanzen regelt, durch folgenden Absatz ergänzt: „Die Vergütung der Leistungen der psychiatrischen Institutsambulanzen soll der Vergütung entsprechen, die sich aus der Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen nach § 87 Absatz 2a Satz 26 ergibt.“ Hier soll der Bewertungsausschuss bis Mitte 2021 eine neue Vergütung „für die berufsgruppenübergreifende Versorgung schwer psychisch kranker Menschen“ vorlegen, deren Inhalte vom G-BA festgelegt werden sollen. Die Auswirkung dieses Satzes könnte einer Abschaffung der PIAs gleichkommen. Die DGKP wird dazu weiter berichten. Mit dem Inkrafttreten des MdK-Reformgesetzes zum 1. Januar 2020 treten nicht nur neue, aus Krankenhaussicht mit den nun fälligen Strafzahlungen sehr widrige Regelungen zur MdK- bw.MD-Begutachtung in Kraft, sondern auch eine klare Regelung für die Finanzierung von Gebärdendolmetschern für Patienten mit Hörbehinderung (§ 2 Abs 2 Satz 3 Nr. 2 BPflV). Diese rechnen im ambulanten sowohl als auch im stationären Bereich direkt mit der zuständigen Krankenkasse ab. Da Gebärdendolmetscher im Gegensatz zu Sprachdolmetschern nach SGB X von der Allgemeinheit zu tragen sind, war lediglich strittig, ob die Leistung als Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen (d. h. bereits im Krankenhausentgelt enthalten) sei oder nicht. Der Bundestag hat sich am 29. Januar mit dem WissenschaftszeitVG beschäftigt. Nach wie vor seien laut © 2020 Hogrefe
Statistischem Bundesamt fast 90 % der Beschäftigten an Hochschulen und in hochschulnahen Instituten Teilzeitbeschäftigte. Anträge der Linken und ein Reformvorschlag der FDP wollen hier Verbesserungen erreichen hinsichtlich der Mindestvertragsdauer, des Erreichens eines Karriereziels, des Einhaltens von Tenure-Tracks mit Wegfall des Befristungsgrundes sowie der Anrechnung von Kindererziehungszeiten und Tarifbindung. Die Bundesregierung diskutiert im Parlament derzeit zwei Gesetzentwürfe zum Adoptionsrecht: einerseits das Gesetz zur besseren Hilfe bei Adoptionen, das ein Recht auf Beratung für den offenen Umgang mit Adoptionen, ein Recht der Kinder auf Kenntnis ihrer Herkunft, ein Recht der leiblichen Eltern auf Informationen und eine Begleitung bei Auslandsadoptionen vorsieht; andererseits das – infolge eines Verfassungsgerichtsbeschlusses entstandene – Gesetz zur Erleichterung von Stiefkindadoptionen auch bei nicht verheirateten Partnerschaften. Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (Reform des SGB VIII) soll noch in diesem Jahr vorgelegt werden. Vorgesehen seien laut Ministerin Giffey die Einrichtung von Ombudsstellen, die Senkung der Eigenbeteiligung bei Fremdunterbringung und die Verbesserung der Heimaufsicht. Mit der Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz beschäftige sich derzeit das Bundesjustizministerium. Ebenso sollen der Jugendmedienschutz und das Elterngeld reformiert werden. Die vom Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen eingereichte Petition „Für eine ausreichende und flächendeckende Personalbemessung in psychiatrischen kinder- und jugendpsychiatrischen und psychosomatischen Kliniken“ hat mit mehr als 54 000 Unterschriften das Quorum erreicht. Nunmehr wird der Petitionsausschuss des Bundestags das Anliegen der Unterzeichnenden in einer öffentlichen Sitzung beraten und anschließend eine Empfehlung an den Bundestag geben. Thematisiert werden voraussichtlich unter anderem die weiterhin zu geringe Zeit für Angehörigenarbeit und die weiterhin unzureichenden Minutenwerte für alle Personalgruppen bei bei zeitlich hohen Bürokratieaufwänden.
Recht Der Vierte Familiensenat des OLG Frankfurt (Beschluss vom 28. August 2019, Az 4 UF 189/19) hat sich von einer Sachverständigenempfehlung zum unmittelbaren Sorge-
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 171–173 https://doi.org/10.1024/1422-4917/a000721
News
Mitteilungen
172
rechtsentzug und Herausnahme eines Kindes aus der Familie distanziert. Der Eingriff in die elterliche Sorge müsse als Grundrechtseingriff verhältnismäßig sein, das sei durch eine einmalige Beobachtung durch einen Sachverständigen ohne tiefere Exploration, Interaktionsbeobachtung und Untersuchung nicht gerechtfertigt. Ein Schaden im Sinne einer nachhaltigen Störung der Entwicklung des Kindes müsse „mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten“ sein. Einem Sachverständigen stehe es überdies nicht zu, zu schlussfolgern, dass ein Kind unmittelbar aus der Familie zu nehmen sei.
News
Fachwelt Die PPP-Richtlinie wurde mit minimalen Ergänzungen zum 31. Dezember 2019 in Kraft gesetzt und ist seit dem 1. Januar 2020 gültig. Seither stellen sich multiple Fragen der Umsetzung, die von einzelnen Landeskrankenhausgesellschaften unterschiedlich beantwortet werden. Der G-BA hat noch keine FAQ-Seite eingerichtet. Die DKG hat eine erste FAQ _Liste veröffentlicht (https://www. dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/2_Themen/2.3_ Versorgung-Struktur/FAQ _zur_PPP-RL_DKG.PDF). Die wichtigste Botschaft: 2020 ist noch keine der Vorgaben sanktionsbewehrt. Ergänzt wurde seitens des G-BA vor Veröffentlichung eine Fußnote, dass Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten dann in die Berufsgruppe der Psychologen zählen können, wenn sie approbiert sind. Des Weiteren wurde eine Fußnote ergänzt, dass teilstationäre Patienten auf jeder Station mitbehandelt werden und ausgewiesen werden können. Passend zur nun zwingenden Erfassung der Arbeitszeiten hat bereits im Mai 2019 der EU-GH (C-55/18) die verpflichtende Einführung einer verlässlichen Arbeitszeiterfassung durch alle Arbeitgeber beschlossen, nicht nur die Erfassung von Über- oder Mehrarbeitsstunden. Die Bundesärztekammer hat die bereits am 18. Oktober 2019 verabschiedete Stellungnahme „Wissenschaftlichkeit als konstitutionelles Element des Arztberufes“ nun gemeinsam mit einer fachpolitischen Kommentierung veröffentlicht (Deutsches Ärzteblatt vom 24. Januar 2020). Propagiert wird ein pluralistisches Verständnis wissenschaftlicher Medizin. So sei „wissenschaftliche Medizin nicht mit einer evidenzbasierten Medizin identisch“, und ein „rein naturwissenschaftlicher Positivismus“ sei „in der Medizin fehl am Platz“. Wissenschaftliche Kritikfähigkeit sei erforderlich, und es wird gefragt ob diese in „Medical Schools“ hinreichend vermittelt werden könne. Weiter- und Fortbildung müssten zwingend kompetenzorientiert erfolgen. Stand 2017 seien die Teilnahmen an Fortbildungsmaßnahmen auf 6 Mio. pro Jahr gestiegen. Nur traditionelle
News
Lernformen seien zu überwinden – genannt werden kollaboratives Lernen, Organisational Learning, e-Learning, professionelle Netzwerke. Wie bereits in der Stellungnahme zur „Zukunft der Universitätsmedizin“ ausgeführt, müssten Sektorengrenzen überwunden werden. Eine Fortbildungskultur der gesamten Ärzteschaft wird gefordert. Zur „Förderung wissenschaftlicher Argumentationskompetenz“ seien „ausreichende zeitliche Freiräume“ erforderlich. Die zunehmende Verlagerung medizinischer Versorgung in den ambulanten Bereich setze „einen entsprechenden Zuwachs und eine kontinuierliche Weiterentwicklung medizinisch-wissenschaftlicher Expertise im ambulanten Bereich“ voraus. Eine verstärkte Kooperation zwischen ambulantem und stationärem Versorgungssektor und eine Kooperation bei klinischen Studien und kooperativer Versorgungsforschung wird gefordert. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang darauf, dass die vorgesehenen zeitlichen Weiterbildungs-Kapazitäten der PPP-Richtlinie des G-BA für den aktuellen Zeitumfang der theoretischen Weiterbildung in der MWBO für Ärzte nicht ausreichen (die DGKJP hat in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen; die Redaktion) und auch für die Fortbildung von Fach- und Oberärzten extrem knapp bemessen sind. Die Stellungnahme ist herunterladbar unter https://www.bundesaerzte kammer.de/aerzte/medizin-ethik/wissenschaftlicher-bei rat/veroeffentlichungen/weitere-themen/wissenschaft lichkeit-als-konstitutionelles-element-des-arztberufes/. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Zukunft der sektorenübergreifenden Versorgung plädiert in einem „Fortschrittsbericht“ für die Schaffung eines „gemeinsamen fachärztlichen Versorgungsbereichs von Vertragsärzten und Krankenhäusern“ – mit konkret beschriebenen und einheitlich vergüteten Leistungen. Dazu sei angemerkt, dass die Finanzierung der speziell für die „nicht wartezimmerfähigen“ Patienten geschaffenen Psychiatrischen Institutsambulanzen bereits mit dieser Argumentation der „einheitlich vergüteten Leistungen“ über eine EBM-Finanzierung ab Mitte 2021 ersetzt werden soll (siehe 1. Mitteilung unter „Politik“). Für die Kinder- und Jugendpsychiatrie wird diese Argumentation nicht greifen können – sowohl über die Sozialpsychiatrie-Pauschale im Vertragsarztbereich als auch hinsichtlich der Institutsambulanz sollten die im Interesse der Patient_innen bestehenden sinnvolle Finanzierungsregelungen weiter bestehen bleiben. Die Möglichkeit gemeinsamer Leistungserbringung wird in unserem Fach mancherorts bereits praktiziert. Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), das nach dem TSVG vom Gesetzgeber mit der Fortschreibung der Datenübermittlung nach § 21 KHEntgG beauftragt wurde, hat eine Fortschreibung des zu übermittelnden Datenfiles vorgelegt. Hier sind nun Standortnummern (bedeutsam für dezentrale Tageskliniken), aber auch die in den Psych-Fächern „vorgehaltenen
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 171–173
© 2020 Hogrefe
News
173
© 2020 Hogrefe
Krankenhäuser mit mindestens 70 % kinder- und jugendpsychiatrischen Leistungen in den Fachgruppenvergleich ein (33 Häuser bundesweit), was die Aussagekraft für das Fachgebiet einschränkt. Auswertungen auf Landesebene werden nur ab n = 4 veröffentlicht.
Personalia Frau Prof. Dr. med. Eva Möhler, Heidelberg/Kleinblittersdorf, hat den Ruf auf den Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Universitätsklinikums des Saarlandes und die damit verbundene Leitung der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie erhalten.
DGKJP-Geschäftsstelle Reinhardtstr. 27b 10117 Berlin Deutschland geschaeftsstelle@dgkjp.de
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2020), 48 (2), 171–173
News
Intensivbetten“ auszuweisen. „Pflegefachpersonal“ (examinierte Gesundheits- und (Kinder-)krankenpfleger_innen) muss nun als „unmittelbar am Bett tätig“ gesondert ausgewiesen werden. Daneben ist nur pflegerisches Hilfspersonal vorgesehen, so dass hier hinsichtlich der pädagogischen Fachkräfte kein Überblick entstehen kann (Anmerkung: der Erziehungsdienst wird allerdings in den bisher einschließlich 2019 zu übermittelnden Personalnachweisen nach der Psych-PV angegeben). Stationsäquivalente Behandlungen sind weiterhin als „Zeitraum ohne direkten Patientenkontakt“ beschrieben. Abwesenheiten von Patienten über Mitternacht sind wie in den Vorjahren anzugeben. Psychosomatische Institutsambulanzen dürfen – anders als (kinder-jugend)-psychiatrische – auch eine somatische Bezugsdiagnose angeben. Neu eingeführt wurde das Geschlechtsmerkmal „divers“ bei den patientenbezogenen Daten. Zum Nachweis der Personalausstattung nach der PPP-Richtlinie ist die Erarbeitung einer Vereinbarung angekündigt. Desweiteren wurde zum 16. Januar 2020 erstmalig der leistungsbezogene Krankenhausvergleich, hier für psychiatrische Krankenhäuser für das Datenjahr 2018, veröffentlicht. Entsprechend der Definitionen gingen nur
Hinweise für Autorinnen und Autoren Die Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie stellt sich den wissenschaftlichen Herausforderungen und klinischen Aufgaben des Fachs, indem sie Wissensvermittlung, -zuwachs und -generierung im deutschsprachigen Raum vertritt. Darüber hinaus unterstützt die Zeitschrift den Informationsaustausch unter den Wissenschaftlern sowie den Dialog mit Kliniken und niedergelassenen Ärzten und stellt somit ein wichtiges Diskussionsforum dar. Ein weiteres zentrales Anliegen ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Regelmäßig erscheinen Originalarbeiten, Übersichtsreferate sowie Hefte zu aktuellen Schwerpunktthemen. In unregelmäßigen Abständen werden folgende Rubriken publiziert: • Fachliche Diskussionsforen und berufspolitische Stellungnahmen • Besprechungen neuer Monographien und eine Liste neuer Arbeiten internationaler Periodik • Kasuistiken • Beiträge zur Therapie und Therapieevaluation Veröffentlicht werden in der Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie die Rubriken: Originalarbeiten, Übersichtsarbeiten, Fallberichte, “Zur Diskussion gestellt”, Briefe an die Herausgeber, Rezensionen. Einsendung von Manuskripten. Alle Manuskripte sollten elektronisch unter https://www.editorialmanager.com/kijps eingereicht werden. Detaillierte Hinweise für Autorinnen und Autoren finden Sie unter https://www.hogrefe.com/j/kij Detailed instructions to authors are provided at https://www.hogrefe.com/j/kij Urheber- und Nutzungsrechte. Manuskripte, die zur Veröffentlichung in dieser Zeitschrift eingereicht werden, dürfen nicht gleichzeitig an anderer Stelle eingereicht oder veröffentlicht sein bzw. werden. Die Autorin bzw. der Autor bestätigt und garantiert, dass sie bzw. er uneingeschränkt über sämtliche Urheberrechte an ihrem bzw. seinem Beitrag einschließlich eventueller Bildvorlagen, Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen und Tabellen verfügt, und dass der Beitrag keine Rechte Dritter verletzt. Die Autorin bzw. der Autor räumt – und zwar
auch zur Verwertung ihres bzw. seines Beitrages außerhalb der ihn enthaltenen Zeitschrift und unabhängig von deren Veröffentlichung – dem Verlag räumlich und mengenmäßig unbeschränkt für die Dauer des gesetzlichen Urheberrechts das ausschließliche Recht der Vervielfältigung und Verbreitung bzw. der unkörperlichen Wiedergabe des Beitrages ein. Die Autorin bzw. der Autor räumt dem Verlag ferner die folgenden ausschließlichen Nutzungsrechte am Beitrag ein: a) Das Recht zum ganzen oder teilweisen Vorabdruck oder Nachdruck – auch in Form eines Sonderdrucks, zur Übersetzung in andere Sprachen, zu sonstiger Bearbeitung und zur Erstellung von Zusammenfassungen (Abstracts); b) das Recht zur Veröffentlichung einer Mikrokopie-, Mikrofiche und Mikroformausgabe, zur Nutzung im Weg von Bildschirmtext, Videotext und ähnlichen Verfahren, zur Aufzeichnung auf Bild und/ oderTonträger und zu deren öffentlicher Wiedergabe – auch multimedial – sowie zur öffentlichen Wiedergabe durch Radio und Fernsehsendungen; c) das Recht zur maschinenlesbaren Erfassung und elektronischen Speicherung auf einem Datenträger (z. B. Diskette, CD-Rom, Magnetband) und in einer eigenen oder fremden Online-Datenbank, zum Download in einem eigenen oder fremden Rechner, zur Wiedergabe am Bildschirm – sei es unmittelbar oder im Wege der Datenfernübertragung – sowie zur Bereithaltung in einer eigenen oder fremden Online-Datenbank zur Nutzung durch Dritte; d) das Recht zu sonstiger Vervielfältigung, insbesondere durch fotomechanische und ähnliche Verfahren (z.B. Fotokopie, Fernkopie) und zur Nutzung im Rahmen eines sogenannten Kopienversands auf Bestellung; e) das Recht zur Vergabe der vorgenannten Nutzungsrechte an Dritte in In- und Ausland sowie die von der Verwertungsgesellschaft WORT wahrgenommenen Rechte einschließlich der entsprechenden Vergütungsansprüche. Nutzungsrichtlinien für Hogrefe-Zeitschriftenartikel. Hinweise für Autorinnen und Autoren zur Online-Archivierung einer elektronischen Version Ihres Manuskriptes finden Sie auf unserer Homepage unter www.hgf.io/nutzungsrichtlinien.
Januar 2020
Umfassend und aktuell – das komplette Wissen der Psychologie Markus Antonius Wirtz (Hrsg.)
Dorsch – Lexikon der Psychologie
www.hogrefe.com
19., überarb. Aufl. 2020. 2032 S., Gb € 74,95 / CHF 95.00 ISBN 978-3-456-85914-9
Anwendung leicht gemacht
Im klinischen Bereich bieten wir Seminare & Webinare zu folgenden Testverfahren an: • SCID-5-PD: Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen • SCID-5-CV: Diagnostik von psychischen Störungen • SCID-5-PD und SCID-5-CV: Kombiseminar • Mini-ICF-APP: Diagnostik von Fähigkeitsbeeinträchtigungen und sozialmedizinische Begutachtung bei psychischen Störungen • DTIM: Demenztest für Menschen mit Intelligenzminderung Finden Sie das Trainingsangebot, das zu Ihnen passt: https://www.hogrefe.de/training
www.hogrefe.com/training
ADHS: Wenn Amfetamin, dann
Attentin
®
DEXAMFETAMINHEMISULFAT
S M L 5
10
20
mg
Snap-Tab: Teilbarkeit in 4 gleiche Dosen
mg
Snap-Tab: Teilbarkeit in 4 gleiche Dosen
mg
Snap-Tab: Teilbarkeit in 4 gleiche Dosen
● EXAKT ● INDIVIDUELL ● FLEXIBEL Attentin® 5 mg, 10 mg, 20 mg. Wirkst.: Dexamfetaminhemisulfat. Zus.: Jede Tabl. enthält 5 mg/10 mg/20 mg Dexamfetaminhemisulfat. Sonst. Best.teile: Isomalt (E953), Magnesiumstearat (Ph. Eur.), Crospovidon ( nur bei 5 mg). Anw.geb.: Im Rahmen einer therapeut. Gesamtstrategie zur Behandl. von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) bei Kindern u. Jugendlichen von 6 bis 17 Jahren, wenn das klinische Ansprechen auf eine vorangegangene Behandlung mit Methylphenidat unzureichend war. Die Behandl. soll unter Aufsicht eines Spezialisten für Verhaltensstörungen bei Kindern u./o. Jugendl. durchgef. werden. Diagnosestellung anhand DSM-V o. ICD-10. Eine Behandl. mit Dexamf. ist nicht bei allen Kindern mit ADHS indiz. u. der Entsch. zur Anwend. muss eine sehr sorgf. Beurteilung v. Schweregrad u. Chronizität der Sympt. des Kindes vorausg. Alter des Kindes u. das Potential für Missbrauch, Fehlgebrauch u. Zweckentfremdung sind zu berücksichtigen. Gegenanz.: Bek. Überempfindlichkeit gg. Dexamfetamin o. einen der sonst. Bestandt.; bek. Überempfindlichkeit o. Idiosynkrasie gg. sympathomimetischen Aminen; Glaukom; Phäochromozytom; während o. inn. v. mind. 14 Tagen n. Einn. v. MAO-Hemmern; Hyperthyreose o. Thyreotoxikose; Diagn. o. Anamn. v. schw. Depr., Anorexia nerv. /anorekt. Störg., Suizidneig., psychot. Sympt., schw. affekt. Störg., Manie, Schizophr., psychopath. /Borderline-Pers.k.störg.; Gilles de la Tourette Syndr. o. ähnl. Dystonien; Diagn. o. Anamn. v. schw. u. episod. (Typ I) bipol. affekt. Störg.; vorbest. Herz-Kreislauf-Erkr. einschl. mittelschw. u. schw. Hypertonie, Herzinsuffizienz, art. Verschlusskrankh., Angina pec., hämodyn. signifik., angeb. Herzfehler, Kardiomyopathien, Myokardinf., potentiell lebensbedr. Arrhythmien u. Kanalopathien; vorbest. zerebrovask. Erkrank.; Porphyrie; Patienten mit einer Vorgesch. von o. derzeit. Drogenabhängigkeit o. Alkoholismus; Schwangerschaft u. Stillzeit. Nebenw.: Sehr häufig: verm. App., verr. Gewichts- und Größenzun. b. läng. Anw. b. Kind.; Schlaflosigkeit, Nervosität. Häufig: Arrhythmien, Palpitationen, Tachykardie; Abdominalschm., Übelkeit, Erbrechen, trock. Mund; Veränd. d. Blutdr. u. d. Herzfrequenz (gew. Erh.); Arthralgie; Schwindel, Dyskinesie, Kopfschmerzen, Hyperaktivität; Abnorm. Verhalten, Aggressivität, Erregungs- und Angstzust., Depression, Reizbarkeit. Selten: Angina pect.; Akkommod.stör., verschw. Sehen, Mydriasis; Müdigkeit (Fatigue), Wachstumsverz. b. läng. Anw. b. Kind.; Hautausschl., Urtikaria. Sehr selten: Anämie, Leukopenie, Thrombozytop., thrombozyt. Purpura; Herzstillstand; Leberfunktionsst., einschließl. Erh. d. Leberenzymw., hepat. Koma; Muskelkrämpfe; Konvulsionen, choreoathetoide Bewegungen, intrakran. Hämorrhagie, Tour. Syndrom; Halluzinationen, Psychose/psychot. Reaktionen, Selbstm.versuch (einschl. vollend. Selbstm.), Tics, Verschl. v. vorbest. Tics; Erythema multif., exfoliative Dermat., Arzneimittelexanthem; Zerebr. Vaskul. u./o. Hirngefäßverschl. Nicht bekannt: Kardiomyopathie, Myokardinf.; Isch. Kolitis, Diarrhoe; Brustschm., Hyperpyrexie, Überempfindlichk. einschließl. v. Angioödem u. Anaphylaxie, plötzl. Todesfälle; Azidose; Rhabdomyolyse; Ataxie, Benommenheit, Dysgeusie; Konz.sstör., Hyperreflexie, Schlaganfall, Tremor. Sehr selten Fälle von schlecht dokumentiertem MNS; Verwirrtheit, Delirium, Drogenabhäng., Dysphorie, emotion. Labilität, Euphorie, Beeinträcht. d. Leistungen i. kognit. Tests, veränd. Libido, Nachtangst, Zwangsverh., Panikzuständ., Paranoia, Ruhelosigkeit; Nierenschädigung; Impotenz; Schwitzen, Alopezie, Raynaud-Syndr.; Kardiovaskul. Kollaps; Das Absetzen o. eine Dosisred. einer starken u. längerfr. Anw. v. Amfetamin kann zu Entzugssympt. führen. Warnhinweis: Enthält Isomalt (E953). Verschreibungspflichtig. Weit. Hinw. s. Fachinfo. Stand d. Inform.: 06/18 MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, 58638 Iserlohn. www.adhs-infoportal.de
MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG Kuhloweg 37 58638 Iserlohn
GEMEINSAM BEGEGNEN