Leseprobe Lernen und Lernstörungen 2/2020

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Jahrgang 9 / Heft 2 / 2020

Lernen und Lernstörungen Geschäftsführende Herausgeberin Liane Kaufmann Geschäftsführender Herausgeber Michael von Aster Herausgeberinnen und Herausgeber Irene Corvacho del Toro Ursula Fischer Karin Kucian Marlies Lipka Jens Holger Lorenz Cordula Löffler Marianne Nolte Gerd Schulte-Körne

In Zusammenarbeit mit

Fachverband für integrative Lerntherapie e.V.


Moser Opitz / Stöckli / Grob Reusser / Nührenbörger

BASIS-MATH-G 3+

BASIS-MATH-G 3+

Gruppentest zur Basisdiagnostik Mathematik für das vierte Quartal der 3. Klasse und das erste Quartal der 4. Klasse

Elisabeth Moser Opitz Meret Stöckli Urs Grob Lis Reusser Marcus Nührenbörger

Test komplett bestehend aus: • Manual • Je 5 Testhefte Testform A und B • Je 5 Auswertungsbogen Testform A und B • Je 1 Auswertungsvorlage Testform A und B • Auswertungsprogramm • Instruktionsvorlage • Box Best.-Nr. 03 211 01 (D / A-Version) Best.-Nr. 03 211 11 (CH-Version) € 142,10 (152,05 inkl. MwSt.) CHF 180.00 (193.86 inkl. MwSt.)

www.hogrefe.com

Gruppentest Basisdiagnostik Mathematik für Ende 3. bis Anfang 4. Klasse BASIS-MATH-G 3+ ist ein Verfahren zur Abklärung von Rechenschwäche und zur Evaluation des Bedarfs an Fördermaßnahmen für rechenschwache Schülerinnen und Schüler. Der Test überprüft anhand von 19 Aufgaben zentrale Kompetenzen der Grundschulmathematik, indem in den Bereichen Arithmetik und Sachrechnen der Umgang mit Zahl und Maß, Operationen und Rechenverfahren überprüft wird. Besonderheiten: • Vielfältige Aufgabenstellungen aus der Grundschulmathematik (zu Zahl- und Operationsverständnis, Rechnen und (halb-) schriftlichen Rechenverfahren) • Einsetzbar bei Schülerinnen und Schülern im vierten Quartal der 3. Klasse und im ersten Quartal der 4. Klasse • Länderspezifische Testhefte für Kinder aus Deutschland / Österreich und der Schweiz • Zwei parallele Testformen A und B • Durchführung inklusive Einführung in ca. 60 Minuten • Schnelle Auswertung in nur je ca. 5 Minuten pro Testheft, wahlweise per Auswertungsprogramm oder Auswertungsbogen • Normierung an insgesamt 2769 Schülerinnen und Schülern am Ende der 3. und am Anfang der 4. Klasse in Deutschland und der Schweiz


Lernen und Lernstörungen

9. Jahrgang / Heft 2 / April 2020 Geschäftsführende Herausgeberin Liane Kaufmann Geschäftsführender Herausgeber Michael von Aster Herausgeberinnen und Herausgeber Irene Corvacho del Toro Karin Kucian Jens Holger Lorenz Cordula Löffler Marianne Nolte Gerd Schulte-Körne

Fachverband für integrative Lerntherapie e.V.


Geschäftsführende Herausgeberin Geschäftsführender Herausgeber

PD Dr. Liane Kaufmann Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie A Landeskrankenhaus Hall Milser Str. 10 6060 Hall in Tirol Österreich liane.kaufmann@tirol-kliniken.at

Herausgeberinnen und Herausgeber

Dr. Irene Corvacho del Toro, Institut für Pädagogik der Elementar- und Primarstufe, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a. M. Prof. Dr. Ursula Fischer, Fach Sportwissenschaft, Universität Konstanz PD Dr. Karin Kucian, Zentrum für MR-Forschung, Universitäts-Kinderspital, Zürich Marlies Lipka, Universität Potsdam Prof. Dr. Jens Holger Lorenz, Frankfurt a. M. Prof. Dr. Cordula Löffler, Fach Deutsch mit Sprecherziehung, Pädagogische Hochschule Weingarten Prof. Dr. Marianne Nolte, Fakultät für Erziehungswissenschaft, Universität Hamburg Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Klinikum der Universität München

Redaktion

Mag. Jasmin Leitner, Innsbruck

Beirat

Daniel Ansari, London, Ontario (Canada) Henik Avishai, Beer-Sheva (Israel) Katharina Braun, Magdeburg Silvia Brem, Zürich Helga Breuninger, Ketzin Roi Cohen Kadosh, Oxford (United Kingdom) Lucie DeBlois, Université de Laval, ­Québec ­(Canada) Ann Dowker, Oxford (United Kingdom) Günter Esser, Potsdam Ursula Fischer, Konstanz Silke Göbel, York (United Kingdom) Ingrid Gogolin, Hamburg Anke Grotlüschen, Hamburg Thomas Günther, Aachen Marcus Hasselhorn, Frankfurt a. M. Judith Hollenweger, Zürich Manfred Holodynski, Münster Christian Huber, Wuppertal Lutz Jäncke, Zürich Elise Klein, Tübingen Juliane Kohn, Potsdam Kristin Krajewski, Frankfurt a. M. Petra Küspert, Würzburg Karin Landerl, Graz Bea Latal, Zürich

Verlag

Hogrefe AG, Länggass-Str. 76, 3012 Bern, Schweiz Tel. +41 (0)31 300 45 00, Fax +41 (0)31 300 45 93 verlag@hogrefe.ch, www.hogrefe.com

Anzeigenleitung

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Herstellung

Stefan Schüpbach, Tel. +41 (0)31 300 45 77, stefan.schuepbach@hogrefe.ch

Satz & Druck

AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten im Allgäu

ISSN / ISBN

ISSN-L 2235-0977, ISSN (Print) 2235-0977, ISSN (Online) 2235-0985, ISBN 978-3-456-86003-9

Erscheinungsweise

4 Hefte jährlich

Bezugsbedingungen

Jahresabonnement Institute: € 132.− / CHF 174.− (Print only; Informationen zu den OnlineAbonnements finden Sie im Zeitschriftenkatalog unter www.hgf.io/zftkatalog); Private: € 74.− / CHF 99.– zzgl. Porto und Versandgebühren: Schweiz CHF 14.− / Europa € 15.− / übrige Länder CHF 26.− Einzelheft € 34.− / CHF 46.− zzgl. Porto und Versandgebühren zeitschriften@hogrefe.ch

Indexierung

PsycINFO und PSYNDEX

Elektronischer Volltext

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Prof. Dr. Michael von Aster Geschäftsführer DRK Kliniken Berlin | Erziehung und Bildung GmbH Zentrum für Schulische und Psychosoziale Rehabilitation (ZSPR) Spandauer Damm 130 14050 Berlin Deutschland m.aster@drk-kliniken-berlin.de

Urs Maurer, Hong Kong (Hong Kong) Ursina McCaskey, Zürich Elisabeth Moser Opitz, Zürich Korbinian Möller, Tübingen Carl Ludwig Naumann, Hannover Hans-Christoph Nürk, Tübingen Andreas Obersteiner, Freiburg Franz Petermann, Bremen Silvia Pixner, Hall in Tirol Ralph Radach, Wuppertal Charlotte Rechsteiner, Ludwigsburg Kristina Reiss, München Marcel Romanos, München Orly Rubinstein, Haifa (Israel) Dieter Rüttimann, Zürich Hubert Schaupp, Graz Gerheid Scheerer-Neumann, Potsdam Petra Scherer, Essen Elsbeth Stern, Zürich Günther Thomé, Frankfurt a. M. Lieven Verschaffel, Leuven (Belgium) Susanne Walitza, Zürich Sabine Walper, München Jürgen Wilbert, Potsdam Klaus Wilmes, Aachen Guilherme Wood, Graz

Lernen und Lernstörungen ist Mitgliederzeitschrift des Fachverbands für integrative L ­ erntherapie e. V. (FiL) und des Legasthenie-Zentrums Berlin e. V.


Inhalt Editorials

83

Life-long learning Liane Kaufmann und Michael von Aster

Originalarbeiten/ Original Articles

Sprache, Arbeitsgedächtnis und mathematische Kompetenz von ­Schulkindern mit SES

85

Language, Working Memory, and Mathematical Skills of Schoolchildren with DLD Alexander Röhm Die Rolle von Sprache und Arbeitsgedächtnis für die Entwicklung ­mathematischen Lernens vom Vorschul- bis ins Grundschulalter – ­Längsschnittliche und querschnittliche Pfadanalysen von Daten des ­Nationalen Bildungspanels (NEPS)

97

The Role of Language and Working Memory in the Development of ­Mathematical Learning from Preschool into Primary School Age – ­Longitudinal and Cross-Sectional Path Analyses of Data from the ­National Education Panel Study (NEPS) Nurit Viesel-Nordmeyer, Ute Ritterfeld und Wilfried Bos Übersichtsarbeiten/ Reviews

Motivationale Einflüsse auf exekutive Funktionen bei Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) – Ein systematisches Review

111

Systematic Review of Motivational Effects on Executive Functions in ­Attention Deficit / Hyperactivity Disorders (ADHD) Morena Lauth-Lebens und Gerhard W. Lauth Developmental Dyscalculia in Adults – Current Issues and Open Questions for Future Research

126

Entwicklungsbedingte Rechenstörungen im Erwachsenenalter – ­Aktueller Forschungsstand und offene Fragestellungen Liane Kaufmann, Michael von Aster, Silke M. Göbel, Josef Marksteiner, and Elise Klein Wissen – kurz notiert

Buchstabenkenntnis: der beste Prädikator für Leseschwierigkeiten bei Kindern mit einer Sprachentwicklungsstörung

138

Irene Corvacho del Toro Musik fördert mathematische Fähigkeiten von Kindern mit Dyskalkulie

139

Karin Kucian Rezensionen

Leseverständnis und Lesekompetenz: Grundlagen – Diagnostik – Förderung

140

Franziska Stutz LRS: Schwierigkeiten erkennen – Fähigkeiten fördern

141

Marlies Lipka

Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 81


Unsere Buchtipps Verena Leutgeb / Elise Steiner / Elisabeth Waibel-Krammer

Therapeutische Praxis

Geissler / Vloet / Romanos / Zwanzger / Jans

Leutgeb / Steiner / Waibel-Krammer

Im Jugendalter verändert sich die Symptomatik der ADHS. Hyperaktivität tritt in den Hintergrund und Schwierigkeiten bei Organisation, Emotionsregulation, Selbstwert und Beziehungsgestaltung treten in den Vordergrund. Die Anforderungen an die Fähigkeit zur Selbstregulation und Selbststrukturierung steigen, während das Bewusstsein für die ADHS-spezifischen Schwierigkeiten wächst. Da Betroffene im Gegensatz zu Gleichaltrigen häufig viel Unterstützung benötigen, ist ihr Selbstbild oft deutlich negativ geprägt.

Für diese jugendtypischen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der ADHS sowie komorbide Störungen und damit einhergehende Beeinträchtigungen wurden zehn Schwerpunktmodule mit kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen entwickelt. Die Module sind flexibel einsetzbar und können je nach den Schwierigkeiten, die im individuellen Fall im Vordergrund stehen, ausgewählt werden. Inhalt der Module sind z. B. die Förderung der Selbstorganisationsfähigkeit, die Vermittlung von Strategien zur Emotionsregulation und Stressbewältigung, der Aufbau von Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit sowie die Thematisierung von Ambivalenzen gegenüber Medikation. Zusätzlich bietet das Therapiekonzept die Möglichkeit, sich unter Einbezug der Eltern bzw. Hauptbezugspersonen der Verbesserung der intrafamiliären Kommunikation und der Stärkung der Erziehungskompetenz sowie der psychischen Gesundheit der Eltern zu widmen. Da das Therapiekonzept v. a. im Hinblick auf Problembereiche entwickelt wurde, die durch Medikation wenig veränderbar sind, stellt es eine wertvolle therapeutische Ergänzung der multimodalen Behandlung dar. Zahlreiche Arbeitsblätter und Materialien liegen auf einer CD-ROM bei.

Verena Leutgeb Elise Steiner Elisabeth Waibel-Krammer

Kinder und Jugendliche in suizidalen Krisen Wie Eltern helfen können – ein Ratgeber

Wie Eltern helfen können – ein Ratgeber 2019, 77 Seiten, Kleinformat, € 14,95 / CHF 19.90 ISBN 978-3-8017-2965-3 Auch als eBook erhältlich Hogrefe Verlagsgruppe

Göttingen · Bern · Wien · Oxford · Paris Boston · Amsterdam · Prag · Florenz Kopenhagen · Stockholm · Helsinki · Oslo Madrid · Barcelona · Sevilla · Bilbao Saragossa · São Paulo · Lissabon www.hogrefe.com

ISBN 978-3-8017-2979-0

9 783801 729790

www.hogrefe.com

9 783801 729646

Michael Klein Diana Moesgen Janina Dyba

Therapeutische Praxis

SHIFT – Ein Elterntraining für drogenabhängige Mütter und Väter von Kindern zwischen 0 und 8 Jahren (Reihe: „Therapeutische Praxis“). 2019, 115 Seiten, Großformat, inkl. CD-ROM, € 29,95 / CHF 39.90 ISBN 978-3-8017-2964-6 Auch als eBook erhältlich

Ein modular aufgebautes Therapieprogramm

(Reihe: „Therapeutische Praxis“). 2019, 102 Seiten, Großformat, inkl. CD-ROM, € 39,95 / CHF 48.50 ISBN 978-3-8017-2979-0 Auch als eBook erhältlich

Klaus Sarimski

Sarimski

Michael Klein / Diana Moesgen / Janina Dyba

Das standardisierte Behandlungs- und Präventionsmanual dient der Gruppenarbeit mit Eltern, die von illegalen Drogen abhängig sind oder waren. Ziele des Trainings sind u.a. die Stärkung von Elternkompetenzen und Familienresilienz sowie die Stabilisierung von Substanzabstinenz. Auf diese Weise soll die Situation betroffener Familien verbessert und eine gesunde Entwicklung der Kinder gefördert werden. Das SHIFT-Elterntraining wurde im Setting der Sucht- und Jugendhilfe erprobt und evaluiert.

www.hogrefe.com

Verhaltenstherapie bei ADHS im Jugendalter

Das kognitiv-verhaltenstherapeutische Programm erlaubt eine altersspezifische Behandlung der ADHS bei Jugendlichen. Inhalte sind z. B. Selbstorganisationsfähigkeit, Emotionsregulation, Stressbewältigung und Selbstwirksamkeit. Auch die Eltern können einbezogen werden. Inkl. CD-ROM mit zahlreichen Materialien.

Psychosoziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung

Klein / Moesgen / Dyba

SHIFT – Ein Elterntraining für drogenabhängige Mütter und Väter von Kindern zwischen 0 und 8 Jahren

und Väter von Kindern zwischen 0 und 8 Jahren

ISBN 978-3-8017-2964-6

SHIFT – Ein Elterntraining für drogenabhängige Mütter

Hogrefe Verlagsgruppe Göttingen · Bern · Wien · Oxford · Paris Boston · Amsterdam · Prag · Florenz Kopenhagen · Stockholm · Helsinki · Oslo Madrid · Barcelona · Sevilla · Bilbao Saragossa · São Paulo · Lissabon

Therapeutische Praxis

Julia Geissler Timo D. Vloet Marcel Romanos Ulrike Zwanzger Thomas Jans

Therapeutische Praxis

Die Pubertät ist eine herausfordernde Lebensphase für Kinder und deren Eltern, in deren Verlauf auch Suizidalität zum Thema werden kann. Der Ratgeber liefert wichtige Informationen zum Thema Suizidalität bei jungen Menschen, erläutert, wie Eltern die Thematik bei ihrem Kind ansprechen können, gibt Hilfestellungen im Umgang mit einer suizidalen Krisensituation und zeigt Möglichkeiten auf, Krisen vorzubeugen.

Das Elterntraining „SHIFT“ ist ein standardisiertes Behandlungs- und Präventionsmanual für die Gruppenarbeit mit Eltern, die von illegalen Drogen abhängig sind oder waren. Ziele des Trainings sind die Stärkung von Elternkompetenzen und Familienresilienz, die Stabilisierung von Substanzabstinenz sowie die Förderung von weiterer Inanspruchnahme von Hilfen. Letztlich soll so die Situation betroffener Familien verbessert und eine gesunde Entwicklung der Kinder gefördert werden. In allen acht Modulen des Manuals, welches sowohl theorie- als auch praxisbasiert ist, werden die besonderen Charakteristika und Bedürfnisse von drogenbelasteten Familien stets in hohem Maße berücksichtigt. Das SHIFT-Elterntraining wurde im Rahmen einer Multicenter-Studie mit methamphetaminabhängigen oder -missbrauchenden Müttern und Vätern an sieben Standorten im Setting der Sucht- und Jugendhilfe erprobt und evaluiert.

Verhaltenstherapie bei ADHS im Jugendalter

Ein modular aufgebautes Therapieprogramm Verhaltenstherapie bei ADHS im Jugendalter

Wie kann ich meinem Kind in einer suizidalen Krise helfen?

Kinder und Jugendliche in suizidalen Krisen

Julia Geissler / Timo D. Vloet / Marcel Romanos / Ulrike Zwanzger / Thomas Jans

Psychosoziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung Klaus Sarimski

Psychosoziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung Prävention, Intervention und Inklusion

Prävention, Intervention und Inklusion 2019, 254 Seiten, € 29,95 / CHF 39.90 ISBN 978-3-8017-2881-6 Auch als eBook erhältlich

Eine Behinderung erhöht das Risiko für soziale Ausgrenzung und die Entwicklung psychischer Störungen. Der Autor beschreibt den Einfluss von kognitiven, sprachlichen und motorischen Behinderungen, autistischen Störungen und Hör- und Sehbehinderungen auf die Entwicklung sozialer und emotionaler Kompetenzen. Er gibt Fachkräften Wissen über diagnostische Verfahren sowie Präventionsund Interventionskonzepte an die Hand, sodass sie das soziale und emotionale Wohlbefinden prüfen und stärken können.


Editorial

Life-long learning Liane Kaufmann1 und Michael von Aster2 1 Abt. für

Psychiatrie und Psychotherapie A, Landeskrankenhaus Hall, Hall in Tirol Berlin | Westend, Berlin

2 DRK-Kliniken

D

ie Begriffe des „Lernens“ und der „Lernstörungen“ werden immer noch primär mit dem Kindesalter assoziiert. Entsprechend ist ein Großteil der Beiträge unserer Zeitschrift den typischen und atypischen Lernprozessen im Kindes- und Jugendalter gewidmet. Nichtsdestotrotz möchten wir jedoch darauf hinweisen, dass unsere Zeitschrift „Lernen und Lernstörungen“ auch eine Kommunikationsplattform für Beiträge zum lebenslangen Lernen sein möchte. Lernprozesse sind nämlich (glücklicherweise) nicht auf das Kindesalter beschränkt, sondern finden auch im mittleren und höheren Erwachsenenalter statt (z. B. Casaletto et al., 2020; Peeters, Kenny & Lawlor, 2020). Diese Lernprozesse werden von biologischen und nicht-biolo­ gischen Faktoren (z. B. biochemischen, neuronalen, gene­ tischen, sozialen, kulturellen, life-style) beeinflusst und sind durchaus nachweisbar (sowohl auf funktioneller als auch zellulärer Ebene: z. B. Zanto & Gazzaley, 2019). Bereits in den frühen 1990er Jahren postulierte Kar­ miloff-Smith (1992) das Modell der so genannten „representational redescription“ (RR), demzufolge kindliche Lern- und Entwicklungsprozesse einer kontinuierlichen Veränderung unterliegen, die durch Transformationen von einfacheren zu komplexeren Repräsentationsformen charakterisiert ist. Eine wichtige Differenzierung ist jene zwischen implizitem (prozeduralem) und explizitem (deklarativem) Wissen. Während am Anfang der Entwicklung implizite Repräsentationen überwiegen (bei der Wissen in prozeduraler Form gespeichert ist), werden diese impliziten Repräsentationen mit zunehmender (Lern-)Erfahrung in explizite Repräsentationen „überschrieben“. Einen ­alternativen Erklärungsansatz zur Beschreibung der kindlichen Lernprozesse formulierte Siegler (1996) mit dem so genannten „overlapping waves“-Modell. Dieses Modell besagt, dass das kindliche Denken charakterisiert ist durch die stetige Generierung und Anwendung neuer Denkprozesse, wobei die neuen zu den bisher erfolgreich verwendeten hinzugefügt werden oder aber die alten Lösungsansätze ersetzen („ …a gradual ebbing and flowing of the frequencies of alternative ways of thinking, with new ­approaches being added and old ones being eliminated a ­s well“; Siegler, 1996, S. 87). Sowohl das Modell der RR (Karmiloff-Smith, 1992) als auch das „overlapping waves“ Modell (Siegler, 1996) wur© 2020 Hogrefe

den als Erklärungsansätze für die Entwicklung der kognitiven Architektur im Kindes- und Jugendalter herangezogen. Unter Berücksichtigung aktueller Forschungsergebnisse, die zeigen, dass neurofunktionale Lernprozesse auch im mittleren und höheren Erwachsenenalter stattfinden (Casaletto et al., 2020; Peeters et al., 2020; Zanto & Gazzaley, 2019), scheint eine Erweiterung beider Modelle durchaus sinnvoll und legitim. In diesem Sinne unterstützen wir fachliche und bildungspolitische Forderungen nach Formaten für adaptives und lebenslanges Lernen (Peeters et al., 2020) sowie altersoffene Universitäten („age-diverse universities“; Morrow-Howell, Lawlor, Macias, Swinford & Brandt, 2019). Auch deshalb möchten wir an dieser Stelle zukünftige Autorinnen und Autoren einladen, unsere Zeitschrift auch als Publikationsplattform für Beiträge zum Lernen oder zu Lernstörungen im Erwachsenenalter zu nutzen.

Inhalte der aktuellen Ausgabe Zwei Beiträge der aktuellen Ausgabe widmen sich dem Einfluss von Sprache und Arbeitsgedächtnis auf die Rechenleistung. Viesel-Nordmeyer, Ritterfeld und Bos (2020) untersuchen das mathematische Lernen an einer großen Stichprobe von gesunden 4- bis 8-jährigen Kindern in Abhängigkeit von deren Sprachkompetenzen und Arbeitsgedächtnisleistungen. Demgegenüber sind die Studienteilnehmer bei Röhm (2020) Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen am Ende des ersten Schulbesuchsjahres. Auch bei dieser Studie wird der Einfluss von Sprach- und Arbeitsgedächtnisleistungen auf die mathematischen Basiskompetenzen untersucht. Die Ergebnisse beider Studien kommen zu dem Schluss, dass es einen engen Zusammenhang zwischen sprachlichen und mathematischen Entwicklungsverläufen gibt, die zudem von spezifischen Arbeitsgedächtniskomponenten (nämlich der phonologischen Schleife und der zentralen Exekutive) moduliert zu werden scheinen. Zwei weitere Beiträge sind Übersichtsarbeiten. Einer davon widmet sich den motivationalen Einflüssen auf exekutive Funktionen bei Kindern mit Aufmerksamkeitsstörungen (ADHS). In diesem Beitrag untersuchen Lauth-Lebens und Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 83 – 84 https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000295


84 Editorial

Lauth (2020), inwieweit Verstärker leistungsfördernde Effekte auf exekutive Dysfunktionen bei Kindern mit ADHS haben können. In der Übersichtsarbeit von Kaufmann, von Aster, Göbel, Marksteiner und Klein (2020) werden die bisherigen Studienergebnisse zu entwicklungsbedingten Rechenstörungen bei Erwachsenen zusammengefasst und in Hinblick auf den Bedarf an diagnostisch sensitiven Instrumenten und effektiven Interventionsmethoden diskutiert.

Literatur Casaletto, K. B., Rentería, M. A., Pa, J., Tom, S. E., Harrati, A., Armstrong, N. M. … Zahodne, L. B. (2020) Late-life physical and cognitive activities independently contribute to brain and cognitive resilience. Journal of Alzheimer's Disease (e-pub ahead of print). doi: 10.3233/JAD-191114 Karmiloff-Smith, A. (1992). Beyond modularity: A developmental perspective on cognitive science. Cambridge, MA: MIT Press. Kaufmann, L., von Aster, M., Göbel, S. M., Marksteiner, J. & Klein, E. (2020). Developmental dyscalculia in adults – current issues and open questions for future research. Lernen und Lernstörungen, 9, 126 – 137. Lauth-Lebens, M. & Lauth, G. W. (2020). Motivationale Einflüsse auf exekutive Funktionen bei Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) - Ein systematisches Review. Lernen und Lernstörungen, 9, 111 – 125. Morrow-Howell, N., Lawlor, E. F., Macias, E. S., Swinford, E. & Brandt, J. (2019). Making the case for age-diverse universities. The Gerontologist (e-pub ahead of print). doi: 10.1093/gernot/ gnz181

Peeters, G., Kenny, R. A. & Lawlor, B. (2020). Late life education and cognitive function in older adults. International Journal of Geriatric Psychiatry (e-pub ahead of print). doi: 10.1002/gps.5281 Röhm, A. (2020). Sprache, Arbeitsgedächtnis und mathematische Kompetenz von Schulkindern mit SES. Lernen und Lernstörungen, 9, 85 – 96. Siegler, R. S. (1996). Emerging minds: The process of change in children's thinking. London, Oxford University Press. Viesel-Nordmeyer, N., Ritterfeld, U. & Bos, W. (2020). Die Rolle von Sprache und Arbeitsgedächtnis für die Entwicklung mathematischen Lernens vom Vorschul- bis ins Grundschulalter – Längsschnittliche und querschnittliche Pfadanalysen von Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS). Lernen und Lernstörungen, 9, 97 – 110. Zanto, T. P. & Gazzaley, A. (2019). Aging of the frontal lobe. In M. D'Esposito & J.H. Grafman (Eds.), The Frontal Lobes. Handbook of Clinical Neurology (pp. 369 – 389). Elsevier B. V.

PD Dr. Liane Kaufmann Abt. für Psychiatrie und Psychotherapie A Landeskrankenhaus Hall Milser Str. 10 6060 Hall in Tirol Österreich liane.kaufmann@tirol-kliniken.at Prof. Dr. Michael von Aster DRK Kliniken Berlin | Erziehung und Bildung GmbH Zentrum für Schulische und Psychosoziale Rehabilitation (ZSPR) Spandauer Damm 130 14050 Berlin Deutschland m.aster@drk-kliniken-berlin.de

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Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 83 – 84

© 2020 Hogrefe


Originalarbeit

Sprache, Arbeitsgedächtnis und mathematische Kompetenz von Schulkindern mit SES Alexander Röhm  Qualitative Forschungsmethoden und Strategische Kommunikation für Gesundheit, Inklusion und Teilhabe, ­Fakultät ­Rehabilitationswissenschaften, TU Dortmund

Zusammenfassung: Mathematische Kompetenzen sind wesentlich an Sprache gebunden. Insbesondere Kinder mit umschriebener Sprach­ entwicklungsstörung (SES) zeigen Defizite in diesem Bereich. Eine differenzierte Analyse der Zusammenhänge zwischen beiden Kompetenzen sowie gemeinsamer Einflussfaktoren ist für die Erklärung der Schwierigkeiten und letztlich auch für den Bildungserfolg dieser Kinder von großer Bedeutung. Achtundvierzig Kinder mit SES in der Primarstufe wurden unter Kontrolle der nonverbalen Intelligenz hinsichtlich ihrer Sprachfähigkeiten, mathematischen Basiskompetenzen sowie Arbeitsgedächtnisleistungen untersucht. Regressionsanalysen weisen auf einen Einfluss der phonologischen Schleife sowie lexikalisch-semantischer Sprachkompetenzen auf sehr frühe mathematische Basiskompetenzen wie Zahlenfolge und Ziffernkenntnis hin, während der visuell-räumliche Notizblock mit frühen Anzahlkompetenzen assoziiert ist. Für grammatikalische und lexikalisch-semantische Sprachkompetenzen zeigt sich ein Zusammenhang mit späteren mathematischen Basiskompetenzen bzw. frühen Rechenleistungen. Die Bedeutung der komplexen Zusammenhänge und die enge Verwobenheit der Kompetenzbereiche für das mathematische Lernen von Kindern mit SES wird diskutiert. Schlüsselwörter: Mathematische Basiskompetenzen, Umschriebene Sprachentwicklungsstörungen, Arbeitsgedächtnis, Primarstufe Language, Working Memory, and Mathematical Skills of Schoolchildren with DLD Abstract: Mathematical skills are essentially linked to language. In particular, children with developmental language disorder (DLD) show deficits in this area. A detailed examination of the relationship between the two competences and common influencing factors is of great importance for explaining such difficulties as well as for the educational success of these children. Forty-eight children with DLD in primary school were examined regarding their language competences, basic mathematical skills, and working memory. The non-verbal intelligence was controlled. Regression analyses indicate an influence of the phonological loop as well as lexical-semantic competences on very early basic mathematical skills such as number sequence and knowledge of digits, while the visual-spatial sketchpad is associated with early quantity skills. Grammatical and lexical-semantic competences show a relation with later basic mathematical skills and early arithmetic problem solving, respectively. The role of the complex interrelations and the close interdependence of the influencing factors for the mathematical learning of children with DLD is discussed. Keywords: basic mathematical skills, developmental language disorder, working memory, primary school

Einführung Mathematische Basiskompetenzen stellen für die kind­ liche Entwicklung mathematischer Fertigkeiten (Martin, Cirino, Sharp & Barnes, 2014) sowie den allgemeinen Schulerfolg (Krajewski & Schneider, 2009a) eine entschei­ dende Schlüsselkompetenz dar. Wie zahlreiche Studien belegen, ist der Erwerb mathematischer, insbesondere arithmetischer Kompetenzen eng verbunden mit der Sprachentwicklung (Prediger, Erath & Moser Opitz, 2019) sowie der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses (Friso-van den Bos, van der Ven, Kroesbergen & van Luit, 2013), oder einer Kombination aus beidem (Röhm, Starke & Ritter­ © 2020 Hogrefe

feld, 2017). Vor diesem Hintergrund stehen insbesondere Schulkinder mit einer sogenannten umschriebenen Sprachentwicklungsstörung (SES), die häufig auch von einer Beeinträchtigung der phonologischen Arbeitsge­ ­ dächtnisleistung betroffen sind (Graf Estes, Evans & ElseQuest, 2007), vor einer großen Herausforderung: Einer­ seits werden sie grundsätzlich zielgleich mit Kindern ohne sprachliche Auffälligkeiten beschult und müssen diesel­ ben verbindlichen Kompetenzerwartungen des Lehrplans Mathematik der Grundschule erwerben. Andererseits zei­ gen nationale und internationale Studien, dass Schülerin­ nen und Schüler mit SES deutlich schlechtere Leistungen in zentralen mathematischen Bereichen erbringen als ihre Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 85 – 96 https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000292


86

altersgleichen Peers ohne sprachliche Auffälligkeiten (Donlan, Cowan, Newton & Lloyd, 2007; Fazio, 1999; Nys, Content & Leybaert, 2013; Ritterfeld et al., 2013). Das Wissen darüber, wie genau die drei genannten Dimensio­ nen bei dieser Zielgruppe zusammenwirken, ist jedoch noch lückenhaft. Ausgehend von Dehaenes (1992) Triple-Code-Modell der Zahlenverarbeitung werden Zahlen und Mengen mental als sprachliche (z. B. Zahlwörter), symbolische (z. B. Zif­ fern) und nicht-symbolische Codes (z. B. Größe bzw. Mächtigkeit) repräsentiert. Die aktuelle Literatur weist übereinstimmend darauf hin, dass diese symbolischen und nicht-symbolischen Repräsentationen von Mengen und Zahlen eng mit der kindlichen Sprachentwicklung und dem Arbeitsgedächtnis verbunden sind (Friso-van den Bos, Kroesbergen & van Luit, 2014). Sie haben sich dem­ entsprechend als besonders prädiktiv für den Erwerb ma­ thematischer Kompetenzen und die Vorhersage mathema­ tischer Leistungen erwiesen (Passolunghi, Vercelloni & Schadee, 2007; Praet, Titeca, Ceulemans & Desoete, 2013). Ziel dieser Studie ist es daher, den Einfluss der zen­ tralen Einflussfaktoren Sprache und Arbeitsgedächtnis auf die mathematischen Basiskompetenzen von Kindern mit SES in der Primarstufe gemeinsam zu untersuchen.

Erwerb mathematischer Basiskompetenzen bis ins Grundschulalter Der Begriff mathematische Basiskompetenzen beschreibt das zunächst einfache und dann zunehmend komplexe Verständnis der Beziehungen zwischen Mengen und Zah­ len sowie die Fähigkeit dieses, z. B. beim Rechnen, anzu­ wenden (Krajewski, 2013). Da mathematische Basiskom­ petenzen im Kern frühe arithmetische Kompetenzen (in Abgrenzung zur bspw. Geometrie) umfassen und beide Begriffe in der Literatur häufig synonym zu finden sind (z. B. Moll, Snowling, Göbel & Hulme, 2015; Praet et al., 2013), wird aus Gründen der begrifflichen Konsistenz im Folgenden weiterhin „mathematische Basiskompetenzen“ verwendet. Der Erwerb mathematischer Kompetenzen beginnt nicht, wie früher häufig angenommen, mit dem Schulein­ tritt: Bereits grundlegende Kompetenzen wie Subitizing (d. h. die simultane Wahrnehmung von Mengen kleiner als vier und der intuitive Vergleich von räumlich unterschied­ lichen Mengen [z. B. zwei vs. zehn]) können bereits bei Neugeborenen beobachtet werden und wird im Alter zwi­ schen zwei und drei Jahren vom ersten Zählen ersetzt (Wynn, 1992). Zur Strukturierung der Entwicklung mathe­ matischer Basiskompetenzen schlägt Krajewski (2013) ein empirisch fundiertes Modell zur Zahl-Größen-Verknüpfung (ZGV-Modell) vor. Dieses beschreibt den Erwerb mathe­ matischer Basiskompetenzen über drei Ebenen, die hier­ Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 85 – 96

A. Röhm: Mathe und Arbeitsgedächtnis bei SES

archisch aufeinander aufbauen, jedoch auch mehrfach durchlaufen werden können, zum Beispiel um unterschied­ liche, große Zahlenräume zu erwerben. Ebene 1 umfasst erste basale Kompetenzen wie das erwähnte Subitizing oder das Auf­sagen der Zahlwortreihe ohne konkreten An­ zahlbezug. Ebene 2 beschreibt die Entwicklung des Anzahl­ konzeptes, wobei zwischen einem unpräzisen Anzahlkon­ zept und einem präzisen Anzahlkonzept unterschieden wird. Das unpräzise Anzahlkonzept umfasst die Fähigkei­ ten von Kindern bestimmten Zahlwörtern kleine Mengen zuzuordnen (z. B. eins, zwei) und anderen Zahlwörtern große Mengen (20, 100), wobei Mengenunterschiede nicht präziser differenziert werden können. Für das präzise An­ zahlkonzept ist hingegen schon die Kardinalität der Zah­ len, d. h. dass ein Zahlwort eine konkrete Menge repräsen­ tiert, verstanden worden. Dies ermöglicht ein exaktes Mengenvergleichen (z. B. 19 vs. 20). Damit verbunden ist das vollständige Verständnis der Zählprinzipien, die Verän­ derbarkeit von Mengen durch Zu- oder Abnahme sowie die Teil-Ganzes-Zerlegung. Ebene 3 umfasst die Erkenntnis, dass sich eine bestimmte Anzahl (Menge) aus anderen An­ zahlen (Teilmengen) zusammensetzt und sich dieses Ver­ hältnis mit Zahlwörtern beschreiben lässt (z. B. drei und zwei sind fünf). Zahlen können nun auch dazu verwendet werden Beziehungen zwischen Zahlen zu beschreiben (z. B. der Unterschied zwischen drei und sieben ist vier). Empirische Befunde unterstreichen die Bedeutung die­ ser mathematischen Basiskompetenzen für sowohl das Erschließen höherer Zahlräume als auch die allgemeine Entwicklung höherer mathematischer Kompetenzen wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division (Enne­ moser, Krajewski & Schmidt, 2011; Krajewski, Schneider & Nieding, 2008; Krajewski & Schneider, 2009a; Passolun­ ghi et al., 2007).

Schwierigkeiten von Kindern mit SES in den mathematischen Basiskompetenzen Gemäß ICD-10 (Dilling, Mombour & Schmidt, 2015) tre­ ten Sprachentwicklungsstörungen als expressive (F.80.1) und / oder rezeptive Sprachstörungen (F.80.2) auf. Relevant ist dabei immer das Diskrepanzkriterium zwischen Intelli­ genz- und Entwicklungsalter und den deutlich darunter liegenden sprachlichen Leistungen. Kernsymptom einer SES im frühen Schulalter sind Defizite in grammatikali­ schen Kompetenzen in Expression und Rezeption (von Suchodoletz, 2013). Diese zeigen sich sowohl im morpho­ logischen Bereich in Schwierigkeiten mit der korrekten Verbkonjugation und Kasusrektion als auch im syntakti­ schen Bereich in Schwierigkeiten mit der korrekten Stel­ lung finiter Verbteile in verschiedenen Satzarten (wie Aus­ sage-, Frage- oder Nebensatz). Grammatkalische Defizite treten oftmals in Kombination mit lexikalisch-semanti­ © 2020 Hogrefe


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schen Einschränkungen im (Alltags-)Wortschatz auf (Kan­ nengieser, 2019). Wie eingangs erwähnt zeigen Kinder mit SES deutlich schlechtere Leistungen in den mathematischen Basiskom­ petenzen als Kinder mit unauffälliger Sprachentwicklung. Schülerinnen und Schüler mit SES schneiden im Vergleich zu ihren Alterspeers ohne sprachliche Auffälligkeiten in der Produktion der Zahlwortreihe (Donlan et al., 2007), der Produktion einfacher Rechenaufgaben (Fazio, 1996) sowie sowohl in der Speicherung als auch im Abruf dieses Wissens und im Verständnis des Stellenwertsystems (­Donlan et al., 2007; Fazio, 1994; Nys et al., 2013) deutlich schlechter ab. Als eine der markantesten Schwierigkeiten von Kindern mit SES stellt Fazio (1999) Rechnen unter Zeitdruck heraus. Zudem verharren die Kinder mit SES länger an der Zählstrategie. Damit zeigen Kinder mit SES zum Teil Kernsymptome einer Dyskalkulie und stellen da­ mit eine besondere Risikogruppe für erfolgreiches mathe­ matisches Lernen dar (Schröder & Ritterfeld, 2015). Sprachliche Defizite können demnach bereits früh auf ma­ thematisches Lernen einwirken, indem sie den Erwerb von wichtigen Vorläuferfähigkeiten beeinträchtigen (Moll et al., 2015) und im Beschulungsverlauf weiter an Bedeutung zunehmen. Verglichen mit Schülerinnen und Schülern mit einer signifikanten Steigerung der sprachlichen Fähig­ keiten über ein Schuljahr, zeigen Kinder mit geringen Ver­ besserungen in den sprachlichen Fähigkeiten im selben Zeitraum beispielsweise auch einen geringeren Leistungs­ zuwachs in den Zählfertigkeiten (Durkin, Mok & ContiRamsden, 2013). Es lässt sich folglich annehmen, dass es Zusammen­ hänge zwischen der sprachlichen Heterogenität in der Gruppe von Kindern mit SES und den unterschiedlichen mathematischen Kompetenzen der Kinder gibt. Studien zur systematischen Analyse des Einflusses einzelner lingu­ istischer Leistungen auf bestimmte mathematische Kom­ petenzen stehen allerdings noch aus. Auch sind nicht alle Kinder mit SES in gleichem Maße von mathematischen Schwierigkeiten betroffen, was durch Unterschiede in der erhaltenen Unterstützung, aber auch individuelle Merk­ male wie Motivation, Gedächtnisfunktionen und visuellräumliche Fähigkeiten erklärt werden könnte (Cowan, 2014). Vor diesem Hintergrund schlagen Ritterfeld et al. (2013) die sogenannte Drittfaktor-Hypothese vor, um dem Einfluss des Arbeitsgedächtnisses, insbesondere der pho­ nologischen Schleife, auf Sprachentwicklung sowie ma­ thematisches Lernen Rechnung zu tragen. Demnach wird angenommen, dass Arbeitsgedächtnisdefizite sowohl ma­ thematischen als auch sprachlichen Problemen zugrunde liegen (Ritterfeld et al., 2013). Beispielsweise seien die Schwierigkeiten von Kindern mit Sprachauffälligkeiten bei der Ablösung vom zählenden Rechnen, beim Automatisie­ ren von Kopfrechenaufgaben sowie beim Verständnis von © 2020 Hogrefe

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Zahlbeziehungen denen rechenschwacher Kinder ähnlich (z. B. Donlan et al., 2007; Geary, Hoard, Byrd-Craven, & DeSoto, 2004). Zudem werden zur Erklärung von sprach­ lichen wie mathematischen Schwierigkeiten, jedoch bis auf vereinzelte Studien (z. B. Nys et al., 2013) häufig noch unabhängig voneinander, Arbeitsgedächtnisdefizite als Ursache identifiziert.

Einfluss des Arbeitsgedächtnisses auf sprachliche und mathematische Kompetenzen Zur Erklärung von kindlichen Verarbeitungsprozessen ist in der Literatur insbesondere das Mehrspeichermodell des Arbeitsgedächtnisses von Baddeley (1986) mit den drei Komponenten phonologische Schleife, visuell-räumlicher Notizblock und zentrale Exekutive weit verbreitet (im Überblick: Baddeley, 2012). Cragg und Gilmore (2014) zu­ folge trägt das Arbeitsgedächtnis sogar besser zur Aufklä­ rung der Varianz in den mathematischen Leistungen von Kindern unterschiedlichen Alters bei, als dies durch andere Faktoren wie z. B. Intelligenz möglich wäre. Der zentralen Exekutive kommt im Mehrspeichermodell die Aufgabe ei­ ner „übergeordneten Steuer- und Kontrolleinheit“ (SeitzStein et al., 2012, S. 5) mit vier Grundfunk­tionen zu: Koor­ dination simultaner oder sukzessiver In­formationen in den beiden temporären Speichern (phonologische Schleife und visuell-räumlicher Notizblock), Steuerung des Abrufs und Verarbeitung von Informationen aus dem Langzeitgedächt­ nis sowie Lenkung der Aufmerksamkeit zur Ausblendung irrelevanter und Fokussierung relevanter Informationen. Die phonologische Schleife übernimmt durch die kurzzeitige Speicherung sowie Aufrechterhaltung phonologischer In­ formationen zentrale Funktionen beim Erlernen der Kul­ turtechniken Lesen und Rechnen sowie dem Sprachver­ ständnis und Wortschatzerwerb (Seitz-Stein et al., 2012). Der visuell-räumliche Notizblock wiederum hat die Aufgabe der Wahrnehmung und Verarbeitung von Objekten und deren Form, Farbe und Lage (Baddeley, 2012). Die Ergebnisse systematischer Überblicksarbeiten le­ gen nahe, dass im Zusammenhang mit mathematischen Kompetenzen alle drei Komponenten des Arbeitsgedächt­ nisses von Bedeutung sind (im Überblick: Friso-van den Bos et al., 2013). Hinsichtlich sprachlicher Fähigkeiten nimmt insbesondere die Leistungsfähigkeit der phonolo­ gischen Schleife eine entscheidende Rolle ein (im Über­ blick: Graf Estes et al., 2007). Jüngste Studien weisen ­insbesondere auf einen engen Zusammenhang visuellräumlicher und phonologischer Arbeitsgedächtnisleistun­ gen mit mathematischen Kompetenzen (Clearman, Klin­ ger & Szucs, 2017) sowie auf einen indirekten Einfluss der phonologischen Schleife über die Sprachkompetenzen auf mathematische Vorläuferfertigkeiten bei altersgemäß ent­ Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 85 – 96


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wickelten Vorschulkindern hin (Röhm et al., 2017). Auch Nys et al. (2013) diskutieren die mathematischen und sprachlichen Probleme der von ihnen untersuchten Kinder mit SES vor dem Hintergrund gemeinsamer Arbeitsge­ dächtnisprozesse. Insbesondere die Leistung der phonolo­ gischen Schleife der Kinder mit SES korrelierte mit deren Rechenfertigkeiten. Dies könnte bei diesen Kindern auf eine Überlastung des phonologischen Speichers innerhalb der phonologischen Schleife hinweisen, „da sowohl exak­ tes Rechnen als auch phonologische Prozesse Speicherka­ pazitäten erfordern“ (Röhm et al., 2017, S. 84). Insgesamt scheint die phonologische Schleife haupt­ sächlich für frühe mathematische Basiskompetenzen rele­ vant zu sein und ihr Einfluss im Schulalter abzunehmen (Preßler, Krajewski & Hasselhorn, 2013). Der visuellräumliche Notizblock wiederum scheint unter anderem das Anzahlkonzept vorherzusagen (Krajewski & Schnei­ der, 2009b; Preßler et al., 2013). Die zentrale Exekutive steht besonders mit dem Erwerb neu zu erlernender ma­ thematischer Prozeduren und der Entwicklung des auto­ matischen Abrufs in Verbindung (LeFevre et al., 2013). Eine Überprüfung dieser Zusammenhänge für Schulkin­ der mit SES steht bislang jedoch noch aus.

Fragestellungen Insgesamt ergeben sich aus dem vorliegenden Forschungs­ stand drei Fragestellungen, die in dieser Studie gezielt un­ tersucht werden sollen: Forschungsfrage 1: Welche Zusammenhänge zeigen sich zwischen expressiven und rezeptiven Sprachkompeten­ zen, den drei Arbeitsgedächtniskomponenten und den drei Ebenen mathematischer Basiskompetenzebenen so­ wie basalen Rechenleistungen bei Kindern mit SES? Forschungsfrage 2: Welche mathematischen Basiskom­ petenzen sowie basale Rechenleistungen werden primär durch grammatikalische oder lexikalisch-semantische Fä­ higkeiten beeinflusst? Forschungsfrage 3: Welche Ebenen mathematischer Ba­ siskompetenzen sowie basale Rechenleistungen werden durch welche Komponenten des Arbeitsgedächtnisses be­ einflusst?

Methode Durchführung An jeweils drei Erhebungsterminen im Zeitraum April bis Mai 2016 wurden Kinder mit SES am Ende des ersten Schulbesuchsjahres mit standardisierten Testverfahren hinsichtlich ihrer nonverbalen Intelligenz, expressiven und Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 85 – 96

A. Röhm: Mathe und Arbeitsgedächtnis bei SES

rezeptiven Sprachkompetenzen, Arbeitsgedächtnisleistun­ gen sowie mathematischen Basiskompetenzen untersucht.

Instrumente Die Messung der sprachlichen und kognitiven Teilleistun­ gen erfolgte mit standardisierten Testverfahren in Einzelsit­ zungen. Für die Erhebung der mathematischen Basiskompe­ tenzen wurde ein standardisierter Gruppentest eingesetzt.

Nonverbale Intelligenz Die Bestimmung sprachunabhängiger, kognitiver Grund­ fähigkeiten erfolgte mit den Untertests Matritzen und Formen wiedererkennen aus der Wechsler Nonverbal Scale of Ability (WNV; Wechsler & Naglieri, 2014). Aus den aggre­ gierten T-Werten beider Tests wurde ein gemeinsamer IQ-Wert für jedes Kind bestimmt. Im Matritzen-Test wird in insgesamt 41 Items je Item eine Matrix präsentiert, in der ein Bild fehlt. Aus einer Auswahl von vier Lösungs­ bildern soll das passende, fehlende Bild gewählt werden. Maximal können 41 Punkte erreicht werden. Beim Unter­ test Formen wiedererkennen (21 Items; max. 21 Punkte) wird für drei Sekunden ein Stimulusbild gezeigt. Danach soll aus einer Auswahl verschiedener Bilder das gerade gesehene Bild wiedererkannt werden. Abbruchkriterium für beide Untertests sind null Punkte in vier von fünf auf­ einander folgenden Aufgaben.

Arbeitsgedächtnis Für die Testung der drei Teilkomponenten des Arbeitsge­ dächtnisses wurde die Screening Version der computerge­ stützten Arbeitsgedächtnistestbatterie für Kinder von fünf bis zwölf Jahren (AGTB 5 – 12; Hasselhorn et al., 2012) durch­ geführt. Die Auswahl der Items, Punktevergabe sowie ­Abbruchkriterien folgen bei diesem Verfahren einem ad­ aptiven Algorithmus, mit dem Ziel die Anforderungen al­ tersspezifisch und leistungsbezogen zu nivellieren. Zentrale Exekutive Zur Messung zentral-exekutiver Funktionen werden im Untertest Ziffern rückwärts Ziffernfolgen (z. B. 7 – 3 – 9) mit einer Länge von zwei bis sieben Ziffern auditiv präsentiert. Diese sollen von den Kindern in umgekehrter Reihenfolge (z. B. 9 – 3 – 7) reproduziert werden. Der ebenfalls einge­ setzte Untertest Objektspanne erwies sich aufgrund von Durchführungsproblemen als nicht reliabel für die Mes­ sung der zentralen Exekutive. Phonologische Schleife Die Kapazität und Leistung der phonologischen Schleife wurde mit den Untertests Kunstwörter und Ziffernspanne © 2020 Hogrefe


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(r = .34) erfasst. Im Untertest Kunstwörter erhalten die Kinder die Aufgabe insgesamt 24 auditiv dargebotene Kunstwörter (z. B. „fradorlucke“) korrekt nachzusprechen. Die Items sind dabei zwei- bis fünfsilbig konstruiert und werden zum Teil moduliert (verzerrt) präsentiert, um so­ wohl die allgemeine Verarbeitungsleistung als auch die Verarbeitungspräzision zu messen (Hasselhorn et al., 2012). Im Untertest Ziffernspanne werden, ähnlich zum Untertest Ziffern rückwärts, Ziffernfolgen auditiv präsen­ tiert, die in gleicher Reihenfolge korrekt reproduziert ­werden sollen. Visuell-räumlicher Notizblock Die Leistung des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses wurde mit den Untertests Matrix und Corsi-Block (r = .62) erhoben. Beim Untertest Matrix wird eine 4 × 4-FelderMatrix präsentiert, auf der Muster bestehend aus zwei bis acht schwarzen Feldern angezeigt werden. Direkt im An­ schluss sollen die Kinder das gerade gesehene Muster durch Berührung des Touchscreens rekonstruieren. Im CorsiBlock-Test sollen die Kinder anhand von neun unsystema­ tisch angeordneten grauen Feldern die wechselnde Position einer Smiley-Figur nachvollziehen und im Anschluss durch Tippen auf den Touchscreen rekonstruieren. Erinnert wer­ den müssen dabei sowohl die richtigen Posi­tionen der Figur als auch die korrekte Abfolge der Positionen.

Expressive Spachkompetenz Mit dem Subtest Grammatik aus dem Potsdam-Illinois Test für Psycholinguistische Fähigkeiten (P-ITPA; Esser & Wysch­ kon, 2010) sowie dem Subtest Kategorienbildung aus dem Sprachstandserhebungstest für Kinder im Alter zwischen fünf und zehn Jahren (SET 5 – 10; Petermann, 2010) wurden die expressiven grammatikalischen bzw. lexikalisch-seman­ tischen Sprachfähigkeiten der Kinder erhoben. Im Subtest Grammatik erhalten die Kinder die Aufgabe in maximal 57 Items vorgegebene grammatikalische Zielstrukturen wie Pluralformen (z. B. „Das ist ein Zaun. Das sind zwei …“), Partizip Perfekt (z. B. „Heute male ich. Gestern habe ich auch …“) sowie Komparativ und Superlativ (z. B. „Dieser Apfel ist groß. Dieser ist noch …. Dieser hier ist am …“) zu vervollständigen. Zusätzlich zum Vorsprechen wird dabei auf entsprechende Bilder gezeigt. Für jede kor­ rekte Antwort wird ein Punkt vergeben. Bei sechs aufein­ ander folgenden falschen ­Antworten wird der Test abge­ brochen. Beim Subtest Kategorienbildung werden den Kindern insgesamt 15 Bildkarten mit jeweils vier Objekten (z. B. Pflaume, Ananas, Banane, Orange) vorgelegt und sie sollen die passende Kategorie (z. B. Obst) dafür benennen. Für die korrekte Nennung des Zielwortes werden zwei Punkte vergeben, für die Nennung eines umschreibenden Oberbegriffs (z. B. Bauzeug statt Werkzeuge) wird ein © 2020 Hogrefe

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Punkt vergeben, sodass insgesamt maximal 30 Punkte er­ reicht werden können.

Rezeptive Spachkompetenz Zur Messung rezeptiver sprachlicher Fähigkeiten wurde der Subtest Handlungssequenzen aus dem (SET 5 – 10; Peter­ mann, 2010) eingesetzt. Bei diesem Test erhalten die Kin­ der die Aufgabe mittels kleiner Spielfiguren und -gegen­ stände (Frau, Mann, Mädchen, Junge, verschiedene Tiere, Baum und Bank) zwölf kurze Szenarien nachzustellen (z. B. „Der Junge springt über die Bank, weil der Hund ihn jagt“). Für jedes korrekt nachgestellte Szenario wird ein Punkt vergeben, sodass maximal zwölf Punkte erzielt ­werden können.

Mathematische Basiskompetenzen In Form eines Gruppentests für die ganze Klasse wurde der Test mathematischer Basiskompetenzen ab Schuleintritt (MBK 1+; Ennemoser, Krajewski & Sinner, 2017) in der Langform herangezogen, der von den Kindern selbst in einem Aufgabenheft bearbeitet wurde. Dieses Verfahren ermöglicht die Ermittlung der Leistung der Kinder in den drei Ebenen mathematischer Basiskompetenzen nach dem ZGV-Modell von Krajewski (2013) sowie der grund­ sätzlichen Rechenkompetenz im Zahlenraum bis zehn mittels eines Speedtests zum Basisrechnen. Die Rohwerte der Untertests der einzelnen Kompetenzeben wurden zu Rohwertsummen zusammengefasst. Abbruchkriterium für die einzelnen Aufgaben war die vorgegebene Bearbei­ tungszeit. Vor jedem Untertest wurde eine Beispielauf­ gabe mit den Kindern gemeinsam gelöst. Leistungen der Ebene 1 Leistungen der Ebene 1 wurden erfasst mit den Untertests Zahlendiktat und Zahlenlücken (r = .42). Beim Zahlendiktat sollen die Kinder ohne Zeitvorgabe insgesamt zehn Zahlen als Ziffern aufschreiben, die ihnen vorgelesen wer­ den, wodurch maximal fünf Punkte erzielt werden kön­ nen. Im Untertest Zahlenlücken soll in vier Aufgaben die fehlende, mittlere Zahl einer Zahlenfolge ergänzt werden (z. B. 9 … 10 … 11). Hierbei können maximal vier Punkte erreicht werden (eine Minute Bearbeitungszeit). Leistungen der Ebene 2 Mit den Untertests Zahlvergleich, Zahlenstrahlen, Anzahl­ konzept und Anzahlseriation (Cronbachs α = .60) wurden die Leistungen der Ebene 2 erhoben. Beim Zahlvergleich soll in vier Aufgaben zwischen zwei vorgegebene Zahlen (z. B. 19 und 18) der korrekte Vergleichsoperator (>; < ; =) eingesetzt werden, wobei maximal vier Punkte erzielt wer­ den können (eine Minute Bearbeitungszeit). Der Untertest Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 85 – 96


.46**

.62**

.40**

.48**

.52**

.46**

.14 .39** .36* .13

.32* .24 .26 .24

.41** .26 .06 .54** .35*

.34*

.26*

.29* .35** .39** .22 .45** .34* .31*

.23 .19 .30* .07 –.19

.24 .39** .30* .47** .30*

.28

.31*

.28 –.03 .19 .12 .12 .23

.31*

.24

Zahlenstrahlen erfasst in fünf Aufgaben (max. fünf Punkte; drei Minuten Bear­ beitungszeit) die Orientierung am Zah­ lenstrahl, wobei einmal aus einem skalierten Zehnerstrahl zwei Zahlen ­ korrekt abgeleitet werden sollen und dreimal Zahlen an vorgegebenen Zah­ lenstrahlen korrekt einzuzeichnen sind. Im Untertest zum Anzahlkonzept sollen die Kinder in den ersten drei Aufgaben die in Bezug auf eine vorgegebene Zahl (z. B. sieben) korrekte Anzahl von Bäl­ len als Punkte in einen Kreis einzeich­ nen. In der vierten Aufgabe muss aus vier Kisten die Kiste mit den meisten Bällen identifiziert werden, wobei sich die horizontal eingezeichneten Bälle nicht nur in der Anzahl, sondern auch gemäß dem Prinzip der Mengeninva­ rianz (Piaget & Szeminska, 1972) in der räumlichen Ausdehnung unterschie­ den. Insgesamt können vier Punkte er­ reicht werden (zwei Minuten Bearbei­ tungszeit). Der Untertest Anzahlseriation erfasst in drei Aufgaben die Fähigkeit eine fehlende Anzahl in einer Abfolge, die ikonisch in Form von Punkten, Fin­ gern oder Dominosteinen repräsentiert wird, korrekt einzusetzen. Dazu wer­ den jeweils vier Lösungsmöglichkeiten (eine korrekte; drei Ablenker) vorge­ geben. Für jede richtige Lösung wird ein Punkt, also maximal drei Punkte, vergeben (90 Sekunden Bearbeitungs­ zeit).

.15

.34*

.26

–.07 .07

(10) (9) (8) (7) (6) (5) (4) (3)

Anmerkungen: N = 48. ** p < .01; * p < .05.

6.46 13.71 Basisrechnen (11)

6.24 11.17 Ebene 3 (10)

3.09 9.40 Ebene 2 (9)

2.37 4.98 Ebene 1 (8)

Mathematische Basiskompetenzen

2.45 5.75 Handlungssequenzen (7)

4.35 14.85 Kategorienbildung (6)

9.29 Grammatik

23.52

Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 85 – 96

(5)

Sprachkompetenz

.80 3.06 Visuell-räumlicher Notizblock (4)

1.96 8.14 Phonologische Schleife (3)

.46 2.16 Zentrale Exekutive (2)

Arbeitsgedächtnis

6.76 IQ-Gesamt (1)

Nonverbale Intelligenz

93.77

.19

(2) SD M

Tabelle 1. Mittelwerte, Standardabweichungen und Interkorrelationen der Maße für Arbeitsgedächtnis, Sprachkompetenz und mathematische Basiskompetenzen

–.05

A. Röhm: Mathe und Arbeitsgedächtnis bei SES

(11)

90

Leistungen der Ebene 3 Zur Testung der Leistungen der dritten Ebene wurden die Untertests Zahlzer­ legung, Eins weniger, Eins mehr, TeilGanzes und Textaufgaben (Cronbachs α = .78) eingesetzt. Bei der Zahlzerlegung sollen in jeweils zwei Aufgaben (max. vier Punkte; zwei Minuten Bear­ beitungszeit) die Anzahlen fünf und zehn zerlegt werden. Dazu werden Ad­ ditionsgleichungen präsentiert, in de­ nen jeweils ein Summand korrekt zu ergänzen ist (z. B. 3 + … = 5). In den Eins mehr / Eins weniger Aufgaben werden jeweils zwei Anzahlen ikonisch (Finger bzw. Tortenstücke) und vier Anzahlen symbolisch (Ziffern) repräsentiert. Bei © 2020 Hogrefe


A. Röhm: Mathe und Arbeitsgedächtnis bei SES

den ikonischen Repräsentationen sollen die Kinder die Lösung aus vier Lösungsvorschlägen, darunter neben dem korrekten Bild zwei Ab­lenker (ein Finger / Tortenstück; gleiche Abbildung wie Auswahlbild) und eine kontextun­ abhängige Option, auswählen. Bei den symbolischen An­ zahlen müssen die entsprechenden Lösungen eingetragen werden. Insgesamt können pro Untertest maximal sechs Punkte erreicht werden (jeweils zwei Minuten Bearbei­ tungszeit). Das Teil-Ganzes-Verständnis wird erhoben, in­ dem in vier Aufgaben (max. vier Punkte; 90 Sekunden Be­ arbeitungszeit) Gleichungen mit Dominosteinen präsentiert werden, die vervollständigt werden sollen (z. B. sechs / eins = fünf / …). Bei den Textaufgaben werden ins­ gesamt vier Rechengeschichten (z. B. „Max hat 6 Mur­ meln. Papa hat 2 Murmeln. Wie viele Murmeln muss Papa noch dazulegen, damit er genau so viele Murmeln hat wie Max?“; max. vier Punkte; zwei Minuten Bearbeitungszeit) vorgelesen. Die Kinder notieren daraufhin die Lösung der Aufgaben.

Basisrechnen Beim Untertest Basisrechnen sollen die Kinder insgesamt 20 Additionsaufaufgaben (max. 20 Punkte) im Zahlen­ raum bis zehn mit ansteigender Schwierigkeit (z. B. 2 + 1; 2 + 7) lösen. Die Aufgaben werden in Form einer Treppe mit vier Stufen präsentiert. Für die ersten beiden Stufen werden jeweils 80 Sekunden Bearbeitungszeit gegeben, für die letzten beiden Stufen werden jeweils 40 Sekunden Bearbeitungszeit gegeben. Kolmogorov-Schmirnov und Shapiro-Wilk Tests mit p > .05 sowie Q-Q-Plots weisen auf eine Normalverteilung der erhobenen Variablen-Rohwerte hin. Mittelwerte, Stan­ dardabweichungen und Interkorrelationen aller Maße können in Tabelle 1 abgelesen werden. Die Datenauswer­ tung erfolgte mit IBM SPSS Statistics 25.

Stichprobe An der Studie nahmen N = 48 Kinder (15 Mädchen) im Al­ ter zwischen 6;7 und 7;5 Jahren (M = 7.01 Jahre, SD = .28) teil, die durch einen nonverbalen IQ > 85 eines der Defini­ tionskriterien für eine SES erfüllten. Weitere Definitions­ kriterien wurden anamnestisch abgefragt und sind durch unterdurchschnittliche Leistungen (T-Wert < 40) in min­ destens zwei der drei Sprachmaße erfüllt. Die Stichprobe wurde in einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Spra­ che im Primarbereich im Münsterland rekrutiert. Vor der Datenerhebung wurden das Lehrpersonal und die Eltern über die Studie informiert und das Einverständnis der El­ tern zur Teilnahme ihres Kindes eingeholt. Da sich das Alter der Kinder und die erhobenen mathe­ matischen Basiskompetenzen als unabhängig voneinan­ © 2020 Hogrefe

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der erwiesen, wurde das Alter der Kinder in den weiteren Analysen nicht berücksichtigt (MBK Ebene 1: χ2(154, N = 48) = 191.17, p = .052; MBK Ebene 2: χ2(121, N = 48) = 121.07, p = .48; MBK Ebene 3: χ2(176, N = 48) = 178.07, p = .44; Basisrechnen: χ2(176, N = 48) = 215.45, p = .053).

Ergebnisse Zusammenhänge der Prädiktoren Sprach­ kompetenz und Arbeitsgedächtnis mit den mathematischen Basiskompetenzen Zur Beantwortung der ersten Fragestellung nach den Zu­ sammenhängen zwischen expressiver und rezeptiver Sprachkompetenz, Arbeitsgedächtnis und den mathemati­ schen Kompetenzebenen wurden die Interkorrelationen der erhobenen Kompetenzen analysiert. Wie aus Tabelle 1 ersichtlich, zeigen sich zwischen der zentralen Exekutive sowie dem visuell-räumlichen Notizblock Zusammen­ hänge mit den erhobenen Sprachmaßen. Des Weiteren korrelieren grammatikalische und lexikalisch-semanti­ sche Fähigkeiten (expressiv) mit höheren mathematischen Basiskompetenzen (Ebene 3 & Basisrechnen), während die Sprachrezeption mit den Kompetenzebenen 2 und 3 korreliert. Für die phonologische Schleife zeigt sich ledig­ lich ein Zusammenhang mit der ersten Kompetenzebene, während die zentrale Exekutive mit den Ebenen 2 und 3 sowie der visuell räumliche Notizblock mit den Ebenen 2 und 3 als auch dem Basisrechnen positiv korreliert ist. Zur differenzierteren Erklärung der Leistung in den ein­ zelnen Ebenen mathematischer Basiskompetenzen durch expressive sowie rezeptive Sprachkompetenzen und die Komponenten des Arbeitsgedächtnisses (Forschungs­ fragen 2 und 3) wurden schrittweise, lineare Regressionen berechnet. Dabei wurden nacheinander die einzelnen Prä­ diktoren in das Regressionsmodell aufgenommen. Ab­ hängig davon, wieviel Varianz in der jeweiligen Ebene mathematischer Basiskompetenzen (Kriterium) durch die einzelnen Prädiktoren signifikant aufgeklärt werden konn­ te, wurden diese ein- bzw. ausgeschlossen. Als Grenze für den Ein- oder Ausschluss eines Prädiktors wurde ein Signi­ fikanzniveau von p < .05 (Einschluss) bzw. p > .051 (Aus­ schluss) festgelegt. Tabelle 2 zeigt die Regressionskoeffizienten (β) der einund ausgeschlossenen Variablen, den Anteil der durch die jeweiligen Modelle aufgeklärten Varianz (R2) sowie die Größe des jeweiligen Effekts (F). Die Ergebnisse weisen auf einen signifikanten Einfluss der phonologischen Schleife sowie der lexikalisch-seman­ tischen Kompetenzen auf die mathematischen Basiskom­ petenzen der Ebene 1 hin. Dabei können insgesamt 19 % Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 85 – 96


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A. Röhm: Mathe und Arbeitsgedächtnis bei SES

Tabelle 2. Schrittweise, lineare Regressionen der drei Ebenen mathematischer Basiskompetenzen sowie Basisrechnen auf die Prädiktoren Arbeitsgedächtnis und Sprachkompetenz Kriterium

Ebene 1

Ebene 2

Ebene 3

Basisrechnen

β

β

β

β

Zentrale Exekutive

.05

.21

.20

.18

Phonologische Schleife

.36*

.14

.13

.02

Visuell-räumlicher Notizblock

.07

.39**

.24

.21

.15

.41**

.17

.14

.12

.32*

–.00

.23

.23

.04

.19

.15

.17

.10

F

5.092

8.138

9.109

5.060

p

.010

.006

.004

.029

Prädiktor Arbeitsgedächtnis

Sprachkompetenz Grammatik Kategorienbildung Handlungssequenzen

–.20 .31*

Anmerkungen: Regressionskoeffizienten der eingeschlossenen Variablen sind fett hervorgehoben. * p < .05; ** p < .01.

der Varianz in den mathematischen Leistungen der Kom­ petenzebene 1 aufgeklärt werden. Hinsichtlich der Kompetenzebene 2 zeigt sich lediglich ein signifikanter Einfluss des visuell-räumlichen Notiz­ blocks bei einer Varianzaufklärung von 15 %. Für Ebene 3 ergibt sich ein signifikanter Zusammen­ hang mit den grammatikalischen Fähigkeiten, wodurch 17 % der Varianz in den entsprechenden mathematischen Basiskompetenzen aufgeklärt werden können. Beim Basisrechnen treten ausschließlich die lexikalischsemantischen Sprachkompetenzen signifikant hervor bei einer insgesamt geringen Varianzaufklärung von 10 %.

Diskussion Ziel dieser Studie war es, die bislang wenig beachteten Zusammenhänge zwischen mathematischen Basiskompe­ tenzen, sprachlichen Fähigkeiten und Arbeitsgedächtnis bei Kindern mit SES am Ende der Primarstufe gemeinsam zu untersuchen und zu differenzieren. Insgesamt unter­ streichen die Ergebnisse die bereits aus der Literatur be­ kannte enge Verwobenheit der drei Dimensionen auch für die Subgruppe der Kinder mit SES. Hinsichtlich der ersten Fragestellung zeigt sich in den Ergebnissen zunächst der aus der Literatur erwartete kor­ relative Zusammenhang der Sprachfertigkeiten mit den mathematischen Kompetenzen der Kinder sowie die Be­ Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 85 – 96

ziehung aller drei Arbeitsgedächtniskomponenten mit den mathematischen Kompetenzen. Bemerkenswert für die Beziehung zwischen Arbeitsgedächtnisleistung und Spra­ che ist, dass die phonologische Schleife direkt mit keiner der sprachlichen Kompetenzen korreliert, obwohl gerade bei Kindern mit SES zunächst von einem Einfluss dieser Komponente auf sprachliche Fähigkeiten auszugehen ist (Graf Estes et al., 2007; Leonard et al., 2007). Stattdessen hängen vielmehr die zentrale Exekutive und der visuellräumliche Notizblock mit den erhobenen Sprachmaßen zusammen. Dies kann damit erklärt werden, dass primär morphologisch-syntaktische und lexikalisch-semantische anstelle phonologischer Fähigkeiten erhoben wurden, um eine Konfundierung mit der phonologischen Schleife zu reduzieren. Die gewählten Aufgaben erforderten überdies einen Abruf spezifischer Informationen, zum Beispiel morphologischer Regeln oder Wortbedeutungen aus dem Langzeitgedächtnis, was primär von der zentralen Exeku­ tive koordiniert wird. Zudem ist aus der Literatur bekannt, dass die Bedeutung der phonologischen Schleife für die Sprachkompetenz der Kinder mit dem Alter abnimmt und diese nun zunehmend vor allem durch die Leistungen der zentralen Exekutive erklärt werden (Schuchardt, Worgt & Hasselhorn, 2012). Allerdings weisen die Ergebnisse zu­ sätzlich auf eine Korrelation des visuell-räumlichen Notiz­ blocks mit allen Sprachmaßen hin, was zum einen durch das visuelle Material (Untertests Grammatik und Kategori­ enbildung) und das räumliche Spiel im Untertest Hand­ lungssequenzen erklärt werden kann. Zum anderen gibt es © 2020 Hogrefe


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Hinweise, dass sich zentral-exekutive Verarbeitungspro­ zesse bei Kindern mit SES auch auf die visuell-räumliche Verarbeitung übertragen (Archibald & Gathercole, 2007). Dementsprechend könnten die vorliegenden Befunde da­ rauf hinweisen, dass bei der zentral-exekutiven Sprachver­ arbeitung auch auf Kapazitäten des visuell-räumlichen Notizblocks zurückgegriffen wird, insbesondere wenn die Informationen sowohl verbale als auch visuelle Anteile beinhalten. Der bisher weniger beachtete Zusammenhang zwischen Sprachkompetenz und visuell-räumlichen Ar­ beitsgedächtnisleistungen sollten daher in zukünftigen Studien weiter untersucht werden. In der detaillierteren Differenzierung der Einflüsse von Arbeitsgedächtnis und Sprache auf die einzelnen mathe­ matischen Kompetenzebenen (Forschungsfragen 2 und 3) zeigte sich, dass die phonologische Schleife, zusammen mit lexikalisch-semantischen Sprachkompetenzen, ledig­ lich Varianz in Basisfertigkeiten wie Zahl- und Ziffern­ kenntnis und unkonkreten Größenunterscheidungen er­ klären kann (Ebene 1; Krajewski, 2013). Dieser Befund weist darauf hin, dass für die erfolgreiche Zerlegung der Zahlwortreihe (vgl. Moser Opitz, Ruggiero & Wüest, 2010) neben phonologischen Verarbeitungsprozessen ebenso lexikalisch-semantische Fähigkeiten, z. B. beim Erwerb ­ ­eines Zahlwortschatzes, von Relevanz sind. Für die höhe­ ren mathematischen Kompetenzebenen zeigte sich dahin­ gehend kein weiterer Einfluss der phonologischen Schleife. Mathematische Basiskompetenzen der Ebene 2 wie un­ präzise und präzise Größenrepräsentationen (Krajewski, 2013) werden in der Stichprobe wiederum durch den visu­ ell-räumlichen Notizblock erklärt. Auch andere Studien weisen auf einen abnehmenden Einfluss der phonologi­ schen Schleife (z. B. Preßler et al., 2013) bzw. eine zuneh­ mende Bedeutung des visuell-räumlichen Notizblocks auf Zahl-Größen-Kompetenzen wie das Anzahlkonzept hin (Alloway & Passolunghi, 2011; Krajewski & Schneider, 2009b). Bemerkenswert ist allerdings, dass sich, im Ge­ gensatz zu den Befunden dieser Arbeiten, für die Arbeits­ gedächtniskomponenten in der vorliegenden Studie kein signifikanter Einfluss auf die höheren Zahl-Größen-Kom­ petenzen (Teil-Ganzes-Verständnis) und Rechenfertigkei­ ten zeigte. Vielmehr wurden die mathematischen Leistun­ gen der Kinder mit SES in diesen Ebenen durch ihre sprachlichen Leistungen erklärt. Hinsichtlich mathemati­ scher Basiskompetenzen wie Zahlzerlegungen und Text­ aufgaben (Ebene 3) traten die grammatikalischen Fähig­ keiten in den Vordergrund. Für die Aufgaben des Basisrechnens zeigte sich wiederum ein, wenn auch ver­ gleichsweise geringer Einfluss lexikalisch-semantischer Kompetenzen. Für die rezeptiven Sprachkompetenzen er­ gab sich jedoch keine Vorhersagekraft. Im Vergleich mit Befunden anderer Studien (Durkin et al., 2013; Moll et al., 2015), die eine zunehmende Aus­ © 2020 Hogrefe

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wirkung sprachlicher Schwierigkeiten auf ansteigende ­mathematische Anforderungen nahelegen, weisen die vor­ liegenden Ergebnisse ebenso auf eine Relevanz ­sprachlicher Kompetenzen für höhere mathematische Basiskompeten­ zen hin, jedoch beschränken sich diese auf Zusammenhän­ ge mit den morphologisch-syntaktischen sowie lexikalischsemantischen Fähigkeiten. Dies könnte eine Erklärung für die beobachtete Heterogenität innerhalb der Schülerinnen und Schüler mit SES hinsichtlich des Auftretens mathema­ tischer Probleme sein: Kinder, die insbesondere Auffällig­ keiten in Grammatik zeigen, könnten dementsprechend auch eher von Schwierigkeiten bei der Bearbeitung von Teil-Ganzes- und Textaufgaben betroffen sein. Auffällig­ keiten in Lexikon und Semantik wiederum könnten eher zu Schwierigkeiten in basalen Fertigkeiten wie Zahlenkennt­ nis und Zahlwortreihe beitragen sowie mit Schwierigkeiten beim Abruf von automatisierten Rechenstrategien (vgl. Ritterfeld et al., 2013), die für das schnelle Rechnen erfor­ derlich sind, zusammenhängen. Insgesamt also Kompeten­ zen, die einen Abruf von Informationen aus dem Langzeit­ gedächtnis erfordern. Interessanter Weise fand sich jedoch kein Einfluss der zentralen Exekutive, der – wie bereits oben beschrieben – hauptsächlich diese Funktion zu­ kommt. Im Hinblick auf mathematische Basiskompeten­ zen scheint sie auch eher mit dem Erwerb und der Entwick­ lung von Strategien und deren Automatisierung assoziiert zu sein (LeFevre et al., 2013). Dementsprechend könnten die Befunde darauf hinweisen, dass Kinder mit SES beim Abruf bereits erlernter mathematischer Informationen ent­ scheidender von ihren grammatikalischen und lexikalischsemantische Kompetenzen profitieren. Zusammengenommen zeigen die Befunde, dass sowohl das Arbeitsgedächtnis als auch spezifische Sprachkompe­ tenzen mathematische Fähigkeiten von Schulkindern mit SES gemeinsam beeinflussen. Die mathematischen Prob­ leme dieser Kinder stehen demnach einerseits in Verbin­ dung mit ihren spezifischen sprachlichen, insbesondere grammatikalischen sowie lexikalisch-semantischen Prob­ lemen. Anderseits erweisen sich alle drei Arbeitsgedächt­ niskomponenten als bedeutsam für sprachliche und ma­ thematische Anforderungen und weisen bei Kindern mit SES mitunter ebenfalls Verarbeitungsprobleme auf (Archi­ bald & Gathercole, 2007; Graf Estes et al., 2007). Somit kommt dem Arbeitsgedächtnis auch hinsichtlich des Zu­ sammenhangs von ­Sprachkompetenzen und mathemati­ schem Lernen eine Bedeutung als der oft zitierte „Fla­ schenhals der menschlichen Informationsverarbeitung“ (Deiglmayr, Schalk & Stern, 2017, S. 7) zu. Wie bereits für sprachliche Erwerbsprozesse bekannt (im Überblick: Schuchardt et al., 2012) kann auch im Hinblick auf das mathematische Lernen von Kindern mit SES eine wechsel­ seitige Beeinflussung der einzelnen Kompetenzbereiche angenommen werden: Im optimalen Fall führt das Erler­ Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 85 – 96


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nen von Basiskompetenzen zu einer Entlastung des Ar­ beitsgedächtnisses durch beispielsweise den Aufbau von Faktenwissen (z. B. Zahlwortschatz und Teil-Ganzes-Ver­ ständnis) und die Automatisierung von Prozessen (Bütt­ ner, Gold & Hasselhorn, 2010). Dadurch freigewordene Ressourcen können wiederum zum Erlernen höherer Kompetenzen genutzt werden. Kommt es allerdings zu ei­ ner Stagnation im Erwerbsprozess werden Arbeitsge­ dächtnisleistungen nach wie vor zur Verarbeitung von frü­ hen Basiskompetenzen benötigt und stehen somit nicht zur Erarbeitung höherer Kompetenzen zur Verfügung, für die wiederum auch Sprachkompetenzen von Bedeutung sind. Dies erklärt beispielsweise, dass Kinder mit SES häu­ fig nicht die Ablösung vom zählenden Rechnen schaffen, wie u. a. schon Fazio (1999) beobachtete. Die Ergebnisse der Studie können dementsprechend dabei helfen, die Herausforderungen und Heterogenität von Schülerinnen und Schülern besser zu verstehen und den Lehrkräften Hinweise geben, diese bei der Gestaltung des mathematischen Lernens zu berücksichtigen. Auch können sie für die gemeinsame Berücksichtigung von so­ wohl Sprachkompetenz als auch Arbeitsgedächtnisleistun­ gen im Hinblick auf die mathematischen Fertigkeiten von Kindern mit SES sensibilisieren. Beispielsweise könnten Kinder mit Auffälligkeiten im lexikalisch-semantischen Bereich von unterstützenden Angeboten für das Zahlwort­ wissen oder die Zahlwortreihe profitieren, während Kin­ der mit primär morphologisch-syntaktischen Problemen eher Hilfen für das Teil-Ganzes-Verständnis zur Verfü­ gung gestellt werden. Hinsichtlich der Rolle des Arbeits­ gedächtnisses nimmt die phonologische Schleife nach wie vor eine wichtige Aufgabe gerade hinsichtlich der Anwen­ dung basal mathematischer Fertigkeiten ein und stellt da­ mit Kinder mit SES häufig vor große Schwierigkeiten. Die Befunde zeigen aber auch, dass das gesamte Arbeitsge­ dächtnis von großer Bedeutung ist und hier verschiedene fördernde sowie entlastende Methoden zum Einsatz kom­ men können, mit denen das konventionelle Lernmaterial erweitert werden kann. Zum Beispiel kann sowohl mit Vi­ sualisierungen (z. B. Zehnerplättchen, Zahlenstrahl) zur Unterstützung der mentalen Repräsentation als auch kleinschrittigen Aufgabenstrukturierungen, aber auch ge­ zielten Arbeitsgedächtnistrainings gearbeitet werden. Ins­ gesamt gilt es hierzu auch in der Praxis weitere wichtige Erfahrungen zu sammeln und im Austausch mit der aktu­ ellen Forschung weiter zu entwickeln.

Limitationen Insgesamt konnten die einzelnen Einflussfaktoren nur ver­ gleichsweise wenig Varianz (10 % – 19 %) in den verschie­ denen mathematischen Kompetenzebenen signifikant aufklären. Dennoch bilden die Ergebnisse die enge Verwo­ Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 85 – 96

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benheit der Bereiche in Übereinstimmung mit der vorlie­ genden Literatur ab. Aufgrund der hoch spezifischen und daher kleinen Stichprobe sowie der dennoch umfangrei­ chen Erhebung war die Berechnung komplexerer Modelle mit deutlicherer Aussagekraft nicht möglich. Dies sollte für folgende Studien berücksichtigt werden. Im Hinblick auf die Stichprobe der Kinder mit SES ist zu beachten, dass diese institutionell über eine Förderschule rekrutiert wur­ den. Eine tatsächliche diagnostische Feststellung einer Sprachentwicklungsstörung fand nicht statt und wurde le­ diglich durch auffällige Werte in mindestens zwei der drei erhobenen Sprachmaße sowie den IQ-Marker kontrolliert. Zudem zeigten die Kinder keinerlei Auffälligkeiten in den Arbeitsgedächtnisleistungen, insbesondere der phonolo­ gischen Schleife, wodurch die Übertragbarkeit der Ergeb­ nisse mitunter eingeschränkt ist.

Fazit Zusammengenommen leisten die Ergebnisse der vorlie­ genden Untersuchung einen wichtigen Beitrag zum Ver­ ständnis der bisher wenig beachteten komplexen Zusam­ menhänge von Sprachkompetenz, Arbeitsgedächtnis und mathematischen Fähigkeiten bei Grundschulkindern mit SES. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass diese Kinder zur Förderung mathematischer Kompetenzen bereits früh sowohl spezifische unterstützende Maßnahmen hinsicht­ lich ihrer sprachlichen Fähigkeiten als auch zur Entlastung des Arbeitsgedächtnisses benötigen. Dies gilt es in an­ knüpfenden Arbeiten weiter zu untersuchen.

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Dr. Alexander Röhm Fakultät Rehabilitationswissenschaften Qualitative Forschungsmethoden und Strategische Kommunikation für Gesundheit, Inklusion und Teilhabe Technische Universität Dortmund Emil-Figge-Str. 50 44227 Dortmund Deutschland alexander.roehm@tu-dortmund.de

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Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 85 – 96

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Originalarbeit

Die Rolle von Sprache und Arbeits­gedächtnis für die Entwicklung mathematischen Lernens vom Vorschul- bis ins Grundschulalter

r‘s Edito e c Choi

Längsschnittliche und querschnittliche Pfadanalysen von Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) Nurit Viesel-Nordmeyer1  , Ute Ritterfeld2 und Wilfried Bos1 1 Institut

für Schulentwicklungsforschung (IFS), Technische Universität Dortmund Rehabilitationswissenschaften. Sprache und Kommunikation, Technische Universität Dortmund

2 Fakultät

Zusammenfassung: Jüngere Studien weisen auf die Komorbidität von altersabweichenden Sprachentwicklungsdefiziten und mathematischen Schwächen im Schulalter hin. Darüber hinaus erweist sich das Arbeitsgedächtnis als bedeutsam, weil es mit beiden Lernprozessen verbunden ist. Unter Nutzung von Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS; n = 412) sollten deshalb generelle Einflüsse sprachlicher Kompetenzen und des Arbeitsgedächtnisses (phonologische Schleife, zentrale Exekutive) auf die mathematische Kompetenzentwicklung zwischen Vorschulund Grundschulalter (4 – 7 Jahre) identifiziert werden. Es zeigten sich neben einem langfristigen Einfluss von Wortschatz und Grammatik auf mathematisches Lernen eine altersabhängige Beteiligung einzelner Arbeitsgedächtniskomponenten. Direkte Einflüsse auf mathematische Kompetenzen im Vorschulalter nimmt die zentrale Exekutive und in der ersten Klassenstufe die phonologische Schleife. Indirekt werden Einflüsse der phonologischen Schleife auf vorschulische mathematische Kompetenzen über sprachliche Vorläufer (phonologische Bewusstheit, frühe Buchstabenkenntnis) mediiert. Stark ausgeprägte Grammatikleistungen im Vorschulalter beeinflussen positiv die weitere Leistungs­ fähigkeit der phonologischen Schleife und der zentralen Exekutive. Die Bedeutung des Zusammenspiels von Sprache, früher mathematischer Kompetenzen und beider Arbeitsgedächtniskomponenten für die Entwicklung mathematischen Lernens wird diskutiert. Schlüsselwörter: Sprachkompetenz, Sprachentwicklung, mathematisches Lernen, Arbeitsgedächtnis The Role of Language and Working Memory in the Development of Mathematical Learning from Preschool into Primary School Age – Longitudinal and Cross-Sectional Path Analyses of Data from the National Educational Panel Study (NEPS) Abstract: Recent studies indicate a comorbidity of age-deviant language development and the occurrence of mathematical weaknesses in school age. Moreover, working memory is an important factor as it is involved in both learning processes. Based on data from the German National Educational Panel Study (NEPS; n = 412) we therefore investigated the effects of linguistic competences and working memory (phonological loop, central executive) on mathematical competence development between pre- and primary school age (4 – 7 years). In addition to a long-term influence of vocabulary and grammar on mathematical learning, an age-dependent participation of individual working memory components was shown. Direct influences on the mathematical competences at preschool age were taken by central executive, in 1st grade by phonological loop. Indirectly, phonological loop influences were mediated on preschool mathematical competences via linguistic precursors (phonological awareness, early letter knowledge). Pronounced grammar skills at pre-school age positively effect the subsequent performances of both, the phonological loop and the executive control. The importance of the interplay of language, early mathematic skills, and both components of the working memory for the development of mathematical learning is being discussed. Keywords: language skills, language acquisition, mathematical learning, working memory

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Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 97 – 110 https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000291


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Die Forschung zum Zusammenhang sprachlicher Kompetenzen und mathematischem Lernen fokussiert sich bislang vor allem auf die mathematische Entwicklung bei Kindern, deren Sprachkompetenzen nicht altersgemäß entwickelt sind. Dies betrifft zum einen diejenigen Kinder, die infolge eines Zweitspracherwerbs oder besonders niedrigen sozioökonomischen Hintergrunds zunächst schlechtere sprachliche und später auch schwächere mathematische Leistungen aufweisen (u. a. Walzebug, 2015). Zum anderen zeigen auch Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen in der Schule deutliche Defizite im mathematischen Erwerbsbereich (Cross, Archibald & Joanisse, 2018). Gleichwohl kann noch nicht eindeutig geklärt werden, ob diese Schwächen auf die sprachlichen Defizite dieser Kinder oder auf eine zugrunde liegende Beeinträchtigung des Arbeitsgedächtnisses zurückzuführen sind (Ritterfeld et al., 2013). Denn selbst Untersuchungen mit unauffälligen Kindern weisen auf den Einfluss dieses kognitiven Systems sowohl auf sprachliche als auch auf mathematische Fähigkeiten hin (Gathercole, Willis, Emslie & Baddeley, 1992; LeFevre, Fast, Skwarchuk, Smith-Chant & Bisanz, 2010). Damit kann ein genereller Zusammenhang aller drei Kompetenzbereiche − Sprache, Arbeitsgedächtnis, mathematisches Lernen – vermutet werden. Neuere Studien zu den Interdependenzen dieser drei Kompetenzbereiche bei typisch entwickelten Kindern (Kyttälä, Lepola, Aunio & Hautamäki, 2013; Röhm, Starke & Ritterfeld, 2017; Díaz-Barriga Yáñez, Carroll & Matthews, 2016) bestätigen diesen. Allerdings handelt es sich dabei bisher um Querschnittstudien, die keine Rückschlüsse darüber zulassen, welche Zusammenhangsmuster der drei Kompetenzen dem gesamten Entwicklungsverlauf mathematischen Lernens zwischen Vorschulalter und Grundschulalter zugrunde liegen. Die vorliegende Analyse längsschnittlicher Daten aus dem Nationalen Bildungspanel (NEPS) soll deshalb einen aussagekräftigeren Beitrag zur Aufklärung der Interdependenzen von Sprache, Arbeitsgedächtnis und mathematischem Lernen im Entwicklungsverlauf vom Kindergarten bis in die Grundschule leisten.

Theoretischer Hintergrund Die Rolle der Sprache für mathematisches Lernen Empirisch gestützte Modelle beschreiben den Einfluss von Sprache auf die Aneignung mathematischer Kompetenzen bereits für das Vorschulalter. Demnach stehen sprachliche Kompetenzen wie Sprachverständnis aber auch Kenntnisse des Wortschatzes und dessen Ausdruck in enger VerbinLernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 97 – 110

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dung mit der Entwicklung des Zahlverständnis, welches als Grundlage mathematischen Lernens im Schulalter gilt (u. a. Krajewski, 2014). Diese Entwicklungsphase mathematischen Lernens ist von Denkprozessen geprägt, welche zudem zunächst verbal ablaufen (u. a. von Aster, 2013). Diese Denkprozesse werden im späteren Vorschul- und beginnendem Grundschulalter durch visuell-arabische Repräsentationsformen ergänzt, bis letztendlich im Laufe der Grundschulzeit eine mentale Zahlenraumvorstellung möglich wird (ebd.). Bedeutende Zusammenhänge zwischen Sprache und mathematischem Lernen bleiben im Schulalter weiter bestehen und zeigen sich auf mehreren Ebenen: Verschiedene „sprachliche Register“, welche durch die Nutzung eines speziellen Wortschatzes und einer komplexeren Grammatik (Prediger, Erath & Moser-Opitz, 2019) gekennzeichnet sind, erlangen für die Beherrschung der Unterrichtssprache eine bedeutende Rolle. Bildungssprache (Gogolin & Lanke, 2011), welche mit dem Schulalter zunehmend an Bedeutung gewinnt und sich von der Alltagssprache durch Dekontextualisierung und Spezifität unterscheidet, bezieht sich auf die sprachlichen Gemeinsamkeiten aller Fächer. Dagegen ist Fachsprache an das einzelne Fach gebunden. Die mathematische Fachsprache wird charakterisiert durch spezifische Fachtermini, welche u. a. notwendige Begrifflichkeiten als Voraussetzung für geometrisches Lernen prägen. Zudem finden sich Eigenarten fachspezifischer Diskurse und Textsorten wieder, wie sie zur münd­ lichen und auch schriftlichen Auseinandersetzung mit den mathematischen Inhalten notwendig sind (u. a. Paetsch, 2016). Diese bilden somit auch die Voraussetzung, sinnvoll mit mathematischen Textaufgaben zu operieren.

Zusammenhänge zwischen Arbeitsgedächtnis und mathematischen Kompetenzen Untersuchungen von Zusammenhängen des Arbeitsgedächtnisses mit mathematischen Kompetenzen weisen uneinheitliche Befunde auf. Vermutlich lässt sich diese Heterogenität auf eine unterschiedliche Beteiligung der Subkomponenten des Arbeitsgedächtnisses an einzelnen mathematischen Teilbereichen zurückführen. Zugleich gilt eine altersabhängige Änderung der Nutzung einzelner Arbeitsgedächtniskomponenten bereits im Vorschulalter als wahrscheinlich (Ehlert, 2007). So konnten Purpura und Ganley (2014) bei Vorschulkindern Zusammenhänge der phonologischen Schleife mit Kompetenzen im Mengenvergleich sowie im Bereich des frühen Rechnens nachweisen. LeFevre et al. (2010) stellten in einer längsschnitt­ lichen Untersuchung einen bedeutenden Einfluss des visuell-räumlichen Notizblocks im Bereich der frühen Mengen-Zahlen-Kompetenzen fest. Die Ergebnisse von Díaz© 2020 Hogrefe


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Barriga Yáñez und Kollegen (2016) erklären die Beteiligung der zentralen Exekutive beim Lösen arithmetischer Aufgaben im Altersbereich zwischen 4 und 6 Jahren durch den Abruf von Zählstrategien aus dem Langzeitgedächtnis sowie durch die Koordination zwischen sprachlichen und numerischen Informationen. Innerhalb dieser Altersstufe zeigten die Ergebnisse von Ehlert (2007) eine altersabhängige Änderung des Einflusses der einzelnen Subkomponenten. Diese Änderung kann auf eine hohe Relevanz ­dieser Altersstufe für mathematische und kognitive Entwicklungsprozesse zurückgeführt werden.

ten Untersuchungen von Kindern mit Sprachauffälligkeiten, dass Defizite in der zentralen Exekutive zwar sprach­ liche Verzögerungen im Vorschulalter erklären, die weitere Entwicklung dagegen nicht beeinträchtigen. Für eine anhaltende Sprachschwäche sind hingegen Defizite in der phonologischen Schleife prädiktiv (Schuchardt et al., 2012).

Zusammenhänge zwischen Arbeits­ gedächtnis und sprachlichen Kompetenzen Insbesondere das phonologische Arbeitsgedächtnis scheint eine herausragende Rolle in der Entwicklung sprachlicher Kompetenzen einzunehmen. Auf einen Zusammenhang dieses Subsystems mit sprachlichen Fähigkeiten lässt sich bereits aus Studien mit Kindern schließen, welche unter sprachlichen Lernschwierigkeiten leiden (Schuchardt, Worgt & Hasselhorn, 2012). Denn diese Kinder weisen typischerweise auch eine Einschränkung der Funktionstüchtigkeit der phonologischen Schleife auf. Aber auch unauffällige Kinder zeigten in einer Studie zum Wortschatzaufbau deutliche Zusammenhänge mit der phonologischen Schleife: Gathercole und Kollegen (1992) war es anhand eines Längsschnittdesigns möglich, der Frage nach der Wirkrichtung dieser Zusammenhänge nachzugehen. Dabei stellten sie fest, dass sich das kausale Beziehungsgefüge zwischen den beiden Variablen altersabhängig verändert. Der Einfluss der phonologischen Schleife auf die Entwicklung des Wortschatzes ließ sich in der Altersspanne zwischen 4 und 5 Jahren deutlich nachweisen. Ein Jahr später schien sich der Zusammenhang umzudrehen und das lexikalische Vorwissen die Leistungsfähigkeit des phonologischen Arbeitsgedächtnisses für weitere Lernprozesse zu beeinflussen. Bei dem Erwerb grammatischer Strukturen leisten ebenfalls Arbeitsgedächtnisressourcen einen Beitrag, der jedoch unterschiedlich erklärt werden kann. So wird einerseits eine direkte Auswirkung des phonologischen Arbeitsgedächtnisses auf den Erwerb grammatischer Fähigkeiten angenommen (Götze, Hasselhorn & Kiese-Himmel, 2000). Andererseits zeigten Ergebnisse, dass dieser Einfluss über den Wortschatz mediiert wird (Adams & Gathercole, 1996). Die zentrale Exekutive ist als Leitzentrale und übergeordnetes System nach dem zugrundeliegenden Modell von Baddeley (1986) automatisch in die Prozesse der sprach­ lichen Informationsverarbeitung und des sprachlichen Wissenserwerbs eingebunden. Ihr Einfluss scheint jedoch stärker in frühen Entwicklungsstadien verwurzelt. So zeig© 2020 Hogrefe

Zusammenhänge zwischen Sprache, Mathematik und Arbeitsgedächtnis Wenige Studien widmen sich bislang den komplexen Interdependenzen zwischen den drei Komponenten Sprache, Mathematik und Arbeitsgedächtnis. Zudem erlauben die vorliegenden Ergebnisse keine Aussagen darüber, welche Wirkrichtung den Zusammenhängen zwischen allen drei Komponenten zugrunde liegt. Allerdings weisen die Befunde auf zusätzlich bestehende indirekte Effekte zwischen Sprache, Mathematik und Arbeitsgedächtnis hin. Einerseits wird der Zusammenhang zwischen der phonologischen Schleife und den mathematischen Kompetenzen über sprachliche Maße mediiert, was sowohl für mathematische Basiskompetenzen bei 5 – 6 -Jährigen (Röhm et al., 2017) als auch für mündlich und bildlich vermittelte mathematische Textaufgaben bei 5 – 7-Jährigen deutlich wurde (Kyttälä et al., 2013). Zudem scheint im Zusammenspiel zwischen verbalen und numerischen Informationen beim Lösen mathematischer Aufgaben die zentrale Exekutive koordinativ beteiligt (Díaz-Barriga Yáñez et al., 2016). Diese ersten Anhaltspunkte zu den komplexen Interdependenzen aller drei Komponenten – Sprache, Mathematik und Arbeitsgedächtnis − weisen demnach darauf hin, dass Einflüsse einzelner Arbeitsgedächtnismaße über Sprache auf mathematische Kompetenzen oder aber von Sprache auf mathematisches Lernen über einzelne Komponenten des Arbeitsgedächtnisses bestehen.

Zusammenhänge zwischen (schrift-) sprachlichen Vorläuferfähigkeiten, mathematischen Kompetenzen und Arbeitsgedächtnis Längsschnittstudien weisen zudem darauf hin, dass die phonologische Bewusstheit, als für (Schrift-)Sprache relevante Vorläuferfähigkeit, im engen Zusammenhang mit der Entwicklung mathematischer Basiskompetenzen steht (Krajewski & Schneider, 2009). Diese spezifische Vorläuferfähigkeit wurde auch im Rahmen der genutzten NEPSDaten innerhalb der 2. Welle (Fünf- und Sechsjährige) als etappenspezifisches Maß erhoben. Sie stellt neben der frühen Buchstabenkenntnis, welche die phonologische Bewusstheit ihrerseits beeinflusst (de Jong, 2007), innerhalb Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 97 – 110


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dieser Erhebungswelle das einzige Maß linguistischer Kompetenz dar. Studien zeigen, dass diese beiden Vorläuferfähigkeiten wiederum in ihrer Entwicklung von einzelnen Arbeitsgedächtniskomponenten beeinflusst werden (Preßler, Krajewski & Hasselhorn, 2013). Diese Einzelzusammenhänge können jedoch nicht klären, welche Rolle differenzierten sprachlichen Vorläuferfähigkeiten neben den unterschiedlichen Arbeitsgedächtnismaßen beim mathematischen Lernen zukommt.

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schungsinteresse ableiten, (3) Zusammenhänge sprachlicher Vorläuferfähigkeiten, der einzelnen Arbeitsgedächtniskomponenten und dem Erwerb mathematischer Basiskompetenzen, welche gleichzeitig die Basis mathematischen Lernens im Schulalter bilden (u. a. Krajewski, 2014), zu untersuchen.

Methode Stichprobe

Forschungsanliegen Die bisherige Forschung weist auf eine hohe Komplexität im Zusammenspiel zwischen sprachlichen Kompetenzen, mathematischem Lernen und den einzelnen Arbeitsgedächtniskomponenten hin, welches der Entwicklung mathematischen Lernens zwischen Vor- und Grundschulalter zugrunde liegt. Bislang liegt jedoch unseres Wissens noch keine Studie vor, in der sowohl der Einfluss sprachlicher Kompetenzen als auch einzelner Arbeitsgedächtniskomponenten auf das mathematische Lernen sowie wechselseitige Interdependenzen aller drei Kompetenzen im Entwicklungsverlauf untersucht wurden. Die Auswertung längsschnittlicher Daten aus dem Nationalen Bildungspanel (NEPS) bietet sich an, um einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke zu leisten. Dort wurden im Altersbereich zwischen Kindergarten und Grundschule mathematische Kompetenzen sowie unterschiedliche sprachliche Kompetenzen (Wortschatz, Grammatik, sprachliche Vorläuferfähigkeiten) und Arbeitsgedächtniskomponenten (phonologische Schleife, zentrale Exekutive) in Anlehnung an Baddeley (1986) erhoben. Allerdings wurden nicht alle Parameter zu allen Zeitpunkten gleichmäßig erfasst sowie längsschnittlich verankert, sodass eine vollständige Cross-Lagged-Panel-Analyse nicht möglich ist. Die vorliegende Untersuchung fokussiert deshalb die Einflüsse sprachlicher Kompetenzen und des Arbeitsgedächtnisses auf die Entwicklung mathematischen Lernens vom Kindergarten bis in die Grundschule auf Grundlage der verfügbaren Informationen zu den unterschiedlichen Messzeitpunkten. Dabei ist es von Interesse, (1) welche Einflüsse sprachliche Kompetenzen und einzelne Komponenten des Arbeitsgedächtnisses auf das mathematische Lernen nehmen und (2) welche Rolle den Interdependenzen zwischen allen drei Komponenten im Prozess mathematischen Lernens zukommt. Die berichteten Einzelbefunde begründen die Annahme eines frühen komplexen Zusammenspiels zwischen Sprache, Mathematik und Arbeitsgedächtnis, auch wenn nur (schrift-)sprachliche Vorläuferfähigkeiten als Sprachmaße zur Verfügung stehen (u. a. Krajewski & Schneider, 2009; Preßler et al., 2013). Daraus lässt sich das ForLernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 97 – 110

Grundlage der vorliegenden Analysen bilden die Daten der Gruppe 3 (Fälle mit vorhandenen Daten im Vor- und Grundschulalter) der Startkohorte 2 des Nationalen Bildungspanels (NEPS) (Blossfeld, Roßbach & von Maurice, 2011) zwischen zweitem Kindergartenjahr (4/5 Jahren) bis einschließlich der ersten Klassenstufe (6/7 Jahren) (n = 539; jährliche Messungen). Zur Sicherstellung der Validität wurden nur die Daten derjenigen Kinder in die Analysen mit aufgenommen, bei welchen eine die Sprache beeinflussende Behinderung (Hören, geistige Behinderung) ausgeschlossen werden konnte (n = 485). Die Darstellung vergleichbarer sprachlicher Daten verlangte zudem eine weitere Reduzierung, da bei NEPS die Erhebung der Grammatik im Alter von 4 / 5 Jahren (MZP 1) bei 12,9 Prozent der Testgruppe vorzeitig abgebrochen wurde. Da der Testabbruch auf ein systematisches Problem zurückgeführt werden kann, konnte der vorliegende Datensatz ­reduziert werden. In beiden Fällen musste von einer Datenimputation zur Aufrechterhaltung der ursprünglichen Stichprobengröße abgesehen werden, da die fehlenden Informationen durch weitere Drittvariablen nicht vorhersagbar waren. Der verwendete Datensatz der vorliegenden Analysen zeichnet sich somit durch eine Anzahl von 412 Kindern aus (weiblich = 51 %).

Instrumente Interessierenden Kompetenzdaten wurden innerhalb von NEPS in altersangepasster Form in Einzel- (Vorschulalter) bzw. Gruppensettings (Grundschulalter) erhoben. Die genutzten Daten gehen überwiegend auf Skalenmittelwerte zurück, welche als Summenwerte vorliegen. Ausnahme bilden die mathematischen Kompetenzen, welche als längsschnittlich verankerte Personenparameter (WLEs) genutzt werden können. Die angegebene interne Konsistenz unter Verwendung von Cronbachs Alpha (α) bezieht sich auf die ausgewählte Stichprobe (n = 412). Eingesetzte mathematische Tests (MZP 1, 5 / 6 Jahre: α = .79; MZP 2, 6 / 7 Jahre: α = .77) basieren auf der Konzeption der Mathematical Literacy (u. a. PISA) sowie den Bildungsstandards © 2020 Hogrefe


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für Mathematik. Gemessene Kompetenzen können dabei den Teilbereichen Arithmetik, Sachrechnen, Geometrie und Zahlen-Größen-Verständnis zugeordnet werden. Sprach­ liche Kompetenzen des Wortschatzes (MZP 1, 4 / 5 Jahre: α = .91; MZP 2, 5 / 6 Jahre: α = .85) und der Grammatik (MZP 1, 4 / 5 Jahre: α = .86; MZP 2, 6 / 7 Jahre: α = .83) wurden rezeptiv erhoben. Zusätzlich wurden (schrift-)sprachliche Vorläuferfähigkeiten als etappenspezifische Maße kurz vor Schuleintritt (5 / 6 Jahre) erfasst: Die Testung der phonologischen Bewusstheit stellt eine Kombination unterschiedlicher Messverfahren dar, welche das „Onset-ReimSynthetisieren“ (α = .93), ein „Reimspiel“ (α = .71) und die „Identifikation von Phonemen“ (α = .82) mit einschließt. Zur Testung der frühen Buchstabenkenntnis wurde bei NEPS ein eigens entwickeltes „Buchstabenspiel“ eingesetzt (α = .95). Als Arbeitsgedächtnismaße wurden die zwei Subkomponenten phonologischen Schleife (α = .74) und zentrale Exekutive (α = .53) durch Spannenaufgaben (Zahlenspanne bzw. Zahlenspanne rückwärts) gemessen. Die ­gering ausgeprägte interne Konsistenz der zentralen Exe­ kutive ist auf die geringe Anzahl an Items (6) zurückzu­ führen, welche in die Analysen eingeflossen sind. Die zur Kontrolle eingesetzten Maße der kognitiven Grundfähigkeiten (5 / 6 Jahre) wurden in zwei Teilkomponenten nonverbal erfasst. Für die Wahrnehmungsgeschwindigkeit (aufgrund fehlender Informationen kann kein Cronbachs α angegeben werden) wurde ein Bilder-Zeichen-Test (NEPSBZT) eingesetzt, das schlussfolgernde Denken (α = .72) wurde mittels eines Matrizentests (NEPS-MAT) erhoben. Die Items der drei Skalen zur phonologischen Bewusstheit wie auch der beiden Skalen zu den kognitiven Grundfähigkeiten wurden für die vorliegenden Analysen gleichwertig zusammengefasst. Angaben individueller Merkmale wie sozioökonomischer Status (SES), Migrationshintergrund (0 = nein / 1 = ja), Geschlecht (1 = männlich / 2 = weiblich) und Deutsch als überwiegend zuhause gesprochene Sprache (GERM) (0 = nein / 1 = ja) basieren auf den Daten der Elternbefragungen. Zur Abbildung des sozioökonomischen Status wurde der ISEI-08 gewählt. Das Vorliegen einer sprachlichen Lernschwäche (LLA) wurde anhand einer gleichwertigen Zusammenfassung der Ausprägung des vorschulischen Wortschatzes und der Grammatik (< – 1 SD) kontrolliert. Detailliertere Beschreibungen eingesetzter Kompetenzmessungen können wie folgt abgerufen werden: https://www.neps-data.de/en-us/datacenter/dataand documentation/startingcohortkindergarten/documenta tion.aspx

Muthen, 2009) Pfadanalysen berechnet. Als Schätzverfahren wurde das Maximum-Likelihood-Verfahren (MLR) hinzugezogen. Die Modellgüte wurde anhand der in Abbildung 1 und 2 ersichtlichen Parameter überprüft. Zusätzlich wurden zur Klärung von Zusammenhangsmustern Mediationsanalysen durchgeführt. Vorangehende deskriptive Analysen erfolgten mit SPSS 25. Einflüsse individueller Merkmale (kognitive Grundfähigkeiten, SES, Migrationshintergrund, Geschlecht, GERM, LLA) wurden kontrolliert. Trotz wiederholt eingesetzter Tests sind die Stabilitäten des Wortschatzes und der Grammatik mit Vorsicht zu interpretieren, da für die vorliegenden Werte bisher keine längsschnittliche Verankerung vorliegt. Von einer selbst durchgeführten Verlinkung der Daten wurde aufgrund des Fehlens eindeutiger Informationen zur Auswahl der bei NEPS verwendeten Items der ursprünglichen Testinstrumente zu den jeweiligen Messzeitpunkten abgesehen.

Auswertung Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden mit Hilfe des Datenverarbeitungsprogramms Mplus 5.21 (Muthen & © 2020 Hogrefe

Ergebnisse Tabelle 1 gibt die bivariaten bzw. punkt-biserialen Korrelationen aller Variablen wieder (p ≤ .01), welche den im Folgenden durchgeführten Analysen zugrunde liegen. Erwartungsgemäß wiesen die Interkorrelationen zwischen dem rezeptiven Hörverstehen auf Wort- (Wortschatz) und Satz­ ebene (Grammatik) wie auch zwischen den wiederholt ­gemessenen Variablen unterschiedlicher Wellen (Wortschatz, Grammatik, Mathematik) hohe Zusammenhänge auf (Cohen, 1980). Zwischen den sprachlichen Kompetenzen einzelner Ebenen (Wortschatz, Grammatik, sprachliche Vorläufer), den mathematischen Kompetenzen und den beiden im NEPS gemessenen Arbeitsgedächtniskomponenten (phonologische Schleife, zentrale Exekutive) zeigten sich zahlreiche moderat bis groß ausgeprägte Zusammenhänge. Ausnahmen stellten sich im Bereich des Wortschatzes im Vorschul- (r = .08, p > .01) und Grundschulalter (r = .15, p ≤ .001) mit der frühen Buchstabenkenntnis dar, wie auch zwischen dem vorschulischen Wortschatz und beiden Arbeitsgedächtniskomponenten (r ≥ .20, p ≤ .001). Zudem hing die frühe Buchstabenkenntnis nur gering mit der Grammatikkompetenz im Vorschulalter zusammen (r = .16, p ≤ .001). Die Kontrollvariablen Migrationshintergrund, LLA und SES wiesen zahlreiche Korrelationen mit allen gemessenen Kompetenzen auf. Das Geschlecht korrelierte positiv mit den kognitiven Grundfähigkeiten (r = .11, p = .01) sowie negativ mit den mathematischen Leistungen im Vorschul- (r = –.11, p = .01) und Grundschulalter (r = –.23*, p = .01). Die kognitiven Grundfähigkeiten wiesen, mit Ausnahme des Wortschatzes und der Grammatik (r ≥ .14, p ≤ .001) sowie der phonologischen Schleife (r = .25, p ≤ .001), moderate ZusammenLernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 97 – 110


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hänge zu allen Kompetenztestungen auf (r ≥ .31, p ≤ .001). Die zuhause gesprochene Sprache (GERM) zeigte weder Zusammenhänge zu den sprachlichen Vorläuferfähigkeiten noch zum Arbeitsgedächtnis. Die durchgeführten Korrelationsanalysen wiesen auch für die eingesetzten dichotomen Kontrollvariablen (Migrationshintergrund, zuhause gesprochene Sprache (GERM) und das Vorliegen einer Sprachschwäche (LLA)) auf Zusammenhänge untereinander hin, deren Ausprägungen im Rahmen der Pfadanalysen anhand von multiplen Korrelationen kontrolliert wurden (vgl. Tab. 2). Zur Beantwortung der Fragen, welche Einflüsse sprach­ liche Kompetenzen und einzelne Komponenten des Arbeits­ gedächtnisses auf mathematisches Lernen zwischen Vor­ schulalter und Grundschulalter einnehmen und welche Rolle bestehenden Interdependenzen zwischen allen drei Komponenten dabei zukommt, wurde ein in Abbildung 1 dargestelltes Pfadmodell über drei Wellen berechnet. Kontrollierte Einflüsse individueller kognitiver (kognitive Grundfähigkeiten, Vorliegen einer Sprachschwäche) und familiärer (sozioökonomischer Status, Migrationshintergrund, zuhause gesprochene Sprache, Geschlecht) Hintergrund­ variablen wurden aufgrund der Übersichtlichkeit nicht im ­Modell abgebildet. Diese werden tabellarisch aufgeführt (Tab. 2). In den multiplen Korrekturen der Pfandanalysen (Tab. 2) bildete sich der Großteil der zuvor berichteten Zusammenhänge zwischen den Hintergrundvariablen ab (Tab. 2). Einzig die schwach ausgeprägte Korrelation zwischen Geschlecht (Sex) und kognitiven Grundfähigkeiten (KG) blieb nicht bestehen. Das Vorliegen einer Sprachschwäche (LLA) hing stark mit dem Migrationshintergrund (Mig) und der zuhause gesprochenen Sprache (GERM) zusammen. Dieser enge Zusammenhang wirkte sich auf die sich behauptenden Effekte dieser drei Hintergrundvariablen auf die Kompetenzmessungen im Modell aus, welche sich überwiegend nur für das Vorliegen einer Sprachschwäche (LLA) zeigten. Scheinbar direkte positive Effekte des Vorliegens einer Sprachschwäche (LLA) auf mathematische Kompetenzen und auf die zentrale Exekutive konnten unter Berechnung vertiefender Analysen als indirekte negative Einflüsse identifiziert werden (Totale Effekte: Mathe 1: B = –.20, SE(B) = .04, p < .001, 95 % KI für B [–.29, –.11]; Mathe 2: B = –.19, SE(B) = .05, p < .001, 95 % KI für B [–.29, –.10]; zentrale Exekutive: B = –.06, SE(B) = .06, p = .34, 95 % KI für B [–.16, .06]). Die Umkehrung der Ausrichtung dieser Zusammenhänge im Gesamtmodell ist vermutlich auf einen ursprünglich positiven direkten Einfluss der sprachlichen Mediatoren (vorschulischer Wortschatz und Grammatik) auf mathematische Kompetenzen und die zentrale Exekutive (vgl. Abb. 1 und Ergebnisteil) zurückzuführen. Die Ausprägung des sozioökonomischen Hintergrunds beeinflusste in einem geringeren Maße Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 97 – 110

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Abbildung 1. Einflüsse sprachlicher Kompetenzen und des Arbeitsgedächtnisses auf die Entwicklung mathematischen Lernens vom Kindergartenalter bis in die erste Klassenstufe unter Kontrolle individueller Merkmale (Mig, GERM, SES, Sex, LLA, KG). PS = phonologische Schleife, ZE = zentrale Exekutive; Chi2 = .32; df = 24; CFI = .997; RMSEA = .028; n = 412; * = p ≤ .05, ** = p ≤ .01, *** = p ≤ .001.

­ inzelne sprachliche Kompetenzen wie auch die Mathee matik im Vor- und Grundschulalter (Tab. 2). Zugunsten des männlichen Geschlechts zeigten sich zudem Zusam­ menhänge mit beiden mathematischen Kompetenzen. Die vorschulisch gemessenen kognitiven Grundfähigkeiten wiesen Einflüsse auf alle Kompetenztestungen im Vorschulalter auf. Einzig mathematische Kompetenzen wurden auch in einem geringen Maße im Grundschulalter von kognitiven Grundfähigkeiten im Vorschulalter direkt beeinflusst. Dieser Zusammenhang ließ sich durch vertiefende Analysen bestätigen (B = .09, SE(B) = .04, p = .02, 95 % KI für B [.02, .16]), welche zudem auf indirekte Zusammenhänge über die mathematischen Kompetenzen im Vorschulalter (B = .14, SE(B) = .02, p < .001, 95 % KI für B [.09, .19]) und sehr gering ausgeprägt über die phonologi© 2020 Hogrefe


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Anmerkungen: Korrelationen zwischen dichotomen und ordinal/intervall-skalierten Variablen wurden von SPSS automatisch punkt-biseral berechnet. Signifikante Korrelationen werden fett hervorgehoben. SES = sozioökonomischer Status; Mig = Migration; GERM = Deutsch als überwiegend zuhause gesprochene Sprache; LLA = Sprachschwäche; KG = kognitive Grundfähigkeiten; Wo = Wortschatz; Gr = Gram­ matik; PB = phonologische Bewusstheit; FB = frühe Buchstabenkenntnis; PS = phonologische Schleife; ZE = zentrale Exekutive; Ma = Mathe; * p < .05, ** p < .01; n = 412.

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14 Wo

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3 GERM

2 Mig

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1

Tabelle 1. Bivariate Korrelationen aller interessierenden Variablen

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Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 97 – 110


Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 97 – 110 –.13***

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Gr

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Querschnittliche Pfadanalyse (Welle 2)

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.19***

KG

Anmerkungen: Regressionen werden fett hervorgehoben, Korrelationen werden kursiv dargestellt; SES = sozioökonomischer Status; Mig = Migration; GERM = Deutsch als überwiegend zuhause gesprochene Sprache; LLA = Sprachschwäche; kG = kognitive Grundfähigkeiten; Wo = Wortschatz; Gr = Grammatik; PB = phonologische Bewusstheit; FB = frühe Buchstabenkenntnis; PS = phonologische Schleife; ZE = zentrale Exekutive; Ma = Mathe; * p < .05, ** p < .01, *** p < .001; n = 412.

.11**

Wo

Welle 3

.39***

.11**

Ma .12*

.24***

.14**

.26***

.15***

.09*

KG

ZE .16*

–.50***

–.65***

Sex

.20***

–.46***

LLA

PS

–.09*

–.12**

.30***

–.53***

GERM

.26***

.15***

.09*

–.20***

.19**

–.12*

Mig

FB

PB

Welle 2

Gr

Wo

Welle 1

KG

Sex

LLA

GERM

Mig

SES

SES

Längsschnittliche Pfadanalyse (Welle 1 – 3)

Tabelle 2. Effekte eingesetzter Kontrollvariablen der längsschnittlichen (Welle 1 – 3) und querschnittlichen Pfadanalyse (Welle 2)

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sche Schleife hindeuteten (B = .02, SE(B) = .01, p = .02, 95 % KI für B [.01, .05]).

fekt der phonologischen Schleife auf die mathematischen Kompetenzen im ersten Schuljahr hin, welcher sich anhand vertiefender Mediationsanalysen bestätigte (B = .10, SE(B) = .04, p = .01, 95 % KI für B [.02, .18]). Zusätzlich zeigte sich ein schwach ausgeprägter indirekter Effekt über die Grammatikleistungen der ersten Klassenstufe (B = .05, SE(B) = .01, p < .001, 95 % KI für B [.02, .07]). Die zentrale Exekutive wies dagegen keinen direkten Einfluss auf die Mathematikleistungen der ersten Klassenstufe auf (B = .04, SE(B) = .04, p = .32, 95 % KI für B [-.03, .12]). Bestehende indirekte Einflüsse wurden größtenteils durch mathematische Kompetenzen im Vorschulalter (B = .14, SE(B) = .02, p < .001, 95 % KI für B [.10, .18]) mediiert. Zusätzlich zeigten sich schwach ausgeprägte indirekte Effekte über die parallel gemessene phonologische Schleife (B = .03, SE(B) = .01, p = .02, 95 % KI für B [.01, .06]) und die grammatikalischen Fähigkeiten im ersten Schuljahr (B = .04, SE(B) = .01, p = .01, 95 % KI für B [.02, .07]).

Einflüsse sprachlicher Kompetenzen auf mathematische Kompetenzen Die Ergebnisse der Pfadanalyse (Abb. 1) zeigen Einflüsse unterschiedlicher sprachlicher Kompetenzen auf das mathematische Lernen. So wirkten sich früh erworbene Kompetenzen des Wortschatzes und der Grammatik nicht nur unmittelbar, sondern auch längerfristig auf die mathematischen Kompetenzen der Kinder aus. Im berechneten Modell setzen sich dabei die grammatischen Kompetenzen etwas stärker durch. Getrennt gerechnete Modelle beider sprachlicher Kompetenzen (Wortschatz, Grammatik) zeigten auch stärker ausgeprägte Einflüsse des frühen Wortschatzes auf beide Messzeitpunkte der mathematischen Kompetenzen (Mathe 1: B = .33, SE(B) = .05, p < .001; Mathe 2: B = .19, SE(B) = .06, p < .001). Zudem hingen schulische Kompetenzen des Wortschatzes und der Grammatik mit den mathematischen Kompetenzen im ersten Schuljahr zusammen. Vor dem Übergang ins Schulalter korrelierten sprachliche Vorläufer (phonologische Bewusstheit, frühe Buchstabenkenntnis) mit mathematischen Kompetenzen innerhalb einer Altersstufe. Die vorschulisch gemessene frühe Buchstabenkenntnis zeigte zudem einen schwach ausgeprägten direkten Effekt auf mathematische Kompetenzen im Schulalter. Dieser konnte anhand vertiefender Mediationsanalysen (B = .10, SE(B) = .05, p = .02, 95 % KI für B [.05, .14]) neben einem indirekten Effekt über vorschulische mathematische Kompetenzen (B = .09, SE(B) = .02, p < .001, 95 % KI für B [.05, .13]) bestätigt werden. Die phonologische Bewusstheit zeigte dagegen keinerlei direkte Einflüsse (B = –.04, SE(B) = .05, p = .45, 95 % KI für B [–.14, .06]) auf die mathematischen Kompetenzen im ersten Schuljahr. Diese wurden lediglich über die frühe Buchstabenkenntnis (B = .05, SE(B) = .02, p = .03, 95 % KI für B [.01, .10]), die vorschulischen mathematischen Kompetenzen (B = .11, SE(B) = .02, p < .001, 95 % KI für B [.07, .15]) und die Grammatikleistungen der ersten Klassen­ stufe (B = .03, SE(B) = .01, p = .01, 95 % KI für B [.01, .06]) mediiert.

Einflüsse des Arbeitsgedächtnisses auf mathematische Kompetenzen Die Ausprägungen der phonologischen Schleife und der zentralen Exekutive hingen eng mit den mathematischen Kompetenzen innerhalb der Altersstufe kurz vor Schuleintritt zusammen (Abb. 1). Längsschnittlich betrachtet deuten die Ergebnisse der Pfadanalyse auf einen direkten Ef© 2020 Hogrefe

Interdependenzen aller drei Komponenten Eine hohe Ausprägung vorschulischer grammatikalischer Kompetenzen (Abb. 1) begünstigte positiv die Leistungs­ fähigkeit beider Arbeitsgedächtniskomponenten, welche kurz vor Schuleintritt erhoben wurden. Diese wirkten sich wiederum – neben den bereits beschriebenen Einflüssen auf mathematische Kompetenzen der ersten Klassenstufe (vgl. oben) − positiv auf die grammatikalischen Leistungen der ersten Klassenstufe aus, deren Ausprägung mit den schulischen Mathematikleistungen zusammenhingen. Zudem beeinflusste die Ausprägung der vorschulischen grammatikalischen Kompetenzen die ein Jahr später gemessenen (schrift-)sprachlichen Vorläufer (phonologische Bewusstheit, frühe Buchstabenkenntnis), welche mit den vorschulischen mathematischen Kompetenzen moderat korrelierten. Diese frühen mathematischen Kompetenzen stellten unter der Kontrolle der Einflüsse sprachlicher Kompetenzen und beider Arbeitsgedächtniskomponenten den stärksten Prädiktor mathematischer Leistungen im ersten Schuljahr dar. Zahlreiche Zusammenhänge innerhalb der Altersstufe vorschulisch gemessener mathematischer Kompetenzen (5/6 Jahre), welche sich zwischen den Arbeitsgedächtnismaßen, den (schrift-)sprachlichen Vorläufern und den mathematischen Kompetenzen abzeichneten, machten eine vertiefende Untersuchung dieser ­Altersspanne sinnvoll. Dazu wurde eine gesonderte Pfadanalyse der zweiten Welle durchgeführt (Abb. 2). In der Altersstufe kurz vor Schuleintritt zeigten sich vergleichbare Zusammenhänge und Einflüsse der Hintergrundvariablen wie in Modell 1 beschrieben (Tab. 2). Einzig die bereits bei den bivariaten Korrelation (Tab. 1) auftauchende Korrelation zwischen den kognitiven Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 97 – 110


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Grundfähigkeiten und dem Geschlecht setzte sich neu im Pfadmodell 2 durch (Tab. 2). Zudem behaupteten sich weitere bivariat bereits auftauchende negative Effekte des Vorliegens einer Sprachschwäche (LLA) sowie positive Effekte des sozioökonomischen Hintergrunds (SES) zu einzelnen Kompetenzen. Die zunächst erscheinende negative Korrelation zwischen LLA und kognitiven Grundfähigkeiten, welche bivariat nicht vorhanden ist, konnte durch vertiefende Analysen abgelehnt werden (Totaler Effekt: B = -.07, SE(B) = .04, p = .08, 95 % KI für B [–.14, .01]).

Einflüsse der phonologischen Bewusstheit und der frühen Buchstabenkenntnis Im Modell der vertiefenden Pfadanalyse (Abb. 2) konsolidierten sich erneut die Zusammenhänge beider (schrift-) sprachlicher Vorläufer mit den frühen mathematischen Kompetenzen. Zusätzliche Mediationsanalysen bestätigten direkte Effekte der frühen Buchstabenkenntnis (B = .13, SE(B) = .05, p < .001, 95 % KI für B [.04, .23]) sowie der phonologischen Bewusstheit (B = .20, SE(B) = .05, p < .001, 95 % KI für B [.11, .30]) auf frühe mathematische Kompetenzen. Dabei wurden zusätzliche indirekte Einflüsse der frühen Buchstabenkenntnis über die phonologische Bewusstheit (B = .09, SE(B) = .02, p < .001, 95 % KI für B [.04, .13]) mediiert sowie indirekte Einflüsse der phonologischen Bewusstheit über die frühe Buchstabenkenntnis (B = .07, SE(B) = .02, p = .01, 95 % KI für B [.02, .12]). Beide Vorläuferfähigkeiten hingen zudem über die zentrale Exekutive

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indirekt mit den mathematischen Kompetenzen zusammen (frühe Buchstabenkenntnis: B = .05, SE(B) = .01, p < .001, 95 % KI für B [.03, .08]; phonologische Bewusstheit: B = .09, SE(B) = .02, p < .001, 95 % KI für B [.04, .13]).

Einflüsse des Arbeitsgedächtnisses auf vorschulische mathematische Kompetenzen Das Modell offenbart auch direkte Einflüsse der zentralen Exekutive auf die frühen mathematischen Kompetenzen. Diese ließen sich anhand vertiefender Analysen (B = .19, SE(B) = .04, p < .001, 95 % KI für B [.10, .27]) neben schwachen indirekten Einflüssen über beide sprachliche Vorläufer (frühe Buchstabenkenntnis: B = .04, SE(B) = .02, p = .01, 95 % KI für B [.01, .07]; phonologische Bewusstheit: B = .07, SE(B) = .02, p < .001, 95 % KI für B [.04, .11]) bestätigen. Im Modell 1 ersichtliche direkte Zusammenhänge der phonologischen Schleife mit mathematischen Kompetenzen blieben innerhalb dieser Altersstufe kurz vor Schuleintritt aus (B = .05, SE(B) = .04, p = .23, 95 % KI für B [–.02, .13]). Diese Komponente des Arbeitsgedächtnisses hing lediglich indirekt über die zentrale Exekutive (B = .07, SE(B) = .04, p = .02, 95 % KI für B [.04, .11]) und gering ausgeprägt über beide sprachlichen Vorläufer (frühe Buchstabenkenntnis: B = .03, SE(B) = .01, p = .01, 95 % KI für B [.01, .07]; phonologische Bewusstheit: B = .06, SE(B) = .02, p = .00, 95 % KI für B [.03, .10]) mit den mathematischen Kompetenzen der Kindergartenkinder zusammen.

Abbildung 2. Zusammenhänge in der Entwicklung früher mathematischer Kompetenzen innerhalb der Altersstufe kurz vor Schuleintritt (5/6 Jahre) unter Kontrolle individueller Merkmale (Mig, GERM, SES, Sex, LLA, KG). PS = phonologische Schleife, ZE = zentrale Exekutive; Chi2 = 3.67; df = 11; CFI = .100; RMSEA = .000; n = 412; * = p ≤ .05, ** = p ≤ .01, *** = p ≤ .001. Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 97 – 110

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Diskussion In der vorliegenden Untersuchung wurden anhand von Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) die Ein­ flüsse sprachlicher Kompetenzen und des Arbeitsgedächtnisses auf die Entwicklung mathematischen Lernens ­zwischen dem zweiten Kindergartenjahr und dem ersten Schuljahr näher betrachtet. Außerdem sollten die Rolle bestehender Interdependenzen aller drei Komponenten auf die Entwicklung mathematischen Lernens untersucht sowie mögliche direkte und indirekte Einflüsse aufgedeckt werden. Die Befunde bestätigten einen Einfluss der sprachlichen Kompetenzen Wortschatz und Grammatik auf mathematische Leistungen. Dabei wurde deutlich, dass sich frühe Fertigkeiten beider sprachlicher Kompetenzen langfristig auf die Entwicklung mathematischen Lernens auswirken. So nahmen diese sowohl indirekt über die Entwicklung früher mathematischer Kompetenzen als auch direkt Einfluss auf die Mathematikleistungen im frühen Schulalter. Neben den Modellen früher mathematischer Kompetenzentwicklung (u. a. Krajewski, 2014) unterstützen diese Ergebnisse damit Erkenntnisse aus früheren Studien zum mathematischen Lernen im Grundschulbereich (Paetsch, 2016), nach welchen hohe Fertigkeiten in Wortschatz und Grammatik als ausschlaggebend für den mathematischen Fachwortschatz identifiziert werden können. Diese fachspezifische Teilkomponente der Bildungssprache hängt eng mit den mathematischen Leistungen im Unterricht zusammen. Der vergleichsweise dominante Einfluss der Grammatik in dieser Studie untermauert zudem, dass der Einfluss von Sprache sich nicht nur auf den Wortschatz bezieht. Der bereits gut dokumentierte Einfluss früher mathematischer Kompetenzen im Vorschulalter für das mathematische Lernen im Schulalter (u. a. Krajewski, 2014) wurde auch in der vorliegenden Untersuchung deutlich. Im Einklang mit den Ergebnissen früherer Studien (u. a. Dornheim, 2008) konnten vorschulische mathematische Kompetenzen als stärkste Prädiktoren mathematischer Schulleistungen identifiziert werden. Zudem zeigten diese in ihrer Entwicklung ein komplexes Zusammenhangs­ muster unterschiedlicher Kompetenzdomänen: Einerseits wurde neben dem bereits erwähnten Einfluss früher lexikalischer und grammatischer Kompetenzen auch eine Einflussnahme (schrift-)sprachlicher Vorläufer auf vorschulisches mathematisches Lernen deutlich. Dass das Ausmaß der phonologischen Bewusstheit vor dem Schuleintritt mit den mathematischen Basisfertigkeiten zusammenhängt, konnten bereits Krajewski und Schneider (2009) feststellen. Neben einer Replikation dieser Ergebnisse zeigte die vorliegende Untersuchung auch Zusammenhänge der ­frühen Buchstabenkenntnis mit den frühen mathematischen Kompetenzen. Diese heben die Bedeutung (schrift-) © 2020 Hogrefe

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sprachlicher Vorläufer innerhalb der frühen mathema­ tischen Entwicklung erneut hervor. Andererseits hingen innerhalb der Altersspanne kurz vor Schuleintritt auch die gemessenen Komponenten des Arbeitsgedächtnisses über mehrere Wege mit der Ausprägung früher mathematischer Kompetenzen zusammen. Die Ergebnisse offenbarten direkte wie auch indirekte Zusammenhänge der zentralen Exekutive mit den mathematischen Kompetenzen im Vorschulalter. Hier spielten erneut die schriftsprachlichen Vorläufer eine Rolle, welche Zusammenhänge der zentralen Exekutive wie auch der phonologischen Schleife mit mathematischen Kompetenzen mediierten. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen vorangehender Studien fungierte neben sprachlichen Mediatoren (Kyttälä et al., 2013; Röhm et al., 2017) zudem die zentrale Exekutive zwischen phonologischer Schleife und vorschulischen Mathematikleistungen (Röhm et al., 2017). Der Wechsel beschriebener Einflüsse einzelner Komponenten des Arbeitsgedächtnisses auf mathematische Leistungen im ersten Schuljahr kann im Einklang mit der ­Aussage von Ehlert (2007) auf eine intensive Entwicklungsphase innerhalb der Altersspanne zwischen 5 und 6 Jahren zurückgeführt werden. Hier erlangte innerhalb der vorliegenden Untersuchung einzig die phonologische Schleife einen direkten Einfluss auf die mathematischen Leistungen im ersten Schuljahr. Dagegen konnten keinerlei direkte Einflüsse der zentralen Exekutive mehr nachgewiesen werden. Auch die Ergebnisse von Ehlert (2007) zeigten neben einer Zunahme der Einflüsse der phonologischen Schleife innerhalb dieser Altersspanne eine Abnahme des auch hier verwendeten „Zahlennachsprechens rückwärts“, welches die „Koordinationskapazität bei der Kontrolle von Enkodier- und Abrufstrategien temporär gespeicherter Informationen“ (Seitz-Stein et al., 2012) misst. Differenziertere Messungen der zentralen Exeku­ tive, wie diese u. a. bei Ehlert (2007) eingesetzt wurden, lassen mit ansteigendem Alter einen Wechsel der Bedeutung unterschiedlicher zentral-exekutiver Maße vermuten. So erlangt im Rahmen der Untersuchung von Ehlert (2007) beim Übergang ins Schulalter die „selektive Fokussierung“ (Seitz-Stein et al., 2012), gemessen durch die „Stroop Aufgabe“, einen stärkeren Erklärungswert. Dieser Wechsel zentral-exekutiver Maße kann vermutlich auf einen zunehmenden Automatisierungsgrad mathemati­ scher Fähigkeiten mit ansteigendem Alter zurückgeführt werden. Weiterhin zeigte sich zwischen den anfangs erwähnten dominanten sprachlichen Kompetenzen der Grammatik und beiden gemessenen Arbeitsgedächtniskomponenten ein wechselseitiges Zusammenhangsmuster, welches auf eine Einflussnahme bereits vorhandener Fertigkeiten auf weitere Gedächtnis- und Lernleistungen hinweist. Ein vergleichbares Muster konnte bereits von Gathercole und Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 97 – 110


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Kollegen (1992) für die Entwicklung des Wortschatzes im Zusammenspiel mit der phonologischen Schleife identifiziert werden. Der sich hier abbildende Vorteil möglichst ausgeprägter vorschulischer Kompetenzen der Grammatik für die Leistungsfähigkeit beider Arbeitsgedächtniskomponenten könnte diese für den Aufbau mathematischer Schulleistungen – direkt wie auch indirekt – entlasten. Abschließend sollte gerade im Hinblick einer differenzierten Abgrenzung bestehender Einflüsse aller drei Komponenten – Sprache, Mathematik und Arbeitsgedächtnis – die alleinige Nutzung von Zahlenspannenaufgaben als Instrumente von Arbeitsgedächtnismaßen kritisch betrachtet werden. Eine eindeutige Zuschreibung gewonnener Ergebnisse auf die Verarbeitungskapazität der einzelnen Arbeitsgedächtniskomponenten kann aufgrund einer möglichen Konfundierung mit dem Zahlen-Vorwissen als Maß mathematischer (vgl. Dornheim, 2008) wie auch sprachlicher Kompetenz nicht garantiert werden. Nonverbale Maße, wie diese im Rahmen der vorliegenden Studie zur Abbildung kognitiver Grundfähigkeiten Verwendung fanden, wären auch zur eindeutigeren Abgrenzung zwischen den drei Domänen vorteilhafter. Die im Rahmen dieser Studie eingesetzten Instrumente kognitiver Grundfähigkeiten werden auch an anderer Stelle als indirekte Maße des zentral-exekutiven und visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses diskutiert (u. a. Engel de Abreu, Conway & Gathercole, 2010). Daran anschließend ließe sich auch in der vorliegenden Untersuchung der in den Entwicklungsphasen unterschiedliche Erklärungsbeitrag zentral-exekutiver Funktionen durch nonverbale Tests bestätigen (ein stärkerer Einfluss im Vorschulalter und ein

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Rückgang bei der Hervorsage schulischer Mathematikleistungen, vgl. Abb. 2). Andererseits gewinnen visuell-räumliche Maße an Bedeutung, die im Rahmen von NEPS nicht direkt erhoben wurden, aber für mathematisches Lernen bedeutend erscheinen (für eine Übersicht Alleen, Higgins & Adams, 2019). Gleichwohl bliebe das Problem einer möglichen Konfundierung mit den ursprünglichen nonverbalen Maßen kognitiver Grundfähigkeiten bestehen. Weitere direkte Messungen der einzelnen Teilkomponenten wären zur detaillierten Klärung dieser altersabhängigen Zusammenhänge vorzuziehen.

Fazit Die mit den NEPS-Daten gewonnen Ergebnisse leisten einen bedeutsamen Beitrag zur Erklärung des komplexen Beziehungsgefüges innerhalb der kindlichen Kompetenzentwicklung, die den mathematischen Leistungen von Kindern der ersten Klassenstufe zugrunde liegt. Die spezielle Bedeutung des vorschulischen mathematischen Wissensaufbaus, der frühen sprachlichen Kompetenzen inklusive (schrift-)sprachlicher Vorläuferfähigkeiten sowie der Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses legen nahe, mathematische Förderung bereits möglichst früh und mehrdimensional anzusiedeln. Eine besondere Aufmerksamkeit ist dabei der Diagnose von „Rechenschwäche“ als Teilleistungsstörung zu schenken, die in Gefahr steht, grundlegende Komplikationen in anderen Kompetenzbereichen zu übersehen.

Implikationen für die Praxis Die vorliegende Studie deckt komplexe Vorläuferprozesse für schulische Mathematikleistungen auf. Offenbar spielen hier domänenübergreifende Faktoren (sprachliche Kompetenzen, Arbeitsgedächtnis) im Entwicklungsprozess mathematischen Lernens bis ins Schulalter eine Rolle und sollten deshalb bereits in der vorschulischen Förderung Beachtung finden. Eine Schlüsselrolle scheint dabei der Sprachförderung zuzukommen, die auch direkt mit mathematischem Lernen, fachintegriert, verbunden

werden kann. Lernsituation sollten zudem gezielt auf eine Entlastung des Arbeitsgedächtnisses hinarbeiten, um dessen Ressourcen für die notwendigen Anforderungen im Rahmen mathematischer Kompetenzentwicklung freizuhalten. Durch eine Auswahl entsprechender Lernmaterialien, welche ihren Fokus auf das tatsächliche Lernziel minimieren und nicht das Arbeitsgedächtnis durch irrelevante Informationen unnötig belasten, wäre solch eine ressourcensensitive Didaktik möglich.

Forschungsmethoden Mit Fokus auf den mathematischen Entwicklungsprozess zwischen Vor- und Grundschulalter betrachtet die vorliegende Studie Interdependenzen zwischen Sprache, Mathematik und Arbeitsgedächtnis. Vorherige Studien mit vergleichbarem Fokus weisen auf komplexe Zusam-

Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 97 – 110

menhänge dieser drei Domänen hin, konnten aber keine Kausalitäten beim Übergang ins Schulalter abbilden. Mit dem Ziel, dieser Forschungslücke entgegenzuwirken, fanden im Rahmen der vorliegenden Studie längsschnittliche Daten einer deutschlandweit groß angeleg-

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ten Stichprobe (NEPS) Verwendung. Eine zunächst naheliegende Cross-Lagged Panel Analyse konnte jedoch nicht durchgeführt werden, da nicht zu allen interessierenden Parametern kontinuierliche Maße vorhanden sind. Längsschnittliche (zur Klärung der Richtung von Zusammenhängen) und querschnittliche (zur vertiefenden Abbildung aussagekräftiger Zusammenhangsmaße) Pfadanalysen konnten stattdessen unter Auswahl eines robusten Schätzers (MLR) durchgeführt werden. Die Betrachtung differenzierter Sprachmaße erlaubte es, deren spezifische Funktion im mathematischen Entwicklungs-

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prozess herauszuarbeiten. Zudem konnten altersabhängige Einflüsse unterschiedlicher Arbeitsgedächtniskomponenten (phonologische Schleife, zentrale Exekutive) abgebildet werden. Eine Einschränkung stellt das Fehlen visuell-räumlicher Arbeitsgedächtnismaße dar, die gerade für das mathematische Lernen relevant zu sein scheinen. Neben dem inhaltlichen Informationsverlust birgt diese unvollständige Abbildung des Arbeitsgedächtnisses die statistische Gefahr, die Anteile aufgeklärter Varianz vorhandener Arbeitsgedächtnismaße zu überschätzen.

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Wenn das kindliche Gehirn Kapriolen schlägt

Historie Manuskript eingereicht: 27.05.2019 Manuskript angenommen: 19.12.2019 Onlineveröffentlichung: 27.02.2020 ORCID Nurit Viesel-Nordmeyer https://orcid.org/0000-0001-6860-2700

Nurit Viesel-Nordmeyer Institut für Schulentwicklungs­ forschung (IFS) Technische Universität Dortmund (TU) Vogelpothsweg 78 44227 Dortmund Deutschland nurit.viesel@tu-dortmund.de

Renee Watling et al.

Sensorische Integration bei Kindern und Jugendlichen Leitlinien der Ergotherapie, Band 14 2019. 152 S., 2 Abb., 21 Tab., Kt € 34,95 / CHF 45.50 ISBN 978-3-456-85788-6 Auch als eBook erhältlich Körper und Umwelt senden Signale, die wir über die Sinne wahrnehmen und die unser Gehirn so verarbeitet, dass wir handlungsfähig und entwicklungsfähig werden. Wahrnehmen – verarbeiten – handeln: Das ist ein langer Weg mit Störungspotenzial. Eine sensorisch-integrative Ergotherapie setzt an den Entwicklungen des Kindes an, fordert und fördert es in seinem Alltag, wo sensorische Stimuli eingreifen: beim Spielen, beim Bewegen, beim Verhalten.

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Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 97 – 110

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Übersichtsarbeit

Motivationale Einflüsse auf exekutive Funktionen bei Aufmerksam­keitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) Ein systematisches Review Morena Lauth-Lebens1  und Gerhard W. Lauth2 1IB-Hochschule

Köln

2Humanwissenschaftliche

Fakultät, Universität zu Köln

Zusammenfassung: Problemstellung: Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) werden als Defizit der Selbststeuerung verstanden und vielfach mit exekutiven Dysfunktionen assoziiert. Es mehren sich die empirischen Hinweise auf einen Rückgang der symptoma­ tischen und funktionalen Handlungsbeeinträchtigungen unter extrinsisch motivierenden Bedingungen. Sie stammen aus experimentellen Untersuchungen zu dem Einfluss von Motivation auf verschiedene Zielbereiche. Ausgehend von einem lerntheoretischen Verständnis der Moti­vation erfolgt die experimentelle Bedingungsvariation meist über Verstärkerdarbietung. Entsprechend ihres hypothesengenerierenden Erkenntnisinteresses beinhalten die Arbeiten noch wenig Informationen über die bereichsabhängige Wirkspezifität. Hieraus ergibt sich das Forschungsrationale für ein systematisches Review zu bereichsspezifischen Verstärkereffekten bei ADHS. Zur Systematisierung und Synthese der Befunde bedient es sich neuropsychologischer Modellvorstellungen. Methode: Ausgehend von einer nach PRISMA Standards durchgeführten Recherche wurden 19 experimentelle Vergleichsstudien mit insgesamt 2.692 Kindern eingeschlossen und ausgewertet. Sie untersuchen „kalte“ exekutive Funktionen als abhängige Variablen und schließen aus verstärkerabhängigen Testleistungen auf motivationale Einflüsse. In der hier vorliegenden Studie wurden diese nach der Richtung (förderlich vs. abträglich) und Reichweite (optimierend sowie kompensatorisch und normalisierend) der erzielten Veränderung ausgewertet. Ergebnis: Insgesamt 19 Studien haben die Verstärkerwirkung an 32 abhängigen Variablen überprüft und bei 24 von ihnen leistungsförderliche Effekte festgestellt. Hierbei reichen die Veränderungen von einer Optimierung bis zu einer Normalisierung exekutiver Funktionen. Bei 8 abhängigen Variablen werden keine oder abträgliche Verstärkerwirkungen festgestellt. Schlussfolgerung: Zusammenfassend belegt die Forschung eine Verstärkerabhängigkeit exekutiver Dysfunktionen bei ADHS. Künftig scheint ein weniger deterministisches Verständnis der störungsspezifischen Dysfunktionen als nützlich und angebracht für Theoriebildung und Therapiepraxis. Schlüsselwörter: Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung, Verstärkereffekte, Motivation, exekutive Funktionen Systematic Review of Motivational Effects on Executive Functions in Attention Deficit / Hyperactivity Disorders (ADHD) Abstract: Attention deficit / hyperactivity disorders (ADHD) are conceived as a self-regulation deficit and associated with executive dysfunctions. Various studies have documented substantial improvements or even normalisation of symptomatic and functional impairments under contingent reinforcement. In an attempt to synthesize the empirical findings, the present literature study seeks to review the available evidence. Methods: Twenty-three studies with a total of 2.692 children were derived from a literature search based on PRISMA Standards. They measured „cold“ executive functions as dependent variables and operationalised motivational influences as reinforcement-­dependent test performance. Systematic variations of experimental conditions have been realised in these studies to evaluate reinforcement effects. They have been analysed according to their direction (positive vs. negative effects) and the dimensions (optimising as well as compensating and normalising) of change. Results: From 32 dependent variables investigated in the 19 studies, 24 have documented improved executive functioning under reinforcement conditions. No effects or negative ones could be observed on 8 of the 32 dependent variables. Discussion: There is pervasive evidence for differential effects on executive functions conferred by reinforcement. Additional research on the underlying motivational dimensions is both warranted and needed to advance current theories and treatment of ADHD. Keywords: Attention deficit / hyperactivity disorder, reinforcement conditions, motivation

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Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 111 – 125 https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000284


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Einleitung

2007, S. 233). Ähnlich wie bei der Intelligenz finden sich in der Forschungsliteratur zu exekutiven Funktionen sowohl bereichsübergreifend-unidimensionale als auch domänenspezifisch-mehrfaktorielle Modellvorstellungen. Als bereichsübergreifende Faktoren werden die motorische Inhibition (Barkley, 1997a) sowie die mentale Integration von zeitversetzten Ereignissen genannt (Fuster, 2002). Mehrdimensionale Modelle unterscheiden sich in der Art und Anzahl der angenommenen Exekutivfunktionen. Teilweise beziehen sie sich auf die Bereiche von Verhaltenshemmung sowie Arbeitsgedächtnis und Umstellungsflexibilität (Miyake et al., 2000). Störungstheoretisch begründete Modelle sehen die Selbstmotivation und Affekt- oder Erregungsregulation als weitere exekutive Teildimension an (Barkley, 1997a, b). Übereinstimmend damit werden „heiße“ und „kalte“ Regulationsebenen von exekutiven Funktionen unterscheiden (Zelazo & Carlson, 2012; Zelazo, Qu & Kesek, 2010; Denckla, 1996). Kalte exekutive Funktionen beinhalten top-down Kontrolle in neutralen oder abstrakten Situationen wie einem computergestützten Arbeitsgedächtnistest. Heiße exekutive Funktionen umfassen top-down Kontrolle in motivational bedeutsamen Situa­ tionen wie emotionalen Entscheidungen (Zelazo et al., 2010, S. 98; Zelazo & Müller, 2002; S. 455). Ausgehend von den heterogenen Konstruktdefinitionen wurde ein taxonomisches Ordnungssystem zur Differenzierung exekutiver Funktionen entwickelt (Drechsler, 2007). Es nimmt einerseits die Prozess- und Komplexitätsmerkmale in den Blick und gleichsam Bezug auf die zu regulierenden Bereiche. Als exekutive Prozesse werden das Hemmen und Initiieren sowie Wechseln beschrieben. Sie können sowohl auf komplexer als auch basaler Anforderungsebene stattfinden und der sozialen und emotionalen sowie kognitiven und aktivitätsbezogenen Kontrolle dienen (Drechsler, 2007, S. 236). Zusammenfassend bietet das Mehrebenenmodell eine neuropsychologisch begründete Systematisierung und Synthese von exekutiven Funktionen.

Problemstellung

A

llgemein wird die Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) als Mangel an Selbststeuerung verstanden und mithilfe von mehrdimens­ ionalen Bedingungsmodellen erklärt (vgl. Hybrid Modell, Barkley, 1997c; Dual Pathway model, Sonuga-Barke, 2002, 2003; Multiple Pathway Model, Cortese et al. 2012; Castellanos, Sonuga-Barke, Milham & Tannock, 2006; Nigg & Casey, 2005). Demnach ist den unaufmerksamen sowie impulsiven und hyperaktiven Verhaltenssymptomen der ADHS eine mangelnde Selbststeuerung gemeinsam und von einer bio-psycho-sozialen Ätiopathogenese auszugehen (Wiersema & Godefroid, 2018; Barkley, 2011). Definitionsgemäß bezeichnet Selbststeuerung eine auf antizipierte Verhaltenskonsequenzen ausgerichtete und absichtsvolle Einflussnahme auf das eigene Handeln (Barkley, 2001). Sie umfasst die selbstgerichtete Handlungskontrolle einschließlich des Bedürfnis- und Belohnungsaufschubs zugunsten internal repräsentierter Zielvorstellungen. Auch kognitive Vorgänge wie die Aufmerksamkeit sind als Handlungen einzustufen und von gelingender Selbststeuerung abhängig (Barkley, 1997a). Dazu gehört etwa die Analyse der Anforderungssituation sowie die Selektion von relevanten Reizen. Bei einer ADHS werden diese regulativen Prozesse nicht hinreichend wirksam und daher symptomatische Handlungsbeeinträchtigungen der Aktivierungs-, Aufmerksamkeits- und Affektsteuerung berichtet. Sie lassen sich entsprechend der diagnostischen Symptomkriterien des ICD-10 sowie DSM 5 anhand von exemplarischen Verhaltensbesonderheiten beschreiben. Ungeachtet ihrer termin­ ologischen und nosologischen Differenzen stimmen die beiden Klassifikationssysteme in ihren phänomenologischen Symptombeschreibungen weitgehend überein (Levy, 2014; Polanczyk et al., 2007, S. 942): Als typische Verhaltensmanifestationen von Unaufmerksamkeit sind leichte Ablenkbarkeit und mangelnde Sorgfalt zu nennen: Impulsive Symptome umfassen Dazwischenrufen oder Unterbrechungen ebenso wie Wutausbrüche (vgl. Werling, Drechsler & Walitza, 2014, S. 262). Hyperaktive Symptome treten bei ­ihnen vielfach als situationsinadäquates Umherlaufen während des Unterrichts (vgl. Werling et al., 2014, S. 262) oder bei Mahlzeiten in Erscheinung (vgl. Schulte-Körner, 2008, S. 740 & 743). Exekutive Funktionen Als wesentliche Vorbedingung der Selbststeuerung gilt die Ausübung von exekutiven Funktionen (Hofmann, Schmeichel & Baddeley, 2012; Barkley, 1997c). Es handelt sich um kognitive Funktionen höherer Ordnung zur „topdown“ Regulation domänenspezifischer Prozesse (Drechsler, Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 111 – 125

Modellannahmen zur Konsekution primärer und sekundärer Dysfunktionen bei ADHS Gemäß dem Hybrid-Modell handelt es sich bei der Hemmungskontrolle um einen hierarchisch vorgelagerten Teilbereich der exekutiven Funktionen: Erst die „top-down“ Hemmung ungeeigneter Reaktionen gestattet die Initiierung von anderen Exekutivfunktionen. Dementsprechend nimmt die mangelhafte Hemmungskontrolle einen bedeutsamen ätiologischen Stellenwert als „primäres“ Defizit der ADHS ein. Ideengeschichtlich geht die Annahme der mangelnden Verhaltenshemmung auf die klinische Grundlagenforschung zu behavioralen Inhibitions- und Aktivierungssystemen zurück (Quay, 1984; Gray, 1984). Demnach liegt der mangelnden Hemmungs- oder Inhibitionskontrolle eine kortikale Unteraktivierung der für exekutive Funktionen wichtigen Hirn­ © 2020 Hogrefe


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regionen zugrunde. In der Forschungsliteratur wurde die Aktivierungsschwäche des Frontallappens bei ADHS schon früh erkannt und seither immer wieder bestätigt (Satterfield, Schell & Nicholas 1994). Aus dem damit einhergehenden Inhibitionsdefizit folgen sekundäre Beeinträchtigungen anderer für Selbststeuerung wichtiger Exekutivfunktionen. Nach Annahme des Hybrid-Modells verläuft der Störungspfad hauptsächlich über kognitiv-exekutive Pathomechanismen. Mehrere Studien belegen dies und assoziieren die exekutiven Defizite mit symptomatischen Handlungsbeeinträchtigungen der Aktivierungs-, Aufmerksamkeits- und Affektsteuerung assoziiert (Pievsky & McGrath, 2018; Hart, Radua, Nakao, Mataix-Cols & Rubia, 2013; Willcutt, Doyle, Nigg, Faraone & Pennington, 2005). Anderenorts können aber keine exekutiven Defizite festgestellt und die störungsspezifischen Symptome der ADHS nicht allein „top-down“ erklärt werden (Sjörwall, Roth, Lindqvist & Thorell, 2013. Bei der Interpretation solchermaßen theoriekonträrer Befunde sind zwei methodische Limitierungen der Forschungsliteratur zu bedenken: Erstens verstellen insensitive und eher für klinisch-neuro­ psychologische Screenings geeignete Erhebungsmaße den Blick auf mithin subtile Funktionsunterschiede (Chan, Shum, Toulopoulou & Chen, 2008, S. 202). Zweitens handelt es sich selten um „reine“ Maße mit hinreichender Isolierung der exekutiven Funktionen von konstruktnahen Prozessmerkmalen. Stattdessen beinhalten die eingesetzten Aufgaben auch über exekutive Funktionen hinausgehende Anforderungen und weisen eine mangelnde „task purity“ auf (Kofler et al., 2019; Drechsler, 2007). Abhängig von der Rate der Stimulusdarbietung bringen einige Testaufgaben einen erhöhten „state regulation load“ mit sich (vgl. Corkum & Siegel, 1993, S. 1237). Erst der Einsatz mehrerer Subtests für einzelne exekutive Funktionen vermag der mangelnden „task purity“ entgegenzuwirken (Willoughby, Blair & The Family Life Project Investigators, 2016). Genau dieses Forschungsrationale liegt einer aktuellen Studie zu exekutiven Dysfunktionen bei ADHS zugrunde (Kofler et al., 2019). Insgesamt 136 von ADHS betroffene Kinder zwischen 8 und 13 Jahren wurden mithilfe einer mehrdimensionalen Testbatterie untersucht. Sie umfasst jeweils 2 – 3 Subtests für Inhibitionskontrolle sowie Arbeitsgedächtnisleistung und Umstellungsflexibilität. Nach den Ergebnissen liegen bei 89 % der untersuchten Kinder exekutive Funktionseinschränkungen in mindestens einem Teilbereich vor. Insofern substantiieren die Befunde die Annahme eines von mangelnder „top-down“ Kontrolle ausgehenden Pathomechanismus (Kofler et al., 2019). Modellannahmen zur Koexistenz von motivationalen und exekutiven Störungspfaden der ADHS Neben den methodischen liegen auch ätiologische Erklärungen für die diskrepante Studienlage zu exekutiven Dys© 2020 Hogrefe

funktionen bei ADHS nahe. Nach dem Dual-Pathway-­ Model (DPM) können sowohl exekutive als auch motivationale Beeinträchtigungen über funktionell un­ abhängige Störungspfade in die symptomatischen Verhaltensmanifestationen einmünden. Es verortet exekutiv-­ kognitive („top-down“) Prozesse in meso-kortikalen Netzwerken und grenzt diese von motivationalen („bottomup“) Funktionen der meso-limbischen Schleife ab (vgl. DualPathway-Model von Sonuga-Barke, 2002, 2003; Sergeant, Geurts, Huijbregts, Scheres & Oosterlaan, 2003). Hierbei werden aufsteigende („bottom-up“) Effekte angenommen, die von aversiven oder appetitiven Stimuli ausgehen und auf diesem Wege die Selbststeuerung beeinflussen (Sergeant et al., 2003). Dafür sprechen Befunde, die bei Kindern mit ADHS eine Verzögerungsaversion sowie eine Präferenz für kleine und baldige Belohnungen feststellen (Demurie, Roeyers, Baeyens & Sonuga-Barke, 2012; Sagvolden & Sergeant, 1998). Gleichsam bleibt aber der Einfluss exekutiver „top-down“ Kontrolle auf das Verhalten in diesen emotional bedeutsamen Entscheidungssituationen unberücksichtigt. Insofern liegt dem Dual-Pathway-Model ein auf kog­nitive Regulation limitiertes Verständnis von exekutiven Funktionen zugrunde. Andere Modellvorstellungen betrachten die Motivation hingegen als Regulationsebene der exekutiven Funktionen (Zelazo et al., 2010; Drechsler, 2007; Barkley, 1997b; Denckla, 1996). Modellannahmen zur Konnektivität exekutiver und motivationaler Prozesse bei ADHS Gemäß dem kognitiv-energetischen Modell (cognitive energetic model; CEM) besteht ein Wirkzusammenhang zwischen exekutiver „top-down“ Kontrolle und motivationalen „bottom-up“ Prozessen (Sergeant, Piek & Osterlaan, 2006; Sergeant et al., 2003). Es verortet die störungsspe­ zifischen Beeinträchtigungen auf drei Ebenen und referenziert dabei auf bewährte Modelle der Informationsverarbeitung (Hockey, 1997; Pribram & McGuinness, 1975; Sanders, 1983; Kahneman, 1973). Auf der ersten Ebene befinden sich die an Aufmerksamkeit beteiligten kognitiven Prozesse der Informationsverarbeitung. Sie interagieren mit einem reizreaktiven „bottom-up“ System zur Regulierung von energetischen Zuständen auf der zweiten Ebene: Vielfach befinden sich die betroffenen Kinder in einem Zustand der Unter- oder Überaktivierung und tendieren zu einer mangelhaften Verhaltensorganisation. Als hierarchisch übergeordnete energetische Variable vermag „Effort“ den aktuellen Erregungs- und Aktivierungszustand zu ­modulieren und an die situativen Anforderungen anzupassen. Er umfasst Motivation sowie Responsivität gegenüber Kontingenzen und untersteht der dritten Modellebene (Sergeant, Osterlaan & van der Meere, 1999, S. 86). Dort evaluiert ein mit exekutiven Funktionen assoziiertes Kontrollsystem (vgl. Pennington, Bennetto, McAleer & Roberts, Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 111 – 125


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1996) die energetischen und kognitiven Prozesse und informiert über den benötigten Effort (Sonuga-Barke, Wiersema, van der Meere & Royers, 2010; Sanders, 1983). Von der exekutiven Kontrolle ausgehend verläuft also ein „topdown“ Pfad über Effort bis zur Verhaltensorganisation ­(Sergeant 2005; Sanders, 1983). Umgekehrt beziehen die exekutiven Funktionen „bottom-up“ Feedback zu kognitiven Leistungen sowie Kosten-Nutzen Erwartungen (Sergeant et al., 1999, S. 78). Mangelndes „bottom-up“ Feedback sowie unzureichender Effort erschweren demnach den Abruf exekutiver Funktionen. Ohne Effort erfolgt keine Übersetzung exekutiver Kompetenzen in tatsächliche Performanz: „the primary monitoring function is intact in children with ADHD, but the consequences of monitoring are not implemented“ (Sergeant, 2005, S. 1250). Neuere Erkenntnisse über das neurophysiologische Ruhezustandsnetzwerk stützen die Annahme einer sehr voraussetzungsreichen und ressourcenintensiven State Re­ gulation (Sonuga-Barke & Castellanos, 2007). Demnach weist das sogenannte default mode network bei ADHS ein hohes Beharrungsvermögen auf und lässt sich nur mithilfe erheblichen Efforts herunter regulieren. Dies wird durch Befunde untermauert, wonach Kinder mit ADHS ihre Aktivierung nur unzureichend von sich aus regulieren (state regulation model; vgl. Johnson, Wiersema & Kuntsi, 2009; van der Meere, 2005). Insbesondere bei anregungsarmen und repetitiven Aufgaben tendieren sie zu einer auf Anstrengungsmeidung ausgerichteten Regulation, während abwechslungs- und anregungsreiche Aufgaben ausgleichend wirken (Metin et al., 2014, Metin, Roeyers, Wiersema, van der Meere & Sonuga-Barke, 2012; Sergeant, 2005; van der Meere, 2005; Satterfield, Schell, Nicholas, Satterfield & Freese, 1990). Schlussfolgernd liegt den Befunden zu exekutiven Funktionseinschränkungen bei ADHS nicht notwendigerweise ein strukturelles und personenintern festgeschriebenes Defizit zugrunde (Kuntsi, Wood, van der Meere & Asherson, 2009). Vielmehr lassen sich diese auch mit dem unzureichenden Aktivierungszustand sowie einer mangelnden Zuweisung von „Effort“ erklären und gewissermaßen als Nutzungsdefizit einordnen: „the engine is intact (i. e. basic information processing capacity is intact), but there is a problem with the petrol supply (i. e. the utilization of cognitive capacity depends on state factors such as incentives …“; van der Meere, 2002, S. 189). Es ist anzunehmen, dass Kinder mit ADHS stärker auf eine „motivierende Umgebung“ (z. B. aktivierende Stimulipräsentation, Auslobung von Belohnung sowie verhaltensnahe Rückmeldungen) angewiesen sind (Drechsler, Rizzo & Steinhausen, 2010; Satterfield et al., 1994). Hierin besteht ­weitgehende Übereinstimmung mit Arbeiten aus der neuropsychologischen Grundlagenforschung zu exekutiven Funktionen (Nigg, 2017; Hofmann et al., 2012; Zelazo et al., 2010; Drechsler, 2007). Danach nehmen Affekt und An-

trieb mithin auch „bottom-up“ Einfluss auf die exekutive Funktionen (vgl. Drechsler, 2007, S. 235; Denckla, 1996).

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Extrinsische Motivation als leistungsfördernde Bedingung von exekutiven Funktionen bei ADHS Zwischenzeitlich haben die motivationalen Dimensionen von exekutiven Funktionseinschränkungen und symp­ tomatischen Verhaltensmanifestationen vermehrtes Forschungsinteresse gefunden (Metin et al., 2012; SonugaBarke et al., 2010; Shiels et al., 2008; Aase & Sagvolden, 2006). Zur Untersuchung motivationaler Einflüsse bedienen sich viele Studien einer experimentellen Bedingungsvariation. Ausgehend von einem lerntheoretischen Motivationsverständnis dient der Einsatz operanter Verstärker als unabhängige Variable (vgl. Shiels et al., 2008, S. 905). Allgemein kann der Einsatz verstärkender Stimuli als Grundprinzip operanter Verfahren gelten. Mit „Operant“ wird eine „natürlich“ vorkommende Verhaltensäußerung wie etwa die korrekte Antwort im Daueraufmerksamkeitstest bezeichnet. Auf das gewünschte Antwortverhalten folgt die Darbietung positiver oder Entfernung negativer Stimuli. Damit „operiert“ das Kind aktiv in seiner Umgebung und ruft dort positive oder negative Konsequenzen mit seinem Verhalten hervor. Unter Bedingungen kontingenter und positiver Verstärkung wird dieses in seiner Auftretenswahrscheinlichkeit gesteigert und eine Verhaltensformung („Shaping“) veranlasst. Klinische Interven­ tionsstudien belegen die positiven Effekte von operanten Verfahren auf kindliche Verhaltenssymptome der ADHS (Barkley, 2002). Neben der Symptomatik verbessert die Verstärkerdarbietung auch die für die Aufmerksamkeits-, Affekt- und Aktivierungssteuerung wichtigen exekutiven Funktionen: Metaanalytische Befunde (N = 10) weisen auf eine Verbesserung der Inhibitionsleistung unter Verstärkerbedingungen hin: Nach den Ergebnissen der eingeschlossenen Bildgebungsstudien konnten diese exekutive Dysfunktionen unter Verstärkung eingeebnet werden. Auch auf breiterer empirischer Ebene eines Review (N = 1.181) bestätigt sich der leistungsfördernde Verstärkereffekt bei ADHS (Luman, Osterlaan & Sergeant, 2005). Differenzielle Effekte wurden aber nur zwischen den Gruppen und nicht auf Ebene der untersuchten Funktionen berichtet: In dem Review erfolgte keine nach übergeordneten Funktionsbereichen aufgefächerte Auswertung der Verstärkereffekte (Luman et al., 2005, S. 209). Forschungsrationale des Reviews und Hypothesen zu leistungsfördernden Verstärkereffekten Mit dem vorliegenden Review sollen die aktuellen Befunde zur Verstärkerwirkung bei ADHS systematisiert werden. Es zielt auf eine nach verschiedenen Funktionsbereichen aufgeschlüsselte Zusammenschau störungsspezifischer Verstärkereffekte und bedient sich hierzu eines neuropsycho© 2020 Hogrefe


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logisch begründeten Ordnungssystems (Drechsler, 2007). Danach lassen sich exekutive Funktionen auf unterschiedlichen Komplexitäts- und Regulationsebenen verorten und entsprechend dieser Differenzierungsdimensionen mithilfe spezifischer Aufgabenparadigmen überprüfen. Im Methodenteil findet sich eine tabellarische Zuordnung von verschiedenen Aufgabentypen zu exekutiven Funktionsbereichen. Sie verhilft zur Beantwortung der Frage nach differenziellen Verstärkereffekten auf verschiedene Funktions- oder Anforderungsebenen. Als theoretisch begründeter Referenzpunkt für die Formulierung von spezifischen

Wirksamkeitsannahmen bieten sich die eingangs referierten Ätiologiemodelle an. y Gemäß des Hybrid-Modells umfassen die vier exekutiven Funktionen zweiter Ordnung auch eine motivationale Dimension: Selbstmotivation und Regulierung von Emotionen und Erregung. Zusammen mit anderen sekundären Exekutivfunktionen wie Arbeitsgedächtnis- und Selbstinstruktionsprozessen tragen sie zur Aktivitätsund Aufmerksamkeitssteuerung bei und unterstehen inhibitorischer „top-down“ Kontrolle. Als Primärfunktion wäre diese von motivationalen „bottom-up“ Einflüssen

Identifizierung

M. Lauth-Lebens & G.W. Lauth: Effekte von Motivation auf EF bei ADHS

Datenbankrecherche

Händische Recherche

(n = 112)

(n = 21)

Nachrecherche in 2018 (n = 5)

Screening

Studien nach Entfernung von Duplikaten (n = 93)

Überprüfte Studien

Einschluss

Eignungsprüfung

(n = 68)

Nach Ein- und Ausschlusskriterien bewertete Volltextstudien (n = 36)

Ausgeschlossene Studien (n = 32)

Ausgeschlossene Studien (n = 19)

Ausgeschlossene Studien (n = 3)

In den Review inkludierte Studien (n = 19)

Abbildung 1. Diagramm zur Literaturrecherche nach PRISMA. Aus Moher, D., Liberati, A., Tetzlaff, J., & Altman, D. G. (2009). Preferred reporting items for systematic reviews and meta-analyses: the PRISMA statement. PLoS Medicine, 6(7), e1000097. https://doi.org/10.1371/ journal.pmed.1000097 Abbildung 1. Diagramm

zur Literaturrecherche nach PRISMA. Aus Moher, D., Liberati, A., Tetzlaff, J., & Altman, D. G. (2009). Preferred reporting items for systematic reviews and © 2020 Hogrefe Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 111 – 125 meta-analyses: the PRISMA statement. PLoS Medicine, 6(7), e1000097. https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1000097


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unabhängig und ein Verstärkereffekt auf sekundäre und symptomatische Bereiche anzunehmen (vgl. Barkley, 1997a, S. 84). yy Aus Perspektive des Dual-Pathway-Models wäre der Wirkzusammenhang zwischen motivationalen und exekutiven Störungspfaden als hypothesenkonträr zu beurteilen: Denn gemäß der angenommenen Dissoziation der Störungspfade sind die exekutiven Funktionen von motivationalen Prozessen weitgehend unabhängig. Verhaltenskontingente Verstärkung würde hauptsächlich die störungsspezifischen Motivationsdefizite kompensieren und damit die symptomatischen Verhaltensmanifestationen reduzieren. Daher liegt die Annahme eines auf Symptombereiche wie die Aufmerksamkeit beschränkten Verstärkereffekts nahe. yy Nach dem kognitiv-energetischen Modell hängen exekutive Funktionen mit „bottom-up“ Aktivierung und Feedback zusammen (Sanders, 1983). Anders als die beiden vorherigen Modelle geht es weniger von einem struktu­rell-konstitutionellem Defizit als vielmehr einer situativ-­kontextabhängigen „state regulation“ aus (Sergeant et al., 1999, Sergant, 2000). Extrinsische Motivation gleicht mangelnden Effort aus und verhilft zur Aktivierung exe­kutiver Funktionen (Drechsler et al., 2010). Gerade Inhi­bition (Oosterlaan & Sergeant, 1998) und Daueraufmerksamkeit hängen von Effort und Leistungsfeedback ab.

ergänzenden Recherche verwendet und die bereits recherchierte Literatur händisch auf weitere geeignete Quellen überprüft.

Methodik Literaturrecherche Es fand eine systematische Recherche nach veröffentlichten Studien mit experimenteller Versuchsanordnung im Zeitraum von 2005 bis 2018 statt. Hierbei wurde zwei­ stufig vorgegangen und die erste Recherche zwischen ­September und Dezember 2016 realisiert. Zur Einbeziehung aktueller Literatur wurde im November 2018 eine Nachrecherche vorgenommen. Sowohl die Suchstrategie als auch Studienselektion erfolgten nach Standards gemäß PRISMA (Moher, Liberati, Tetzlaff & Altman, 2009). Ausgehend von ätiologischen Modellvorstellungen sowie der Methodik einer vorliegenden Übersichtsarbeit (Luman et al., 2005) wurden die jeweils deutsch- und englisch­ sprachigen Suchbegriffe festgelegt: „ADHS“, „Belohnung“, „Verstärkung“, „Aufmerksamkeit“, „Lernen“, „Motivation“, „Leistung“, „Gedächtnis“ und „Inhibition“. Recherchiert wurde in den Datenbanken PubPsych, PubMed, Science Direct / Elsevier Journal Backfiles sowie Web of Science Core Collection. (s. Abb. 1). Darüber hinaus wurde Google Scholar zur orientierenden und Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 111 – 125

Studienselektion Gemäß der nach einer Vorabrecherche festgelegten Einschlusskriterien wurden Studien mit folgenden Merkmalen in das Review aufgenommen: 1. Einer entsprechend des ICD-10 oder DSM-IV, DSM-IV TR oder DSM 5 auf ADHS diagnostizierten klinischen Stichprobe 2. Gruppenvergleichen zwischen klinisch unauffälligen oder von einer anderen Störung als ADHS betroffenen Kindern bis maximal 18 Jahren 3. Einer Variation von Bedingungen mit und ohne Verstärkerdarbietung als unabhängige Variable (UV) 4. Objektive Verhaltensdaten aus Erhebungsmaßen der Testleistung als abhängige Variable (AV). Hierzu gehören prozess- und ergebnisorientierte Leistungsmaße wie etwa Daueraufmerksamkeit, Richtiglösungen oder Fehlerquote. 5. Einer mindestens 24-stündigen Aussetzung von Psychostimulanzien bei Probanden unter Medikation (vgl. Greenhill, 1998) Nicht aufgenommen wurden Untersuchungen mit ausschließlich neuro- oder psychophysiologischen AVn sowie Experimente zum verstärkerbezogenen Entscheidungsverhalten (bspw. Wahl zwischen verschiedenen Verstärkervarianten). Einige Studien haben mehrere Erhebungsmaße eingesetzt oder über die eigentlichen Leistungsparameter hinaus weitere Teilergebnisse erfasst. Zur Vermeidung von HARKING-Effekten („Hypothesizing After Results are Known“; vgl. Ulrich et al., 2016) wurden hier nur die tatsächlich verstärkten Leistungen als AVn berücksichtigt.

Überprüfung und Auswertung der Effekte von Verstärkung In den eingeschlossenen Studien wurde überwiegend ein 2 × 2 Versuchsplan mit Messwiederholung im zweiten Faktor realisiert. Beim ersten Faktor handelt es sich um die mindestens zweistufig angelegte Gruppenzugehörigkeit (ADHS betroffene vs. klinisch unauffällige Kinder); beim zweiten Faktor um die mit Messwiederholung verbundene Bedingungsvariation (mit vs. ohne Verstärkung). Insofern lässt sich die Verstärkerwirkung bevorzugt an einem Interaktionseffekt von Gruppe × Messwiederholung überprüfen. Gemäß dieser versuchsmethodischen Differenzierung sind 4 Kategorien zur Auswertung möglicher Verstärkereffekte festzuhalten: © 2020 Hogrefe


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1. Kein Effekt oder negativer Effekt: gemessen an der fehlenden oder negativen Veränderung der Testleistung unter Verstärkung gegenüber der Kontrollbedingung 2. Optimierungseffekt: gemessen am Leistungszuwachs ­unter Verstärkerbedingungen gegenüber der eigenen Baseline (Innergruppenvergleich) 3. Kompensationseffekt: bestimmt anhand des Leistungszuwachses gegenüber der Kontrollgruppe unter Verstärkerbedingungen (Inner- und Zwischengruppenvergleich) 4. Normalisierungseffekt: definiert als Aufhebung von Leistungsunterschieden zu unauffälligen Kindern unter Verstärkung (Inner- und Zwischengruppenvergleich)

Ergebnisse Es erfolgte eine qualitative Auswertung der Studienmerkmale einschließlich der Bedingungsvariationen und ihrer Effekte (siehe Tabelle E1 im Elektronischen Supplement ESM1).

Stichprobenparameter An den eingeschlossenen 19 Studien nahmen insgesamt 2.692 Kinder und Jugendliche teil (Schwankungsbreite zwischen 32 und 1.214). Bei zwei Studien lag die Stich­ probengröße unter 50 Teilnehmern (Kohls, HerpertzDahlmann & Konrad, 2009; Vloet, Konrad, HerpertzDahlmann & Kohls, 2011). Kuntsi et al. (2009) führten ihre Untersuchung an einer deutlich größeren Stichprobe mit 1.214 Kindern durch.

Abhängige Variablen (AVn) In allen Studien wurden computerbasierte Erhebungsmaße beispielsweise zur Daueraufmerksamkeit oder Inhibitionsleistung eingesetzt: yy Zwei Studien haben die Daueraufmerksamkeit erhoben und hierzu den Continuous Performance Test (CPT) eingesetzt (Bubnik, Hawk, Pelham, Waxmonsky & Rosch, 2015; Fosco, Hawk, Rosch & Bubnik, 2015). yy In vier Studien wurde der Stopp-Signaltest (SST) als Maß für die Inhibitionsleistung eingesetzt (Shanahan, Pennington & Willcutt, 2008; Fosco et al., 2015; ­Dekkers et al., 2017; Rosch et al., 2016). Bei diesen Aufgaben werden computergestützt verschiedenartige Reize dargeboten. Aufgabe der Probanden war es, auf einen bestimmten Zielreiz hin schnellstmöglich zu reagieren. Sofern nach dem Zielreiz ein Stoppsignal erfolgte, sollte die Reaktion unterbleiben. yy Vier Studien haben den Go- / No-Go Test (GNG) als Maß der Inhibitionskontrolle verwendet (Kohls et al., 2009; © 2020 Hogrefe

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yy

Kuntsi et al., 2009; Vloet et al., 2011; Demurie et al., 2016). Hierbei wurden den Probanden computergestützt unterschiedliche Reize dargeboten. Sie sollten auf eine bestimmte Reizabfolge schnellstmöglich reagieren (Go-Bedingung), andere Reizfolgen jedoch ignorieren (No-Go-Bedingung). In vier Studien wurden Schnelligkeit oder Schätzgenauigkeit in einem Reaktionszeittest untersucht (Andreou et al., 2007; Kuntsi et al., 2009; Luman, Osterlaan & Sergeant, 2008; Luman et al., 2009). Vier Studien einer Arbeitsgruppe haben Arbeits- und Kurzzeitgedächtnisleistungen mithilfe eines eigens entwickelten „Chessboard-Tests“ gemessen (Dovis, van der Oord, Wiers & Prins, 2012; Dovis, Van der Oord, Wiers & Prins, 2013; Dovis, van der Oord, Huizenga, Wiers & Prins, 2015; Dovis, van der Oord, Wiers & Prins, 2015). Zwei Studien haben die Arbeitsgedächtnisleistung im N-Back-Test als abhängige Variable untersucht. Hierbei geht es um die Wiedererkennung eines zuvor dargebotenen Zielreizes aus einer Abfolge an Stimuli (Fosco et al., 2015; Strand et al., 2012). In jeweils einer Studie wurden der Ericksen Flanker Test (Rosch & Hawk, 2013) und der Stroop Test (Ma, van Holstein et al., 2016) eingesetzt.

In allen Testverfahren erfolgte eine automatisierte Erhebung und Auswertung der Daten. Dabei wurden sowohl Outcomevariablen wie die Richtiglösungen oder Fehlerzahl einerseits sowie prozessorientierte Verhaltensdaten wie Reaktionszeit oder deren Variabilität andererseits gewonnen. Zuordnung der abhängigen Variablen zu Funktionsbereichen Aus den oben aufgeführten abhängigen Variablen gehen indirekt auch die untersuchten Zielbereiche wie etwa exekutive Funktionen oder symptomatische Defizite hervor. Nicht immer lässt die Beschreibung der abhängigen Variablen eindeutige Schlussfolgerungen über den anvisierten Ziel- oder Funktionsbereich zu. Außerdem sind Variablen wie etwa Daueraufmerksamkeit testtheoretisch teils mehrfach funktional besetzt und als Maß symptomatischer wie auch exekutiver Defizite zu interpretieren (Börger et al., 1999). Neben der eher atheoretischen und datengestützten Beschreibung (task-driven) folgt nachstehend eine von neuropsychologischen Modellvorstellung geleitete und damit deduktiv angelegte Einordnung der abhängigen Variablen (theory-driven, van der Meere, 2005; S. 427; Pennington & Ozonoff, 1996, S. 57). Als Differenzierungsdimensionen dienen die mit den spezifischen Aufgabenparadigmen assoziierten Komplexitäts- und Regulationsebenen der exekutiven Funktionen (vgl. Drechsler, 2007). Von den insgesamt 4 Regulationsebenen des Modells treffen nur 2 auf die in den Studien Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 111 – 125


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untersuchten AVn zu. Entsprechend der Ein- und Ausschlusskriterien umfasst das Review ausschließlich experimentelle und keine auf emotionale Regulationsbereiche ausgerichteten Studien. Daher bleiben die mithilfe von klinischen Skalen erhobenen sozialen ebenso wie die emotionalen Regulationsprozesse aus Studien ohne verstärkerfreie Kontrollbedingung unberücksichtigt (siehe Tabelle 1).

Ergebnisse der Verstärkervariation Aus den 19 eingeschlossen Studien gehen insgesamt 32 Ergebnisse zu den Effekten von Verstärkung hervor. Bei der Auswertung der Verstärkereffekte wurde deren Richtung und Reichweite berücksichtigt. Mit „Richtung“ wird die positive oder negative sowie fehlende Veränderung der Testleistungen unter Verstärkerbedingungen bezeichnet. Als „Reichweite“ ist das Ausmaß der positiven Effekte von Verstärkung zu verstehen. Entsprechend der Beschreibung im Methodenteil werden die Verstärkereffekte anhand des folgenden Ordnungssystems kategorisiert (siehe Tab. 1). 1. Negative oder fehlende Wirkung der Verstärkung (8 Ergebnisse aus 7 Studien): Shanahan et al., 2008; Kuntsi et al., 2009; Luman et al., 2008; Luman et al., 2009; Dovis e al., 2013; Dovis, Van der Oord, Wiers et al., 2015; Dekkers et al., 2017 2. Optimierungseffekt im Sinne von Leistungszuwächsen unter Verstärkerbedingungen (7 Ergebnisse aus 6 Studien): Kohls et al., 2009; Luman et al., 2008; Vloet et al., 2011; Rosch & Hawk, 2013; Ma, van Holstein et al., 2016; ­Dekkers et al., 2017 3. Kompensationseffekt bestimmt anhand des Leistungszuwachses gegenüber der Kontrollgruppe (11 Ergebnisse aus 11 Studien): Andreou et al., 2007; Kuntsi et al., 2009; Luman et al., 2009; Dovis et al., 2012; Dovis et al., 2013; Dovis, van der Oord, Huizenga et al., 2015; Dovis van der Oord, Wiers et al., 2015; Bubnik et al., 2015; Fosco et al., 2015; Strand et al., 2012; Rosch & Hawk, 2013

Eingesetzte Verstärker In 14 Studien wurden monetäre Verstärker teilweise in Kombination mit Response Cost dargeboten. Neun Studien haben Tauschverstärker wie etwa Punkte oder Sterne ­vergeben. yy Monetäre Verstärker (12 Studien): Shanahan et al., 2008; Luman et al., 2008; Luman et al., 2009; Dovis et al., 2012; Dovis et al., 2013; Dovis, Van der Oord, Wiers et al., 2015; Dovis, Van der Oord, Huizenga et al., 2015; Fosco et al., 2015; Ma, van Holstein et al., 2016; Kohls et al., 2009; Vloet et al., 2011; Demurie et al., 2016 yy Tauschverstärker (7 Studien): Andreou et al., 2007; Kuntsi et al., 2009; Bubnik et al., 2015; Strand et al., 2012; Rosch & Hawk, 2013; Rosch et al., 2016; Dekkers et al., 2017 yy Soziale Verstärker (3 Studien): Vergleich von monetärer und sozialer Verstärkung: Kohls et al., 2009; Vloet et al., 2011; Demurie et al., 2016 yy Response-Cost (4 Studien): Shanahan et al., 2008; Luman et al., 2008; Luman et al., 2009; Ma, van Holstein et al., 2016

Tabelle 1. Heuristische Zuordnung der verwendeten Testaufgaben zu Anforderungs- bzw. Funktionsbereichen anhand neuropsychologisch begründeter Differenzierungsdimensionen (angelehnt an Drechsler, 2007, S. 236 – 237)

Basal

Komplex

Kognitiv

Initiieren, Wechseln, Hemmen: Go- / No-Go Test (4 ×) N-Back-Test (2 ×) Aufrechterhalten und Erneuern von Informationen im Arbeitsspeicher Chessboard-Tests (4 ×) *

Konfliktverarbeitung: Ericksen Flanker Test (1 ×) Stroop-Test (1 ×)

Akti­vität

Alertness-Aufgaben Reaktionszeittest (4 ×)** Stoppsignaltest (4 ×)***

Aufrechterhalten und Modulieren von Aufmerksamkeit und „Effort“: Continuous Performance Test (2 ×) ****

Emotional

Sozial

Regulationsebene

Komplexitätsebene

Anmerkungen: * vgl. Dovis, van der Oord, Wiers & Prins, 2012, S. 672; ** vgl. Niemann & Gauggel, 2006, S. 115; *** vgl. Verbruggen & Logan, 2008, S. 7; Frazier, Demaree & Youngstrom, 2004, S. 548; **** vgl. Holmes, Gathercole, Place, Alloway, Elliott & Hilton, 2010; S. 38; Frazier, Demaree & Youngstrom, 2004, S. 548; Börger, van der Meere, Ronner, Albters, Geuze & Bogte, 1999, S.27; Corkum & Siegel, 1993, S. 1218. Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 111 – 125

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4. Normalisierungseffekt definiert als Aufhebung von Leistungsunterschieden zwischen mit ADHS diagnostizierten und unauffälligen Kindern (6 Ergebnisse aus 6 Studien): Kuntsi et al., 2009; Luman et al., 2009; Dovis et al., 2012; Dovis, van der Oord, Huizenga et al., 2015; Demurie et al., 2016; Rosch et al., 2016

Diskussion Von den 32 berichteten Ergebnissen der eingeschlossenen Studien (N = 19) bestätigen 24 einen verstärkerinduzierten Leistungszuwachs und 8 eine fehlende (6) oder abträgliche (2) Wirkung. Die Ergebnisse zeigen also, dass die Verstärkerbedingungen differenziell wirken: Sie üben optimierende (7) sowie kompensatorische (11) und normalisierende (6) Effekte aus. Optimierungseffekte lassen sich anhand von 7 Ergebnissen belegen. Dabei verbessern sich die Kinder mit ADHS bezogen auf ihre Grundrate unter Verstärkung in ihrer Leistung (Innergruppenvergleich). Ein bestehender Gruppenunterschied gegenüber den unauffälligen Kindern bleibt jedoch unberührt. Kompensationseffekte ­gehen aus 11 Ergebnissen hervor, nach denen Kinder mit ADHS unter Verstärkung aufholen und sich gegenüber den unauffälligen Kontrollen relativ verbessern. Ein Beispiel dafür ist die Studie von Andreou et al. (2007), in der die Kinder mit Smileys als Tauschverstärker für rasche und stetige Reaktionszeiten belohnt wurden. Die Kinder mit ADHS profitierten stärker von der Verstärkung als jene aus der unauffälligen Kontrollgruppe. Ein weiteres Beispiel für einen kompensatorischen Effekt stellt die Untersuchung von Bubnik et al. (2015) dar: Bei kontingenter Verstärkung haben sich Kinder mit gegenüber solchen ohne ADHS im Continuous-Performance-Test stärker verbessert (Bubnik et al., 2015). Der bestehende Gruppenunterschied wurde dadurch nicht aufgehoben, aber verringert. Sechs Ergebnisse belegen normalisierende Effekte. Solche Effekte liegen dann vor, wenn die Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne ADHS aufgehoben und in beiden Gruppen unter Verstärkung ebenbürtige Leistungen erbracht werden. In der Untersuchung von Rosch et al. (2016) führte eine kontingente und engmaschige Verstärkung nach jeder Antwort zu einer besseren Inhibitionsleistung im Go / No Test, die der von unauffälligen Kindern entspricht. In der Gesamtschau werden also überwiegend kompensatorische Effekte berichtet und Leistungsunterschiede zwischen den Gruppen eingeebnet. Demnach sind die Performanz­ defizite nur teilweise einer verstärkerabhängigen Normalisierung zugänglich und dementsprechend auch situationsunabhängige Funktionseinschränkungen bei ADHS zu vermuten (Pievsky & McGrath, 2018; Kofler et al., 2019; Hart et al., 2013). © 2020 Hogrefe

Aus diesen Effekten der Verstärkervariation kann zumindest indirekt auf die Erklärungsgüte verschiedener Störungsmodelle geschlossen werden. Nach Annahme des DPM verlaufen exekutive und motivationale Störungspfade der ADHS weitgehend unabhängig voneinander. Mithilfe günstiger Verstärkerbedingungen können die „bottom-up“ vermittelten und von motivational-situativen Störungspfaden ausgehenden Handlungsbeeinträchtigungen wie etwa die Daueraufmerksamkeit aufgehoben werden (vgl. Sonuga-Barke et al., 2010; Sagvolden & Sergeant, 1998). Genau dies bestätigt sich auch in den Ergebnissen zur positiven Verstärkerwirkung auf Leistungen in Daueraufmerksamkeitstests. Aus Perspektive des DPM handelt es sich hierbei weniger um eine exekutive als vielmehr eine symptomatische Variable der ADHS. Sie kann auch als Ausdruck von Verzögerungsaversion interpretiert und mithilfe von „bottom-up“ Prozessen der Verstärkung verbessert werden. Über die Daueraufmerksamkeit hinaus verbessert die Verstärkerdarbietung auch exekutive Funktionsbereiche wie etwa die Inhibitionskontrolle. Insofern lässt sich die mit dem DPM assoziierte Hypothese eines von motivationalen Bedingungen weitgehend unabhängigen Inhibitionsdefizits hier nicht bestätigen. Allein die mangelnde Aufgabenreinheit von exekutiven und motivationalen Tests erschwert aber die trennscharfe Abgrenzung dieser Konstrukte. Neuere Arbeiten regen die Betrachtung von verzögerungsbezogenen Anforderungen als „heiße“ Exekutivfunktion an (Zelazo et al., 2010; Drechsler, 2007). Aus methodischen Gründen schließt das vorliegende Review keine Studien zu Verstärkereffekten auf die Verzögerungsaversion mit ein. Daher lassen die vorliegenden Ergebnisse keine Prüfung der Ätiologiehypothese des DPM zu. Auch aus wissenschaftstheoretischer Perspektive betrachtet stellt sich die Falsifikation des DPM als problematisch heraus: „Currently it is not clear which findings would specifically falsify or support the model“ (Johnson et al., 2009, S. 6). Bereits vor über 20 Jahren hat das Hybrid-Modell auf die störungsspezifische Verstärkersensitivität hingewiesen und diese primär mit exekutiven Dysfunktionen begründet (Barkley, 1997c). Dazu gehören Defizite der Inhibitionskontrolle sowie Selbstmotivation und Arbeitsgedächtnisleistung. Im Arbeitsgedächtnis findet die für das langfristige Belohnungslernen wichtige Integration von zeitlich versetzten Ereignissen statt. Es dient etwa der temporären Aufrechterhaltung einer mentalen Zielvorstellung oder einer ausgelobten Belohnung während der Aufgabenbearbeitung. Externe Verstärkung vermag diesen intrinsischen „reinforcement load“ zu reduzieren und Arbeitsgedächtniskapazitäten für die Anforderungsbewältigung freizusetzen. Insofern bietet sich das Hybrid-Modell als bereichsspezi­ fische Erklärung für die verstärkerinduzierten Leistungszuwächse in Arbeitsgedächtnistests an. Demgegenüber lässt Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 111 – 125


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sich die Verbesserung der Inhibitionskontrolle unter Verstärkerbedingungen nur schwer mit dem Hybrid-Modell vereinbaren. Entgegen dieser Modell­ annahme konnten zahlreiche der hier eingeschlossenen Studien schon unter „neutralen“ (verstärkerfreien) Kontrollbedingungen keine störungsspezifische Disinhibition nachweisen. Zur Erklärung der Verstärkereffekte auf exekutive einschließlich inhibitorischer Funktionen bietet sich das CEM an (Sergeant, 2005, 2000, Sergeant et al., 2003, 1999; Sergeant & van der Meere, 1990). Danach befinden sich die betroffenen Kinder nur innerhalb eines von der Stimuluspräsentation abhängigen und daher schmalen Anforderungskorridors befinden sie sich in einem „optimalen“ energetischen Zustand (vgl. Shiels & Hawk, 2010, S. 3; Johnson, 2009, S. 4). Demnach ist die exekutiv-inhibitorische „top-down“ Kontrolle nicht an sich strukturell beeinträchtigt, sondern eher der für ihren situationsgerechten Abruf notwendige internale Erregungs- und Aktivierungszustand: „Monitoring is intact in ADHD, but implementing the behavioral consequences from the top to the bottom of the system is inefficient“ (Sergeant, 2005, S. 1250). Zwar erkennt auch das CEM funktionelle Beeinträchtigungen von Teildimensionen der exekutiven „top-down“ Kontrolle an. Anders als das Hybrid-Modell betrachtet es exekutive Funktionen und deren Beeinträchtigungen aber als überwiegend dynamische (also veränderliche) und kontextsensitive (also verstärkerabhängige) Prozesse (Sonuga-Barke et al., 2010, S. 87; Shiels & Hawk, 2010; Nigg & Casey, 2005). Hierfür sprechen auch die vorgelegten Ergebnisse zur Verstärkerabhängigkeit und Veränderlichkeit exeku­ tiver Funktionen. Innerhalb des CEM lassen sich die Wirkmechanismen der Verstärkung auf mehreren Ebenen ­verorten: Auf basaler Prozessebene tragen verstärkende Stimuli zu dem erforderlichen Aktivierungszustand ein und verringern damit den „regulation load“. Auf energetischer Regulationsebene kompensieren sie mangelnden Effort und erleichtern die Nutzung exekutiver Funktionen. Neben regulatorischer Effort Control verbessert sich auch das feedbackgesteuerte Error Processing zur Inhibition ungeeigneter Reaktionen: „The provision of external feedback – from a parent, teacher, or task – provides important information about performance and may initiate adaptive control processes …“ (Shiels & Hawk, 2010, S. 11). Erklärungsbedürftig indessen bleibt der fehlende oder gar abträgliche Effekt der Verstärkervariation auf immerhin 8 der in den eingeschlossenen Studien untersuchten Variablen. Nach dem CEM bietet sich eine zu langsame oder rasche Stimulipräsentation und der damit einhergehende „state-regulation load“ als Erklärung an. Selbst die Verstärkerdarbietung vermag den zur energetischen Regulation benötigten Effort nicht vollständig zu kompensieren. Zusammenfassend unterstützen die hier vorgelegten Befunde zu teilweise intakten und vielfach verstärkerabhän-

gigen exekutiven Funktionen bei ADHS das CEM. Auch besteht Übereinstimmung mit neuropsychologischen Modellannahmen zu motivationalen „bottom-up“ Einflüssen auf exekutive Funktionen. Sie erweitern das tendenziell noch reduktionistische Verständnis exekutiver Funktionen und problematisieren die strikte Abgrenzung von motiva­ tionalen Variablen als artifiziell (Drechsler, 2007).

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Limitationen Aus den am spezifischen Erkenntnisinteresse dieser Arbeit orientierten Ein- und Ausschlusskriterien ergibt sich eine grundsätzliche Limitierung. Sie betrifft den methodisch begründeten Ausschluss von Untersuchungen zu „heißen“ exekutiven Funktionen wie etwa dem Belohnungsaufschub. Denn diese beinhalten keine Kontrollbedingung ohne Verstärkung und informieren nicht über motivational vermittelte Leistungszuwächse gegenüber einer neu­tralen Grund­ rate (vgl. Welsh & Peterson, 2014, S. 155). Auch besteht mithin Uneinigkeit über die Differenzierung der Teilbereiche von exekutiven Funktionen in „heiß“ oder „kalt“. Zwar gilt das Entscheidungsverhalten zugunsten höherwertiger Belohnungen in motivational bedeutsamen Situationen als „heiße“ Exekutivfunktion. Gleichsam erfordern diese zumindest indirekt auch „kalte“ Teilbe­reiche der exekutiven Funktionen wie etwa Arbeitsgedächtniskapazitäten (Sergeant et al., 2003). Analog dazu unterscheiden sich die ­Modelle der ADHS in ihrer neurophysiologischen Einordnung von Inhibitionsdefiziten. Sowohl das Hybrid-Modell als auch das DPM betrachten die Inhibitionskontrolle als vorwiegend meso-kortikal vermittelt und rechnen sie eher den „kalten“ exekutiven Funktionen zu. Anderenorts herrscht ein Verständnis von Inhibi­tionskontrolle als „heiße“ und in septo – hippocampalen Arealen angesiedelte exekutive Funktion vor (vgl. Quay-Gray Modell, Quay, 1997, Gray, 1984; Dynamic Deve­lopmental Model, Sagvolden, Aase, Johansen & Russell, 2005). Gemäß dem CEM lässt sich eine Trennung von „top-down“ Inhibitionskontrolle und dem „bottom-up“ aufsteigenden Erregungs- und Aktivierungszustand kaum aufrechterhalten: „State regulation and inhibition are, we suggest, interwoven to such a degree that we wonder whether it is possible to develop tasks that measure purely the one or the other concept“ (Sergeant et al., 1999, S. 96). Künftig bedarf es einer an der Grundlagenforschung zu intakter Inhibitionskontrolle orientierte Modellierung störungsspezifischer Dysfunktionen. Abschließend sind potenzielle Deckeneffekte bei den unauffälligen Kindern kritisch zu betrachten, die als Kompensationseffekt bei ADHS missverstanden werden könnten. Demnach bewegen sich die unauffälligen Kinder auch ohne zusätzliche Verstärkung schon an der oberen Leistungsgrenze und profitieren in geringerem Ausmaß von günstigen Bedingungen. Bei diagnostizierter ADHS hin­ © 2020 Hogrefe


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gegen ist keine solchermaßen varianzeinschränkende Ausgangslage zu erwarten und ein größerer Spielraum für verstärkerabhängige Leistungszuwächse anzunehmen. Dieser Einwand wurde von Fosco et al. (2015) kontrolliert. Sie prüften in einer Baseline die kognitive Ausgangsleistung der Kinder mit und ohne ADHS. Im Ergebnis haben sich diese zwischen den Gruppen weder unterschieden noch Einfluss auf die Verstärkerwirkung genommen

(Fosco et al., 2015). Künftige Studien könnten die hier gebündelten Erkenntnisse zu störungsspezifischen Verstärkereffekten in naturalistischen Kontexten untersuchen. Hier würden Beobachtungsstudien wertvolle Erkenntnisse über die vielfach problematisierte und dennoch tenden­ ziell unterbeforschte Verstärkerbilanz bei ADHS liefern.

Implikationen für die Forschung In der vorliegenden Übersichtsarbeit wird der aktuelle Forschungsstand zu Verstärkereffekten bei ADHS abge­bildet. Mit­hilfe einer systematischen Suchstrategie werden Studienergebnisse zu störungsspezifischen Verstärkerbedingungen von Testleistungen zusammengetragen. Allgemein dienen Übersichtsarbeiten der Bestandsaufnahme von themenspezifischen Forschungsergebnissen innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Sie gruppieren ähnliche ­Forschungsarbeiten nach methodischen oder inhaltlichen

Unterscheidungsdimensionen und stellen erwartungsentsprechende oder diskrepante Befunde auf breiterer Ebene dar. Ferner werden ungeklärte oder unerschlossene Themenbereiche herausgearbeitet und Anknüpfungspunkte für weitergehende Forschungsaktivitäten verdeutlicht. Gemäß der hier gewonnenen Erkenntnisse können die bei ADHS vielfach belegten Verstärkereffekte auch unter experimentellen Laborbedingungen empirisch abgesichert und theoretisch begründet werden.

Implikationen für die Praxis Mithilfe von systematischer Verstärkung können exekutive Funktionseinschränkungen bei Kindern mit ADHS zumindest teilweise aufgehoben werden. Offensichtlich hängt die differenzielle Wirkung der Verstärkung von ihrer Kontingenz zum Zielverhalten ab (Aase & Sagvolden, 2006). Die Studien, die kompensatorische oder normalisierende Effekte erreichten, verstärkten häufig sowie gezielt und intensiv. Ein Beispiel gibt die Untersuchung von Bubnik et al. (2015). Nach jeder Versuchsreihe wurde den Kindern Feedback gegeben und die erreichte Punktezahl mithilfe spezifischer Symbole visualisiert: Für korrekte Reaktionen auf Zielreize wurden jeweils 10 Punkte vergeben und anhand von großen Sternen abgebildet. Korrekte Auslassungen wurden mit jeweils einem Punkt und der entsprechenden Zahl an kleinen Sternen rück-

gemeldet. Bei fehlerhaften Reaktionen oder Auslassungen wurde ein leeres Quadrat dargeboten und kein Punkt vergeben. Später konnten die erzielten Punkte gegen Geschenke oder Gutscheine eingetauscht werden. Damit entsprechen die Ergebnisse dem operanten Prinzip, das sich durch eine enge Koppelung zwischen Zielverhalten und (kontingenter) Verstärkung auszeichnet. Die so belohnten Verhaltensäußerungen werden zu operants. Verhaltensweisen also, die eingesetzt werden, um Verstärkung zu erlangen. Auf diagnostischer Ebene empfiehlt sich eine Aufschlüsselung der Verstärkerbedingungen im häuslichen und schulischen Kontext. Ausgehend von diesen Informationen wäre auf interventioneller Ebene die Herstellung förderlicher Verstärkerbedingungen anzustreben.

Elektronisches Supplement (ESM)

Literatur

Das elektronische Supplement ist mit der Online-Version dieses Artikels verfügbar unter https://doi.org/10.1024/ 2235-0977/a000284 ESM 1. Tabelle E1. Experimentelle Studien zur Wirksamkeit von Verstärkern in chronologischer Reihenfolge.

* Mit einem Sternchen versehene Quellenangaben bezeichnen die in das Review aufgenommenen und ausgewerteten Originalarbeiten. Aase, H. & Sagvolden, T. (2006). Infrequent, but not frequent, ­reinforcers produce more variable responding and deficient sustained attention in young children with attention-deficit /

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Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 111 – 125

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M. Lauth-Lebens & G.W. Lauth: Effekte von Motivation auf EF bei ADHS 125

Prof. Dr. habil. Morena Lauth-Lebens IB-Hochschule Köln Schönhauser Straße 64 50968 Köln Deutschland Morena.lauth-lebens@ ib-hochschule.de

Calkins & M. A. Bell (Eds.), Child development at the intersection of emotion and cognition (pp. 97 – 111). Washington: American Psychological Association. https://doi.org/10.1037/12059-006 Historie Manuskript eingereicht: 24.02.2019 Manuskript nach Revision angenommen: 16.09.2019 ORCID Morena Lauth-Lebens https://orcid.org/0000-0002-2141-1787 Anzeige

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Ja zu ADHS Ruth Huggenberger

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durch die defizitorientierten Symptome der ADHS-Betroffenen dominiert wird, sondern sich auch die erfreulichen Eigenschaften und Charakterzüge von Betroffenen wie Humor und Begeisterungsfähigkeit entfalten können.

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Review

Developmental Dyscalculia in Adults Current Issues and Open Questions for Future Research Liane Kaufmann1, Michael von Aster2,3, Silke M. Göbel4,5, Josef Marksteiner1, and Elise Klein6,7 1 Department

of Psychiatry and Psychotherapy A, General Hospital Hall in Tirol, Austria of Special Education, German Red Cross Hospitals Berlin, Germany 3 MR-Center, University Children's Hospital, Zurich, Switzerland 4 Department of Psychology, University of York, United Kingdom 5 Department of Special Needs Education, University of Oslo, Oslo, Norway 6 Université de Paris, LaPsyDÉ, CNRS, Sorbonne Paris Cité, Paris, France 7 Leibniz-Institut fuer Wissensmedien, Tuebingen, Germany 2 Department

Abstract: Developmental dyscalculia (DD) is a chronic condition that poses not only a barrier to employment and socio-emotional wellbeing but that also persists into adulthood. Thus, understanding the neuro-cognitive foundations of DD is relevant for both children and adults with DD. However, so far the vast majority of scientific research endeavours has been dedicated to the study of DD in children only. Consequently, our current understanding of DD in adulthood is rather patchy. The main aim of the present review is to summarize the scientific findings on DD in adults by focusing on its cognitive manifestations and neural substrates in adults. For instance, research on DD in adulthood suggests that – beyond an outstanding deficiency in number processing – the processing of non-numerical magnitudes and domain-general skills seem to be also impaired in adults suffering from persistent DD. A secondary aim of this review is to delineate future lines of research that will provide us with a more elaborate understanding of the neurocognitive underpinnings of DD in adults (thus fostering the development of sensitive ­diagnostic marker tasks), and to formulate potential intervention areas targeting deficiencies frequently characterizing DD in adults. Keywords: Developmental dyscalculia, adults, number magnitude processing, neural correlates

Entwicklungsbedingte Rechenstörungen im Erwachsenenalter – Aktueller Forschungsstand und offene Fragestellungen Zusammenfassung: Entwicklungsbedingte Rechenstörungen (‘developmental dyscalculia’ / DD) bleiben unbehandelt bis ins Erwachsenenalter bestehen und haben einen negativen Einfluss auf die Berufsmöglichkeiten (und somit auf das Einkommen) sowie die sozio-emotionale Gesundheit der Betroffenen. Daher ist ein besseres Verständnis der neurokognitiven Grundlagen von DD bei Erwachsenen äußerst relevant. Das Hauptziel der vorliegenden Überblicksarbeit ist die Darstellung der bisherigen wissenschaftlichen Befunde zu DD im Erwachsenenalter, wobei der Fokus auf den kognitiven und bildgebenden Studien liegt. Nach aktuellem Forschungsstand scheinen die kognitiven Defizite von Erwachsenen mit der Diagnose DD nicht auf Schwierigkeiten bezüglich der Zahlenverarbeitung im engeren Sinn beschränkt zu sein, sondern betreffen auch die Verarbeitung von nicht-numerischen Größen und domänen-übergreifende Fertigkeiten. Weitere Ziele der vorliegenden ­Arbeit sind die Skizzierung zukünftiger Forschungsfragen, die helfen sollen, (i) ein detaillierteres Verständnis der neurokognitiven Grundlagen von DD im Erwachsenenalter zu gewinnen (als Voraussetzung zur Entwicklung von sensitiven diagnostischen Instrumenten), und (ii) potentielle Interventionen zu definieren, die an den mit DD im Erwachsenenalter assoziierten kognitiven Defiziten ansetzen. Schlüsselwörter: Entwicklungsbedingte Dyskalkulie, Erwachsene, Zahlenverarbeitung, neuronale Korrelate

Introduction Developing good numeracy and calculation skills is important for adult life. Poor numeracy in adults is related to higher unemployment (KPMG, 2008; Parsons & Bynner, 2005), lower salary (OECD, 2012), depression (KPMG, 2008) and poorer health (Carpentieri, Lister & Frumkin, Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 126 – 137 https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000294

2009). In the developmental literature, various terms and diagnostic criteria are used to classify individuals with difficulties in numeracy. The term developmental dyscalculia (DD) describes a rather circumscribed deficit in basic number processing (that in some affected individuals might be accompanied by poor attention, working memory, visual-spatial processing etc.; for respective reviews, © 2020 Hogrefe Distributed under the Hogrefe OpenMind license (https://doi.org/10.1027/a000001)


L. Kaufmann et al., Developmental dyscalculia in adults

see Kaufmann & von Aster, 2012; Rubinsten & Henik, 2009). The prevalence of DD is rather high, affecting 5 – 7 % of the general population (Gross-Tsur, Manor & Shalev, 1996; Rubisten & Henik, 2009; Schulz et al., 2018). Notably, affected children do not ‘grow out’ of DD. Rather, arithmetic difficulties tend to persist into adulthood if untreated (e. g., Ashkenazi & Henik, 2010; Cappelletti, Freeman & Butterworth, 2011; De Visscher, Noel, Pesenti & Dormal, 2018; Gliksman & Henik, 2018, 2019; McCaskey, von Aster, O'Gorman Tuura & Kucian, 2017; for a detailed descrip­ tion of a single-case study of adult DD, see Kaufmann, Pixner & Göbel, 2011a). However, most research to date has focused on children with DD, neglecting the large number of adults suffering from DD. Notably, DD has to be differentiated from acquired acalculia, which is a consequence of brain damage and has been studied rather extensively (e. g., Ardila & Rosselli, 2002; see Willmes, 2008, for an overview). For the sake of simplicity and because the vast majority of the research on non-acquired (i. e., developmental) mathematical difficulties in adulthood investigated DD, we will here use the term DD whenever refer-

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ring to adults presenting with severe and persistent number-related difficulties.

Current diagnostic classifications of DD According to the most recent versions of clinical diagnostic manuals, severe difficulties in learning arithmetic are considered to be a nosological entity and consequently, are assigned to a specific diagnostic category: ‘developmental learning disorders with impairment in mathematics’ in the ICD-11 (WHO, 2017) and, within the category of ‘neurodevelopmental disorders’: ‘specific learning disorder with impairment in mathematics’ in the DSM-V (APA, 2013). Importantly, the DSM-V acknowledges that specific learning disorders tend to persist into adulthood, and thus, should be considered as a lifelong disorder. In contrast to the previous version of the internationally used clinical diagnostic manual DSM-IV (APA, 1994), DSM-V criteria do not require an IQ-achievement discrepancy. The abandonment of the IQ-achievement discrepancy is based on the fact that multi-com-

Figure 1. Current diagnostic criteria for identifying developmental dyscalculia (DD) in adults according to DSM-V (APA, 2013). © 2020 Hogrefe Distributed under the Hogrefe OpenMind license (https://doi.org/10.1027/a000001)

Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 126 – 137


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ponential IQ-tests frequently include subtests assessing reading, writing, or arithmetic performance (which in the presence of a specific learning disability inevitably cause a decrease of the total IQ score). Figure 1 depicts the diagnostic key criteria of ‘specific learning disorders with impairment in mathematics’ put forward by DSM-V (APA, 2013). Before presenting an overview of the relevant literature on DD in adults, we briefly summarize our current understanding of numerical processing in the adult brain.

Theoretical models of number processing and calculation Various number processing models were proposed in the 80s and 90s (for an overview, see Deloche & Willmes, 2000). The most influential one is the Triple-Code-Model (TCM) developed by Dehaene (1992; Dehaene & Cohen, 1995, for an elaborated model integrating cognitive and neurofunctional aspects; Dehaene, Piazza, Pinel & Cohen, 2003, for detailed specification of the parietal involvement). According to the TCM, numerical information is processed by three distinct representational codes that are supported by regionally and functionally distinct neural substrates. First, the analogue magnitude representation (i. e., ll) mediates a core quantity system needed for both approximate quantity representations [also coined as ‘approximate number system / ANS’, tapped by tasks like estimation, approximate calculation as well as discrete quantity representations (which are supposed to house the core semantic number representation thought to be activated by number comparison tasks, among others)]. Second, the v­ isual Arabic number form (i. e., ‘2’) supports the processing of visually presented number processing and arithmetic problems that require the recognition of Arabic numerals (as required upon solving multi-digit operations). Third, the auditory verbal word frame (i. e., ‘two’) is used for verbally mediated operations like counting, number naming or other tasks that require the active manipulation of sequences of number words. Also, the auditory verbal word frame is recruited whenever arithmetic problems are solved by direct arithmetic fact retrieval from memory and not by active magnitude manipulation (e. g., multiplication tables such as 2 × 3 and results of simple addition problems). Up till now, the TCM has shaped decades of numerical cognition research investigating number processing and arithmetic in healthy adults and patients. Even in the developmental literature, the TCM served as conceptual framework to formulate research hypotheses and to interpret data derived from behavioural and brain imaging studies. However, because the TCM is based on adult data and Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 126 – 137

L. Kaufmann et al., Developmental dyscalculia in adults

thus, mature brain systems, it might not be directly applicable to developmental brain systems (see Kaufmann et al., 2013, for the need to establish true developmental models of number processing and calculation).

Neural correlates of number processing and calculation With regard to the neural underpinnings of the aforementioned representational codes, the TCM (Dehaene & Cohen, 1995; Dehaene et al., 2003) identifies the intraparietal sulcus (IPS) as a key region supporting the representation of approximate or discrete quantities (often called the ‘number sense’). According to the TCM, other key regions for number processing are left-hemispheric perisylvian language regions and the angular gyrus / AG (supporting verbally mediated processing of numerical information within the auditory verbal word frame) and bilateral inferior occipito-temporal regions including the fusiform gyri (supporting the visual processing of Arabic digits and letter strings from number words within the Visual Number Form Area / VNFA; e. g., Grotheer, Herrmann & Kovács, 2016). An alternative account proposes that (intra)parietal ­cortices support an overarching concept of ‘magnitude’ in a rather generalized manner (Walsh, 2003; Walsh, 2015). In particular, the ATOM (A Theory of Magnitude) theory suggests that numerical quantity, time and space share common parietal processing mechanisms. In a similar vein, evidence from the developmental literature suggests that early in life, the processing of numerostiy, space and time are frequently intermixed in the natural environment of humans and animals alike (e. g., de Hevia, Izard, Coubart, Spelke, & Streri, 2014). Notably, recent brain imaging studies support the idea of overlapping neurofunctional circuits mediating such a generalized magnitude system (e. g., humans: Dormal, Dormal, Joassin, & Pesenti, 2012; McCaskey et al., 2017; Skagerlund, Karlsson, & Träff, 2016; animals: Tudusciuc & Nieder, 2009; but see Anobile et al., 2018; Kucian, McCaskey, von Aster & O'Gorman Tuura, 2018). For example, the fMRI study of Skagerlund and colleagues (2016) is among the first that directly compared neurofunctional activation patterns across the three magnitude dimensions (i. e., number, time, line length) in healthy adults. Their findings are clearly compatible with the hypothesis of a generalized magnitude system. In particular, fMRI responses were found to substantially overlap across all three magnitude dimensions in several right-­ lateralized brain regions including the IPS and the insula (thought to support the magnitude processing system) as well as premotor cortex / supplementary motor areas and inferior frontal gyrus (thought to support more domaingeneral processing mechanisms). © 2020 Hogrefe Distributed under the Hogrefe OpenMind license (https://doi.org/10.1027/a000001)


L. Kaufmann et al., Developmental dyscalculia in adults

Recently, the TCM was challenged by Skagenholt,Träff, Västfjäll and Skagerlund (2018) who tested all three numerical representational codes in healthy adults within one fMRI study. Based on the results of their study, the authors claimed that the TCM needs to be further elaborated by acknowledging interactions with attentional processes, thus strongly arguing for a fronto-parietal network of number processing involving the inferior and superior frontal gyrus, the dorsolateral prefrontal cortex and the anterior cingulate cortex, among others (for similar findings in adults, see Arsalidou & Taylor, 2011; Klein et al., 2016; Menon, 2015). Importantly, the involvement of (pre)frontal cortex in number processing has been repeatedly reported in developmental studies and has been interpreted to reflect compensatory strategies (for a meta-analyses of developmental fMRI studies, see Kaufmann, Wood, Rubinstein & Henik, 2011b). Possibly, children (compared with adults) and even more so children with DD need to employ more effort to solve even simple number tasks (Ashkenazi, Mark-Zigdon, & Henik, 2013; Kaufmann et al., 2011b; Kucian et al., 2006; Peters & De Smedt, 2018). Moreover, in children and adults alike it is plausible that the frequently reported co-activations in (pre)frontal brain re­gions during numerical and arithmetical tasks are attribut­able to task difficulty (Arsalidou & Taylor, 2011). Finally, the results of a meta-analysis of adult fMRI ­studies comprising 53 data sets (Arsalidou & Taylor, 2011) revealed that number processing and calculation are crucially supported by both a number-relevant fronto-parietal neural circuit including number-specific regions (inferior and superior parietal lobes) and several other brain regions mediating number-unspecific (domain-general) skills such as attention, working memory, task difficulty (inferior frontal gyrus), error monitoring, response execution, switching, initiation of motivational behaviour (cingulate gyri and insula), visual encoding and object categorization and possibly a ‘visual number form’ (occipital regions including the left fusiform gyrus), coordination of visual-motor sequencing as required in experimental tasks (cerebellum). Please see Figure 2 for a schematic representation of the brain regions and neurofunctional circuits involved in number processing and calculation in adults.

DD in adults Only recently, DD in adults has received increasing scientific interest because it finally has been acknowledged that – without specific and tailored treatment – dyscalculia should be considered a life-long learning disability (DSM-V, APA 2013). In the following sections we will provide an overview of our current understanding of the cognitive manifesta © 2020 Hogrefe Distributed under the Hogrefe OpenMind license (https://doi.org/10.1027/a000001)

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tions and neural underpinnings of DD in adults. Notably, the current evidence is based on only a handful of studies. Thus, in a concluding section, we will first delineate the needs for future research to aim at a better understanding of the neurocognitive underpinnings of DD in adults before we outline how such knowledge may inform and amelio­ rate the diagnosis of DD as well as intervention tools.

Cognitive characteristics of DD in adults Below, we briefly present the current behavioural literature on adults with DD by focusing on number-specific and number-unspecific (domain-general) processing mechanisms characterizing DD in adults. Enumeration / subitizing Recently, Gliksman and Henik (2019) assessed enumeration skills (and alertness) in adults with DD. Enumeration is defined as the ability to name the number of elements in a set. Importantly, while in the counting range (i. e., 5 to 9 elements) response latencies increase linearly as a function of set size, smaller set sizes (< 4 elements) are processed rapidly and almost simultaneously. The latter quick enumeration process was coined ‘subitizing’ and is thought to reflect pre-attentive processes (e. g., Trick & Pylyshyn, 1994), pattern recognition (e. g., Ashkenazi et al., 2013; Mandler & Shebo, 1982) or visuo-spatial working memory limits (e. g. Feigenson, 2008; Piazza, Fumarola, Chinello, & Melcher, 2011). According to Gliksman and Henik (2019), adults with DD have a smaller subitizing range (i. e., 3 instead of 4 elements) compared with controls and moreover, present a larger alerting effect (i. e., alerting cues yielded quicker RTs). However, alerting did not facilitate or enhance subitizing performance of adults with DD. Consequently, the authors concluded that enumeration draws on number-specific and domain-general processes alike, both of which are deficient in adults with DD (i. e., impaired subitizing performance reflecting number-specific deficits, and atypical attentional abilities caused by domain-general deficits). In another study, Cohen, Gliksman and Henik (2019) investigated whether subitizing deficits of adults with DD are restricted to the numerical dimension or not. Participants carried out both a visual and a tactile task requiring the enumeration of canonical / neighboring and random / non-neighboring sets (comprising 1 to 10 elements). Importantly, stimulus presentation time was rather long, thus facilitating pattern recognition and reducing potential interaction effects with domain-general attentional resources. The results partly confirmed and extended the findings of Gliksman and Henik (2019) by showing that adults with DD were less accurate in visually enumerating random dot arrangements Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 126 – 137


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(however, they performed equally well as controls when processing canonical sets). While controls' performance was highly accurate for random sets up to 5, for adults with DD this was only the case for random sets comprising up to 4 elements. Furthermore, adults with DD were less accurate than controls for sets in the counting range. Likewise, they were less accurate than controls upon performing tactile enumeration (on neighboring fingers only, and especially when neighboring fingers resembled counting patterns). The latter findings are interpreted to reflect modality-independent deficits in enumeration performance that might be caused by impaired pattern recognition and working memory (Cohen, Gliksman & Henik, 2019). Automatic activation of number magnitude A popular task thought to tap automatic number magnitude activation (as well as interference processing) is the Number Stroop task (Cohen Kadosh et al., 2007). In the Number Stroop task, participants perform either physical or numerical magnitude comparisons of two simultaneously presented Arabic numerals (which digit is physically or numerically larger, respectively). Typically, the numerical and physical sizes of the digits interfere with each other (Number Stroop Effect [NSE]; e. g., 5 2). In adults with DD, a significantly reduced NSE was reported during physical comparison (Rubinsten & Henik, 2005) suggesting that the numerical magnitude of the digits led to less interference in adults with DD than in controls. Interestingly, a reduced NSE similar to that observed in adults with DD (Cohen Kadosh et al., 2007) has been reported in healthy participants when Transcranial Magnetic Stimulation [TMS], a method to temporarily interfere with normal brain activity, was applied over their right IPS. This finding has been interpreted as a temporary induced virtual dyscalculia. Hence, the authors suggested that automatic activation of magnitude processing depends on the right IPS solely. The laterality-specific effect is somewhat unexpected because previous findings revealed left or bilateral IPS involvement in number processing. Possibly, the left hemisphere (including the IPS) might support verbal components of n ­ umber processing (Cohen Kadosh & Walsh, 2009). Arithmetic fact retrieval Adults suffering from DD (like affected children) frequently need to employ back-up strategies such as finger usage to solve even simple arithmetic problems (Kaufmann et al., 2011). These back-up strategies are often time-consuming and error prone. Generally, back-up strategies involve multi-step procedures that place high demands on domain-general working memory resources. As working memory deficiencies are frequently associated with DD (and learning disabilities in general, for overLernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 126 – 137

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views, see Kaufmann & von Aster, 2012; Rubinsten & Henik, 2009), a high load on working memory even worsens the solution outcome, thus rendering the back-up strategies maladaptive. Kaufmann et al. (2011) reported a case study of a female undergraduate student who – despite average intelligence, reading, spelling and working memory – presented with severe calculation difficulties. When solving single-digit additions, subtractions and multiplications, the young adult was able to retrieve rulebased arithmetic facts (e. g., n + 1, n + 0, nx1, nx0) directly from memory, but frequently had to ­recruit procedural strategies (including counting by finger usage) on the remaining single-digit problems. Clearly, reaction times on these procedurally solved problems were remarkably longer than on those solved by direct memory retrieval. Thus, the latter findings revealed that finger usage to solve single-digit problems, which are typically solved by direct memory retrieval (in good calculators), is not limited to children (in the beginning of formal schooling as well as to individuals diagnosed with DD), but can also be observed in adults with DD. Most interestingly, the findings of Cappelletti and Price (2014) suggested that longer response latencies in adults with DD seem to be number-specific. In particular, compared with controls, adults with DD needed longer to solve tasks requiring numerical magnitude judgements, but were as fast as controls in tasks involving non-numerical semantic catego­rizations (cf. De Visscher et al., 2018, for similar findings). Arithmetical conceptual understanding Adults with DD were found to have difficulties with basic arithmetical concepts such as the base-10 system and calculating with decimals and fractions (Eckstein, 2016). Time / duration processing Theories postulating a deficit in the generalized magnitude processing system were further corroborated by the fact that adults with DD exposed difficulties with numerical and temporal processing, while length processing (and also face categorization) was preserved (De Visscher et al., 2018). The latter findings were interpreted as being compatible with a non-symbolic magnitude deficit in DD including numerosity and duration (but excluding length processing). However, in a study by Cappelletti, Freeman and Butterworth (2011), adults with DD presented with preserved temporal discrimination abilities (as long as non-numerical stimuli had to be processed), while in controls temporal discrimination abilities did not decrease in the presence of task-irrelevant numerical stimuli material (for similar findings, see Cappelletti et al., 2014). The authors interpreted their findings as supporting ‘a partially shared quantity system across numerical and temporal dimensions’. © 2020 Hogrefe Distributed under the Hogrefe OpenMind license (https://doi.org/10.1027/a000001)


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Length / spatial processing Length may be considered a spatial stimulus property. Current findings on length processing are inconclusive to date. While the findings of Ashkenazi and Henik (2010) disclosed deficient length processing in adults with DD, other authors were not able to replicate these results (e. g., length comparison of lines: Cappelletti et al., 2014; spatial task comparing the physical distance of Arabic number triplets, i. e., judging the spatial location of the middle number relative to the two outer numbers: Mussolin, Martin, & Schiltz, 2011). Interestingly, when using a physical line bisection task (requiring participants to mark the middle point of lines varying in length), Ashkenazi and Henik (2010) found that adults with DD did not display the expected leftward bias (often called pseudoneglect), which has been interpreted as reflecting visual attentional difficulties. On the contrary, adults with DD displayed a larger than expected leftward bias on a number line bisection task (requiring participants to estimate the numerical midpoint between two horizontally presented Arabic numerals). This typically-observed leftward bias (similar to pseudoneglect) is thought to reflect the logarithmic property of the so-called ‘mental number line’, on which numerals are ordered in a left-to-right orientation for Western participants (from small to large; smaller numerals being farther apart from each other compared with larger numerals; Dehaene, 1997). Hence, the larger leftward bias observed in adults with DD was interpreted to reflect a stronger logarithmic representation of the mental number line and thus, impaired (access to) number magnitude representations (Ashkenazi & Henik, 2010). (Conceptual) Size processing Recently, adults with DD were reported to display defi­ cient conceptual size processing despite preserved physical size processing (Gliksman & Henik, 2018). In this study, students with DD and developmental dyslexia were asked to compare two simultaneously presented pictures regarding their conceptual size (i. e., small mouse, large elephant) or their actual physical size. Conceptual and physical sizes were manipulated to create congruent (e. g., physically small fish compared to a physically large turtle) or incongruent trials (e. g., physically large fish compared to a physically small turtle). Generally, congruent stimulus pairs are processed faster and more accurately than incongruent ones. This response pattern was coined ‘congruity effect’ and is thought to reflect automatic activation of the irrelevant stimulus ­dimensions. The results of the latter study showed that adults with DD (unlike those with developmental dyslexia or controls) showed no congruity effect when making physical judgments (in which the conceptual dimension © 2020 Hogrefe Distributed under the Hogrefe OpenMind license (https://doi.org/10.1027/a000001)

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was irrelevant), but when making conceptual judgments (in which the physical dimension was irrelevant) they showed a congruity effect similar to controls and adults with developmental dyslexia. This dissociation (i. e., automatic activation of physical size, but not of conceptual size) led Gliksman and Henik (2018) to conclude that adults with DD might have a weaker magnitude representation, specifically regarding non-countable magnitudes (thus supporting theories of shared neurocognitive substrates for different types of magnitude; i. e., the ATOM theory, Walsh, 2003, 2015). Attention Ashkenazi and Henik (2010) assessed attentional functions in adults diagnosed with DD. In particular, using the attention network task (ANT-I, Callejas, Lupianez, & Tudela, 2004) the authors reported deficient alerting and executive attention in adults with DD (in the presence of preserved orienting attention). Consequently, the authors concluded that DD in adults (without comorbid conditions including attention disorders) is characterized not only by a core deficit in number processing, but also by deficient attentional processes. Furthermore, Ashkenazi and Henik (2010) suggested that the observed attentional (i. e., alerting) difficulties in adults with DD can most likely be explained by an abnormal functioning of the IPS (which is not only a key region for number / quantity processing, but also crucially involved in attentional processes, e. g., Fan, McCandliss, Fossella, Flombaum, & Posner, 2005). In a similar vein, the authors proposed that the executive attention deficits displayed by their participants may be attri­ butable to (pre)frontal dysfunctions (which are also frequently associated with DD in children; for overviews, see Kaufmann et al., 2011; Peters & De Smedt, 2018). Accordingly, Ashkenazi and Henik (2010) propose that multiple deficiencies at the brain level might cause the multiple ­cognitive deficits associated with DD.

Neural manifestations of DD in adults To date, there are only a handful brain-imaging studies ­investigating number processing in adults with DD. Early on, Cappelletti and Price (2014) designed an elegant paradigm to investigate whether adults with and without DD display differential behavioural and brain responses when making comparative judgements involving either number semantics or word semantics. Across both domains (i. e., symbolic Arabic numerals or words), the experimental task required participants to compare two simultaneously presented stimuli according to quantity or category. At the brain level, number-related processing yielded comparable fMRI responses in bilateral IPS as well Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 126 – 137


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Figure 2. Cortical networks and processing pathways for magnitude-related number processing (left panel, red) and verbally mediated arithmetic fact retrieval (right panel, dark blue) in adults with and without DD. Two anatomically largely distinct networks with dorsal and ventral fiber pathways for magnitude-related processing (left panel) and for arithmetic fact retrieval (right panel) in adults based on the assumptions of the triple code model (TCM, Dehaene & Cohen, 1995, 1997; Dehaene et al., 2003), fMRI meta-analyses (Arsalidou & Taylor, 2011; Arsalidou et al., 2018), diffusion data (Klein et al., 2016) and neuropsychological data on acquired acalculia (for an overview see Willmes & Klein, 2014). The colour-changing arrow between the two panels reflects that these two anatomically separate networks ­operate together as functionally integrated circuits in numerical cognition. In the left panel, dashed lines depict the object recognition pathways from primary visual cortex to number-specific association cortex: non-symbolic stimuli such as dots are processed and transmitted from V1 along the dorsal path of visual object recognition to the magnitude representation in IPS. Symbolic stimuli such as Arabic digits are processed from V1 along the ventral path to the visual number form (VNF) in fusiform gyrus. In the right panel, dashed lines ­depict connections that have not been directly documented by fiber tracking so far but can be indirectly inferred from studies on patients with acquired acalculia (for overviews see Claros Salinas, Nuerk & Willmes, 2009; Willmes & Klein, 2014). Note: The flashes in light blue mark brain structures in which deviations in activity or connectivity were reported for adults with DD. ­Abbreviations: AG – angular gyrus; BG – basal ganglia; CB – callosal bundle; EC / EmC – external / extreme capsule system; EC – entorhinal cortex; HC – hippocampus; LH – left hemisphere; IFG – inferior frontal gyrus; IPS – intraparietal sulcus; Medial FG – medial frontal gyrus; MTG – middle temporal gyrus; pIPS – posterior intraparietal sulcus; RC – retrosplenial cortex; RH – right hemisphere; SLF – superior longitu­ dinal fascicle; SMA – supplementary motor area; V1 – primary visual cortex; VNF – visual number form; TH – thalamus. Numbers in parentheses depict the area according to the Juelich cytoarchitectonic maps (http://www.fz-juelich.de/ime/spm_anatomy_toolbox).

as in the right supramarginal gyrus and the right inferior frontal cortex in adults with and without DD (thus suggesting a fronto-parietal network mediating symbolic number processing). However, adults with DD exhibited stronger activations in the right superior and left inferior frontal gyrus for solving number (but not word) semantic tasks. Most interestingly, and despite comparable response accuracies across groups, adults with DD displayed stronger frontal activations that were associated with quicker response latencies (a pattern which was not found in controls). Consequently, Cappelletti and Price (2014) suggest that (right inferior and left superior) frontal activations in adults with DD might reflect compensatory mechanisms in the presence of inefficient functioning in number-relevant parietal brain regions (for similar views in the developmental literature, see Kaufmann et al., 2011b; Kucian et al., 2006; McCaskey et al., 2017; Peters & De Smedt, 2018). With respect to brain structure, Cappelletti and Price Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 126 – 137

(2014) conducted voxel-based-morphometry to investigate whether DD in adults might be accompanied by grey matter abnormalities. Despite comparable grey-matter volumes at the whole brain level, group differences emerged in a right parietal region-of-interest analysis (adults with DD displaying significantly reduced grey-­matter volumes). Very recently, Bulthé et al. (2019) employed a multimethod brain imaging approach to assess whether adults with DD have deficient magnitude representations or deficient access to those representations. Notably, functional and structural connectivity methods were combined with uni- and multivariate analyses in this study. Their results showed that (f)MRI responses of adults with DD were clearly distinguishable from those of controls during a non-symbolic magnitude comparison task (i. e., participants had to decide whether an Arabic one-digit number or a dot collection was numerically smaller or larger than 5). Notably, though adults with and without DD achieved © 2020 Hogrefe Distributed under the Hogrefe OpenMind license (https://doi.org/10.1027/a000001)


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comparable accuracy rates, group differences emerged regarding reaction times (adults with DD being significantly slower; for similar findings, see Cappelletti & Price, 2014) and notation format [longer response times for non-symbolic magnitudes (i. e., dot collections) compared with symbolic magnitudes (i. e., Arabic digits) in adults with DD]. Most interestingly, at the brain level, group differences emerged during non-symbolic (but not symbolic) magnitude judgements in parietal regions (including the IPS) as well as in extra-parietal regions (i. e., superior and inferior frontal gyri as well as temporal regions; however, see Cappelletti & Price, 2014). Neurofunctional parietal deficiencies were interpreted to reflect deficient (non-­ symbolic) magnitude representations, while extra-parietal activations might be related to domain-general processes involved in accessing these magnitude representations (Bulthé et al., 2019). Moreover, functional (but not structural white-matter) connectivity analyses disclosed hyperconnectivity in temporo-occipital cortex in adults with DD (i. e., between fusiform gyrus and primary visual cortex as well as between inferior occipital cortex and primary visual cortex), most probably reflecting compensatory ­processes, namely the need for more elaborate processing of complex visual objects (i. e., dot collections in the present study). Hence, Bulthé et al. (2019) interpreted their findings as reflecting a combined deficit encompassing both the representation of (non-symbolic) magnitude knowledge and the access to these representations. Interestingly, Bulthé et al.'s (2019) failure to find structural brain abnormalities in white-matter connectivity is further corroborated by the findings of Moreau, Wilson, McKay, Nihill and Waldie (2018). They used diffusion tensor imaging (i. e., measures of fractional anisotropy / FA) to investigate fiber tracts previously reported to be related to arithmetic skills (i. e., arcuate fasciculus which is a fiber bundle connecting frontal, temporal and parietal areas; e. g., Catani, Jones, & Ffytche, 2005; Klein, Moeller, Glauche, Weiller & Willmes, 2013, for arithmetic; for a review, see Matejko & Ansari, 2015). Their findings revealed no structural group differences regarding FA in the arcuate fasciculus between adults with and without DD. Thus, the latter result is not fully compatible with a previous study that reported decreasing FA values in the arcuate fasciculus of non-DD children with decreasing math proficiency (van Eimeren, Niogi, McCandliss, Holloway & Ansari, 2008). According to Moreau and colleagues (2018) potential explanations for these contradictory results may include differences regarding participants' age or strategy use as well as methodological differences (related to MRI parameters, such as voxel size and number of directions used for data collection). In summary, neuroimaging studies so far suggest that adults with DD show abnormalities in grey matter density in right parietal regions, functional hyperconnectivity in © 2020 Hogrefe Distributed under the Hogrefe OpenMind license (https://doi.org/10.1027/a000001)

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temporo-occipital regions and abnormal functional activation in fronto-parietal regions during number processing. Given the very limited evidence to date, however, those current findings on the neural underpinnings of DD in adults need to be interpreted with caution.

Future research on DD in adults As the current review shows, research on DD in adults is quite sparse to date. Consequently, our understanding of the cognitive manifestations and neural underpinnings of DD in adults is rather patchy, thus calling for further systematic investigations. Future investigations should aim to (i) elucidate how DD in adults manifests at cognitive / behavioural and brain levels, and (ii) develop and evaluate diagnostic marker tasks (to identify DD in adults) as well as intervention tools (to ameliorate core deficiencies which in turn should enhance occupational opportunities and social wellbeing of affected individuals). At the cognitive level, future research is needed to further delineate the reported core deficiencies of numberrelated and domain-general skills in adults with DD. In particular, key questions for future research are (i) whether these deficits can be found in (almost) all adults with DD; (ii) how much each specific deficit is contributing to the deficit and (iii) how much the specific contributions vary between individuals. At the brain level, a significant issue for studies of adults with DD is that research is focused on the final stage of the disorder. The behaviours observed and its neural substrates may reflect not only the disorder but also the strategies that the individual has adopted during the life course in order to compensate for the underlying weaknesses. Thus, there is an urgent need for further longitudinal and cross-sectional group and single-case studies, provided they are grounded on sound conceptual knowledge and conducted according to the current scientific psychometric standards. Moreover, future research endeavours should address explicitly the issue of compensation by investigating the role of any deviating, potentially compensatory brain activation in adults with DD. To this end, neurostimulation techniques such as TMS could be used to manipulate brain activity as an independent variable and to investigate its influence on the performance of different cognitive tasks. In combination with results from fMRI studies TMS can be used to identify causal structure-function relations, e. g. by investigating whether areas that were significantly activated during a certain task in an fMRI experiment in one individual make a crucial (possibly causal) contribution to task performance or not. Finally, structural and functional conLernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 126 – 137


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nectivity studies may shed light on the fiber tracts involved in both residual and deficient neurocognitive processes underlying the observed core and associated deficits characterizing DD in adults. So far, to the best of our knowledge no controlled and systematic intervention studies were reported for adults with DD. In order to develop effective intervention tools, future research should be dedicated to the formulation of a conceptual framework incorporating core deficiencies as well as associated (i. e., number-specific and numberunspecific) processing difficulties. Importantly, without an empirically driven conceptual framework, any intervention efforts remain unscientific and nonreplicable. However, just like in children suffering from DD (e. g., Cohen Kadosh, Dowker, Heine, Kaufmann, & Kucian, 2013), intervention methods are likely to be most effective when directly targeted at the observed cognitive core deficiencies, that may include both number-related (e. g., number magnitude knowledge, enumeration / subitizing, fact retrieval) and number-unspecific / domain-general skills (e. g., attention, working memory). Moreover, like in any other cognitive domain, effective interventions will benefit from incorporating preserved and well-

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established skills that may be used to compensate for the observed deficiencies. Thus, any diagnostic assessment should identify cognitive deficits and preserved skills alike. Drawing such a comprehensive picture of the affected individual clearly goes beyond the routine clinical assessment, but would greatly enhance the chance to develop and implement effective and tailored intervention methods that will improve the status of (neuro)cognitive functioning of adults with DD. In turn, this is assumed to ameliorate the occupational situation as well as the social wellbeing of the affected individuals (in our case the adult with DD).

Discussion The present review was targeted at summarizing the relevant neurocognitive literature on adults with DD. Importantly, research on DD in adults is sparse and, not surprisingly, pure cognitive / behavioural studies by far outweigh brain imaging studies. Nonetheless, we are confident that the current evidence provides a first informative sketch

Figure 3. Cognitive characteristics and neural correlates of developmental dyscalculia (DD) in adults: A tentative working model. Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 126 – 137

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that might be used by future studies (i) to formulate more differentiated research questions and working hypotheses, (ii) to develop sensitive diagnostic marker tasks, and (iii) to develop and evaluate effective intervention methods for adults with DD. Overall, the empirical evidence to date suggests that DD in adults involves both number-specific and number-unspecific (i. e., domain-general) cognitive deficits. As such, number-unspecific dysfunctions were reported regarding attentional processes (i. e., alerting and executive attention: Ashkenazi & Henik, 2010; working memory: Kaufmann et al., 2004) and response latencies (e. g., Bulthé et al., 2019; Kaufmann et al., 2011; possibly, prolonged response times may be number-specific, Cappelletti & Price, 2014). With regards to number-related core deficiencies, the following areas of number processing have so far been reported to be deficient in adults with DD: automatic activation of number magnitude knowledge (Rubinsten & Henik, 2005), enumeration (Gliksman & Henik, 2019), arithmetic fact retrieval (Kaufmann et al., 2004, 2011a) and arithmetic conceptual knowledge (Eckstein, 2016). Furthermore, acknowledging the accumulating empirical ­evidence for a (partially) shared neurocognitive substrate that supports numerical and non-numerical magnitude processing (Salillas et al., 2019), it is plausible to assume that adults with DD have deficits related to a common magnitude system that includes – beyond their numerical key deficits – also non-numerical magnitude processing deficits including conceptual size (Gliksman & Henik, 2018), time / duration (De Visscher et al., 2018) and length (Ashkenazi & Henik, 2010). In general, however, neuropsychological and brain imaging findings should be validated by clinical and longitudinal developmental evidence. In particular, the persistent nature of DD (if not detected and treated early-on) may be explained to a considerable part by experiences of chronic failure during the school years. This then – in addition to causing anxiety, avoidance, low self-concept and self-­ esteem regarding specific skills – may also cause depres­sive symptoms that account for a low self-concept of general abilities and low educational outcome. In a similar vein, attentional and executive deficiencies in adults with DD may therefore not only be conceptualized as cognitive characteristics of DD, but could also be regarded as secondary deficiencies caused by the increasing executive demands when monitoring and controlling socially blaming cues and regulating uncomfortable emotional and affective inner states.

regarded as preliminary. Moreover, it is important to note that it is often difficult to directly compare reported findings from different studies due to methodological differences. In particular, differences across studies exist, among others, with respect to the methods (i. e., experimental tasks, data analyses) and diagnostic criteria used (i. e., DSM-V was released in 2013, and some of the reported studies were conducted before 2013). Notably, DSM-V (APA, 2013) has been the first clinical diagnostic manual acknowledging that DD is a chronic condition that frequently persists into adulthood. Especially with respect to brain imaging studies, the reported findings should be compared and interpreted with caution because of considerable methodological differences across studies (such as employed paradigms, selected statistical thresholds for data analyses, type of data analyses such as whole-brain vs. region-of-interest analyses, quantitative diffusivity measures vs. qualitative fiber tracking etc.). Nonetheless, we believe that the time is ripe to summarize and integrate the reported findings. We hope this review will be helpful and used as a building block (and possibly tentative working model, see Figure 3) for future research that will further elaborate our current – rather patchy – understanding of the cognitive and neural underpinnings of DD in adults.

Limitations of the review

References

Due to the rather scarce body of scientific evidence related to DD in adults to date, the present review should be

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Relevance for diagnosis and intervention The present review, which summarizes and integrates the reported findings on DD in adults, may be used as a building block for future research endeavours. As depicted in Figure 3, the present findings suggest a differentiation between number-related and number-unspecific (domaingeneral) deficiencies characterizing DD in adulthood (at the cognitive and brain level alike). In order to develop sensitive diagnostic marker tasks, future research endeavours should be targeted at identifying neurocognitive core deficiencies of DD in adults. As evident in our review and across the existing literature, DD in adults is an important issue because it has a negative impact on the occupational achievement (i. e., income) and social and emotional wellbeing of affected individuals. In consequence the urgent need for (currently lacking) conceptually driven and empirically evaluated intervention studies becomes readily apparent.

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Liane Kaufmann, PhD habil Department of Psychiatry and Psychotherapy A General Hospital Hall in Tirol Milser Strasse 10 6060 Hall in Tirol Austria liane.kaufmann@tirol-kliniken.at

Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 126 – 137


Wissen – kurz notiert

Buchstabenkenntnis: der beste Prädiktor für Leseschwierigkeiten bei Kindern mit einer Sprach­ entwicklungsstörung Irene Corvacho del Toro Institut für Pädagogik der Elementar- und Primarstufe, Goethe-Universität, Frankfurt am Main

Zur Vorhersage von Leseschwierigkeiten im Grundschulalter gilt die phonologische Bewusstheit als bester Prädiktor. Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung (SES, ICD-11, WHO 2018) zeigen grundsätzlich Schwierigkeiten in der sprachlichen Kommunikation sowie im Sprachverständnis. Eine phonologische Beeinträchtigung gehört oft zur Symptomatik einer Sprachentwicklungsstörung, dennoch entwickeln nicht alle Kinder mit einer SES, sondern 30 % bis 50 % von ihnen im Grundschulalter eine Lesestörung. Alonzo, McIlraith, Catts und Hogan (2020) leiten aus der Evidenz die Annahme ab, dass die phonologische Bewusstheit für Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung nicht den besten Prädiktor für Leseschwierig­ keiten darstellt. Im Rahmen einer Längsschnittstudie untersuchen sie, ob die Fähigkeit, in der zweiten Klasse Wörter richtig zu lesen, akkurater durch die phono­ logische Bewusstheit oder die Buchstabenkenntnis im Kindergarten vorhersagbar ist. Die Probanden entstammen einer nach Wohnort geschichteten Stichprobe von 7.218 Kindern aus einer epidemiologischen Studie, die sowohl Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung (n = 187) als auch Kinder mit einer unauffälligen Sprachentwicklung (n = 260) einschließt. Alle 447 Kinder wachsen einsprachig (Englisch) auf. Kinder mit einem IQ < 70 wurden ausgeschlossen. Die Gruppe der Kinder mit einer Lesestörung wurde durch einen Prozentrang < 16 im Wortlese-Test definiert. Alonzo et al. (2020) analysieren mithilfe von logistischer und Quantilsregression den Zusammenhang zwischen dem Wortelesen in der zweiten Klasse und der phonologischen Bewusstheit sowie der Buchstabenkenntnis im Kindergarten. Mit diesen statistisch aufwendigen Verfahren überprüfen sie für beide Gruppen (mit versus ohne SES), ob die phonologische Bewusstheit oder die Buchstabenkenntnis LeseschwieLernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 138 https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000297

rigkeiten treffender prognostiziert. Sie berechnen für jede Gruppe (mit versus ohne SES) drei verschiedene Modelle mit den verschiedenen Prädiktoren (M1 = nur phonologische Bewusstheit; M2 = nur Buchstabenkenntnis; M3 = beide Prädiktoren zusammen). Die Ergebnisse zeigen, dass für Kinder ohne SES die phonologische Bewusstheit den besten Prädiktor darstellt. Für Kinder mit einer SES ist dagegen Buchstabenkenntnis ein treffsicherer Prädiktor. Die Erklärung zu diesem Befund sehen Alonzo et al. (2020) in der Tatsache, dass ­Kinder mit einer SES meist eine phonologische Beeinträchtigung aufweisen. Demnach ist ein Screening der phonologischen Bewusstheitsfähigkeit für diese Gruppe unterspezifiziert. Frühe literale Praktiken, als frühe Buchstabenkenntnisse operationalisiert, scheinen dagegen der bessere Prädiktor zu sein, denn sie wirken sich kompensatorisch auf das Risiko aus, eine Lesestörung zu entwickeln. Für die diagnostische Praxis wird der Einschluss beider Prädiktoren nahegelegt.

Literatur Alonzo, C. N., McIlraith, A. L., Catts, H. W. & Hogan, T. P. (2020). ­Predicting Dyslexia in Children with Developmental Language Disorder. Journal of Speech, Language, and Hearing Research, 63, 151 – 162.

Dr. phil. Irene Corvacho del Toro Institut für Pädagogik der Elementar- und Primarstufe Goethe-Universität Theodor-W.-Adorno-Platz 6 60323 Frankfurt am Main Deutschland corvachodeltoro@em.uni-frankfurt.de © 2020 Hogrefe


Wissen – kurz notiert

Musik fördert mathematische Fähigkeiten von Kindern mit Dyskalkulie Karin Kucian Zentrum für MR-Forschung, Universitäts-Kinderspital Zürich, Schweiz

Musikalische Förderung stimuliert kognitive Funktionen auf spielerische und multisensorische Weise. Inwiefern musikalisches Training sich auf numerische Fertigkeiten von Kinder mit Dyskalkulie auswirkt, haben Ribeiro & Santos (2020) in einer longitudinalen Studie untersucht. Eine Gruppe von 22 Kindern mit Dyskalkulie (8.3 (SD 0.3) Jahre) und eine Gruppe von 22 Kindern ohne Rechenprobleme (8.4 (SD 0.3) Jahre) erhielten ein standardisiertes musikalisches Training, welches melodische und rhythmische Aktivitäten beinhaltete. Das Training wurde einmal pro Woche für 60 min über einen Zeitraum von 14 Wochen in kleinen Gruppen von 8 – 10 Kindern durchgeführt. Alle Kinder wurden vier Mal detailliert neuropsychologisch ­untersucht: 1. vor der musikalischen Förderung, 2. in der Mitte der Musikintervention nach 7 Wochen, 3. nach Beendigung des Trainings nach 14 Wochen und 4. nochmals nach weiteren 10 Wochen. Die Autoren konnten einen positiven Effekt der musikalischen Förderung auf Zahlenverarbeitung und Rechnen bei Kindern mit Dyskalkulie feststellen. Leistungsverbesserungen zeigten sich im Zahlenverständnis, der Zahlenproduktion und im Rechnen (wobei das Leistungsniveau immer noch nicht jenes der Kinder ohne Rechenprobleme erreichte). Diese Verbesserungen blieben auch 10 Wochen nach Beendigung der Musikförderung stabil. Hervorzu­ heben ist, dass keine Trainingseffekte auf abstraktes visuelles Denken gefunden wurden. Das heisst, der musikalische Unterricht wirkte sich spezifisch auf die numerischen Fertigkeiten von Kindern mit Dyskalkulie aus. Im Gegensatz dazu schien das Training keine Effekte auf nume­ rische Fertigkeiten oder abstraktes visuelles Denken bei Kindern ohne Rechenprobleme zu haben. Ribeiro & Santos spekulieren, dass musikalische Aktivitäten wie das Zeichnen der Grösse oder des Tons eines Klanges generell die symbolische Repräsentation stärken und so auch die symbolische Repräsentation von Mengen © 2020 Hogrefe

in Form von Arabischen Zahlen. Bei der Zahlenverarbeitung ist diese symbolische Repräsentation für erfolgreiche Zahlenverarbeitung und das Rechnen unumstritten. Weiter ist es möglich, dass Kinder mit Dyskalkulie mehr Raum für Verbesserung hatten. Kinder ohne Rechenprobleme zeigten bereits vor dem Musiktraining altersentsprechende Leistungen. Die Studie zeigt einen alternativen und kreativen Interventionsansatz zur Unterstützung von Kindern mit Dyskalkulie. Es bleibt allerdings klar zu betonen, dass domänen-spezifische Interventionen, sprich die Förderung des Zahlen- und Mengenverständnisses sowie der Rechenfertigkeiten und des arithmetischen konzeptuellen Wissens unumgänglich sind, da Kinder mit Dyskalkulie von domänen-spezifischen und defizitorientierten Interventionsmethoden nachweislich mehr profitieren (AWMF, 2018).

Literatur AWMF (2018). S3-Leitlinie: Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung. Verfügbar unter https://www.awmf.org/leitlinien/­ detail/ll/028-046.html [04.03.2020]. Ribeiro, F. S. & Santos, F. H. (2020). Persistent Effects of Musical Training on Mathematical Skills of Children With Developmental Dyscalculia. Frontiers in Psychology, 10, 2888. doi:10.3389/ fpsyg.2019.02888

PD Dr. sc. nat. Karin Kucian Zentrum für MR-Forschung Universitäts-Kinderspital Zürich Eleonorenstiftung Steinwiesstr. 75 8032 Zürich Schweiz karin.kucian@kispi.uzh.ch Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 139  https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000296


Rezensionen

Franziska Stutz, M.A. in Entwicklungspsychologie, Dr. phil. Pädagogische Psychologie, Dozentin im Bereich Grundschulpädagogik Deutsch über

Leseverständnis und Lesekompetenz: Grundlagen – Diagnostik – Förderung Wolfgang Lenhard. Stuttgart, Kohlhammer, 2019. ISBN 978-3-17-035017-5, 172 S., € 24,00. Das vorliegende Grundlagenwerk von Wolfgang Lenhard ist im letzten Jahr nicht ohne Grund in der 2. aktualisierten Auflage erschienen. Lenhard ist im Gebiet der Leseforschung ein renommierter Name und er versteht es, die wichtigsten Aspekte des Leseverständnisses und der Lesekompetenz strukturiert und gut verständlich darzustellen. Somit hat er ein sehr komplexes und mittlerweile umfangreich erforschtes Thema für die Anwendung in der Praxis in einem handlichen Buch passend zusammengefasst. Wie im Titel des Buches schon deutlich wird, unterteilt Lenhard sein Werk in eine Einleitung (Kapitel 1), Grundlagen (Kapitel 2), Diagnostik (Kapitel 3) und Förderung (Kapitel 4). Die Grundlagen basieren dabei auf einem sehr übersichtlichen Modell der Teilprozesse des Leseverständnisses (S. 15). Der Autor beschreibt diese hierarchieniederen und hierarchiehohen Prozesse mit anschaulichen Beispielen und fokussiert sich dabei auf die wirklich wichtigen Informationen. Danach geht er auf die Einflussfaktoren des Leseverständnisses ein. Immerhin gibt es eine Reihe an Vorläuferfähigkeiten für das Leseverständnis, die schon vor dem Schuleintritt mehr oder weniger gut ausgeprägt sind und die Leseentwicklung somit maßgeblich beeinflussen. Natürlich gilt es auch in der Schulzeit noch, einige dieser Vorläuferfähigkeiten weiter zu fördern. Im nächsten Abschnitt des zweiten Kapitels werden wesentliche Begriff definiert und die Leistungen deutscher Schüler und Schülerinnen anhand von Schulleistungsstudien eingeordnet, es folgt eine Passage zu den Besonderheiten schwacher Leserinnen und Leser und deren Risikofaktoren.

Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 140 https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000299

Das dritte Kapitel widmet sich der Diagnostik. Dieses Kapitel ist besonders beeindruckend, da es die Diagnostik als wichtigen Aspekt der Leseförderung überzeugend hervorhebt, sämtliche damit zusammenhängende Begriffe einfach und praxisorientiert erklärt, Möglichkeiten der Diagnostik aufzeigt und zu alledem mit sehr verständlichen Beispielen auftrumpft. Im vierten und letzten Kapitel geht der Autor auf die Förderung von Leseverständnis und Lesekompetenz ein. Allein mit diesem Thema könnten ganze Buchreihen gefüllt werden, so dass einige Inhalte hier nicht aufgeführt werden. Als Überblick ist es aber ausreichend. Lenhard teilt die Fördermöglichkeiten in die Phasen Vorschule, Beginn des Schriftspracherwerbs, Grundschule und Sekundarstufe ein. Damit wird an die dargestellten Aspekte der Leseentwicklung angeschlossen. Auch haben die Leser und Leserinnen in den verschiedenen Phasen tendenziell verschiedene Bedürfnisse bzw. Probleme. Die jeweiligen Abschnitte werden in allgemeine Maßnahmen (z. B. Motivationsförderung, Vorlesen, etc.) und konkrete Förderprogramme (z. B. Lesespiele mit Elfe und Mathis) eingeteilt. Zum Schluss gibt es ein kurzes Wort zur Therapie von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten und eine zusammenfassende Schlussfolgerung zu der omnipräsenten Frage: Was ist guter Leseunterricht? Jedes dieser Kapitel endet mit Fragen und Aufgaben zur Selbstüberprüfung. Dies unterstützt insbesondere den Einsatz in Ausbildungsstätten, ist aber auch für die private Lektüre eine spannende Übung. Alles in allem ist dies ein sehr gelungenes Übersichtswerk für die Praxis. Ich empfehle es uneingeschränkt.

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Rezensionen

Marlies Lipka, M.A. Bildungsmanagement, Diplomlehrerin, Integrative Lerntherapeutin über

LRS: Schwierigkeiten erkennen – Fähigkeiten fördern Ein Praxishandbuch für Lehrende der Klassen 1 – 6 Karl-Ludwig Herné, Cordula Löffler (2017). 2. Auflage. Klett Kallmeyer, Seelze. ISBN 978-3-7800-4962-9, 200 S., € 29,95

obachtungsverfahren zum Erfassen der Lese- bzw. (Recht-) Schreibstrategien werden beschrieben sowie empfehlenswerte Testverfahren zur Einschätzung von:

Das Buch wendet sich vorrangig an Lehrende der Klassen 1 – 6. Es ist jedoch für alle Deutschlehrkräfte und therapeutische Fachkräfte ausgesprochen empfehlenswert, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene beim Schriftsprache unterstützen. Die Inhalte sind mit sprachwissenschaftlicher und sprachdidaktischer Schwerpunktsetzung dargestellt. Von der Umsetzung können damit Schülerinnen und Schüler (SuS) mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten (LRS) bei der individuellen Förderung profitieren, aber auch alle anderen durch einen hochwertigen Unterricht. Die Darstellung verdeutlicht damit die Anstrengungen für eine gute schulische Förderung. Lerntherapeutinnen und -therapeuten werden angeregt, ihre Interventionen unter sprachwissenschaftlichen und sprachdidaktischen Aspekten zu überprüfen, anzupassen und / oder zu ergänzen. Im Buch wird gut begründet der Begriff Lese-Rechtschreibschwierigkeiten bzw. LRS verwendet. In der Einleitung nehmen die Autoren Bezug auf die leo.-Level-One Studie und leiten davon die Bedeutung einer passenden Förderung von SuS mit LRS ab. Das Buch ist in die drei Hauptkapitel: Schriftspracherwerb, Diagnostik und Förderung gegliedert. Das Kapitel Schriftspracherwerb widmet sich den Entwicklungsmodellen. Einsichten in die Strukturen (inkl. Hürden) der deutschen Schriftsprache werden vermittelt sowie Strategien, die beim Lesen und Schreiben angewendet werden, vorgestellt. Zudem werden die Definition, Prävalenz und Ursachen von LRS prägnant besprochen. Das Kapitel Diagnostik gibt Informationen über quantitative und qualitative Diagnoseverfahren. Ausgewählte Be-

Lesefähigkeiten: Würzburger Leise Leseprobe (WLLP-R) Salzburger Lese-Screening – SLS Knuspels Leseaufgaben (Knuspel-L) Ein Leseverständnistest für Erst- bis Sechstklässler (ELFE 1 – 6)  Stolperwörter-Lesetest

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Rechtschreibfähigkeiten: Diagnostischer Rechtschreib-Tests (DRT), DRT 4 / DRT5 Deutscher Rechtschreibtest (DERET) Hamburger Schreib-Probe (HSP) AFRA-Tests (Kommissar IX)

Als qualitative Fehleranalyse wird die AFRA – Aachener Förderdiagnostische Rechtschreibfehler-Analyse ausführlich dargestellt. Von dem damit ermittelten Rechtschreibprofil kann eine individuelle Förderplanung abgeleitet werden. Das Kapitel Förderung verbindet die sprachwissenschaftlich / - didaktischen Inhalte zur Schriftsprache und zum Schriftspracherwerb mit der von der Diagnostik abgeleiteten Förderplanung. Es wird auf ausgewählte Lehrwerke (z. B. Oskar Fibel) und Förderprogramme (z. B. Kieler Leseaufbau, Marburger Rechtschreibtraining) exemplarisch Bezug genommen, Hinweise zum Erstellen zusätzlicher Fördermaterialien gegeben und Kriterien für die Bewertung von Material vorgestellt. Abschließend geben die Autoren didaktische Hinweise zur Verwendung der Fördermaterialen, die der Begleit-CD-ROM entnommen werden können, zu den Themen: Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 141 – 142 https://doi.org/10.1024/2235-0977/a000298


142 Rezensionen

yy Förderung im Bereich des phonologischen und silbischen Prinzips yy Vokalqualität yy Morphologisches Prinzip (mit konsonantischer und ­vokalischer Ableitung) yy Syntaktisches Prinzip yy Dialektal bedingte Fehler yy Rechtschreib-Rally zur Lernzielkontrolle Diese praktische Umsetzung der theoretischen Inhalte verdeutlicht den umfangreichen Erfahrungsschatz des Autorenteams aus der eigenen Förderarbeit. Auf der ­ ­CD-ROM finden sich zudem Übungen, mit denen die ­Anwendung der AFRA trainiert werden kann. Die Inhalte sind gut verständlich dargestellt. Die verwendete Literatur regt zur Vertiefung einzelner Themen an. Verweise auf Wirksamkeitsstudien runden die thematische Auseinandersetzung ab. An mehreren Stellen werden die Ausführungen durch zusätzliche Info-Boxen / -Klammern ergänzt. Hier finden sich interessante, auch überraschende Informationen u. a. zu den gängigen didak-

tischen Konzepten des Anfangsunterrichts oder der Überprüfung schriftdidaktischer Konzepte. Dabei werden – einmal sachlich und emotionsfrei – der silbenorientierte und morphemorientierte Ansatz bei der Konsonantenverdopplung vergleichend beschrieben, so dass die Leserin bzw. der/ die Leser_in Vor- und Nachteile ableiten und prüfen kann. Auch Auseinandersetzungen zu „didaktischen Klapper­ störchen“ und „alternativen“ (Förder-)Methoden werden erörtert, Zusammenhänge von Normen, T-Werten und Prozenträngen verständlich erklärt, die Ähnlichkeits- bzw. Ranschburg'sche Hemmung beschrieben u. v. a. Den Autoren ist eine auf nur 200 Seiten prägnante und dennoch umfassende Darstellung der sprachwissenschaftlichen und -didaktischen Aspekte von LRS gelungen. Das Buch eignet sich sowohl als Grundlagenbuch für den Einstieg in die Thematik wie auch als Nachschlagewerk und sollte in jeder Schulbibliothek, jeder lerntherapeutischen Praxis und natürlich in Bibliotheken von Universitäten bzw. Hochschulen, in denen künftige Lehrer_innen und / oder Lerntherapeut_innen ausgebildet werden, vorgehalten werden.

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Lernen und Lernstörungen 2020, 9 (2), 141 – 142

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Uta Klusmann Natalie Waschke

Gesundheit und Wohlbefinden im Lehrerberuf

Psychologie im Schulalltag

(Reihe: „Psychologie im Schulalltag“, Band 1) 2017, 132 Seiten, € 22,95 / CHF 29.90 ISBN 978-3-8017-2863-2 Auch als eBook erhältlich

Schuleingangsdiagnostik

Gesundheit und Wohlbefinden im Lehrerberuf

Schuleingangs­ diagnostik

Wolfgang Schneider Marcus Hasselhorn (Hrsg.)

Franz Petermann Heike Natzke Nicole Gerken Hans-Jörg Walter Illustrationen von Iris Walter

Auf Schatzsuche Ein Abenteuer mit Ferdi und seinen Freunden Das Arbeitsheft für Kinder zum „Verhaltenstraining für Schulanfänger“ 3., unveränderte Auflage

Das „Verhaltenstraining für Schulanfänger“ ist ein Gruppenprogramm zur gezielten Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen. Es wurde speziell für Kinder in der Schuleingangsphase entwickelt, die noch nicht lesen und schreiben können. Das vorliegende Arbeitsheft dient der Unterstützung des Trainings. Es enthält alle notwendigen Arbeitsmaterialien für Kinder. Das Training kann in der Schule und in anderen pädagogischen Einrichtungen durchgeführt werden.

www.hogrefe.com

(Reihe: „Jahrbuch der pädagogisch-psychologischen Diagnostik. Tests und Trends“, Band 16) 2018, X/224 Seiten, € 34,95 / CHF 45.50 ISBN 978-3-8017-2926-4 Auch als eBook erhältlich

Franz Petermann / Heike Natzke / Nicole Gerken / Hans-Jörg Walter

Auf Schatzsuche

3., unveränderte Auflage 2018, 48 Seiten, Großformat, € 7,95 / CHF 10.90 ISBN 978-3-8017-2869-4 Auch als eBook erhältlich

Schuleingangsdiagnostik

Der Band thematisiert die Probleme und Möglichkeiten der Einschulungsdiagnostik, die im deutschen Sprachraum eine lange Tradition hat. Die Beiträge beschäftigen sich mit der theoretischen Fundierung des Konzepts der Schulbereitschaft, skizzieren historische Trends in der Entwicklung von diagnostischen Verfahren und stellen neuere Verfahren zur Schuleingangsdiagnostik vor, die etwa die sprachliche und motorische Entwicklung, phonologische Kompetenzen und frühe mathematische Fertigkeiten beinhalten.

Petermann / Natzke / Gerken / Walter

Dieses Buch bietet einen umfassenden Überblick über aktuelle theoretische Ansätze und empirische Befunde zur Gesundheit und zum Wohlbefinden im Lehrerberuf. Zudem zeigt es ganz konkrete Handlungsmöglichkeiten für die Schulpraxis auf. Themen sind z.B. die Reflexion der beruflichen Rolle, die Erhöhung der Achtsamkeit und Selbstfürsorge im Schulalltag, mehr Professionalität in schwierigen Arbeitssituationen, die Ausgewogenheit der Work-Life-Balance sowie Anregungen für eine gesunde Schule.

Franz Petermann / Heike Natzke / Nicole Gerken / Hans-Jörg Walter

Wolfgang Schneider / Marcus Hasselhorn (Hrsg.)

Tests und Trends – Jahrbuch der pädagogischpsychologischen Diagnostik

Verhaltenstraining für Schulanfänger Verhaltenstraining für Schulanfänger

Gesundheit und Wohlbefinden im Lehrerberuf

Klusmann / Waschke

Uta Klusmann / Natalie Waschke

Schneider / Hasselhorn (Hrsg.)

Unsere Buchtipps

Franz Petermann Heike Natzke Nicole Gerken Hans-Jörg Walter

Verhaltenstraining für Schulanfänger Ein Programm zur Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen

Ein Programm zur Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen

4., aktualisierte Auflage

4., aktualisierte Auflage 2016, 316 Seiten, € 34,95 / CHF 45.50 ISBN 978-3-8017-2709-3 Auch als eBook erhältlich Das Training dient der gezielten Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen von Schülern und wurde speziell für Kinder in der Schuleingangsphase entwickelt. Das Trainerhandbuch gibt eine Einführung in den theoretischen Hintergrund des Trainings, behandelt Themen wie Klassenführung und Krisenintervention und enthält detaillierte Beschreibungen der Trainingssitzungen, einschließlich aller Trainingsmaterialien.


Essentials für die Praxis World Health Organization

Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen Mit Glossar und Diagnostischen Kriterien sowie Referenztabellen ICD-10 vs. ICD-9 und ICD-10 vs. DSM-IV-TR Nach dem englischsprachigen Pocket Guide von J. E. Cooper Deutsche Ausgabe herausgegeben von Horst Dilling / Harald J. Freyberger. 9., aktualisierte Auflage entsprechend ICD-10 GM 2019. 528 S., Gb € 36,95 / CHF 45.90 ISBN 978-3-456-85992-7

Im Gesamtwerk der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) der WHO kommt den psychischen Störungen eine Sonderstellung zu. Der „Taschenführer“ enthält die diagnostischen Kriterien für die einzelnen psychischen Störungen und Störungsgruppen in kommentierter Form. Nach einem kurzen Einführungsabschnitt zu jeder Störung werden die für die Diagnose relevanten Kriterien aufgeführt und mit Hinweisen zur Differenzial- und Ausschlussdiagnostik ergänzt. Damit umfasst dieser Ansatz sowohl die pragmatische Darstellung der Diagnosen entsprechend den ICD-10-Forschungskriterien als auch, anstelle der ausführlicheren diagnostischen Leitlinien, die kompakte Definition und Beschreibung der einzelnen Störungen.

www.hogrefe.com

Ergänzend enthält diese Ausgabe: • Referenztabellen zu ICD-9 und DSM IV-TR • ein Faltblatt mit allen psychiatrischen ICD-10-Diagnosen im Überblick. Für die 8. Auflage wurde das Buch entsprechend der German Modification (ICD-10-GM) 2016 des Deutschen Instituts für Medizinische Datenverarbeitung und Information (DIMDI) überarbeitet und ergänzt.


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