Pad 2016 11 issue 1

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Jahrgang 11 / Heft 1 / 2016

Herausgeber Michael Bossle Doris Eberhardt Katrin S. Rohde Susanne Schewior-Popp Kordula Schneider Angelika Zegelin

PADUA

Fachzeitschrift für Pflegepädagogik, Patientenedukation- und bildung Lernberatung – Lernbegleitung Lehren und Lernen Bildungsübergänge durch Tutorien erfolgreich gestalten Wissen und Forschen Wie begegnen Lehrkräfte an Pflegeschulen den heutigen Auszubildenden? Informiert sein und Handeln Schulgesundheitspflege


Pflegepädagogik – kritisch und aus einem Guss

Karl-Heinz Sahmel

Lehrbuch Kritische Pflegepädagogik 2015. 418 S., 24 Abb., 22 Tab., Gb € 49.95 / CHF 65.00 ISBN 978-3-456-85529-5 AUCH ALS E-BOOK

Die Fachliteratur zur Pflegepädagogik ist wenig umfassend und grundlegend. Sie ist stark auf Teilbereiche spezialisiert und mehr affirmativ als kritisch. Es fehlt also ein Werk, welches das Feld der Pflegepädagogik kritisch analysiert, historische Wurzeln offenlegt, systematisch Teilbereiche und Rollen identifiziert, Methoden hinterfragt sowie einen Gesamtüberblick über die Disziplin der Pflegepädagogik gibt.

www.hogrefe.com

Der erfahrene Professor für Pflegepädagogik und -wissenschaft schafft mit diesem Buch ein solches Grundlagenwerk für das Studium der Pflegepädagogik. Er bietet eine fundierte, kritische Analyse und Darstellung des Lehr- und Handlungsfeldes der Pflegepädagogik aus einem Guss.


PADUA

Fachzeitschrift für Pflegepädagogik, Patientenedukation und -bildung

Jahrgang 11/Heft 1/2016

Schwerpunkt Lernberatung – Lernbegleitung Herausgeber Michael Bossle Doris Eberhardt Katrin S. Rohde Susanne Schewior-Popp Kordula Schneider Angelika Zegelin


Herausgeberinnen und Herausgeber

Prof. Dr. Michael Bossle, Regensburg Doris Eberhardt, Neumarkt Katrin S. Rohde, Berlin Prof. Dr. phil. Susanne Schewior-Popp, Mainz u. Vallendar Prof. Dr. phil. Kordula Schneider, Münster Prof. Dr. rer. medic. Angelika Zegelin, Witten/Herdecke

Redaktorin

Edith Meyer, BScN, MScN, Nürnberg padua@hogrefe.ch

Verlag

Hogrefe AG, Länggass-Str. 76, CH-3000 Bern 9, Tel. +41 (0) 31 300 45 00, zeitschriften@hogrefe.ch, www.hogrefe.ch

Anzeigenleitung

Josef Nietlispach, Tel. +41 (0) 31 300 45 69, inserate@hogrefe.ch

Abonnemente

Zeitschriftenvertrieb, Tel. +41 (0) 31 300 45 13, zeitschriften@hogrefe.ch

Herstellung

Daniela Decurtins, Tel. +41 (0) 31 300 45 74, daniela.decurtins@hogrefe.ch

Satz und Druck

AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten im Allgäu

Titelbild

© contrastwerkstatt - Fotolia

ISSN

1861-6186

Elektronische Version

www.padua-zeitschrift.com

Preise 2016

Jahresabonnement: Institute: CHF 403.– / € 313.– Private: CHF 116.– / € 87.– Studierende: CHF 67.– / € 50.– Porto und Versandgebühren; Schweiz: CHF 15.– Europa: € 15.– Übrige Länder: CHF 27.– Der Zugang zu den Volltexten ab 2006 ist im Abonnement inbegriffen und kann online aktiviert werden. Einzelheft: CHF 29.– / € 20.– (+ Porto und Versandgebühren)

Hinweise für Autoren

Für die Einreichung Ihres Beitrags und für jegliche redaktionelle Fragen wenden Sie sich bitte an die Redaktion unter padua@hogrefe.ch. Mit der Einreichung Ihres Beitrags willigen Sie einer allfälligen redaktionellen Bearbeitung ein und bestätigen, dass das Manuskript weder im Inland noch im Ausland publiziert, und dass es nicht gleichzeitig bei anderen Publikationsorganen eingereicht wurde. Weiter bestätigen Sie, dass sämtliche Abdruckgenehmigungen von allfälligen Abbildungen vorliegen. Bitte befolgen Sie die Hinweise zur Manuskriptgestaltung, die auf www.padua-zeitschrift.com downloadbar sind. Jeder Autor erhält ein kostenloses Belegexemplar des Hefts, in dem der Artikel erschienen ist. Sonderdrucke können gegen Rechnung bestellt werden. Eine diesbezügliche Bestellung muss spätestens mit der Rücksendung der Korrekturfahnen an den Verlag erfolgen. Die Verantwortung für den redaktionellen Inhalt der einzelnen Beiträge liegt bei den Autoren.

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3

Inhalt Editorial

Lernberatung – Lernbegleitung Katrin S. Rohde, Kordula Schneider

5

Schwerpunkt

Kompetenzorientierte Lehrerausbildung

7

Beispiel des Praxisprojektes ILKA – Individuelle Lernbegleitung durch Kompetenz-Assessment Nadja Vennewald, Tanja Stumpf-Parketny, Marcellus Bonato, Kordula Schneider, Peter Kostorz, Franca zur Wickern 23

Lernberatung in der arbeitsorientierten Grundbildung (AoG) von Beschäftigten in der Altenhilfe Rosemarie Klein, Gerhard Reutter

31

Keine Angst vor Praxisbegleitung! Reflexion beruflicher Erlebnisse als Baustein von Praxisbegleitung Stefan Wellensiek Kollegiale Beratung in der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung

37

Kollegiale Beratung als Form der selbstgesteuerten Lernbegleitung Marion Roddewig Lehren und Lernen

45

Bildungsübergänge durch Tutorien erfolgreich gestalten Den Aufbau von Handlungskompetenz prinzipienorientiert und durch Reflexion in Peergruppen begleiten Josef M. Huber, Claudia Eckstein, Annette Riedel, Birte Kimmerle, Eva Ruhland, Mathias Bonse-Rohmann

Wissen und Forschen

Wie begegnen Lehrkräfte an Pflegeschulen den heutigen Auszubildenden?

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Auswirkungen der Auszubildenden-Charakteristika auf die Gesundheitsund Krankenpflegeausbildung in Sachsen Madlen Baumgarten, Gertrud M. Ayerle Informiert sein und Handeln

Schulgesundheitspflege

59

Erste Hilfe Unterricht für Kinder Alisa Banovic Experten aus Erfahrung

65

Peers, chronische Krankheit und Selbstmanagementförderung Jörg Haslbeck Service

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Meldungen, Neuheiten, Termine Impressum

2

Stellenangebote

72

Vorschau

76

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Gegenstand und Grundkonzepte Gerontologischer Pflege

Hermann Brandenburg / Helen Güther (Hrsg.)

Lehrbuch Gerontologische Pflege 2015. 360 S., 1 Abb., 8 Tab., Kt € 39.95 / CHF 48.50 ISBN 978-3-456-85471-7 AUCH ALS E-BOOK

Für eine professionelle Pflege und Betreuung alter Menschen sind gründliche Kenntnisse der Gerontologie und Pflegewissenschaft notwendig. Das erfahrene Herausgeber- und Autorenteam klärt Grundkonzepte der Gerontologischen Pflege wie Gutes Leben, Lebensqualität, Personenzentrierte Pflege, Beziehung, Menschenwürde und Selbstbestimmung. Das Lehrbuch greift Impulse aus den Leitwissenschaften Gerontologie und Pflegewissenschaft auf und ermöglicht der Gerontologischen Pflege sich zu konturieren und zu positionieren.

Herausgeber und Autoren • entwerfen Gerontologische Pflege als eine fachlich angemessene, ethisch verantwortbare und gesellschaftlich unterstützte gute Pflege alter Menschen • orientieren sich an einer den personzentrierten Pflege, die sich den Bedürfnissen der Betroffenen verpflichtetet fühlt • stellen Professionalisierung, Qualitätsentwicklung und Innovation als zentrale Themenfelder in Forschung und Praxis der Gerontologischen Pflege dar. «Brandenburg/Güther» – Das Lehrbuch Gerontologische Pflege als Brückenschlag zwischen Pflegepraxis, Gerontologie und Pflegewissenschaft.

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Editorial

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Liebe Leserinnen, liebe Leser, viele Lehrende machen die Erfahrung, dass sie nicht alle Lernenden in vergleichbarem Maße erreichen können, obwohl sie eine abwechslungsreiche, aktivierende und medial zugängliche Lehre gestalten. Der Grund dafür liegt häufig in der Heterogenität der Lerngruppen wie z. B. (Lern)-Biographie, Engagement und/oder Zielorientierung begründet. Es geht nicht nur darum, Wissen zu vermitteln oder dieses gemeinsam erarbeiten zu lassen, vielmehr geht es um die Unterstützung der individuellen Aneignung von Wissen, also um die Lerntechniken und Lernstrategien. Die ohne Zweifel vorhandene Kluft zwischen denjenigen, die sich Wissen leicht aneignen und es zur Anwendung bringen können und denjenigen, die sich damit schwer tun, soll nicht erweitert oder vertieft, sondern zunehmend reduziert oder überbrückt werden. Lernbegleitung bietet die Möglichkeit, den Lernenden mit (Lern)Schwierigkeiten «auf die Sprünge zu helfen» und ihnen mehr Sicherheit in der Bewältigung ihrer Lernprozesse zu geben. Der in der Literatur noch gängige ältere Begriff der Lernberatung setzte häufig an den Defiziten der Lernenden an, die es galt zu bewältigen oder zu überwinden. Neuere Entwicklungen der Lernbegleitung folgen dem ressourcenorientierten Ansatz und gehen damit weg von der Defizitorientierung, die von den Lernenden auch als stigmatisierend wahrgenommen und infolgedessen implizit oder explizit abgelehnt werden kann. Hier lautet das Prinzip: Stärken stärken. Lernbegleitung zielt auf die Integration und den bewussten Umgang mit den Verschiedenheiten der Lernenden. Lehrende werden zu Lernbegleitern und Trainern, sowohl im Unterricht als auch außerhalb des Unterrichts wie in Lernbegleitungsgesprächen. Hier kann eine individuelle Lernbegleitung nach

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vorheriger Diagnose effektiv ansetzen. Individuelle Begleitung und das Wissen darum, dass wir alle stets lernen – nicht nur im Unterricht – und dass es ein wertvoller Schatz ist, dieses Wissen zu überprüfen und in Anwendung zu bringen, ist eine wichtige Voraussetzung für Lernentwicklungsgespräche. Lernbegleitung findet in unterschiedlichen Settings statt (vgl. Lernortkooperation) und betrifft alle Schul- und Ausbildungsformen bis hin zum Abschluss eines Studiums oder Angebote der Fort- und Weiterbildung. Unterschiedliche Settings sollen subjektives Lernen fördern, Reflexionsanlässe schaffen und Transferleistungen ermöglichen, um Lernenden einen wertschätzenden Umgang miteinander zu ermöglichen. Erfahrungen in der Umsetzung zeigen, dass die Lernbegleitung an organisatorische, finanzielle und personelle Grenzen stößt. Deshalb werden Projekte initiiert, die mögliche Chancen aufzeigen, um daraus Empfehlungen oder Handlungsalternativen ableiten zu können. Im vorliegenden Schwerpunkt werden verschiedene Projekte intensiver in den Blick genommen, um Möglichkeiten und Herausforderungen von Lernbegleitung mit verschiedenen Zielgruppen aufzuzeigen. Dabei werden sowohl Erfahrungen aus der Praxis aufgenommen, als auch wissenschaftliche Erkenntnisse, die helfen können, dieses noch wenig erforschte Aufgabenfeld zunehmend im Sinne aller Beteiligten und in Bezug auf bestehende Ressourcen auszuformen. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen und hoffen, dass Sie einige Anregungen für Ihre alltägliche Unterrichts- bzw. Seminartätigkeit aus diesem Schwerpunktheft entnehmen können. Ihre Katrin S. Rohde & Kordula Schneider

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Editorial

Lernberatung – Lernbegleitung


Alles was Pflegende tun auf einen Blick

Gloria M. Bulechek et al. (Hrsg.)

Pflegeinterventionsklassifikation (NIC) Deutsche Ausgabe herausgegeben von Rudolf Widmer. Übersetzt von Michael Herrmann / Ute Villwock / Rudolf Widmer / Jürgen Georg. 2015. 1120 S., 4 Abb., 1 Tab., Gb € 79.95 / CHF 99.00 ISBN 978-3-456-83298-2

NIC – Die Pflegeinterventionsklassifikation. Alles was Pflegende tun – beschrieben, definiert, standardisiert, kodiert und klassifiziert in einem einzigartigen Werk über pflegerische Handlungen und Interventionen. Die Pflegeinterventionsklassifikation (NIC) • definiert und differenziert, was Pflegeinterventionen und -aktivitäten sind • benennt und definiert 554 Pflegeinterventionen mit über 10 000 Pflegeaktivitäten

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• stellt die einzelnen Pflegeinterventionen in alphabetischer Reihenfolge vor, mit Titel, Definitionen, Pflegeaktivitäten, Grade-Skill-Mix und weiterführender Literatur • ordnet die einzelnen Interventionen übersichtlich in einer Taxonomie und Klassifikation der Pflegeinterventionen • beschreibt, wie NIC in der Praxis, Ausbildung, Forschung und im Management genutzt werden kann • verknüpft NANDA-I-Pflegediagnosen mit NIC-Pflegeinterventionen und priorisiert die wichtigsten Pflegeinterventionen.


Schwerpunkt

7

Kompetenzorientierte Lehrerausbildung Beispiel des Praxisprojektes ILKA – Individuelle Lernbegleitung durch Kompetenz-Assessment

Studierende der beruflichen Lehramtsausbildung starten mit unterschiedlichen berufsbezogenen Voraussetzungen. Das Praxisprojekt «Individuelle Lernbegleitung

durch

Kompetenz-Assessment

(ILKA)» zeigt eine Möglichkeit auf, wie Bachelorstudierende des Lehramts an berufsbildenden Schulen am Fachbereich Gesundheit sowie dem Institut für Berufliche Lehrerbildung der Fachhochschule Münster ihre berufsbezogenen Kompetenzen aktiv

derungen zum Gegenstand individueller Förderung gemacht wird. Weiterhin gehört es zum Aufgabenbereich von Lehrerinnen und Lehrern an berufsbildenden Schulen, den Lernprozess individuell zu fördern (KMK, 2004, S. 11). Deshalb ist es von enormem Vorteil, wenn sie die doppelte Handlungslogik erfahren, indem sie im Studium durch Selbst- und Fremdreflexionsprozesse ihr eigenes Kompetenzprofil erweitern, aber auch später im Unterrichtsalltag diese zentralen Aufgaben der Diagnose und Förderung kontinuierlich umsetzen können.

und gezielt fördern und vertiefen können. Im vorliegenden Beitrag werden Konzept, Evaluationser-

Projektstruktur

gebnisse und praxisrelevante Empfehlungen dargestellt.

Anlass Gerade in der Studieneingangsphase der Studiengänge Lehramt an Berufskollegs sowie Berufspädagogik im Gesundheitswesen lässt sich in den Veranstaltungen der Fachdidaktik, der Berufspädagogik und den Bildungswissenschaften bei den Studierenden eine große Heterogenität in Bezug auf die Teilkompetenzen Personal-, Sozial- und Methodenkompetenz konstatieren. Bei den Studierenden zeigen sich diese Unterschiede z. B. in der Reflexions-, der Team- und der Präsentationsfähigkeit. Damit die Studierenden dem Anforderungsprofil zukünftiger Berufsschullehrerinnen und -lehrer gerecht werden, ist eine individuelle Förderung mit gezielten Angeboten angezeigt. An dieses Anforderungsprofil knüpft das Projekt Individuelle Lernbegleitung durch KompetenzAssessment (ILKA) an, indem der Handlungsbedarf auf Grundlage einer Diskrepanzanalyse zwischen persönlichem Kompetenzprofil und den beruflichen Lehreranfor-

1

Die Lernbegleitung im Projekt ILKA wird am Fachbereich Gesundheit der Fachhochschule Münster seit 2012 umgesetzt. Das Projekt richtet sich an Lehramtsstudierende der Fachrichtungen Berufspädagogik im Gesundheitswesen sowie an Lehramtsstudierende für Berufskollegs1. Die einzelnen Bausteine des Lernbegleitungsprozesses finden parallel zu den Regelveranstaltungen vom ersten bis zum vierten Semester statt. Den Teilnehmenden wird es ermöglicht, ihre Kompetenzen bezogen auf den späteren Lehrerberuf zu erweitern. Vor allem Personal-, Sozial- sowie Methodenkompetenz werden bereits zu Beginn des Studiums diagnostiziert und analysiert. In einem Assessmentcenter (AC) werden die Kompetenzen erhoben. Bezugspunkte hierbei sind die Standards der Lehrerbildung für Bildungswissenschaften, die die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK, 2004, S. 7 – 13) formuliert hat. Ergebnis des ACs ist ein individuelles Kompetenzprofil für jeden Studierenden, der an ILKA teilnimmt. In einem Lernentwicklungsgespräch zwischen Lernbegleiterin und Teilnehmenden werden die Entwicklungsschwerpunkte herausgestellt und priorisiert. Auf dieser Grundlage werden Lernaufgaben formuliert, zum Bei-

Die Studierenden des Studiengangs Lehramt an Berufskollegs werden sowohl am Fachbereich Gesundheit, an der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster sowie am Institut für Berufliche Lehrerbildung ausgebildet.

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©2016 Hogrefe

Schwerpunkt

von Nadja Vennewald, Tanja Stumpf-Parketny, Marcellus Bonato, Kordula Schneider, Peter Kostorz und Franca zur Wickern


8

Schwerpunkt

Erster Durchgang

Selbstständige Bearbeitung der 1. Lernaufgabe

Lernbegleitungsprozess

Selbstständige Bearbeitung der 2. Lernaufgabe Selbstständige Bearbeitung der 3. Lernaufgabe

Relevante Ereignisse des ersten Durchgangs Zeitliche Belastung

Zweiter Durchgang (veränderte Massnahmen) Workshop wird eingeführt

Beschreibung der Maßnahmen - 2. + 4. Lernaufgaben sind in Workshop integeriert - Lernaufgaben können in Partner-/ Gruppenarbeit bearbeitet werden

Weitere Vorteile der Veränderung - Bestimmte Inhalte können in Gruppen effektiver erarbeitet werden - Synergieeffekte werden genutzt - Gruppe wächst zusammen, lernt sich besser kennen

Bildquelle: http://www.rgblog.de/wpcontent/uploads/2014/08/Team_ap51d303982 e4b9_xs.jpg

ILKA-Termine orientieren sich an „ruhigen“ Zeiten des Studiums

- Lernaufgabe kann selbstständig in vorlesungsfreier Zeit erarbeitet werden - Ergebnisse werden zu Beginn des Semesters vorgestellt - Workshop ¿ndet in der Mitte des Semesters statt

- Intensivere Auseinandersetzung mit Thematik - Stressfrei - ILKA wird nicht als Belastung erlebt, sondern als Bereicherung Æ optimal für Lernprozesse

- Alle Termine sind mind. 6 Wochen vor dem Prüfungszeitraum abgeschlossen Aufgabenstellung wird konkretisiert

Wegweiser

- Mögliche Ziele in Form von Kompetenzen pro Lernaufgabe vorgeschlagen

- Konzentration auf Inhalt statt auf Literaturrecherche, Strukturierung der Aufgabe, etc.

- Lernaufgabe Schritt für Schritt beschrieben

- Vermittelt Sicherheit Æ wesentlich für erfolgreiches Lernen (Roth, 2012, S. 67)

- Relevante Literatur angegeben Quelle: Eigenerstellung

Abbildung 1. Optimierung des Lernbegleitungsprozesses im zweiten Teilnehmerdurchgang

spiel eine Präsentation durchzuführen und anhand einer Filmanalyse zu reflektieren oder einen Lernplan zu erstellen. Für jede Lernaufgabe erhalten die Studierenden einen ausführlichen Arbeitsauftrag mit Literaturhinweisen. Diese Lernaufgaben bearbeiten die Studierenden selbstständig und stellen ihre Ergebnisse in Kleingruppen vor. In diesen Kleingruppen geben sich die Studierenden gegenseitig Feedback. Die Teilnehmenden profitieren sowohl von der ehrlichen und wertschätzenden Rückmeldung als auch von den Inhalten der anderen, da sie daraus Hinweise für das eigene Verhalten, das eigene Lernen etc. ableiten können. Aufgrund der Prozessevaluation sind im Rahmen des Lernbegleitungsprozesses nach dem ersten Durchgang Workshops ergänzt worden (Abb. 1). So können seit dem zweiten Durchgang die Lernaufgaben teilweise im Rahmen von Workshops integriert bearbeitet werden (Abb. 2). Dazu werden aus den Ergebnissen aller ACs Schwerpunkte herausgefiltert, die für alle Teilnehmenden relevant sind und in Gruppen sinnvoll bearbeitet werden können, z. B. «Arbeiten in und mit Gruppen». Nach der Wissensvermittlung können sich die Teilnehmenden aus unterschiedlichen Lernaufgaben eine für sich passende Lernaufgabe auswählen. In der Regel werden die Lernaufgaben mit mehreren Personen bzw. in Partnerarbeit bearbeitet. Anschließend werden die Ergebnisse z. T. in Form von Rollenspielen dargestellt sowie Verhaltensweisen eingeübt und bewertet. Die Ergebnisse der Lernaufgaben werden mit der Lernbegleiterin in Lernentwicklungsgesprächen reflektiert. Während des gesamten Prozesses führen die Studierenden ein Entwicklungsportfolio, das die Entwicklung der ©2016 Hogrefe

Potentiale verdeutlicht und die Reflexion der Lernwege sowie der Produkte fortlaufend unterstützt. Im weiteren Verlauf können somit Veränderungsbedarfe erkannt und umgesetzt werden (Vennewald/Stumpf-Parketny, 2015, S. 106 – 108). Bisher nahmen zwei Studierendengruppen teil, der dritte Durchgang ist gestartet.

Die zentralen Säulen Individueller Lernbegleitung durch Kompetenz-Assessment (ILKA) Reflexion der Bildungsbiografie Da die Biografie des Lernens unser aktuelles Lernen mehr oder weniger bewusst beeinflusst, gilt es, diese aufzudecken und zu berücksichtigen (Häßner, 2003, S. 1). Daher beantworten die Studierenden vor Beginn des ACs schriftlich Fragen zu ihren Bildungsbiografien. Hier werden z. B. Studienmotivation, bisherige Lernerfahrungen, Vorerfahrungen als Lehrender (Gruppenleiter o. ä.) sowie Ziele und Erwartungen an das Projekt erhoben. Sie befassen sich mit Eigenschaften eines «guten Lehrers», dem Schülerbild sowie den Faktoren erfolgreichen Unterrichts (Meyer, 2014). Nicht nur das Lernen selbst, sondern auch Berufswahlmotive und Strategien des Lehrerhandelns können durch unsere Erfahrungen geprägt sein, diese fungieren «als Positiv- oder Negativfolie unseres Handelns» (Landesinstitut für Schule, 2005, S. 5) und können durchaus mit dem aktuellen Handeln verknüpft sein. Die Studierenden entwerfen ein Bild, wie die Lehrerrolle nach ihrem jetzigen Wissensstand optimal ausgeführt werden könnte. Diese Auseinandersetzung mit der Lehrerrolle wird in den fortlaufenden Reflexionsgesprächen weiter forciert und das PADUA (2016), 11(1), 7–21


4. Sem.

Ist- Stand 4. LA

3. Sem.

3. LA

2. LA

2. Sem.

1. LA

1. Sem.

Schwerpunkt

9

Assessmentcenter

Kompetenzbilanzierung, Ist-Stand in Relation zu KMK-Anforderungen

Kleingruppen (6 Pers.)

Diskrepanzabgleich

Ergebnisse des AC besprechen, Entwicklungsschwerpunkte festgelegen und priorisieren, erste Lernaufgabe formulieren

Einzelgespräch

Ergebnisvorstellung

Ergebnisse der Lernaufgabe vorstellen und reflektieren

Kleingruppe (ca. 8 Pers.)

Lernentwicklungsgespräch

Lernweg und Produkt reflektieren und evaluieren, Gesprächsinhalte und Fazit für Portfolio festhalten, neue Lernaufgabe formulieren

Einzelgespräch

Workshop

Wissensinput abgestimmt auf Lernbedarfe der Gruppe, integrierte Lernaufgabe bearbeiten, Übungen in Kleingruppen

Kleingruppen (ca. 8 Pers.)

Lernentwicklungsgespräch

Einschätzen des Lernzuwachses, Gesprächsinhalte und Fazit für Portfolio festhalten, neue Lernaufgabe formulieren

Einzelgespräch

Ergebnisvorstellung

Ergebnisse der Lernaufgabe vorstellen und reflektieren

Kleingruppe (ca. 8 Pers.)

Lernentwicklungsgespräch

Lernweg und Produkt reflektieren und evaluieren, Gesprächsinhalte und Fazit für Portfolio festhalten, neue Lernaufgabe formulieren

Einzelgespräch

Workshop

Wissensinput abgestimmt auf Lernbedarfe der Gruppe, integrierte Lernaufgabe bearbeiten, Übungen in Kleingruppen

Kleingruppe (ca. 8 Pers.)

Lernentwicklungsgespräch

Einschätzen des Lernzuwachses, Gesprächsinhalte und Fazit für Portfolio festhalten

Einzelgespräch

Portfolioarbeit und Evaluation

Lernweg mit ILKA abschließend reflektieren und evaluieren anhand Portfolio, Evaluation

Einzelgespräch

Abbildung 2. Individuelle Lernbegleitung durch Kompetenz-Assessment (ILKA) im Studienverlauf (Stand ab zweitem Teilnehmerdurchgang). KMK: Kultusministerkonferenz der Länder, LA: Lernaufgabe

Bild konkretisiert und ggf. angepasst. Die Lernbegleiterin unterstützt die Studierenden, realistische Anforderungen an sich zu stellen sowie die angestrebte Lehrerrolle in einem angemessenen Zeitfenster zu realisieren. Dabei ist es elementar, sich wirklichkeitsgetreu einschätzen zu können. Dies wird durch die kontinuierlichen Reflexionsprozesse gefördert (Hierdeis, 2009, S. 9). Das Assessment-Center (AC) Zu Beginn eines Lernbegleitungsprozesses ist es grundlegend, den Ist-Stand der individuellen Teilkompetenzen der Studierenden zu erfassen. Hierauf bauen die Lernentwicklungsgespräche auf. Ein AC ist ein Instrument zur Kompetenzbilanzierung. Es bietet den Vorteil, eine Vielzahl von Erhebungsmethoden miteinander zu verknüpfen und die Einschätzung mehrerer Beobachter zusammenführen zu können. Dadurch kann ein umfassendes Bild über die beobachteten Kompetenzdimensionen entstehen (Obermann, 2013, S. 1 – 4). Voraussetzung sind eine klare Zielsetzung an das AC sowie ein eindeutig definiertes Anforderungsprofil. Dazu dienen bei ILKA die Standards für die Lehrerbildung der KMK (2004, S. 7 – 13). Die Teilnehmenden führen Aufgaben wie die Postkorbübung, eine Gruppendiskussion oder eine Präsentation durch. Die Beobachter schätzen anhand von Beobachtungsbögen ein, in welchem Ausmaß bestimmte Verhaltensweisen eingesetzt werden. ErgänPADUA (2016), 11(1), 7–21

zend werden Fragebögen genutzt (Schuhmacher, 2014, S. 41 – 42). Diese dienen schwerpunktmäßig der Selbsteinschätzung und sind standardisierte Fragebögen wie die Lehrer-Interessen-Skalen (Mayr, 1998), Lernstrategien im Studium (Schiefele/Wild, 1994) sowie eigens erstellte Bögen (vgl. Reflexion der Bildungsbiografie). Die Ergebnisse aus Selbst- und Fremdeinschätzung werden in einem individuellen Kompetenzprofil zusammengefasst. Es bildet die Ausprägung der erfassten Kompetenzdimensionen ab (Tab. 1), d. h. den Ist-Stand zum Zeitpunkt der Beobachtung. Auf Grundlage der Ergebnisse im AC werden individuelle Lernaufgaben formuliert und priorisiert. Im Verlauf der Lernbegleitung dienen die Ergebnisse wiederholt als Referenz zur Identifikation von Lernaufgaben, zur Verdeutlichung der Kompetenzentwicklung und Veranschaulichung der Kompetenzzuwächse. Individuelle Lernentwicklungsgespräche Um Vermischungen mit dem «alten» defizitorientierten Beratungsansatz entgegen zu wirken, hat sich der ressourcenorientierte Ansatz der Lernbegleitung bzw. Lernprozessbegleitung entwickelt. Lernbegleitung «versteht sich [dabei] als kontinuierliche und […] prozessorientierte Sichtweise der Beratung, die vor allem als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden wird» (Rohs/Käpplinger, 2004, S. 18). Wesentliche Charakteristika, wie sie Rohs und Käpplinger (2004, S. 21) beschreiben, gelten auch für ILKA: ©2016 Hogrefe


10

Schwerpunkt

Tabelle 1. Im Kompetenzprofil abgebildete Dimensionen Dimension

Teilkompetenz

Informationsfähigkeit Selbstorganisation, Planungsfähigkeit Einsatz von Medien und Methoden Innovationswille, Kreativität

Methodenkompetenz

Analysefähigkeit, logisches Denken

Präsentationsfähigkeit

Kommunikationsfähigkeit Durchsetzungsfähigkeit

Sozialkompetenz

Kooperation/Teamfähigkeit

Hilfsbereitschaft

Kritikfähigkeit Flexibilität Entscheidungsfreude Leistungsbereitschaft

Personalkompetenz

Selbstreflexion

Verantwortungsbewusstsein

angelehnt an Scherpe/Schneider, 2010, S. 24

• Subjektorientierung: Die Lernenden werden unterstützt, ihren eigenen Lernweg zu gehen und individuelle Lösungen für ihre Entwicklungsschwerpunkte zu finden. • Lernökologie: Rahmenbedingungen wie Lebenswelt, Studienverlauf und -organisation werden berücksichtigt, sodass Lernen möglich ist. • Reflexionsimpuls: Der Lernprozess und die Ergebnisse der Lernaufgaben sowie die eigene Kompetenzentwicklung werden kontinuierlich durch Lernentwicklungsgespräche und die Portfolioarbeit reflektiert. ILKA sieht die Ziele und Chancen von Lernbegleitung vor allem darin, dass die Studierenden • ihre Entwicklungsschwerpunkte erkennen, • Selbstreflexion forcieren, • eigene Fähigkeiten realistisch einschätzen, • eigene Stärken erkennen und diesen vertrauen, • den Mut haben, Dinge zu verändern, • erkennen, dass kleine Veränderungen eine große Wirkung haben können, • mit Kritik positiv umgehen und • Handlungssystematiken erkennen, um ihre eigene Entwicklung voranzutreiben. Im Projekt ILKA nimmt die Lernbegleiterin die Grundhaltung nach Carl Rogers2 ein. Sie hat bewusst keine bewertende Funktion, sodass die Studierenden in einer vertrauensvollen Atmosphäre ihre künftige Lehrerrolle, Ziele, 2

Handeln etc. reflektieren und selbstverantwortlich gestalten (Bauer et al. 2010, S. 177) oder Erklärungsansätze durchdenken können. Soziale Erwünschtheit, ein Phänomen, bei dem Testpersonen (hier: Studierende) ihr Verhalten den vermeintlichen Erwartungen der Forschenden (hier: Lernbegleiterin) anpassen, soll so vermieden werden (Friedrichs, 1980, S. 152). Die Lernbegleiterin hat ein ehrliches Interesse an den Teilnehmenden, fragt nach und stellt Bezüge zu ähnlichen Situationen her. Sie unterstützt die Lernenden, ihre Entwicklungsschwerpunkte zu bearbeiten und so die individuelle Zielsetzung zu verfolgen (Hardeland, 2013, S. 11). Die individuellen Lernaufgaben Die Lernaufgaben sind vielfältig und vorrangig mit der Maßgabe gewählt, individuell auf die Teilnehmenden zugeschnitten zu sein. Teilnehmende können für sich relevante Lernaufgaben formulieren. Ebenfalls werden mögliche Lernaufgaben vorgeschlagen. Themenbereiche der Lernaufgaben können sein (Beispiele in Klammern; Abb. 3): • Studienorganisation (Lernplan erstellen, eigenen Lerntyp identifizieren) • Präsentation (Kriterien für die Beobachtung: Gestik, Mimik, Körperposition, Stimme und Sprache, Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung) • Wissenschaftliches Arbeiten (Leitfaden für Literaturrecherche, für Hausarbeit schreiben, Lesetechniken anwenden) • Konflikte lösen (Konfliktlösungen z. B. durch lösungsorientierte Beratung nach Bamberger) Entwicklungsportfolio «Ein Portfolio ist eine zielgerichtete Sammlung von Arbeiten, welche die individuellen Bemühungen, Fortschritte und Leistungen der/des Lernenden in einem oder mehreren Gebieten zeigt. Die Sammlung muss die Beteiligung der/des Lernenden an der Auswahl der Inhalte, der Kriterien für die Auswahl, der Festlegung der Beurteilungskriterien sowie Hinweise auf die Selbstreflexion der/des Lernenden einschließen» (Paulson et al. 1991, S. 60; zit. nach Häcker, 2006, S. 36). Die Portfolioarbeit unterstützt die Studierenden, ihren Lernprozess und nicht nur das Ergebnis zu reflektieren. Sie führen während des gesamten Lernentwicklungsprozesses ein Entwicklungsportfolio. Die Lernaufgaben, die damit verbundenen Ziele, deren Umsetzung und die eigene Bewertung des Lernweges sowie des Lernergebnisses werden verschriftlicht und damit dokumentiert. Die Selbsteinschätzung und Entwicklung der eigenen Kompetenzen werden so selbstbestimmt veranschaulicht. Außerdem trägt die Abfassung des Portfolios dazu bei, • «sich neuen Theorien und Perspektiven unterrichtlichen Handelns [und eigenen Lernens, Anm. d. Verf.] zu öffnen,

Carl Rogers vertritt den personenzentrierten Beratungsansatz, den wesentlich drei Charakteristika ausmachen: unbedingte Wertschätzung, einfühlendes Verstehen (Empathie) und Echtheit des Beraters (Rogers, 1989, S. 116; Weinberger, 2011, S. 37 – 64).

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Schwerpunkt

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Thema

Einen Leitfaden zum Thema «Hausarbeiten schreiben»

Worum geht es?

Sie erstellen bei dieser Lernaufgabe einen individuellen Leitfaden zum Thema «Hausarbeiten schreiben», den Sie bei jeder Hausarbeit während des Studiums verwenden und ggf. verändern können. Sie beschäftigen sich zum einen mit den formalen Aspekten einer Hausarbeit als auch mit den einzelnen Schritten bis zur fertigen Hausarbeit.

Organisatorisches

Sie stellen Ihren Leitfaden vor einer Kleingruppe des ILKA-Projektes vor. Erläutern Sie dabei Ihr Vorgehen, Ihr Produkt und Ihre bisherigen Erkenntnisse. Sie haben dafür 20 Minuten Zeit.

Konkretisierung der Aufgabenstellung

Formulieren Sie zunächst Ihre Ziele gemeinsam mit der Lernbegleiterin in Form von Kompetenzen. Welche Ziele verfolgen Sie schwerpunktmäßig, welche Kompetenzen möchten Sie mit dieser Lernaufgabe vertiefen? Was möchten Sie erreichen?

Vorgehen

• Informieren Sie sich im Intranet über formale Vorgaben der Fachhochschule (wie Vorlage Titelblatt, Literaturangabe). Schauen Sie außerdem, wie eine Hausarbeit aufgebaut sein sollte und welche Teile sie beinhalten sollte. Verwenden Sie auch Materialien, die Ihnen evtl. in Vorlesungen ausgehändigt wurden. Folgende Links können Ihnen zusätzlich hilfreich sein: http://www.wissenschaftliches-arbeiten.org www.christof-schoech.de/leitfaden-hausarbeit

Informationen sammeln

Weitere Links finden Sie unter dem Schlagwort «Leitfaden Hausarbeiten». Leitfaden erstellen • Überlegen Sie nun, wie Sie Schritt für Schritt vorgehen, wenn Sie eine Hausarbeit schreiben.

Leitfaden erproben

• Erstellen Sie für sich einen sinnvollen Ablauf. • Wenden Sie den Leitfaden bei der nächsten schriftlichen Arbeit an und überprüfen Sie ihn auf Praktikabilität und Vollständigkeit. Überarbeiten Sie ihn gegebenenfalls.

Leitfaden reflektieren

• Vereinbaren Sie mit Ihrer Lernbegleiterin ein Reflexionsgespräch, in dem Sie Ihren Lernweg, Ihren Leitfaden und Ihren Kompetenzzuwachs beschreiben bzw. reflektieren.

Ideen für zu fördernde Kompetenzen Diese müssen mit den Studierenden abgestimmt, individualisiert und ggf. erweitert werden. Gleichzeitig dienen sie als Bewertungskriterien. Thema

Einen Leitfaden zum Thema „Hausarbeiten schreiben“

Zu fördernde Kompetenzen

Methodenkompetenz • Bei der Aufgabenstellung planvoll vorgehen • Leitfaden strukturiert erstellen • Leitfaden systematisch erstellen • Zu bearbeitende Aufgaben sinnvoll hierarchisieren • Eigene Wissensstruktur zu Inhalten erstellen • Relevante Aussagen aus der angegebenen Literatur herausfiltern • Inhalte in einen logischen Gesamtzusammenhang bringen • Leitfaden in eine ansprechende Form bringen • Leitfaden in eine übersichtliche Form bringen • Situativ geeignete Problemlösestrategien anwenden Personalkompetenz • Positive Lernbedingungen selbständig fördern • Erreichbare Ziele stecken • Selbstständig motivieren • Durchhaltevermögen bei der Aufgabenerfüllung zeigen • Zeitmanagement situationsgerecht gestalten • Gestellte Aufgaben zuverlässig bearbeiten • Über- bzw. Unterforderung rechtzeitig wahrnehmen • Wenn notwendig, Hilfe von außen anfragen und annehmen • Auf veränderte Situationen/Erkenntnisse flexibel eingehen • Konstruktive Verbesserungsvorschläge ableiten

Abbildung 3. Beispielhafte Lernaufgabe: Einen Leitfaden zum Thema «Hausarbeiten schreiben» (Kompetenzformulierungen angelehnt an Scherpe/Schneider, 2010, S. 26 – 27)

• diese zu erproben und – auf die eigene Persönlichkeit abgestimmt – weiterzuentwickeln, • eine eigene professionelle Haltung auszubilden» (Studienseminar für Lehramt BBS Trier, 2010, S. 1) PADUA (2016), 11(1), 7–21

• sowie die eigene Lehrerrolle schrittweise zu realisieren. Die Portfolioarbeit unterstützt den Lernbegleitungsprozess, indem die einzelnen Schritte im Lernprozess syste©2016 Hogrefe


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Schwerpunkt

Tabelle 2. Auswertungsschema der Evaluationsergebnisse (Ausschnitt, orientiert an Schmidt, 2000, S. 447 – 456) Oberkategorie

Subkategorien

Einzelaspekt

Kodierungen Vollender

Elemente

AC

Kleingruppen und Workshops

AC-Durchführung Rückmeldungen aus AC

Beispiel zu Rückmeldungen aus dem AC:

Kleingruppenarbeit

Hilfreich: 19 Nennungen • 6 Nennungen: Rückmeldungen waren entgegen meiner Befürchtungen positiv • 6 Nennungen: Bestätigung eigener Vermutungen … usw.

Hilfreich: keine Nennung

Nicht hilfreich: keine Nennung

Nicht hilfreich: 1 Nennung • 1 Nennung: war nicht so ergiebig für Lernaufgaben

Workshops Rollenspiele

Die Zuordnung der Antworten erfolgte pro Einzelaspekt zu «hilfreich» und «nicht hilfreich». Außerdem wurden die konkreten inhaltlichen Nennungen zu der jeweiligen Kodierung erfasst (Mehrfachnennungen möglich). Sofern vorhanden, wurden Ergebnisse für Vollender und Abbrecher getrennt erfasst.

.

usw.

usw.

Abbrecher

usw.

AC: Assessment-Center.

matisch reflektiert und ggf. Handlungsalternativen abgeleitet werden. Da sich ein Großteil der beteiligten Studierenden eine Anerkennung ILKAs in Form von Leistungspunkten gewünscht hat, ist dies nun im dritten Durchgang umgesetzt. Als Prüfungsleistung gilt das vollständig geführte Portfolio.

Projektevaluation Optimierung des Lernbegleitungsprozesses Aufgrund der Rückmeldungen von Teilnehmenden und ILKA-Mitarbeitenden wurden im zweiten Durchgang Veränderungen vorgenommen (formative Evaluation, Westermann, 2002, S. 9). Die Instrumente des ACs wurden leicht verändert und die Beobachtungsbögen konkretisiert, sodass sie im Hinblick auf potentielle Lernaufgaben noch aussagekräftiger waren. Instrumente wurden gestrichen, wenn sich daraus keine Daten für entsprechende Lernaufgaben ableiten ließen. Im Lernbegleitungsprozess gab es wesentliche Veränderungen (Abb. 1). Im ersten Durchgang erarbeiteten sich die Studierenden die Lernaufgaben selbstständig mit zwei Lernaufgaben pro Semester. Dies erforderte eine hohe intrinsische Motivation und stellte eine zeitliche Belastung dar, da ILKA zusätzlich zu den Regelveranstaltungen stattfand. Im zweiten Durchgang wurde daher pro Semester eine Lernaufgabe selbstständig erarbeitet und eine Lernaufgabe in einen Workshop integriert. Die Evaluationsergebnisse zeigen, dass diese Anpassungen hilfreich waren, denn Teilnehmende aus dem zweiten Durchgang benannten das Zeitproblem seltener. Auch brach niemand aus ©2016 Hogrefe

dem zweiten Durchgang ILKA vorzeitig ab (vgl. Ergebnisse). Methodik der Abschlussevaluation Zur Abschlussevaluation (summative Evaluation, Westermann, 2002, S. 9) wurden halbstandardisierte Interviews mit den Teilnehmenden, der Lernbegleiterin sowie mit Personen durchgeführt, die das Projekt vorzeitig beendet hatten. Die Gespräche wurden bei Einverständnis der Teilnehmenden aufgenommen, die Ergebnisse pseudonymisiert dokumentiert. Mittels der Methode der kritischen Ereignisse (engl.: Critical Incident Technique, CIT; Flanagan, 1954) wurden für die Teilnehmenden bedeutsame Ereignisse und Momente des ILKA-Projekts erfasst. Die CIT ist eine Interviewtechnik, die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren für sehr effektives oder ineffektives Verhalten beim Lösen von Aufgaben ermittelt (Flanagan, 1954, S. 327). Die Frage «Was waren kritische Ereignisse im positiven wie im negativen Sinn für Dich?» wurde eingangs gestellt. Die Teilnehmenden erhielten eine Projektübersicht mit allen ILKA-Elementen und wurden instruiert, sich 15 Minuten Zeit zur Beantwortung der CIT-Frage zu nehmen. Die Antworten wurden anschließend vom Interviewer zusammengetragen. Außerdem wurden die Teilnehmenden mittels halbstandardisiertem Interviewleitfaden (Amelang/Schmidt-Atzert, 2006, S. 336) zu allen ILKA-Elementen befragt (vgl. Vennewald/Stumpf-Parketny, 2015, S. 106 – 108). Personen, die ILKA vorzeitig abbrachen, wurden ebenfalls interviewt. In der Regel wurden die Personen persönlich befragt. Die Interviews dauerten meist anderthalb Stunden und erfolgten in Einzelgesprächen. Die Interviewergebnisse wurden für jede Person zusammengetragen, materialorientierte Auswertungskategorien PADUA (2016), 11(1), 7–21


Schwerpunkt

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Tabelle 3. Teilnehmende von März 2013 - Juli 2015 und vorhande-

Ergebnisse

ne Daten Teilnehmeranzahl zu Beginn

Davon … Vollender

Abbrecher

1.

19

11 (11)

8 (4)

2.

20

20 (13)

0 (-)

31 (24)

8 (4)

Durchgang

Gesamt

Soweit im Folgenden nicht anders angegeben, werden Einzelaspekte und ihre Kodierungen berichtet, wenn sie mindestens von drei Personen genannt wurden. Ausnahme bilden die Ergebnisse der Personen, die vorzeitig abbrachen. Hier werden alle Nennungen aufgrund der wenigen Befragten berichtet. 39 (28 + 1*)

Zahlen in Klammern bezeichnen die Anzahl der Personen, die befragt werden konnten. * Die Daten von 28 Teilnehmenden liegen

1. Wie viele Teilnehmende wurden interviewt? Informationen zu den Teilnehmenden und Befragten finden sich in Tabelle 3.

vor, ebenso die Interview-Daten der Lernbegleiterin.

Tabelle 4. Gründe für den vorzeitigen Abbruch von ILKA Gründe

Anzahl der Nennungen (bei 4 Befragten)

Zu hoher Zeitaufwand/Zeitdruck

4

Themen nicht so relevant o. allein gut zurechtkommend

3

Schlechte Vereinbarkeit (z.B. mit Familie, Nebenjobs)

2

Private Gründe

1

Zu intransparente Darstellung im Vorfeld

1

abgeleitet (Tab. 2). Oberbegriffen wurden distinkte Subkategorien und Einzelaspekte zugeordnet, um eine klare Zuordnung des Interviewmaterials zu Kategorien und Ausprägungen zu ermöglichen (vgl. Schmidt, 2000, S. 447 – 456).

2. Bedeutsame Ereignisse und Momente des ILKA-Projekts Die Ergebnisse der CIT-Befragungen finden sich in den folgenden zwei Abbildungen, sortiert für Projektmerkmale (Abb. 4) und Merkmale der Teilnehmenden (Abb. 5). Wer brach ILKA aus welchen Gründen ab? Vier der acht Abbrecher konnten befragt werden (Tab. 4, 5). Alle Abbrecher befanden sich im ersten Durchgang, kein Teilnehmender aus dem zweiten Durchgang beendete ILKA vorzeitig. Die Gründe für den Abbruch der Teilnahme sind in Tabelle 4 aufgelistet. Eine Person, die das Projekt vorzeitig abbrach, wünschte sich rückblickend mehr Durchhaltevermögen. Je einmal genannt wurden folgende Veränderungswünsche für ILKA: • Ergebnisse stärker zurückmelden • sich nicht so viel selbst erarbeiten müssen • Coaching erhalten • mehr Transparenz im Vorfeld

Tabelle 5. Bedeutsame Ereignisse, berichtet von Personen, die ILKA vorzeitig abbrachen Oberkategorie

Subkategorie

Motivation

Motivationsloch

Positive Aspekte

Negative Aspekte «Brauche ich das, geht das auch ohne Projekt?» «Zu hohe zeitliche Belastung.»

Wesentlich für das Dabeibleiben

«Die Grundidee des Projekts ist positiv, ich weiß von anderen, dass ihnen das Projekt bei der [Selbstorganisation] geholfen hat.»

Reflexion

… macht es möglich, Denkweisen, Verhalten kennenzulernen, zu hinterfragen, zu ändern

«Das Vorbereiten der [ersten Lernaufgabe] hat mir die Augen geöffnet. Beim eigenen Auftreten vor anderen spielen ja so viele verschiedene Dinge ein Rolle.» «Es ist gut, gezwungen zu werden, sich zu reflektieren.»

Selbstwirksamkeit & Entwicklungsprozesse wahrnehmen

Bestärkung eigener Fertigkeiten/Fähigkeiten

«Erfolgserlebnis, ich kann das!» [bei Aufgabe im AC] «Gut, dass die eigene Kompetenz von Profis bestätigt wurde.» «Schwachstellen und Stärken wurden identifiziert.» «Die Selbsteinschätzung wurde durch die AC-Ergebnisse bestätigt.»

Befragt werden konnten 4 der 8 Abbrecher. Alle Aussagen sind aufgeführt. Mehrfachnennungen einzelner Personen sind möglich

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Schwerpunkt

„Ich habe gemerkt, dass ich mehr in mich vertrauen kann, es ist gut! Muss nicht noch mehr leisten, es ist alles schon sehr gut.“

„Mein starkes Harmoniebedürfnis ist mir […] bewusst geworden. […] Reflexion hat es möglich gemacht, das zu hinterfragen.“ „Projekt hat geholfen, mir mehr darüber Gedanken zu machen, was ich lernen will. […]. Was filter ich raus.“

… macht es möglich, Denkweisen, Verhalten kennenzulernen, zu hinterfragen, zu ändern

…wird gewahrt „Die Bearbeitung von Themen, die im Studium keinen Platz haben […], war möglich.“

Individualität

„Bei den Einzelgesprächen war mein ganzer Prozess im Blick, kein zeitlicher Druck, es wurde sich Zeit genommen.“

„Habe gelernt, zu reflektieren. Wo liegen meine Interessen. Weiß jetzt, wo meine Stärken und Schwächen liegen.“

… bei den Workshops (Daten nur für 2. Durchgang)

„Die individuelle Betrachtung meiner Person in den Einzelkontakten fehlte in den Workshops, aber es wurde versucht.“

Reflexion

„Lieber noch individueller, lieber einen Workshop weniger und mehr Lernaufgaben individuell.“

Erkenntnis, dass Flexibilität nötig „Auf Anpassung des Themas [Hinweis der Lernbegleiterin] wäre ich allein nicht gekommen. Dadurch war ich nicht mehr demotiviert.“

„Ich habe festgestellt, dass [die erarbeiteten Veränderungen] beim Lernen helfen.“ „Wünsche mir noch mehr individuelle Rückmeldung.“

Rückmeldungen von ILKADurchführenden

Durch ehrliche, vertraute Atmosphäre kann ich an mich herankommen

„Die Atmosphäre war offen und ehrlich, es drohten keine Konsequenzen.“

„Teile des Feedbacks aus dem AC entsprachen nicht meiner eigenen Wahrnehmung, haben mich irritiert.“

„Bewertung frei von Sympathie gut. Konnte das glauben und annehmen.“

Projektstrukturen

„Über die Rückmeldungen [im AC] war ich zunächst enttäuscht, hatte das [Feedback] aber erwartet. Später habe ich mir dann aber gesagt, dass ich es hier verbessern kann.“

„Auf Augenhöhe mit Tanja, per du, gute Lernatmosphäre, habe mich getraut, Fragen zu stellen.“

„Das ehrliche Feedback der anderen Teilnehmer in Kleingruppe [zu meiner Aufgabenstellung] war hilfreich.“

Abbildung 4. Ergebnisse der Methode der kritischen Ereignisse (CIT; «Was waren kritische Ereignisse im positiven wie im negativen Sinn für Dich?»), aufgeführt für Projektmerkmale. Befragt wurden 24 Vollender und die Lernbegleiterin. Dargestellt sind Kategorien, sofern mindestens drei Nennungen dazu existieren. Dargestellt ist eine Auswahl der CIT-Ergebnisse

Bestärkung von Fertigkeiten

„Ich wurde in meinen Fertigkeiten bestärkt. Ich wurde bestätigt, dass es gut läuft.“

„Vor zweiter Lernaufgabe gab es einen Bruch, vielleicht, weil es ein allgemeines Motivationstief gab bei anderen Teilnehmern, das hat meine Motivation beeinflusst.“

„Habe viel Bestätigung mitgenommen.“

Selbstwirksamkeit und Entwicklungsprozesse

Sicherheit und Selbstwirksamkeitserfahrung

„Ich habe an Sicherheit gewonnen. Ich habe gemerkt, dass ich mich in kurzer Zeit in Unbekanntes einarbeiten und dies anderen zugänglich machen kann.“

„Der erste Workshop war für uns vielleicht zu viel, vom Thema gesättigt, habe mich nicht so eingelassen.“

Motivationsloch

„Ich habe gemerkt, dass ich mir was aneignen kann, aber wäre diese Erfahrung auch ohne ILKA gekommen? Ich habe vorher schon viel gekonnt.“

Motivation

Entwicklung erleben

Selbstwirksamkeitserwartung

„Die Lernaufgabe kann mir langfristig was bringen.“ „Bei Verunsicherungen in neuen Situationen kann ich mich auf die Ergebnisse zurückbesinnen.“ „Im nächsten Semester mache ich aufgrund dessen etwas anders!“ „Erlerntes aus Gruppenprozess bei ILKAProjekt konnte ich später z.T. nicht anwenden, da zu viel Stress in anderen Bereichen war.“

„Durch das Präsentieren habe ich bei mir Entwicklung gesehen und am meisten profitiert, die Videoaufnahme und Reflexion waren unglaublich hilfreich. Präsentation sollte jeder machen als Grundbaustein.“

„Das freundliche Nein war für mich sehr effektiv, bahnbrechend, größte persönliche Entwicklung, hat mich unfassbar nach vorn gebracht, habe den Grund für mein bisheriges Problem in solchen Situationen erkannt, eigene Strategie entwickelt, durch Erprobung als gut herausgestellt.“

Wesentlich für das Dabeibleiben war…

„Das, was [ich] konsequent verfolgt [habe], ist für mich auch hilfreich und ich werde es fortführen.“

„Die, die nach erster Lernaufgabe dabeiblieben sind, haben beschlossen, das durchzuziehen, haben das in Kauf genommen, einiges dafür tun zu müssen.“

„Meine Bereitschaft, damit zu arbeiten [Präsentation], deshalb hat es etwas gebracht.“

Abbildung 5. Ergebnisse der Methode der kritischen Ereignisse (CIT; «Was waren kritische Ereignisse im positiven wie im negativen Sinn für dich?»), aufgeführt für Merkmale der Teilnehmenden. Befragt wurden 24 Vollender und die Lernbegleiterin. Dargestellt sind Kategorien, sofern mindestens drei Nennungen dazu existieren. Dargestellt ist eine Auswahl der CIT-Ergebnisse

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20

20

18

18

16 14

1. Lernaufgabe

12

2. Lernaufgabe

10

3. Lernaufgabe

8

4. Lernaufgabe*

6 4 2

Absolute Häufigkeit Nennungen

Absolute Häufigkeit Nennungen

Schwerpunkt

14 12 10 8 6 4 2 0

0

a)

16

eher hoch

mittel - gering

b)

k. A.

eher hoch

mittel - gering

k. A.

Abbildung 6a. Inwieweit wurden die Lernaufgaben bearbeitet? Abbildung 6b. Wie stark wurden Lernaufgaben tatsächlich umgesetzt (Studium, Beruf)? *Angaben zur 4. Lernaufgabe stammen nur von Personen aus dem 2. Durchgang

3. Ergebnisse des ACs Achtzehn der 24 Vollender schätzten die Ergebnisse des ACs als hilfreich ein. Dabei bewerteten sieben Vollender es als positiv, in ihren eigenen Vermutungen bestätigt worden zu sein. Sechs Vollender erlebten die Rückmeldungen entgegen eigener Befürchtungen als hilfreich. Fünf Vollender schätzten die Rückmeldungen aus dem AC als eher nicht hilfreich ein. Meistgenannt waren hierbei zu pauschal erlebte und wenig individuell abgeleitete Ergebnisse aus dem AC für die Teilnehmenden (drei Nennungen). 4. Die individuellen Lernaufgaben Das Herzstück ILKAs bilden die Bearbeitung der Lernaufgaben und deren kontinuierliche Begleitung in Lernentwicklungsgesprächen. Hierzu wurden die meisten Evaluationsergebnisse zusammengetragen. Das Bearbeitungs- und Umsetzungsmaß der Lernaufgaben Die Teilnehmenden schätzten ein, inwieweit die Lernaufgaben während ILKA bearbeitet und im weiteren Studienoder Berufsalltag umgesetzt wurden (Abb. 6). Bemerkenswert ist, dass besonders die erste und dritte Lernaufgabe oft in hohem Maße im weiteren Alltag angewandt wurden. Dies kann zumindest für die Teilnehmenden des zweiten Durchgangs daran liegen, dass diese Lernaufgaben in Ein-

zelarbeit und nicht in Kleingruppen während der Workshops erarbeitet wurden und somit ggf. individuell nachhaltiger waren. Auch zu hilfreichen und störenden Faktoren zur Bearbeitung (Abb. 7) und Umsetzung (Abb. 8) der Lernaufgaben befragten wir die Teilnehmenden. Wie «stimmig» waren die Lernaufgaben? Die Teilnehmenden wurden befragt, inwieweit die individuell formulierten oder in Workshops gewählten Lernaufgaben zu den Ergebnissen des ACs und den eigenen Anliegen passten (Tab. 6). Für die erste Lernaufgabe gibt etwa die Hälfte der Befragten an, eine hohe Passung zum AC zu erleben. Diese Einschätzung nimmt bei den folgenden Lernaufgaben stetig ab. Die selbsteingeschätzten Übereinstimmungen der Lernaufgaben mit den eigenen Anliegen waren zumeist höher als die Passungen zu den AC-Ergebnissen. Aufgrund dieser Diskrepanz wurde die Evaluation für den zweiten Durchgang ergänzt und die 13 Teilnehmenden nach ihren Erklärungen befragt, falls die Passung zwischen AC und Lernaufgaben bzw. Anliegen und Lernaufgaben gering war. Dargestellt werden Aspekte, wenn sie mindestens dreimal genannt wurden. Zur geringen Passung zwischen AC und Lernaufgaben wurde berichtet: • Das Thema der Lernaufgabe war für mich relevant, aber kein Thema im AC (9 Nennungen).

Hilfreiche Faktoren

Anzahl der Nennungen

Störende Faktoren

Anzahl der Nennungen

Zur Verfügung gestelltes Material

15

Zu wenig Zeit

4

Kleingruppe/Gruppenarbeit

12

Zuviel Material/Input

3

Qualitativ hochwertige Rückmeldungen (z. B. aus Kleingruppe oder Lernentwicklungsgesprächen) und Austausch

7

Nichts

3

Freie Hand haben

5

Zu wenig Motivation

3

Leitfaden

4

Selbstwahrnehmung korrigieren können

3

Lernentwicklungsgespräche

3

Abbildung 7. Hilfreiche und störende Faktoren zur Bearbeitung der Lernaufgaben während ILKA. Befragt wurden n = 24 Vollender. Angegeben sind Nennungen, wenn sie mindestens dreimal erwähnt wurden

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Hilfreiche Faktoren

Anzahl der Nennungen

Störende Faktoren

Anzahl der Nennungen

Mache mir Erlerntes bewusst

11

Nichts

6

Übersicht für mich entstanden

8

Noch mehr/immer wieder Übung nötig

5

Anpassung der ursprünglichen Herangehensweise/ des Materials

7

Dauert noch lang, bis ich Erlerntes anwenden kann

3

Fühle mich vorbereitet

6

Strategien selbst erprobt, konkrete Hilfsmittel

6

Rückmeldungen/Vergleich mit Teilnehmenden

3

Konkrete Handlungsschritte auch nach ILKA bekannt

3

Abbildung 8. Hilfreiche und störende Faktoren zur weiteren Umsetzung der Lernaufgaben/des Erlernten in Studium und Beruf. Befragt wurden n = 24 Vollender. Angegeben sind Nennungen, wenn sie mindestens dreimal erwähnt wurden

• Das AC bildete Gruppenprozesse ab, die Lernaufgaben waren aber eher individuell (4 Nennungen). • Die AC-Ergebnisse waren nach der ersten Lernaufgabe erschöpft (3 Nennungen). Für die geringe Passung von eigenen Anliegen und Lernaufgaben wurden benannt: • Ich habe die Lernaufgabe gewählt, da sie angeboten wurde/nichts anderes überlegt oder gefunden (4 Nennungen). • Die Lernaufgabe passte zur Gruppe, aber nicht so sehr zu mir (3 Nennungen). • Ich habe keinen Bedarf zur Veränderung gesehen (3 Nennungen). Eine besonders häufige Lernaufgabe – Präsentieren üben inklusive Videofeedback Die Mehrheit der Teilnehmenden ließ sich bei ILKA beim Präsentieren und Vortragen mittels Rückmeldungen und Videofeedback analysieren. Von insgesamt 28 befragten Teilnehmenden führten 16 Personen diese Lernaufgabe durch (jeweils acht Personen pro Durchgang). Neun Personen berichteten ausdrücklich in den Evaluationsgesprächen, dass sie die Lernaufgabe als ausgesprochen hilfreich erlebt hätten (vgl. Abb. 5).

Warum wurden Lernaufgaben kaum in Lehrveranstaltungen integriert? Ursprünglich war geplant, geeignete Lernaufgaben in Lehrveranstaltungen oder Prüfungen zu integrieren, um den Aufwand zu verringern und Synergieeffekte zu nutzen. Überraschend zeigte sich, dass lediglich vier der 28 Befragten Lernaufgaben in Lehrveranstaltungen integrierten. Sieben Befragte gaben an, dass sich die Lernaufgaben nicht dazu eigneten. Fünfmal genannt wurde, die Lernaufgaben ausdrücklich im kleinen Kreis bearbeiten zu wollen. Auch Schwierigkeiten bei der Organisation schienen eine Rolle zu spielen (vier Nennungen). Fokussierter in Kleingruppen an den Aufgaben arbeiten zu können und den Leistungsgedanken hier ausdrücklich im Hintergrund zu sehen, wurde viermal genannt. Die angedachte Integration der Lernaufgaben in Lehrveranstaltungen wurde tendenziell also eher bewusst abgelehnt und nicht beispielsweise aufgrund von Unwissenheit übersehen. 5. Die Workshops zur Bearbeitung von Lernaufgaben – die Meinungen sind zwiegespalten Die Workshops stuften 12 der 13 Befragten des zweiten Durchgangs als hilfreich ein, gleichzeitig registrierten wir auch sieben Nennungen als nicht hilfreich. Einige Personen schwankten also zwischen beiden Angaben. Die hilf-

Tabelle 6. Übereinstimmungen der Lernaufgaben mit AC-Ergebnissen und eigenen Anliegen 1.

2. (im 2. Durchgang integriert in WS)

3.

4. (nur für 2. Durchgang; integriert in WS)*

eher hoch

11

6

6

3

eher niedrig

10

12

14

8

eher hoch

18

15

20

7

5

6

2

5

Lernaufgabe Passung …

mit AC-Ergebnissen …

mit eigenen Anliegen …

eher niedrig

AC: Assessment-Center; WS: Workshop. Angegeben ist die absolute Anzahl der Nennungen. Befragt wurden n = 24 Vollender. Zum Teil fehlen Angaben von Teilnehmenden. *Dreizehn Personen des zweiten Durchgangs konnten befragt werden.

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Hilfreich bei Workshops ...

Störend bei Workshops ...

Mischung aus Wissensinput und Selbsterprobung (8 Nennungen)

Habe nicht so viel mitbekommen wie bei indiv. Lernaufgabe (4 Nennungen)

Von Lernbegleiterin lernen können, wie Workshop durchgeführt werden kann (3 Nennungen)

War nicht so individuell (3 Nennungen)

Wissenschaftliches Arbeiten als Thema war sehr hilfreich (3 Nennungen)

Gute Atmosphäre (3 Nennungen)

Abbildung 9. Hilfreiche und störende Faktoren bei den Work-

Gruppe, gesättigt von Gruppenarbeit durch Gruppenarbeiten im Studium, wenig Rückmeldungen aus Kleingruppe erhalten, Thema der Kleingruppe war für mich nicht relevant. 7. Selbsteingeschätzte Nachhaltigkeit des Erlernten Von den 24 befragten Vollendern schätzten 22 Personen die Nachhaltigkeit des Erlernten als eher hoch ein, eine Person hingegen als eher niedrig. Eine Person machte keine Angaben. Als Gründe für die hohe selbsteingeschätzte Nachhaltigkeit nannten die Vollender: • weil ich das Gelernte jetzt schon anwende (9 Nennungen) • weil ich mich weiter reflektiere (3 Nennungen) • weil es mich weitergebracht hat, positive Ergebnisse brachte (4 Nennungen) • weil es mich für weitere Aufgaben motiviert (3 Nennungen)

shops. Befragt werden konnten 13 Teilnehmenden des zweiten Durchgangs. Dargestellt sind Aspekte, wenn sie mindestens dreimal genannt wurden

reichen und störenden Faktoren sind in Abbildung 9 aufgeführt. Auch im Rahmen kritischer Ereignisse wurden die Workshops erwähnt und kritisiert (Abb. 4). 6. Die Kleingruppenarbeit Die Kleingruppenarbeit nach der Bearbeitung der Lernaufgaben wurde von allen 24 Vollendern als überwiegend hilfreich eingestuft. Die als hilfreich erachteten Punkte finden sich in Tabelle 7. Ungünstige Aspekte der Gruppenarbeit benannten die Vollender deutlich seltener (je eine Nennung): Kleingruppenarbeit war nicht nötig für mich, Gruppe hatte wenig Erfahrung mit dem Thema, viele verschiedene Interessen in

Als Grund für die geringe Nachhaltigkeit wurde einmal erwähnt, dass für den Teilnehmenden relevante Themen in den Workshops nicht ausreichend thematisiert wurden. 8. Was sollte ILKA beibehalten, was verändern? Auf diese beiden Fragen erhielten wir umfassend Antworten (Abb. 10, Tab. 8). Die Teilnehmenden sprachen sich in der Mehrheit für die Beibehaltung von AC, individuellen Lernentwicklungsgesprächen, Kleingruppenarbeit und Lernaufgaben aus (Abb. 10). Die Veränderungswünsche für ILKA, aber auch für die eigene Teilnahme erschienen konstruktiv (Tab. 8). 9. Das Fazit der Teilnehmenden Abschließend wurde erfragt, ob die Studierenden an einem ähnlichen Projekt erneut teilnehmen würden. Elf der

"Beibehalten werden sollte…" AC Lernentwicklungsgespräche Kleingruppen Lernaufgaben Konstruktive Rückmeldungen (z.B. aus Kleingruppe) Projektstruktur Workshops* Aufgaben frei wählen können Orientierung auf Individualität 0

2

4

6

8

10

12

Absolute Häufigkeit der Nennungen Abbildung 10. «Beibehalten werden sollte …». Daten von 24 Vollendern, aufgeführt Aspekte mit mindestens 3 Nennungen. *Angabe zu den Workshops nur von Teilnehmenden des 2. Durchgangs. Mehrfachnennungen möglich

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Tabelle 7. Selbstberichtete hilfreiche Aspekte der Kleingruppenarbeit Hilfreiche Aspekte

Häufigkeit (bei 24 befragten Vollendern, Mehrfachnennungen möglich)

Wichtiger Austausch in Kleingruppe

20 Nennungen

Ehrliches Feedback

5 Nennungen

Kleine Gruppengröße, geschützter Rahmen

5 Nennungen

Reflexion

3 Nennungen

Sieben der 24 Vollender gaben an, nicht erneut an einem ähnlichen Projekt teilnehmen zu wollen. Dabei benannten vier Personen, das Projekt rückblickend nicht benötigt zu haben. Viermal wurde berichtet, sich etwas anderes unter ILKA vorgestellt zu haben bzw. zu wenig Nutzen für sich erlebt zu haben. Die Ergebnisse auf die Frage «Würdest Du ILKA Kommilitonen weiterempfehlen?» und entsprechende Bedingungen finden sich in Abbildung 11 bzw. in Tabelle 9.

Was bewirkt ILKA?

Nennungen wurden aufgeführt, wenn sie mindestens von drei Teilnehmenden benannt wurden.

24 Vollender bejahten diese Frage und gaben keine Bedingungen an. Sechs weitere Vollender konnten sich dies auch vorstellen, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen (Mehrfachangaben waren möglich). So wünschten sich drei dieser sechs Personen ein intensiveres, längeres Projekt. Eine Person favorisierte eine stärkere Integration des Projekts in bestehende Lehrveranstaltungen. Zwei Personen wünschten sich mehr Informationen vor Projektbeginn.

«Bei Verunsicherungen in neuen Situationen kann ich mich auf die Ergebnisse zurückbesinnen.» «Ich habe an Sicherheit gewonnen. [Ich kann] mich in kurzer Zeit in mir Unbekanntes einarbeiten […] und dies anderen zugänglich machen. » Diese Aussagen von ILKA-Teilnehmenden erinnern an das psychologische Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung. Dabei werden die subjektiven Überzeugungen, die Menschen von ihren Kompetenzen haben (Bandura, 1997, S. 37; Bandura, 1977, S. 194), näher beschrieben. Die Selbstwirksamkeitserwartung als Oberbegriff beinhaltet auch bereichsspezifische Kompetenzüberzeugungen. Hie-

Tabelle 8. Nennungen der befragten Vollender zu Veränderungswünschen Das möchte ich selbst anders machen

Anzahl Nennungen (davon 1. Durchgang/2. Durchgang)

Veränderungswünsche für ILKA

Anzahl Nennungen (davon 1. Durchgang/2. Durchgang)

Nichts, bin mit meiner Teilnahme zufrieden

7 (0/7)

Fertigkeiten erneut evaluieren, z. B. nach 2. Lernaufgabe

4 (2/2)

Lernaufgaben anders formulieren

7 (5/2)

Mehr Transparenz vor Start und im Assessment-Center

4 (3/1)

Mehr investieren

3 (1/2)

Assessment-Center stärker auf eigene Fertigkeiten abstimmen

3 (0/3)

Lernaufgaben stärker anleiten

3 (3/0)

Aufgeführt sind Nennungen, wenn mindestens drei Personen davon berichten (n = 24). Mehrfachnennungen möglich.

Tabelle 9. Bedingungen, unter denen ILKA weiterempfohlen wird Ich empfehle das Projekt weiter, …

Anzahl der Nennungen (von n = 12 Vollendern)

wenn der Zeitaufwand betont wird.

4

für Personen, die mehr Förderungsbedarf haben bzw. an Erstsemestler.

3

wenn die Lernaufgabe Präsentation (Videofeedback) durchgehend Bestandteil von ILKA ist.

2

wenn die Lernaufgaben durchgehend individuell sind.

1

wenn das Projekt transparenter dargestellt wird.

1

Würdest du das Projekt Kommilitonen weiterempfehlen? 1

1

Ja (davon 10 uneingeschränkt, 12 mit Bedingung) Nein 22 k. A.

Mehrfachnennungen möglich. n = 12 Vollender, die angeben, ILKA

Abbildung 11. Anzahl der Nennungen (Vollender, n = 24) zur Frage,

unter bestimmten Bedingungen weiterzuempfehlen.

ILKA Kommilitonen weiterzuempfehlen

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runter fällt die Lehrer-Selbstwirksamkeit, welche ÂŤĂœberzeugungen von Lehrern [meint], schwierige berufliche Anforderungen auch unter widrigen Bedingungen erfolgreich zu meistern [‌]Âť (Jerusalem, 2005, S. 441). Lehrer mit hoher Selbstwirksamkeit schaffen herausfordernden Unterricht, unterstĂźtzen SchĂźler stärker bei der Kompetenzerreichung, setzen sich pädagogisch hĂśhere Ziele und verfolgen diese beharrlicher als wenig selbstwirksame Lehrer (Jerusalem, 2005, S. 441 – 442). In einer Längsschnittstudie von Schmitz (2001) zeigte sich, dass hohe Selbstwirksamkeitserwartung Lehrer vor dem ÂŤAusgebrannt seinÂť schĂźtzte, während ein niedriges MaĂ&#x; dieses GefĂźhl eher begĂźnstigte. Auch Abele (2011) stellte in einer Langzeitstudie heraus, dass Lehrer mit einer hohen Selbstwirksamkeit weniger allgemeine Belastungen erlebten als Lehrkräfte mit einer geringeren Selbstwirksamkeit. Nach Bandura existieren verschiedene Quellen der Selbstwirksamkeit (Bandura, 1977, S. 195). Dabei haben eigene Erfahrungen den stärksten Einfluss auf die Selbstwirksamkeit (Bandura, 1977, S. 195; Jerusalem, 2005, S. 442). ILKA bietet viele Gelegenheiten fĂźr das Sammeln eigener Erfahrungen, insbesondere durch das Bearbeiten und Umsetzen mehrerer Lernaufgaben. Die Lernaufgaben sind so aufgebaut, dass die Lernenden zunächst eine Vorgehensweise dokumentieren und dann praktisch erproben. Die Fehler sowie Unsicherheiten auf diesem Weg sind wichtig, um Alternativen zu planen und den gesamten Ablauf individuell zu optimieren. Die Redundanzen sind essentiell, ÂŤum der eigenen methodischen Unsicherheit und Unbedarftheit wirksam begegnen zu kĂśnnenÂť (Klippert/MĂźller, 2010,

S. 50). Die Lern- und Trainingsspiralen sind wirksame Instrumente, um die Selbstständigkeit, ProblemlĂśsefähigkeit, die Organisationsfähigkeit, die Lernbereitschaft und die Selbstreflexion zu fĂśrdern (Simon, 2011, S. 12 – 13). Wer sich als selbstwirksam erlebt, reflektiert sein Handeln und sieht Fehler als Quelle von Hinweisen fĂźr Verbesserungen und Optimierung. Ziele werden klar formuliert und im Anschluss betrachtet, welche Kompetenzen sich vertieft haben und damit auch, welche Aufgaben kĂźnftig gut zu handhaben sind (Simon, 2011, S. 13). Bei Misserfolg werden die positiv verlaufenden Teilbereiche als Leistung anerkannt und die Teilbereiche, die nicht zufriedenstellend verliefen, auf VeränderungsmĂśglichkeiten untersucht. Es entsteht eine Lernspirale, die das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und in die Gewissheit stärkt, neuen Herausforderungen gewachsen zu sein (Simon, 2011, S. 13). Diese Lern- bzw. Trainingsspiralen sind auch bei ILKA vorhanden (Abb. 12, Abb. 2). Zweitens werden stellvertretende Erfahrungen als Quelle von Selbstwirksamkeit benannt (Bandura, 1977, S. 197; Jerusalem, 2005, S. 443). Diese werden bei ILKA beispielsweise in den Kleingruppentreffen ermĂśglicht oder durch das Arbeiten in den Workshops. Sie wurden von Teilnehmenden häufig als wichtiges Element erwähnt (Abb. 10). Verbale Ăœberzeugungen erachtet Bandura als drittstärkste Quelle der Selbstwirksamkeit (Bandura, 1977, S. 198; Jerusalem, 2005, S. 443). Raum fĂźr verbale Ăœberzeugungen kann ILKA ebenfalls ermĂśglichen, aufgrund der vertrauensvollen und ehrlichen Atmosphäre, authentischen RĂźckmeldungen sowie der Bestärkung während der Lernentwicklungsgespräche oder der Kleingruppenarbeit.

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Nach Auswertung des Entwicklungsbedarfs wird ggf. eine weitere Teilaufgabe bearbeitet

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Selbstwirksamkeit beschreibt die Überzeugung einer Person, schwierige Anforderungen selbst meistern zu können. Selbstregulation, Verhalten, Bewältigungsergebnisse und Wohlbefinden werden durch sie unterstützt. Hohe Selbstwirksamkeitserwartung ist auch im Lehrkontext relevant und wirkt sich positiv auf das Belastungserleben und pädagogisches Handeln aus. Die drei stärksten Quellen zum Aufbau von Selbstwirksamkeit sind: 1. eigene Erfolgserlebnisse 2. Verhaltensmodelle 3. verbale Bestärkung Gefördert werden kann die Selbstwirksamkeit auch durch: • schwierige, aber realistische Nahziele • Orientierung an kurzfristigen, stufenweisen Fortschritten. Trainings- und Lernspiralen können konkrete Handlungsschritte zur Aufgabenbewältigung aufzeigen und somit zur Stärkung der Selbstwirksamkeit beitragen.

Schwerpunkt

• Integration in das Curriculum und dabei zeitliche Abstimmung auf den Studienablauf • Anerkennung der Teilnahme in Form von Leistungspunkten Die Teilnahme bei ILKA ist freiwillig. Dies wurde auch für die weitere Durchführung entschieden. Die Frage der verpflichtenden Teilnahme ist kritisch zu betrachten. Den Vorteilen – die Erreichbarkeit aller Studierenden und somit Förderung von Personen, die sich nicht selbstinitiiert angemeldet hätten – stehen Nachteile gegenüber. Eine verpflichtende Teilnahme könnte sich negativ auf Motivation, Selbstöffnung und -reflexion auswirken und somit einer konstruktiven Teilnahme entgegenstehen. Bislang besitzt ILKA am Fachbereich Gesundheit der Fachhochschule Münster einen Praxisprojektstatus. Aufgrund der bisherigen Ergebnisse scheinen eine Verstetigung und Integration in das bestehende Curriculum als fester Bestandteil wünschenswert.

Literatur Limitation Die Projektsäulen Portfolioarbeit sowie die Reflexion der Bildungsbiografie wurden noch zu wenig im weiteren Projektverlauf aufgegriffen. Diese Bestandteile werden aktuell mit Hinblick auf Praktikabilität und kontinuierliche Integration in das ILKA-Projekt überarbeitet. Die Workshops wurden nach dem ersten Durchgang aus o. g. Gründen eingeführt, gleichwohl von vielen Teilnehmenden als zu wenig individuell kritisiert. Der qualitativ-explorative Methodenansatz sollte eine offene und möglichst nahe Erfassung relevanter Phänomene ermöglichen (Flick et al. 2000, S. 17). Allerdings war damit ein standardisiertes Vorgehen mit völlig unabhängiger Beobachtung nicht möglich (Flick et al. 2000, S. 25). Sozial erwünschtes Antwortverhalten der Teilnehmenden sollte durch genügend Zeit während der Befragung im Einzelkontakt und dem ausdrücklichen Erfragen günstiger und störender Faktoren verringert werden. Dennoch kann eine gewisse Antwortverzerrung nicht ausgeschlossen werden und stellt eine mögliche Limitation der Ergebnisse dar. Elf der ursprünglich 39 Teilnehmenden standen der Befragung nicht zur Verfügung.

Quintessenz und Empfehlungen für die Praxis Aus den Erfahrungen und Ergebnissen werden folgende Empfehlungen für die individuell kompetenzstärkende Arbeit mit Studierenden, die später den Lehrerberuf ergreifen wollen, gegeben: • Individualität • Kontinuität während des Studiums • ausdrücklich keine Bewertungsfunktion ©2016 Hogrefe

Abele A. E. (2011). Prädiktoren des Berufserfolgs von Lehrkräften. Befunde der Langzeitstudie MATHE Zeitschrift für Pädagogik 57, 5: 674 – 694. Amelang M., Schmidt-Atzert L. (2006). Psychologische Diagnostik und Intervention. Berlin, Heidelberg: Springer. Bandura A. (1997) Self-Efficacy. The Exercise of Control. New York: Freeman. Bandura A. (1977). Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change. Psychological Review. 84, 2: 191 – 215. Bauer H., Brater M., Büchele U., Dufter-Weis A., Maurus A., Munz C. (2010). Lern(prozess)begleitung in der Ausbildung. Wie man Lernende begleiten und Lernprozesse gestalten kann. (3. Aufl.). Bielefeld: Bertelsmann. Flanagan J. (1954). The critical incident technique. Psychological Bulletin. 51, 4: 327 – 358. Flick U., von Kardorff E., Steinke I. (2000). Was ist qualitative Forschung? In: Flick U. (Hrsg.). Qualitative Forschung – Ein Handbuch. (S. 13 – 29). Hamburg: Rowohlt. Friedrichs J. (1980). Methoden empirischer Sozialforschung. Opladen: Westdeutscher Verlag. Häcker T. (2006). Vielfalt der Portfoliobegriffe. Annäherung an ein schwer fassbares Konzept. In: Brunner I., Häcker T., Winter F. (Hrsg.) Das Handbuch Portfolioarbeit. Konzepte, Anregungen, Erfahrungen aus Schule und Lehrerbildung. (S. 33 – 39). Seelze: Kallmeyer. Häßner K. (2003). Lernen im Lebenslauf und Lernberatung. 2003. http://www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-2003/haessner03_01.pdf [27.5.15]. Hardeland H. (2013). Lerncoaching und Lernberatung. Lernende in ihrem Lernprozess wirksam begleiten und unterstützen. (2. Aufl.). Baltmannsweiler: Schneider. Hierdeis H. (2009). Selbstreflexion als Element pädagogischer Professionalität. http://www.uibk.ac.at/iezw/texte/hierdeis.pdf [9.8.2015] Jerusalem M. (2005). Selbstwirksamkeit. Self-Efficacy. In: Weber H., Rammsayer T. (Hrsg.). Handbuch der Persönlichkeitspsychologie und Differentiellen Psychologie. (S. 438 – 445). Göttingen: Hogrefe. Klippert H., Müller F. (2010). Methodenlernen in der Grundschule. Bausteine für den Unterricht. (5. Aufl.). Weinheim: Beltz. Kultusministerkonferenz (KMK) (2004). Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften. http://www.kmk.org/filead-

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Schwerpunkt

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Simon J. (2011) Selbstentwickler werden. Die neue Lernspirale. Management und Qualität. 46, 10:12 – 13. Studienseminar für das Lehramt an berufsbildenden Schulen Trier. (2010). Leitfaden Portfolioarbeit. http://studienseminar. rlp.de/fileadmin/user_upload/studienseminar.rlp.de/bb-tr/ Leitfaeden_etc/Leitfaden_Portfolioarbeit.pdf [9.11.2012] Vennewald N., Stumpf-Parketny T. (2015). Kompetenz-Assessment zur individuellen Lernbegleitung. Padua. 10, 2: 106 – 108. Weinberger S. (2011). Klientenzentrierte Gesprächsführung. Lernund Praxisanleitung für psychosoziale Berufe. Weinheim: Juventa. Westermann R. (2002). Merkmale und Varianten von Evaluationen: Überblick und Klassifikation. Zeitschrift für Psychologie, 210, 1: 4 – 26.

Dr. Nadja Vennewald

Psychologische Psychotherapeutin, arbeitet in ambulanter Praxis sowie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Gesundheit der Fachhochschule Münster. nadja.vennewald@fh-muenster.de

Tanja Stumpf-Parketny

Kinderkrankenschwester und Dipl.-Pflegewissenschaftlerin, ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit dem Schwerpunkt Lernbegleitung am Fachbereich Gesundheit der Fachhochschule Münster tätig.

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Professionelle Pflege von Menschen mit Wunden

Eva-Maria Panfil / Gerhard Schröder (Hrsg.)

Pflege von Menschen mit chronischen Wunden Lehrbuch für Pflegende und Wundexperten 3., korr. u. erg. Aufl. 2015. 664 S., 104 farbige Abb., 79 farbige Tab., Gb € 59.95 / CHF 79.00 ISBN 978-3-456-85194-5 AUCH ALS E-BOOK

Die Pflege von Menschen mit diabetischem Fußsyndrom, Dekubitus und Ulcus cruris venosum ist mehr als die Behandlung und Versorgung von Wunden oder die Wahl der richtigen Wundauflage. Die Lebensqualität der Betroffenen ist häufig stark eingeschränkt, die Behandlung ist aufwendig, langwierig und teuer. Die bisherigen Werke zum Thema sind sehr stark medizin- und wundbezogen und berücksichtigen pflegerische und patientenorientierte Aspekte nur unzureichend.

www.hogrefe.com

Dieses erfolgreiche und zum Standardwerk avancierte Lehrbuch für Pflegende und Wundexperten zeigt, was Pflege kann und leisten möchte, um Menschen mit chronischen Wunden gemeinsam zu versorgen und zu unterstützen. Ziel professionell Pflegender ist es, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und ihre Selbstkompetenz zu stärken. Die dritte Auflage wurde vollständig überarbeitet, aktualisiert und ergänzt und thematisch erweitert.


Schwerpunkt

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Lernberatung in der arbeitsorientierten Grundbildung (AoG) von Beschäftigten in der Altenhilfe Beratung ist in den letzten Jahren zu einem der Schlüsselbegriffe in den pädagogischen und andragogischen Debatten geworden. Dabei hat auch Lernberatung eine Aufwertung erfahren, nicht zuletzt deshalb, weil sie für ganz verschiedene Kontexte konzeptualisiert wurde. Dieser Beitrag beleuchtet

Lernberatung

im

neuen

Feld

der

arbeitsorientierten Grundbildung, nämlich, der beruflich-betrieblichen Weiterbildung vor allem von gering Qualifizierten in der Altenhilfe und Hauswirtschaft. Das Ziel verschiedener Projekte bestand darin, den Kurs und die externe Lernberatung arbeitsfeldübergreifend zu konzipieren, um das gegenseitige Verstehen der jeweiligen Arbeitssituationen und die Zusammenarbeit zu befördern. Einleitend muss zweierlei konstatiert werden: Zum einen existieren hinter vergleichbaren Begriffen sehr unterschiedliche Verständnisse und zum anderen suggerieren die Diskurse, Lernberatung sei jetzt breit in der pädagogischen Praxis verankert. Tatsächlich klafft nach wie vor ein breiter Graben zwischen entwickelten Konzepten und der Realität in den Bildungseinrichtungen. Dies ist insofern nicht verwunderlich als die Konzeptentwicklung vielfach in Modellprojekten erfolgt, die im Vergleich zur Regeleinrichtung besonders ausgestattet sind und die für eine Breitenwirkung und-nutzung erforderlichen Schritte i. d. R . nicht konsequent verfolgt werden (können). Deshalb ist aktuell auch eine Phase der Ernüchterung und kritischen Bilanzierung zu beobachten. Bei neueren Vorhaben wird verstärkt auf Dissemination, auf Breitenwirkung und auf das Schaffen von dafür verlässlichen Strukturen gedrängt; so auch in dem Feld, von dem hier die Rede sein wird (vgl. Keucken/Klein 2015). Interessant zu beobachten ist nämlich, dass Lernberatung aktuell wieder dort stark gemacht wird, wo ihre Wurzeln liegen: In der Alphabetisierung und Grundbildung von Erwachsenen (vgl. Ludwig 2012). Lernberatung reicht in diesem Diskurs zurück in die 1980er Jahre (FuchsBrünninghoff/Pfirmann 1988) und sollte dazu dienen, die biographisch erworbenen negativen Selbstbilder dieser PADUA (2016), 11(1), 23–29 DOI 10.1024/1861-6186/a000289

Teilnehmenden, die zu Lernproblemen führen, zu minimieren. Im noch recht jungen Feld der arbeitsorientierten Grundbildung, wo der BMBF seit 2007 eine Vielzahl von Forschungs- und Entwicklungsprojekten fördert (vgl. www. alphabund.de), wurde der Handlungsansatz der Lernprozessbegleitung neu belebt, erprobt und evaluiert (vgl. Klein 2010). In der Altenhilfe sind insbesondere zukunftsweisende Konzepte für arbeitsplatzübergreifende Qualifizierungsmaßnahmen prozessbegleitender Lernberatung erprobt worden, die aufzeigen, wie es gelingen kann, den Arbeitsplatz selbst als Ressource und Ort für Lernen zu nutzen (vgl. Behlke 2012, Rossmann 2011). Hierbei geht es darum, Beschäftigte zu erreichen, die als eher bildungsfern gelten und die vielfach gar nicht im Blick von Personalentwicklung sind: die An- und Ungelernten, die gering qualifizierten Mitarbeiter/innen in verschiedenen Settings der Altenhilfe. Im Mittelpunkt steht dabei die Schnittmenge der beruflich Tätigen im Bereich der Hauswirtschaft und der pflegerischen Versorgung. Konkretisiert durch zwei Fälle stellen wir Lernberatung als Lernprozessbegleitung in der arbeitsorientierten Grundbildung – im Folgenden AoG genannt – mit Beschäftigten in der Altenhilfe vor. Es wird skizziert, was AoG ist und inwiefern sie in der Altenhilfe ein wichtiges Weiterbildungsangebot darstellen kann. Wir zeigen auf, was das Spezifische an AoG ist, das Beratungshandeln erfordert und explizieren, wie Beratung als dialogischer Prozess in der AoG mit verschiedenen relevanten Akteuren realisiert wird und welche Wirkungen sich entfalten.

Was ist AoG? AoG ist die angemessene beruflich-betriebliche Weiterbildung für Beschäftigte, deren Kompetenzen aus verschiedensten Ursachen nicht (mehr) ausreichen, um den Anforderungen der Arbeit zufriedenstellend nachkommen zu können. AoG trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die Arbeitsplatzanforderungen in den letzten Jahren auch für Beschäftigte auf den sogenannten Einfacharbeitsplätzen in Bezug auf kommunikative Anforderungen (gesprochene und geschriebene Sprache) in einer Weise verändert haben, dass AoG-Weiterbildungen als unternehmerische und individuelle Strategie erforderlich sind. ©2016 Hogrefe

Schwerpunkt

von Rosemarie Klein und Gerhard Reutter


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AoG als beruflich-betriebliches Weiterbildungsangebot umfasst alle Grundkompetenzen, die für eine erfolgreiche Teilhabe an der Arbeitswelt erforderlich sind: • Schriftsprachkompetenz • Mündliche Sprachkompetenz • Rechenfähigkeiten • Grundkompetenzen im IT-Bereich • Basiskenntnisse in Englisch • Finanzielle Grundbildung • Gesundheitskompetenz • Soft-Skills

Schwerpunkt

Fertigkeiten: • Lesen • Schreiben • Rechnen • Arbeitsplatzbezogenes Wissen • Arbeitsplatzbezogenes Können

Kompetenzen: • Selbstständigkeit • Eigenverantwortlichkeit • Kommunikationsfähigkeit • Lernfähigkeit • Teamfähigkeit

Sekundärtugenden: • Zuverlässigkeit • Pünktlichkeit • Ordnung • Fleiß

Einstellungen: • Arbeitswille • Flexibilität • Lernbereitschaft • Offenheit

Abbildung 2. Arbeitsplatzanforderungen (Klein/Stanik 2010, S. 30)

Abbildung 1. AoG-Felder

AoG hat als Bezugspunkt die Arbeit und zielt auf die Verbesserung des Arbeitshandelns. AoG ist Lernen an realen und für reale Situationen, steht jedoch in einer bildungstheoretischen Tradition und stellt ein pädagogisches Konzept dar, das mit Bezug zu Arbeit so umfassende Bildungsziele wie Reflexionsfähigkeit, Autonomie oder Identität einschließt. AoG gehört damit zum Konzept des lebenslangen Lernens und ist ein prinzipiell unabgeschlossener Bildungsprozess. Grund-Bildung hat einen aufklärerischen und emanzipatorischen Charakter und fragt nach den Bedingungen der Möglichkeit von Selbstbildung und Selbstbestimmung der erwachsenen Lerner/innen. (vgl. Klein/Reutter 2014).

Arbeitsorientierte Grundbildung in Handlungsfeldern der Altenhilfe und Hauswirtschaft – warum? Aufgrund der demographischen Entwicklung steigt der Anteil der alten Menschen in der Gesamtbevölkerung, gleichzeitig haben die heute in Rente eintretenden Menschen im Vergleich zu allen früheren Generationen eine bessere gesundheitliche Verfassung und durchschnittlich noch fast zwei Jahrzehnte an Lebenszeit zu erwarten. Dies führt dazu, dass den Älteren das selbstbestimmte Leben im Alter länger möglich ist und der Eintritt in das Altenoder Pflegeheim erst spät erfolgt. Die Alten- und Pflegeheime stellen für sie nur eine relativ kurze Verweilstation vor dem Tode dar. Der individuelle Betreuungs- und Pflegeaufwand hat erheblich zugenommen, ohne dass sich die Zahl der qualifizierten Pflegekräfte entsprechend erhöht hätte (vgl. Simon 2012, 65). Der Anteil der unausgebildeten Pflegehilfskräfte ist in allen Einrichtungsarten angestiegen(ebd., 43 f), so dass heute von den in der Altenpflege Beschäftigten 10,9 % über eine einjährige Pflegeausbildung verfügen, der Anteil derjenigen, die ohne Pflegeausbildung überwiegend in der Betreuung oder Pflege tätig sind, liegt bei 40,6 % (ebd., 42). Wenn nicht einmal die Hälfte der in der Pflege Tätigen über die entsprechende Qualifikation verfügt, verwundert es nicht, ©2016 Hogrefe

dass Einrichtungen sich zunehmend gezwungen sehen, in das endogene Potenzial zu investieren, sprich: in die Weiterbildung ihrer gering Qualifizierten. Mit dem PflegeWeiterbildungsgesetz (Richtlinien nach § 87b Abs. 3 SGB XI zur Qualifikation und zu den Aufgaben von zusätzlichen Betreuungskräften in Pflegeheimen) wurden zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, Betreuungskräfte für die Grundsätze der Arbeit sowie die konkreten Aufgaben zu schulen. Mit unserem Thema AoG lohnt ein differenzierter Blick auf den Arbeitsplatz Reinigungsbereich in der Altenhilfe. Dieser gilt gemeinhin als Arbeitsplatz mit unterkomplexen Anforderungsstrukturen. Erst eine genauere Analyse der Tätigkeiten und der Anforderungsstruktur zeigt die wirkliche Komplexität. Dem Reinigungspersonal kommt im betrieblichen Alltag eines Alten- und oder Pflegeheimes eine Schlüsselrolle in mehrfacher Hinsicht zu: Das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Heimbewohner hängen in einem hohen Maße von der Freundlichkeit, dem Einfühlungsvermögen und den kommunikativen Kompetenzen der Reinigungskräfte ab, sind das doch diejenigen Personen, mit denen sie nahezu täglich Kontakt haben. Angehörige erwarten Sauberkeit, Freundlichkeit und Zuwendung gegenüber den Bewohnern und Bewohnerinnen; Kriterien, zu deren Erfüllung Reinigungskräfte einen erheblichen Beitrag leisten. Für die Kontrollinstanzen, die Heimaufsicht, stellen Sauberkeit und Einhalten der Hygienevorschriften zentrale Bewertungskategorien dar. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass Reinigungskräfte und unqualifizierte Betreuer/innen wichtiger Teil der Visitenkarte einer Einrichtung geworden sind. (vgl. Klein/ Stanik 2010). Wir haben bei unseren Arbeitsplatzanalysen (Abb. 2) bei Reinigungskräften, Küchenhilfen und Pflegehelfern bzw. -helferinnen in Altenhilfeeinrichtungen herauskristallisiert, welchen Grad an Komplexität diese Arbeitsplätze aufweisen. Die komplexen Kompetenzen, die an diesen Einfacharbeitsplätzen gefordert werden, machen deutlich, dass AoG nicht auf die Förderung von Kompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen beschränkt werden kann, da die Tätigkeit weitere Grundkompetenzen erfordert. PADUA (2016), 11(1), 23–29


Schwerpunkt

AoG und Lernprozessbegleitung in der Praxis – zwei Fallbeispiele Fallbeispiel Kombüse Im Beispiel ‹Kombüse› – Kompetenzbündelung aller Beteiligten in der Gesundheitswirtschaft – wurde ein AoGKonzept für Beschäftigte aus Küche, Reinigung und sonstigen Hauswirtschaftsbereichen in zwei Einrichtungen der Altenhilfe entwickelt und erprobt. AoG war kein gesondertes Lernangebot, sondern eingebettet in zwei fachliche Qualifizierungsangebote: ‹Grundbildung zum Demenzbegleiter› und ‹Grundbildung Kommunikation und Demenz›. In der fachlichen Qualifizierung spielten grundlegende arbeitsorientierte Kompetenzen wie Kommunikation, Kooperation und Reflexionskompetenz ebenso eine Rolle wie die Verbesserung der Schriftsprachkompetenzen. AoG fand in den Räumlichkeiten der kooperierenden Altenhilfeeinrichtungen statt. Kombüse verknüpft also AoG mit fachlichen Themen betrieblicher Weiterbildung und verfolgt so ein integratives Konzept, das durch die Orientierung an den Anforderungen des Arbeitsplatzes eine konzeptionelle Verbindung von Grundbildung und Arbeit schafft. «Wesentliche Vorteile dieser Herangehensweise sind einerseits die erhöhte Anschlussfähigkeit des Themas Grundbildung in Betrieben. Über die Verbindung mit fachlichen Impulsen steigt die Attraktivität von Grundbildung bei den Teilnehmenden und bei den Arbeitgebern. Ein anderer Vorteil ergibt sich durch die Erhöhung der Transfermöglichkeiten durch die Umsetzung von Grundbildungsaspekten in realen Ar-

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beitsbezügen, wie z. B. das Lesen und Schreiben von Dokumentationen.» (Daniel/Rossmann 2010, 1) In strukturierten Gesprächen mit Leitungen und direkten Vorgesetzten wurden die Personalentwicklungsbedarfe identifiziert. Im Rahmen einer Zukunftswerkstatt verdeutlichten die Beschäftigten selbst ihre Interessen und Vorstellungen zu einer AoG integrierenden Fachqualifizierung. In einem Dreieckskontrakt zwischen Teilnehmenden, Einrichtungen und Bildungsinstitut, der das Unterstützungssystem für die Weiterbildung festhält, waren die Ziele und Erwartungen sowie Ressourcen für die Teilnehmenden ebenso wie die Erwartungen und Ziele der Leitung dokumentiert. Konstitutives Element des Kombüse-Konzepts ist die Verknüpfung von Lernen, Arbeiten und Beratung, um das individuelle Lernen der Beschäftigten nachhaltig zu gestalten, indem die Anwendungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz genutzt und die Reflexion des Lerntransfers in einem beratungsorientierten Setting erfolgt. Dieses Modell der Entwicklung der Arbeitsplätze als lernförderliche Arbeitsplätze impliziert die Einbindung der Organisation, des unmittelbaren betrieblichen Umfeldes in den Prozess. Insofern waren mehrere Lern- und Beratungssettings miteinander verbunden (Abb. 3): • Die von Fachdozenten durchgeführte Fachqualifizierung folgte dem Prinzip des Lernens durch Erleben und Ausprobieren und war mit konkreten Praxisaufgaben verbunden. Themen waren bspw.: Krankheitsbild Demenz verstehen, Schnittstellen Hauswirtschaft/Pflege/verstehen und bedienen. • Praxisaufgaben unterstützten die unmittelbare Umsetzung des in den Präsenzphasen Erlernten im Rahmen der täglichen Arbeit. Lernen fand somit auch in der Arbeitszeit statt, der Arbeitsort war unmittelbarer Lernort. • Die teilnehmenden Beschäftigten- vor allem die Pflegehilfskräfte – wurden durch Praxisbegleiter/innen (Fachkräfte aus der Altenhilfeeinrichtung) in ihrem Lernprozess am Arbeitsplatz begleitet; sie erhielten regelmäßige Rückmeldungen und Unterstützung bei der Bearbeitung der Praxisaufgaben. • Zwischen den Fachqualifizierungen tagten die Lernenden und eine Beraterin in der sog. Lernberatungsgruppe, um verschiedene Themen zu reflektieren, thematische Vertiefungen durchzuführen oder auch kollegiale Beratung bei Fragen und Problemen zur Praxisaufgabe zu realisieren. • Nach Vereinbarung fanden Praxisbesuche statt, in denen in einem konzentrierten Beratungsgespräch Lernbilanzierungen durchgeführt wurden. Das Besondere an dem Fallbeispiel Kombüse bestand darin, dass Dozentenkonferenzen und -schulungen stattfande, die zudem eine kontinuierliche Vernetzung der verschiedenen betrieblichen Akteure (Dozenten und Dozentinnen, Lernberater/innen, Praxisbegleiter/innen, Vorgesetzte/ Leitung) zum Ziel hatte. (vgl. Wenzig-Laschek 2010).

Abbildung 3. Das Lern- und Beratungssetting von Kombüse

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Fallbeispiel FAKOM Im Projekt FAKOM – Förderung arbeitsplatzbezogener kommunikativer Kompetenzen bei Migrant/innen in der ©2016 Hogrefe


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Altenhilfe – wurde ein beratungs- und arbeitsorientiertes Grundbildungskonzept für Beschäftigte in den Bereichen Pflege und Hauswirtschaft (Reinigung, Küche, Wäscherei) entwickelt und in zwei Einrichtungen erprobt. Das AoGAngebot von FAKOM trägt den Titel «Business-Deutsch Altenhilfe» und ist konzipiert für Beschäftigte mit Migrationshintergrund. Ein wesentliches Ziel des Projektes bestand darin, die internen Absprachen der beiden Berufsgruppen und aber auch deren unterschiedlichen und gemeinsamen Rollen bei der Versorgung von Menschen in der Altenhilfe zu klären. Dabei stellte die Lernberatung als dialogische Beratung hier den professionellen Weg dar, AoG in der doppelten Zielsetzung von Empowerment und Employability zu gestalten. Prozessbegleitende Lernberatung wurde durch die verantwortliche Einbindung der Leitungsebene mit Hausdirektion und Bereichsleitungen und der Mitarbeitervertretung mit Organisationsberatung verbunden. Lernort ist auch hier der Arbeitsplatz. Die mündliche und schriftliche Kommunikationsfähigkeit für die vielfältigen kommunikativen Arbeitssituationen sollte verbessert und Voraussetzungen für weitere Fachqualifizierungen geschaffen werden. Schwerpunkt des AoG-Konzeptes bildet der eigens konzipierte Sprachkurs ‹Business-Deutsch Altenhilfe›, der wöchentlich drei Stunden in der Altenhilfeeinrichtung stattfand. Die Lernthemen wurden anfänglich mit Hilfe dialogischer Verfahren der Bedarfsermittlung und -konkretisierung aus der Perspektive der Einrichtungsleitung und der Bereichsleitungen/direkte Vorgesetzte ermittelt. Arbeitsorientierte Themen wie z. B. kundenorientierte Kommunikation oder Telefonieren wurden im Prozess präzisiert und um die konkreten Lernanliegen der Teilnehmenden erweitert. Das weist schon auf das zugrunde liegende lernberaterische Prinzip der Verantwortungsteilung und Interessenorientierung hin. Das Lern- und Beratungssetting von FAKOM Der Dialog als Fundament für eine hoch beteiligungs- und prozessorientierte Konzipierung und Realisierung des AoG-Angebotes ‹Business-Deutsch Altenhilfe› bildet den Kern des Konzeptes, das den Handlungsansatz der Lehre um die der Lern- und Organisationsberatung erweitert. Dialog ist «das planende und aushandelnde Gespräch um arbeitsbezogene Grundbildung zwischen unterschiedlichen relevanten Akteuren im Unternehmen. Der Dialog ist Information und Beteiligung an persönlichen und betrieblichen Entwicklungen.» (Behlke 2012, 137). Der dialogische Prozess findet auf der Ebene aller relevanten Akteure (der Pflege und der Hauswirtschaft) in der Organisation statt. AoG ist also mehr als der Sprachkurs, AoG ist ein systemisch angelegtes Projekt: die Bedarfe und Lernanliegen werden von Leitung, Vorgesetzten und Beschäftigten identifiziert; die Ziele des Angebotes, die Erfolgs- und Nutzenkriterien, die Rahmenbedingungen des Lernarrangements und die Evaluation des Lernerfolges werden ebenfalls aus den verschiedenen Perspektiven geklärt und vereinbart. Dazu wurden folgende Strukturelemente entwickelt: ©2016 Hogrefe

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• Das Lernangebot wird mit den Beschäftigten entwickelt. Das Kursgeschehen selbst sieht Räume vor, in denen Entscheidungen rund um die Arbeitsorganisation und vor allen Dingen des Schnittstellenmanagements sowie der didaktisch-methodischen Ausgestaltung des Lernens und der Kompetenzentwicklung auf individueller und auf Gruppenebene gefällt werden. • Um aktuelle Lernanliegen als Lernanlässe aufnehmen zu können, wurde das Strukturelement ‹Aktuelles› eingeführt, das rituell zu Beginn des wöchentlichen Kurses stattfindet. Dabei bringen die Teilnehmenden Kommunikationsanlässe aus aktuellen Arbeitssituationen ein. Oftmals handelt es sich dabei um richtige oder alternative Ausdrucksweisen, z. B.: Wie stelle ich mich vor? Wie melde ich mich richtig am Telefon? Wie spreche ich gut mit den Personen? Wie können Arbeitsprozesse besser aufeinander abgestimmt werden? • In das Lern-/Lehrgeschehen mit den Beschäftigten werden verschiedene Beratungselemente eingebunden: Interessen- und Zielvereinbarungen, biographische Reflexionen zur subjektiven Lerngeschichte und zu Lernhaltungen, das Lerndokumentationsbuch zur Reflexion des Lernprozesses, ein Lernquellenpool bestehend aus Altenhilfefachbüchern, Lexika, grammatischem und sonstigem Übungsmaterial sowie Ordnern mit selbst erstelltem Lernmaterial. • In Abschnitten findet eine Wirksamkeits- und Nutzenüberprüfung statt. «Woran merken Sie, dass Sie etwas gelernt haben und dass sich etwas verändert hat?» Im Dialog zwischen Lernberaterin und der Gruppe werden Veränderungen, die die Teilnehmenden an sich oder an anderen Teilnehmenden beobachtet haben, transparent gemacht. • In Strategiegesprächen mit der Hausdirektion werden Veränderungen in den Arbeitsfeldern der Altenhilfe und Hauswirtschaft geführt und Konsequenzen für das Lernangebot heran gezogen. So wurde bspw. vereinbart, den Kurs arbeitsfeldübergreifend anzulegen, um das gegenseitige Verstehen der jeweiligen Arbeitssituationen und die Zusammenarbeit zu fördern. • In Workshops mit den direkten Vorgesetzten wird das Lernangebot bilanziert, indem die behandelten Arbeitssituationen und die Bedingungen des Transfers in verändertes Handeln am Arbeitsplatz thematisiert werden. Vorgesetzte werden als Teil des Stützsystems eingebunden, z. B. durch Feedback oder das Übertragen von Aufgaben, um das Gelernte anzuwenden.

Was versprach, anders und besser zu sein? Einrichtungsleitung Christina Kieble Hier wurde die Möglichkeit von Einflussnahme auf die Inhalte geboten. Spezielle Bedarfe, wie sie im System «Altenhilfe» bestehen, können grundlegend erworben, trainiert und eingeübt werden, z. B. Smalltalk mit Be-

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wohnern und Bewohnerinnen, das Verwenden (!) von Fachsprache, über Lebenswelten von Bewohnern etwas erfahren und sich darauf einstellen und darüber reden lernen. Das ist woanders nicht so. Es wird ein Angebot speziell für unsere beschäftigten Migrant(inn)en; das ist Ausdruck von Wertschätzung und wird von ihnen auch so erlebt. Sie werden dann auch an ihrer beruflichen Qualifikation weiter arbeiten können. Das gemeinsame Lernen von Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen mit ganz verschiedenen sprachlichen Voraussetzungen und aus ganz unterschiedlichen Leistungsbereichen wird das gegenseitige Verständnis und das «Wir-Gefühl» bestärken.

AoG als komplexe Praxis AoG hat zwei Kunden Arbeitsplatzorientierte Grundbildung am Lernort Betrieb hat zwei Adressaten: die Beschäftigten und die Organisation – die Einrichtung bzw. die Einrichtungsverantwortlichen. Beide gilt es zu gewinnen und zu Akteuren im Prozess zu machen. Es gibt eine Reihe von Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, die es bei der Umsetzung zu beachten gilt und für die der Handlungsansatz der Beratung ergänzend zur eigentlichen Lehre notwendig ist, um überhaupt Zugänge zu Organisation und Beschäftigten zu bekommen und langfristige Effekte zu erzielen. AoG ist maßgeblich Förderung von Soft-Skills Der Beratung kommt bei AoG in der Altenhilfe – und nicht nur dort – auch deshalb eine hohe Bedeutung zu, weil SoftSkills in den Anforderungsprofilen auch bei Helferberufen der Hauswirtschaft und Pflege eine wesentlich höhere Rolle spielen als in der Vergangenheit. Kommunikationsund Kooperationsfähigkeit, Empathie oder adäquater Umgang mit Konflikten lassen sich nicht seminaristisch vermitteln, für sie kann durch Beratung oder Coaching sensibilisiert werden und durch gemeinsame Reflexion von Handlungssituationen gestärkt werden. Im oberen Management ist diese Einsicht schon des längeren gewonnen worden. Coaching wird nicht mehr als Ausdruck unzureichender Führungskompetenzen verstanden, sondern hat eher den Charakter einer Auszeichnung erhalten. Erst allmählich wächst die Erkenntnis, dass die Förderung von Soft-Skills durch Beratung oder Coaching auch für untere Hierarchiegruppen sinnvoll und notwendig ist. Von einer ‹Demokratisierung› durch Beratung oder Coaching zu reden, wäre allerdings verfrüht. AoG anschlussfähig machen Ein neues Weiterbildungsangebot wie die AoG, das grundbildnerische Lerninhalte und (Lern)Beratung verbindet, ist für die relevanten Akteure in den Einrichtungen der Altenhilfe wie insgesamt für Unternehmen Neuland und nicht ohne Weiteres anschlussfähig. Weder reklamieren die gering qualifizierten Beschäftigten von sich aus WeiPADUA (2016), 11(1), 23–29

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Woran merken Sie, dass Sie etwas gelernt haben? • Ich lese mehr • Ich schreibe häufiger • Wörter sind öfter richtig im Gegensatz zu vorher • ich frage jetzt öfter die Kollegen, ob das richtig ist, habe mehr Mut • Rückmeldung von Kollegen, dass ich mich verbessert habe • Ich merke, wenn ich ein Wort schreibe, dass «etwas nicht stimmt» und überprüfe dann mit Wörterbuch (habe mehr Sprachgefühl) • Wenn ich Praxisaufgaben (Pflegedokumentation) mache, merke ich, dass ich jetzt Wörter kenne oder richtig schreibe, was ich vorher nicht gewusst habe. • Jetzt denke ich nach, habe jetzt noch mehr Methode (weiß jetzt besser, worauf ich achten kann) Selbstkontrolle • Dass ich mehr Mut und mehr Spaß am Reden habe • Dass ich offener bin, mit Kolleg/inn/en zu reden • Kann jetzt zur Klärung/Richtigstellung beitragen (hatte kein Vertrauen darin, dass ich verständlich formuliere und in die anderen); kann jetzt auch widersprechen • Verstehe Heimbewohner besser (mit ihren Anliegen), ich muss weniger nachfragen • Dass ich weniger korrigiert werde • Dass ich die Fehler bei anderen merke • Ich rede mehr, verstehe mehr, höre mehr; wir besprechen und bearbeiten hier unsere Probleme und Sie helfen uns dabei, nicht nur bezogen auf den Dreifaltigkeitshof, sondern auch Privates; das ist keine traditionelle Schule, sondern eine «Lebensschule» • Setze jetzt verschiedene Hilfsmittel ein (Wörterbuch, Grammatiktabellen ...) und kann mit ihnen umgehen • Nutze das RS-Programm am PC Abbildung 4. Beispielhafte Antworten für eine Wirksamkeits- und Nutzenüberprüfung

terbildungsbedarfe noch erkennen Personalverantwortliche ohne Weiteres die Notwendigkeit einer Investition in diese Beschäftigtengruppe. Beratung hat hier die Funktion, geeignete Schritte zu gehen, um die relevanten Akteure in den Einrichtungen für eine Investition in die Weiterbildung dieser Beschäftigten zu sensibilisieren, sie als Stakeholder zu gewinnen und einzubinden. Der Nutzen muss transparent sein Für alle Akteure gilt, dass sie vom Nutzen von AoG überzeugt sein müssen. Dafür muss aufgezeigt oder besser noch erarbeitet werden, welche Erträge und Nutzenerwartungen mit einer Investition in AoG verbunden sind. Dabei reichen Hinweise auf eine Verbesserung der Employability der Beschäftigten nicht aus; nicht nur der Nutzen für die Individuen, sondern auch der betriebliche Nutzen ist von Relevanz und muss darstellbar sein, materielle und immaterielle Zugewinne müssen ausgewiesen werden. ©2016 Hogrefe


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Zugänge zu allen organisationalen Akteuren gestalten Das bedeutet in der Praxis, dass Zugänge zu den verschiedenen Gruppen der Akteure geschaffen werden müssen. Weder eine ausschließliche Top-Down noch eine ausschließliche Bottom-Up-Strategie sind erfolgversprechend. Die Bereitschaft der Leitung, AoG zu wollen und aktiv zu unterstützen, ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für das Gelingen. In der Praxis hat es sich gezeigt, dass der Dialog gesucht werden sollte mit • den avisierten Beschäftigten • den Personalverantwortlichen und Führungskräften • den unmittelbaren Vorgesetzten und nicht zuletzt • den gewählten Mitarbeitervertretungen.

«Grundbildungsarbeit in Betrieben erfordert ein hohes Maß an organisationsberaterischer Kompetenz. Der Umgang mit dem System und seinen Akteuren muss zwingend berücksichtigt werden. Hierarchische Beziehungen, kulturelle Gegebenheiten, informelles Wissen sind zu beleuchten und auf ihren Einfluss auf die Grundbildungsmaßnahmen zu prüfen. Die Unternehmensspitze muss in die Pflicht genommen werden und die Grundbildungsarbeit aktiv unterstützen, Führungskräfte müssen befähigt werden, die Bildungsmaßnahme auf Teamebene zu begleiten und notwendige Ressourcen bereitstellen. Lernende müssen mit ihrem Interesse einbezogen werden, Kollegen sollen informiert und eingebunden sein.» (Rossmann, 2011, 108 f.)

dung so zu gestalten, dass alle Beteiligten den o. a. Nutzen daraus ziehen können und Transfermöglichkeiten von Lernen in verändertes Arbeitshandeln schaffen. Entwicklungsprozesse anstoßen – dialogisch In den beiden oben skizzierten Beispielen wird ein Beraterhandeln deutlich, das auf mehreren organisationalen Ebenen Entwicklungsprozesse anstoßen will und anstößt: Führungsebene, Vorgesetztenebene, Mitarbeitervertretungsebene und Beschäftigtenebene. Der Dialog mit und zwischen den Akteuren ist notwendig für die erforderlichen Aushandlungsprozesse, birgt jedoch auch Entwicklungschancen für alle Beteiligten. In der AoG verbinden sich also die Handlungsansätze der Lehre mit denen der Lern- und Organisationsberatung. Vom Lernen zu verändertem Arbeitshandeln Der Erfolg von AoG ist nicht nur abhängig von den Lerninteressen und der Lernbereitschaft der teilnehmenden Beschäftigten. Er ist genau so abhängig von einer Organisation, die dafür Sorge trägt, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Kompetenzzuwächse bei den Lernenden auch Möglichkeiten gegenüber stehen, diese Zuwächse zu nutzen. Kompetenzzuwächse im Sinne des «Mehr-Könnens» brauchen auch Kompetenzzuwächse im Sinne des «Mehr-Dürfens» (Rossmann, 2011, 108). Damit können tradierte hierarchische Muster bedroht sein und entsprechende Gegenreaktionen müssen im Vorfeld mit bedacht sein. Den lernenden Individuen muss eine Organisation gegenüberstehen, die sich selbst als lernende und damit auf Veränderung eingestellte Organisation versteht. Die Lernförderlichkeit von Arbeitsplätzen erhöhen AoG ist wenig erfolgversprechend, wenn die Arbeitsplätze nicht so gestaltet sind, dass sie den Transfer des Gelernten in das alltägliche Arbeitshandeln ermöglichen. Baethge/ Baethge-Kinsky (2004) haben herausgearbeitet, was die Lernförderlichkeit von Arbeitsplätzen ausmacht und da-

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Organisationale Akteure in die Verantwortung nehmen und Identifikation ermöglichen AoG ist nicht einfach ein isoliertes Kursangebot, das für eine Beschäftigtengruppe didaktisch geplant und realisiert wird. Vielmehr geht es darum, in der Organisation die Voraussetzungen zu schaffen, AoG als betriebliche Weiterbil-

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mit eine Fülle von Hinweisen für die Gestaltung von Arbeitsplätzen für Geringqualifizierte geliefert. Die Lernhaltigkeit von Arbeitsplätzen zu erhöhen meint: • Gelegenheiten und Notwendigkeiten zu schaffen, sich während der Arbeit Neues anzueignen und sich beruflich weiterzuentwickeln. Eine Voraussetzung dafür ist, dass Lernen im Betrieb als Selbstverständlichkeit und nicht als Ausdruck von Defiziten begriffen wird. • Arbeitsaufgaben ganzheitlich zu gestalten; d. h. die Arbeitsaufgaben sind nicht bis ins Einzelne vorgegeben und in der Arbeitsausführung besteht die Möglichkeit, selbstständige Entscheidungen zu treffen. • Arbeit so zu gestalten, dass sie Kooperation mit anderen Berufsgruppen erfordert. Intensive Kommunikation und Kooperation erhöht die Lernkompetenzen der Mitarbeiter/innen. • Partizipationsmöglichkeiten zu bieten; d. h., viele Absprachen können untereinander getroffen werden und bei Veränderungen werden die Überlegungen und Ideen der Mitarbeiter/innen aufgegriffen und sie werden in wesentliche Entscheidungen einbezogen. Wer sich übrigens mit dem Konzept der Lernberatung (Kemper/Klein 1998; Klein/Reutter 2005) auseinandergesetzt hat, dem wird die tendenzielle Übereinstimmung mit den dort skizzierten handlungsleitenden Prinzipien auffallen.

Fazit Die beiden Beispiele (Fallbeispiel Kombüse und Fallbeispiel FAKOM machen deutlich, wie unterschiedlich der Lernort ‹Arbeitsplatz› genutzt werden kann und muss, um anschlussfähig an unterschiedliche Handlungslogiken, unternehmerische und individuelle Bedarfe und Interessen, Bedingungen für Lernen usf. zu sein. Was den Beispielen gemeinsam ist, ist die Bedeutung des Dialogisch-Reflexiven in der AoG-Praxis. Kompetenzbilanzierungen, Interessen- und Bedarfsanalysen, individuelle Zielentwicklung, Lernsettings und Lernentwicklungsbilanzen erfolgen weniger mit Hilfe standardisierter Instrumente und Verfahren denn mit interaktiven und kommunikativen beraterischen Vorgehensweisen. Da absehbar ist, dass auch mittelfristig der Fachkräftebedarf in der Pflege nicht befriedigt werden kann, werden Einrichtungen, die sich zukunftsfähig aufstellen wollen, nicht umhin kommen, sich stärker um arbeitsorientierte Grundbildung zur Weiterbildung ihrer gering qualifizierten Beschäftigten im Bereich der Pflege und Hauswirtschaft zu kümmern. Deshalb sollten die Potentiale, die im Schnittstellenmanagement begründet liegen, stärker genutzt werden. Dies könnte zum beidseitigen Vorteil sein. Es erhöht die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter/innen und schafft wichtige Voraussetzungen für das Überleben der Einrichtungen. Arbeitsorientierte Grundbildung als Konzeption, die Lehre, Lern- und Organisationsberatung miteinander verbindet, kann ein wichtiger Schritt auf dem Wege sein. PADUA (2016), 11(1), 23–29

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Literatur Behlke K. (2012). Lernberatung in der arbeitsbezogenen Grundbildung im Betrieb. In: Ludwig J. (Hrsg.) Lernen und Lernberatung. (S. 129 – 151) Bielefeld: WBV. Daniel M., Rossmann E. (2010). Der Arbeitsort als Lernort – Ambivalenzen und Herausforderungen. In: Klein, R. (Hrsg.) Grundbildung und Beratung – Berater/innenperspektiven. GiWA-Online Nr. 4, Göttingen. http://www.giwa-grundbildung.de/DanielRossmannGO4.pdf. [Zugriff 22.6.2015]. Fuchs-Brünninghoff E., Pfirrmann M. (Hrsg.) (1988). Lernprobleme – Lernberatung. PAS, Frankfurt/Main. Keucken F., Klein R. (2015). Wie lässt sich arbeitsorientierte Grundbildung breitenwirksam umsetzen? In: Alfa-Forum 87: 14 – 19. Klein R. (Hrsg.) (2010). Grundbildung und Beratung – Berater/innenperspektiven. GiWA-Online Nr 4, Göttingen. http://www. giwa-grundbildung.de/index.php?option=com_ content&task=view&id=97. [Zugriff 22.6.2015]. Klein R., Reutter G. (2014). Arbeitsorientierte Grundbildung – Worüber reden wir? http://www.sesam-nrw.de/AoG_Verstaendnis_ 3_14.pdf. [Zugriff 22.6.2015]. Ludwig J. (2012). Lernberatung und Diagnostik. Modelle und Handlungsempfehlungen für Grundbildung und Alphabetisierung. Bielefeld: W. Bertelsmann. Rossmann E. (2011). Grundbildung in Alten- und Pflegeeinrichtungen im Spannungsfeld von Personal- und Organisationsentwicklung. In: Klein R., Reutter G., Zisenis D. (Hrsg.) Bildungsferne Menschen – menschenferne Bildung. Grundlagen und Praxis arbeitsbezogener Grundbildung. (S. 99 – 109) Göttingen: GIWA Schriftenreihe. Simon M. (2012). Beschäftigte und Beschäftigungsstrukturen in Pflegeberufen. Eine Analyse der Jahre 1999 – 2009: Studie für den Deutschen Pflegerat, Hannover. http://www.deutscherpflegerat.de. [Zugriff 15.5.2015]. Wenzig-Laschek (2010). Eingebettete Grundbildung – Fachqualifizierung als Türöffner und Sinnstifter. In: Klein R. (Hrsg.) Merkmale arbeits(platz)bezogener Grundbildung unter der Lupe der Evaluation- GiWA-Online Nr. 6, Göttingen. Online unter: http:// www.giwa-grundbildung.de/WenzigLascheck06.pdf. [Zugriff 22.6.2015]. Rosemarie Klein

Diplom-Pädagogin, Geschäftsführerin des bbb Büro für berufliche Bildungsplanung, Dortmund (www.bbb-dortmund.de). Arbeitsschwerpunkte: Diskontinuierliche Erwerbsbiographien, berufliche Weiterbildung, Lernen von Erwachsenen, Lernberatung, arbeitsorientierte Grundbildung. klein@bbbklein.de

Gerhardt Reutter

Lehrer und Diplom Pädagoge, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Institut für Erwachsenenbildung. Arbeitsschwerpunkt: berufliche Weiterbildung, insbesondere für Problemgruppen des Arbeitsmarktes. Wissenschaftlicher Berater und Projektentwickler im bbb Büro für berufliche Bildungsplanung. reutter@bbbklein.de

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Die Pflegeklassifikationsdatenbank Hogrefe NCDB Nursing Classifications Database

Was ist die NCDB?

Wo erhalte ich die NCDB?

Die Datenbank für pflegerische Klassifikationen basiert auf den deutschsprachigen Ausgaben von Doenges, der NIC-Pflegeinterventionsklassifikation und der NOCPflegeergebnisklassifikation.

Die NCDB können Sie direkt beim Hogrefe Verlag beziehen. Wir unterbreiten Ihnen gerne ein maßgeschneidertes Angebot. Wenden Sie sich dazu bitte an ncdb@hogrefe.ch.

Was ist enthalten? • • • • • • •

In Kürze wird die NCDB auch als Modul in verschiedenen führenden europäischen Softwaresystemen zur Pflegedokumentation erhältlich sein.

alle Pflegeziele und Pflegemaßnahmen aus Doenges alle 554 NIC-Pflegeinterventionen über 10.000 Pflegeaktivitäten alle 385 NOC-Pflegeergebnisse Möglichkeit zur Verknüpfung mit NANDA International Schlüsselinterventionen für rund 50 Pflegefachbereiche Angaben zum Zeitaufwand und notwendiger Qualifikation für einzelne Interventionen

Wie sieht das Lizenzmodell aus? Die zwei in der Datenbank enthaltenen Klassifikationen (NIC, NOC) sowie die Pflegeziele und -maßnahmen aus Doenges sind separat oder in beliebiger Kombination in einem nach Einrichtungsgröße (Anzahl Pflegefachkräfte) abgestuften Jahreslizenzmodell erhältlich.

www.hogrefe.com

Wie werden die Daten geliefert? Die NCDB ist ab sofort in einem neutralen, weitgehend selbsterklärenden XML-Format lieferbar, was die Integration in elektronische Pflegedokumentationssysteme sehr vereinfacht.


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Keine Angst vor Praxisbegleitung! Reflexion beruflicher Erlebnisse als Baustein von Praxisbegleitung

Praxisbegleitung stellt Lehrende, Lernende und Beteiligte des Lernorts Praxis oftmals vor eine große inhaltliche und methodische Herausforderung. In diesem Artikel werden in Form von drei Bausteinen Ziele, Inhalte und Methoden beschrieben, wie Praxisbegleitung stärker auf die Bedürfnisse der Lernenden und die Entwicklung von Kompetenzen im Sinne des Krankenpflegegesetzes ausgerichtet werden kann.

Abgrenzung Praxisbegleitung versus Praxisanleitung Praxisbegleitung grenzt sich zur Praxisanleitung durch zwei wesentliche Kriterien ab: die Qualifikation der Akteure und die Zielsetzungen.

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Seit der Novellierung des Krankenpflegegesetzes 2003 ist Praxisbegleitung zu einem festen Bestandteil der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung geworden (KrPflG, 2003, § 4, Abs. 5, Satz 2 ff). Diese Maßnahme soll zur Erreichung der grundsätzlichen Ausbildungsziele beitragen und die praktische Ausbildung unterstützen (KrPflG, § 4, Abs. 5). Lehrende, Lernende und die Beteiligten des Lernorts Praxis sind so aufgefordert, Praxisbegleitung kompetenzorientiert auszurichten. Insbesondere in Abgrenzung

zur Praxisanleitung besteht bei den Beteiligten bisweilen Unsicherheit, welche konkreten Zielsetzungen Praxisbegleitung verfolgt und wie diese methodisch umsetzbar sind. Um dieser Unsicherheit entgegen zu wirken, müssen konkrete Ziele, Inhalte und Methoden für Praxisbegleitung definiert und Grenzen zur Praxisanleitung gezogen werden. Dieser Artikel beschäftigt sich daher zunächst mit der Abgrenzung der Begriffe Praxisbegleitung und Praxisanleitung. Im Anschluss werden Zielsetzungen konkretisiert um darauf aufbauend Bausteine und Methoden für Praxisbegleitung vorzuschlagen. Die Vorschläge sollen als Teil eines Konzeptes verstanden werden, welches Ausbildungseinrichtungen und Hochschulen bei der zielgerichteten Umsetzung von Praxisbegleitung unterstützt.

PADUA (2016), 11(1), 31–36 DOI 10.1024/1861-6186/a000290

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von Stefan Wellensiek


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Die verantwortlichen Akteure der Praxisbegleitung sind die Lehrenden des Lernorts Schule (KrPflG, § 4, Abs. 5). Sie haben nach der 3-jährigen pflegerischen Ausbildung im Regelfall ein berufspädagogisches Studium abgeschlossen und den Arbeitsbereich vom Lernort Praxis an den Lernort Schule verlagert. Praxisanleitung wird von Pflegefachkräften des Lernorts Praxis mit berufspädagogischer Zusatzqualifikation durchgeführt (KrPflAPrV, § 2, Abs. 2). Die Qualifikation «Praxisanleiterin/Praxisanleiter» wird durch eine Fortbildung erworben. Der Unterschied zwischen den Akteuren liegt also in der Ausprägung der beruflichen Kompetenzen, bedingt durch den Arbeitsort und die formale Qualifikation. Praxisbegleitung und -anleitung verfolgen dieselbe grundsätzliche Zielsetzung, d. h. die Förderung fachlicher, methodischer, personaler und sozialer Kompetenzen (KrPflG, § 3). Um diese übergeordnete Zielsetzung für die Begleitung und Anleitung nutzbar zu machen, muss sie detailliert ausformuliert werden. Für Praxisanleitung wird konkretisiert, dass Lernende «[…] schrittweise an die eigenständige Wahrnehmung der beruflichen Aufgaben […]» (KrPflAPrV, § 2, Abs. 2) herangeführt werden sollen. Diese Heranführung unterstützt die Entwicklung einer beruflichen Handlungskompetenz (DBR, 2004, S. 6). Methodisch geschieht das z. B. in Form eines Fertigkeitentrainings, welches komplexe Prozesse in kleinere Einheiten zerlegt. Bei sicherer Beherrschung verschiedener Teilhandlungen können diese zu komplexeren Handlungen zusammengesetzt, bzw. in konkrete berufliche Situationen eingebaut werden. Dazu sind verschiedenste Anleitungsprozesse und -methoden detailliert beschrieben (z. B. Mayer et al., 2011; Quernheim, 2013). Diese Prozesse und Methoden verlangen eine situative Einbindung, häufig unter Beteiligung eines oder mehrerer Patienten/innen. Das schrittweise Vorgehen unter Anwendung einer Lehrmethode wird durch die Annahmen Benners (1994) gestützt. Sie sieht Auszubildende als Anfänger, die auf Regeln angewiesen sind, an denen sie ihr Verhalten ausrichten können (Benner, 1994, S. 41). Über den schrittweisen Aufbau rückt Praxisanleitung das Erlernen, das Anwenden und die Reflexion von bestimmten Regeln (z. B. pflegetechnische Handlungen, hygienische Grundlagen oder Arbeitsorganisationsprozesse) in den Fokus. Praxisanleiterinnen und -anleiter sind durch ihre Ausbildung, die Zusatzqualifikation, die pflegefachliche und -methodische Kompetenz, die Eingebundenheit in eine pflegerische Organisationseinheit und ihre Erfahrung hochgradig qualifiziert, diese Aufgabe wahrzunehmen. So leistet die Praxisanleitung einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung der Zielsetzung des Krankenpflegegesetzes. Die Zielsetzung der Praxisbegleitung ist durch die Gesetze nicht schärfer definiert. Als Aufgaben sind die Unterstützung der praktischen Ausbildung (KrPflG, § 4, Abs. 5), die Betreuung der Auszubildenden und die Beratung der Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter (KrPflAPrV, § 2, Abs. 3) genannt. Methodische und organisatorische Festschreibungen, z. B. in welchem Umfang und in welcher Art und Weise diese Betreuung und Unterstützung ausgeübt ©2016 Hogrefe

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werden soll, unterbleiben. Es scheint also zwingend notwendig eine eigenständige Zielsetzung zu formulieren, welche Praxisbegleitung auf die Entwicklung von Kompetenzen ausrichtet, die genannten Aufgaben konkretisiert und von Praxisanleitung abgrenzt. Konkret werden die rechtlichen Grundlagen beim Ort der Durchführung der Praxisbegleitung. Praxisbegleitung ist «[…] auch durch regelmäßige persönliche Anwesenheit in den Einrichtungen [der praktischen Ausbildung nach KrPflG, Anm. d. Verfassers] zu gewährleisten» (KrPflAPrV, § 2, Abs. 3). Diese Formulierung eröffnet die Möglichkeit, Praxisbegleitung sowohl am Lernort Praxis als auch am Lernort Schule bzw. Hochschule durchzuführen. Es kann bis hierher festgestellt werden, dass Ziele und übergeordnete Methoden der Praxisanleitung beschrieben sind. Für den Bereich Praxisbegleitung fehlen konkrete Aussagen (z. B. zu Umfang, Inhalten, Methoden und Sozialformen). Es ist daher notwendig festzuschreiben, was Praxisbegleitungen leisten und wie dies erreicht werden soll.

Vorüberlegungen zur Praxisbegleitung Der oben genannten Herausforderung begegnete bereits 2004 der DBR durch die Entwicklung eines Positionspapiers. Dort werden unter anderem verschiedene Inhalte, Methoden, Sozialformen und zeitliche Umsetzungsvorschläge zur Praxisbegleitung herausgearbeitet (DBR, 2004). Ein zentraler Punkt des Positionspapiers ist, dass Praxisbegleitung in «realen Praxissituationen» (DBR, 2004, S. 8) stattfinden soll, also mit einem Patienten «am Bett». Fichtmüller und Walter kritisieren diesen Vorschlag, da er nicht berücksichtigt dass Lehrende ihre «pflegerische Handlungskompetenz angesichts der Anforderungen an qualitativ hochwertigen Unterricht nicht bewahren» können (Fichtmüller/Walter, 2005, S. 63). Die Expertise der Lehrenden ist primär eine pflegepädagogische und keine pflegerische (Fichtmüller/Walter, 2005, S. 63). Lehrende werden oder sind im Feld des Unterrichts also Experten, im Feld der Pflegepraxis verlieren sie dieses Expertentum mit der Zeit. Es ist den Lehrenden also nur eingeschränkt möglich, in unterschiedlichen Settings und komplexen Situationen als kompetente Pflegeperson und als Vorbild für die Lernenden aufzutreten. Diese Auslegung wird durch die Aussagen Benners gestützt, die das Expertentum stets situativ betrachtet und nicht als grundsätzliche Eigenschaft einer Person (Benner, 1994, S. 57 ff.). Somit ist die Einlösung der Forderungen des DBR nach «klinischem Unterricht» (DBR, 2004, S. 8) durch Lehrende des Lernorts Schule schwierig. Auch die Umsetzung weiterer Vorschläge des DBR, wie z. B. Zeitvorgaben oder die ausschließliche «vor-Ort» Betreuung (DBR, 2004, S. 8) könnten problematisch werden, da konkrete Vorgaben der ausbildenden Institutionen wie die didaktische oder fachdidaktische Ausrichtung, besondere Leitziele, die räumliche Situation oder die Budgetierung nicht mit bedacht werden. Bei aller Kritik liefert das Papier des DBR aber PADUA (2016), 11(1), 31–36


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eine wertvolle Orientierungshilfe für die Ausbildungseinrichtungen. Es scheint notwendig und sinnvoll, einzelne Vorschläge zu untersuchen und Möglichkeiten der konzeptionellen Einbettung auszuloten. So setzen die im Folgenden vorgeschlagenen Bausteine an dem Vorschlag an, Praxiserfahrungen zu reflektieren und Praxisprobleme aufzuarbeiten (DBR, 2004, S. 8). Die Einbeziehung weiterer Ansichten zur Gestaltung von Praxisbegleitung ist im Rahmen dieses Artikels nicht möglich. Einen umfassenden und aktuellen Überblick über weitere Positionen, Modelle und Konzepte zur Praxisbegleitung ist bei Arens (2013, S. 113 ff) nachzulesen.

Bausteine zur inhaltlichen und methodischen Ausgestaltung von Praxisbegleitung Für die Beteiligten der Lernorte ergeben sich bei der notwendigen Entwicklung eines Konzeptes zur Praxisbegleitung Probleme, wie Ziele, Inhalte und Methoden zu beschrieben sind. Den Schulen und Hochschulen dürfte der durch die Gesetze eröffnete Handlungsspielraum entgegenkommen. Er schafft die Möglichkeit, die individuellen Bedingungen einer Ausbildungseinrichtung zu beachten. Leitbilder, fachdidaktische Ausrichtung, bestehende Konzepte der Lernortkooperation, bestimmte fachliche Schwerpunkte, lokale Bedingungen wie die Entfernung der Schule zu den Einsatzorten und sogar individuelle Charakteristika von Lehrenden, Schülerinnen, Schülern und Studierenden können berücksichtigt werden. Im Folgenden wird schwerpunktmäßig ein Zusammenhang zwischen grundsätzlichen Zielen, Inhalten, möglichen Methoden und Sozialformen herausgearbeitet. Den Kern bilden dabei drei Bausteine, die Inhalte der Praxisbegleitung bestimmen. Diese können von Ausbildungseinrichtungen auf deren Situation hin angepasst werden. Als grundsätzliche Ausrichtung der Praxisbegleitung wird hier die Reflexion vorgeschlagen. Dies wird als Aufgabe der Praxisbegleitung auch vom DBR (2004, S. 9) und Fichtmüller und Walter (2005, S. 63) empfohlen. Reflexive Prozesse können in dem Zusammenhang verschiedene Ziele verfolgen, z. B. die Unterstützung des Ausbaus von Kompetenzen (Müller, 2007, S. 9), das Entwickeln der Fähigkeit zur Lösung von Problemen oder die Entwicklung der Persönlichkeit. Reflexionen bieten z. B. den Rahmen, subjektive Theorien des Lernenden herauszuarbeiten, zu benennen und ggf. zur Modifikation anzuregen (Wahl, 2002, S. 232). Annahmen und Überzeugungen werden sichtbar gemacht und können in einem weiteren Schritt mit realen Gegebenheiten, Problemen und wissenschaftlichen Erkenntnissen verschränkt werden und dienen dadurch dem Wissenstransfer. Neben dem bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der fachlichen und methodischen Kompetenz kann so auch die Verbindung der Lernorte gefördert werden. Bohrer (2009, S. 54) misst der Betrachtung des eigenen Handelns eine hohe Bedeutung zur Entwicklung der Personalkompetenz bei. Wenn Lernende in einer Reflexion ihre Erlebnisse mit einer Peer-Group teiPADUA (2016), 11(1), 31–36

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len und erkennen, dass diese ähnliche Erfahrungen gemacht hat, ergibt sich die Chance für eine kollegiale Beratung. Durch diese Beratungen ergeben sich gute Gelegenheiten zur Weiterentwicklung fachlicher und sozialen Kompetenz (Lippmann, 2013, S. VII) und zur Erhöhung der Professionalität (Lippmann, 2013, S. 18). In der täglichen Berufspraxis ergeben sich solche Reflexionsgelegenheiten gerade für Lernende in Anfängerstufen oftmals nicht. Häufig ist diese Art der Reflexion weder am Lernort Theorie noch am Lernort Praxis institutionell verankert. Die reflektierende Praxisbegleitung füllt diese Lücke und schafft Gelegenheiten, bewusst eigene Erlebnisse bzw. Erlebnisse von Personen der Peer-Group in den Blick zu nehmen und diese mit bereits erworbenem Wissen abzugleichen. Zur Ausrichtung auf die gezielte Reflexion werden in diesem Konzept drei verschiedene Bausteine vorgeschlagen: die Reflexion a) der eigenen Person, b) von beruflichen Situationen und c) von realen Fällen. Im Folgenden werden die drei Bausteine charakterisiert und anzuwendende Sozialformen vorgeschlagen. Baustein I: Reflexion der eigenen Person Dieser Baustein verfolgt das Ziel, die Lernenden in der Entdeckung und Festigung ihrer beruflichen Rolle und Position zu begleiten, um berufliche Anforderungen besser erfüllen zu können. Die Entfaltung eines produktiven Selbstbildes, die Bewusstmachung der eigenen Begabung, der Motivation und auch der Leistungsvorsätze sind Elemente auf dem Weg zur Entwicklung der personalen Kompetenzen (Erpenbeck/v. Rosenstiel, 2007, S. 24). Der Baustein ist daher vorwiegend auf die Erhöhung der personalen Kompetenz gerichtet. Als Sozialform wird hier eine Einzelbegleitung vorgeschlagen, um ein hohes Maß an Subjektorientierung zu gewährleisten. Die Aufgaben, die einem Lernenden in der Praxis begegnen, ändern sich im Verlauf der Ausbildung. Korrelierend mit den Stufen der Kompetenzentwicklung (Benner, 1994) werden ihnen neue Aufgaben in erhöhter Komplexität übertragen. Die Erwartungen, die von Kolleginnen und Kollegen, anderen Berufsgruppen, Patienten und Patientinnen sowie deren Angehörigen an die Auszubildenden gestellt werden, verändern sich genau wie die Selbstwahrnehmung der Lernenden. Sie nehmen sich im Verlauf der Ausbildung als kompetenter wahr. Sie streben nach mehr Aufgaben, Autonomie, Verantwortung und Handlungsspielräumen. Dies kann zu Konflikten führen, wenn die Beteiligten des Lernorts Praxis andere Vorstelllungen haben als der Lernende. Um diese Veränderungen oder mögliche Konflikte erfolgreich in das Handeln der Lernenden integrieren zu können, müssen diese bewusst gemacht und reflektiert werden. Hiermit kann eine Kernaufgabe für die Praxisbegleitung festgemacht werden. Im Rahmen der Reflexion der eigenen Person schaffen Praxisbegleiter eine Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit den beschriebenen Entwicklungen und Veränderungen in Form eines strukturierten Gesprächs. Anknüpfungspunkt für ein solches Gespräch ist z. B. ein erlebtes Problem des Lernenden oder eine durch den Lehrenden ©2016 Hogrefe


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formulierte Leitfrage. Die Herausforderung an den Praxisbegleiter besteht darin, die Situation so zu gestalten, dass der Lernende seinen Blick sowohl auf das Problem als auch auf sich selbst richtet. Der Gewinn einer solchen Reflexion liegt darin, dass sich Auszubildende mit ihren Rollen, Positionen und den sich verändernden Kompetenzen in unterschiedlichen beruflichen Kontexten auseinandersetzen können. Es wird eine Gelegenheit geschaffen, um Erlebnisse mit Patienten, Kollegen und Angehörigen einordnen und verstehen zu können. Konkrete Inhalte, die mit der Entwicklung der Rolle zusammenhängen, sind z. B. das Aufzeigen der Bedeutung des eigenen Handelns, der Position im pflegerischen Team und der eigenen Handlungsspielräume, die Entwicklungsmöglichkeiten, die Vielseitigkeit von Aufgaben, aber auch das Entgegenbringen von Wertschätzung. So wird der Auszubildende für weitere berufliche Situationen gerüstet. Um ausreichend Raum für diese Art der Begleitung zu geben, sollten mindestens 60, besser jedoch 90 Minuten eingeplant werden. Reflexionen der eigenen Rolle sollten schon zu Beginn der Ausbildung Bestandteil der Praxisbegleitung sein und bis zum Ende in unterschiedlicher Intensität wieder aufgegriffen werden. Hier ist auf Bedürfnisse und Wünsche der Lernenden Rücksicht zu nehmen. Ein besonderes Augenmerk gilt den Studierenden der grundständig qualifizierenden Studiengänge. Sowohl die Studierenden also auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Praxisorte erleben bedingt durch die relativ junge Art der Qualifikation häufig Unsicherheiten bezüglich Rollenerwartungen und Aufgaben. Praxisbegleitung kann an dieser Stelle als besondere Chance für Weiterentwicklung und Austausch gesehen werden. Baustein II: Reflexion von erlebten Situationen Mit dem Begriff «Situation» ist hier eine berufliche Situation gemeint. Situationen werden in Anlehnung an Holoch (2002) als zeitlich begrenzte, relativ kurze Einheiten verstanden. Diese Situationen können eine hohe Dichte verschiedener Aspekte, wie z. B. die Bedürfnisse des Patienten und die Erfordernisse des Gesundheitszustandes, aufweisen (Holoch, 2002, S. 119). Dieser Baustein verfolgt das Ziel, über die Bearbeitung einer berufstypischen oder individuell bedeutsamen Situation die fachliche und methodische Kompetenz der Lernenden auszubauen. Dies geschieht durch die sinnorientierte Einordnung von erworbenem Wissen und dessen Bewertung (Erpenbeck/v. Rosenstiel, 2007, S. 24). Methodisch wird hier eine Gruppenbegleitung vorgeschlagen, da zu vermuten steht, dass Lernende eines Kurses oder einer Kohorte ähnliche Situationen erleben. Die Situation wird von einem Lernenden eingebracht. Ein gemeinsamer Austausch in der Peer-Group wirkt so als Multiplikator von fachlich-methodischen Kompetenzen (Lippmann, 2013, S. 15) und als Katalysator der sozialen Kompetenz. Die Reflexion einer Situation in der Peer-Group ist angelehnt an die Methode der kollegialen Beratung. Lernende erleben am Lernort Praxis täglich unterschiedlichste Situationen. Einige Ereignisse bleiben ihnen ©2016 Hogrefe

Schwerpunkt

im Gedächtnis, entweder weil sie als besonders positiv erlebt wurden oder problembehaftet waren. Sie erhalten also eine individuelle, ggf. paradigmatische Bedeutsamkeit. Eine situativ orientierte, reflexive Praxisbegleitung ermöglicht es, schulisch oder anderweitig erworbenes Wissen mit der erlebten Realität abzugleichen. Die Lernenden entwickeln so ihre Fähigkeiten zur Lösung von konkreten Problemen weiter und entwickeln ihre Handlungskompetenz. In einer Praxisbegleitung, die sich an einer Situation orientiert, schildert der Lernende zunächst alle ihm bekannten und bewussten Elemente des jeweiligen Settings. Dann wird die Aufmerksamkeit der Lernenden auf bestimmte, situativ bedeutsame Elemente gerichtet, z. B. durch gezielte Fragen des Praxisbegleiters. Das in der Situation aufgetretene Problem oder Kernelement wird so eingekreist, dass es schließlich benannt und dadurch bearbeitbar wird. Wichtig ist, dass der Lernende bzw. die Gruppe keine Problemlösung durch den Lehrenden vorgegeben bekommt, sondern diese eigenständig entwickelt. Der Praxisbegleiter fungiert im Sinne einer kollegialen Beratung als Moderator, der, wenn nötig, sowohl pflegefachliches als auch methodisches Wissen ergänzt. Auf diesem Weg werden die Lernenden aufgefordert, Handlungen zu entwickeln, zu begründen und Lösungsvarianten zu bewerten. Diese stehen dann als Portfolio für zukünftige Situationen zur Verfügung. So konzentriert sich dieser Baustein der Praxisbegleitung auf die bedeutsamen Bestandteile einer Situation, deren Priorisierung und Bearbeitung. Nach Benner (1994) können Lernende in Anfängerstufen diese bedeutsamen Elemente noch nicht eigenständig erkennen. Daher bedarf dieser Prozess einer Begleitung. Inhaltlich ist für diesen Baustein jede vom Lernenden als bedeutsam erlebte Situation denkbar, die einer Klärung bedarf. So werden individuelle Erlebnisse in den Vordergrund gerückt und können auf dem Weg der Reflexion zu Erfahrungen werden und zum Abschluss gebracht werden. Dieses Vorgehen hat auch eine Bedeutung für den Abgleich von theoretisch Erlerntem und praktisch Erlebtem. So wird die Verschränkung von Theorie und Praxis und damit letztendlich auch die Vernetzung der Lernorte unterstützt. Reflexionen von Situationen sollten schon zu Beginn der Ausbildung Bestandteil der Praxisbegleitung sein und sich über den gesamten Verlauf durchziehen. Baustein III: Reflexion von erlebten Fällen Fälle sind umfassender als Situationen. Sie bilden zwar eine Situation ab, sind jedoch eher eine Abfolge von Gegebenheiten. Fälle überspannen einen längeren zeitlichen Rahmen, integrieren verschiedenste Aspekte, Rahmenbedingungen und Individuen als Akteure (Steiner, 2005 in Hundenborn, 2007, S. 36). Sie zeichnen sich durch einen höheren Grad an Komplexität aus als Situationen. Durch die Arbeit mit einem Fall wird es möglich, den Blick auf Aspekte zu legen, die anhand einer Situation kaum beurteilt werden können. Die Komplexität und Vielschichtigkeit wird in den Vordergrund gerückt, nicht die schnelle PADUA (2016), 11(1), 31–36


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Lösung eines Problems. Je nach Ausbildungs- und Wissensstand können verschiedenste Aspekte mit den Lernenden betrachtet werden. Erkenntnisse, die aus der Betrachtung der verschiedenen Gesichtspunkte gewonnen werden, können dann zusammengefügt und miteinander in Beziehung gesetzt werden, d. h. sie leiten im Idealfall zum Verstehen des Falles. Dieser Baustein verfolgt das Ziel, den Lernenden ein vertieftes Verständnis für einen selbst erlebten Fall und das eigene Handeln zu ermöglichen, weil sich dies positiv auf die Entwicklung der beruflichen Handlungskompetenz auswirkt. Für diesen Baustein wird hier eine Gruppenbegleitung vorgeschlagen. Hundenborn (2007, S. 114 f) führt aus, dass im Rahmen der Fallarbeit die Auseinandersetzung mit einem selbst erlebten Fall wichtig ist. So kommt es zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen beruflichen Praxis und deren Weiterentwicklung (Hundeborn, 2007, S. 115). Bei diesem Baustein ist es notwendig, dass sich der Lernende im Vorfeld der Praxisbegleitung gezielt vorbereitet und den zugrundeliegenden Fall schriftlich darlegt. Diese Fallschilderung sollte an einem vorgegebenen Raster zur Fallbeschreibung aufgebaut sein, damit möglichst viele Informationen einfließen und strukturelle Grundlagen geschaffen werden. Dieser Baustein der Praxisbegleitung scheint für Anfänger weniger geeignet, da die Informationsmenge und das notwendige Wissen zu einer frustrationsauslösenden Überforderung führen könnten. Erst ab einem späteren Zeitpunkt im Rahmen der Ausbildung können die Lernenden erarbeiten, wie ein realer Fall analysierbar ist, welche Konsequenzen sich daraus für die praktische Handlung ergeben und wie der Fall zu deuten ist. Nach der Fallbearbeitung folgt der Übertrag der Erkenntnisse an den Lernort Praxis, was gemeinsam mit dem Praxisanleiter stattfinden kann. Dieser ist besser mit den Gegebenheiten des Praxisortes vertraut und kann ggf. noch eine neue Perspektive einbringen. Hier stellt sich eine mögliche Schnittstelle zwischen Anleitung und Begleitung heraus.

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einzelnen Begleitungen verschiedene Schwerpunkte heraus, die mit den Lernenden und dem Lernort Praxis kommuniziert oder verhandelt werden sollten. Hier sind verschiedene Vorgehen denkbar, z. B. eine konzeptuell verankerte Systematik im Sinne der Komplexitätssteigerung oder eine situative Festlegung durch die Lernenden. Eine weitere Schwierigkeit ist die organisatorische Planung von Praxisbegleitung. Komplexes Vorgehen, wie z. B. das Vorstellen eines Falls in einer Gruppenbegleitung, erfordern Vorbereitungen der Lernenden und des Begleiters. Eine völlig freie Wahl des Themas durch die Lernenden verlangt eine hohe Flexibilität und Methodensicherheit der Lehrenden. Für eine abwechslungsreiche und zielgerichtete Reflexion von Situationen und Fällen sollte nicht auf ein Set von Leitfragen zugrückgegriffen werden. Diese werden den situativen Bedingungen häufig nicht gerecht und fordern zu einem checklistenartigen Abarbeiten auf. Vielmehr sind hier die Lehrenden mit ihrem pädagogischen Geschick gefordert, verschiedenste Methoden zur Reflexion bereitzuhalten und im Sinne einer Moderation anzubieten. Darin liegt eine große Herausforderung für die Lehrenden, was erneut den Unterschied bezüglich notwendiger Kompetenzen zwischen Anleitungen und Begleitung verdeutlicht: der Anleiter verfügt über fachliche und methodische Kompetenzen in der Pflegepraxis, der Begleiter über fachliche und methodische Kompetenzen in der Begleitung und der Gestaltung der Reflexion. Die Bearbeitung der hier vorgeschlagenen Bausteine findet nur in Ausnahmefällen unter direkter Beteiligung eines Patienten statt. Das bedeutet, dass die Erarbeitung von exemplarischen pflegerischen Situationen, wie etwa

Eine Herausforderung für alle Beteiligten stellt die Umsetzung der beschriebenen Bausteine dar. Das beginnt mit der konkreten Formulierung der Ziele, welche die Praxisbegleitung verfolgen soll. Dabei sind institutionsspezifische Eigenheiten wie Leitbilder und fachdidaktische Ausrichtungen zu beachten. Außerdem ist zu beschreiben, wie eine gelungene Kombination der Bausteine im Ausbildungsverlauf aussieht. Hier wird unter Einbeziehung der Gedanken Benners vorgeschlagen, dass die Reflexion einer Situation eher in den ersten beiden Ausbildungsjahren zu verorten ist. Die Arbeit mit Fällen bietet sich ab etwa Mitte der Ausbildungszeit an. Die Bedeutung der Reflexion der Rolle ist am Anfang der Ausbildung hoch, tritt im Verlauf der Ausbildung hinter anderen Bedarfen zurück und nimmt zum Ende, z. B. bei der konkreten Vorbereitung auf eine neue Berufsrolle wieder zu. So bilden sich in den PADUA (2016), 11(1), 31–36

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Umsetzung der Praxisbegleitung

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die Durchführung einer Mobilisation oder das Anlegen eines Verbandes, als Inhalt einer Praxisbegleitung für dieses Konzept nicht trägt. Dieses Vorgehen nutzt den durch die Berufsgesetze eröffneten Spielraum, sodass Praxisbegleitung auch an den Lernort Schule verlegt wird. Denkbar ist, wenn Lernende einen Übungsbedarf äußern, dass die Begleitung in ein Skillslab, einen klinischen oder schulischen Übungsraum verlagert wird. Dabei erlangt Praxisbegleitung keinen unterrichtlichen Charakter, sondern richtet den Fokus weiterhin klar auf praktische Erlebnisse der Lernenden. Dieses Vorgehen bietet bei Gruppenbegleitungen den Vorteil, notwendige Räume, Materialien und Medien zur Verfügung zu haben. Begleitungen am Lernort Praxis sind dann sinnvoll, wenn sie ganz oder teilweise mit Praxisanleitern gemeinsam durchgeführt werden. Dem Lernenden kann dann beispielsweise verdeutlicht werden, wo Praxis und Theorie nicht deckungsgleich sind und wie dieser Wiederspruch aufgelöst werden kann.

Fazit Mit den hier vorgeschlagenen Bausteinen wird Praxisbegleitung mit klaren Zielsetzungen, Inhalten, Sozialformen und teilweise auch Methoden versehen. Auf diesem Weg können Kompetenzen der Lernenden, sowohl in Ausbildung als auch im Studium, zielgerichtet ausgebaut werden. Wissen wird von der Theorie in die Praxis und von der Praxis zur Theorie transferiert, verschränkt und bewertet. So, aber auch durch die Präsenz von Lehrenden in der Praxis und auch von Praxisanleitern in der Schule, wird ein bedeutender Beitrag zur gelingenden Lernortkooperation geleistet. Weiterhin schafft die deutliche Trennung der Maßnahmen Praxisbegleitung und -anleitung, Sicherheit für die Lernenden und die Akteure aller Lernorte. So wird die Integration von Praxisbegleitung in ein Lernortkooperationskonzept erleichtert. Viele Fragen sind noch zu klären, z. B. zur Verteilung der Bausteine. Zu diskutieren ist weiterhin, ob Praxisbegleitung einen bewertenden Charakter haben sollte. Für die Lehrerbildung stellt sich die Aufgabe, zu erwerbende Kompetenzen der Lehrenden, z. B. in Bezug auf Beratung von Lernenden oder den Aufbau eines Methodenpools, zu beschreiben. Bei diesen und weiteren Fragen ist neben den einzelnen Bildungsstätten auch die Disziplin Pflegewissenschaft gefordert. Um Praxisbegleitung plan- und nachvollziehbar zu machen, scheint es sinnvoll, diese in einen prozesshaften Ablauf zu überführen, ähnlich eines Pflege- oder Praxisanleitungsprozesses. Dies könnte einen deutlichen Beitrag zur Qualitätsverbesserung leisten. Die hier unterbereiteten Vorschläge zum Inhalt stellen noch kein geschlossenes Konzept dar, da einige bedeutende Aspekte, wie z. B. der zeitliche Umfang oder die Beratung der Praxisanleiter, ausgeklammert sind. Im Sinne der Weiterentwicklung der Praxisbegleitung sollten die hier geschilderten Ideen in der Fachöffentlichkeit diskutiert und ggf. weiter entwickelt werden. Dazu soll dieser Artikel einen Beitrag leisten. ©2016 Hogrefe

Schwerpunkt

Literatur Arens F. (2013). Praxisbegleitung als Lehrauftrag in den Berufsfeldern Gesundheit und Pflege: Positionen, Befunde, Forschungsbedarfe. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik, 109, 1: 108 – 129. Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege (KrPflAPrV) vom 10. November 2003 (BGBl. I S. 2263), zuletzt geändert durch Artikel 15 der Verordnung vom 2. August 2013 (BGBl. I S. 3005). Benner P. (1994). Stufen zur Pflegekompetenz. From Novice to Expert. Bern: Huber. Bohrer A. (2009). Lernort Praxis – kompetent begleiten und anleiten. 2. Aufl. Brake: Prodos. Deutscher Bildungsrat für Pflegeberufe (DBR) (Hrsg.) (2004). Vernetzung von theoretischer und praktischer Ausbildung. Paderborn: Bonifatius. Erpenbeck J., v. Rosenstiel L. (2007). Einführung. In Erpenbeck J. & v. Rosenstiel L. (Hrsg.) Handbuch Kompetenzmessung. Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. 2. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. Fichtmüller F., Walter A. (2005). Stellungnahme der Sektion Bildung des DV Pflegewissenschaft zum Positionspapier des Deutschen Bildungsrates für Pflegeberufe: Vernetzung von theoretischer und praktischer Pflegeausbildung. Pflege und Gesellschaft, 10, 1: 63 – 64. Holoch E. (2002). Situiertes Lernen und Pflegekompetenz. Entwicklung, Einführung und Evaluation von Modellen Situierten Lernen in der Pflegeausbildung. Bern: Huber. Hundenborn G. (2007). Fallorientierte Didaktik in der Pflege. Grundlagen und Beispiele für Ausbildung und Prüfung. München, Jena: Elsevier, Urban & Fischer. Krankenpflegegesetz vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442), zuletzt geändert durch Artikel 5 der Verordnung vom 21. Juli 2014 (BGBl. I S. 1301). Lippmann E. D. (2013). Intervision. Kollegiales Coaching professionell gestalten. 3. Aufl. Berlin: Springer. Mayer M., Baader K., Engel S., Gindele E., Jobst R., Schirmer, U. (2011). Handbuch Praxisanleitung. Braunschweig: Westermann. Müller K., Koeppe A. (2007). Aktualisierung der Dienstleistungskompetenz in der Pflege durch Erschließung und Gestaltung neuer Praxisfelder in der Erstausbildung (Modellprojekt). Abschlussbericht. Forschungsgesellschaft für Gerontologie e. V./ Institut für Gerontologie an der Universität Dortmund, AG 6 Versorgungsforschung und Pflegewissenschaft der Fakultät für Gesundheitswissenschaften an der Universität Bielefeld: Dortmund/Bielefeld. Quernheim G. (2013). Spielend anleiten und beraten. Hilfen zur praktischen Pflegeausbildung. 4. Aufl. München: Urban & Fischer. Wahl D. (2002). Mit Training vom trägen Wissen zum kompetenten Handeln? Zeitschrift für Pädagogik, 48, 2: 227 – 241.

Stefan Wellensiek

Berufspädagoge Pflege und Gesundheit (M. A.), Dozent für Pflege- und Berufspädagogik im Studiengang Berufspädagogik im Gesundheitswesen bei Bildung & Beratung Bethel. Arbeitsschwerpunkte: Lehre im Studiengang, Beratung sowie Fort- und Weiterbildung für Lehrende im Gesundheits- und Sozialwesen. Stefan.Wellensiek@bethel.de

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Schwerpunkt

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Kollegiale Beratung in der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung Kollegiale Beratung als Form der selbstgesteuerten Lernbegleitung

Um die individuell unterschiedlich wahrgenommene Stressbelastung während der Ausbildung zu reduzieren, wurde für Schüler/innen in pflegerischen Berufen ein Anleitungsprogramm zum Erlernen von Kollegialer Beratung entwickelt. Als eine Methode des selbstgesteuerten Lernens sollen sie neben

Eine ausführliche Beschreibung des Anleitungsprograms inklusive Arbeitsmaterialen und die vollständige Untersuchung sind in der Dissertation zu finden, die unter dem Titel «Kollegiale Beratung in der Gesundheits- und Krankenpflege. Auswirkungen auf das emotionale Befinden» veröffentlicht wurde. Der Artikel beruht auf dieser Veröffentlichung.

dem fachlichen Austausch ausbildungsbegleitende Strategien entwickeln, um die Anforderungen des beruflichen Alltags besser bewältigen zu können.

Einleitung Für die Wirksamkeit und Qualität von pflegerischem Handeln zählt letztendlich die Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen (vgl. Schlee 2004, S. 12). Doch diejenigen, die jeden Tag diese «Beziehungsarbeit» leisten müssen, wissen, dass das nicht so einfach umzusetzen ist. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, oft summieren sich im pflegerischen Berufsalltag verschiedene Beeinträchtigungen. Sowohl die körperlichen als auch die psychischen Belastungen führen dazu, dass Pflegende an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stoßen und ihr Wohlbefinden stetig abnimmt. Diese Entwicklung lässt sich bereits bei Schüler/ innen in der Gesundheits- und Krankenpflege während der Ausbildung beobachten. Dem entgegenzuwirken war die Intention, die dazu geführt hat, für Schüler/innen in pflegerischen Berufen ein Anleitungsprogramm zum Erlernen von Kollegialer Beratung zu entwickeln. Begleitet wurde die Entwicklung des nachfolgend vorgestellten Anleitungsprogramms durch eine Langzeitstudie, deren Ergebnisse u. a. klären sollten, ob dieses Anleitungsprogramm dazu beitragen kann, Handlungs- und Problemlösekompetenz zu entwickeln und negative Effekte ausbildungsinduzierter Beanspruchung zu kompensieren. Diese Untersuchung wird mit ihren wichtigsten Ergebnissen im Anschluss an das Anleitungsprogramm vorgestellt. PADUA (2016), 11(1), 37–44 DOI 10.1024/1861-6186/a000291

Das Anleitungsprogramm Das Hauptziel bei der Konzeption des Anleitungsprogramms zum Erlernen von Kollegialer Beratung bestand darin, dass die Beratungskompetenzen und Methoden, die Schüler/innen für die Bewältigung von beruflichen Problemen brauchen, leicht und unkompliziert zu erlernen und anwendbar sind. In dem Anleitungsprogramm stehen die Methoden Brainstorming, Rollenspiel, Skulptur, Rollenhut-Modell und Systemstruktur-Zeichnung zur Auswahl. Die methodische Vielfalt macht es auf der einen Seite möglich, die Methode dem zu lösenden Problem oder dem Auftrag der ratsuchenden Person anzupassen. Auf der anderen Seite ist eine Mischung aus visuellen und auditiven Methoden sinnvoll, um den verschiedenen Lerntypen gerecht zu werden. Damit dieses Methodenrepertoire ausgeschöpft werden kann, sollte die Gruppe nicht weniger als fünf und nicht mehr als zehn Gruppenmitglieder haben.

Phasenverlauf der Kollegialen Beratung im Anleitungsprogramm Jede Kollegiale Beratungssitzung findet nach einem universellen Phasenverlauf statt, der für die Zielgruppe modifiziert wurde (vgl. Abb. 1). Dieser Ablauf gilt grundsätzlich für alle Beratungssitzungen, unabhängig davon, welche Beratungsmethode gewählt wird. Auf zeitliche Vorgaben der einzelnen Phasen wie z. B. bei Thiel (2000, S. 189 f) oder Rotering-Steinberg (2005, S. 12) wurde bewusst verzichtet. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass sich die unerfah©2016 Hogrefe

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von Marion Roddewig


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renen Teilnehmer/innen sehr darauf konzentrierten, die zeitlichen Vorgaben einzuhalten und so z. B. die inhaltliche Darstellung des Falles zu knapp gefasst wurde, oder nicht mehr nachgefragt wurde, weil die Zeit überschritten werden könnte. Für jede Sitzung wurde eine Zeitbegrenzung von 90 Minuten anberaumt.

7. Phase: Methodenwahl Entsprechend dem Auftrag der ratsuchenden Person entscheidet die Gruppe, welche Methode geeignet ist. Um das Methodentraining zu durchlaufen hat es sich während der Anleitungsphase bewährt, die zu erlernende Methode vorzugeben.

1. Phase: Auswahl des Moderators Falls nicht bereits am Ende der letzten Sitzung festgelegt wurde, welches Gruppenmitglied die Rolle des Moderators übernehmen wird, geschieht das zu Beginn einer Sitzung.

8. Phase: Durchführung der Beratung mittels der ausgewählten Methode.

2. Phase: Blitzlicht In dem Anfangsblitzlicht berichten alle Gruppenmitglieder über ihren aktuellen Gemütszustand und darüber, ob sie ein Anliegen haben, das in dieser Sitzung bearbeitet werden soll. Die ratsuchende Person der letzten Sitzung erzählt am Ende dieser Sequenz, welche Fortschritte sie bisher bei der Umsetzung der ausgewählten Lösung(en) gemacht hat. 3. Phase: Rollenverteilung Erst nachdem im Blitzlicht geklärt wurde, wessen Anliegen bearbeitet werden soll, erfolgt die weitere Rollenverteilung. Um den Problemlöseprozess später nicht zu unterbrechen, ist es sinnvoll, spätestens jetzt zu entscheiden, wer die Rolle des Sekretärs übernimmt (auch wenn ein Sekretär nur bei Methoden notwendig ist, bei deren Durchführung für alle Gruppenteilnehmer sichtbar Ergebnisse entwickelt und dokumentiert werden müssen). Alle anderen Gruppenmitglieder betätigten sich als Berater. 4. Phase: Fallschilderung Die ratsuchende Person erhält die Gelegenheit ihren Fall ausführlich zu schildern. Die Aufgabe der Berater besteht in dieser Phase darin verständnisvoll und aktiv zuzuhören und die Schilderung nicht zu unterbrechen. 5. Phase: Nachfragen Wenn die Fallschilderung abgeschlossen ist, erhalten die Berater die Möglichkeit nachzufragen. Bei dem Nachfragen handelt es sich in der Regel um Fragen nach Fakten, die die Situation für die Berater klären sollen oder um Fragen nach bereits versuchten Lösungen. Manchmal fällt es der ratsuchenden Person schwer, einen konkreten Auftrag an die Beratungsgruppe zu formulieren. Mittels des hilfreichen Fragens können die Denkweise und Einstellung der ratsuchenden Person zu dem Problem exploriert werden. Daraus ergibt sich für gewöhnlich eine Veränderung der Perspektive und die Fragestellung wird klarer. Sie wird dann in der anschließenden Phase 6 konkret formuliert. 6. Phase: Schlüsselfrage Die ratsuchende Person formuliert ihren Auftrag an die Beratungsgruppe. Die Aufgabe der Gruppe besteht darin, das Anliegen sorgfältig zu ergründen, so dass nicht «… Fragen beantwortet und Aufträge erfüllt werden, die gar nicht gestellt wurden.» (Herwig-Lempp 2004, S. 65) ©2016 Hogrefe

9. Phase: Entscheidung Die ratsuchende Person entscheidet sich für einen Weg. 10. Phase: Austausch In diese Phase sind Gruppenmitglieder, die bereits Ähnliches erlebt haben, aufgefordert ihre Erfahrungen zu schildern. Aus diesem Erfahrungsaustausch können noch weitere neue Ideen für die ratsuchende Person entstehen. Der Zeitpunkt für den Erfahrungsaustausch findet so spät statt, um zu vermeiden, dass sich andere Gruppenmitglieder in vorangegangenen Phasen mit ihren Erfahrungsberichten und Ratschlägen in den Vordergrund drängen oder Diskussionen darüber entstehen, welche Erklärungs- oder Lösungsstrategie die beste ist.

1

• Auswahl des Moderators •Blitzlicht

2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

• Rollenverteilung • Fallschilderung, Problembeschreibung • Nachfragen • Schlüsselfrage • Methodenwahl • Beratung • Entscheidung •Austausch • Abschlussblitzlicht

Abbildung 1. Phasenverlauf im Anleitungsprogramm

PADUA (2016), 11(1), 37–44


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Zeit

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Gruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

8.15 – 9.45

Kollegiale Beratung

Praktische Übung

Lerntagebuch

10.00 – 11.30

Lerntagebuch

Kollegiale Beratung

Praktische Übung

12.15 – 14.00

Praktische Übung

Lerntagebuch

Kollegiale Beratung

Abbildung 2. Beispiel für die Einbindung in die Stundenplanung

1. Sitzung

Vorstellung des Programms

2. Sitzung

Kennenlernen

3. und 4. Sitzung

Metakommunikation

5. Sitzung

Hilfreiche Gesprächsführung

6. Sitzung

Brainstorming

7. Sitzung

Rollenspiel

8. Sitzung

Skulptur

9. Sitzung

Rollenhut

10.Sitzung

Systemstruktur - Zeichnung

(Roddewig 2013)

11. Phase: Abschlussblitzlicht In dem Abschlussblitzlicht geht es in erster Linie um die Reflexion der Sitzung, die anhand von Fragen «Wie zufrieden bin ich mit der heutigen Beratungsarbeit?» «Wie zufrieden bin ich mit der Leistung unserer Gruppe?» «Welchen Eindruck habe ich von unserer heutigen Beratungssitzung?» gestaltet wird. Manchmal wurden der ratsuchenden Person auch Wünsche mit auf den Weg gegeben (z. B. «Ich wünsche dir viel Geduld …»). Das weicht von der Reflexionsebene ab, war den Gruppenmitgliedern aber oft ein Bedürfnis. Für die ratsuchende Person war es ein weiteres Signal der Anteilnahme und Unterstützung.

Einführung der Kollegialen Beratung in den Schulalltag In allen Modellen von Kollegialer Beratung wird betont, dass die Teilnahme auf Freiwilligkeit beruhen soll. Abhängig davon wie eine Schule die Kollegiale Beratung in die Ausbildung integriert, kann es erforderlich sein, den Grundsatz der Freiwilligkeit aufzuheben. So wird beispielsweise die Teilnahme am Anleitungsprogramm für alle Schüler/innen eines Kurses (Klasse) verpflichtend, wenn Arbeitszeit zur Verfügung gestellt wird und es keine Alternativen (z. B. in Form von AGs) für die Schüler/innen gibt, die nicht Kollegiale Beratung lernen und durchführen wollen. Das vorliegende Anleitungsprogramm wurde unter diesen Bedingungen entwickelt und getestet. In der Phase der Entwicklung und Erprobung des Anleitungsprogramms stand nur eine Person zur Verfügung, die Kollegiale Beratung anleiten konnte. Das machte es notwendig, die Klasse bei einer Klassengröße von 22 Schüler/ innen in Gruppen zu teilen. Das Programm wurde so in den Stundenplan integriert, dass jeweils eine Gruppe in Kollegialer Beratung angeleitet wurde, die anderen beiden Gruppen erhielten Unterricht zu anderen Inhalten (vgl. Abb. 2). Wenn ausreichend anleitende Personen zur Verfügung stehen, ist eine solche Aufteilung nicht nötig und alle Gruppen können parallel angeleitet werden. Das Anleitungsprogramm verteilte sich über zehn Sitzungen à 90 Minuten (vgl. Abb. 3). Die erste Sitzung sollPADUA (2016), 11(1), 37–44

Abbildung 3. Sitzungen des Anleitungsprogramms

te bereits während des Einführungsblocks stattfinden. Diese Einführungsveranstaltung hatte zwei essentielle Bestandteile: Zum einen sollten die Besonderheiten der Kollegialen Beratung anschaulich gemacht werden, zum anderen wurden die Schüler/innen über die Ziele, die Bestandteile des Programms und die Rahmenbedingungen informiert. Die zweite Sitzung stand im Zeichen des gegenseitigen Kennenlernens und Förderung der Gruppenprozesse. In einem Modell, in dem Personen um Hilfe bitten geht es darum, ein freundliches und unterstützendes Klima zu schaffen, in dem alle Emotionen, Äußerungen und Aktivitäten akzeptiert werden. Nach Rogers (2010) zählen sowohl Akzeptanz und Wertschätzung als auch Kongruenz und Empathie zu den Grundhaltungen, die sich in jedem Beratungsprozess förderlich auswirken. Für die Schüler/innen konnte das Ausfüllen dieser Grundhaltungen nicht vorausgesetzt werden und musste ebenso wie die notwendigen Kommunikationskompetenzen (vgl. Ehinger, Hennig 1997, S. 11; Tietze 2003, S. 234) in den Sitzungen drei bis fünf geübt, erlebt und reflektiert werden. (vgl. Herwig-Lempp 2004, S. 43; Ehinger, Hennig 1997, S. 11; Tietze 2003, S. 40; Mutzeck 2005, S. 142; Thiel 2000, S. 189) Erst danach wurden verschiedene Methoden der Kollegialen Beratung (Brainstorming, Rollenspiel, Skulptur, Rollenhut und System-Struktur-Zeichnung) angeleitet und geübt. Die Gruppenmitglieder wurden am Ende einer Sitzung darüber informiert, welche Methode in der nächsten Sitzung geübt werden sollte. Sie erhielten das entsprechende Manuskript zu dieser Methode verbunden mit dem Auftrag, den Text bis zur nächsten Sitzung zu lesen und zu exzerpieren. Das Anleitungsprogramm endete während des Untersuchungszeitraums mit Beginn des zweiten Ausbildungsjahres und es folgte die Phase der selbstständigen Durchführung. Auch während dieser Phase wurde die Kollegiale Beratung in der Schulzeit durchgeführt. Der Termin fand in der Regel am ersten Unterrichtstag nach einer Praxisphase statt und wurde im Stundenplan vorgegeben, so dass pro Unterrichtsblock mindestens 90 Minuten Arbeitszeit zur Verfügung gestellt wurden. ©2016 Hogrefe


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Erfahrungen mit dem Anleitungsprogramm Anleitung durch eine Lehrerin-Befürchtungen der Schüler/innen Es war für viele Schüler/innen zu Beginn der Anleitungsphase sicher nicht einfach, ein reales Problem im Beisein einer Lehrerin zu schildern. Die Bedenken einiger Schüler/ innen, dass sich die Schilderung eines Problems unvorteilhaft auf ihre berufliche Zukunft (z. B. Probezeit) auswirken könnte, wurde in der Regel durch die Akzeptanz und positive Wertschätzung aller Gruppenmitglieder – inklusive anleitender Lehrperson – untereinander beseitigt. Nach solch anfänglichen Bedenken und auch Widerständen einzelner Schüler/innen, entwickelten sich die Beratungssitzungen in jedem Block zu einer festen Größe die auch von den Schüler/innen eingefordert wurden. Kritisiert wurde von einigen Schüler/innen, dass die Terminplanung der Schule nicht flexibel genug gestaltet werden konnte, um sich dem tatsächlichen Bedarf der einzelnen Gruppen anzupassen. Außerdem sei manchmal das Intervall zwischen den Terminen zu lang gewesen. Besonders im dritten Ausbildungsjahr und vor den verschiedenen Prüfungsterminen hätten die Schüler/innen gern mehr Termine zur Verfügung gehabt. Einige Beratungsgruppen waren aus diesem Grund dazu übergegangen, auch in ihrer Freizeit Kollegiale Beratungssitzungen durchzuführen. Anleitung durch eine Lehrerin – Rollenkonflikt der Anleitenden Während der Anleitungsphase kann es für die anleitende Lehrperson zu Rollenkonflikten kommen. Um dem zu entgehen, wurde vom Kollegium der Experimentschule beschlossen, dass es eine klare Trennung zwischen Beurteilung der Schüler/innen und Anleitung der Kollegialen Beratung geben sollte. Diese Entscheidung hatte zwei Vorteile: Zum einen war für die Schüler/innen klar, dass die Lehrperson kein Urteil über sie abgeben würde, solange sie die Gruppe anleitet. Zum anderen konnte sich die anleitende Lehrerin auf die Aufgabe konzentrieren, die Schüler/innen in Kollegialer Beratung anzuleiten und für die Dauer der Anleitungsphase als Gruppenmitglied angesehen zu werden. Mit Beendigung der Anleitungsphase war diese Regelung aufgehoben. Ein solches Vorgehen ist sicher nur möglich, wenn nicht mehrere Gruppen parallel angeleitet werden. Erfahrungen mit fiktiven Fällen Eine Gruppe von Schüler/innen hatte sich entschieden, das Anleitungsprogramm nicht an realen, sondern ausschließlich an fiktiven Fällen zu absolvieren. Am Ende der Ausbildung berichteten sie, dass es ihnen später in der Phase der selbstständigen Kollegialen Beratung deutlich Schwierigkeiten bereitete, die geeignete Methodenauswahl zu treffen und diese Methode dann anzuwenden. Den Grund dafür sahen sie hauptsächlich darin, dass sie sich während der Anleitungsphase sowohl auf das Ausdenken und Weiterentwickeln eines Falles kon©2016 Hogrefe

Schwerpunkt

zentrieren mussten als auch auf die Anwendung der Methode. Zunächst seien ihnen auch Zweifel gekommen, «… ob das Ganze überhaupt was bringt …». Erst nach und nach sei es ihnen in den selbstständig durchgeführten Sitzungen gelungen, sich darauf einzulassen, von den Erfahrungen der anderen zu profitieren. (vgl. Roddewig 2013) Vorbereitung der Sitzung Es hat sich als sinnvoll herausgestellt, dass sich die Gruppenmitglieder inhaltlich auf die nächste Sitzung bzw. die nächste zu lernende Methode im Anleitungsprogramm vorbereiten. Dazu war es notwendig festzulegen, welche Methode in der nächsten Sitzung geübt werden sollte. Die Reihenfolge der zu übenden Methoden kann flexibel gehandhabt werden, nur sollten am Ende des Seminars alle Methoden angeleitet worden sein. Für die inhaltliche Vorbereitung erhielten die Gruppenmitglieder am Ende einer Anleitungssitzung das Manuskript der Methode, die in der nächsten Sitzung geübt werden sollte. Obwohl das Lesen und Exzerpieren des Textes komplett als «Hausaufgabe» erledigt werden musste, empfanden die Schüler/innen die Kombination aus inhaltlicher Vorbereitung und anschließender Anleitung als methodisch sinnvoll und gewinnbringend. So konnte auf eine theoretische Einführung der Methode zu Beginn einer Sitzung verzichtet werden und es mussten nur noch selten offene Fragen zur Methode geklärt werden. Die zeitliche Begrenzung von 90 Minuten konnte dann intensiv für die Fallbearbeitung mit der zu übenden Methode genutzt werden. Gelegentlich kam es während der Anleitungsphase vor, dass die für die Sitzung vorgesehene Methode nicht gut geeignet war, das ausgewählte reale Problem oder den ausgewählten realen Fall effektiv zu bearbeiten. Es kann lehrreich sein die «falsche» Methode dennoch auszuprobieren, denn die Gruppenmitglieder können so erleben, dass nicht jede Methode für jedes Problem sinnvoll anwendbar ist. An der Auswahl der «richtigen» Methode konnten und sollten sich die Schüler/innen dann unter Einbeziehung ihrer bisherigen Erfahrung aktiv beteiligen. Anhand einer geeigneteren Methode wurde die Beratung dann noch einmal durchgeführt. Die zu erlernende Methode wurde dann mittels eines anderen Beispiels in der nachfolgenden Sitzung geübt. Um so vorgehen zu können ist es notwendig, die Zeitplanung des gesamten Anleitungsprogramms nicht zu eng zu gestalten. Evaluation des Anleitungsprogramms Die Evaluation des Anleitungsprogramms zeigte, dass die Mehrzahl der teilnehmenden Schüler/innen das Anleitungsprogramm als einen sinnvollen Teil der Ausbildung ansah. Insbesondere schrieben sie dem Programm die Zunahme von kognitiver und sozialer Kompetenz und speziell einen Wissens- und Kompetenzzuwachs in der Gestaltung von Kommunikations- und Beratungsprozessen zu. Im Folgenden wird die Langzeituntersuchung der Befindlichkeit mit den wichtigsten Ergebnissen vorgestellt. PADUA (2016), 11(1), 37–44


Schwerpunkt

Diese Ergebnisse zeigen, dass das Anleitungsprogramm dazu beitragen kann, die Stressbelastung während der Ausbildung zu reduzieren und es den Teilnehmer/innen besser gelingt, die Anforderungen zu bewältigen.

Untersuchung der Befindlichkeit Der zentrale Gegenstand dieser Untersuchung war die psychische Gesundheit der Schüler/innen, die anhand des Konstrukts der emotionalen Befindlichkeit untersucht wurde. Unter dem Begriff Emotionale Befindlichkeit wird in Anlehnung an Krause et.al. (2004) in dieser Studie ein subjektives Erleben eines Individuums verstanden, das sich auf einem Kontinuum von Wohlbefinden und Missbefinden bewegen kann. Krankheit und Gesundheit werden als ein dynamisches Geschehen angesehen, in dem Gesundheit immer wieder aufs Neue geschaffen werden muss. Die emotionale Befindlichkeit ist abhängig davon, wie ein wahrgenommener Spannungszustand definiert wird. Entscheidend für diesen kognitiven Prozess ist das Vorhandensein von generalisierten Widerstandsressourcen. (vgl. Antonovsky 1997, S. 126 f) Diese generalisierten Widerstandsressourcen setzen sich aus einem breiten Spektrum von Variablen zusammen, die sich auf individuelle, soziale oder kulturelle Faktoren beziehen. (vgl. Bengel et al. 2001, S. 34) Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen helfen, Fragen zum Verhältnis zwischen psychischer Gesundheit und Bewältigung der Anforderungen während der Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege zu beantworten. Dabei wurde zum einen erhoben, über welche internalen und externalen Ressourcen jene Schüler/innen verfügen, denen es gelingt, sich während der Ausbildung dauerhaft wohl zu fühlen oder Wohlbefinden zu konstituieren. Zum anderen wurde untersucht, ob das für diese Zielgruppe entwickelte Anleitungsprogramm zum Erlernen von Kollegialer Beratung dazu beitragen kann, die Stressbelastung während der Ausbildung zu reduzieren und die Anforderungen besser zu bewältigen. Mittels eines Satzergänzungstests und des Fragebogens «Fragebogen zur emotionalen Befindlichkeit während der Krankenpflegeausbildung» wurden die vier Variablen Befinden, Selbstbild, Coping und Soziale Unterstützung untersucht. Die Datenerhebung erfolgte im Fragebogenteil per Selbstauskunft, im Satzergänzungstest vervollständigten spontane Assoziationen die Satzanfänge. Beide Instrumente basieren auf dem «Befindlichkeitsprofil für das Grundschulalter» (Krause 1998; Krause et al., 2004) und wurden für Schüler/innen in der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung adaptiert (vgl. dazu Roddewig 2013, S. 223 ff). Im Rahmen einer Voruntersuchung wurde das modifizierte Erhebungsinstrument auf seine Tauglichkeit, Verständlichkeit und Akzeptanz überprüft. Die Kombination beider Untersuchungsmethoden hat sich als geeignet erwiesen, Aussagen über die emotionale Befindlichkeit zu erhalten und Ressourcen und Copingstrategien, die dem Erreichen von Wohlbefinden dienen, zu erfassen. PADUA (2016), 11(1), 37–44

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Die Untersuchung der Befindlichkeit wurde als TrendLängsschnittuntersuchung im quasi-experimentellen Design konzipiert. Um untersuchen zu können, wie sich die subjektive Einschätzung hinsichtlich der zu untersuchenden Variablen verändert war es erforderlich, die an der Untersuchung teilnehmenden Schüler/innen in der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung über den Zeitraum der gesamten Ausbildung verteilt auf vier Datenerhebungstermine – zu Beginn der Ausbildung (t1), zu Beginn des zweiten Ausbildungsjahres (t2), zu Beginn des dritten Ausbildungsjahres (t3) und kurz vor dem Examen (t4) – zu befragen. Durch den Vergleich dieser Messungen war es möglich, tendenzielle Aussagen über die allgemeine emotionale Situation der Schüler/innen zu machen und intraindividuelle und interindividuelle Veränderungen aufzuzeigen. An der Untersuchung nahmen die Schüler/innen von drei Krankenpflegeschulen teil. Auf eine Randomisierung wurde aus organisatorischen Gründen verzichtet: Die Interventionsmaßnahme konnte nur an einer Krankenpflegeschule durchgeführt werden (Experimentschule), in den beiden anderen Schulen (Kontrollschulen) bestand nicht die Möglichkeit, die Interventionsmaßnahme im Rahmen der Arbeitszeit stattfinden zu lassen. Bei den Experimental- und Kontrollgruppen handelt es sich demzufolge um natürlich gewachsene Gruppen. Von 2004 bis 2008 durchliefen an der Experimentschule drei Ausbildungsjahrgänge das Anleitungsprogramm im ersten Ausbildungsjahr und führten ab dem zweiten Ausbildungsjahr die Kollegiale Beratung selbstständig durch. In den Kontrollschulen absolvierten die Ausbildungsjahrgänge ab 2004 ihre Ausbildung ohne Interventionsmaßnahme. Insgesamt nahmen 113 Schülerinnen und Schüler an der Untersuchung teil. Davon gehörten 64 Schüler/innen der Experimentalgruppe und 49 Schüler/innen der Kontrollgruppe an.

Datenauswertung Bei der quantitativen Auswertung der Daten wurden u. a. zur Überprüfung der Verteilung der intervallskalierten Kontrollvariablen t-Tests für unabhängige Stichproben gerechnet. Das Signifikanzniveau wurde auf p ≤ 0,05 festgelegt. Die t-Tests wurden jeweils für t1, t2, t3 und t4 gerechnet. Die statistische Berechnung erfolgte mittels SPSS Version 18.0. Die qualitative Datenauswertung der Satzergänzungstests erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring (1997). Dabei wurde die Variante Strukturierung angewendet.

Ergebnisse Da in dieser Untersuchung erforscht wurde, ob sich das Befinden der Schüler/innen im Verlauf der Ausbildung verändert, ist eine Differenzierung der Experimental- und ©2016 Hogrefe


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Kontrollgruppe hinsichtlich des Befindens erforderlich. Zu Gunsten der Übersichtlichkeit wird in der Ergebnisdarstellung auf die separate Darstellung der einzelnen Experimental- und Kontrollgruppen verzichtet. Zu Beginn der Ausbildung (t1) war die Mehrzahl der Schüler/innen erwartungsvoll und zuversichtlich, es gab keine (signifikanten) Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Diese Selbsteinschätzung veränderte sich im Verlauf der dreijährigen Ausbildung. Habituelles Befinden Im Hinblick auf das habituelle Befinden zeigte sich im Gruppenvergleich, dass der Abstand zwischen den beiden Gruppen im Verlauf der Ausbildung immer größer wurde. Am Ende der Ausbildung beschrieben in der Experimentalgruppe hoch signifikant mehr Schüler/innen habituelles Wohlbefinden als Schüler/innen der Kontrollgruppe. Die Anzahl der Schüler/innen, die zu Beginn der Ausbildung habituelles Missbefinden beschrieben haben, hatte sich in der Experimentalgruppe um mehr als 60 Prozent reduziert, in der Kontrollgruppe nur um 30 Prozent. Selbstbild Das Selbstbild wird in der späten Adoleszenz und frühem Erwachsenenalter stark durch Schule, Ausbildung und Beruf beeinflusst. (vgl. Mummendey 2006, S. 101) Der Vergleich zwischen Experimental- und Kontrollgruppe zeigte, dass das Anleitungsprogramm dazu geeignet ist, das Selbstbild positiv zu verstärken. Am Ende der Ausbildung charakterisierten signifikant mehr Schüler/innen der Experimentalgruppe ihr Selbstbild positiv als in der Kontrollgruppe (positives Selbstbild p = 0,006). Ausgehend von der Annahme, dass sich die meisten Schüler/innen während der Ausbildung noch in der Phase der Selbstbildkonsolidierung (vgl. Pinquart, Silbereisen 2000, S. 75) befinden, kann das Anleitungsprogramm dazu beitragen, die Entwicklung eines positiven Selbstbildes zu unterstützen. Der Haupteffekt wird dabei auf das Ausmaß an gegenseitiger Akzeptanz und Anerkennung der Gruppenmitglieder untereinander zurückzuführen sein. (vgl. Mummendey 2006, S. 146 f; Pinquart, Silbereisen 2000, S. 85)

Experimentalgruppe n = 18

Kontrollgruppe n = 28

schriftlich

2,00

2,69

praktisch

2,11

2,78

mündlich

1,77

2,74

gesamt

1,96

2,74

Abbildung 4. Notendurchschnitt

©2016 Hogrefe

Coping Die Effektivität der Teilnahme am Anleitungsprogramm zeigte sich im Hinblick auf Coping hauptsächlich darin, dass die Schüler/innen der Experimentalgruppe bei t4 signifikant mehr Zunahme an Sicherheit bei der Einschätzung von stresshaften Situationen (p = 0,007) und Zuwachs an Problemlösekompetenz (p = 0,034) beschrieben (vgl. Weinert 2001, S. 27 f) als die Schüler/innen der Kontrollgruppe (vgl. Tietze 2010, Rotering-Steinberg 1983). Bereits nach Beendigung der Anleitungsphase t2 konnten die Schüler/innen der Experimentalgruppe auf ein signifikant größeres Repertoire an problemlösenden Strategien zurückgreifen. Soziale Unterstützung In einer Berufsgruppe, in der soziale Kompetenz Grundvoraussetzung für die Ausübung des Berufes ist (vgl. ICN Code of Ethics for Nurses 2006), sollte es zwischen Experimental- und Kontrollgruppe keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf das Freundschaftsnetzwerk und die daraus zu erwartende soziale Unterstützung geben. Erwartungsgemäß waren alle Schüler/innen während der gesamten Ausbildungszeit in ein intaktes Netzwerk an freundschaftlichen Beziehungen integriert. Das Anleitungsprogramm zur Kollegialen Beratung hatte dennoch partielle Effekte im Hinblick auf die Ressource soziale Unterstützung gezeigt: Die Schüler/innen der Experimentalgruppe assoziierten am Ende der Ausbildung signifikant häufiger Sympathie mit anderen Schüler/innen im Satzergänzungstest als die Schüler/ innen der Kontrollgruppe. Dieses Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass das Anleitungsprogramm positive Effekte auf das Klassenklima hatte. Schulische Leistung Ob sich die Kollegiale Beratung auf schulische Leistungen auswirken kann, zeigte ein direkter Vergleich zwischen den Prüfungsergebnissen von Experimental- und Kontrollgruppen. Das bessere Abschneiden der Experimentalgruppe in allen drei Prüfungsbereichen deutet darauf hin, dass sich die Kollegiale Beratung auch auf Leistungen (z. B. Examensnoten) positiv auswirkt (vgl. Abb. 4). Ein Vergleich des Notendurchschnitts der Experimental- und Kontrollgruppe z. B. bei den Examensnoten war nur zu einem Messzeitpunkt sinnvoll, an dem die Schüler/ innen der teilnehmenden Schulen die schriftliche Prüfung anhand derselben Prüfungsklausur absolvierten. Zu allen anderen Messzeitpunkten waren die Prüfungsklausuren nicht identisch, was einen weiteren Vergleich zwischen den Experimental- und Kontrollgruppen aussichtslos erscheinen ließ. Fazit Als eine Methode des selbstgesteuerten Lernens trägt das für diese Zielgruppe entwickelte Anleitungsprogramm dazu bei, Handlungs- und Problemlösekompetenz zu entwickeln und negative Effekte ausbildungsinduzierter Beanspruchung zu kompensieren. Diese positiven Effekte auf das (Wohl-) Befinden der TeilnehPADUA (2016), 11(1), 37–44


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mer/innen werden durch die Langzeituntersuchung bestätigt.

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wäre es aufschlussreich zu erforschen, wie sich das Erlernen von Kollegialer Beratung später im Berufsleben auswirkt und ob die ehemaligen Schüler/innen weiterhin Kollegiale Beratung durchführen.

Diskussion Ein zentrales Problem dieser Trenduntersuchung im quasi-experimentellen Design ist die mangelnde Kontrolle der Störvariablen, die einerseits personengebunden, andererseits untersuchungsbedingt sein können. (vgl. Bortz, Döring 2002, S. 530) So können beispielsweise Veränderungen im Verhalten bei den relativ langen Zeitabständen zwischen den Messungen durch Entwicklungs- und Reifungsprozesse bedingt sein. Entwicklungs- und Reifungsprozesse werden sich aber sowohl in der Kontrollgruppe als auch in der Experimentalgruppe auf die abhängige Variable auswirken. (vgl. Schnell et al. 2008, S. 225) Die Verhaltensänderungen, die darüber hinaus durch das Erlernen und Durchführen von Kollegialer Beratung gezielt provoziert wurden, traten daher nur in der Experimentalgruppe auf. Auch Reaktive Effekte des Messens können nicht ausgeschlossen werden. Besonders der Umstand, dass die Untersuchungsteilnehmer/innen nach der ersten Messung Kenntnis über den Schwerpunkt der Untersuchung haben, kann zu einer Sensibilisierung der Wahrnehmung und Beschreibung ihrer Befindlichkeit führen. Durch das wiederholte Einsetzen desselben Fragebogens ist es möglich, dass sich die Untersuchungsteilnehmer/innen an die Befragungssituation gewöhnt und daraus resultierend nicht mehr naiv geantwortet haben. (vgl. Bortz, Döring 2002, S. 450) Hinsichtlich des Antwortverhaltens ist als grundsätzlich kritisch anzusehen, dass alle Schüler/innen eines ausgewählten Ausbildungsjahrgangs verpflichtet waren, sowohl das Anleitungsprogramm zur Kollegialen Beratung zu absolvieren, als auch später an den selbstständig durchgeführten Kollegialen Beratungen teilzunehmen. Das Antwortverhalten von Schüler/innen, die «nicht freiwillig» an der Kollegialen Beratung teilgenommen haben, kann Ausdruck ihrer Kritik oder ihres Protestes sein (Negationsneigung oder Tendenz zu extremen Antwortkategorien). (vgl. Jäger 1988, S. 309 ff) In der Literatur werden weitere unerwünschte Antworttendenzen beschrieben, die auch für diese Untersuchung nicht ausgeschlossen werden können.

Weiterführende Fragen Die Differenz der Durchschnittsnoten bei den Prüfungsergebnissen wirft die Frage auf, inwieweit sich die Kollegiale Beratung auf schulische Leistungen (z. B. Examensnoten) auswirkt. Ein intrapersonaler Abgleich würde voraussetzen, dass die Befragung zur Befindlichkeit nicht mehr anonym durchgeführt würde. Auf eine Befragung nach dem Examen (z. B. im jährlichen Abstand) wurde verzichtet, weil Anonymität in diesem Fall nicht mehr gewährleistet sein kann. Dennoch PADUA (2016), 11(1), 37–44

Ausblick In der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung kann auf die strukturellen (Arbeits-) Bedingungen auf den Stationen kaum Einfluss genommen werden. Ebenso sind die Stressoren, die sich durch die theoretische Ausbildung ergeben, nur schwer zu beeinflussen. Aber die Schüler/innen sollten so früh wie möglich in die Lage versetzt werden, mit dem Stress angemessen umzugehen und ihre psychische Gesundheit zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Im Rahmen des Unterrichts, der im Themenbereich 10 (KrPflAPrV 2003) – «Berufliches Selbstverständnis entwickeln und lernen, berufliche Anforderungen zu bewältigen» -angeboten wird, kann das Anleitungsprogramm zur Kollegialen Beratung einen sinnvollen Beitrag leisten.

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Mummendey H.-D. (2006). Psychologie der Selbst Theorien, Methoden und Ergebnisse der Selbstkonzeptforschung. Göttingen: Hogrefe. Perrar K. M. (1995). Zum Verhältnis von Burnout und psychischem Streß in der Krankenpflege. Dissertation. Aachen: Medizinische Fakultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule. Pinquart M., Silbereisen R. K. (2000). Das Selbst im Jugendalter. In Grefe W. (Hrsg.) (2000) Psychologie des Selbst (S. 75 – 95) Weinheim: Psychologie-Verlags-Union. Roddewig M. (2013). Kollegiale Beratung in der Gesundheits- und Krankenpflege. Auswirkungen auf das emotionale Befinden. Frankfurt am Main: Mabuse. Rogers C. (2010). Therapeut und Klient: Grundlagen der Gesprächspsychotherapie. Frankfurt: Fischer. Rotering-Steinberg S. (1983). Anleitung zum Selbstgruppentraining für Lehrergruppen. Weinheim und Basel: Beltz. Rotering-Steinberg S. (2005). Anleitungen zur Kollegialen Supervision und Qualitätszirkelarbeit sowie Kollegialen Coaching. Tübingen: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie. Schlee J. (2004). Kollegiale Beratung und Supervision für pädagogische Berufe. Stuttgart: Kohlhammer. Schmidbauer W. (2002). Helfersyndrom und Burnout-Gefahr. München: Urban & Fischer. Schnell R., Hill P., Esser E. (2008). Methoden der empirischen Sozialforschung. München, Wien: Oldenburg. Thiel H.-U. (2000). Zur Verknüpfung von kollegialer und professioneller Supervision. In: Pühl. H. (Hrsg.) (2000) Handbuch der Supervision 2 (S. 184 – 200). Berlin: Ed. Marhold. Tietze K.-O. (2003). Kollegiale Beratung. Problemlösungen gemeinsam entwickeln. Reinbek: rororo.

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Schwerpunkt

Tietze K.-O. (2010). Wirkprozesse und personenbezogene Wirkungen von Kollegialer Beratung. Theoretische Entwürfe und empirische Forschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Weinert F. E. (2001). Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine Umstrittene Selbstverständlichkeit. In Weinert F. E. (Hrsg.) (2001): Leistungsbemessung in Schulen (S. 17 – 322.) Weinheim, Basel: Beltz.

Dr. Marion Roddewig

Gesundheits- und Krankenpflegerin, Pflegedienstleitung und Lehrerin für Pflegeberufe; freiberufliche Dozentin und Schulberaterin mit den Arbeitsschwerpunkten sozialpsychologische Beratung und Kollegiale Beratung. marion.roddewig@gmx.de

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Die Gesundheit beider Geschlechter

Petra Kolip / Klaus Hurrelmann (Hrsg.)

Handbuch Geschlecht und Gesundheit Männer und Frauen im Vergleich 2., vollst. überarb. und erw. Aufl. 2015. 448 S., 47 Abb., 30 Tab., Gb € 79.95 / CHF 99.00 ISBN 978-3-456-85466-3 AUCH ALS E-BOOK

In der bisherigen wissenschaftlichen Diskussion laufen die theoretischen und methodischen Forschungen zur Frauengesundheit und Männergesundheit noch weitgehend nebeneinander her. In diesem Handbuch, das hier in völlig überarbeiteter und erweiterter zweiter Auflage vorliegt, werden sie aufeinander bezogen und in eine vergleichende Darstellung eingebracht. Die über 30 Beiträge nehmen eine systematisch vergleichende Perspektive in der geschlechterbezogenen Gesundheitsforschung ein und führen damit die Frauengesundheitsforschung und die Männergesundheitsforschung zusammen, ohne die Besonderheiten der beiden Gebiete zu vernachlässigen.

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Im ersten Teil des Buches werden Theorien und Methoden der geschlechtervergleichenden Forschung vorgestellt, gefolgt von einer Erörterung sozialer und umweltbedingter Einflussfaktoren. Der dritte Teil liefert eine ausführliche Darstellung der Geschlechterunterschiede bei Entstehung und Verbreitung von unterschiedlichen Krankheitsbildern und gesundheitlichen Problemlagen. Im vierten Teil stehen Beiträge zu Geschlechteraspekten des Versorgungssystems im Zentrum. Im abschließenden Teil werden Bevölkerungsgruppen mit besonderem Bedarf ins Zentrum gerückt.


Essentials für die Praxis Horst Dilling / Werner Mombour / Martin H. Schmidt / WHO (Hrsg.)

Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 Kapitel V (F) – Klinisch-diagnostische Leitlinien (10., überarb. Aufl. 2016. 456 S., Kt € 36.95 / CHF 45.90 ISBN 978-3-456-85560-8

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Horst Dilling / Harald J. Freyberger / WHO (Hrsg.)

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Lehren und Lernen

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Bildungsübergänge durch Tutorien erfolgreich gestalten Den Aufbau von Handlungskompetenz prinzipienorientiert und durch Reflexion in Peergruppen begleiten

Lernformen bestehende Lernangebote ergänzen können. Der Beitrag nimmt Bezug auf ergänzende Lernangebote, die im Rahmen des BMBF-Projekts FUgE entwickelt wurden, um Lernende im Übergang zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung zu begleiten, ihre Bedürfnisse zu erkennen und den Erfolg des Übergangs zu befördern. Insbesondere der Austausch von Anwendungserfahrung und der Rückbezug zur Lehrveranstaltung sind dabei zentrale Themen.

Übergänge als biografische Zäsuren Übergänge können als ein Schlüsselbegriff der Bildung betrachtet werden: Nicht nur Wissen soll den Transfer in die Praxis schaffen, auch der Prozess des Lernens selbst kann als Übergang zu einer neuen Stufe betrachtet werden. Auf formaler Ebene setzen sich Übergänge im Bildungssystem nach einem Schulabschluss in der beruflichen und hochschulischen Bildung fort. Diese Übergänge sind Tillmann (2013) zufolge keine kontinuierlich-sukzessiven Wechsel, sondern verursachen eine deutliche biografische Zäsur. Lernende müssen sich in neuen sozialen Systemen orientieren und integrieren (Nauerth, Struckmann, 2012) und Übergänge als biografische Herausforderungen bewältigen. Art und Weise der Bewältigung sind entscheidend für den Studienerfolg, für die Bildungsbiografie sowie für den Berufseinstieg und -verbleib. Übergänge bergen Risiken, gleichzeitig aber auch Chancen. Um Chancen bestmöglich nutzbar zu machen, ist es erforderlich, Bildungsübergänge zu begleiten und zu gestalten. Für Bildungseinrichtungen stellt sich die Frage, welche Formen der Unterstützung, über die bereits bestehenden Bildungsangebote hinausgehend, für Lernende sinnvoll sind. Entsprechend kann es notwendig sein, neue Lernkonzepte zu generieren (Riedel et al., 2015). PADUA (2016), 11(1), 45–51 DOI 10.1024/1861-6186/a000292

Dieser Artikel stellt ein in der hochschulischen Bildung praxiserprobtes Bildungsangebot vor, welches im Rahmen des BMBF-Projekts «FUgE» (Förderung der Übergänge und des Erfolgs im Studium von pflegeberuflich Qualifizierten) verwirklicht wurde. Das kombinierte Bildungsangebot setzt sich aus Lehrveranstaltung, Übungen und Tutorium zusammen. Die synergetischen Effekte dieses «Dreiklangs» werden am Beispiel des wissenschaftlichen Arbeitens vorgestellt. Abbildung 1 zeigt, wie Lehrveranstaltung, Übungen und Tutorium gemeinsam über die Vermittlung von Werten und Prinzipien des wissenschaftlichen Arbeitens dazu beitragen, die Anforderungen des Studiums und letztlich die beruflichen Anforderungen besser zu bewältigen. Indem sich die Lehrveranstaltung, die Übungen und das Tutorium immer wieder auf dieselben Werte und Prinzipien rückbeziehen, verinnerlichen die Studierenden zugrundeliegende Maßstäbe des Handelns. Ziel der Ausführungen ist es, die Potenzia-

© Eigene Darstellung, 2014

Der Beitrag legt exemplarisch dar, wie tutoriale

Abbildung 1. Ergänzung der Lehrveranstaltung durch Übungen und Tutorium

©2016 Hogrefe

Lehren und Lernen

von Josef M. Huber, Claudia Eckstein, Annette Riedel, Birte Kimmerle, Eva Ruhland und Mathias Bonse-Rohmann


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le tutorialer Lernformen theoretisch begründet und exemplarisch ausgeführt darzustellen sowie die in der praktischen Umsetzung gewonnen Erfahrungen zu erläutern.

Lehren und Lernen

2. Hinzufügen neuer kognitiver Elemente: Verständnislücken werden durch Erklärungsansätze gefüllt. 3. Herabsetzen der Bedeutung der dissonanten Elemente: Eine Überbewertung wird korrigiert oder das Thema wird beiseitegelegt.

Förderung von Übergängen Das BMBF-Projekt FUgE (2011 – 2014) widmete sich u. a. der pädagogischen Ausgestaltung von Bildungsübergängen. Über die Anrechnung und Anerkennung beruflicher Kompetenzen auf ein Pflegestudium (Kimmerle et al., 2013) hinausgehend, entwickelten die Mitarbeitenden des Projekts Maßnahmen, die einen gelingenden Übergang aus dem Pflegeberuf an die Hochschule unterstützen. Eine dieser Maßnahmen ist im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens wirksam und ergänzt die im Studium verankerte Lehrveranstaltung mit dem freiwilligen Bildungsangebot von Übungen und Tutorium. Diese Massnahme entstand als Reaktion auf unmittelbare Bildungsbedarfe und -bedürfnisse der Studierenden, welche im Vorfeld mittels quantitativer und qualitativer Forschungsmethoden erhoben wurden (Kimmerle et al., 2015).

Lernprozesse in Übergängen

Ergänzung der Lehrveranstaltung durch Übungen Die Lehrveranstaltung führt im ersten Semester in das wissenschaftliche Arbeiten ein. Im Rahmen der Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung des Übergangs durch das FUgE-Projekt wurden Übungen entwickelt und konzeptualisiert, die Schritt für Schritt Elemente der Lehrveranstaltungen in der praktischen Anwendung vertiefen. Im Gegensatz zu dem im Folgenden beschriebenen Tutorium, das durch Herausforderungen der Praxis strukturiert ist, folgen die Übungen einer didaktisch aufbereiteten Struktur. Abbildung 2 zeigt den Übergang von der didaktisch aufbereiteten Struktur der Lehrveranstaltung hin zur

© Eigene Darstellung, 2014

Bildungsübergänge sind nicht nur mit kognitiven, sondern häufig mit emotionalen Herausforderungen verbunden. Treten Lernende mit Neuem in Kontakt, erfolgt automatisch eine kognitive und emotionale Bewertung des neu zu Erlernenden. Damit können Lernende eine irrelevante, konsonante oder dissonanten Haltung zu Neuem entwickeln (Festinger, 2012). Letztere kann zwar innere Konflikte auslösen und Druck erzeugen, befördert aber den Kompetenzaufbau entscheidend. Deshalb gehört zu einer gelingenden Übergangsgestaltung diese Dissonanzen bei den Lernenden wahrzunehmen, zuzulassen und zu reduzieren. Die Reduktion einer dissonanten Haltung gegenüber neu zu Erlernendem erreichen Lernende auf drei Wegen: 1. Änderungen der dissonanten Elemente: Die eigene Auffassung wird geändert oder die kontrastierende Meinung neu interpretiert.

Dissonanzen können auch als didaktisches Moment bewusst und achtsam eingesetzt werden, wie im Sokratischen Dialog («maieutike techne»). Dieser zielt durch seine markanten Fragestellungen darauf ab, zuerst Dissonanzen auszulösen und im Anschluss, durch korrektive Aktionen wieder aufzulösen (Senge, 2011). Zwischen der Entstehung und Auflösung kann es zu zeitlichen Verzögerungen im Lernprozess kommen, die zu verringern sind (Festinger, 2012, Senge, 2011). Die «Dreiklangkomposition» aus Lehrveranstaltung, Übungen und Tutorium reduziert diese Verzögerungen im Lernprozess, indem die Dissonanzen gegenüber dem neu zu Erlernenden in den Übungen und im Tutorium aufgegriffen, bearbeitet und damit abgebaut werden. Die Synchronisation aller drei Instrumente kann durch zusätzliche Erfahrungen ein frühzeitiges (selbst-)korrektives wie nachhaltiges Lernen fördern. Redundanzen von Lehrveranstaltung, Tutorium und Übungen sind im Sinne dieser Synchronisation ausdrücklich erwünscht, falls sie Konsolidierungs- und Transferprozesse (der dissonanten Elemente) fördern und damit den Lernprozess beschleunigen.

Abbildung 2. Handlungskompetenz durch Orientierung an Prinzipien und Werten

©2016 Hogrefe

PADUA (2016), 11(1), 45–51


Lehren und Lernen

Übernahme von Strukturverantwortung durch Studierende im Tutorium auf dem Pfad leitender Prinzipien.

Die tutoriale Lernform Die Bezeichnung «Tutorium» wird im hochschulischen Kontext häufig synonym mit den Begriffen «Brückenkurs» oder «Propädeutikum» verwendet (Nauerth/Struckmann, 2012). Webler zufolge werden in Tutorien Lerngruppen von Studierenden höheren Semesters angeleitet (Webler, 2011). Auch Graduierte oder Dozentinnen und Dozenten führen Tutorien durch und übernehmen die Funktion als Tutorin oder Tutor. Diese konzentriert sich vornehmlich auf die soziale Funktion, die beratend und helfend ausgeführt wird (Knauf, 2013). Basierend auf einer Literaturrecherche lässt sich der Begriff des Tutoriums zwar nicht umfassend definieren, gleichwohl wird er im Kern als Ergänzungsprogramm zur Lehrveranstaltung betrachtet. Das FUgE-Projekt folgt der Definition von Schaub und Zenke (2008). Demzufolge stellt das Tutorium eine regelmäßig stattfindende Veranstaltung an Hochschulen dar, welche zur Vertiefung von Kenntnissen dient.

Funktionen von Tutorien Ursprünglich wurden Tutorien zur Unterstützung der Hochschullehre aufgrund eines starken Anstiegs der Studierendenzahl eingerichtet (Blumschein et al., 2000). Deren aktueller und kontinuierlicher Ausbau ist u. a. auf die zunehmende Heterogenität von Studierenden durch den Bologna-Prozess (1999) zurückzuführen. Ursprünglich wurden Tutorien im hochschulischen Bereich überwiegend als Kriseninterventionen ergänzend zu Lehrveranstaltungen, obligatorisch oder fakultativ, angeboten (Blumschein et al., 2000). In der Zwischenzeit haben sich Tutorien im hochschulischen Kontext als feste Größe etabliert.

Tutorien im Kontext pflegeberuflicher Bildung Tutorien werden auch im Bereich der Pflegeausbildung eingesetzt, wie im Rahmen des selbstgesteuerten Lernens. Bei der Methodik des problemorientierten Lernens (POL), werden einzelne Lernprozesse von Tutorinnen und Tutoren unterstützt und begleitet (Moust et al., 1999 in Reich, 2003). Auch in der Pflegepraxis ist das tutoriale Lernen spätestens mit der Verbreitung des Kinaesthetics-Konzepts und der Etablierung von Peer-Tutorinnen und PeerTutoren, fest etabliert. Tutoriale Lernformen werden außerdem in internen Fort- und Weiterbildungen auf Pflegeeinheiten genutzt. Darüber hinaus organisieren sich Studierende und Auszubildende der pflegeberuflichen Bil1

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dung nicht-formal in Lerngruppen, die Eigenschaften von Tutorien aufgreifen: Erfahrenere Peers erklären und üben Inhalte aus Lehrveranstaltungen oder Unterrichten, um die Lernenden auf pflegeberufliche Anforderungen vorzubereiten. Dies wirft die Frage auf, in welchen weiteren Bereichen das Potenzial der nicht-formalen Bildung genutzt werden kann, um es als formales Bildungsangebot an Hochschulen oder Schulen des Gesundheitswesens einzusetzen.

Das FUgE-Tutorium als Instrument der Übergangsgestaltung Zielsetzung und Adressaten des Tutoriums Die übergeordnete Zielsetzung des Tutoriums im Projekt FUgE ist die Förderung gelingender Übergänge sowie die Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten und kritischen Denken. Das umfasst grundsätzlich alle Studierenden mit unterschiedlichsten berufsbiografischen Voraussetzungen. Dies schließt auch die Gruppe der nicht traditionell Studierenden ein, d. h. solche Studierenden, welche die Hochschulzulassung durch ein Eignungsprüfungsverfahren oder eine landesrechtlich geregelte Aufstiegsfortbildung nach § 58, Abs. 2 LHG1 erworben haben. Pädagogischer Begründungsrahmen und Rollenverständnis Die Konzeption eines Bildungsangebots erfordert die Einbettung in einen pädagogischen Begründungsrahmen. Dazu ist es notwendig, sich mit dem leitenden Bildungsanspruch auseinanderzusetzen, der für das Angebot maßgeblich ist (Evers, 2012). Es setzt eine Auseinandersetzung mit dem Rollenverständnis der Lernenden und der Tutorin bzw. des Tutors voraus. Im Tutorium nehmen die Tutorin und der Tutor, im Unterschied zum konventionellen Lehr-Lern-Verständnis, die Rolle der Lernbegleitung ein. Die Intensität der Lernbegleitung, respektive das Verhältnis von Fremd- und Selbststeuerung der Lernenden, hängt davon ab, inwieweit die Studierenden bereits gelernt haben, Bildungsprozesse selbst zu steuern. In Anlehnung an Barrows et al. (1969 in Reich 2003) wird im Tutorium das Konzept des Nicht-Experten als Lernbegleiter («nonexpert», «tutor») favorisiert. Die didaktische Gestaltung des Tutoriums schließt deshalb in Anlehnung an Benner (2012) «(…) die Kompetenz eines nicht primär und nicht ausschließlich professionell verstandenen Lehren-Könnens» ein. Die Elemente des pädagogischen Begründungsrahmens wurden aus zwei didaktischen Verständnissen heraus generiert: 1. Das bildungstheoretische Element, welches die berufliche Qualifizierung und die Persönlichkeitsentwicklung gleichermaßen forciert und die Selbst- und Mitbestimmung sowie die Solidarität der Lernenden fördert (Klafki, 2007).

Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg (LHG) in der Fassung vom 1.4.2014

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2. Der gemäßigte Konstruktivismus, in dem Lernen nicht «machbar» ist (Arnold, 1999) sondern als eigenständige Konstruktionsleistung der Lernenden verstanden wird (Jank/Meyer, 2014).

Die Prinzipien Ausgangspunkt des Tutoriums an der Hochschule Esslingen, welches für Studierende in den Bachelor-Studiengängen Pflege, Pflegemanagement und Pflegepädagogik angeboten wurde, waren Befragungsergebnisse (Kimmerle et al., 2015). Diese zeigten einen Unterstützungsbedarf bei der Ausbildung von Grundkompetenzen zum wissenschaftlichen Arbeiten und im Bereich der Medienkompetenz (Bertsch et al., 2013). Das Tutorium nimmt Bezug auf die Inhalte der Lehrveranstaltung und wird im Rahmen eines Fachtutoriums angeboten. Es ist keine reine Ergänzung zur Lehrveranstaltung und zu den Übungen, vielmehr wird es für Studierende zur Bewältigung von situationsspezifischen Anforderungen angeboten sowie begleitend zum Erstellen der ersten Hausarbeit. Bei der Konzeption wurden sowohl sachliche wie personale Aspekte gleichermaßen berücksichtigt (Eckert, 2013). Neben dem Persönlichkeits-, Wissenschafts- und Situationsprinzip (Reetz, Seyd, 2006) orientiert sich das Tutorium an zur Verfügung stehenden Ressourcen und an den Prinzipien der vollständigen Handlung. Die dem Tutorium zugrunde liegenden Prinzipien werden im Folgenden erläutert. Prinzip der Ressourcenorientierung Anstelle einer rein defizitorientierten Ausrichtung erfolgt eine ressourcenorientierte pädagogische Ausgestaltung des Tutoriums. Hierbei geht es sowohl um soziale Ressourcen wie auch um strukturelle Ressourcen. Deshalb stehen auch Klotz (2014) zufolge Motivation, Haltung und nicht zuletzt die pflegeberufliche Erfahrung im Mittelpunkt pädagogischer Konzeptionen. Ein gesicherter Zugang und die Verfügbarkeit von zusätzlichen Bildungsangeboten zur Lehrveranstaltung, wie Übungen und Tutorium, erhöhen die Chance eines gelingenden Übergangs. Dabei ist es wichtig, alle drei Bildungsangebote zeitlich, inhaltlich und entwicklungslogisch aufeinander abzustimmen. Prinzip der Persönlichkeitsförderung Die Gestaltung von Übergängen darf sich nicht darauf beschränken, dass formale berufliche Qualifikationen erreicht werden. Ein gelingender Übergang richtet sich auch auf die Persönlichkeitsentwicklung von Lernenden. Diese Grundposition ganzheitlicher Bildung, welche die berufliche Qualifizierung und die Persönlichkeitsentwicklung gleichermaßen umfasst, ist nicht neu. Allerdings wird sie nicht immer konsequent pädagogisch umgesetzt. Das führt dazu, dass der Begriff der Persönlichkeitsentwicklung inflationär verwendet wird. Häufig mündet er lediglich in Kompetenzformulierungen, welche letztlich in ers©2016 Hogrefe

Lehren und Lernen

ter Linie auf die Verwertbarkeit des Arbeitsmarkts ausgerichtet sind. Versteht man Persönlichkeitsentwicklung nicht rein anforderungs-, sondern subjektbezogen, können vorhandene personale Ressourcen wie Optimismus, Ich-Identität und werteorientiertes Handeln nicht nur genutzt, sondern auch gefördert werden (Antonowsky, 1997). Wichtig ist dabei die Erhöhung der Selbstwirksamkeit als Voraussetzung zur Selbstbestimmung. In der Theorie der Selbstwirksamkeit (Bandura, 2012) wird neben den objektiv vorhandenen Kompetenzen vor allem deren subjektive Wahrnehmung betrachtet. Werden eigene Kompetenzen als hoch eingestuft, kann sich dies motivierend auf die weitere Kompetenzentwicklung auswirken (Bandura, 1977 in Grunert, 2012). Nach dem konstruktivistischen Verständnis ist Lernen nicht aufgrund von kognitiven Potenzialen begrenzt, sondern durch verminderte Selbstwirksamkeitserwartungen, resultierend aus einer wenig durch Erfolge ausgezeichneten Bildungsbiografie. Darüber hinaus können sogenannte «Sozialisationslücken» (Eckert, 2013), also ein objektiv oder subjektiv eingeschätzter Mangel an Lernmöglichkeiten, die Ausbildung von Kompetenzen hemmen. Unabhängig davon, ob zu wenige Lernerfahrungen gemacht wurden oder ob diese negativ erlebt wurden, sinkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Dies hat Einfluss auf die weitere Kompetenzentwicklung. Deshalb wird das Selbstwirksamkeitserleben der Studierenden durch erreichbare Etappenziele auf dem Weg zum wissenschaftlichen Arbeiten durch persönliche Betreuung in Lehrveranstaltung und Tutorium befördert. Erreichen Studierende die subjektive Gewissheit, neuen oder schwierigen Anforderungssituationen gewachsen zu sein, können Übergänge gut gelingen (Egger, 2010 in Felbinger, 2010). Wissenschaftsprinzip In der Literatur ist beschrieben, dass die bestehenden Unsicherheiten über die Anforderungen wissenschaftlichen Arbeitens bei vielen Studierenden Probleme aufwerfen (Rossig, Prätsch, 2011). Begründet werden diese mit unvollständigen Kenntnissen oder darin, dass wissenschaftliches Arbeiten der Übung bedarf (Balzert et al., 2013). Die meisten Hochschulen stellen den Studierenden deshalb Standards für das wissenschaftliche Arbeiten als unverzichtbare Hilfestellung zur Verfügung. Als greifbares Dokument regeln sie den Umgang mit formalen Aspekten und Bewertungsrichtlinien. Dabei sind sie, entsprechend ihrer Gültigkeit für alle Studiensemester, einerseits so konkret wie möglich, andererseits verfügen sie über einen hinreichenden Interpretationsspielraum, um semesterübergreifend Gültigkeit zu haben. Genau jene Interpretationsspielräume verunsichern indes Studienanfänger. Die Analyse von Leistungsnachweisen und die Beobachtungen Lehrender legen nahe, das wissenschaftliche Arbeiten über formale Aspekte hinausgehend zu betrachten. Denn diese sind für eine gute wissenschaftliche Arbeit zwar notwendig, sie allein garantieren jedoch noch keinen Erfolg (Stickel-Wolf, Wolf, 2013, 2012). Deshalb ist es erforderlich, im Tutorium nicht nur den Erwerb formaler AsPADUA (2016), 11(1), 45–51


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pekte zu fördern, sondern gleichzeitig wissenschaftliche Denkprozesse zu stimulieren. Situationsprinzip Die Bearbeitung von aktuellen Fragen und beruflich-situativen Problemstellungen der Lernenden bilden einen weiteren Schwerpunkt des Tutoriums. Das Tutorium begleitet die Studierenden also bei der Lösung individueller, realer Problemstellungen. Dies unterstützt die gelingende Bewältigung von situationsspezifischen Anforderungen wie die, eine erste Hausarbeit im Rahmen des Studiums zu erstellen. Prinzip der vollständigen Handlung Das Modell der «vollständigen Handlung» (Hacker, 1978, Volpert, 1980, 2003) eignet sich als didaktische Rahmung für die Gestaltung des Tutoriums. Im Bereich der Pflegeausbildung ist dieses Modell teilweise schon praxiserprobt und curricular verankert. Sowohl Tutorinnen und Tutoren als auch Studierende mit einer pflegeberuflichen Qualifikation profitieren von den Vorkenntnissen des handlungsorientierten Lernens. Wichtig ist dabei, die sechs Schritte des Informierens, Planens, Entscheidens, Ausführens, Kontrollierens und Bewertens konsequent chronologisch durchzuführen. Nur dadurch lässt sich die innere Logik einer Handlung herstellen und nachvollziehen und letztlich auch ausführen. Komplexe Gesamthandlungen werden somit im Tutorium in partielle Teilhandlungsschritte zerlegt, jedoch immer im Kontext der gesamten, respektive der vollständigen Handlung.

Die Erfahrungen aus dem FUgE-Tutorium Freiwilligkeit Um den geschützten Raum und den Mut, «Fehler» zu machen, aufzubauen und zu erhalten, wird die freiwillige wie auch spontane Teilnahme empfohlen. An dieser Stelle kann die Art und Weise des nicht-formalen Lernens als Inspiration genutzt werden. Der Status von Freiwilligkeit und Spontanität erfordern von den Studierenden die Verantwortung, sich mit den Tutorinnen und Tutoren abzusprechen. Im institutionellen Rahmen kann das umgesetzt werden, indem Studierende sich zu vereinbarten Terminen verbindlich anmelden. Qualifizierung von Tutorinnen und Tutoren Tutorinnen und Tutoren müssen auf ihre Aufgaben vorbereitet und geschult werden (Bröring, Diesen, 2013, Knauf, 2013 u. a.). Die Kenntnisse und das Verständnis für das wissenschaftliche Arbeiten muss hinreichend gefestigt sein, um den handlungsorientierten Lernprozess prinzipienorientiert begleiten und reflektieren zu können. Lohnende Investition Zusätzliche Bildungsangebote erfordern zusätzliche räumliche, finanzielle und personelle Ressourcen. Letztere betreffen sowohl Lernende als auch konzept- oder projektverPADUA (2016), 11(1), 45–51

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antwortliche und lehrbeauftragte Personen sowie Tutorinnen und Tutoren. Vor allem die Entwicklungs- und Implementierungsphase des Tutoriums sowie dessen Einbettung in die Gesamtkonzeption, wie am Beispiel des Dreiklangs von Lehrveranstaltung, Übungen und Tutorium, fordern einen hohen Einsatz. Untersuchungen zufolge lohnt sich dieser personelle und finanzielle Aufwand aus der Perspektive der Hochschule (Nauerth, Struckmann, 2012).

Fazit Die Dreiklangkomposition bestehend aus Lehrveranstaltung, Übungen und Tutorium, ist ein Konzept zur Förderung eines gelingenden Bildungsübergangs. Das darin eingebettete Tutorium ist ein flexibel anwendbares Einzelinstrument. Es wurde prinzipiengeleitet generiert. Folgende fünf Prinzipien liegen dem Tutorium zugrunde: • Prinzip der Ressourcenorientierung • Prinzip der Persönlichkeitsförderung • Wissenschaftsprinzip • Situationsprinzip • Prinzip der vollständigen Handlung Das Konzept ermöglicht kognitive und emotionale Dissonanzen zu erzeugen und zu regulieren. Diese können nachhaltig den Lernerfolg und den Erfolg eines gelingenden Übergangs erhöhen. Das Tutorium wird für alle interessierten Studierenden fakultativ unter folgenden Zielsetzungen angeboten: • Förderung eines gelingenden Übergangs ins wissenschaftliche Arbeiten und Denken. • Erhöhung der Selbstwirksamkeit • Wissen verfestigen und verknüpfen • Wissen in situationsspezifischen Anforderungen anwenden, z. B. Hausarbeit • Handlungsorientierter Kompetenzerwerb • Die Ausbildung metakognitiver Fähigkeiten

Ausblick Konzepttransfer in die berufliche Bildung Auch Schulen des Gesundheitswesens werden zunehmend mit Bildungsübergängen konfrontiert. Die Heterogenität Auszubildender mit unterschiedlichen Entwicklungspotenzialen, Bildungsbiografien und Übergangserfahrungen nimmt zu. Art und Weise früherer oder aktuell durchlebter Übergänge beeinflussen Ausbildungserfolg, Abbruch- und Durchfallquote sowie Ausbildungsmotivation. Genauso wird der Übergang in die Ausbildung anschließende Übergänge beeinflussen. Auch die soziale Integration sowie der Berufseinstieg und -verbleib im Pflegeberuf sowie die berufliche Handlungskompetenz hängen vom Erfolg des Übergangs ab. Übergänge müssen deshalb mehr als bisher pädagogisch begleitet und ausgestaltet werden. Die Potenziale der Kompetenzentwicklung können möglicherweise im Unterricht ohne zusätzliche Bildungs©2016 Hogrefe


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angebote nicht voll ausgeschöpft werden. Duale und primärqualifizierende Pflegestudiengänge sowie generalistische Ausbildungsformen erhöhen die Anforderungen an die Ausbildungskonzeption. Diese Entwicklungen erfordern neue und innovative pädagogische Konzepte. Deshalb ist zu prüfen, inwieweit sich die hier vorgestellte, entwickelte «Dreiklangkomposition» in die berufliche Primärqualifizierung implementieren lassen könnte. Das Tutorium wie auch die Übungen bauen auf die intersubjektive Auseinandersetzung auf. Auf diese Weise können kognitive Dissonanzen aufgelöst und Verzögerungen im Lernen verringert werden, wie auch mit Hilfe des eingangs erwähnten «Sokratischen Dialogs». Wird in diesem Prozess die kriterienorientierte und am Gegenüber ausgerichtete Argumentation gefördert, so wird ein nachhaltiger Mehrwert geschaffen. Dieser liegt in der Förderung und Sensibilisierung für professionelles und eigenständiges Handeln. Das ist besonders für die Pflege von Bedeutung, denn: Interaktion und der Zugang zum Gegenüber gelten als der Kern der Pflege (Birken, Menz, 2014, Friesacher, 2008). Bei ganzheitlicher Betrachtung kann damit die Lehr- und Lernform entscheidend zur beruflichen und persönlichen Entwicklung der Lernenden beitragen. Die Potenziale über das wissenschaftliche Arbeiten hinaus zu nutzen, sollte erklärtes Ziel der beruflichen als auch der hochschulischen Bildung sein. Das Konzept für Lehrveranstaltung, Übungen und Tutorium könnte analog auf den pflegeberuflichen Unterricht, das Üben in Lernlaboren (Skillslab) und Tutorien übertragen werden. Das Tutorium, als Einzelinstrument zur Förderung gelingender Übergange, könnte in der pflegerischen Primärqualifizierung, in der Fort- und Weiterbildung oder bei Implementierungsprozessen erprobt werden. Gerade die Implementierung neuen Wissens in die Praxis, aber auch das Erkennen von Wissenslücken, können durch eine tutoriale Begleitung und Nachbereitung unterstützt werden.

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Josef M. Huber, M. A. Gesundheits- und Krankenpfleger, Pflegewissenschaft (M. A.), Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts «FugE». jh@tiliadus.de

Claudia Eckstein, B. A. Gesundheits- und Krankenpflegerin, Pflegepädagogik (B. A.), Pflegewissenschaft (M. A.), Tutorin im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts FugE. claudia.eckstein@vr-web.de

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Gesundheit, Krankheit und das Gesundheitssystem verstehen

David Klemperer

Sozialmedizin – Public Health Gesundheitswissenschaften Lehrbuch für Gesundheits- und Sozialberufe 3., überarb. Aufl. 2015. 384 S., 153 Abb., Kt € 29.95 / CHF 39.90 ISBN 978-3-456-85550-9 AUCH ALS E-BOOK

Dieses Lehrbuch will die Gesundheits- und Sozialberufe darin unterstützen, ihre berufliche Praxis weiterzuentwickeln. Dafür ist eine breite Wissensbasis hilfreich, die dieses Buch praxisnah vermittelt. Dazu zählt das Wissen über • Individualmedizin und Bevölkerungsgesundheit (Public Health) • Modelle von Gesundheit und Krankheit • Epidemiologie und Forschungsmethoden • Prinzipien einer evidenzbasierten beruflichen Praxis

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• Theorie und Praxis von Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention • soziale Ungleichheiten der Gesundheit. Das Buch richtet sich sowohl an Studierende als auch an bereits Berufstätige. Angesprochen sind ebenfalls Patientenvertreter in der Selbstverwaltung, Krankenkassenmitarbeiter, Mitglieder und Mitarbeiter der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe, Journalisten und an Gesundheitspolitik Interessierte.


Wissen und Forschen

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Wie begegnen Lehrkräfte an Pflegeschulen den heutigen Auszubildenden? Auswirkungen der Auszubildenden-Charakteristika auf die Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung in Sachsen

Expert/innen sehen sich im Rahmen ihrer pädagogischen Arbeit verantwortlich für den Ausbildungs-

personalpolitische Situationen erhöhen den Druck auf die Schulen.

erfolg. Es ist jedoch anzunehmen, dass die in den letzten Jahren zu verzeichnenden veränderten Cha-

Rechtliche Rahmenbedingungen

rakteristika der Bewerber/innen für die Gesundheits- und Krankenpflege Auswirkungen auf die Qualität der Ausbildung haben. Wie stellen sich die Expert/innen dieser Herausforderung?

Situation der Auswahl von Bewerber/innen Aufgrund von Akademisierung und Professionalisierung der Pflege – bei gleichzeitig bestehendem Pflegenotstand und Rückgang an geeigneten Bewerbern (Buhl, 2011; Pott, 2001) – stehen die Schulen der Gesundheits- und Krankenpflege (GKP) aktuell vor großen Herausforderungen. Die im Rahmen einer qualitativen Studie befragten Expert/innen stuften die qualitative Bewerbersituation für die Existenz der Schulen bedrohlicher ein als die quantitative (Andreas et al., 2014). Deutlich wird dies in nachlassendem Bewusstsein für Normen und Werte, defizitären Grundeinstellungen sowie Mängeln in der Allgemeinbildung, welche die potentiellen Gesundheits- und Krankenpfleger/innen mit in die Ausbildung bringen. Diese Tatsachen zwingen die Schulen zum jährlichen Überdenken ihrer ohnehin heterogenen Auswahlverfahren. Seitens der Zugangsvoraussetzungen zeigten sich bezüglich Persönlichkeit und beruflichen Vorerfahrungen wenig Ermessensspielräume. Bei Alter, Noten sowie äußerem Erscheinungsbild passen sich die Einrichtungen mehr und mehr den Tendenzen an. Festzuhalten bleibt, dass Bildungseinrichtungen der GKP vor Jahren anspruchsvoller auswählten als heute. Bisher gelingt es noch, das Niveau der Ausbildung aufgrund der Verantwortung gegenüber den Patient/innen und auch den Auszubildenden, hoch zu halten. Ein Füllen der Klassen um jeden Preis wird von Experten/innen als nicht zielführend erachtet. Die sich verschärfende Konkurrenz sowie PADUA (2016), 11(1), 53–58 DOI 10.1024/1861-6186/a000293

Die rechtlichen Rahmenbedingungen, worauf sich die Ausbildung der GKP in Sachsen und damit auch diese Arbeit stützt, sind das Krankenpflegegesetz (KrPflG) von 2003, die dazugehörige Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (KrPflAPrV 2003) sowie der Lehrplan für die Berufsschule Gesundheits- und Krankenpflege des Freistaats Sachsen.

Hintergrund und aktueller Forschungsstand Im Gesundheits- und Pflegebereich führen der demographische Wandel und veränderte Krankheitsstrukturen zu erhöhten Anforderungen an die Kompetenz der Pflegenden und damit der Auszubildenden (Beier, 2004). Demgegenüber stehen Nachwuchsprobleme für den Pflegebereich. (Ewers, 2008). Problematisch ist, dass den gestiegenen Ausbildungszielen die teilweise abgesenkten Zugangsvoraussetzungen für Bewerber/innen gegenüber stehen (Schramm, 2012). Kritikpunkte an der Gestaltung der deutschen Pflegeausbildung, welche sich aus internationalen Vergleichsstudien ableiten, sind: keine Verankerung im öffentlichen Bildungssystem, mangelnde Durchlässigkeit zum Hochschulsektor, Dreiteilung der Pflegeausbildung, Defizite in der Bildung der Lehrkräfte sowie eine mangelnde Verankerung im tertiären Ausbildungssektor (Landenberger, 2005, Stöcker, 2008). Vor diesem Hintergrund wird hierzulande über die Zukunft diskutiert. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) spricht sich für eine integrierte Pflegeausbildung mit generalistischer Ausrichtung aus (BMFSFJ, 2008). Im Hinblick auf die pflegerische Ausbildung bestehen derzeit in Deutschland sehr heterogene Strukturen (Rogalski et al., ©2016 Hogrefe

Wissen und Forschen

von Madlen Baumgarten und Gertrud M. Ayerle


Wissen und Forschen

© BZ-Pflege

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deren Handlungs- und Sichtweisen im Zusammenhang mit der Pflegeausbildung zu eruieren.

Methodik

2012). Die Teilakademisierung und Professionalisierung der Pflege werden einerseits als Antwort der gestiegenen Anforderungen an den Pflegeberuf und die aktuellen Entwicklungen gesehen (Immenroth, 2011), andererseits wird die Frage aufgeworfen, ob eine Akademisierung sinnvoll ist (Kemser, 2006). Weitere Forderungen betreffen Reformen und die Schaffung unterschiedlicher Qualifikationsniveaus (Görres, 2012).

Wissenschaftliche Zielsetzung Die Relevanz der hier vorgestellten Arbeit begründet sich auf die Problematik der erhöhten Anforderungen an die Auszubildenden von Pflegeberufen und den abgesenkten Zugangsvoraussetzungen. Ihr Erkenntnisinteresse war, die aktuelle Situation zu beschreiben, wie Pflegeschulen und Lehrkräfte die Qualität der Ausbildung nach dem KrPflG 2003 und damit die zukünftige pflegerische Versorgung in Sachsen sichern. Die Fragestellung lautete: «Wie gestaltet sich die theoretische und praktische Ausbildung der Gesundheits- und Krankenpflege vor dem Hintergrund des Mangels geeigneter Auszubildender?». Es interessierte, welche Konsequenzen mangelnde Vorqualifikationen auf die Ausbildung haben und ob Methoden, Lehrpläne und Anforderungen sowie Niveau und Leistungsbewertungen diesen Tendenzen angepasst werden. Fraglich ist, inwieweit Lehrkräfte an den Pflegeschulen den pädagogisch-fachlichen Anspruch durch die gestiegenen Anforderung in Theorie und Praxis, mit der die Schüler/innen konfrontiert werden, gerecht werden können. Anspruchsvollere Themen, wie Arbeit mit pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen, Delegation ärztlicher Aufgaben an das Pflegepersonal sowie Qualitätsmanagement, gewinnen zunehmend an Bedeutung im Rahmen der theoretischen Ausbildung. In der Praxis bedeutet dies, dass Pflegekräfte mehr Verantwortung übernehmen müssen. Mittels einer offenen und erzählstimulierenden Vorgehensweise (Nohl, 2009; Pryzborski/Wohlrab-Sahr, 2010) war es das Ziel, das spezielle Wissen der Lehrenden über ©2016 Hogrefe

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde ein qualitativer Forschungsansatz gewählt. Damit verfolgte die Forscherin das Ziel, Lebenswelten aus Perspektive der in ihr agierenden Menschen zu beschreiben (Flick et al., 2007, S. 14) und deren Denkstruktur verstehen zu können. Das Forschungsfeld dieser Arbeit waren Bildungseinrichtungen der GKP in Sachsen. Um relevante Daten zur Fragestellung zu erhalten, fanden Experteninterviews mit Lehrkräften für Pflege in berufsbildenden Schulen, welche zum Teil mehrere Ausbildungen im Gesundheitswesen anbieten, statt. Es wurden jeweils zwei öffentliche, private und freigemeinnützige Ausbildungsstätten der im Krankenhausplan des Freistaates Sachsen 2014/2015 gelisteten Krankenhäuser ausgewählt. Befragt werden sollten Lehrkräfte dieser berufsbildenden Schulen, die circa zehn Jahre Berufserfahrung aufweisen konnten. Die Kontaktaufnahme erfolge per E-Mail und Telefon. Nachdem die Lehrenden Informationen zur Arbeit erhalten hatten, stellten diese sich freiwillig zur Verfügung. Die Experteninterviews erfolgten in den jeweiligen Bildungseinrichtungen. In einer kurzen Kennenlernphase erhielten die Interviewpartner/innen die Möglichkeit, die eigene Expertise und das Aufgabenfeld vorzustellen. Eine Fallvignette, die auf provokante Weise eine Bewerberin mit teilweise defizitären Bewerbungsmerkmalen beschrieb, diente als narrativer Eingangsstimulus. Dieser wurde mündlich vorgetragen und den Teilnehmer/innen schriftlich ausgehändigt. Ein Interviewleitfaden, welcher vorab in einem Pretest auf seine Funktionsfähigkeit überprüft worden war, unterstütze die Strukturierung der Gespräche (Kruse, 2011). Nach der Vorstellung der Fallvignette wurde den Expert/innen ein freies Erzählen ermöglicht. Nach immanenten Nachfragen während des Erzählens schlossen sich abschließend exmanente Fragen an. Die Interviewpartner/innen wurden aufgefordert, Einschätzungen bezüglich der aktuellen Ausbildungssituation zu geben. Diese Nachfragen erfolgten erst, wenn die Experten/innen am Ende ihrer Ausführungen waren. Nach Transkription der Interviews nach vorab festgelegten Regeln wurden die Daten entsprechend der dokumentarischen Methode (Bohnsack et al., 2013) ausgewertet. Ziel dieser Methode ist (a) das Erschließen der handlungspraktischen, milieuspezifischen, konjunktiven Wissensbestände sowie (b) der Orientierungsrahmen (dokumentarischer Sinn) der teilnehmenden Personen. Zur Beantwortung der Forschungsfrage interessierte v. a. das nicht geäußerte, atheoretische Wissen (a) (Bohnsack et al., 2013), welches nur bestimmte Gruppen innehaben, die ihre konjunktiven Wissensbestände durch ihre Vertrautheit mit der Handlungspraxis vermitteln können. Neben PADUA (2016), 11(1), 53–58


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dem Gesagten und den Motiven war der dokumentarische Sinn von Interesse (Mannheim, 1964) bzw. der Orientierungsrahmen der Teilnehmenden (b). Nohl (2009, S. 8) sagt: «Bei diesem dokumentarischen Sinngehalt wird die geschilderte Erfahrung als Dokument einer Orientierung rekonstruiert, die die geschilderte Erfahrung strukturiert». Die geschilderte Erfahrung setzt sich aus dem objektiven Sinn, bei welchem es um das eigentlich Gesagte oder des Getanen geht und dem intentionalen Ausdruckssinn, den Motiven der erzählenden Personen, zusammen. Im ersten Schritt, der formulierenden Interpretation, wurde zusammengefasst, was thematisch gesagt wurde (objektiver und intentionaler Sinn) und mit eigenen Worten in Ober- und Unterthemen gegliedert. Anschließend wurden die Äußerungen im Rahmen der reflektierenden Interpretation nach Schütze (1987) nach den Textsorten Erzählung, Beschreibung und Argumentation getrennt. Die ersten beiden verweisen dabei auf konjunktive Wissensbestände (Nohl, 2009). Die Äußerungen der Experten/innen wurden anschließend nach gleichen oder unterschiedlichen Reaktionen durchsucht (Abb. 1) und verschiedene Orientierungsrahmen identifiziert (Bohnsack et al., 2013). Um diese Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, war ein kontrastierender Vergleich mit Fällen, welche gleiche Themen anders bearbeiten, notwendig (Bohnsack et al., 2013; Nohl, 2009). Die im letzten Schritt der dokumentarischen Methode enthaltene soziogenetische Typenbildung, bei welchem diese Orientierungsmuster über mehrere Interviews verglichen und vom Einzelfall abgelöst werden, konnte aufgrund der begrenzten Zeit und Fallzahl nicht umgesetzt werden. Die Ergebnisauswertung erfolgte unter Zuhilfenahme des Programms MAXQDA. Aufgrund der Mehrdimensionalität der dokumentarischen Methode und der damit verbundenen Typenbildung wäre die Generalisierung der Forschungsergebnisse möglich (Nohl, 2009); die Ergebnisse dieser, aufgrund von zeitlichen Vorgaben im Umfang begrenzten Arbeit, lassen jedoch keine Übertragbarkeit auf andere Subjekte und Kontexte zu. Die Wiederholbarkeit der Analyse bzw. Rekonstruktion wurde durch eine sorgfältige Dokumentation der einzelnen Arbeitsschritte soweit wie möglich sichergestellt.

Ergebnisse Im Rahmen der Arbeit konnten fünf Expertinnen und ein Experte von jeweils zwei öffentlichen, privaten und freigemeinnützigen Einrichtungen aus allen Regionen Sachsens befragt werden. Die Größe der GKP – Schulen reichte von 50 bis mehr als 200 Ausbildungsplätzen. Vier der befragten Personen waren als Schulleitungen tätig und zwei als Lehrkräfte, wobei eine früher als Schulleiterin fungierte. In fünf Fällen konnten die Interviewpartner/innen mindestens zehn Jahre Berufserfahrung aufweisen. Zwei von sechs Teilnehmer/innen erklärten, erst seit ein paar Jahren pädagogisch an der derzeitige Schule tätig zu sein. PADUA (2016), 11(1), 53–58

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heterologe 2. Äußerung

1. Äußerung

heterologe 2. Äußerung

homologe 2. Äußerung

heterologe 2. Äußerung

homologe 2. Äußerung homologe 2. Äußerung

Blickwinkel Forscher

heterologe 2. Äußerung

Typus C

homologe 2. Äußerung homologe 2. Äußerung

heterologe 2. Äußerung

homologe 2. Äußerung

heterologe 2. Äußerung

Typus A

Typus B

Abbildung 1. Komparative Analyse und sinngenetische Typenbildung (Nohl, 2009, S. 60)

Nachfolgend werden das konjunktive Wissen bzw. die Orientierungsrahmen der Pädagogen/innen in den unterschiedlichen Variationen dargestellt (Bohnsack et al., 2013). Die sechs herausgearbeiteten Orientierungsrahmen sind mit den Abkürzungen O1 bis O6 angegeben. In den Zitaten werden besondere sprachliche Betonungen durch Großschreibungen der Worte ausgewiesen. Insgesamt sehen sich die Interviewpartner/innen gezwungen, ihr pädagogisches Vorgehen den eingeschränkten Leistungskapazitäten sowie dem nachlassenden Normverständnis und Werten der Schüler/innen anzupassen. Dies ist verbunden mit erhöhten Anforderungen an die Lehrkräfte (O1). Lernende werden den Anforderungen kaum noch gerecht, was dazu führt, dass mehr Zeit benötigt wird und die Methodik angepasst oder Themenbereiche anders angeordnet werden müssen. Außerdem ist es erforderlich, Zusatzangeboten zu machen, was wiederrum einen erhöhten Arbeitsaufwand für die Lehrkräfte bedeutet. Nachlassende praktische Fähigkeiten der Schüler/innen zwingen die Lehrenden dazu, mehr Energie in den Theorie-Praxis-Transfer zu investieren, was in kleinen Schulen besser realisierbar scheint. Lehrende sehen sich außerdem in der Verantwortung (O2) das Niveau der Ausbildung hochzuhalten. Dies bedeutet, dass an die Anforderungen, welche an die Schüler/innen gestellt werden, in den letzten Jahren nichts abgesenkt wurden. Die Realisierung des pädagogischen Anspruchs wird gefordert und unterstützt durch zentral erstellte, in ihren Anforderungen gleichbleibende Abschlussprüfungen, die Umsetzung von gesetzlichen und behördlichen Vorgaben sowie den Verwertungszusammenhang in der Praxis im Anschluss an die Ausbildung. Jedoch räumen die Lehrenden ein, dass Leistungskontrollen im Vorfeld gesteuert werden oder in der praktischen Abschlussprüfung eher der Gesamteindruck und weniger die Leistung im Detail zählt. Dies scheint einen Widerspruch zwischen Anspruch und Umsetzung darzustellen. Ein Interviewpartner räumte ein, hinsichtlich des Leistungsniveaus in schriftlichen Kontrollen den Schüler/innen entgegenzukommen. Des Weiteren sehen sich die Pädagogen in der Verantwortung, mit ihrer Kompetenz Defizite zu erkennen und diese bis zu einem gewissen Grad, durch Anstrengungen von Seiten der Lehrenden sowie mit weiteren Anforderungen an die Lernenden, zu kompensieren. Das wird für die Lehrer/innen immer schwieriger, sie erleben diesbezüglich Grenzen. In ©2016 Hogrefe


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manchen Fällen wird das Ausscheiden schlechter Schüler/ innen in der Probezeit als Erleichterung empfunden. Neben der Verantwortung der Lehrenden für die Ausbildung fordern die Experten/innen eine Eigenverantwortlichkeit der Schüler/innen für sich selbst und den Erfolg ihrer Ausbildung (O3). Sie sind davon überzeugt, dass auch lernschwache Schüler die Ausbildung erfolgreich absolvieren können, wenn sie motiviert sind. Die Lehrenden müssen mehr investieren, um die Aufmerksamkeit der Schüler/innen am Unterricht zu erhalten, da sich die Grundeinstellungen zum Lernen, ebenso wie die Lernkultur, in den letzten Jahren zum Negativen verändert haben. Hierbei hat die Verwendung von modernen Medien aufgrund der schnellen, einfachen und oft unreflektierten Verfügbarkeit einen entscheidenden Einfluss. Die Praxisbetreuung hat aus Sicht der Interviewpartner/innen einen entscheidenden Einfluss auf den Ausbildungserfolg (O4). Das Problem ist, dass verantwortliche Mentoren/innen oft im Stationsalltag eingebunden sind und wenig bzw. keine Zeit für die Auszubildenden bleibt. Deshalb sehen es die Lehrkräfte als ihre Pflicht, sich mehr in der praktischen Ausbildung einzubringen. Bezüglich der Zukunft der Pflegeausbildung sind die Pädagogen/innen im Hinblick auf die generalistische Ausbildung (O5) unterschiedlicher Meinung. Sie sind besorgt, dass das bisherige Niveau nicht gehalten werden kann sowie eine Überforderung für die Lehrenden droht, wenn drei Ausbildungszweige in einem Ausbildungsprogramm vereint werden sollen. Eine stärkere Differenzierung der Qualifikationsniveaus wäre für die Zukunft für die Lehrenden wünschenswert. Die Reduktion der Heterogenität der Klassen würde im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Schüler/innen ein Entgegenkommen für die pädagogische Arbeit bedeuten. So könnte auch das Niveau der Pflegeausbildung erhalten werden. Notwendig erscheinen den Lehrenden bundeseinheitliche Rahmenvorgaben, um innerhalb Deutschlands eine erhöhte Mobilität zu begünstigen. Dem Thema der Akademisierung der Pflege (O6) stehen die Expertinnen und der Experte unterschiedlich gegenüber. Zum einen sehen sie durch die gestiegenen Anforderungen in der Praxis diese Entwicklung als notwendig an. Zum anderen befürchten die Lehrenden durch Anhebung der Ausbildung auf Abiturniveau sowohl einen Verlust der pflegerischen Kernkompetenzen, als auch einen verstärkten Fachkräftemangel. Des Weiteren beklagen sie, dass es bisher an angemessenen Arbeitsstellen für akademische Pflegekräfte fehlt, welche ein eigenständiges und -verantwortliches Aufgabengebiet und eine adäquate Vergütung vorhalten. Wird die Pflegeausbildung zukünftig auf akademischem Niveau realisiert, rechnen die Befragten mit Schulfusionen zu großen Ausbildungszentren.

Diskussion Das methodische Vorgehen sowie die Wahl des Settings waren geeignet, um die Forschungsfrage zu beantworten. Das ©2016 Hogrefe

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Aufdecken der inneren Sichtweisen der Pädagogen/innen nach Flick et al. (2007) mittels der Dokumentarischen Methode konnte wie geplant realisiert werden. Die Dokumentarische Methode eignete sich, durch Aufdecken der konjunktiven Wissensbestände eventuelle, sozial erwünschte Äußerungen zu durchdringen. Durch Einbezug einer externen Forscherin in die Datenanalyse und Reflexion und der Betreuerin in die Umsetzungsschritte dieser Arbeit, wurde der Forschungsprozess weitestgehend transparent gehalten und somit die Qualitätskriterien Truth Value und Neutrality nach Lincoln und Guba (1985) erfüllt. Der Einbezug einer Lehrerin mit weniger Berufserfahrung als in den Auswahlkriterien gefordert, war nicht geplant, wurde jedoch erst nach der Selektion deutlich. Die Auswertung des Interviews zeigte jedoch, dass ihre Erfahrung reichte, um Aussagen zu aktuellen Entwicklungen in der Pflegeausbildung zu machen. Die Zugehörigkeit der Pädagogen zu unterschiedlichen Einrichtungsträgern innerhalb der zehn Jahre Berufstätigkeit war für die Ergebnisse nicht relevant. Die erzählstimulierende und offene Vorgehensweise konnte aufgrund fehlender Forschungserfahrung in der Interviewmethodik nicht immer problemlos umgesetzt werden. Ebenso bereitete die Transkription an einigen Stellen Probleme bezüglich der einheitlichen Schreibweise. Aufgrund der zeitlichen und finanziellen Restriktionen und weil keine theoretische Sättigung erreicht wurde, sind die Ergebnisse als regional begrenzt anzusehen. In der Zusammenführung der Ergebnisse wurde deutlich, dass die Lehrer/innen das Bestreben haben, das Niveau der Ausbildung hoch zu halten. Dafür nehmen sie ihrerseits größere Anforderungen in Kauf, wie das Planen von mehr Zeit, das Anpassen der Methodik und die Verteilung der Themenbereiche. In ihrem Erleben stellen sie die Anforderung an sich, dass sie die Kompetenz mitbringen müssen, gewisse Defizite der Schüler/innen zu kompensieren und diese dennoch erfolgreich ans Ziel der Ausbildung zu führen. Sie appellieren jedoch auch an die Eigenverantwortung der Lernenden für den Erfolg der eigenen Ausbildung und verleihen diesem Anspruch mit gewissen Zwangsmaßnahmen Nachdruck. Zur Zukunft mit einer Generalistischen Ausbildung oder einer Akademisierung der Ausbildung äußerten sich die Expertinnen und der Experte kritisch. Hier ist ein Konflikt zwischen dem bisherigen Einstehen für den Berufsstand und dem Hochhalten des Ausbildungsniveaus und einer gewissen Machtlosigkeit und Angst zu sehen. Andererseits ist diese Entwicklung notwendig, um den gestiegenen Anforderungen der Praxis (Beier, 2004) zu begegnen. Notwendig sehen die Pädagogen/innen eine stärkere Theorie-PraxisVerknüpfung. Vermutet wird, dass beim Zusammenlegen der drei Ausbildungszweige der Pflege die Qualität der Ausbildung leiden wird. Alle bisherigen Bemühungen um eine niveauvolle und qualitative Ausbildung wären in ihren Augen hinfällig. Dies verstärkt die Problematik, dass nach Schramm (2012) ohnehin die schon abgesenkten Zugangsvoraussetzungen der Ausbildung den gestiegenen Ausbildungszielen gegenüber stehen. PADUA (2016), 11(1), 53–58


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Fazit und Ausblick In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, wie sich die Experten/innen der Herausforderung durch die veränderten Charakteristika der Bewerber/innen für die GKP stellen. Für die nahe Zukunft bleibt abzuwarten, welche Reformen auf die Pflegeausbildung zukommen und welche Bedeutung diese für die Ausbildungsformen in der Pflege haben werden. Wird es unterschiedliche Kompetenzniveaus von nicht akademisch und akademisch qualifizierten Pflegenden geben? Wird es zu einer Differenzierung der Pflegequalifikationen kommen? In jedem Fall sollten weitere Forschungsarbeiten zur Beschreibung der Ausbildungssituationen in der Pflege in Deutschland diese Entscheidungen begleiten.

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Madlen Baumgarten Gesundheits- und Krankenpflegerin, Master of Science Gesundheits- und Pflegewissenschaft (Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg), Lehrerin der Gesundheits- und Krankenpflege. Madlen.Baumgarten@web.de

Dr. rer. medic. Gertrud Ayerle Hebamme und Krankenschwester, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft.

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Schulgesundheitspflege Erste Hilfe Unterricht für Kinder

In der Qualifikationsarbeit zur Erreichung des Grades Bachelor of Science Pflege hat sich die Autorin mit der Entwicklung einer Weiterbildungseinheit für den Erste Hilfe- Unterricht für Schulkinder durch professionell Pflegende auseinandergesetzt.

Was ist Erste Hilfe? Erste Hilfe bedeutet sofortige Hilfe zu leisten, wenn eine Person verletzt wurde oder plötzlich krank wird. Sie ist die Einschätzung der Situation und der daraus resultierenden

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In Deutschlang gibt es eine steigende Anzahl von chronischen Erkrankungen. Jährlich sterben mehr als 350 000 Menschen an den Folgen dieser Erkrankungen. Die häufigste Ursache nach Angaben des Statistischen Bundesamts ist der plötzliche Herztod. Laut des European Resuscitation Council (ERC) kann die Sterberate des plötzlichen Herztodes gesenkt werden, wenn die Quote der Reanimationen innerhalb der Bevölkerung steigt. Es könnten bis zu 100 000 Leben pro Jahr durch die Anwendung von Erste Hilfe Maßnahmen gerettet werden (Nolan et al., 2010). Die Förderung der Laienreanimationsquote kann gesteigert werden, indem ein flächendeckender Erste Hilfe Unterricht an allgemeinbildenden Schulen eingeführt wird, wie es im europäischen Ausland üblich ist. Das Erkennt-

nisinteresse der Arbeit liegt darin, sich mit einer Weiterbildungseinheit für den Erste Hilfe- Unterricht durch Pflegende auseinanderzusetzen. Das Besondere an diesem Projekt ist, dass sich das Angebot an Kinder richtet und an Schulen umgesetzt werden kann, um Kinder auf erste Hilfeleistungen vorzubereiten. Die Arbeit stellt einen Anschluss zwischen Lehrenden an Schulen und Pflegenden im Gesundheitswesen her und nimmt damit eine wenig berücksichtigte Schnittstelle zwischen Gesundheit und Bildung auf. Daraus hat sich die folgende Fragestellung abgeleitet: Welche Lehr-Lern-Konzepte und Empfehlungen aus der Literatur können für die Einführung einer Unterrichtseinheit zum Ersten Hilfe Unterricht für Schulkinder durch Pflegende herangezogen werden?

PADUA (2016), 11(1), 59–64 DOI 10.1024/1861-6186/a000294

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von Alisa Banovic


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Intervention, die durch einen Beobachter oder das Opfer selbst durchgeführt werden. Es wird unterschieden zwischen Laienhilfe und professioneller Hilfe. Zu Beginn sollten die Sofortmaßnahmen eingeleitet werden, in denen der Betroffene nach Möglichkeit vor weiteren äußeren Einflüssen gesichert wird. Dann sollte der Notruf abgesetzt werden und die Erstversorgung eingeleitet werden bis professionelle Hilfe eintrifft. Die Einleitung der ErstenHilfe ist eine Serie von aufeinander folgenden Maßnahmen, um die Überlebensrate des Opfers zu erhöhen und Folgeschäden zu minimieren. Es gibt eine Differenzierung in kardiale Notfälle und in nicht-kardiale Notfälle. Nichtkardiale Notfälle weisen eine große Spannweite auf und sind allergische Reaktionen, Stürze, Blutungen, Verbrennungen und Verkehrsunfälle. Kardiale Ursachen sind der plötzliche Herztod mit einem Auftreten von 300 000 Personen in Europa im Jahr. Die American Heart Association (AHA) beschreibt den plötzlichen Herztod als spontane Einstellung der Herzaktivität. Das Opfer ist nicht ansprechbar, es liegt eine unnormale Atmung vor und es sind Zeichen des Kreislaufes, wie der Puls, nicht zu erkennen. Das bedeutet, dass Hilfe in Form von kardiopulmonaler Reanimation erfolgen muss. Ab diesem Zeitpunkt sollte die Erste Hilfe beginnen. In familiärer Umgebung gibt es Risikogruppen (Großeltern) oder erhöhte Risiken (Vorerkrankungen, chronische Erkrankungen) für einen plötzlichen Herztod (Markenson et al., 2010; Hazinski et al., 2004). Um eine erfolgreiche Reanimation durchzuführen, sollten die Gliederungspunkte der Überlebenskette («Chain of Survival») von Laien eingehalten werden. Die AHA gibt folgende Punkte vor: • Sofortiges Erkennen des plötzlichen Herztodes und Einleiten des Notrufsystems • Frühe kardiopulmonale Reanimation mit dem Schwerpunkt auf der Herzdruckmassage • Schnelle Defibrillation • Effektives Advanced Life Support • Integrative Nachsorge Mit der Veröffentlichung der Richtlinien der AHA 2010 gab man bekannt, dass die bisherige Vorgehensweise «look, listen and feel for breathing» nicht länger empfohlen wird, sondern beim Beobachten der beschriebenen Symptome eine sofortige Herzdruckmassage begonnen werden sollte. Stand vor der letzten Änderung der Richtlinien auch noch die Mund-zu-Mund Beatmung vermehrt im Vordergrund, so liegt das Hauptaugenmerk nun auf der Herzdruckmassage. Aus Gründen der Vereinfachung und oft beobachteten Ineffektivität der Beatmung ist diese als sekundäre Maßnahme zu betrachten. In Deutschland ist

Abbildung 2. «Chain of Survival» der AHA (Travers et al., 2010: S. 677)

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jede Person dazu verpflichtet bei Unglücksfällen Erste Hilfe zu leisten, wenn dies zumutbar und erforderlich ist. Strafrechtliche Konsequenzen wie eine Freiheits- oder Geldstrafe sind im Strafgesetzbuch (StGB) § 323 c festgelegt. Das Straßenverkehrsgesetz (StVG) sieht in § 2 Abs. 2 Nr. 6 vor, dass Personen, die die Fahrerlaubnis erlangen wollen, Erste Hilfe anwenden können und die Elemente der Versorgung von Verletzten am Unfallort beherrschen. Die AHA legt nahe, dass die Bevölkerung in Erste Hilfe Maßnahmen geschult werden sollte, um die Sterberate des plötzlichen Herztodes zu senken. Dazu sollte jeder Helfer bereit, willig und in der Lage sein, korrekt zu handeln und eine effektive Herzdruckmassage durchführen zu können. Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil wird mittels einer systematischen Literaturrecherche relevante Literatur ermittelt und dargestellt. Im zweiten Teil wird das Ausbildungskonzept für einen Reanimationsunterricht vom Deutschen Rat für Wiederbelebung/German Resuscitation Council (GRC) dargestellt. Dieses Konzept wird aus der Perspektive des Interdependenzmodells von Wolfgang Schulz betrachtet. Die Ergebnisse des ersten Teils konnten aus insgesamt fünf Studien ermittelt werden. Der Schwerpunkt der gesuchten Studien liegt darauf, dass die Teilnehmenden der Studie Kinder sein sollen, die eine allgemeinbildende Schule besuchen. In der Regel sind die Kinder in einem Alter von fünf bis 20 Jahren. Eingeschlossen wurden Studien, in denen als Intervention Unterricht, Lehrformen oder Maßnahmen untersucht wurden und Kinder im Bereich der Ersten Hilfe einen Wissensgewinn erlangen können. Die Interventionsgruppe einer Studie zeigte nach zwei Jahren bessere Ergebnisse bei der Beantwortung der Fragen als vorher. Es zeigte sich, dass die Interventionsgruppe bessere Ergebnisse im Bereich der Kompressionstiefe und –frequenz, sowie bei der Beatmung aufwies. Effekte konnten auch im Wissenstest dargestellt werden. Es wurde deutlich, dass die Schüler, die im Alter von 13 Jahren mit der Teilnahme an der Studie begonnen hatten, in allen theoretischen und praktischen Einschätzungen besser waren als die Schüler, die mit zehn Jahren begonnen haben. Die zentralen Ergebnisse der Studie sind, dass trotz früherem Beginn und zunächst schlechteren Ergebnissen die jüngeren Kinder nach mehreren Jahren die besseren Ergebnisse ausweisen. Eine jährliche Wiederholung ist ausreichend. Ein früher Beginn reduziert die Angst davor, Fehler zu begehen und erhöht die Bereitschaft zu helfen (Bohn et al., 2012). Sechs bis Siebenjährige Schulkinder können Erste Hilfe bei einer bewusstlosen Person leisten, indem sie die Ansprache der verletzten Person übernehmen, den Notruf wählen, die Person in die korrekte Position bringen und die Atemwege überprüfen (Bollig et al., 2009). Es gibt Ergebnisse, dass ein traditioneller Vortrag und ein entwickeltes Brettspiel eine Steigerung des Wissens in der Ersten Hilfe und Spaß beim Lernen erzielen konnten (Charlier/De Fraine, 2013). Lubrano et al. konnte zeigen, dass ältere Kinder bessere Ergebnisse in den Prüfungen erzielen. Es wird eine Aufteilung der Unterrichtsstunde in drei Komplexen empfohlen. PADUA (2016), 11(1), 59–64


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Theorie und Demonstration durch den Lehrenden sollten zehn Minuten umfassen, sodass für die Durchführung von praktischen Übungen noch mindestens 25 Minuten zur Verfügung stehen (Lubrano et al., 2005). Eine Übersichtsarbeit greift auf, dass Kinder zwischen sechs und sieben Jahren mit dem Ersten Hilfe Unterricht beginnen sollten, aber dass im Kindergartenalter Schwerpunkte gesetzt werden können. Werden die Ergebnisse unter dem Aspekt der physischen Faktoren verglichen , werden Aussagen zu Alter, Geschlecht und dem Body- Mass- Index (BMI) gemacht. Es gibt einen Zusammenhang zwischen diesen Faktoren und der Kompressionstiefe bei der Herzdruckmassage. Ein BMI >15 bei Neun- bis 18 Jährigen gilt als Schwelle für eine adäquate Herzdruckmassage oder einem Mindestgewicht von 50 kg. Es konnte aufgezeigt werden, dass eine Regression des Wissens bezogen auf den Ausgangswert der Studien stattfindet, wenn keine Wiederholungen der Übungen und Inhalte erfolgt. Es konnten bessere Werte erzielt werden, wenn zwei Sitzungen zum Thema Erste Hilfe durchgeführt wurden oder wenn vor der Befragung ein 15-minütiger Rückblick der Inhalte durch eine Pflegerin durchgeführt wurde (Plant/Taylor, 2013). Für die Schulgesundheitspflege bedeutet das, dass man Kindern ab dem zehnten Lebensjahr die praktischen Anteile der Ersten Hilfe, wie Herzdruckmassage und Beatmung, beibringen kann und dies einmal im Schuljahr thematisieren sollte. Kinder im Alter von sechs bis sieben Jahren können innerhalb von fünf Unterrichtsstunden lernen, bei einer bewusstlosen Person Erste Hilfe anzuwenden. Der Unterricht kann mit einem Brettspiel interessanter und abwechslungsreicher gestaltet werden. Außerdem sollte auf eine strukturierte Gliederung des Unterrichts in theoretische, demonstrative und praktische Anteile geachtet werden. Der zweite Teil der Qualifikationsarbeit beschäftigt sich mit einem Lehr-Lern-Konzept, das vom GRC entwickelt wurde. Das GRC besteht aus deutschen Organisationen wie dem Arbeiter Samariter Bund (ASB), den Johannitern, dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) und mehreren Gesellschaften aus der Medizin. Ebenfalls gibt es eine Zusammenarbeit mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Erste Hilfe (BAGEH). Der Hintergrund für den Unterrichtsentwurf liegt in den Empfehlungen der Richtlinien der AHA 2010, in denen eine Laienausbildung von 20 % erläutert wird. Das GRC macht den Vorschlag, Wiederbelebungskompetenzen innerhalb der Schulzeit zu erwerben und sieht sechs bis zwölf Unterrichtsstunden für die gesamte Schullaufbahn vor. Das Mustercurriculum weist drei altersangepasste Stufen auf. Alle Stufen vermitteln die Inhalte in zwei bis vier Unterrichtseinheiten à 45 Minuten. Die erste Stufe ist für Acht- bis Zehnjährige Schüler entwickelt worden. Die Inhalte sind: Das Grundverständnis des Kreislaufes, der Hilferuf, Alarmierung des Rettungsdienstes, Verständnis der Herzdruckmassage und Anwendung eines Automatisierten Externen Defibrillators (AED). Die zweite Stufe ist auf Zwölf- bis 14-Jährige ausgerichtet und impliziert zusätzlich das Erkennen des Kreislaufstillstandes, Aktivieren von Hilfe und die Durchführung der PADUA (2016), 11(1), 59–64

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Herzdruckmassage. 16 bis 18-Jährige sind die Hauptzielgruppe der dritten Stufe und thematisiert hinzukommend das Verständnis vom Kammerflimmern und die Anwendung der Beatmung inklusive deren Bewertung. Das GRC gliedert den Entwurf in Grob- und Fein-Lernziele, Inhalte und Unterrichtsformate und notwendige Ressourcen. Im Kontext zu dem Unterrichtsentwurf wurde das Interdependenzmodell von Wolfgang Schulz betrachtet. Wolfgang Schulz differenziert die Begriffe Lernen und Lehren. Lernen sind «informationsverarbeitende Prozesse» (Schulz, 1996: 88). «Lernen findet auch statt, wenn keiner da ist, der lehrt» (Schulz, 1995: 93). Durch Interaktion mit der Lebenswelt können Fähigkeiten, Kenntnisse und Einstellungen beeinflusst und verändert werden, was zu einer langfristigen Revision der Verhaltensbereitschaft führt. Der Begriff des Lehrens, oder didaktischen Handelns, ist eine bewusste Handlung oder Maßnahme, die eine Person zum Lernen anregt oder darin unterstützt. Lehren bedeutet, Lernprozesse einzuleiten und zu begleiten und dabei einen respektvollen Dialog zu führen. Wolfgang Schulz hat 1980 ein didaktisches Modell entwickelt. Sein Hamburger Modell zur Planung einer Unterrichtseinheit orientiert sich am Berliner Modell und hat das Ziel, Planungsebenen eines Unterrichts darzustellen. Das Modell ist auf die leitenden Interessen ausgerichtet und umfasst vier Punkte: Die Perspektivenplanung, die Umrissplanung, die Prozessplanung und die Planungskorrektur. Man soll sich der Ausgangslage beider Seiten, Lehrender und Lernender, bewusst werden und Methoden und Medien anwenden, die helfen die Lernziele zu erreichen. Die Perspektivenplanung dient als Orientierung über einen längeren Zeitraum für die Planung des didaktischen Vorgehens. Es werden Richtziele aufgestellt, in denen Ziele des Unterrichts und Erfahrungsmöglichkeiten aufgezeigt und begründet werden. Der Schwerpunkt liegt darauf, welche personalen Bereiche gefördert werden können und welche Art von Erfahrungen der Schüler genutzt werden können, um den Unterricht zu gestalten. Die Umrissplanung erfasst Unterrichtsziele, die Ausgangslage, Vermittlungsvariablen und die Erfolgskontrolle. Die Unterrichtsziele im Rahmen der Umrissplanung werden in die kognitiven, affektiven und psychomotorischen Lernziele differenziert. Da Situationen und Perspektiven interpretiert werden, ist es notwendig, dass die Unterrichtsziele formuliert werden. Dazu werden das Thema, die Intention und die Aktivität miteinander verknüpft. Als Frage formuliert bedeutet das: «Welcher Ausschnitt aus der Realität (Inhalt, Thema) soll mit welcher Absicht (Intention), mit welchem Ziel im Unterricht durch welche Handlungen (Aktivitäten) bearbeitet werden?» (Schulz, 1996: 135). Es sollen Sozial-, Selbst- und Gefühlserfahrungen gemacht werden. Bevor die Lernziele definiert werden, sollte ein dialogischer Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden stattfinden und die Ziele kommuniziert werden. Geschieht dies vorgängig, spricht man von LehrLern-Zielen. Als zweiter Aspekt der Umrissplanung ist die Ausgangslage zu erwähnen. Die Ausgangslage betrachtet die Lern©2016 Hogrefe


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Abbildung 3. Didaktisches Handlungsfeld (Jank/Meyer, 1991: 225)

erwartungen der Schüler, die Bestimmung der Frage, ob es bei der Realisierung des Unterrichtes institutionelle Einschränkungen geben könnte und mögliche Lösungsvorschläge. Es sollte geklärt werden, inwiefern Material, Raum und Zeit zur Verfügung stehen. Die Vermittlungsvariablen sind methodische Modelle, die den Unterricht gliedern, und Sozialformen wie dem Plenumsunterricht, bestehend aus Frontalunterricht oder Gesprächskreisen, Gruppenunterricht, Partnerarbeit, Einzelarbeit, und Aktionsformen wie zum Beispiel Rollenspiele. Ein weiterer Aspekt sind Medien. Diese sind eine objektive Methode, um Unterricht zu gestalten. Medien werden in selbstlehrende Medien und einfache Hilfsmittel differenziert. Einfache Hilfsmittel dienen zur Verständigung von Vorhaben, Bedingungen und Methoden. Selbstlehrende Medien, zum Beispiel Nachschlagewerke und Problemlösungsaufgaben, sind zu bevorzugen, da diese die Autonomie fördern. Genutzt werden können audiovisuelle Medien, aber auch Massenmedien. Orientierung gibt es laut Schulz an dem Erfahrungskegel nach Dale, der genutzt werden kann, um die Wahl von bestimmten Medien zu begründen. Die Erfolgskontrolle als weiterer Unterpunkt der Umrissplanung besteht aus schriftlichen Tests und Befragungen bei den Schülern über den erfolgten Inhalt des Unterrichtes. Der Lehrende kann einen Vergleich und eine Bewertung der Lernausgangslagen durchführen und Lernziele und Lernergebnisse evaluieren. Die Prozessplanung ist die Optimierung und der Transfer der Handlungsmöglichkeiten aus der Umrissplanung

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in einem Entwurf, der realisiert werden soll. Der Lehrende kann explizite Überlegungen entwerfen und die formulierten Unterrichtsziele in Teil-Lernziele präzisieren. Die Planungskorrektur ist notwendig, wenn nicht kalkulierbare Planungswirkungen der Realisierung plausibel sind. Das bedeutet, dass neue Alternativen vergegenwärtigt werden müssen. Die Evaluation sollte bereits während der Lehr-Lern-Arbeit durchgeführt werden, sowie am Schluss, um die Entwicklung richtig einschätzen und den Weg korrigieren zu können. Schulz betont, dass ein Interdependenzverhältnis zwischen den Lernzielen und der Ausgangslage, den Erfolgskontrollen und den Vermittlungsformen vorliegt. Wird die Ausgangslage, die Methoden und Medien oder die Evaluation betrachtet, müssen die übrigen Dimensionen berücksichtigt werden. Die Ziele und die Ausgangslage stehen in einer korrelativen Relation zueinander. Die Formulierung der Lernziele erfordert die Kenntnis der Ausgangslage. Stellt sich diese verändert dar, müssen die Lernziele modifiziert und formuliert werden. Die Lernziele und die Erfolgskontrolle beeinflussen sich insofern, dass sich die Evaluation auf die Lernziele beziehen muss, um zu erkennen, welche Ziele erreicht oder realisiert wurden. Die Vermittlungsformen und die Lernziele stehen in einer wechselseitigen Beziehung, da die Ziele nicht formuliert werden können, ohne dass Methoden und Medien genannt und erläutert werden (Meyer & Jank, 1991; Schulz, 1996). Aufgrund dieser Grundlagen wurde der Unterrichtsentwurf untersucht. Schwerpunkte dabei bildeten die Ausgangslage, die Unterrichtsziele, die Vermittlungsvariablen und die Erfolgskontrolle. Bei der Ausgangslage berücksichtigt der Unterrichtsentwurf die Merkmale der Schulungsgruppe, der Lernerwartungen und der zeitlichen und räumlichen Voraussetzungen, Die Unterrichtsziele werden vom Entwurf definiert (Grob- und Feinlernziele). Auf die Vermittlungsvariablen des methodischen Handlungsmusters, der Sozialformen, der Medien und Hilfen wird eingegangen. Eine Erfolgskontrolle zur Überprüfung des Inhalts wird vom GRC empfohlen. Es wird ersichtlich, dass der Entwurf zusammengefasst anhand des Interdependenzmodells zu betrachten ist. Mit Hilfe dieses Mo-

Abbildung 4. Interdependenzmodell nach Wolfgang Schulz (Jank & Meyer, 1991: 224)

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dells ist es möglich, defizitäre Punkte des Modells zu erfassen und zur Vorbereitung des Unterrichtes zu nutzen. Betrachtet man die Aspekte der Ausgangslage in Bezug auf den Unterrichtsentwurf, können folgende Schlussfolgerungen gezogen werden: Die Schulungsgruppe umfasst acht bis 18-Jährige Schüler. Es wird jedoch nicht auf die Schulform eingegangen, was für den Lehrenden relevant wäre, um die Unterrichtsinhalte anzupassen. So ist an einer Hauptschule mit fünf bis sechs Jahren Schulzeit weniger Zeit vorhanden, das Curriculum anzuwenden als zum Beispiel auf einer Gesamtschule oder einem Gymnasium, wo man von bis zu acht Jahren ausgeht, in denen die Schule besucht wird. Der Entwurf geht davon aus, dass die Schüler im dritten oder vierten Schuljahr die erste Stufe des Curriculums thematisiert haben, in einem Zeitumfang von zwei bis vier Unterrichtseinheiten. Es ist zu berücksichtigen, wenn die Ausgangslage durch den Lehrenden dargestellt wird, dass die erste Stufe des Unterrichtsentwurfes in der Grundschule stattgefunden hat. Die zweite Stufe wird auf einer weiterführenden Schule durchgeführt. Es muss beachtet werden, dass die Schüler aus unterschiedlichen Grundschulen unterrichtet werden sollen. Es soll erfasst werden, ob alle Schüler vergleichbare Vorkenntnisse haben und den gleichen Lernstand aufweisen. Ebenfalls sollte ermittelt werden, ob es bei der vorherigen Unterrichtseinheit durch Fehlen im Unterricht bei Schülern zu Defiziten bei den Vorkenntnissen gekommen ist. Auch die Erfahrungen des Lehrers sollten thematisiert werden. Es ist zu ermitteln, ob es eine erstmalige Durchführung der Unterrichtseinheit ist oder ob der Lehrende bereits Erfahrungen aufweisen kann. Hinzukommend können durch die Spezifität des Themas Unsicherheiten bei dem Lehrenden auftreten. Dieser Aspekt spricht für die Durchführung von professionell Pflegenden, da diese Berufsgruppe Erfahrungen innerhalb der Didaktik und der Ersten Hilfe aufweisen. Im Entwurf werden die praktischen Übungen innerhalb der Klasse durchgeführt. Männliche und weibliche Schüler werden nicht getrennt. Es ist eine Überlegung wert, gleichgeschlechtliche Gruppen bei den praktischen Übungen einzuteilen, da in der Studie von Fleischhackl et al. eruiert wurde, dass männliche Schüler im Vergleich zu weiblichen Schülern bessere Ergebnisse bei der Kompressionstiefe aufweisen (Fleischhackl et al., 2009). Sind die Gruppen gleichgeschlechtlich aufgeteilt, können in beiden Gruppen individuelle Rückmeldungen gegeben werden, die Schüler/innen gezielter fördern. Demotivation durch schlechtere Leistungen gegenüber den Mitschülern bzw. -schülerinnen können vermieden werden. Es kann ermittelt werden, ob es im sozial-familiären Umfeld der Kinder Vorkommnisse gab, bei denen Erste Hilfe angewendet werden musste. Ein Schwerpunkt sollte auf Kinder mit chronischen Erkrankungen liegen. Es sollte fokussiert werden, ob alle Schüler/innen an den praktischen Übungen teilnehmen können oder beispielsweise aufgrund einer Asthma-Erkrankung die Übung der Herzdruckmassage nicht durchgeführt werden sollte. Bei Kindern, die einen Rollstuhl benutzen, muss geklärt werden, ob ein PADUA (2016), 11(1), 59–64

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Transfer auf den Boden nötig ist, um an den Übungen teilzunehmen. Acht bis zwölf Trainingsmodelle pro Klasse scheinen ausreichend, da zwei bis drei Schüler/innen auf ein Übungsmodell kommen. Bei der Anwendung eines AED sollte kritisch betrachtet werden, dass ein bis zwei Geräte pro Klasse zu gering erscheinen. Falls sich 15 Schüler im Einschalten und Positionieren der Elektroden üben sollen, sind die veranschlagten zehn Minuten zu wenig kalkuliert. Ebenfalls erscheinen 90 Minuten zum Thematisieren der Unterrichtsinhalte und zur praktischen Anwendung der Herzdruckmassage, dem Absetzen des Notrufes, der Durchführung der Beatmung und der Anwendung des AED zu gering. Die Planung eines zusätzlichen Zeitpuffers ist gut und kann mögliche Zeitdefizite ausgleichen. Die Vermittlungsvariablen Methoden, Medien und schulorganisatorische Hilfen werden genutzt, um den Unterricht zu gestalten. Im Entwurf werden mehrere Methoden genutzt, wie zum Beispiel eine Gruppendiskussion und eine Frontalpräsentation bei der Einführung des Themas. Die Anwendung der verschiedenen Methodenformen stellt den Lehrenden und die Lernenden jeweils in den Vordergrund, sodass eine Abwechslung gegeben ist. Die Integration von Rollenspielen und praktischen Übungen in den Unterricht ist von Vorteil. Der Einsatz von verschiedenen Medien ist auch sinnvoll, jedoch sollte beachtet werden, dass der Lehrende einen altersgerechten und den Vorkenntnissen angepassten Einstiegsfilm organisieren muss und die dafür benötigten Geräte wie Fernseher und Abspielgeräte zur Verfügung stehen müssen. Der Lehrende muss vor Beginn der Unterrichtseinheit diese Materialien besorgen und einschalten. Mögliche technische Probleme sollten kalkuliert werden. Wenn ein Schulsanitätsdienst zur Verfügung steht, kann dieser in Absprache unterstützend sein. Eine Möglichkeit den Unterricht abwechslungsreicher zu gestalten, ist die Nutzung eines Brettspiels wie Charlier & De Fraine (2013) in ihrer Studie untersuchen. Diese Methode würde sich zur Wiederholung der bereits gelernten Inhalte anbieten. Die Erfolgskontrolle in dem Unterrichtsentwurf soll bei Bedarf durchgeführt werden und kann entweder theoretisch oder praktisch erfolgen. Der Test kann ein vorgegebenes Szenario sein oder Multiple Choice Fragen. In dem Entwurf werden dafür sechs Minuten veranschlagt. In Anbetracht der vorgegebenen Zeit würde sich ein Szenario weniger eignen, da nicht alle Schüler innerhalb von sechs Minuten geprüft werden können. Nutzt der Lehrende einen Multiple Choice Test zur Überprüfung des gelernten Inhaltes, findet nur eine Reproduktion des Wissens statt. Komplexe Zusammenhänge werden nicht hergestellt. Die Formulierung der Lernziele erfordert eine Kenntnis oder eine Einschätzung der Ausgangslage und stellt sich diese verändert dar, so müssen die Lernziele verändert und formuliert werden. Die Lernziele und die Erfolgskontrolle beeinflussen sich insofern, dass sich die Evaluation auf die Lernziele beziehen muss, um zu erkennen, welche Ziele erreicht oder realisiert wurden. Die Vermittlungsformen und die Lernziele stehen in einer wechselseitigen Bezie©2016 Hogrefe


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hung, da die Ziele nicht formuliert werden können, ohne dass Methoden und Medien genannt und erläutert werden. Diese wechselseitigen Beziehungen bilden das Hauptelement des Interdependenzmodells.

Konsequenzen für die Schulgesundheitspflege in Deutschland Derzeit gibt es in Deutschland kein verpflichtendes Curriculum für den Erste Hilfe-Unterricht in Schulen. Eine Implementierung des Unterrichtsentwurfes vom Deutschen Rat für Wiederbelebung wurde im Juni 2014 genehmigt. Eine flächendeckende Verbreitung der Schulgesundheitspflege auf Bundesebene ist in Ansätzen gegeben. Derzeit gibt es in Deutschland vereinzelt Schulgesundheitspfleger bzw. -pflegerinnen an internationalen Schulen. Die Forderung des deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), die Schulgesundheitspflege als Handlungsfeld der Pflege zu gestalten, ist Teil der Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention. Durch die Integration des Ersten Hilfe Unterrichts durch professionell Pflegende in das Schulcurriculum können die Aspekte der Prävention als Schnittstelle genutzt werden. Hervorzuheben ist die gesellschafts- und gesundheitspolitische Relevanz der Thematik, sodass das Konzept zukünftig auch auf der Handlungsebene umgesetzt werden sollte und weiter verfolgt werden muss.

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Fleischhackl R., Nuernberger A., Sterz F., Schoenberg C., Urso T., Habart T. et al. (2009). School children sufficiently apply life supporting first aid: a prospective investigation. Critical care (London, England) 13, 4: R127. German Resuscitation Council (GRC) e. V. & Bundesarbeitsgemeinschaft Erste Hilfe (BAGEH) (Hrsg.) (2013). Ausbildungskonzept für einen Reanimationsunterricht innerhalb der Schul-Curricula in Deutschland. http://www.grc-org.de/reanimationsunterricht/54reanimationsunterricht-in-schulen [Zugriff 19.08.2014]. Hazinski M. F., Markenson D., Neish S., Gerardi M., Hootman J., Nichol G. et al. (2004). Response to cardiac arrest and selected life-threatening medical emergencies: the medical emergency response plan for schools: A statement for healthcare providers, policymakers, school administrators, and community leaders. Circulation 109, 2: 278 – 291. Jank W., Meyer H. (1991). Didaktische Modelle. 1. Aufl. Frankfurt/ Main: Cornelsen Scriptor. Lubrano R., Romero S., Scoppi P., Cocchi G., Baroncini S., Elli M. et al. (2005). How to become an under 11 rescuer: a practical method to teach first aid to primary schoolchildren. Resuscitation 64, 3: 303 – 307. Markenson D., Ferguson J. D., Chameides L., Cassan P., Chung K.-L., Epstein J. et al. (2010). Part 17: First Aid: 2010 American Heart Association and American Red Cross Guidelines for First Aid. Circulation 122, 18: 934 – 946. Nolan J. P., Soar J., Zideman D. A., Biarent D., Bossaert L. L., Deakin C. et al. (2010). European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2010 Section 1. Executive summary. Resuscitation, 81, 10: 1219-1276. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20956052. [Zugriff 19.08.2014]. Plant N., Taylor K. (2013). How best to teach CPR to schoolchildren: A systematic review. Resuscitation 84, 4: 415 – 421. Schulz W. (Hrsg.) (1995). Didaktische Einblicke: «Das Gesicht der Schule gestalten». Weinheim: Beltz. Schulz W. (Hrsg.) (1996). Anstiftung zum didaktischen Denken: Unterricht – Didaktik – Bildung. Weinheim: Beltz.

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Alisa Banovic Studentin Pflegewissenschaft, Master of Science an der Universität Witten/Herdecke, Bachelor of Science Pflege, Gesundheits- und Krankenpflegerin alisa.banovic@uni-wh.de

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Experten aus Erfahrung Peers, chronische Krankheit und Selbstmanagementförderung

In der Gesundheitsversorgung von Menschen, die mit chronischen Krankheiten leben, wird soziale Unterstützung durch «peers» immer bedeutsamer,

Entwicklung und Umsetzung von Selbstmanagementförderung bei chronischer Krankheit auf die Beteiligung und Erfahrung von chronisch Erkrankten bzw. Angehörigen (Lorig, 2015; Lorig et al., 1999).

d. h. durch Personen, die aufgrund ähnlicher Krankheits- und Alltagserfahrungen in einer vergleichbaren Lebenssituation sind. Welche Potenziale, Chancen sowie Grenzen hat «peer-to-peer healthcare» im Kontext von Selbstmanagementförderung? Der Beitrag diskutiert dies anhand von Erfahrungen mit dem Stanford Kursprogramm «Gesund und aktiv leben». Um es an dieser Stelle vorwegzunehmen: Die peer-Thematik zählt für mich zu den faszinierenden aber noch weitgehend unterbeleuchteten Aspekten des Lebens mit chronischer Krankheit und damit der Selbstmanagementförderung bzw. Patientenedukation. Einen Schlüsselmoment, der mir die Relevanz von peers für die Bewältigung chronischer Krankheit vor Augen führte, habe ich in einer Studie erlebt, mit der untersucht wurde, wie chronisch Erkrankte mit Medikamenten umgehen (Müller-Mundt et al., 2008). Während der Datenerhebung stellte ein herzkranker Mann in einem Interview unvermittelt die Frage: «Wie ist das denn so bei anderen Patienten, die Sie interviewen? Sind die – also sagen wir mal jetzt im Vergleich zu mir – eher negativ der ganzen Geschichte gegenüber eingestellt oder jammern die herum?» (vgl. Haslbeck, 2010, S. 146). Da war es: Das Interesse und Bedürfnis, mehr darüber zu erfahren, wie es anderen Personen mit bestimmten Krankheitserfordernissen in vergleichbaren Lebenssituationen ergeht. Diesem Thema widmet sich der vorliegende Beitrag, um das Potenzial, die Chancen aber auch die Grenzen der Unterstützung durch peers für Selbstmanagementförderung bei chronischer Krankheit aufzuzeigen. Anders als bei der eben erwähnten, zufällig entstandenen Gesprächssituation konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen auf den peer-Ansatz als zielgerichtete Form der sozialen Unterstützung in Interventionen bzw. als Bestandteil von Versorgungsleistungen. Hierfür wird auf Erkenntnisse aus der Literatur sowie Erfahrungen und Befunde aus der Einführung des Chronic Disease Self-Management Programs (CDSMP) in der Schweiz und im deutschsprachigen Europa zurückgegriffen. Dieser Ansatz der Stanford Universität setzt seit Jahrzehnten bei der PADUA (2016), 11(1), 65–71 DOI 10.1024/1861-6186/a000295

Leben mit chronischer Krankheit und Selbstmanagement Vorab einige theoriegeleitete Anmerkungen: Seit langem zählen chronische Krankheiten zu den zentralen Herausforderungen im Gesundheitswesen. Infolge demografischer Entwicklungen hat sich das Krankheitsspektrum verändert und der medizinische Fortschritt hat zu langjährigen, oft komplexen Versorgungsverläufen geführt, die chronisch Erkrankten und Angehörigen hohes Engagement bei der Bewältigung der Krankheitserfordernisse abfordern (Haslbeck et al., 2015; Schaeffer, 2009). Die damit angedeutete Dynamik bzw. Verlaufsperspektive des Lebens mit chronischer Krankheit verdienen besondere Erwähnung und waren bereits in den 1970er und 1980er Jahren Gegenstand etlicher Studien von Anselm Strauss und seinem Forschungsteam (Corbin & Strauss, 1985; Strauss & Glaser, 1975). Deren Befunde sind auch Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung für das Verständnis moderner medizinisch-pflegerischer Versorgung relevant, weil sie chronisch Erkrankte und Angehörige als aktive, gestaltende Handelnde betrachten, die im Alltag die Hauptlast der mit einer Krankheit verbundenen Bewältigungsarbeit tragen. Daher haben sie eine zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung: «[…] the central actor on stage is certainly the ill person» (vgl. Strauss, 1990, S. 226). Um diese Rolle ausfüllen und chronische Krankheiten im Alltag bewältigen, genauer: sie selbst managen zu können, müssen sich Erkrankte kontinuierlich beobachten, Handlungsentscheidungen prüfen und abwägen, Handlungsoptionen ausbalancieren und sorgfältig mit ihren Ressourcen umgehen (Schaeffer, 2004). Zudem gilt es, sich selbst zur zentralen Regulationsinstanz und zum Maßstab im Versorgungsgeschehen zu erheben, also Zielentscheidungen festzulegen, umzusetzen und zu kontrollieren sowie selbst Fehlentwicklungen aufzuspüren und zu korrigieren (ebd.). All diese Herausforderungen werden im angloamerikanischen Raum als Selbstmanagement bei chronischer Krankheit gefasst. Dieses Konzept lehnt sich an die Befunde von Strauss et al. an und geht von einem im Rahmen seiner Möglichkeiten autonom handelnden sowie eigenständig ©2016 Hogrefe

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von Jörg Haslbeck


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entscheidenden Individuum aus (Lorig & Holman, 2003). Außerdem wird analytisch an die Anpassungs- und Bewältigungserfordernisse angeknüpft, die chronische Krankheiten auf subjektiver Ebene nach sich ziehen. Gemeint sind krankheits-, alltags- und biografiebezogene Aufgaben beim Selbstmanagement einer dauerhaften Erkrankung, die ebenfalls auf die Pionierarbeiten von Strauss rekurrieren (ebd.; vgl. Corbin & Strauss, 1985; Haslbeck & Schaeffer, 2007). Zu ergänzen sind hier allerdings noch versorgungsbezogene Aufgaben, die in der Selbstmanagementdebatte bislang konzeptionell unterbeleuchtet geblieben sind: Mit dem Beginn und Verlauf chronischer Krankheit gewinnt das Gesundheits- und Sozialsystem mit seiner Instanzenvielfalt und Intransparenz zunehmend an Bedeutung, was für Erkrankte und Angehörige weitere Schwierigkeiten mit sich bringt (Schaeffer & Moers, 2011; Schaeffer, 2004). Zusammenfassend bündelt Abbildung 1 die hier genannten Aspekte im inhaltlich erweiterten Prozess der Selbstmanagementförderung bei chronischer Krankheit nach Taylor et al. (2014).

Selbstmanagementfähigkeiten und -förderung Soeben wurde die Eigenständigkeit bzw. aktive Rolle der Erkrankten sowie ihrer Angehörigen beim Leben mit chro-

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nischer Krankheit unterstrichen: Sie sind diejenigen, die Alltagssituationen bewältigen und managen müssen und die – egal wie – bewältigen und handeln. Wegen der vielen, sich im Krankheitsverlauf immer wieder verändernden Anpassungs- und Bewältigungserfordernisse ergeben sich zahlreiche Überforderungsgefahren, wofür Erkrankte und Angehörige der Unterstützung bedürfen, präziser: der Selbstmanagementförderung. Solche Interventionen zielen darauf ab, zentrale Selbstmanagementfähigkeiten zu vermitteln, auf- bzw. auszubauen (s. Abb. 1; ausführlich Haslbeck & Schaeffer, 2007; Newman et al., 2008). Erkrankte und deren Angehörige sollen unterstützt werden, • Probleme zu erkennen, einzuschätzen und zu lösen: Es braucht (Selbst-)Wahrnehmungs- und (Selbst)Beobachtungsvermögen sowie die Deutungsfähigkeit, Probleme beurteilen, mögliche Lösungsansätze entwickeln und unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln und weiteren Ressourcen umsetzen zu können • tragfähige Entscheidungen zu treffen: Im Krankheitsverlauf stehen unterschiedlichste Entscheidungen an und die Entscheidungsvielfalt nimmt durch den Wandel der Patientenrolle bzw. dem medizinisch-technologischen Fortschritt weiter zu. Entwickelte Lösungen für Probleme und Entscheidungsoptionen gilt es systematisch abzuwägen, wofür u. a. Rollenmodelle (peers) relevant sind

Abbildung 1. Selbstmanagementförderung bei chronischer Krankheit als Prozess (Taylor et al. (2014), basierend auf Corbin/Strauss (1985) und Lorig/Holman (2003) – eigene Darstellung, erweitert um Schaeffer (2004)

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• Ressourcen zu nutzen: Um Krisen, Probleme oder Herausforderungen beim Selbstmanagement selbst anzugehen und zu bewältigen, ist unabdingbar, eigene wie auch die Ressourcen Anderer zu identifizieren, auf ihre Tragfähigkeit zu prüfen, sie alsdann zu erschließen, gezielt einzusetzen und zu nutzen • tragfähige Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten: Um beim Umgang mit Krankheitserfordernissen adäquat unterstützt zu werden, braucht es enge und belastbare Beziehungen, sei es zu professionellen Akteuren oder informellen Helfern aus dem sozialen Umfeld, wofür entsprechende Kommunikationskompetenzen erforderlich sind • eigene Handlungen planen und zielkonform umsetzen: Basierend auf selbst getroffenen Entscheidungen sind Handlungsziele und -pläne festzulegen, die konkret umgesetzt werden. Dazu müssen Informationen und Empfehlungen von Gesundheitsprofessionen oder peers auf die eigene Lebenssituation und die sich im Alltag stellenden Anforderungen zugeschnitten werden, was im Englischen als «self-tailoring» gefasst wird. Diese Selbstmanagementfähigkeiten zu stärken wird als wesentlich angesehen, um Erkrankten bzw. deren Angehörigen die erforderliche Alltags- und Gesundheitskompetenz zur Bewältigung von Krankheitserfordernissen zu vermitteln, was nicht nur deren Lebensqualität und Wohlbefinden fördern, sondern zugleich zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung bei chronischer Krankheit beitragen kann (Bodenheimer et al., 2002). Dafür wurde eine breite Palette an krankheitsspezifischen bzw. -übergreifenden Selbstmanagementprogrammen entwickelt, deren Wirksamkeit andernorts ausführlich analysiert ist (de Silva, 2011; Foster et al., 2007).

Relevanz von Erfahrungswissen Als ein wesentlicher Bestandteil wirksamer Selbstmanagementförderung gilt mittlerweile soziale Unterstützung (Taylor et al., 2014), womit bereits die Bedeutung des Erfahrungsaustauschs bzw. wissens von peers für die Krankheitsbewältigung als auch das Nutzungshandeln bei chronischer Krankheit angedeutet ist. Es existiert ein umfangreiches Spektrum an Zugriffsmöglichkeiten auf peerErfahrungen: Informell als auch formell, reell oder virtuell. Das kann zufällige Gespräche mit «Mitpatienten» im ambulanten oder stationären Setting, Kontakte im Familien- und Freundeskreis, Angebote der Selbsthilfe bis hin zur Einbindung von peers in Versorgungs- und Beratungsangebote umfassen (Coulson & Shaw, 2013; Dennis, 2003). Die wachsende Relevanz der «peer-to-peer» Unterstützung spiegeln auch die Trends bei Informationsund Kommunikationstechnologien bzw. sozialen Medien wider. Zwar sind Gesundheitsprofessionen weiter eine primäre Informationsquelle für chronisch Erkrankte (Marstedt, 2010), aber sie dehnen ihre Suche verstärkt auf das Internet aus: Studienbefunden zufolge sieht sich jePADUA (2016), 11(1), 65–71

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der 6. US-Bürger im Internet nach peer-Erfahrungen um (Fox & Duggan, 2013) und Informationsportale mit erfahrungsbasierten Gesundheitsinformationen, wie etwa HealthTalk in Grossbritannien (www.healthtalk.org), weisen jährlich Zugriffszahlen in Millionenhöhe auf (HealthTalk, 2014).

Empowerment durch «Experten aus Erfahrung» Welcher Nutzen lässt sich aus dem Erfahrungswissen und -austausch mit peers für den Umgang mit chronischer Krankheit ziehen? In der Summe kann es als Empowerment durch «Experten aus Erfahrung» verstanden werden, das die Gesundheitskompetenz, Lebensqualität und schlussendlich Gesundheit chronisch Erkrankter sowie ihrer Angehörigen positiv beeinflussen will, indem diese bei der Bewältigung der Krankheitserfordernisse im Alltag unterstützt werden (vgl. Embuldeniya et al., 2013; Funnell, 2010; Lucius-Hoene, 2008; Ziebland & Herxheimer, 2008): • Chronische Krankheiten gehen oft mit Isolation, konkret: gefühlter Einsamkeit, Entfremdung und Frustration einher, was peers durch soziale Unterstützung beeinflussen können: Reduktion von Einsamkeit, Gefühl der Zusammengehörigkeit, Reziprozität, gegenseitige Akzeptanz, Normalisierung von Krankheitserfahrungen oder Aufbau von Gemeinschaft sind möglich – aber ebenso verstärkte Entfremdungsgefühle, wenn Erkrankte auf andersgelagerte Erfahrungen, Lebenssituationen oder Charaktereigenschaften bis hin zu drastischen Krankheitsschicksalen stoßen • Erstkontakte mit peers werden aus Patientensicht teils als bedeutsamer Wendepunkt im Krankheitsverlauf erlebt, weil dadurch eine anders gelagerte Zukunftsperspektive entwickelt werden kann. Es entstehen Vergleichsmöglichkeiten mit dem Krankheitsschicksal Anderer, was die eigene Lebenssituation relativieren und besser bewältigbar machen kann. Es ermöglicht auch, sich ein Bild vom Verlauf chronischer Krankheit, den Symptomen sowie Therapien zu machen und wie sie sich dauerhaft entwickeln könn(t)en • Mithilfe von peer-Unterstützung kann es gelingen, die Krankheit anzunehmen und Einstellungen zur Erkrankung zu verändern. Selbstwirksamkeit, Selbstvertrauen sowie das Gefühl des Wiedererlangens von Kontrolle über das eigene Leben werden gefördert. Zugleich erhalten Erkrankte und Angehörige Impulse, ihre Prioritäten im Leben zu überdenken, sich beispielsweise weniger materiellen Dingen, dafür vermehrt der Familie und der eigenen Gesundheit zu widmen sowie sich realistische, erreichbare Ziele im Leben zu setzen • Indem das Wohlbefinden und die emotionale Lage bei Erkrankten durch den Kontakt mit peers verbessert werden, kann das zu Verhaltensänderungen und einem aktiven Umgang mit Krankheitserfordernissen anregen (Selbstmanagement). Außerdem werden Bewälti©2016 Hogrefe


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Informiert sein und Handeln

gungsstrategien für den Alltag geliefert, etwa zum Umgang mit Medikamenten, Lebensstiländerungen wie gesündere Ernährung, Bewegung oder für soziale Beziehungen • Bereits angeklungen ist, dass peers Zugang zu alltagsrelevanten Gesundheitsinformationen und basalem Krankheitswissen eröffnen. Das kann krankheits- und therapiebezogene Entscheidungen und die Kommunikation mit Gesundheitsprofessionen beeinflussen. Erfahrungsbasierte Gesundheitsinformationen sind ferner relevant, weil sie Einblick in das Leben mit Krankheit bieten und den Statistiken, Fachbegriffen, Risiken oder Nebenwirkungen ein Gesicht geben bzw. sie greifbarer machen • Schlussendlich verschaffen peers Zugang zu Versorgungsleistungen, neuen bzw. alternativen Therapiemöglichkeiten, ergänzenden Unterstützungsangeboten oder Hilfsmitteln. Zudem kann der Erfahrungsaustausch auf Augenhöhe jenseits des von einem Machtgefälle geprägten Dialogs mit Gesundheitsprofessionen neue Bildungs- bzw. Sozialisationsräume eröffnen, was informelles Lernen und den Erwerb von (sozialen) Kompetenzen begünstigen kann. Diese Liste ließe sich zweifellos fortsetzen und ausdifferenzieren, etwa, inwieweit peer-Unterstützung aufgrund persönlicher Präferenzen, Charaktereigenschaften, Kontextfaktoren oder Krankheitssituationen belastend sein können. An dieser Stelle des Beitrags angekommen, soll aber nun auf Erfahrungen mit dem peer-Ansatz am Beispiel des CDSMP eingegangen werden.

Kursprogramm «Gesund und aktiv leben» eingesetzt wird (Haslbeck, 2011, 2015).1 Das CDSMP kann als durch und durch peer-basiert gelten, weil bereits seine Entwicklung auf den Erfahrungen und Bedürfnissen chronisch Erkrankter fußt, die in Fokusgruppen und aus der Literatur herausgearbeitet wurden (Clark et al., 1991; Lorig, 2015). Zusammen mit peers wurde der Großteil der Kursmaterialien (Kursmanual, Begleitbuch etc.) entwickelt und der Ansatz über die vergangenen 25 Jahre fortlaufend überprüft und weiterentwickelt. Vor allem aber stehen peers als Teilnehmende, Kursleitungen und Trainer im Zentrum des Programms: Im Kurs unterstützen sie sich in der Gruppe gegenseitig, zu zweit moderieren sie die Kurseinheiten unter Zuhilfenahme eines Manuals und paarweise bilden sie – ebenfalls gestützt auf ein Manual – neue Kursleitungen in viertägigen Trainings aus. Über dieses Erfahrungswissen hinaus sind Elemente der sozial-kognitiven Theorie integraler Bestandteil des CDSMP, v. a. die Annahme, dass Menschen an Verhaltensbzw. Rollenmodellen lernen und dafür der Glaube an die eigenen Fähigkeiten, präziser: Selbstwirksamkeit erforderlich ist (Bandura, 2000). Letzteres ist beeinfluss- und veränderbar, etwa durch eigene Erfahrungen und Erfolge, Erfahrungen von Anderen oder durch motivierenden Zuspruch und verbale Unterstützung. Zugleich hängt Selbstwirksamkeit mit Verhaltensänderungen zusammen, indem es beispielsweise Entscheidungen, die getroffen werden, oder Anstrengungen und Handlungen beeinflusst (ebd., s. a. Abb. 1). Mit anderen Worten: Glauben Menschen daran, etwas tun zu können, dann können sie es vermutlich auch – und gelangen eher zum Ziel.

CDSMP: peer-basierte Selbstmanagementförderung

«Rucksack an Erfahrungen»: Praktische Beispiele aus dem CDSMP

Selbstmanagementprogramme, die mit einem peer-Ansatz arbeiten, gibt es nicht wenige (ex. Embuldeniya et al., 2013; Funnell, 2010), aber zu den wohl bekanntesten und international breit eingesetzten zählt das an der Stanford Universität entwickelte CDSMP. 2013 nahmen schätzungsweise bis zu 100 000 Menschen in 36 Ländern an diesem krankheitsübergreifenden Programm teil (Lorig, 2015). Sein Ansatz, Aufbau und umfangreiches Spektrum an Evidenz sind andernorts ausführlich beschrieben und diskutiert worden (ex. Brady et al., 2013; Oryet al., 2013). Hier werden einige Erkenntnisse zum Einbezug und zur Rolle von «Experten aus Erfahrung» in diesem standardisierten sechswöchigen Kursprogramm geteilt, das seit 2012 in der Schweiz und im deutschsprachigen Europa als

Aus der schriftlichen Evaluation2 des CDSMP-Pilots als Kurs «Gesund und aktiv leben» wissen wir, dass Teilnehmende den Kurs außerordentlich positiv beurteilten, dessen Inhalte auf große Zustimmung stieß, und dass sie mit dem Verhalten sowie der Eignung der Kursleitungen überaus zufrieden waren (Haslbeck et al., im Druck). Die Relevanz des peer-Ansatzes war wiederum ein Gegenstand von Fokusgruppen und Einzelinterviews. Welchen Nutzen hat er aus Sicht der Teilnehmenden? Vor allem dem Rollenmodell der peers als Kursleitung bzw. Teilnehmende wurde viel Wertschätzung entgegengebracht, weil sie alle mit einem «beeindruckenden Rucksack an Erfahrungen» zum Umgang mit chronischer Krankheit in den Kurs gekommen seien. Es hat z. B. Ein-

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Für weitere Informationen zum Kursprogramm «Gesund und aktiv leben», der für das deutschsprachige Europa adaptierten Version des CDSMP, das auch auf Französisch vorliegt, siehe die Webseiten des Vereins Evivo Netzwerk (www.evivo.ch) bzw. des nationalen Netzwerks INSEA (http:// www.insea-aktiv.de), Zugriff: Januar 2016. Die Einführung des Kurses «Gesund und aktiv leben» in der Schweiz und im deutschsprachigen Europa wurde 2012 – 2014 evaluiert: Daten aus 35 Kursen von 327 Teilnehmenden wurden schriftlich mit Fragebögen erhoben (n = 278 wurden ausgewertet) und 56 Personen nahmen auch an acht Fokusgruppen und drei Einzelinterviews teil (ausführlich Haslbeck et al., n. d.). Jede 7. Person (13 %) war als Angehörige im Kurs. Die in diesem Beitrag eingebrachten Interviewzitate stammen aus dem qualitativen Teil der Studie.

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druck gemacht, wenn chronisch erkrankte Kursleitungen trotz Schmerzen, Müdigkeit oder Hilfsmitteln, wie etwa einem Sauerstoffgerät, vermeintlich «problemlos» durch den Kurs führten. Mithilfe des peer-Ansatzes kann sich im Kurs eine geradezu katalysierende Wirkung entfalten: «Es war wichtig, dass eine der Kursleitungen selbst etwas hatte, das war hilfreich und motivierend, sich mehr einbringen und ausdrücken zu können», so formuliert eine Kursteilnehmerin den Bezug zum vorher erwähnten Lernen am Verhaltensmodell der sozial kognitiven Theorie. Hier deutet sich ebenfalls an, dass durch den peer-Ansatz in interaktiven Kurselementen ein Gefühl der Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit gefördert wird, was wiederum helfen kann, soziale Isolation zu überwinden. Im erhobenen Datenmaterial klingt beispielsweise an, durch den Kontakt zu anderen Personen im Kurs nicht mehr «allein zu sein und sich als Einzelkämpfer» zu fühlen. Zudem gab es in jeder Kurseinheit Gelegenheiten zum Erfahrungsaustausch, was als vertrauensbildend und motivierend erlebt wurde: «[Es] gab Zweierarbeiten, Dreierarbeiten, in Gruppen und jede konnte der Anderen anvertrauen, was sein oder ihr Problem ist und so hat man einander vielleicht auch ein bisschen helfen können. Weil der Andere vielleicht von einem anderen Standpunkt sieht, wo das Problem liegt und wie man das angehen sollte. Das habe ich sehr gut gefunden». Dieses Interviewzitat verdeutlicht, dass die Teilnehmenden untereinander auf echtes Verständnis stießen, was essentiell für das Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl war. «Es sind ja die unterschiedlichsten [Personen] gekommen und […] es ist trotzdem eine Gleichwertigkeit in der Gruppe da, auch unter den Kursleiterinnen. Es hat jeder seinen Raum gehabt», so heisst es in einer Fokusgruppe. Damit verbunden ist auch eine positive Wirkung auf die Gruppensituation: «Diese Gruppendynamik und diese Herzlichkeit der Leute, das war einmalig. Es war so ein Aufsteller, in der Gruppe zu existieren und mitzumachen, das war sehr sehr positiv». Mit den vorherigen Punkten ist bereits der Bogen zur Selbstwirksamkeit gespannt worden. Indem sowohl Kursleitungen als auch -teilnehmende eigene Erfahrungen mit chronischer Krankheit einbringen, erhalten Gruppenmitglieder Impulse und werden motiviert, eine aktivere Rolle beim Selbstmanagement ihrer Krankheit einzunehmen. Das zeigt sich konkret daran, Anregungen anderer Personen im Kurs anzunehmen, sich bei therapiebezogenen Unklarheiten an Gesundheitsprofessionen wie den Arzt zu wenden und sich zugleich «bewusst eigene Gedanken zu machen», so ein Interviewauszug. Andere Kursteilnehmende resümieren, sie seien wieder mehr bei sich selber angekommen und haben begonnen, unterschiedliche Strategien zu testen, die zu ihnen passen: «Dass man [einfach] ausprobiert, wie es für einen selbst funktioniert und wie es eben nicht funktioniert. Wo man wie ansetzen kann, um das scheinbar Unmögliche möglich zu machen. Und dann den Aha-Moment zu erleben, die Selbstwirksamkeit zu erfahren». In der Summe veranschaulichen diese Aussagen, dass durch peers im Kurs neue Lern- und SozialisationsräuPADUA (2016), 11(1), 65–71

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me erschlossen werden können, was Möglichkeiten für vielfältige Lern-, Erfahrungs- und Experimentierchancen schafft. Die Zuversicht, etwas tatsächlich zu tun und dadurch Herausforderungen beim Leben mit chronischer Krankheit ggf. besser bewältigen zu können, wird im Kurs durch Handlungspläne aufgegriffen. Zwar stehen manche Teilnehmende diesem Selbstmanagementwerkzeug kritisch gegenüber. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Handlungsplan – von der Mehrheit als «Herzstück» des CDSMP angesehen – immens geschätzt wird und gerade peers hier zentral sind: «Jeder hat wieder gesagt, was er von seinem Plan nicht machen konnte und das war irgendwie noch gut, dass man das erfährt, […] dass man das einfach zugibt». Selbst «Misserfolge», so ist hier zu lesen, können aufgrund des Lernens am Modell hilfreich sein und diese «ehrliche Transparenz» bzw. Offenheit innerhalb der Gruppe kann unterstützen, eigene Grenzen beim Selbstmanagement realistisch einzuschätzen. Vor allem aber entfaltet sich durch die Gruppensituation mit peers eine motivierende Wirkung, die als Rückhalt und Ansporn erlebt werden, was wiederum Selbstwirksamkeit und schlussendlich Krankheitsbewältigung im Alltag positiv beeinflussen kann. Beim Selbstmanagement der Erkrankung habe man «wieder einen Kick bekommen», so bringt es ein Interviewauszug auf den Punkt. Für diesen inspirierenden Ansporn ist im Kurs auch die Vergleichsmöglichkeit mit anderen peers relevant, der zu einer Perspektivenerweiterung beitragen und die Rollensituation bei chronischer Krankheit beeinflussen kann. Das Gruppenerlebnis habe Begegnungen mit anderen «normalen Menschen» ermöglicht, deren krankheitsbezogene Probleme teils als schwerwiegender erlebt wurden: «Ich habe einmal gesehen, dass meine Sache gar nicht so schlimm ist, gegenüber den andern, die viel schlimmere Sachen haben». Diese neue Perspektive auf individuelle Krankheitserfordernisse hat nicht nur Konsequenzen, eine Erkrankung schlussendlich annehmen zu können, wie das beispielsweise bei einer seit sieben Jahren an Diabetes erkrankten Person der Fall war, die vor dem Kurs nie mit Dritten darüber gesprochen hat. Die Gruppenerfahrung und das «echte Verständnis» der peers könne auch Angst nehmen und Orientierungshilfe auf dem eigenen Weg hin zu Normalität im Lebensalltag bieten: «Es hat mir viel gebracht, andere zu sehen, die so wie ich seit 43 Jahren Diabetes haben und denen man es nicht ansieht. Das gab mir Vertrauen und ich habe erkannt, dass das einfach etwas ist, was man akzeptieren muss». In solchen Kursen «sehr kranken Menschen begegnen, die trotzdem lachen können», das war die Quintessenz für eine Teilnehmerin. Mit dem peer-Ansatz einher gehen auch Impulse für die Versorgungsnutzung, die sich fördernd auf die Kommunikation mit Fachpersonen sowie den Umgang mit Komplexität im Krankheitsverlauf auswirken können. Der Erfahrungsaustausch in der Gruppe vergegenwärtigt individuelles und kollektives Wissen sowie Fähigkeiten, über ©2016 Hogrefe


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welche die Teilnehmenden verfügen. Angesichts der Informationstsunamis im Gesundheitswesen können peers helfen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen, neue Zuversicht vermitteln und zugleich verdeutlichen, dass ein Hilfsnetz existiert: «Durch diese vielen Therapien und Medikamente, Tipps und Ratschläge, die man immer wieder hört, habe ich irgendwie die Orientierung verloren und ich habe so den Eindruck, dass ich jetzt wieder so ein bisschen den Faden gefunden habe. Es hat sich wieder alles auf das Wesentliche konzentriert, ich habe jetzt wieder Orientierung in dieser Vielfalt und Komplexität gefunden».

Durch peers den «Schalter» beim Selbstmanagement umlegen Welche Wirkung in der Summe die genannten peerAspekte des CDSMP durch ein Zusammenspiel aus Wissensvermittlung und Gruppendynamik entfalten können, illustriert abschliessend folgendes Beispiel eines Teilnehmers – nennen wir ihn mal Andreas (anonymisiert) –, von dem Kursleitungen berichtet hatten. Vom behandelnden Hausarzt war ihm empfohlen worden, an «Gesund und aktiv leben» teilzunehmen, um besser mit den Folgen chronischer Erschöpfung umgehen zu können. Möglicherweise war auch eine depressive Verstimmung im Spiel, da Andreas als bedrückt und antriebsarm wahrgenommen wurde. An den ersten Kurstagen sei Andreas noch zu spät gekommen, habe wenig von sich berichtet und nicht an Gesprächen in den Pausen teilgenommen. Entsprechend vermuteten die Kursleitungen, er würde diesen Kurs wohl abbrechen. In einer Kurseinheit wurde über gesunde Ernährung gesprochen und hier habe Andreas berichtet, er würde kaum kochen, sich eher von Fertiggerichten ernähren. Er möchte dazu aber gerne einen Handlungsplan machen. Als daraufhin eine Teilnehmerin anbot, mit ihm ein gemeinsames Ziel zu setzen und einen eigenen Kochclub zu gründen, kam es zu einem Schlüsselmoment in der Gruppendynamik und mit den Worten einer Kursleitung zu einer «liebevollen Umarmung»: Andreas habe sich ernst genommen gefühlt, was bei ihm «einen Schalter umgelegt» habe. Er kam pünktlicher zum Kurs, beteiligte sich an Pausengesprächen und öffnete sich in der Gruppe. Beispielsweise habe er gegen Kursende berichtet, es falle ihm unglaublich schwer, etwas wegzuwerfen und er habe zuhause so etwas wie ein «Abfallproblem». Mithilfe der Gruppe entwickelte Andreas alsdann einen Handlungsplan, um beim nächsten Altpapier-Abtransport einen Stapel Zeitungen rauszustellen. Darüber hinaus trat er selbstbewusster auf, begann sich nach Kursende in der örtlichen Gemeinde ehrenamtlich zu engagieren und nahm an regelmäßigen Treffen teil, welche von den Teilnehmenden eigeninitiativ organisiert wurden.

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Fazit: peers – die neue Währung im Gesundheitswesen? Wie die Ausführungen zeigen, sind «Experten aus Erfahrung» ein wichtiger, präziser: unverzichtbarer Bestandteil von Selbstmanagementförderung und einer zukunftsweisenden Versorgung bei chronischer Krankheit, zumal Patientenbeteiligung als «neue harte Währung im Gesundheitswesen» angesehen wird (vgl. Vrijhoef, 2015). Durch «peer-to-peer»-Ansätze können Koproduktion von Gesundheit und Empowerment von Patienten verwirklicht werden, indem chronisch Erkrankte darin unterstützt werden, sich über ihre Präferenzen als Nutzer im Gesundheitswesen klar zu werden und diesen zur Geltung bzw. Durchsetzung zu verhelfen (Haslbeck & Schaeffer, 2007). Gegenwärtig sind Empowerment und Partizipation von Patienten erfreulicherweise vermehrt ein Gegenstand gesundheitspolitischer Diskussionen. Selbstmanagementprogramme wie das CDSMP mit einer Jahrzehnte währenden Tradition und umfangreichen Evidenzbasis können als Wegbereiter für diese weiter an Fahrt aufnehmende emanzipatorische Debatte im Gesundheitswesen angesehen werden. Gleichzeitig ist Vorsicht geboten, denn peer-basierte Ansätze bringen auch Herausforderungen und Risiken mit sich. Gelebte Krankheitserfahrungen können sich als problematisch erweisen, weil sie aus Patientensicht einem vorweggenommenen Wissen um eigenes Leiden gleichen (Schaeffer, 2004). Dies kann Teilnehmenden aber auch peer-Mentoren bzw. -Kursleitungen emotional herausfordern und belasten, wenn sie sich mit dem Krankheitsschicksal anderer zu sehr verbunden fühlen oder es gar zu einem Wettbewerb um die schwerste Erkrankung kommt (Embuldeniya et al., 2013). Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass es auch bei peer-basierten Angeboten durch die Expertisierung und exponierte Rolle von peers als Kursleitungen oder Coaches zu asymmetrischen Beziehungen gegenüber den Teilnehmenden kommen kann (ebd.). Daher bedarf es nicht nur einer sorgfältigen Auswahl, soliden Schulung und fortlaufenden Begleitung der peers, sondern optimaler weise auch der Integration solcher Angebote in bestehende Versorgungsleistungen bei chronischer Krankheit. Beides erklärt, warum «peer-to-peer»-Angebote kein Selbstläufer sind und sich vielmehr als komplexe zeit-, ressourcen- und kostenintensive Interventionen erweisen. Dies bestätigen auch die Erfahrungen der Organisationen, die das CDSMP als Kursprogramm «Gesund und aktiv leben» in der Schweiz und im deutschsprachigen Europa mit großem Engagement umsetzen. Allerdings dürfte deutlich geworden sein, dass Erkrankte und Angehörige durch peer-basierte Selbstmanagementförderung auf eine Art und Weise unterstützt werden, die den Gesundheitsprofessionen kaum möglich ist. Im Gegenteil: Deren Versorgungsleistungen können kombiniert und verschränkt mit peer-basierten Interventionen dergestalt immens bereichert werden (hierzu z. B. Schmid-Mohler et al., 2013). Einerseits sind diese sinnstiftend sowohl für diejenigen, die eine aktive Rolle beispielsweise als Kursleitung PADUA (2016), 11(1), 65–71


Informiert sein und Handeln

innehaben, als auch für die Teilnehmenden. Des Weiteren können sie zur Bewältigung chronischer Krankheit authentisch Wege und Möglichkeiten aufzeigen, die Erkrankte und Angehörige auf Augenhöhe erreichen. Diese werden durch die gelebten Erfahrungen bzw. das Rollenmodell der peers bei Entscheidungsprozessen bzw. der Bewältigung von Anpassungserfordernissen bei chronischer Krankheit unterstützt. Das macht solche Angebote zu einem wichtigen Bestandteil zukunftsweisender, patientenzentrierter Versorgung (de Silva, 2011; Taylor et al., 2014). Gerade standardisierte peer-basierte Gruppenprogramme wie das CDSMP können dazu beitragen, die Selbstmanagementfähigkeiten, Lebensqualität, Therapiemotivation aber auch Versorgungsnutzung zu verbessern, was sowohl bei physischen als auch psychischen Gesundheitsproblemen nachgewiesen wurde (Brady et al., 2013; Lorig et al., 2014). Neben solchen Erfolgen haben die Ausführungen verdeutlicht, dass – bei entsprechender alltagsnaher Verankerung und integriert in existierende Versorgungsstrukturen – das Kursprogramm «Gesund und aktiv leben» durch gestärktes Selbstvertrauen auch zwischenmenschliche Beziehungen und ehrenamtliches Engagement im sozialen Umfeld fördern kann (Expert Patients Programme, 2011).

Literatur Bodenheimer T., Lorig K., Holman H., Grumbach K. (2002). Patient self-management of chronic disease in primary care. JAMA. 288, 19: 2469 – 2475. Corbin J. M., Strauss A. (1985). Managing chronic illness at home: Three lines of work. Qualitative Sociology. 8, 3: 224 – 247. Dennis C.-L. (2003). Peer support within a health care context: a concept analysis. International Journal of Nursing Studies. 40, 3: 321 – 32.

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Embuldeniya G., Veinot P., Bell E., Bell M., Nyhof-Young J., Sale J. E. M., Britten N. (2013). The experience and impact of chronic disease peer support interventions: a qualitative synthesis. Patient Education and Counseling. 92, 1: 3 – 12. Haslbeck J., Klein M., Bischofberger I., Sottas B. (2015). Leben mit chronischer Krankheit. Die Perspektive von Patientinnen, Patienten und Angehörigen (Dossier 46.). Neuchâtel: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium Obsan. Haslbeck J., Schaeffer D. (2007). Selbstmanagementförderung bei chronischer Krankheit: Geschichte, Konzept und Herausforderungen. Pflege, 20, 2: 82 – 92. Lorig K. R. (2015). Chronic disease self-management program: insights from the eye of the storm. Frontiers in Public Health. 2: 253. Lorig K. R., Holman H. (2003). Self-management education: history, definition, outcomes, and mechanisms. Annals of Behavioral Medicine. 26, 1: 1 – 7. Schaeffer D. (2004). Der Patient als Nutzer. Bern: Hans Huber. Ziebland S., Herxheimer A. (2008). How patients' experiences contribute to decision making: illustrations from DIPEx (personal experiences of health and illness). Journal of Nursing Management. 16, 4; 433 – 9. Literaturliste beim Verfasser.

Dr. Jörg Haslbeck, MScN Pflege- und Gesundheitswissenschaftler, Kompetenzzentrum Patientenbildung, Careum Forschung, Forschungsinstitut der Kalaidos Fachhochschule und Gesundheit Zürich; seit 2015 Postdoktorand am Institut für Pflegewissenschaft der Universität Basel joerg.haslbeck@careum.ch

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Pflegedirektion

Das Universitätsklinikum Bonn als selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) ist mit 1232 Betten und neun hoch spezialisierten Intensivstationen ein Klinikum der Maximalversorgung. Neben den Aufgaben der Krankenversorgung, einschließlich der Hochleistungsmedizin, gewährleistet es eine enge Verbindung der Arbeitsbereiche mit Forschung und Lehre. Zur professionellen Verstärkung des Teams im Ausbildungszentrum für Pflegeberufe suchen wir für den Bereich der Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege/-Kinderkrankenpflege ab sofort eine/n engagierte/n

Pädagogische/n Mitarbeiter/in als Lehrkraft für die Gesundheits- und Krankenpflege/ Kinderkrankenpflege

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in Vollzeitbeschäftigung (zunächst befristet auf 2 Jahre). Ihre Aufgaben umfassen u.a. • pädagogische und fachliche Leitung der Kurse in der Gesundheits- und Krankenpflege/-Kinderkrankenpflege • Übernahme des theoretischen und praktischen Unterrichts • Begleitung und Anleitung der Auszubildenden in der Praxis • Organisation, Planung und Evaluation von Lehrveranstaltungen • Mitarbeit an der konzeptionellen Weiterentwicklung der curricularen Ausbildungsstruktur • Mitarbeit an umfassenden Schulentwicklungsprozessen Ihr Profil • Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege bzw. Gesundheits- und Kinderkrankenpflege • abgeschlossenes Studium der Pflegepädagogik bzw. ein gleichwertiges berufspädagogisches Hochschulstudium (Diplom/ Master) • die Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit • Kreativität, Engagement und Innovationsbereitschaft für die Mitgestaltung und Einführung neuer Ausbildungskonzepte • Erfahrung in der Umsetzung handlungsorientierter Unterrichtskonzepte Wir bieten Ihnen • verantwortungsvolle Aufgaben an einem modernen Arbeitsplatz • Beschäftigung mit tarifgemäßer Vergütung nach TV-L mit allen Leistungen des öffentlichen Dienstes (u.a. Zusatzversorgung) • umfangreiches Fort- und Weiterbildungsangebot in unserem Bildungszentrum • Möglichkeiten zum Erwerb eines Jobtickets und Nutzung des Betriebskindergartens Chancengleichheit ist Bestandteil unserer Personalpolitik. Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung! Für persönliche Rückfragen steht Ihnen der Leiter des Ausbildungszentrums für Pflegeberufe, Herr Christoph Sebastian Nies, Telefon 0228/287-15037 gerne zur Verfügung. Ihre aussagekräftige Bewerbung senden Sie bitte unter Angabe der Stellenausschreibungs-Nr. 50000724 bis zum 28. Februar 2016 an folgende Adresse: Universitätsklinikum Bonn Pflegedirektor Alexander Pröbstl Sigmund-Freud-Str. 25, 53127 Bonn oder gerne per Mail an pflegedirektion@ukb.uni-bonn.de


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Service

Projekt «Innovative Versorgung von akut erkrankten Bewohnerinnen und Bewohnern im Altenheim» Ziel des Projektes war es, bei Menschen die in einer Pflegeeinrichtung leben, Krankenhausaufenthalte bei akuten Beschwerden zu vermeiden. Damit sollen Orientierungsverlust und Verschlechterung des Allgemeinzustands, vor allem bei Menschen mit Demenzerkrankungen, verhindert werden. Mit welchen Erkrankungen diese Menschen ins Krankenhaus eingewiesen werden, was dort passiert und mit welchen Folgen sie in die Alteneinrichtung zurück kommen waren die Fragen, denen Prof. Christel Bienstein und Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko in NRW nachgingen. Die Wissenschaftlerinnen sind überzeugt, dass die Versorgung akut erkrankter Menschen im Altenheim von den Einrichtungen selbst in vielerlei Weise gefördert werden kann. Das Projektteam entwickelte einen Leitfaden für Altenpflegeeinrichtungen, auf die speziellen Bedürfnisse der Einrichtungen eingeht sowie praktische Anleitungen zur Vermeidung von Krankenhausaufenthalten bieten. Bei der Erstellung dieses Arbeitsbuchs Wurde eng mit Pflegefachpersonen, Heimleitern, Fachärzten und Angehörigen zusammengearbeitet, um besonders praxisbezogene Hilfestellungen zu geben. Das Arbeitsbuch ist in Kürze hier online verfügbar: https://www.uni-wh.de/gesundheit/pflegewissenschaft/ department-pflegewissenschaft/forschung/iva/

Universität Witten/Herdecke verleiht Ehrendoktorwürde an Prof. Dr. Andreas Fröhlich Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) hat Prof. Dr. Andreas Fröhlich für sein Konzept der Basalen Stimulation den Ehrendoktortitel für Gesundheitswissenschaften verliehen. Sein Konzept findet inzwischen Eingang in alle Ausbildungsgänge der Pflegeberufe sowie in Fachweiterbildungen für die Menschen, die der Anästhesie- und Intensivpflege, Palliativpflege, Neurologischen Pflege, gerontopsychiatrischen sowie der neonatologischen Pflege bedürfen. Mit seinem Konzept hat er einen überaus wertvollen Beitrag zur maßgeblichen Erweiterung der pflegerischen Grundlagenkompetenzen geleistet.» Beim Konzept der «Basalen Stimulation» geht es um Unterstützungsmaßnahmen, die die Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Bewegungsfähigkeiten schwer bePADUA (2016), 11(1), 73–74 DOI 10.1024/1861-6186/a000296

einträchtigter Menschen fördern, unter anderem über gezielte Berührungen. Heute ist die Basale Stimulation Ausbildungsbestandteil nahezu aller Pflegeberufe. Weitere Informationen: Prof. Christel Bienstein, christel.bienstein@uni-wh.de oder 02302/926-356 Ein Foto von Prof. Fröhlich zum Herunterladen finden Sie unter www.uni-wh.de/uploads/media/Andreas_Froehlich.jpg

Maßnahmen gegen psychische Überlastung im Job – Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert Pflegestudie am Universitätsklinikum Bonn Mit ca. einer Million Euro fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erstmals ein Forschungsprojekt im Bereich der Pflege am Universitätsklinikum Bonn (UKB). Thematischer Schwerpunkt sind präventive Maßnahmen gegen emotionale Überlastung im Berufsalltag. Ab dem 1. November startete am UKB das neue Forschungsprogramm «Pflege für Pflegende: Entwicklung und Verankerung eines empathiebasierten Entlastungskonzepts in der Care-Arbeit» (empCARE). Das Programm bietet gezielte Präventionsmaßnahmen, um emotionale Belastungsfolgen zu verhindern. So sollen die Arbeitsbedingungen in der Pflege langfristig deutlich verbessert werden. Die Initiatoren erhoffen sich, damit auch, aktiv gegen den Fachkräftemangel und die hohe Fluktuation im Pflegeberuf steuern zu können. Das von der Universität Duisburg – Essen konzipierte Forschungsprogramm sieht kurze Trainingseinheiten und langfristige Coachings vor. Alle Projektpartner schulen ihre Beschäftigten – insgesamt ca. 300 – im Umgang mit verschiedenen Stresssituationen und begleiten diese dann bei der Umsetzung über zwölf Monate. Das UKB schult 50 eigene Mitarbeiter/innen und zudem 60 Beschäftigte aus dem ambulanten Pflegedienst. In Bonn werden außerdem Multiplikatoren ausgebildet: Die Teilnehmer/innen sollen in der Lage sein, ihr Wissen an Kolleg/innen weiterzugeben. Durch die Ausbildung der Trainerkräfte wird der Schulungsaufwand minimiert und der Praxistransfer maximiert. Im Laufe des Forschungsprojektes sollen die Trainingseinheiten weiter optimiert werden, so dass am Ende ein optimal entwickeltes Schulungskonzept steht. Kontakt: Andreas Kocks, Pflegewissenschaftler. E-Mail: Andreas.Kocks@ukb.uni-bonn ©2016 Hogrefe

Informiert sein und Handeln

Meldungen · Neuheiten · Termine


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Informiert sein und Handeln

• Teil I umfasst 7 Module, die der inhaltlichen und selbstreflexiven Auseinandersetzung mit ausgewählten Pflege- und Gesundheitsthemen sowie der Theorie szenischen Spiels dienen. • Teil II umfasst 7 Module zum Schwerpunkt «Spielleitertraining und Supervision» einschließlich der Planung, Durchführung und Auswertung eines eigenen szenischen Spielprojekts.

Start der berufsbegleitenden, wissenschaftlichen Weiterbildung «Spielleiter/in szenisches Spiel, erfahrungsbezogener Unterricht und Supervision» (zertifiziert) im September 2016 Kompetenzförderung ist ein zentrales Thema in der bildungswissenschaftlichen und pflegedidaktischen Theorie und Praxis. Dem szenischen Spiel kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Als Arbeit «an und mit der inneren und äußeren Haltung» zielt szenisches Spiel darauf ab, sowohl soziale und personale als auch emotionale und Körperkompetenzen zu fördern. Es eignet sich zur Fallbearbeitung im Unterricht, zur Erkundung und Erforschung neuer Themen, zur Selbstreflexion und Empathieförderung. Die Weiterbildung umfasst 14 Module und gliedert sich in einen Teil I und einen Teil II:

Anmeldeschluss: 19. August 2016, Start: 23. September 2016, Hochschule Hannover (ZSW), Leitung: Prof. Dr. Uta Oelke und Gisela Ruwe, Kosten: 2.940,00 Euro. Nähere Informationen: http://www.hs-hannover.de/ zwt/veranstaltungen/sys/ws-2016-2017/2016-09-23start-kurs-spielleiterin-szenisches-spiel/index.html Ingeborg Funke: Tel. 0511 9296-3123; Mail: zsw-wb@ hs-hannover.de

Termine 2016 03. bis 04. März 2016

Forschungswelten

München

http://www.forschungswelten.info/

04. März 2016

DGP – Entwicklungen der Pflege in historischer Perspektive

Münster

http://www.dg-pflegewissenschaft.de/2011DGP/ wp-content/uploads/2015/11/2015-11-09-5-DGPFachtag-M%C3%BCnster-2016.pdf

04.bis 05. März 2016

Kongress für Gesundheitsberufe. Interprofessionalität – Realität oder Mythos?

Bern

http://www.insel.ch/

08. bis 09. März 2016

Gesundheitskongress des Westens

Köln

http://www.gesundheitskongress-des-westens.de

08. bis 10. März 2016

Altenpflege Die Messe

Hannover

http://www.altenpflege-messe.de/

11. März 2016

Symposium Versorgung chronisch und mehrfach erkrankter Menschen

Berlin

www.g-plus.org

10. bis 12. März 2016

Deutscher Pflegetag 2016

Berlin

https://deutscher-pflegetag.de/programm.html

18. März 2016

Junger Pflegekongress

Berlin

https://jungepflegenordost.wordpress.com/ kongress-2016/

16. März 2016

Reihe Forum Praxisanleitung 2015/2016 – Ausbildung gestalten

Ulm

https://viovendi.de/veranstaltung/1302/buchung

17. bis 18. April

Interprofessioneller Gesundheitskongress

Dresden

http://www.gesundheitskongresse.de/dresden/2015/

11. bis 13. Mai 2016

Deutscher Wundkongress

Bremen

http://www.deutscher-wundkongress.de/ Allg_info_kongress_w

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PADUA (2016), 11(1), 73–74


Eigennamen in der medizinischen Fachsprache Andreas Winkelmann

Von Achilles bis Zuckerkandl Eigennamen in der medizinischen Fachsprache 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl. 2008. 320 S., Gb € 24.95 / CHF 42.00 ISBN 978-3-456-84470-1 AUCH ALS E-BOOK Wussten Sie schon, dass Alois Alzheimer seine Doktorarbeit über die Ohrenschmalzdrüsen geschrieben hat? Dass es nur eine anatomische Struktur gibt, die nach einer Frau benannt ist? Oder dass Bechterew wahrscheinlich auf Stalins Befehl ermordet wurde?

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treuung alter Menschen sind gründ-

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Vorschau

© BZ-Pflege

Vorschau PADUA 2/2016 Erscheint im April

Schwerpunkt Migration – Kultur – Pflege Weitere Themen: «Oh Captain, mein Captain!» Spiel- und theaterpädagogische Methoden zur Förderung pädagogischer Identitätsentwicklung Mündliche Examensprüfung neu gedacht Das Wuppertaler Modell Grüezi – Hamburger Masterstudierende in der Schweiz Praktikum an der Berner Fachhochschule für Angewandte Wissenschaften – ein Erfahrungsbericht

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Das Beste von Paul Watzlawick – in einem Band!

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Man kann nicht nicht kommunizieren Das Lesebuch Zusammengestellt von Trude Trunk und mit einem Nachwort von Friedemann Schulz von Thun. 2., unveränderte Auflage 2016. 376 Seiten € 19.95 / CHF 26.90 ISBN 978-3-456-85600-1 AUCH ALS E-BOOK

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Kein Satz hat Paul Watzlawick so berühmt gemacht wie dieser: Man kann nicht nicht kommunizieren. Auch ohne Worte stehen wir jederzeit im Austausch mit unseren Mitmenschen – ob wir wollen oder nicht.

schriftstellerischen Talent. Viele seiner beispielhaften Geschichten sind ebenso ins kollektive Bewusstsein übergegangen wie jener Satz über die Unmöglichkeit des Nichtkommunizierens.

Der Philosoph und Psychoanalytiker hat mit seinen Axiomen und Theorien unser Verständnis über Kommunikation radikal und nachhaltig verändert. Auf unerreichte Weise verbindet Watzlawick dabei wissenschaftliche Erkenntnisse mit einem großen

Ergänzt wird der schmucke Band durch ein Nachwort von Friedemann Schulz von Thun sowie durch ein ausführliches Gespräch mit dem Meister, geführt und mit einer biografischen Notiz versehen von Bernhard Pörksen.


Wissen, wie Pflege Wissen schafft

Hermann Brandenburg / Stephan Dorschner (Hrsg.)

Pflegewissenschaft 1

Lehr- und Arbeitsbuch zur Einführung in das wissenschaftliche Denken in der Pflege 3., überarb. u. erw. Aufl. 2015. 320 S., 15 Abb., 27 Tab., Kt € 39.95 / CHF 48.50 ISBN 978-3-456-85159-4 AUCH ALS E-BOOK

Das erfolgreiche Lehrbuch zur Pflege-

zur Entwicklung von Pflegeklassifikati-

wissenschaft bietet einen umfassenden

onen wurden erweitert bzw. aktualisiert.

und verständlichen Überblick über die

Ferner wurden alle Studienaufgaben,

Theorie- und Methodendiskussion der

Literatur- und Internethinweise erneu-

Pflegewissenschaft, an dem kein Stu-

ert, sowie der Serviceteil und das Glos-

dent der Pflegepädagogik, Pflegewis-

sar erweitert.

senschaft und des Pflegemanagements vorbeikommt.

Aus dem Inhalt: • Pflegewissenschaft – Versuch einer

Der Text ist stark nach didaktischen Gesichtspunkten gegliedert und regt mit

Grundlegung • Wissenschaft – Wissenschaftstheorie

Studienaufgaben, Kontrollfragen, Lese-

– Wissenschaftsentwicklung

tipps und weiterführender Literatur so-

• Wissensquellen; Definitionen,

wie Beispielen und Internetlinks zum kritischen Denken und selbstgesteuerten Lernen an.

Entwicklung der Pflegewissenschaft • Pflegewissenschaft und Pflegeforschung • Pflegewissenschaft und Ethik

Für die dritte Auflage wurden alle Kapitel überarbeitet und adaptiert. Das Kapitel «Pflegewissen» und die Angaben

www.hogrefe.com


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