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Bewegungsbezogene Gesundheitskompetenz (bGK) Die Vermittlung von bGK in der Lehre für eine qualitativ hochwertige Klientenversorgung Stephanie Hecht
Regelmäßige körperliche Aktivität birgt enorme gesundheitsförderliche Wirkungen. Ein Großteil der Bevölkerung erreicht jedoch die Mindestempfehlungen für Bewegung nicht. Das Konstrukt Bewe-
Schwerpunkt
gungsbezogene Gesundheitskompetenz adaptiert Ressourcen und Barrieren, um körperliche Aktivität bestmöglich zu initiieren und zu verstetigen. Die Umsetzung verlangt hoch kompetente Gesundheitsexperten, die unterschiedliche Handlungsansätze für die Bedarfe einer Zielgruppe bzw. eines Menschen entwickeln.
Rahmenbedingungen In den letzten Jahren wurde der Erkenntnisstand zu den Wirkungen körperlicher Aktivität auf die Gesundheit sukzessive erweitert: Der aktuelle Report des nordamerikanischen Physical Activity Guidelines Adisory Commitee weist dahingehend gravierende Veränderungen zur Vorgängerversion von 2008 aus (PAGAC, 2018). Neben den schon bekannten Gesundheitswirkungen hinsichtlich Gesamtmortalität, der Prävention kardiometabolischer Erkrankungen und Krebs, erscheint insbesondere die Evidenzlage für psychologisch relevante Gesundheitswirkungen überzeugend (Tabelle 1). Der Bereich „Brain health“ (PAGAC, 2018) beinhaltet unter anderem verstärkte Evidenz hinsichtlich der Förderung kognitiver Funktionen, der Prävention demenzieller Erkrankungen, einer verbesserten Lebensqualität sowie dem reduzierten Auftreten von Depression. Dieser gesundheitswirksame Nutzen durch Bewegung ist nicht nur bei Erwachsenen nachweisbar, sondern ebenso bei Kindern und Jugendlichen, die beispielsweise mit einer spezifischen Gesundheitsstörung wie ADHS diagnostiziert sind (PAGAC, 2018). Einleitend wird in der PAGAC-Schrift allgemein konstatiert: „Physically active individuals sleep better, feel better, and function better.“ (PAGAC, 2018). Die überzeuPADUA (2020), 15 (1), 8–14 https://doi.org/10.1024/1861-6186/a000529
gende Evidenzlage bezüglich Gesundheitswirkungen geht eng mit dem zeitgemäßen Verständnis von Gesundheit einher. Dieses charakterisiert sich nicht ausschließlich über körperlich funktionelle Aspekte, sondern zeigt sich in bio-psycho-sozialen Dimensionen, die über das Individuum hinaus, auch die sozial-ökologischen Bedingungen in den Fokus stellen. Trotz dieser positiven Argumentationslage respektive der außergewöhnlichen Gesundheitseffekte, die sich im gesamten Versorgungsspektrum von Gesundheitsförderung, Prävention über Rehabilitation und Therapie bis hin zur Pflege, erzeugen lassen, bewegen sich die Menschen immer weniger. Die Autorengruppe um Froböse legt im DKV-Report 2018 dar, dass Bewegungsmangel in Deutschland ein immer größeres Ausmaß annimmt (Froböse et al., 2018). Waren es im Jahr 2010 noch 60 %, so konnten 2018 nur noch 43 % der befragten Bundesbürger die Mindestempfehlungen für gesundheitswirksame körperliche Aktivität erfüllen (Froböse et. al, 2018). Diese angesprochenen Aktivitätsempfehlungen sind seit 2016 in deutscher Sprache zugänglich (Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung – NEBB, Rütten & Pfeifer, 2016) und orientieren sich an den von der WHO 2010 erarbeiteten Richtlinien (WHO, 2010). Erwachsene sollten demnach mindestens 150 Minuten aerobe körperliche Aktivität mit moderater Intensität (z. B. 5 × 30 Minuten zügiges Gehen) oder 75 Minuten aerobe körperliche Aktivität mit höherer Intensität (z. B. Joggen) oder jeglicher Kombination der beiden Varianten pro Woche nachgehen und darüber hinaus muskelkräftigende körperliche Aktivitäten an mindestens zwei Tagen pro Woche ergänzen (Rütten & Pfeifer, 2016). In den NEBB wird weiterhin dargelegt, dass es sich dabei um das Minimum an körperlicher Aktivität handelt: Durch eine Steigerung des Umfangs und / oder der Intensität der Bewegung können weitere Gesundheitseffekte wirksam werden (Rütten & Pfeifer, 2016). Es finden sich in den nationalen Empfehlungen noch folgende brisante Aspekte im Bezug zur Durchführung der gesundheitsförderlichen Aktivität: • Der Umfang der Bewegungseinheit ist vordergründig, nicht die Art der Bewegung. ©2020 Hogrefe