Leseprobe PADUA 1/2020

Page 21

15

Bedürfnisgerechte Information von Angehörigen kritisch Kranker Eine Analyse des Informationsangebots auf Webseiten bayrischer Intensivstationen

Angehörige kritisch kranker Menschen haben ein vielschichtiges und umfassendes Bedürfnis nach Informationen. Die Webseiten von Intensivstationen könnten mit relevanten und verlässlichen Informationen einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Angehörige im Umgang mit der belastenden Situation zu unterstützen. In Rahmen einer Bachelorarbeit wurde untersucht, inwiefern die Webseiten bedürfnisgerechte Informationen anbieten.

Die Bedeutung der Suche nach Informationen Die Aufnahme eines Menschen auf eine Intensivstation hat vielfältige Auswirkungen auf seine Angehörigen. Als zentrale Aspekte arbeiteten Nagl-Cupal und Schnepp (2010) in ihrer Metasynthese zu den Auswirkungen und Bewältigungsstrategien von Angehörigen kritisch Kranker „Leben mit der Unsicherheit“, „Emotionale Reaktionen“ und „Veränderte Rollen und Verantwortlichkeiten“ heraus. Um diese Auswirkungen bewältigen zu können, entwickeln Angehörige verschiedene Bedürfnisse. An erster Stelle steht hier das Bedürfnis nach Informationen (Davidson, 2009; Nagl-Cupal, 2012). Nagl-Cupal und Schnepp kommen auf Basis ihrer Metasynthese auch zu dem Schluss, dass „… der Bedarf an Informationen häufig viel größer als angenommen ist und viel höher als er auch befriedigt wird“ (ebd. S. 76). Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Zufriedenheit mit der Kommunikation nicht immer ausschlaggebend dafür ist, ob Angehörige aktiv nach weiteren Informationen suchen. Denn eine hohe Zufriedenheit mit der Kommunikation von Fachpersonen führt nicht automatisch zu einem ausreichenden Verstehen von Diagnose, Prognose und Behandlung (Mathew et al., 2015). Gerade dieses Verständnis stellt jedoch eine zentrale Voraussetzung für Angehörige dar, stellvertretend die ©2020 Hogrefe

richtigen Entscheidungen treffen zu können (Cox et al., 2014). Die eigene Suche scheint daher durch das Bedürfnis motiviert zu sein, zu einem vertiefteren Verständnis der Krankheit und Situation der Betroffenen zu gelangen (Chan & Twinn, 2007; Nguyen et al., 2017). Zudem kann eine Nicht-Erfüllung des Informationsbedürfnisses mit der gleichzeitigen Anforderung, Entscheidungen treffen zu müssen, bei Angehörigen kritisch Kranker das Risiko erhöhen, eine post-traumatische Belastungsstörung zu erleiden (Azoulay et al., 2005). Diese geht mit verschiedenen Reaktionen einher, wie z. B. Unzufriedenheit, Ängsten, Schlaflosigkeit, Depressionen, die unter dem Komplex „postintensive care syndrome-family“ (Davidson, et al., 2012) zusammengefasst werden. Das tiefere Verstehen trägt damit in gewisser Weise auch zur Bewältigung der mit der Situation verbundenen eigenen Belastung der Angehörigen bei. Daher kann es für Angehörige wichtig sein, auch bei einem als zufriedenstellend erlebten, standardmäßigen Informationsangebot durch das Fachpersonal selbst nach Informationen zu suchen. Auf Intensivstationen gehört die Vermittlung von Informationen im Wesentlichen zur Aufgabe zweier Professionen. Behandelnde Ärzt_innen sind gemäß § 630c PRG (Patientenrechtegesetz) verpflichtet, Patient_innen zu Beginn und im Verlauf der Behandlung wesentliche Umstände in verständlicher Weise zu erläutern. Auch Pflegende sind laut § 5 PflBG (Pflegeberufegesetz) zur Beratung und Begleitung der zu pflegenden Menschen in allen Lebensphasen verpflichtet. Die Betroffenen hierbei immer auch zu unterstützen, selbständig Gesundheitsinformationen zu finden, diese zu verstehen und zur Entscheidungsfindung zu nutzen, kurz gesagt, Gesundheitskompetenz zu fördern (Sørensen et al., 2012, S. 3), kommt in zweifacher Hinsicht Bedeutung zu. Aus Sicht der Angehörigen scheinen die eigene Suche nach und Auseinandersetzung mit Informationen eine wichtige Bewältigungsfunktion einzunehmen. Aus professioneller Sicht fordert die Umsetzung des nationalen Gesundheitsziels „Förderung von Gesundheitskompetenz“ von allen Gesundheitsprofessionen, qualitätsgesicherte Gesundheitsinformationen zu empfehlen (Schaeffer et al., 2018). PADUA (2020), 15 (1), 15–22 https://doi.org/10.1024/1861-6186/a000530

Schwerpunkt

Cornelia Kölblin und Doris Eberhardt


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.