Leseprobe Pflege 2019

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Jahrgang 31 / Heft 1 / 2018

Pflege Herausgeberinnen und Herausgeber Dietmar Ausserhofer Katrin Balzer Gabriele Meyer Martin Nagl-Cupal Eva-Maria Panfil Anna-Barbara SchlĂźer Berta Schrems

Die wissenschaftliche Zeitschrift fĂźr Pflegeberufe Erleben einer pflegegeleiteten Transitionssprechstunde Schwellungsreduktion nach Knietotalprothese Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler in High Impact Journals Gezielte Entwicklung von Advanced Practice Nurse-Rollen


Wege zur werteorientierten Pflege

Derek Sellman

Werteorientierte Pflege Was macht eine gute Pflegende aus? Grundlagen ethischer Bildung für Pflegende Deutsche Ausgabe herausgegeben von Diana Staudacher. Übersetzt von Sabine Umlauf-Beck. 2017. 152 S., 1 Abb., Kt € 29,95 / CHF 39.90 ISBN 978-3-456-85665-0 Auch als eBook erhältlich

„Was zeichnet eine gute Pflegefachperson aus?“ – Diese Frage steht am Anfang von Derek Sellmans Fachbuch für Pflegepraktiker und -lehrer, das zentrale Werte und Tugenden der Pflege klärt. 27.09.17 11:03

Das Buch versteht sich als ein Gegenentwurf zu einem ökonomisierten, ergebnisorientierten Pflegeverständnis. Der Autor definiert Pflege auf patientenorientierte Weise, als Antwort auf die besondere Verletzlichkeit des erkrankten Menschen. Patienten legen Wert darauf, dass Pflegende

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nicht nur fachkompetent sind, sondern auch über ethische Tugenden wie Vertrauenswürdigkeit, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Mut und Offenheit verfügen. Deshalb plädiert Derek Sellman dafür, pflegerische Ethik auf professionelle Tugenden zu gründen, statt auf Regeln und Normen. Das einleitende Essay betrachtet Derek Sellmans philosophische Fundierung der pflegerischen Praxis und Ausbildung im Licht europäischer Forschungsdiskurse.


Pflege Die wissenschaftliche Zeitschrift für Pflegeberufe

Jahrgang 31 / Heft 1 / 2018

Herausgeberinnen und Herausgeber Dietmar Ausserhofer Katrin Balzer Gabriele Meyer Martin Nagl-Cupal Eva-Maria Panfil Anna-Barbara Schlüer Berta Schrems


Herausgeberinnen und Herausgeber

Dietmar Ausserhofer, Bozen/Bolzano Katrin Balzer, Lübeck Gabriele Meyer, Halle (Saale) Martin Nagl-Cupal, Wien Eva-Maria Panfil, Zürich Anna-Barbara Schlüer, Zürich Berta Schrems, Maastricht/Wien

Redaktorin

Andrea Kurz, Weilheim

Redaktionssekretariat

Rosemarie S. Völkle, redaktion.pflege@hogrefe.ch

Verlag

Hogrefe AG, Länggass-Straße 76, Postfach CH-3000 Bern 9, Tel. +41 (0) 31 300 45 00, verlag@hogrefe.ch, www.hogrefe.ch

Anzeigenleitung

Josef Nietlispach, Tel. +41 (0) 31 300 45 69, inserate@hogrefe.ch

Abonnemente

Tel. +41 (0) 31 300 46 91, zeitschriften@hogrefe.ch

Herstellung

Stefan Schüpbach, Tel. +41 (0) 31 300 45 77, stefan.schuepbach@hogrefe.ch

Satz und Druck

AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten

Sprache

Deutsch/Englisch

Erscheinungsweise

6x jährlich

Gelistet in

Pflege ist gelistet in Science Citation Index Expanded (SCIE, SciSearch), Social Sciences Citation Index, Social Scisearch, Journal Citation Reports/Social Sciences Edition, Journal Citation Reports/Science Edition, Cumulative Index to Nursing & Allied Health Literature (CINAHL), Medline, EMCare und Scopus.

Impact Factor

0.192 (2016 Journal Citation Reports® Science and Social Sciences Editions [Clarivate Analytics, 2017])

Preise

Jahresabonnementspreise: Institute: CHF 333.– / € 259.– Private: CHF 118.– / € 87.– Private e-only: CHF 100.– / € 78.– Vorzugspreis für Pflegeschüler/innen, Teilnehmer/innen an Weiterbildungen im Pflegebereich und Studierende (nur gegen Nachweis): CHF 67.– / € 50.– Porto und Versandgebühren: Schweiz: CHF 14.– Europa: € 15.– Übrige Länder: CHF 26.– Einzelheft: CHF 51.– / € 37.50 (+ Porto und Versandgebühren) © 2018 Hogrefe AG, Bern Nachdrucke sind, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Bewilligung des Verlags gestattet. Pflege ist peer-reviewed. Jeder publizierte Beitrag wurde von zwei Mitgliedern des Board of Consultants begutachtet. ISSN-L 1012-5302 ISSN 1012-5302 (Print) ISSN 1664-283X (online)

Pflege (2018), 31 (1)

© 2018 Hogrefe


Inhalt Editorial

30 Jahre Pflege – Sichtweisen zur Zukunft der Pflege

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Katrin Balzer, Berta Schrems Originalarbeiten

Wie Eltern und ihre Kinder die pflegegeleitete Transitionssprechstunde für Adoleszente mit angeborenen Herzfehlern erleben – Eine interpretierende phänomenologische Studie

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Corina Thomet, Carina Lindenberg, Markus Schwerzmann, Elisabeth Spichiger Lymphologischer Kompressionsverband oder Standardbehandlung mit Kältepackung zur Schwellungsreduktion nach Knietotalprothesen-­ Operation – Eine randomisiert-kontrollierte, einfach verblindete Pilotstudie

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Brigitta Stocker, Christine Babendererde, Manuela Rohner-Spengler, Urs W. Müller, André Meichtry, Hannu Luomajoki Repräsentanz von Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern aus dem deutschsprachigen Raum in Zeitschriften mit hohem Impact Factor – Eine bibliometrische Publikationsanalyse

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Julian Hirt, Christian Buhtz, Benedikt Mersdorf, Gabriele Meyer Aus der Praxis – für die Praxis

Gezielte Entwicklung von Advanced Practice Nurse-Rollen für spezifische Patient(inn)engruppen in einem Schweizer Universitätsspital

41

Elisabeth Spichiger, Maya Zumstein-Shaha, Maria Schubert, Luzia Herrmann Les-Art

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In eigener Sache

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Buchbesprechungen

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Kongresskalender

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© 2018 Hogrefe Pflege (2018), 31 (1), 3


Entbürokratisierte Pflegedokumentation anwenden

Christiane Panka (Hrsg.)

Pflegedokumentation entbürokratisiert Reorganisation der Altenpflege mit dem Strukturmodell 2018. 312 S., 122 Abb., Kt € 34,95 / CHF 45.50 ISBN 978-3-456-85740-4 Auch als eBook erhältlich

18.09.17 13:33

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Wie sich die überbordende Dokumentation in der Altenpflege entwickelt hat, wie dadurch personelle Ressourcen von der direkten Pflege abgezogen wurden und wie sich Bürokratismus und Versorgungsnotstand verschärft haben, zeigt die erfahrene Pflegewirtin und Qualitätsmanagerin in ihrem Fachbuch für Pflegepraktiker und Führungskräfte in der Pflege.

Sie beschreibt Elemente und Inhalte des Strukturmodells zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation und gibt Umsetzungstipps. An acht Einrichtungen wird exemplarisch dargestellt, wie, mit welchen Werkzeugen und Ergebnissen das Modell eingeführt und geschult wurde. Abschließend skizziert die Herausgeberin zukünftige Perspektiven und Risikobereiche einer nachhaltigen Entbürokratisierung der Pflegedokumentation.


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Editorial

30 Jahre Pflege – Sichtweisen zur Zukunft der Pflege Katrin Balzer und Berta Schrems Das Jahr 2017 ist Geschichte und damit auch der 30. Jahrgang der „Pflege – Die wissenschaftliche Zeitschrift für Pflegeberufe“. Es war ein Jubiläumsjahrgang, und aus diesem Anlass hatten die Herausgeberinnen und Herausgeber der Zeitschrift mehrere Vertreterinnen und Vertreter aus unterschiedlichen Bereichen der Pflege oder mit dem Pflegeberuf assoziierten Arbeitsfeldern eingeladen, schriftlich in Frage-Antwort-Form Stellung zum Stand und zu den künftigen Herausforderungen der Pflege und der Pflegewissenschaft im deutschsprachigen Raum zu beziehen. Als Einstieg diente eine von Silvia Käppeli und Martha Meier im Editorial der ersten Ausgabe zitierte Aussage von Virginia Henderson zu den Möglichkeiten des grenzenlosen Einflusses der Pflege auf die Gesundheitspflege. Das Herausgebergremium versprach sich von den Antworten der Expertinnen und Experten Hinweise auf zentrale Entwicklungslinien rund um den Pflegeberuf und seine wissenschaftlichen Grundlagen, aber auch darauf, inwiefern eine deutschsprachige pflegewissenschaftliche Zeitschrift wie die Pflege hierbei weiterhin ihre Berechtigung und Bedeutung hat. Insgesamt konnten 17 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Praxis, Management, Forschung und Bildung der Pflege sowie aus der Berufs- und Gesundheitspolitik und angrenzenden Bereichen für dieses Anliegen gewonnen werden, gleichmäßig verteilt über verschiedene Tätigkeitsfelder und die drei Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz. Unter dem Titel „30 Jahre Pflege – ein Blick in die Zukunft“ wurden die Beiträge in den Ausgaben 02 bis 05 / 2017 publiziert. Ausgabe für Ausgabe entfalteten sie ein breites Panorama an Perspektiven auf die berufliche Pflege und die Pflegewissenschaft im deutschsprachigen Raum, in der Rück- wie in der Vorausschau. Bei aller Diversität lassen sich einige zentrale Themen erkennen, die hier kurz zusammengefasst und reflektiert werden sollen.

Meilenstein hochschulische Erstausbildung Als ein dominierendes Thema in den Positionen der befragten Expertinnen und Experten erwies sich die zunehmende Akademisierung des Pflegeberufs in den drei Ländern. Insbesondere die Etablierung hochschulischer Ausbildungswege in der Pflege wurde bei der Frage nach positiven Entwicklungen und Erreichtem oft an erster Stelle genannt. Ungeachtet aktueller Unterschiede in den normativen Rah-

r‘s Edito e c Choi

menbedingungen – von der generellen Verlagerung der Pflegeausbildung in den Tertiärbereich in Österreich über teils bereits längere Traditionen tertiärer Ausbildungswege in der Schweiz bis hin zum fortbestehenden Modellcharakter bis 2020 in Deutschland – wird der inzwischen in allen drei Ländern mögliche akademische Zugangsweg zum Pflegeberuf übereinstimmend als ein Meilenstein für die weitere Professionalisierung gesehen. Die Erwartungen an die Effekte der Akademisierung der Primärausbildung sind beträchtlich und reichen von der Gewährleistung der Patientensicherheit bis hin zur Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs und, damit verbunden, zur Sicherstellung eines ausreichenden Berufsnachwuchses unter den Bedingungen des demografischen Wandels. Durchgehend wird die hochschulische Primärausbildung als Grundvoraussetzung für den Erwerb der für eine evidenzbasierte Praxis erforderlichen Kompetenzen in der Aneignung, kritischen Reflexion und Implementierung wissenschaftlicher Erkenntnisse gesehen. Zudem sollen Pflegepersonen mit der Anhebung des Bildungsniveaus zu gleichberechtigten Partnerinnen und Partnern in einer interprofessionellen Zusammenarbeit auf Augenhöhe werden. Mehr oder weniger explizit wird darüber hinaus erwartet, dass akademisch ausgebildete Pflegende Führungsrollen in der fachwissenschaftlichen Weiterentwicklung der Pflegepraxis übernehmen und in der Lage sind, die Positionen und den gesellschaftlichen Wert des Pflegeberufs nach innen wie nach außen offensiv und gut begründet zu vertreten. Vorerst, und dies wurde von den Expertinnen und Experten auch anerkannt, sind diese Erwartungen aber weitestgehend noch zu beweisende Hypothesen. Im Hinblick auf die weitere Entwicklung der hochschulischen Ausbildung wurde daher neben einer Harmonisierung der Studienangebote vor allem eine systematische Evaluation der Qualität der Studienprogramme sowie der Auswirkungen neu entstehender Kompetenzniveaus und -profile gefordert. An offenen Fragen mangelt es nicht. So wurde wiederholt die Notwendigkeit des frühzeitigen interprofessionellen Lernens betont, jedoch nicht näher ausgeführt, wie dies gelingen kann, wenn die hochschulische Ausbildung bevorzugt an Fachhochschulen fern von Universitäten mit medizinischen Fakultäten erfolgt. Kaum reflektiert wurden auch die Unterschiede zwischen den Ländern: künftig Vollakademisierung auf der Pflegefachkraftebene in Österreich versus verschiedene Zugangswege zum Beruf in der Schweiz und in Deutschland. Wie viele akademisch ausgebildete Pflegefachkräfte werden benötigt? Hundert Prozent oder zwanzig

© 2018 Hogrefe Pflege (2018), 31 (1), 5–7 https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000597


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Prozent, wie vom Wissenschaftsrat in Deutschland empfohlen (Wissenschaftsrat, 2012)? Und welcher Strategien bedarf es tatsächlich, um künftig genügend junge Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern und in diesem zu halten? Ohne dass diese Fragen von uns an die Expertinnen und Experten gestellt worden waren, wurde aus den vorliegenden Antworten deutlich, dass diese Themen weitestgehend noch eine „terra incognita“ sind.

Hochschulische Ausbildung darf kein Selbstzweck sein Wenngleich der hochschulischen Erstausbildung durchgehend ein hoher Stellenwert auf dem Weg der Selbstermächtigung des Pflegeberufs eingeräumt wurde, ging aus den Interviews auch hervor, dass dieser Meilenstein kein Selbstzweck sein darf, sondern Startpunkt und Motor weiterer Entwicklungen sein muss. Gerade diesbezüglich kamen beitragsübergreifend jedoch einige Leerstellen zur Sprache, sowohl die Praxis als auch die Wissenschaft der Pflege ­betreffend. Für die Praxis wurde insbesondere ein hoher Bedarf an Entwicklung, Implementierung und Evaluation innovativer, multiprofessioneller Versorgungsmodelle konstatiert. Diese sollten, so die Befragten, Antworten auf sich ändernde Versorgungsbedürfnisse und -bedarfe geben sowie die Rollen von Pflegefachpersonen unterschiedlichen Qualifikationsniveaus definieren und die berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit neu gestalten. Dies auch, um die Attraktivität des Berufes zu erhöhen und damit dem Fachkräftemangel begegnen zu können. Für das Pflegemanagement und die Pflegewissenschaft wurde zudem auf die Notwendigkeit hingewiesen, noch mehr als bisher akademische Weiterbildungs- und Laufbahnmodelle zu etablieren, die Perspektiven nach einem Bachelorabschluss bieten, sei es in Richtung des Modells „Advanced Nursing Practice“ oder in Richtung pflege- und versorgungswissenschaftlicher Master- und Promotionsprogramme. Dies sei geboten, um mit rasanten Entwicklungen in der Gesundheitsversorgung – als Stichwörter seien „personalisierte Medizin“, „personenzentrierte Versorgung“ oder „IT 4.0“ genannt – nicht nur Schritt zu halten, sondern diese auch mitzubestimmen sowie pflegerische Aufgabenfelder in der Primärversorgung, in der Angehörigenarbeit und in der Beratung weiterzuentwickeln. Erforderlich hierfür seien sowohl die forschungsbasierte Generierung und Überprüfung von Wissen als auch Kompetenzen und Strategien für eine effektive Implementierung dieses Wissens in zunehmend komplexen, sich diversifizierenden Versorgungskontexten. Bedarf wurde darüber hinaus für mehr und stärker empirisch unterfütterte Master-Studienangebote für die Qualifizierung von Lehrenden in der pflegerischen Aus- und Weiterbildung signalisiert, um die Qualität der Lehre sicherzustellen und einem drohenden Mangel an Lehrenden zuvorzukommen. Obwohl unter den befragten Expertinnen und Experten große Übereinstimmung hinsichtlich der ZukunftsaufgaPflege (2018), 31 (1), 5–7

ben von Pflegepraxis-, -management, -bildung und -wissenschaft bestand, blieb relativ unbestimmt, wie diese Anforderungen umgesetzt werden können. So ergibt sich beispielsweise die auch pflegewissenschaftlich zu beantwortende Frage, wie bezahlbare, für professionell Pflegende wie Pflegebedürftige gleichermaßen attraktive Pflegearrangements gestaltet sein sollten, um die Versorgung bei langzeitigem Unterstützungsbedarf zu decken. Ebenso noch zu klären ist, inwieweit die Diversifizierung pflegerischer Kompetenzniveaus und Aufgabenfelder tatsächlich ein probates Mittel ist, um dem Fachkräftemangel und damit der „nurse migration“ zulasten von Drittländern entgegenzuwirken, oder dies eher unnötig die Komplexität von Versorgungsprozessen und -strukturen erhöht und die pflegeberufliche Identität aushöhlt. In einem Punkt zeigten sich die Expertinnen und Experten jedoch einig: Sollen die beschriebenen Ziele erreicht werden, müssen Vertreterinnen und Vertreter des Pflege­ berufs mehr als bisher Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse nehmen, auf der Organisationsebene in den Einrichtungen ebenso wie auf der Systemebene in der Gesundheitspolitik. Sich mit Gesundheitspolitik auseinanderzusetzen, Debatten zu initiieren oder sich in diese einzubringen, bestehende Entscheidungsspielräume auszuschöpfen oder sich neue zu erarbeiten – auch dies gehöre zur gesellschaftlichen Verantwortung des Pflegeberufes. Bezogen auf das zu kommentierende Eingangszitat von Virginia Henderson wurde unisono konstatiert, dass der Pflegeberuf noch lange nicht seine Einflussmöglichkeiten ausgeschöpft habe und beruflich Pflegende gefordert seien, stärker selbst Verantwortung für die Entwicklung des eigenen Berufs zu nehmen. Als Instrumente hierfür wurden beispielsweise Fachgesellschaften oder Pflegekammern genannt.

Zeit für eine neue Forschungsagenda? Auch im Hinblick auf die Pflegeforschung stimmten die Positionen der Expertinnen und Experten weitestgehend überein. Aktuelle Debatten reflektierend, etwa zum künftigen „skill“- und „grade“-Mix in der Pflege, zu künftigen Verantwortungs- und Aufgabenbereichen der Pflege in der Gesundheitsversorgung, zur Rolle moderner Technologien für die Pflege oder zu den sich ändernden Informations- und Selbstbestimmungsbedürfnissen pflegebedürftiger Menschen, äusserten die Befragten einen großen Bedarf an theoretisch und empirisch fundiertem Wissen. Essenziell sind aus ihrer Sicht eine hohe Praxisrelevanz und eine gute Beweiskraft der Forschungsergebnisse sowie eine vermehrte Evaluation ökonomischer Implikationen pflegerischer Versorgungsprozesse und -strukturen. Gerade Letzteres wurde als wichtig hervorgehoben, um den Nutzen und den gesellschaftlichen Wert einer ­hochqualifizierten Pflege kraftvoller als bisher in Diskurse und Entscheidungsprozesse auf Organisations- oder Systemebene einbringen zu können. Damit einhergehend fan© 2018 Hogrefe


Editorial 7

den sich auch Plädoyers für eine stärkere Öffnung für ­Fragestellungen auf der Organisations- oder Systemebene über einzelne Patientengruppen hinaus, um prinzipielle Determinanten, Mechanismen und Effekte pflegerischen Entscheidens und Handelns besser verstehen und schließlich beeinflussen zu können. Angeregt wurde hierbei auch, stärker als bisher auf Theorien und Modellen anderer Wissenschaften zurückzugreifen, wie zum Beispiel der Psychologie, Soziologie oder Volks- und Betriebswirtschaftslehre. Neben diesen eher „anwendungsorientierten“ Anforderungen fanden sich aber auch Stimmen, die sich für eine vermehrte Forschung über unmittelbare Verwertungsinteressen hinaus aussprachen, im Sinne einer vermehrten disziplineigenen Theoriebildung und einer Überwindung gegebenenfalls bestehender Praxisschranken. Insgesamt zeichnen diese Rückmeldungen einen breiten Aufgabenkatalog für die Pflegeforschung im deutschsprachigen Raum in den nächsten zehn Jahren und demonstrieren die Berechtigung und den potenziellen Wert von Pflegeforschung für die Versorgungsqualität und die Gesellschaft, aber auch für den Pflegeberuf selbst. Diese Pflegeforschung benötigt Ressourcen, personelle wie finanzielle, die über eine öffentlich finanzierte Akademisierung der Primärausbildung hinausgehen. Obwohl in Deutschland und der Schweiz in den letzten zehn Jahren bereits nationale Agenden für die Pflegeforschung erarbeitet und konsentiert wurden (Behrens et al., 2008), deuten die Stellungnahmen der Expertinnen und Experten an, dass sich inzwischen ergänzende zentrale Forschungsfragen ergeben oder etablierte Schwerpunkte neu akzentuiert haben. Eine systematische, kritische Evaluation bestehender Agenden, wie sie derzeit für die Swiss Research Agenda for Nursing (SRAN) erfolgt (Schweizer Verein für Pflegewissenschaft, 2017), und eine rationale, deliberative Priorisierung künftiger Anforderungen an die Gegenstände und Methoden der Pflegeforschung und deren strukturelle wie finanzielle Ausstattung scheinen demnach dringend geboten. Hierbei gilt es alle für die interne und externe Validität und effektive Umsetzung der Forderungen erforderlichen Perspektiven einzubinden, darunter auch die der Adressaten der Pflege und der Förderungsforderungen (European Commission, 2017).

Und die Pflege …? So wenig es an Aufgaben für die Pflegeforschung mangelt, so wenig wurde von den Befragten grundsätzlich die Relevanz und die Berechtigung deutschsprachiger pflegewissenschaftlicher Publikationsorgane infrage gestellt. Zwar wurde einschränkend anerkannt, dass für deutschsprachige Pflegewissenschaftlerinnen und -wissenschaftler Publikationen in Zeitschriften wie der Pflege die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen in international ausgerichteten, englischsprachigen wissenschaftlichen Zeitschriften nicht ersetzen werden können, dennoch wurde von den Expertinnen und Experten genügend Gegenstand und Spielraum für eigene deutschsprachige Publikationsorgane gesehen. Speziell für die Pflege kristallisierten sich hierbei zwei zentrale Rollen

heraus: zum einen die der „Mittlerin“ zwischen Pflegewissenschaft und Rezipienten aus der Pflegepraxis, zum anderen als Ort der pflegewissenschaftlichen Analyse, Reflexion und Diskussion von Themen und Fragen, die in gewisser Weise an die Kultur, Sprache und Versorgungssysteme im deutschsprachigen Raum gebunden sind. Diese Aufgaben decken sich mit dem Verständnis der Herausgeberinnen und Herausgeber und geben Rückenwind für die nächste Dekade. Sie zeigen auch, dass die in der jüngeren Vergangenheit vorgenommenen editorischen Anpassungen, wie die weitere Profilierung der Rubrik „Aus der Praxis – für die Praxis“ oder die dezidierte Öffnung für englischsprachige Publikationen aus dem deutschsprachigen Raum, den Interessen potenzieller Nutzerinnen und Nutzer oder auch Autorinnen und Autoren entsprechen. Die Verbreitung, Diskussion und Aufnahme pflegewissenschaftlicher Erkenntnisse in den drei Ländern und anderen deutschsprachigen Regionen zu unterstützen, bleibt somit auch weiterhin das oberste Ziel der Pflege. Die Rückmeldungen der Expertinnen und Experten ebenso wie die sich daraus ergebenen offenen Fragen werden hierbei inhaltliche Orientierung geben. An dieser Stelle sei daher allen beteiligten Expertinnen und Experten nochmals ausdrücklich für die Zeit und Überlegungen gedankt, die sie in die Beantwortung der Interviewfragen investiert haben. Gemeinsam, aber doch unabhängig voneinander und aus jeweils eigener Perspektive haben sie eine Hauptaufgabe übergreifend für die Praxis, die Wissenschaft, die Bildung und die Politik rund um den Pflegeberuf skizziert: faktenbasiert noch deutlicher als bisher die Stimme der Pflege erheben und sich einzumischen. Dazu wollen und werden die Herausgeberinnen und Herausgeber der Pflege maßgeblich beitragen.

Literatur Behrens, J., Görres, S., Schaeffer, D., Bartholomeyczik, S., Stemmer, R. (2012). Agenda Pflegeforschung für Deutschland. h ­ ttps://www. deutsche-digitale-bibliothek.de/binary/XOP3Z37BLMSMN 4VDTZTZMK3UPTQRYUNO/full/1.pdf [05.11.2017]. European Commission (2017). Horizon 2020 – Public Engagement in Responsible Research and Innovation. https://ec.europa. eu/­p rogrammes/horizon2020 /en/h2020-section/public-­ engagement-responsible-research-and-innovation [06.11.2017]. Imhof, L., Abderhalden, C., Cignacco, E., Eicher, M., Mahrer-Imhof, R., Schubert, M., & Shaha, M. (2008). Swiss Research Agenda for Nursing (SRAN): die Entwicklung einer Agenda für die klinische Pflegeforschung in der Schweiz. Pflege, 21(6), 375 – 384. Schweizer Verein für Pflegeforschung (2017). VFP / APSI UPDATE. http://www.vfp-apsi.ch/download/58/page/41144_1_dl_vfp_ apsi_update_1_2017_d.pdf [09.11.2017]. Wissenschaftsrat (WR) (2012). Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen. https://www.­ wissenschaftsrat.de/download/archiv/2411-12.pdf [05.11.2017].

Für die Herausgeberinnen und Herausgeber Prof. Dr. Katrin Balzer Sektion für Forschung und Lehre in der Pflege Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie Universität zu Lübeck katrin.balzer@uksh.de

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Mit systemischem Blick pflegen

Marie-Luise Friedemann / Christina Köhlen

Familien- und umweltbezogene Pflege Die Theorie des systemischen Gleichgewichts und ihre Umsetzung 4., überarb. u. erg. Aufl. 2018. 504 S., ca. 36 Abb., ca. 6 Tab., Kt € 34,95 / CHF 45.50 ISBN 978-3-456-85848-7 Auch als eBook erhältlich

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Die Theorie des systemischen Gleichgewichts eröffnet der Pflege einen neuen Zugang zu Familien und alternativen Formen des Zusammenlebens, die wichtige soziale Unterstützung bieten. Die Anwendung der Theorie wird an Pflege- und Krisensituationen mit akuten somatischen und psychischen Krankheiten, bei chronischen Leiden und bei sterbenden Menschen und deren Familien sowie bei der Pflege von Kindern sowie im Pflege- und Hebammenunterricht aufgezeigt.

Das Buch regt Pflegende an, die eigene Familie bewusster zu verstehen und die Familie der Patienten durch Pflege und Beratung zu unterstützen. Die 4. Auflage wird um Erfahrungsberichte aus Lehre, Praxis und Studium ergänzt und bietet neue Assessmentinstrumente, um die Familiengesundheit einschätzen und messen zu können.


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Originalarbeit

Wie Eltern und ihre Kinder die pflegegeleitete Transitions­ sprechstunde für Adoleszente mit angeborenen Herzfehlern erleben Eine interpretierende phänomenologische Studie Corina Thomet1, Carina Lindenberg2, Markus Schwerzmann1, Elisabeth Spichiger3,4 Zentrum für angeborene Herzfehler, Universitätsklinik für Kardiologie, Inselspital Universitätsspital Bern Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg i. Br. 3 Pflegewissenschaft – Nursing Science, Departement Public Health, Medizinische Fakultät, Universität Basel 4 Bereich Fachentwicklung, Direktion Pflege / MTT, Insel Gruppe, Bern 1 2

Zusammenfassung: Hintergrund: Heute erreichen bis zu 90 % der Patientinnen / Patienten mit angeborenem Herzfehler (AHF) das Erwachsenenalter. Um Betreuungsunterbrüche beim Übergang von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin zu vermeiden, wurde am Inselspital Universitätsspital Bern eine pflegegeleitete Transitionssprechstunde (TS) eingeführt. Ziel: Es wurde exploriert, wie Adoleszente mit AHF und ein Elternteil den Transfer sowie die TS erlebten und welche Erwartungen sie hatten. Methode: Für die qualitative Studie mit interpretierendem phänomenologischem Ansatz wurden Einzelinterviews mit sieben Adoleszenten, sechs Müttern und zwei Vätern durchgeführt und in einem iterativen Prozess analysiert. Ergebnisse: Der Transfer Pädiatrie – Erwachsenenkardiologie im Rahmen der TS verlief für die Studienteilnehmenden mehrheitlich problemlos. Die TS erlebten sie positiv. Die Adoleszenten schätzten eine konstante Ansprechperson, die ihnen Wissen zum AHF vermittelte. Mütter und Väter begrüssten die Unterstützung ihrer Kinder im Alltag durch eine sachkundige, neutrale Fachperson. Im Übernehmen von Verantwortung für ihren AHF waren die Adoleszenten unterschiedlich weit. Den Müttern und den Vätern fiel die Abgabe von Verantwortung nicht leicht. Sie waren jedoch dazu bereit, wollten den Adoleszenten aber die nötige Zeit lassen, schliesslich selber verantwortlich zu handeln. Schlussfolgerungen: Die Transitionssprechstunde ist ein wichtiges Instrument, um Kontinuität in der Betreuung der Adoleszenten zu gewährleisten und ihren Eltern das Übergeben der Verantwortung an die Jugendlichen zu erleichtern. Schlüsselwörter: Transition, Adoleszente, angeborener Herzfehler, Eltern, qualitative Forschung Adolescents' with congenital heart disease and their parents' experiences of a nurse-led transition program – an interpretive phenomenological study Abstract: Background: Up to 90 % of patients with congenital heart disease (CHD) now reach adulthood. To avoid lapses in care during the change from pediatric to adult care, a nurse-led transition program (TP) was implemented at a Swiss University Hospital. Aim: This study explored the experiences and expectations of adolescents with CHD and their parents regarding a nurse-led TP. Method: This qualitative study used an interpretive, phenomenological approach. Individual interviews were conducted with seven adolescent CHD patients in the transition period and their parents (six mothers, two fathers). Analysis followed an iterative process. Results: For most study participants, the transfer from pediatric to adult medicine as part of the TP went smoothly. They experienced the TP positively. Patients valued the provision of a constant contact person to provide CHD-related information; parents welcomed the support of an informed, neutral clinician for their children. To varying degrees, adolescents were willing to take over self-responsibility; conversely, parents found it difficult to turn their responsibility over to their children. Parents wished to give the adolescent as much time as needed to act responsibility on their own. Conclusions: A transition program is a key element for establishing a continuous care in adolescents with a chronic disease. It facilitates the parents' process of allowing their youths to assume increasing responsibility for their own health. Keywords: transition to adult care, adolescent, congenital heart disease, parents, qualitative research

Ein angeborener Herzfehler (AHF) ist mit 0,8 % der häufigste Geburtsdefekt beim Neugeborenen (van der Linde et al., 2011). In der Schweiz kommen jährlich mehr als 80 000 Kinder auf die Welt, davon haben 600 – 800 ei-

nen AHF. Während in den 1940er-Jahren nur etwa 20 % der Betroffenen überlebten (Kallfelz, 1999), erreichen heute dank fortgeschrittener Therapiemöglichkeiten 90 % aller Betroffenen mit einem AHF das Erwachsenen-

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C. Thomet et al.: Erleben einer pflegegeleiteten Transitionssprechstunde

Was ist (zu dieser Thematik) schon bekannt? Der Wechsel Pädiatrie – Erwachsenenmedizin verunsichert Adoleszente mit angeborenen Herzfehlern und Eltern häufig. Was ist neu? Die Sprechstunde bietet Adoleszenten eine altersgerechte Beratung und eine einfach erreichbare Ansprechperson. Dies schafft Sicherheit. Welche Konsequenzen haben die Ergebnisse für die Pflegepraxis? Kontinuität in der Betreuung dank einer Advanced Practice Nurse erleichtert Betroffenen den Übergang von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin.

alter (Moons, Bovijn, Budts, Belmans, & Gewillig, 2010). Aufgrund dessen kann davon ausgegangen werden, dass in der Schweiz derzeit ca. 20 000 – 2 5 000 Erwachsene mit einem AHF leben, der typischerweise im Kindesalter korrigiert wurde. Trotz der medizinischen und technischen Erfolge in den letzten Jahrzehnten sind lebenslange, regelmässige, kardiologische Verlaufskontrollen nötig, um mögliche Komplikationen früh zu erkennen und die Morbidität und Mortalität bei diesen Patienten zu verringern (Mylotte et al., 2014). Mögliche Langzeitprobleme im Erwachsenenalter variieren je nach Herzfehler und bestehen vor allem aus Herzrhythmusstörungen, der Entwicklung einer Herzinsuffizienz, zerebrovaskulären Komplikationen, Endokarditis, pulmonaler Hypertonie und der Notwendigkeit zur Re-Operation (Warnes, 2005). In der pädiatrischen Kardiologie sind die Eltern Hauptansprechpartner für Fachpersonen. Bis zur Adoleszenz wird die Verantwortung für den Jugendlichen und seinen Herzfehler hauptsächlich von den Eltern getragen. Im Laufe der Entwicklung zum jungen Erwachsenen sollten jedoch die jungen Patientinnen / Patienten zunehmend mehr Verantwortung für sich und ihre Gesundheit übernehmen (Kieckhefer & Trahms, 2000). Oftmals ist die ­Abgabe der Verantwortung ein schwieriger Prozess für die Eltern, und auch die Jugendlichen sind hinsichtlich dieser neuen Herausforderung nur ungenügend vor­ bereitet (Rempel, Ravindran, Rogers, & Magill-Evans, 2013). Zudem findet in dieser Lebensphase auch der Wechsel von der Kinder- zur Erwachsenenmedizin, der sogenannte Transfer, statt (Sable et al., 2011). Um Jugendliche und ihre Eltern in dieser Zeit der Veränderungen besser zu unterstützen, hat das Konzept der Transition Einzug in die medizinische Behandlung gefunden (Meleis, 2010). Eine Transition wird beschrieben als Übergang von einem stabilen Zustand in einen anderen stabilen Zustand, der durch eine Veränderung ausgelöst wird (Meleis, 2010). Medizinisch wird die Transition verstanden als ein beabsichtigter, geplanter Übergang von Adoleszenten mit einer chronischen Erkrankung von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin (Blum et al., 1993). Sie wird definiert als „der Prozess in welchem Jugendliche und junge Erwachsene darauf vorbereitet werden, aktiv ­Verantwortung für ihr Leben und ihre Gesundheit im ­Erwachsenenalter zu übernehmen“ (Knauth Meadows, Pflege (2018), 31 (1), 9–18

Bosco, Tong, Fernandes, & Saidi, 2009, S. 619). Das Ziel einer erfolgreichen Transition ist die kontinuierliche Betreuung vor, während und nach dem Transfer (Saidi & Kovacs, 2009). Ohne strukturierte Transition kommt es je nach Untersuchung bei bis zu 76 % der Betroffenen mit AHF im frühen Erwachsenenalter zu einem Behandlungsunterbruch (Goossens et al., 2011). Es sind verschiedene soziodemografische Faktoren, wie Alleine wohnen oder tiefes Familieneinkommen bekannt, die einen Behandlungsunterbruch begünstigen. Hinzu kommen gewisse Bedürfnisse und Verhaltensmuster der Jugendlichen und ihrer Eltern, z. B. die Bindung an den Kinderkardiologen oder die ­Gewohnheit sich auf die Eltern verlassen zu können (Burstrom, Ojmyr-Joelsson, Bratt, Lundell, & Nisell, 2016; Goossens, Bovijn, Gewillig, Budts, & Moons, 2016). Zudem kann fehlendes Krankheitsverständnis die Transition negativ beeinflussen. Nur 38,8 % der Adoleszenten und knapp über 50 % der Eltern zeigten genügend Wissen über den AHF (Yang, Chen, Wang, Gau, & Moons, 2013). Die wenigen Studien, in denen Erfahrungen Betroffener mit dem Transfer untersucht wurden, zeigten, dass dieser für die Jugendlichen mit AHF selbstverständlich schien, während Eltern die vertraute Pädiatrie ungern verliessen und sich Fragen zu ihrer zukünftigen Rolle stellten (Moons et al., 2009, van Staa et al., 2011, Clarizia et al., 2009). In der Studie von Wray und Maynard (2008) gaben die Jugendlichen an, sich der Abhängigkeit von den Eltern im Alltag bewusst zu sein. Sie waren weiterhin froh um die Begleitung und Unterstützung der Eltern in der Krankheitsbehandlung. Nach dem Transfer berichteten Adoleszente von ungenügender Vorbereitung, mangelnder Kommunikation zwischen Pädiatrie und Erwachsenenmedizin, wechselnden Ärzten sowie langen Wartezeiten (Asp, Bratt, & Bramhagen, 2015; Reiss, Gibson, & Walker, 2005; Wray & Maynard, 2008). Jugendliche gaben an, sich mehr In­ formationen zum Transfer und zu ihrem Herzfehler zu wünschen (Asp et al., 2015; Moons et al., 2009). Diese Er­ gebnisse zeigen auf, dass eine alleinige Verbesserung der Transferorganisation nicht ausreicht, um die Transition bei Jugendlichen mit einer chronischen Erkrankung zu optimieren. Um Jugendliche und ihre Eltern besser im Transitionsprozess zu unterstützen und Behandlungsunterbrüche zu reduzieren, empfehlen Ärzte-Fachgesellschaften die ­Einführung von strukturierten Transitionssprechstunden (TS) (American Academy of Pediatrics, American Aca­ demy of Family Physicians, & Amercian College of Physicians-­American Society of Internal Medicine, 2002; Sable et al., 2011). Im Rahmen dieser TS sollen verschiedene Themen individuell und entwicklungsgerecht mit Jugendlichen ­besprochen werden, um ihr Krankheitsverständnis zu ­verbessern und sie zu unterstützen, Schritt für Schritt eigenverantwortlich für ihre Erkrankung zu handeln. Bei Adoleszenten mit AHF sind solche Themen z. B. Erwachsenwerden mit einem Herzfehler, psychische Belastung durch Narben, Aspekte der Berufswahl, des © 2017 Hogrefe


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Sports, der Freizeitgestaltung, Fragen bezüglich Kontrazeption, Militärdienst, Endokarditisprophylaxe, ergänzt durch Erklärungen zum eigenen Herzfehler und der durchgeführten Korrektur.

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Wie erleben Adoleszente mit AHF und ein Elternteil, welcher vorwiegend sein Kind zu den Kontrollen begleitet, den Transfer und die pflegegeleitete TS?

Methode Transitionssprechstunde am Inselspital Universitätsspital Bern Seit August 2012 besteht eine TS am Inselspital Uni­ versitätsspital Bern für Jugendliche mit AHF. Sie wurde von der Erstautorin evidenzbasiert entwickelt (Thomet, Schwerzmann, & Greutmann, 2015). Die Erstautorin, eine Advanced Practice Nurse (APN), ist verantwortlich für die Planung und Durchführung der TS, und für Patientinnen / Patienten und Eltern über Telefon oder E-Mail erreichbar. Sie stellt während der Transition die Verbindung zwischen Kinder- und Erwachsenenkardiologie her. Im Alter von 14 Jahren erhalten die Familien eine Einladung in die TS. Eine TS dauert jeweils 30 Minuten und findet vor der kardiologischen Verlaufskontrolle statt. Es folgen weitere TS bei jeder Verlaufskontrolle. Die TS gliedern sich in drei Phasen (Telfair, Ehiri, Loosier, & Baskin, 2004). Die erste Phase beinhaltet die Entscheidung, sich auf den Transitionsprozess einzulassen und ein Bewusstsein für Veränderung zu entwickeln. Dies beinhaltet unter anderem die Vorstellung und den Ablauf der TS, das Kennenlernen der Familie und erste Informationen zur Anatomie des Herzens. Ein Herz-Modell dient zur Erklärung der Anatomie und Funktion des Herzens. Anhand des „Shared Management Models“ von Kieckhefer und Trahms (2000) wird mit der Familie besprochen, wie Verantwortung abgegeben werden kann und wie der Jugendliche schrittweise zum alleinigen Besuch der TS geführt werden kann. Der Transfer auf die Erwachsenenkardiologie wird zusammen mit der Familie vorbereitet. Bei den kinderkardiologischen Verlaufskontrollen begleitet die APN die Adoleszenten zum Untersuchungstermin. Die zweite Phase hat zum Ziel, die Bereitschaft zur Transition zu stärken. Dazu wird das Krankheitsverständnis durch Wissensvermittlung ausgebaut. Für das Gespräch wird ein Blatt mit einer Abbildung des Herzens und den möglichen Themen verwendet. Besprochen werden unter anderem Themen wie das Rauchen, Alkohol, Drogen, Tattoos, Piercing, Versicherung, Kontrazeption und Militärdienst. In der dritten und letzten Phase erfolgt der Transfer auf die Erwachsenenmedizin und im Alter von 20 – 2 5 Jahren der Abschluss der TS. Im Durchschnitt besuchen die Patienten die TS fünf Mal. Bislang fehlen Publikationen zu Erfahrungen von Adoleszenten und Eltern mit einer TS. Im Rahmen dieser Studie werden das Erleben und der Nutzen dieser TS aus Sicht der Betroffenen untersucht. Ziel der Studie ist es, einerseits einen Beitrag zur aktuellen Datenlage zu leisten, und andererseits erste Erfahrungen zur TS eruieren zu können. Damit wird ein Beitrag zur Verbesserung und zum Ausbau der TS geleistet. Dazu wurde folgende Frage exploriert:

Methodisch wurde ein qualitativer Ansatz genutzt. Die Studie erfolgte in Anlehnung an die interpretierende Phänomenologie (Benner, 1994). Mit interpretierender Phänomenologie sollen alltägliche Phänomene beschrieben und interpretiert, das heisst deren Bedeutung soll erläutert werden. Der Ansatz eignete sich besonders gut, um Erfahrungen im Alltag und das Erleben von Studienteilnehmenden mit der Transitionssprechstunde mittels offener Fragen zu explorieren, zu beschreiben und soweit wie möglich zu interpretieren (Spichiger & Prakke, 2003). Es handelt sich bei der Arbeit um die Masterarbeit der Zweitautorin. Sie arbeitete als Pflegefachfrau in der Pädiatrie und war nicht in die Betreuung der Patienten mit AHF involviert.

Untersuchungsort und -gruppe Die Studie wurde im Ambulatorium am Inselspital Uni­ versitätsspital Bern durchgeführt. Anmeldung und Behandlung von pädiatrischen und erwachsenen Patientinnen / Patienten fanden auf dem gleichen Stockwerk statt. Die ärztlichen Teams beider Bereiche und die Erstautorin haben gemeinsame Arbeitsräume, was den Informationsaustausch vereinfacht. Für die Studie wurden insgesamt sieben Deutsch sprechende Adoleszente und deren Mütter oder Väter eingeschlossen. Sie hatten zum Interviewzeitpunkt mindestens zweimal die TS besucht und befanden sich somit mitten im Transitionsprozess. Ausgeschlossen wurden Adoleszente und / oder Eltern, die gemäss ärzt­ licher Einschätzung aufgrund intellektueller Defizite nicht in der Lage waren, Studieninformationen zu lesen und zu verstehen. Die Erstautorin meldete geeignete und inte­ ressierte Jugendliche inklusive eines Elternteils der Letztautorin, die eine Auswahl zugunsten einer heterogenen Untersuchungsgruppe bezüglich AHF, Alter und Ge­ schlecht der Adoleszenten traf. Die Zweitautorin kontaktierte daraufhin konsekutiv alle ausgewählten Studienteilnehmenden telefonisch. Bei mündlicher Zusage erhielten die teilnehmenden Jugendlichen und ein Elternteil die Studieninformation. Alle Teilnehmenden, Mütter, Väter sowie Jugendliche, willigten schriftlich ein. Die Studie war durch die zuständige Ethikkommission bewilligt worden. Von 13 kontaktierten Familien nahmen sieben Adoleszente, sechs Mütter und zwei Väter an der Studie teil. Einer dieser Väter kam spontan zum Interview hinzu und es erfolgte ein Paarinterview. Zu diesem Vater fehlen demografische Angaben. Die vier teilnehmenden jungen Männer und drei Frauen waren durchschnittlich 17,7 Jahre alt (Spannbreite: 16 – 20 Jahre). Alle befanden sich in Ausbil-

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dung und lebten noch bei ihrer Familie zu Hause. Die Mütter und der Vater waren im Durchschnitt 45,5 Jahre alt (Spannbreite: 43 – 49 Jahre). Alle waren berufstätig, die Mütter 50 – 60 % in Teilzeit und der Vater in Vollzeit. Die TS hatten drei Adoleszente zweimal, vier dreimal besucht. Fünf Elternteile hatten zweimal und nur zwei dreimal die TS besucht, weil einige Adoleszente im Verlauf der Transition alleine die Sprechstunde besucht hatten.

schiedliche Themen herauszuarbeiten, sowie Haupt- und Unterthemen zu bilden. Zur Illustration wurden Zitate eingefügt. Um die Glaubwürdigkeit zu unterstützen, wurden Interviews und alle Analyseschritte fortlaufend mit der Letztautorin und mit einer Gruppe von Mitstudierenden im Rahmen des Masterseminars kritisch reflektiert. Unterschiedlich interpretierte Textstellen wurden besprochen, um die am besten durch Daten gestützte Interpretation zu finden.

Datensammlung Die Datensammlung erfolgte durch die Zweitautorin von November 2014 bis März 2015 mittels leitfadengestützter Einzelinterviews. Der Interviewleitfaden beinhaltete offene Fragen, um das Erleben von Adoleszenten und Elternteilen mit der TS und Erwartungen an diese zu explorieren. Die initialen Fragen lauteten: „Erinnern Sie sich zurück an Ihre erste Transitionssprechstunde, die Sie besucht haben – Bitte berichten Sie mir, wie diese Sprechstunde verlaufen ist.“ und „Was waren Inhalte dieser Sprechstunde?“ Zum Vertiefen von Aussagen dienten Nachfragen wie: „Können Sie mehr dazu sagen? Können Sie ein Beispiel geben?“ Die Interviews wurden von den Teilnehmenden im Dialekt geführt, auf Tondatenträger aufgenommen und möglichst nahe am gesprochenen Text ins Hochdeutsche transkribiert. Demografische und klinische Daten von Adoleszenten und Eltern wurden mittels Fragebögen zu Beginn der Interviews erhoben. Feldnotizen zum Kontext der Interviews ergänzten die Datensammlung. Die Interviews mit den Adoleszenten dauerten im Durchschnitt 31 Minuten (Spannbreite: 14 – 69 Minuten), mit den Elternteilen durchschnittlich 44 Minuten (Spannbreite: 22 – 74 Minuten). Der Interviewort konnte von den Teilnehmenden frei gewählt werden. Viermal fanden die Interviews zu Hause, zweimal im Spital statt. Eine Mutter wünschte ein Telefoninterview, ihre Tochter wurde im Spital interviewt.

Datenanalyse Die Datenanalyse erfolgte in Anlehnung an die für die interpretierende Phänomenologie beschriebenen Schritte (Benner, 1994; Spichiger & Prakke, 2003). Die Analyse begann nach dem ersten Interview, der Interviewleitfaden wurde aufgrund von neu entdeckten Themen erweitert, um diese in nachfolgenden Interviews weiter zu explorieren. Durch mehrmaliges Lesen der Transkripte machte sich die Zweitautorin mit den Daten vertraut. Mittels Fallanalyse wurde ein Interview möglichst vollständig interpretiert. Weitere Fallanalysen anderer Interviews kamen hinzu. Die Forschenden bewegten sich ständig zwischen Textteilen und ganzen Interviews, respektive zwischen einzelnen und allen Interviews, um Ähnlichkeiten und Unterschiede herauszukristallisieren. Die thematische ­ Analyse wurde eingesetzt, um gemeinsame und unterPflege (2018), 31 (1), 9–18

Ergebnisse Für die Studienteilnehmenden war der Transfer von der Kinder- zur Erwachsenenkardiologie ein zu erwartendes Ereignis, die TS kam als neues Angebot dazu. Nachfolgend wird deshalb zuerst dargestellt, wie sie den Transfer erlebten. Danach werden Erfahrungen der Studienteilnehmenden mit der TS und deren Leiterin beschrieben. Abschliessend wird das mit der Transition verbundene Abgeben und Übernehmen von Verantwortung als Herausforderung für Eltern und Adoleszente thematisiert.

Erleben des Transfers Für die Teilnehmenden war der Wechsel von der Kinderzur Erwachsenenkardiologie einer von vielen notwendigen Schritten in ihrem Leben mit dem AHF. Eltern und Sohn oder Tochter hatten je ihre individuelle „Herzgeschichte“ erlebt. Die Eltern waren bereits kurz nach der Geburt ihrer Kinder mit dem Herzfehler konfrontiert und hatten über Jahre die Verantwortung für sie und ihre medizinische Betreuung getragen. Diese Erfahrungen beeinflussten teilweise ihr Erleben des Transfers. Ein Vater sah den Wechsel als ebenso machbar wie andere Übergänge, und die Belastung als gering im Vergleich zu früheren Erfahrungen: „Also, da haben wir vorher schon viel mehr durchgemacht, daher ist so ein Übertritt in dem Masse nicht mehr so wichtig. (…) Anfangs waren die schwierigen Momente. Wo man nicht weiss, nicht weiss, wo führt das hin. Solche Momente nach der Geburt, die sind wirklich prägend, dort war auch die Zeit mit dem Verdacht auf Hirnhautentzündung bei meiner Tochter … Wenn man ins Spital kommt und es heisst ja, wenn es schlimmer wird, dann wissen sie nicht, wo das hinführt … Also das sind die Momente, die schwierig sind zu meistern, oder die Mühe machen, dort weiss man nicht, wie geht es weiter, oder geht es überhaupt weiter. (…) Ich denke mit solchen Wechseln, das sind Dinge, die machen sie im Laufe der Kindheit immer durch, auch mit dem Kindergarten beginnt das ja, die Veränderungen, neue Personen, also das ist etwas, wo sie selber ja schon die Erfahrungen mitbringen“ (E7, 6 – 7, 174 – 194). Eine Mutter und ihr Sohn berichteten, dass der Transfer in einer turbulenten Lebenssituation eher in den Hintergrund rückte. Der Sohn war im zehnten Schuljahr und auf der Suche nach einer Lehrstelle, musste sich aufgrund ei© 2017 Hogrefe


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ner Zweiterkrankung einer grossen Operation unterziehen und vorher musste noch eine Herzklappe ersetzt werden. Er meinte: „Das ist noch gewesen, wenn ich mich zurück erinnere, wo ich so schwarz gesehen habe und nicht gewusst habe, was machen. Da ist in dem Monat noch das mit dem Militär gewesen und alles und ich habe gedacht bähhh ja … Es läuft super in dem Jahr, ich weiss nicht, was soll ich machen in meinem Leben … Die Operation kommt noch, und das Militär will auch noch irgendetwas von mir, super … Und der Übergang ist dann sicher auch noch Thema gewesen …“ Interviewerin: „Es waren einfach andere Themen im Vordergrund?“ Adoleszenter: „Ja, das war eher im Vordergrund, mit meinem ganzen Leben, ich muss sagen, ich bin da recht demotiviert gewesen irgendwie, ich glaube nicht, dass ich unglücklich gewirkt habe, aber ich habe einfach so innen so … Gott, einfach nicht, nein, nein, nein, nein, nein …“ (A5, 24, 711 – 724). Die beiden Beispiele verdeutlichen auch, dass der Transfer im Kontext eines Familienlebens stattfand, das nicht ausschliesslich von der angeborenen Herzkrankheit eines Kindes, sondern vom vielfältigen Alltag und manchmal von zusätzlichen gesundheitlichen Problemen der Adoleszenten geprägt war. Für die meisten Adoleszenten und eine Mutter war der Transfer unproblematisch, sie sagte: „Arzt ist Arzt, ich ­vertraue denen“ (E6, 6, 176). Die anderen Eltern verstanden sehr wohl die Notwendigkeit eines Wechsels zur Er­ wachsenenkardiologie, bedauerten aber trotzdem meist das Verlassen der vertrauten Umgebung und insbesondere der vertrauten Kinderkardiologinnen / Kinderkardiologen. „Ein bisschen Wehmut hatten wir schon, weil wir wirklich, es hat funktioniert, auch menschlich, das ist ja auch nicht selbstverständlich“ (E2, 15, 453 – 455). Viele hatten eine sehr gute Beziehung zum Kinderkardiologen aufgebaut, der ihr Kind über Jahre betreut hatte. Sie begrüssten die Tatsache, dass die Erwachsenenkardiologie ebenfalls im schon bekannten Herzzentrum lokalisiert war. Nach einer ersten Begegnung mit den nun zuständigen Kardiologinnen / Kardiologen hatten Mütter und Väter einen guten Eindruck und vertrauten darauf, dass der erneute Aufbau einer ­guten Beziehung gelingen würde. „Es ist gut gegangen (mit dem neuen Kardiologen). Der ist wirklich sehr nett gewesen, er hat sich wirklich auch Zeit genommen … Dann hat es so ein Abschlussgespräch gegeben, ja, das wird gut. Meine Bedenken sind weg“ (E1, 7 – 8, 209 – 2 19). Für die Adoleszenten bedeuteten die Kontrollen in der Erwachsenenkardiologie längere und anstrengendere Untersuchungen. Sie realisierten, dass sie jetzt als Erwachsene angesprochen wurden und entsprechend gefragt und gefordert waren. Ein 18-jähriger junger Mann beschrieb: „Ich bin als Erwachsener angesehen worden. So ein wenig das. Es ist positiv“ (A2, 7, 208 – 209). Der eigentliche Transfer war für einen jungen Mann belastend, weil dieser mit einem chirurgischen Eingriff zusammenfiel und kein Erwachsenenkardiologe konstant zuständig war. Für die anderen bereits transferierten Studienteilnehmenden verlief dieser Schritt flüssig und problemlos. Mit der TS wurde der Wechsel begleitet, und Mütter und Väter begrüssten das neue Angebot insbesondere als Unterstützung für ihre Kinder.

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Erfahrungen mit der Transitionssprechstunde Zur Transitionssprechstunde berichteten die Studienteilnehmenden Folgendes: Sie wurden mit der Einladung zur Jahreskontrolle über die geplante, erste TS informiert. Sie nahmen diesen zusätzlichen Termin als gegeben hin, ohne konkrete Vorstellungen oder Erwartungen. Die APN begrüsste sie dann, erklärte kurz, worum es gehen und dass sie in Absprache mit den Adoleszenten bestimmte Themen nur mit ihnen besprechen würde. Zwei junge Frauen wünschten sich für die ersten zwei TS noch die Anwesenheit ihrer Mütter. Bei allen anderen Adoleszenten waren Mütter und Väter nur zu Beginn und manchmal am Schluss ein paar Minuten dabei. Alle Adoleszenten erlebten die TS als inhaltlich auf ihre persönliche Situation abgestimmt. Eine junge Frau berichtete: „Ja, es ist wirklich sehr auf den Alltag bezogen. Also es ist jetzt nicht so, dass sie sagt, du darfst keinen Kampfsport machen, wenn du persönlich weisst, dass du das nie machen würdest. Ja, es ist eigentlich so persönlich abgestimmt, sage ich jetzt mal“ (A7, 3, 80 – 83). Wesentliche Themen sprach die APN an, die Adoleszenten hatten kaum Fragen zu anderen Aspekten. Sie lernten die Funktion des Herzens und ihren Herzfehler kennen: „Sie hat mich gefragt ob ich überhaupt genau weiss, was mit meinem Herz ist, und dann habe ich gesagt, nein (…). Dann hat sie alles beschrieben, was beim Herz so wichtig ist, und was ich dann habe und was sie bei mir vor allem gemacht haben und so“ (A4, 2, 50 – 56). Zudem erfuhren die Adoleszenten auf ihre persönliche Situation bezogen alles Nötige zu den angesprochenen Themen. Ein junger Mann äusserte beispielhaft: „Es ist schon wichtig, dass man darüber Bescheid weiss, weil man sich sonst später auch nicht helfen kann“ (A6, 9, 253 – 2 54). Die gute telefonische Erreichbarkeit der Leiterin nutzten zwei junge Frauen mehrfach, um schnell im Alltag auftauchende Fragen, z. B. bezüglich dem Benutzen von Bahnen in einem Freizeitpark, zu klären. Die Mütter und Väter begrüssten die TS in erster Linie als sinnvolle Unterstützung für die Adoleszenten in ihrem Alltag. So meinte ein Vater: „Ich hatte das Gefühl, sie (die APN) ist so ein ‚Rundumpaket‘, sage ich mal. Es wird alles besprochen … Also ich hatte da einen sehr guten Eindruck und finde es sehr gut, dass es gemacht wird“ (E2, 2, 43 – 46). Die Eltern fühlten sich gut über den AHF sowie seine Folgen informiert und hatten eine langjährige Erfahrung im Umgang mit dem Gesundheitssystem und den Fachpersonen. Es war für sie deshalb passend, dass die TS sich primär an die Adoleszenten wandte, um ihnen das nötige Wissen zu vermitteln. Sie befürworteten zudem eine Ansprechperson ausserhalb der Familie, welche die Vertraulichkeit auch ihnen gegenüber wahrte. „Man begleitet ja sein Kind, jetzt wie meinen Sohn, schon von Geburt an, schon vom ersten Tag nach Geburt, begleitet man ihn immer, die ganze Verantwortung hat immer auf mir gelastet. Man ist immer verantwortlich, dass Termine eingehalten werden, dass er sich nicht überlastet, oder dass man beim Arzt, beim Zahnarzt, dass man das nicht vergisst, und alles. Jetzt wird er langsam älter, er sollte selbständiger werden. Ich kann ja nicht ewig mit ihm

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in die Kardiologie-Kontrolle gehen. Ich glaube, das wird jetzt langsam peinlich, wenn die Mutter gern mitkommt. Und ich finde es sehr gut, dass sie (die APN) ihm hilft, ein wenig selbständiger zu werden. Wenn ich ihm das erkläre, ist es glaube ich nicht das Gleiche, wie wenn jemand von aussen ihm das erklärt, auf was er achten muss. Bei mir weiss er genau, ich bin da, er kann sich auf mich verlassen, ich mache es. Und wenn jemand anderes ihm erklärt, dann merkt er langsam, dass er selbständig werden sollte, dass er die Verantwortung für sich und seine Krankheit selber übernimmt, oder. Sie hat einen sehr guten Draht, glaube ich, auch zu meinem Sohn. Ich glaube, er traut sich auch, Sachen zu fragen, wo er vielleicht weniger gern mit der eigenen Mutter besprechen würde. Ja, ich persönlich finde es gut“ (E1, 2, 38 – 52). Die Mütter und Väter schätzten die Wichtigkeit der TS für sich als hoch ein mit durchschnittlich 7,8 (Spannbreite 5 – 9; Skala 0 – 10, 0 = nicht wichtig, 10 = sehr wichtig). Die Schätzung der Adoleszenten war ähnlich, mit einem Durchschnitt von 8,1 (Spannbreite 6 – 10). Trotzdem verneinten die Studienteilnehmenden die Frage, ob sie aufgrund der TS im Alltag etwas verändert hätten. Allerdings lassen verschiedene Aussagen den Schluss zu, dass die TS vereinzelt doch Auswirkungen hatte. So entschied sich eine junge Frau aufgrund der erhaltenen Informationen gegen das eigentlich gewünschte Lippen- oder Nasenpiercing und wählte stattdessen ein weniger infektanfälliges Ohrpiercing. Und einem jungen Mann war bewusst geworden, dass er sich mehr bewegen sollte. Nun nahm er die Treppe anstatt den Lift. Nach weiteren Erwartungen an die TS gefragt, erwähnten drei Mütter die Möglichkeit, in der TS gemeinsam mit den Adoleszenten zu lernen, respektive zu diskutieren zu Themen wie Verantwortung, Umgang mit dem Herzfehler und seinen Folgen. Eine Mutter wünschte sich eine bleibende Ansprechperson in der Erwachsenenkardiologie für ihre Tochter. Eine junge Frau wollte gerne vor dem Transfer den Erwachsenenkardiologen und den Ablauf der dortigen Sprechstunde kennenlernen. Eine andere junge Frau mit vielen Fragen fand die Sprechstundenzeit knapp bemessen.

Eine sachkundige, neutrale Fachperson Die teilnehmenden Mütter, Väter und Adoleszenten schätzten die APN aufgrund ihres grossen Fachwissens, ihrer kommunikativen Fähigkeiten und ihrer neutralen Position. Als aussenstehende Fachperson war sie nicht in allfällige, in der Adoleszenz übliche Reibungen zwischen Eltern und Jugendlichen involviert. Dies fanden alle Mütter und Väter vorteilhaft. Eine Mutter meinte: „Ich denke gerade in der Transitionssprechstunde wird es relativ neutral angeschaut, weil es ist ein neutraler Boden, eine neutrale Person involviert, da schaut man das ganz anders an, man wird vielleicht auch objektiver auf etwas hingewiesen, so über Gefahren vom Herz her, ich denke das ist sicher wichtig“ (E5, 34, 1016 – 1020). Das Fachwissen der APN erwähnten Studienteilnehmende wiederholt anerkennend. Die Adoleszenten fühlPflege (2018), 31 (1), 9–18

ten sich adäquat unterstützt, wie die Aussage einer jungen Frau deutlich machte: „Sie hat es gut erklärt, so mit Bildern und Themen, das habe ich jetzt extrem geschätzt. Wo es wirklich mit Bildern, eben wo ich mir das vorstellen kann, das bringt mir ganz viel, mir persönlich jetzt“ (A3, 6 173 – 175). Für Eltern war es beruhigend, dass die Adoleszenten in ihr eine sachkundige Ansprechperson hatten, die verlässlich informierte und Fragen klärte. Eine Mutter sagte: „Ja, auch für mich, dass meine Tochter jemanden hat und dass ich ihr sagen kann, da ist jemand, den kannst du fragen“ (E4, 8, 224 – 2 25). Ein Vater lobte spezifisch das didaktische Vorgehen der APN in der TS. Sie liess seinen Sohn zuerst über seinen Alltag und seine Gewohnheiten erzählen, bevor sie ihm aufzeigte, wie er diese besser an seinen Herzfehler anpassen konnte. Damit, so meinte er, würde die APN eher an Informationen bezüglich Gewohnheiten der Adoleszenten kommen. Wiederholt erwähnten Studienteilnehmende das junge Alter der APN als sehr positiv, sie spreche deshalb die gleiche Sprache wie die Adoleszenten, habe einen sehr guten Draht zu ihnen und werde akzeptiert. Auf Nachfrage präzisierte ein 18-jähriger Adoleszenter: „Es sollte einfach jemand sein, der auch gleich noch so mit jüngeren Leuten reden kann und einfach auch so im Allgemeinen, er muss nicht jung aussehen, aber einfach jemand, der jung geblieben ist“ (A5, 32, 960 – 962).

Verantwortung abgeben – Verantwortung übernehmen Während die Mütter und Väter sich viele Gedanken machten zum Abgeben von Verantwortung bezüglich AHF an ihre erwachsen werdenden Kinder, thematisierten die Adoleszenten das Übernehmen dieser Verantwortung weniger. Eltern fiel es leichter, Verantwortung abzugeben, wenn sie spürten, dass Sohn oder Tochter bereit waren, diese zu übernehmen. Diesbezüglich waren die Studienteilnehmenden unterschiedlich weit, wie die folgenden Beispiele zeigen. Ein junger Mann äusserte sich recht vage zu den Untersuchungen in der Erwachsenenkardiologie: „Die schauen da noch ein bisschen genauer, aber ich weiss nicht, ob das so ist, aber ich nehme das mal an“ (A1, 6, 163 – 164). Und er verliess sich bezüglich AHF noch stark auf seine Mutter: „Also über den Herzfehler habe ich nicht so viel geredet, sie (Mutter) weiss da noch viel mehr als ich (lacht). Ich sollte mich aber auch ein bisschen mehr dafür interessieren (lacht), also so mit Namen und so, ja, aber sonst, also eben, wenn ich irgendwelche anderen Fragen habe, kann ich eigentlich auch immer zu ihr gehen, das ist schon gut“ (A1, 7, 207 – 2 10). Seine Mutter sagte entsprechend zum Abgeben von Verantwortung: „Das ist schon speziell, weil ich eben gerade merke, dass ihn eigentlich seine Erkrankung nicht interessiert, sie ist kein Thema für ihn. Da habe ich eben schon Angst, wenn ich nicht mehr danach schaue, dass er es halt auch nicht so ernst nimmt“ (E1, 5, 146 – 148). Sie erhoffte sich Unterstützung durch die TS: „Da bin ich froh, dass [Erstautorin] das auch ein wenig über© 2017 Hogrefe


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nehmen kann, sie kann ihm das vielleicht auch ein wenig einbläuen, dass es wirklich wichtig ist. Dass er einfach die Verantwortung für seine Gesundheit übernimmt. Das erhoffe ich mir von den Gesprächsstunden, dass es ihm bewusst wird“ (E1, 6, 157 – 159 / 160 – 162). Auch einer anderen Mutter fiel das Abgeben der jahrelang getragenen Verantwortung nicht ganz leicht, sie vertraute jedoch ihrer Tochter: „Ja, eigentlich hat man ja das Vertrauen schon in sein Kind. Meine Tochter ist ja sehr, wie soll ich sagen, reif für ihr Alter und von dem her habe ich eigentlich keine Angst, dass sie die falschen Entscheidungen trifft. Schlussendlich ist es aber einfach schon das Loslassen … Es kommt vielleicht auch durch die ganze Entwicklung, mein Mann und ich hatten die Verantwortung ja von Anfang an … Ja, es ist nicht einfach für eine Mutter, das ist so, aber sie ist schon sehr vernünftig, muss ich sagen, das macht es ein klein wenig einfacher“ (E7, 4, 107 – 119). Ihre Tochter setzte sich mit ihrem Herzfehler auseinander und stellte sich Fragen. „Sie hatte Fragen zur Technik in dem Sinn, wie oft solch eine Operation (Herzklappenersatz) dann überhaupt gemacht werden kann. Die Frage hat sie dann [Erstautorin] gestellt“ (E7, 3, 84 – 86). Eine Aussage der Tochter verdeutlicht ihre Bereitschaft, verantwortlich zu sein: „Wenn man einfach genau weiss, ich bin dann am Schluss die, die dann sozusagen darunter leidet, also überlegt man es sicher mehr, ob man es wirklich machen sollte oder nicht, ja“ (A7, 13, 376 – 3 78). Generell waren Mütter und Väter auch nach erfolgtem Transfer noch meist beteiligt, wenn es um den AHF der Adoleszenten ging. Sie vereinbarten Termine, begleiteten Sohn oder Tochter zur Jahreskontrolle und waren bei den Gesprächen mit Ärztinnen / Ärzten präsent. Dabei waren die meisten Eltern durchaus bereit, sich zurückzuziehen. Die Adoleszenten wünschten jedoch ausdrücklich ihre Präsenz. Im Gegensatz zu ihren im Umgang mit Gesundheitsfachpersonen erfahrenen Eltern fühlten sie sich noch unsicher. Sie wollten Mutter oder Vater dabei haben, damit diese allenfalls Fragen beantworten und später nicht verstandene Informationen erläutern konnten, wie das folgende Beispiel zeigt: „Bisher bin ich immer mitgegangen, weil er möchte es auch so. Er hat das erste Mal ein Telefon bekommen (…) Sie haben mit ihm auf dem Natel telefoniert, und er kam nach Hause und hat gesagt: ‚Mami, ich habe nichts verstanden, ich weiss nicht genau, um was es geht. Kommst Du dann mit?‘ Dann habe ich gesagt: ‚Ja, ist gut‘ (lacht)“ (E6, 4, 122 – 126). Einige Mütter berichteten, dass sie mit Sohn oder Tochter Selbständigkeit übten, z. B. die Zug- und Busfahrt ins Spital. Insgesamt waren sich Mütter und Väter sehr bewusst, dass die Adoleszenten zunehmend Verantwortung übernehmen sollten, sie wollten ihnen dafür jedoch die nötige Zeit lassen und waren zuversichtlich, dass Söhne und Töchter schliesslich selber verantwortlich handeln würden.

Diskussion In dieser Studie wurde unseres Wissens das erste Mal eine pflegegeleitete TS aus der Sicht von Adoleszenten mit AHF

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und deren Eltern evaluiert. Die TS wurde positiv erlebt. Die Adoleszenten schätzten eine konstante Ansprechperson, die ihnen Wissen zum AHF vermittelte. Mütter und Väter begrüssten die Unterstützung ihrer Kinder im Alltag durch eine sachkundige, neutrale Fachperson. Im Übernehmen von Verantwortung für ihren AHF waren die Adoleszenten unterschiedlich weit. Den Eltern fiel die Abgabe von Verantwortung nicht leicht. Sie waren jedoch dazu bereit, wollten den Adoleszenten aber die nötige Zeit lassen, schliesslich selber verantwortlich zu handeln. Es wurden keine Studien gefunden, die ein bestehendes Transitionsprogramm für Adoleszente mit AHF und Eltern aus Sicht beider Betroffenen evaluieren. Daher kann nur ein Teil der Resultate anhand von Literatur diskutiert werden. In der Literatur wird beschrieben, dass sich viele Eltern wegen des Transfers ihrer Kinder sorgten und von der medizinischen Versorgung ausgeschlossen fühlten (Clarizia et al., 2009; Knauth Meadows et al., 2009; Moons et al., 2009; Reiss et al., 2005; van Staa, Jedeloo, van Meeteren, & Latour, 2011). In unserer Studie konnten dazu ergänzende Ergebnisse gefunden werden. So gaben drei Mütter ebenfalls eine grosse Bindung zum Kinderkardiologen an, nach dem Transfer jedoch fühlten sie sich auch in der Erwachsenenkardiologie gut integriert und sie empfanden es positiv, dass der Arzt sich Zeit für Gespräche nahm. Wie in der Studie von Moons et al. (2009) zeigte sich auch in unserer Untersuchung, dass Jugendliche und ihre Eltern den Transfer in die Erwachsenenkardiologie als einen normalen Schritt in ihrem Leben betrachten. Es zeigte sich aber auch einmal mehr, dass ein vorbereiteter Transfer den Übertritt in die Erwachsenenkardiologie für alle Beteiligten erleichtert (Asp et al., 2015; Heery, Sheehan, While, & Coyne, 2015; Moons et al., 2009). Eine Rolle könnte in unserem Fall auch spielen, dass sich die Ambulatorien der Kinder- und Erwachsenenkardiologie im gleichen Gebäude, auf dem gleichen Stockwerk befinden. Bekannte Gesichter wiederzusehen, vermittelt der Familie eine gewisse Sicherheit. Die Mehrheit der Adoleszenten sowie Eltern erlebten einen flüssigen, fast unbemerkten Transfer. Die Transition beinhaltet jedoch weit mehr als nur den Transfer, den Wechsel der medizinischen Betreuung. Die Jugendlichen sollen in der Transition darauf vorbereitet werden, aktiv Verantwortung für ihr Leben und ihre Gesundheit zu übernehmen (Knauth Meadows et al., 2009). Die Aufgabe der APN in der Transition ist es somit, die Jugendlichen schrittweise darin zu unterstützen, Eigenverantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen. Dies gelang der APN in unserer Studie ansatzweise, wie die Ergebnisse zeigen: Einige Jugendliche besuchten die TS im Verlauf alleine, mehrere kontaktierten die APN bei Fragen eigenständig und einzelne setzten kleine gesundheitsfördernde Aktivitäten, wie das Benutzen der Treppe, in den Alltag um. Als ein wichtiger Pfeiler in der Förderung der Eigenverantwortung wird die Steigerung des Krankheitsverständnisses durch Wissensvermittlung betrachtet. Viele Jugendliche mit AHF verfügen nur über wenig Wissen zu ihrem Herzfehler, wie auch zu gesundheitsspezifischem Verhalten (Van Deyk et al., 2010; Veldtman et al., 2000). Wissensvermitt-

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C. Thomet et al.: Erleben einer pflegegeleiteten Transitionssprechstunde

lung und Förderung von Selbstmanagement-Kompetenzen bei Jugendlichen mit unterschiedlichen Herzfehlern und Langzeitprognosen ist anspruchsvoll. Ebenfalls stellen die sozialen, kognitiven und körperlichen Veränderungen eine grosse Herausforderung an das Gesundheitspersonal und verlangen nach einem individuellen Ansatz (Uzark et al., 2015). Studien zur Wissensvermittlung haben gezeigt, dass sich durch eine strukturierte Edukation das Wissen kurzfristig verbessert, oft aber nur minimal (Goossens, Van Deyk, Zupancic, Budts, & Moons, 2014; Mackie et al., 2014). Wie in der Studie von Burstrom et al.(2016) bereits nachgewiesen, weisen auch unsere Resultate darauf hin, dass ein holistischer und individueller Ansatz von Eltern und Jugendlichen auch bei der Wissenvermittlung geschätzt wird. Auch wenn noch nicht alle Jugendlichen ihren Herzfehler benennen oder beschreiben konnten, erlebten doch alle Adoleszenten einen Wissenszuwachs als positive Erfahrung und drei junge Frauen und ein junger Mann übernahmen bereits in Teilbereichen für ihren AHF Verantwortung. Unsere Studienergebnisse werfen die Frage auf, inwiefern die Person, welche die Transitionssprechstunde ­leitet, für deren Gelingen verantwortlich ist. Für viele Adoleszente war das junge Alter der Leiterin der TS sehr positiv. Es gab ihnen das Gefühl der Identifikation und der Gespräche auf Augenhöhe. Eine ähnliche Sprache erleichterte ihnen das Erzählen ihres Alltags und Fragen bezüglich ihres AHF. Durch das Fachwissen und kommunikativen Fähigkeiten der Leiterin der TS konnten alltagsrelevante und für die Patienten mit AHF wichtige Themen angesprochen und vermittelt werden. Die Möglichkeit, bei Fragen auf eine Fachperson verweisen zu können, war für die Eltern eine Erleichterung. Sie erhofften sich, dass eine neutrale Fachperson ihre Kinder darin unterstützen kann, Wissen aufzunehmen und Verantwortung für ihre Erkrankung zu übernehmen. Ein wichtiges Thema für die Eltern war die Verantwortungsübergabe. Die Adoleszenz ist eine Zeit der Veränderung, in der Jugendliche einerseits die Nähe zu ihren Eltern suchen, sich aber gleichzeitig auch ablösen wollen. Diese ambivalente Haltung spiegelt sich auch in unserer Studie wider: Adoleszente verlassen sich gerne auf ihre Eltern, wenn es um Belange des Herzfehlers geht. Manche Adoleszente wollten die Verantwortung noch nicht vollständig übernehmen, obwohl sie sich bewusst waren, das dies früher oder später erwartet wird (Asp et al., 2015; Burstrom et al., 2016). Eltern eines Kindes mit AHF können sich schwer tun mit der Verantwortungsabgabe. Sie haben ihre Kinder von Beginn an begleitet, waren dabei wenn es eine Operation brauchte oder Therapiepläne eingehalten werden mussten. Dass Jugendliche sich selber oft als gesund bezeichnen und sich mit ihren Kameradinnen und Kameraden gleich fühlen möchten, kann für Eltern in Erinnerung an frühere schwere Momente schwer auszuhalten sein (Callus, Quadri, Jackson, Utens, & Dulfer, 2016). Zu sehen, dass der Jugendliche seine Verantwortung nur ansatzweise wahrnimmt, kann belastend sein und das Loslassen zusätzlich erschweren. In dieser spannungs­reichen Situation ist es verständlich, dass Eltern die Möglichkeit wünschen, in neutraler Umgebung und mit ­Vermittlung durch die TS mit ihren Pflege (2018), 31 (1), 9–18

Kindern über „Verantwortung abgeben – Verantwortung übernehmen“, Umgang mit Herzfehler, und andere emotionsreiche Themen (z. B. Narbe in der Schule, Alkohol, Rauchen und Drogen) diskutieren zu können. Obwohl auch einigen Müttern in unserer Studie das Abgeben von Verantwortung schwer fiel, fühlten sich alle Mütter und Väter unterstützt durch die Präsenz einer Fachperson, die ihren Kindern jederzeit zur Verfügung stand. Die TS wird als sinnvolle Ergänzung der Betreuungskette für AHF Betroffene wahrgenommen.

Limitationen Die Untersuchungsgruppe war klein, es nahmen nur zwei Väter teil und alle Adoleszenten lebten noch bei den Eltern. Es ist anzunehmen, dass dies die Verantwortungsübernahme der Jugendlichen beeinflussen könnte. Die TS wird erst seit 2012 angeboten, die Erfahrungen der Studienteilnehmenden waren daher auf wenige Konsultationen beschränkt. Weitere Teilnehmende, selbständig lebende Adoleszente, Jugendliche mit kognitiven Einschränkungen, ihre Eltern sowie Betroffene, die ab Beginn bis zum Abschluss der Transition begleitend die TS besuchten und Familien, die eine TS ablehnen, könnten wohl ergänzende Erfahrungen beitragen. Dennoch liessen sich gemeinsame Themen finden und aufgrund der Erfahrungen der Studienteilnehmenden konnten wesentliche Aspekte der TS herauskristallisiert werden.

Schlussfolgerungen Diese Studienergebnisse vermitteln einen ersten Eindruck, wie Adoleszente mit AHF, die teilnehmenden Mütter und Väter die TS wahrnahmen. Es lässt sich festhalten, dass die TS von allen Teilnehmenden positiv erlebt wurde. Eine konstant betreuende Fachperson und regelmässig stattfindende TS dienen der Kontinuität im Behandlungsprozess der Adoleszenten mit AHF, unterstützen die Wissensvermittlung und erleichtern den Übergang von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin. Jedoch sollte noch mehr Augenmerk auf die Verantwortungsübergabe gelegt werden. Der Einbezug der Eltern in die TS muss überdacht werden. Zukünftige Forschung in diesem Bereich sollte bei Adoleszenten noch vertiefter die Gründe für ihre positiv erlebte Betreuung in der TS explorieren. Zudem sollte untersucht werden, ob sich im Alltag der Teilnehmenden durch die TS etwas änderte und ob die TS einen Einfluss bezüglich Adhärenz für Kontrolluntersuchungen hat.

Interessenkonflikt CT führt die Transitionssprechstunde durch und MS ist der Leiter des Zentrums. © 2017 Hogrefe


C. Thomet et al.: Erleben einer pflegegeleiteten Transitionssprechstunde

Danksagung Ein grosser Dank geht an die Adoleszenten und deren Eltern für die Offenheit in den Interviews. Wir danken den Studienkolleginnen der Zweitautorin für den Fachaustausch.

Beiträge der einzelnen Autorinnen / Autoren Substanzieller Beitrag zu Konzeption oder Design der Arbeit: CL, ES, CT, MS Substanzieller Beitrag zur Erfassung, Analyse oder Interpretation der Daten: CL, ES Manuskripterstellung: CT, ES, CL, MS Einschlägige kritische Überarbeitung des Manuskripts: CT, ES, CL, MS Genehmigung der letzten Version des Manuskripts: CT, ES, CL, MS Übernahme der Verantwortung für das gesamte Manuskript: CT, ES, CL, MS

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C. Thomet et al.: Erleben einer pflegegeleiteten Transitionssprechstunde

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Corina Thomet, MScN Zentrum für angeborene Herzfehler Universitätsklinik für Kardiologie Inselspital Universitätsspital Bern 3010 Bern Schweiz corina.thomet@insel.ch

Was war die grösste Herausforderung bei Ihrer Studie? Die Interviews mit wortkargen Jugendlichen waren herausfordernd. Was wünschen Sie sich bezüglich der Thematik für die Zukunft? Für die Zukunft sind Interventionsstudien gefragt, um noch besser den Nutzen von Transitionssprechstunden für chronisch kranke Jugendliche aufzeigen zu können. Unsere Studie ermöglicht einen ersten Einblick in die Wichtigkeit solcher Sprechstunden für die Jugendlichen und ihre Eltern. Was empfehlen Sie zum Weiterlesen / Vertiefen? Das umfassende Werk „Transitions Theory“ von Meleis, A. I. (2010).

Manuskripteingang: 17.10.2016 Manuskript angenommen: 29.06.2017 Veröffentlicht online: 05.09.2017

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Originalarbeit

Lymphologischer Kompressions­ verband oder Standardbehand­lung mit Kältepackung zur Schwellungs­ reduktion nach KnietotalprothesenOperation Eine randomisiert-kontrollierte, einfach verblindete Pilotstudie Brigitta Stocker1,2,*, Christine Babendererde1,3,*, Manuela Rohner-Spengler2, Urs W. Müller4, André Meichtry1, Hannu Luomajoki1 Institut für Physiotherapie, Departement Gesundheit, Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW), Winterthur Physiotherapie, Spezialmedizin 3, Departement Medizin, Luzerner Kantonsspital, Luzern 3 Physiotherapiepraxis Oberer Graben, Winterthur 4 Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Departement Chirurgie, Luzerner Kantonsspital, Luzern 1 2

Zusammenfassung: Hintergrund: Nach Implantation einer Knietotalprothese ist es wichtig, wirksame Methoden zur Schwellungsreduktion einzusetzen. Ziel: Das Ziel dieser Pilotstudie (EKNZ 2014 – 225 DRKS00006271) war es, den Effekt des lymphologischen Kompressionsverbands (LKV) im Vergleich zur Standardtherapie mit Kältepackung zu untersuchen. Methode: In dieser randomisierten, kontrollierten Pilotstudie wurden 16 Patienten nach Knietotalprothesenoperation der Interventionsgruppe (IG) oder der Kontrollgruppe (KG) zugeteilt. Umfangmessungen wurden genutzt, um die Schwellung zu beurteilen. Beweglichkeit (Range of Motion, ROM), Schmerzen (numerische Ratingskala, NRS) und Gehgeschwindigkeit (fast Self Paced Walking Test, fSPWT) dienten als sekundäre Studienendpunkte. Ergebnisse: Frühpostoperativ sowie sechs Wochen nach der Operation konnten klinisch relevante Unterschiede zwischen den Gruppen in der Umfangreduktion beobachtet werden. Die Zeit-Gruppe-Interaktion (IE) zugunsten der IG betrug sechs Tage postoperativ −3,8 cm (95 % KI: −5,1; −2,4) bei den Messungen 10 cm proximal des Gelenkspalts und −2,7 cm (KI: −4,1; −1,3) bei Messungen 5 cm proximal. Gruppenunterschiede zugunsten der KG wurden bei den sekundären Endpunkten beobachtet. Sechs Tage postoperativ betrugen die IE −8.3 ° (KI: −22,0; 5,4) für die Knieflexion und 12,8 Sekunden (KI: −16,4; 41,3) für den fSPWT. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse geben erste Hinweise darauf, dass die Applikation eines LKV eine alternative Massnahme sein könnte, die Schwellung bei Patienten nach Knietotalprothese zu reduzieren, jedoch möglicherweise mit leicht negativen Auswirkungen auf Beweglichkeit und Funktion. Schlüsselwörter: Knietotalprothese, Schwellung, lymphologischer Kompressionsverband, Physiotherapie, Kryotherapie Effective therapy to reduce edema after total knee arthroplasty Multi-layer compression therapy or standard therapy with cool pack – a randomized controlled pilot trial Abstract: Background: After total knee arthroplasty (TKA) efficient control and reduction of postoperative edema is of great importance. Aim: The aim of this pilot study (EKNZ 2014 – 225 DRKS00006271) was to investigate the effectiveness of multi-layer compression therapy (MLCT) to reduce edema in the early period after surgery compared to the standard treatment with Cool Pack. Methods: In this randomized controlled pilot trial, sixteen patients after TKA were randomized into an intervention group (IG) or a control group (CG). Circumferential measurements were used to assess edema. Secondary outcomes were range of motion (ROM), pain (numeric rating scale, NRS) and function as measured with the fast Self Paced Walking Test (fSPWT). Results: Clinically relevant differences in edema reduction between the two groups were found in the early postoperative period and at the six weeks follow up. Six days postoperatively the group time interaction (IE) in favor of the IG were −3.8 cm (95 % CI: −5.1; −2.4) when measured 10 cm proximal to the joint space and −2.7 cm (CI: −4.1; −1.3) when measured 5 cm proximally. We further observed differences in secondary outcomes in favor of the CG. Six days postoperatively the IE for knee flexion was –8.3 ° (CI: −22.0; 5.4) and for the fSPWT it was 12.8 seconds (CI: −16.4; 41.3). Six weeks postoperatively these differences diminished.

* Beide Autorinnen waren zu gleichen Teilen an der Herstellung der Studie beteiligt.

© 2017 Hogrefe Veröffentlicht unter der Pflege (2018), 31 (1), 19–29 Hogrefe OpenMind-Lizenz (http://dx.doi.org/10.1026/a000002) https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000575


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B. Stocker et al.: Schwellungsreduktion nach Knietotalprothese

Conclusions: The findings suggest that MLCT could be an alternative treatment to reduce postoperative edema in patients after total knee arthroplasty. Eventually possible negative effects on early knee flexion and function must be considered. Keywords: knee arthroplasty, edema, compression, multilayer compression bandage, cryo-therapy

Die postoperative Schwellung nach Implantation einer Knieprothese ist ein wichtiger Faktor für die Progression in der Nachbehandlung. Die Schwellung kann sich ungünstig auf die Wundheilung des operierten Knies, die Schmerzintensität, die Muskelfunktion und die Mobilität des Patienten / der Patientin auswirken. Effektive Behandlungsmethoden zur Reduktion der Schwellung sind deshalb von grossem Interesse. In dieser randomisierten, kontrollierten Pilotstudie wird der Effekt eines lymphologischen Kompressionsverbands mit der Standardbehandlung (mit Kältepackung) verglichen.

Einleitung Die Implantation eines künstlichen Kniegelenks gehört in der Schweiz zu den am häufigsten durchgeführten Operationen. 2012 wurden in der Schweiz 16 462 künstliche Kniegelenke implantiert (2009: Deutschland 175 000, Kosten 1 – 1,3 Milliarden Euro (Barmer GEK Report Krankenhaus, 2010); das sind mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2002 (Gesundheitsstatistik, 2014). Hauptgrund für die Implantation ist eine fortgeschrittene Gonarthrose. Am häufigsten werden Knietotalprothesen im Alter von 65 bis 84 Jahren eingesetzt. Die stationären Aufenthalte dauerten 2008 im Mittel 12,3 Tage; das sind 3,1 Tage weniger als 2002 (BFS Aktuell, 2010). Trotz zunehmend kürzerem Krankenhausaufenthalt sind die Anforderungen bei der Entlassung gleich geblieben. In der frühen postoperativen Phase sind die Patienten / Patientinnen durch Schwellung, Schmerz und einen erheblichen Verlust an motorischer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Durch das Operationstrauma zeigt sich häufig eine deutliche Schwellung im operierten Bein, akzentuiert zwischen dem dritten und fünften Tag (Gao, Li, Zhang, Huang, & Liu, 2011). Dieses Wundödem ist Voraussetzung für die physiologischen Prozesse, die bei der Wundheilung im Gewebe stattfinden. Steigt der Filtrationsdruck in den

Was ist (zu dieser Thematik) schon bekannt? Nach Implantation einer Knietotalprothese sind die Patienten / Patientinnen von Schwellung, Schmerz und motorischer Beeinträchtigung betroffen. Was ist neu? Die Ergebnisse dieser Pilotstudie geben erste Hinweise darauf, dass durch die Applikation eines lymphologischen Kompressionsverbands (LKV) im Vergleich zur Kälteapplikation die postoperative Schwellung möglicherweise schneller reduziert werden kann. Welche Konsequenzen haben die Ergebnisse für die Pflegepraxis? Der LKV könnte zur Anwendung kommen, wenn eine postoperative Schwellung die Rehabilitation beeinträchtigt.

Pflege (2018), 31 (1), 19–29

Kapillaren übermässig an, kann das lymphatische System überfordert sein und es kommt zu extrazellulären Ödemen (Villeco, 2012). Diese Schwellung kann sich negativ auf die Rekrutierung des M. quadriceps und den Schmerz auswirken (Holm et al., 2010; Palmieri-Smith, Villwock, Downie, Hecht, & Zernicke, 2013) und eine Mobilisation des Kniegelenks erschweren. Ziel ist es demnach, eine übermässige Schwellung zu vermeiden bzw. effizient zu reduzieren. Diverse Massnahmen wie Hochlagerung, Kälte, Kompression, lymphologische Physiotherapie, aktive Bewegungstherapie, Kinesio Taping® und Patienteninformation werden zur Schwellungsreduktion eingesetzt (Adie, Kwan, Naylor, Harris, & Mittal, 2012; Donec & Kriščiūnas, 2014; Ebert, Joss, Jardine, & Wood, 2013). Kälteapplikation ist wohl die am weitesten verbreitete Methode, obwohl deren Wirkung kontrovers diskutiert wird. Frühere Studien konnten keinen eindeutig positiven Effekt auf die Schwellung oder Beweglichkeit aufzeigen und nur initial geringe positive Effekte auf die Schmerzen (Adie et al., 2012; Holmström & Härdin, 2005; Martimbianco et al., 2014). Gründe für eine trotzdem weit verbreitete Anwendung nach Knietotalprothesen-Operationen könnten eine kurzfristige Schmerzreduktion und die Tatsache sein, dass es sich um eine sichere, kostengünstige und einfache Anwendung handelt. Bei der Behandlung von Lymphödemen gilt die lymphologische Physiotherapie, die in erster Linie aus manueller Lymphdrainage und lymphologischem Kompressionsverband (LKV, auch bekannt unter der Bezeichnung mehrschichtige lymphologische Dauerkompressionsbandage) besteht, als Therapie der Wahl (Földi, Földi, & Kubik, 2010). Studien konnten deren Wirkung auf die Ödemreduktion bestätigen (Fu, Deng, & Armer, 2014; McNeely, Peddle, Yurick, Dayes, & Mackey, 2011). Bei der Behandlung von Ulcus cruris konnte durch den LKV eine positive Wirkung auf die Wundheilung gezeigt werden (Milic et al., 2010; O‘Donnell et al., 2014). Durch die Kompression der Bandage erhöht sich der Gewebedruck, der effektive ultrafiltrierende Druck sinkt und damit reduziert sich die Menge des Ultrafiltrats. Durch die Kompression kommt es zu einem verbesserten venösen und lymphatischen Rückfluss und die Muskelpumpe wird unterstützt. Das Ödem wird durch die Kompression verteilt, wodurch sich die Reabsorptionsfläche vergrössert (Földi et al., 2010). Mittels LKV konnte in einer Studie die prä- und postoperative Schwellung bei Knöchel- und Rückfuss­ ­ frakturen signifikant schneller reduziert werden im Vergleich zur Standardbehandlung mit Kältepackung. Die Autoren / Autorinnen fanden bezüglich der Beweglichkeit negative Kurzzeiteffekte auf die Dorsalextension des ­ Sprunggelenks (Rohner-Spengler, Frotzler, Honigmann, & Babst, 2014). © 2017 Hogrefe


B. Stocker et al.: Schwellungsreduktion nach Knietotalprothese 21

Eine Studie (Ebert et al., 2013) untersuchte die Wirkung der manuellen Lymphdrainage nach KnietotalprothesenOperation. Es konnte keine Auswirkung auf die Schwellung aufgezeigt werden, jedoch eine signifikante Verbesserung der Flexionsbewegung. Die Wirkung eines LKV, angewendet über mehrere Tage in der frühen postoperativen Phase nach einer Knietotalprothesen-Operation, wurde unseres Wissens noch nicht untersucht. Die Fragestellung dieser Pilotstudie lautet: Welchen Effekt hat ein LKV im Vergleich zur Standardtherapie mit Kältepackung auf Schwellung, Schmerz, Beweglichkeit und Funktion bei Patienten nach einer Knietotalprothesen-Operation in der Akutphase sowie sechs Wochen postoperativ? Die Hypothese war, dass sich durch den LKV die Schwellung deutlicher reduziert und sich dadurch positive Effekte auf die Schmerzen, die Beweglichkeit und die Funktion ergeben. Ein weiteres Ziel dieser Pilotstudie war es, erstmalig Daten zu erhalten, die Hinweise auf die Wirkungsweise des LKV geben und die eine Grundlage bieten für Fallzahlberechnungen bei zukünftigen, grösser angelegten Studien.

Methodik Design Die vorliegende randomisierte, kontrollierte Pilotstudie mit repetierten Messungen wurde zwischen September 2014 und März 2015 an einem Schweizer Zentrumsspital durchgeführt. Die Studie wurde im Voraus von der Ethikkommission Nordwest- und Zentralschweiz (EKNZ 2014 – 2 25) ge-

nehmigt und beim WHO-anerkannten Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS00006271) registriert.

Patienten / Patientinnen Geeignete Patienten / Patientinnen mit einer geplanten Knietotalprothesen-Operation wurden schriftlich und mündlich über die Studie informiert. Beim Aufnahmegespräch im Krankenhaus wurden durch den Arzt / die Ärztin die Ein- und Ausschlusskriterien geprüft (Tabelle 1). Nach Erhalt der schriftlichen Einwilligung zur Studienteilnahme wurden die Patienten / Patientinnen postoperativ vor der ersten Intervention (vor t0, Abbildung 1) mit Hilfe von verschlossenen, nicht durchsichtigen Umschlägen und mit Hilfe einer nicht in die Studie involvierten Person in ViererBlöcken je zur Hälfte der Interventionsgruppe (IG) und der Kontrollgruppe (KG) randomisiert zugeteilt (Abbildung 1).

Interventionen Bei allen Patienten / Patientinnen wurde von einem erfahrenen Knieorthopäden die gleiche Knietotalprothese (P.F.C. Sigma® PePuy Johnson & Johnson) eingesetzt. Postoperativ wurde für ein bis drei Tage eine N. femoralis-Katheter-Analgesie angelegt. Vom ersten bis zum fünften postoperativen Tag wurde einmal täglich (9.30 Uhr morgens, nach den Verlaufsmessungen) bei allen Patienten / Patientinnen die gleiche physiotherapeutische Standardtherapie durchgeführt. Diese beinhaltete Atemtherapie, Stoffwechselgymnastik, Lagerungsinstruktion, Mobilisation des Kniegelenks und der Patella, Muskelinnervationsschulung, zweimal täglich Bewegungsschiene (Continuous Passive Motion, CPM), Gangschulung mit Stöcken, Anleitung zum korrekten Trep-

Tabelle 1. Ein-/Ausschlusskriterien Ein- / Ausschlusskriterien Einschlusskriterien

Alter 45 – 90 Jahre Einwilligungsfähige Patientin / einwilligungsfähiger Patient Gehfähigkeit 10 Minuten ohne Gehhilfen oder mit 1 – 2 Gehstöcken Einseitig geplante Knietotalprothese bei degenerativer oder posttraumatischer Kniegelenkarthrose Geplante Anästhesie: Nervus femoralis-Katheter Gute Deutschkenntnisse

Ausschlusskriterien

Kniegelenkarthritis Zusätzliche Tuberositasosteotomie BMI über 40 Relevante kardiale oder neurologische Defizite Unkontrollierter Diabetes mellitus (HbA1c grösser als 9) Niereninsuffizienz ab Stadium 3 Vorbestehende generelle Lymphödeme PAVK ab Stadium 2b Bekannte schwere Osteoporose Tumore Klinisch relevantes postthrombotisches Syndrom Alkoholabusus, Drogenabusus Psychische Grunderkrankungen (wie z. B. Depressionen) Änderung in der Diuretikamedikation

BMI Body-Mass-Index PAVK periphere arterielle Verschlusskrankheit

© 2017 Hogrefe Pflege (2018), 31 (1), 19–29


B. Stocker et al.: Schwellungsreduktion nach Knietotalprothese

Aufnahme

22

Für Studieneinschluss evaluierte Patienten (n=46) Ausgeschlossen (n=30) - Wegen Ein-/Ausschlusskriterien (n=29) - Teilnahme abgelehnt (n=1) - Andere Gründe (n=0) Patienten die Einschlusskriterien erfüllen n=16

Präoperative Messung (n=16) Umfang, ROM, NRS, fSPWT (t0 für fSPWT)

Operation (n=16)

Datenanalyse

Verlaufsmessung en

Zuordnung

Postoperative Randomisierung (n=16)

Interventionsgruppe Interventionsgruppe: Lymphologischer Kompressionsverband (n=8)

1. postoperativer Tag

Kontrollgruppe: Kontrollgruppe Standardtherapie mit Kältepackung (n=8)

t0 Umfang, ROM, NRS (n=8)

t0 = 1. postoperativer Tag. Messung vor 1. Behandlung.

t0 Umfang, ROM, NRS (n=8)

t1 Umfang, ROM, NRS (n=8)

t1 = 3. postoperativ er Tag. Messung vor 3. Behandlung

t1 Umfang, ROM, NRS (n=8)

t2 Umfang, ROM, NRS (n=8) fSPWT (n=7) fSPWT am 7.Tag (n=1)

t2 = 6. postoperativer Tag

t2 Umfang, ROM, NRS, fSPWT (n=8)

t3 Umfang, ROM, NRS (n=8)

t3 = 6 Wochen postoperativ

t3 Umfang, ROM, NRS (n=8)

Studientherapie wie randomisiert erhalten (n=8) Daten analysiert (n=8) von Datenanalyse ausgeschlossen (n=0)

Studientherapie wie randomisiert erhalten (n=8) Daten analysiert (n=8) von Datenanalyse ausgeschlossen (n=0)

Abbildung 1. Flussdiagramm (ROM=Range of Motion, NRS=numerische Ratingskala, fSPWT=fast Self Paced Walking Test)

Abbildung 1. Flussdiagramm (ROM=Range of Motion, NRS=numerische Ratingskala, Paced Walking Test) © 2017 Hogrefe

fSPWT=fast Pflege (2018), 31 (1), 19–29Self


B. Stocker et al.: Schwellungsreduktion nach Knietotalprothese 23

pensteigen mit Stöcken, Erlernen von Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL), Erlernen der Eigenübungen (Beugen und Strecken im Fussgelenk, Oberschenkelmuskulatur anspannen, Bein in Rückenlage und im Sitzen beugen und strecken) sowie Informationen über das weitere Prozedere.

Interventionsgruppe (Behandlung mit LKV) Die Patienten / Patientinnen der IG erhielten zusätzlich zu der oben beschriebenen Standardtherapie vom ersten bis zum fünften postoperativen Tag einen LKV, der während 22 Stunden pro Tag getragen und nur für Messungen, Visite und Wundkontrolle entfernt wurde (Abbildung 2). Ein standardisiertes Protokoll für die Anlage dieses Kom­ pressionsverbands wurde erstellt und von den Thera­ peuten / Therapeutinnen mit Zusatzausbildung in lym­ phologischer Physiotherapie intern eingeübt. Der LKV wurde den Patienten / Patientinnen in liegender Position (frisch postoperativer Zustand), in einem Kniewinkel von 0 ° – 20 °, von der Mitte des Unterschenkels bis zur Leiste angelegt. Der Verband bestand aus mehreren Schichten (Schlauchgaze Tricofix®, Polsterwatte Artiflex® 10 cm, Kurzzugbinde [Comprilan®, Beiersdorf] 8 – 12  cm). Die Kurzzugbinde wurde mit so viel Druck appliziert, dass sie gut vom Patienten toleriert wurde (ca. 30 mmHg). Bei Diskomfort wurden die Kurzzugbinden entfernt und erneut appliziert, sodass sie gut vertragen wurden.

Kontrollgruppe (Behandlung mit Kältepackung) Die Patienten / Patientinnen der KG erhielten zusätzlich zu der oben beschriebenen Standardtherapie vom ersten bis zum fünften postoperativen Tag dreimal täglich für zehn Minuten eine Kältepackung (Physiopack® 13 × 30 cm, aufbewahrt bei –19 °C), welche in ein Frottiertuch eingewickelt auf das Kniegelenk appliziert wurde. Für die Mobilisation wurde das Bein an den ersten beiden postoperativen Tagen mit einer Kurzzugbinde eingebunden. Ab dem dritten Tag trugen die Patienten Antithrombosestrümpfe (T.E.D.®).

Abbildung 2. LKV bestehend aus Schlauchgaze, Polsterwatten und Kurzzugbinden. (Fotografiert durch die Studienleiterin 21.01.2015).

Studienendpunkte, Messverfahren und Verblindung Die Untersuchung der Effekte des LKV im Vergleich zur Kälteapplikation erfolgte anhand klinisch relevanter Zielgrössen, die mittels reliabler und valider Methoden zu mehreren Messzeitpunkten erfasst wurden. Der primäre Studienendpunkt war die Schwellung, die durch Umfangmessungen am Gelenkspalt, 5 cm, 10 cm und 15 cm proximal sowie 15 cm distal vom Gelenkspalt am operierten Bein erfasst wurde (Intertester-Reliabilität: Intra-Klassen-Korrelation (ICC) = 0,72 – 0,97 (Soderberg, Ballantyne, & Kestel, 1996); Intertester-Reliabilität: ICC für Umfangmessung 1 cm proximal der Patella = 0,98 – 0,99 und Smallest Real Difference (SRD) = 1,47 – 1,63 cm (Jakobsen, Christensen, Christensen, Olsen & Bandholm, 2010)).

Tabelle 2. Soziodemografische und präoperative Parameter der Studienteilnehmer / innen Soziodemografische und präoperative Parameter der Studienteilnehmer / innen Parameter

Anzahl (n)

Interventionsgruppe M ± SD*

Kontrollgruppe M ± SD*

8

8

4/4

5/3

Alter (Jahre)

68,0 ± 8,6

73,1 ± 6,3

Grösse (m)

1,7 ± 0,04

1,7 ± 0,07

Gewicht (kg)

78,3 ± 6,7

85,3 ± 9,6

BMI (kg / m2)

27,9 ± 2,3

31,1 ± 3,4

Umfang Gelenkspalt (cm)

39,1 ± 2,2

40,6 ± 3,0

Umfang 5 cm proximal (cm)

41,6 ± 3,4

44,5 ± 4,3

Umfang 10 cm proximal (cm)

43,1 ± 4,5

47,2 ± 4,6

Umfang 15 cm proximal (cm)

46,5 ± 4,3

50,0 ± 4,9

Umfang 15 cm distal (cm)

37,7 ± 2,3

38,5 ± 4,3

Aktive Extension (Grad)

5,6 ± 4,5

5,6 ± 6,5

Aktive Flexion (Grad)

120,1 ± 12,5

118,3 ± 12,1

NRS (0 – 10)

5,4 ± 2,8

4,8 ± 2,2

fSPWT (Sek)

34,1 ± 14,8

34,1 ± 4,5

Geschlecht (m / w)

M Mittelwerte SD Standardabweichung *obere Zeile entspricht dem Mittelwert, untere Zeile beschreibt die zugehörige Standardabweichung. m männlich, w weiblich BMI Body-Mass-Index NRS numerische Ratingskala fSPWT fast Self Paced Walking Test

© 2017 Hogrefe Pflege (2018), 31 (1), 19–29


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B. Stocker et al.: Schwellungsreduktion nach Knietotalprothese

Tabelle 3. Deskriptive Ergebnisse zu den primären und sekundären Studienendpunkten (Mittelwert ± Standardabweichung)* Deskriptive Ergebnisse zu den primären und sekundären Studienendpunkten (Mittelwert ± Standardabweichung)* Interventionsgruppe

Kontrollgruppe

t0

t1

t2

t3

t0

t1

t2

t3

Umfang-Messung am GS (cm)

40,3 ± 1,4

40,7 ± 1,6

39,6 ± 2,0

40,8 ± 1,7

39,7 ± 3,5

41,1 ± 3,7

41,7 ± 3,7

42,1 ± 3,4

Umfang-Messung 5 cm proxi. vom GS (cm)

44,2 ± 3,3

44,7 ± 3,1

43,5 ± 2,9

43,5 ± 2,9

44,4 ± 4,6

45,9 ± 4,4

46,5 ± 4,0

46,0 ± 3,7

Umfang-Messung 10 cm proxi. vom GS (cm)

45,7 ± 4,5

45,6 ± 3,9

44,3 ± 3,8

44,1 ± 4,1

46,7 ± 3,9

48,6 ± 4,1

49,1 ± 3,9

47,6 ± 4,2

Umfang-Messung 15 cm proxi. vom GS (cm)

48,0 ± 4,1

49,6 ± 4,1

47,8 ± 4,1

46,7 ± 4,3

49,6 ± 4,4

51,4 ± 4,7

51,4 ± 4,4

50,0 ± 4,4

Umfang-Messung 15 cm distal vom GS (cm)

36,3 ± 2,0

36,3 ± 2,5

34,8 ± 2,2

37,0 ± 2,9

38,2 ± 3,0

38,3 ± 2,1

37,0 ± 3,7

38,3 ± 3,3

Extension (Grad)

11,9 ± 5,9

10,6 ± 4,6

6,6 ± 1,9

44 ± 2,9

11,9 ± 8,5

8,6 ± 2,9

5,9 ± 2,0

4,8 ± 1,7

Flexion (Grad)

34,9 ± 15,8

46,5 ± 9,9

60,4 ± 14,3

96,0 ± 9,8

42,4 ± 17,5

60,0 ± 19,8

76,1 ± 16,2

104,4 ± 15,2

NRS (0 – 10)

5,0 ± 2,9

4,0 ± 1,9

3,3 ± 1,9

1,4 ± 1,5

4,8 ± 2,2

2,5 ± 1,8

3,0 ± 1,2

1,8 ± 1,7

97,1 ± 34,6

43,3 ± 16,3

84,6 ± 47,8

41,0 ± 11,2

fSPWT $ (Sek)

NA

NA

NA

NA

*obere Zeile entspricht dem Mittelwert, untere Zeile beschreibt die zugehörige Standardabweichung. t0 = postoperative Baseline (1. postoperativer Tag); t1 = 3. postoperativer Tag; t2 = 6. postoperativer Tag; t3 = 6 Wochen postoperativ. $ fSPWT t 0 = präoperative Baseline. GS Gelenkspalt proxi. proximal NRS numerische Ratingskala fSPWT fast Self Paced Walking Test

Als sekundäre Studienendpunkte wurden die aktive Kniebeweglichkeit (Range of Motion, ROM), der Schmerz (numerische Ratingskala, NRS) und die Gehgeschwindigkeit (fast Self Paced Walking Test, fSPWT) gemessen. Es wurde davon ausgegangen, dass die Schwellung möglicherweise einen Einfluss auf diese Endpunkte haben würde. Die ROM wurde in Rückenlage mit einem Goniometer auf 1 Grad genau gemessen. (Intertester-Reliabilität: ICC für die Flexion = 0,977 – 0,982, ICC für die Extension = 0,893 – 0,926 (Brosseau et al., 2001)). Bei der Schmerzerfassung gab der Patient / die Patientin auf einer Skala von 0 – 10 die Intensität der Knieschmerzen im Durchschnitt der letzten 24 Stunden an (Pearson Korrelationskoeffizient für Retest-Reliabilität = 0,963 (Ferraz et al., 1990), minimal klinisch relevante Veränderung = 1,4 (Holdgate, Asha, Craig, & Thompson, 2003)). Beim fSPWT lief der Patient / die Patientin so schnell wie möglich eine Wegstrecke von 20 Metern ohne übermässige Anstrengung. Er / sie drehte sich in aller Ruhe um (die Zeit wurde beim Drehen nicht gemessen) und lief die 20 Meter wieder so schnell wie möglich zurück, wieder ohne übermässige Anstrengung (Intra-KlassenKorrelationskoeffizient = 0,91, Standardfehler der Messung (SEM) = 1,73, minimal erkennbare Veränderung = Pflege (2018), 31 (1), 19–29

4,04 Sekunden (Kennedy, Stratford, Wessel, Gollish, & Penney, 2005)). Die Umfangmessung, ROM und NRS wurden sowohl präoperativ bei stationärer Aufnahme, als auch am ersten, dritten und sechsten postoperativen Tag und nach sechs Wochen gemessen. Der fSPWT wurde präoperativ bei stationärer Aufnahme, am sechsten postoperativen Tag und nach sechs Wochen gemessen (Abbildung 1). Täglich wurden die Anlegedauer des N. femoralis-Katheters sowie dessen Wirkung, die Gabe nichtsteroidaler Antirheumatika, die Mobilisationsdauer und die Anwendung der CPM-Schiene dokumentiert (Ärzte, Pflege und Physiotherapie). Zusätzlich wurde jeweils die Patientenakte gesichtet und wo nötig die Dokumentation ergänzt. Die Länge der Hospitalisierung wurde berechnet, und im Rahmen der Untersuchung nach sechs Wochen wurden allfällige Komplikationen und die Häufigkeit ambulanter Therapien erfasst. Es wurde versucht, so wenige Messpersonen wie möglich in die Studie zu involvieren. Die standardisierten Messungen wurden durch die Studienleiterinnen in in­ ternen Team-Weiterbildungen abgeglichen und stand­ ardisiert durchgeführt (detailliertes Messprotokoll siehe elektronisches Zusatzmaterial). Die Verblindung der Messpersonen wurde gewährleistet, indem das Pflegeper© 2017 Hogrefe


B. Stocker et al.: Schwellungsreduktion nach Knietotalprothese 25

sonal jeweils vor den Messungen alles Material entfernte und der Patient­ / die Patientin sich nicht über die Art der Intervention gegenüber der Messperson äussern durfte.

Datenanalyse Sowohl für die primären als auch für die sekundären Endpunkte wurden Mittelwerte und Standardabweichungen (SD) berechnet. Die Therapieeffekte bezüglich der Zielgrössen wurden mittels linear gemischter Modelle (LMM) geschätzt. Dazu wurde für jede Zielgrösse das Modell an die Daten angepasst. Die Eingangsgrössen waren Zeitpunkt (erster, dritter und sechster postoperativer Tag sowie sechs Wochen postoperativ), Gruppe (Interventions- und Kontrollgruppe) und die interessierende Interaktion zwischen Zeitpunkt und Gruppe als feste Effekte sowie Subjekt (ID) als zufälliger Effekt. Dieses Modell ist äquivalent mit einer ANOVA mit Messwiederholungen und berücksichtigt die Korrelation zwischen wiederholten Messungen. Für die geschätzten Parameter wurden 95 % Konfidenzintervalle (KI) konstru-

iert. Die Modellannahmen wurden durch eine Residuenanalyse überprüft. Die Therapieeffekte der Studienendpunkte Umfangmessung, ROM und NRS wurden in Referenz zur Messung am ersten postoperativen Tag (postoperative Baseline) berechnet, der fSPWT in Referenz zur präoperativen Messung. Für die statistische Analyse wurde die Software R (Version 2.14.1) verwendet.

Ergebnisse Stichprobe Von 46 rekrutierten Patienten / Patientinnen konnten 16 in die Studie aufgenommen werden und postoperativ randomisiert der IG bzw. der KG zugeteilt werden (Abbildung 1, detaillierte Beschreibung der ausgeschlossenen Patienten / Patientinnen im Zusatzmaterial: Tabelle Zusatzmaterial 1). Alle Patienten / Patientinnen erhielten die Behandlung wie zugeordnet, beendeten die Studie wie im Protokoll vorgesehen und wurden wie geplant in die Datenanalyse eingeschlossen.

Tabelle 4. Effektschätzung mittels linear gemischter Modelle zu den primären und sekundären Studienendpunkten Effektschätzung mittels linear gemischter Modelle zu den primären und sekundären Studienendpunkten Tag 3 IE (95 % KI)

p-Wert

Tag 6 IE (95 % KI)

p-Wert

Woche 6 IE (95 % KI)

p-Wert

Umfang-Messung am GS (cm)

−1,0 (−2,9; 0,9)

0,33

−2,7 (−4,6; −0,7)

0,01

−1,9 (−3,8; 0,08)

0,08

Umfang-Messung 5 cm proximal vom GS (cm)

−1,0 (−2,4; 0,4)

0,20

−2,7 (−4,1; −1,3)

< 0,001

−2,2 (−3,6; −0,8)

0,01

Umfang-Messung 10 cm proximal vom GS (cm)

−1,8 (−3,2; −0,5)

0,02

−3,8 (−5,1; −2,4)

< 0,001

−2,5 (−3,9; −1,1)

< 0,001

Umfang-Messung 15 cm proximal vom GS (cm)

−0,3 (−1,8; 1,2)

0,72

−2,1 (−3,6; −0,6)

0,01

–1,6 (−3,1; −0,08)

0,06

Umfang-Messung 15 cm distal vom GS (cm)

−0,05 (−2,7; 2,6)

0,97

−0,3 (−2,9; 2,3)

0,84

0,6 (−2,0; 3,2)

0,67

Extension (Grad)

2,0 (−3,4; 7,5)

0,50

0,8 (−4,7; 6,2)

0,80

−0,4 (−5,8; 5,0)

0,90

Flexion (Grad)

−5,9 (−19,6; 7,8)

0,43

−8,3 (−22,0; 5,4)

0,27

−0,9 (−14,6; 12,8)

0,91

NRS (0 – 10)

1,3 (−0,6; 3,1)

0,21

0,00 (−1,8; 1,8)

1,00

0,6 (−2,5; 1,2)

0,53

NA

NA

12,8 (−16,4; 41,3)

0,46

2,3 (−29,3; 32,9)

0,89

fSPWT* (Sekunden)

IE Zeit-Gruppe-Interaktion (Differenz der Veränderungen in den beiden Gruppen in Bezug auf Baseline 1. postoperativer Tag = t0; (*fSPWT: Baseline präoperativ)). Umfang: Negative Werte bedeuten: IG zeigte grössere Veränderung als KG im Sinne eines Behandlungseffekts / Umfangsreduktion. Extension: Positive Werte können zu Gunsten der Kontrollgruppe interpretiert werden. Flexion: Negative Werte können zu Gunsten der Kontrollgruppe interpretiert werden. KI Konfidenzintervall GS Gelenkspalt NRS numerische Ratingskala fSPWT fast Self Paced Walking Test

© 2017 Hogrefe Pflege (2018), 31 (1), 19–29


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Soziodemografische und präoperative Parameter der Studienteilnehmer / innen Die beiden Gruppen unterschieden sich nur geringfügig bezüglich Alter, Geschlecht, Grösse, ROM, NRS und fSPWT. Das Gewicht war in der KG im Durchschnitt um 6,9 kg grösser als in der IG (Tabelle 2, Zwischengruppentest pWert = 0,1; Limit für Homogenität 0,2). Deshalb wurde in der nachfolgenden Analyse die Variable „Gewicht“ als Eingangsgrösse im linear gemischten Modell berücksichtigt. Beim Vergleich der Umfangmessungen von präoperativ bis zum ersten postoperativen Tag beobachteten wir ein unterschiedliches Schwellungsverhalten zwischen den Patienten der beiden Gruppen. Die IG zeigte eine etwas grössere Schwellungszunahme (Tabelle 2 und 3).

Primäre und sekundäre Studienendpunkte Die Mittelwerte und SD der primären und sekundären Studienendpunkte sind in Tabelle 3 dargestellt. Die Therapieeffekte der beiden Gruppen sind in Tabelle 4 (Zeit-GruppeInteraktion (IE)) ersichtlich. Hinsichtlich der Schwellung im betroffenen Beinbereich wurden zu allen Beobachtungszeitpunkten und bei allen Messpunkten am Bein (ausser 15 cm distal, Woche sechs) Gruppenunterschiede zugunsten der IG ermittelt. Der grösste Effekt fand sich am sechsten postoperativen Tag, 10 cm pro­ximal vom Gelenkspalt: −3,8 cm (KI: −5,1; −2,4) (Tabelle 4). In der KG nahm der Umfang vom ersten auf den sechsten postoperativen Tag zu. In der IG wurde im Vergleich zur KG eine geringere Umfangzunahme von Tag eins bis Tag drei beobachtet. Im Gegensatz zur KG verringerte sich in der IG der Umfang von Tag drei bis Tag sechs (ausser 15 cm distal des KG) (Tabelle 3 und 4, Interaktionseffekte Umfänge). Bezüglich der Beweglichkeit (Extension und Flexion) und der Funktion (fSPWT) war zu beobachten, dass die Patienten / Patientinnen der KG frühpostoperativ etwas schneller beweglicher waren und eine grössere Funktion zeigten im Vergleich zu den Patienten / Patientinnen in der IG. Sechs Wochen postoperativ waren diese Unterschiede kaum mehr sichtbar (Tabelle 4). Die Schmerzen in der KG nahmen vom ersten bis zum dritten postoperativen Tag deutlicher ab als in der IG. Zum Tag sechs und zur Woche sechs waren keine Unterschiede mehr in der Veränderung der beiden Gruppen ersichtlich (Tabelle 3 und 4). Die Aufenthaltsdauer der IG betrug im Mittel 10,75 Tage (SD ± 1,7), jene der KG 8,5 Tage (SD ± 1,1).

Postoperative Komplikationen In keiner Gruppe traten Komplikationen im Zusammenhang mit der Intervention auf. Ein Patient in der IG hatte eine gastrointestinale Blutung. Nach dem KrankenhausAustritt hatten fünf Patienten / Patientinnen postoperative Komplikationen innerhalb der ersten sechs Wochen: In Pflege (2018), 31 (1), 19–29

B. Stocker et al.: Schwellungsreduktion nach Knietotalprothese

beiden Gruppen musste bei je einem Patienten / einer ­Patientin eine Mobilisation des Kniegelenks unter Narkose durchgeführt werden, ein Patient der KG hatte eine Thrombose, eine Patientin in der IG hatte eine Wundrevision und eine Patientin in der IG hatte einen Wundinfekt.

Kovariablen Der N. femoralis-Katheter war bei drei Patienten / Patientinnen der IG am dritten Tag nicht mehr wirksam. Die Patienten / Patientinnen in der IG verbrachten während des fünftägigen Interventionszeitraums insgesamt weniger Zeit in sitzender Position (Mittelwert ± SD (Minuten): 250 ± 128) als die Patienten / Patientinnen in der KG (Mittelwert ± SD (Minuten): 454 ± 339). Eine Patientin der IG und drei Patienten / Patientinnen der KG erhielten zu Hause für vier Wochen eine CPM-Schiene. In Bezug auf die weiteren Kovariablen „Anwendungsdauer der CPM-Schiene und Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR, Olfen) während des Interventionszeitraums“ und „Häufigkeit der ambulanten Therapie“ waren die beiden Gruppen vergleichbar.

Abweichungen vom Protokoll Es gab in beiden Gruppen keine Abweichungen vom Studienprotokoll. In der IG musste insgesamt zweimal die Bandage wegen zu hohen Drucks etwas angepasst werden. Aufgrund von Rekrutierungsschwierigkeiten haben wir eine Änderung vom ursprünglichen Studienprotokoll an die Ethikkommission eingereicht, und auch Patienten / Patientinnen eingeschlossen welche Diuretika einnahmen (Amendment am 25.11.2014).

Diskussion Die Ergebnisse dieser randomisierten, kontrollierten Pilotstudie deuten darauf hin, dass der LKV im Vergleich zur Kälteapplikation eine geeignete Methode dafür sein könnte, die postoperative Schwellung bei Patienten / Patientinnen nach Implantation einer Knietotalprothese zu reduzieren (positive Zeit-Gruppe-Interaktionen fast ausschliesslich zugunsten der IG). Die beobachteten Unterschiede in der Reduktion der Umfänge zwischen den beiden Gruppen liegen deutlich über dem Ausmass zu erwartender Messfehler in der Grösse von 1,63 cm (Jakobsen et al. 2010) für Umfangmessungen mittels Massband am Kniegelenk und können aus unserer Sicht als klinisch relevant gewertet werden. Trotz der vielversprechenden Hinweise, dass der LKV im Vergleich zur Kälteapplikation eine gute Möglichkeit zur Schwellungsreduktion sein könnte, zeigten sich keine positiven Effekte des LKV auf die sekundären Endpunkte ROM und fSPWT. Es zeigte sich sogar ein Trend zur schlechteren Flexionsbeweglichkeit und Gehgeschwindig© 2017 Hogrefe


B. Stocker et al.: Schwellungsreduktion nach Knietotalprothese 27

keit in der IG. Eine mögliche Erklärung für die negativen Kurzzeiteffekte auf die Beweglichkeit könnte die stabi­ lisierende und somit eher bewegungseinschränkende ­Wirkung der Bandage sein. Zu ähnlichen Erkenntnissen ­kamen Rohner-Spengler et al. (2014), die eine positive Wirkung auf die Ödem-Reduktion und einen leicht negativen Kurzzeiteffekt auf die Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks durch den LKV aufzeigten. Gao et al. (2011) konnten in einer Studie mit Pa­ tienten / Patientinnen nach Knietotalprothesen-Operation zeigen, dass die grösste Schwellung zwischen dem dritten und fünften Tag auftritt. In der vorliegenden Studie stieg die Schwellung vom ersten auf den dritten Tag in beiden Gruppen an. Von Tag drei bis Tag sechs erhöhte sich in der KG an allen Messpunkten (bis auf 15 cm distal des Kniegelenks) die Schwellung weiterhin, während in der IG die Schwellung in dieser Zeit an allen Messpunkten sank. Die vorliegende Pilotstudie verglich die Wirkung des LKV mit der Standardbehandlung mit Kältepackung. Wie bereits von diversen anderen Autoren beobachtet und berichtet, ergaben sich auch in dieser Arbeit Hinweise darauf, dass die Kälteapplikation möglicherweise wenig effektiv ist in Bezug auf die postoperative Abschwellung, jedoch eventuell positive Effekte hat in Bezug auf Schmerzlinderung (Adie et al., 2012; Holmström & Härdin, 2005; Martimbianco et al., 2014). Initial zeigte sich eine leicht schnellere Schmerzreduktion in der KG. Am sechsten Tag waren hinsichtlich der Schmerzen keine Unterschiede in den beiden Gruppen mehr ersichtlich. Trotz besserer Schwellungsabnahme in der IG hatte die KG eine höhere Gehgeschwindigkeit am sechsten postoperativen Tag. Dies widerspricht einer früheren Studie (Holm et al., 2010), die einen signifikanten Zusammenhang zwischen Schwellung, Quadricepskraft und Funktion (10-m fast speed walking test) nach Implantation einer Knietotalprothese feststellte.

alle Endpunkte ausgewirkt haben, insbesondere auf die Ergebnisse bezüglich Schmerzen. In dieser Studie haben wir bezüglich der Medikation – wegen deren Wirkung auf die Abschwellung – nur die NSAR erfasst, und zwischen den Gruppen verglichen, nicht aber weitere Analgetika berücksichtigt. Das ist ein weiterer Schwachpunkt der Studie, insbesondere in Bezug auf die Interpretation der Ergebnisse der Schmerzen. Die Beobachtung, dass die KG deutlich länger in Sitzposition mobilisiert war als die IG, könnte die Ergebnisse in Bezug auf den Umfang der Schwellung zuungunsten der KG verfälscht haben. Bezogen auf die funktionellen Ergebnisse wie Beweglichkeit und Gehgeschwindigkeit oder bezogen auf Schmerzen und insbesondere auf die Verweildauer könnten die Resultate jedoch zugunsten der KG verfälscht worden sein. In der vorliegenden Pilotstudie wurde der LKV mit der Standardtherapie mit Kältepackung verglichen. Es gab aber keine eigentliche Plazebo-Gruppe. Weitere kritische Punkte sind, dass bei den Messungen mehrere Messpersonen involviert waren und die Therapeuten / Therapeutinnen sowie die Patienten / Patientinnen nicht verblindet werden konnten. In dieser Studie haben wir nur die effektive Hospitalisationszeit erfasst. Da es diverse Einflussfaktoren auf den Zeitpunkt der Entlassung gibt – zum Beispiel soziale Gründe – ist dieses Kriterium nicht zuverlässig und kann zu Fehlinterpretationen führen. Aus diesem Grund wurde in dieser Studie die Verweildauer nur als nachgeordnete Zielgrösse berücksichtigt. Weitere potenzielle Störfaktoren, welche in dieser Studie nicht berücksichtigt wurden, sind: Diuretika, Schmerzmittel, die Geh-Dauer des / der Patienten / Patientin während der Hospitalisation sowie das Bewegungsverhalten und die Interventionen in der Zeit nach der Entlassung.

Limitationen

Es braucht weitere Studien mit adäquater, vorab geplanter Stichprobengrösse, um die Ergebnisse dieser Pilotstudie zu überprüfen. Die erhobenen Daten können für die Fallzahlberechnung genutzt werden. Für die Ausgangsschwellung müsste eventuell stratifiziert werden. Das Erfassen der zusätzlichen Medikamente – vor allem von Diuretika, nichtsteroidalen Antirheumatika und allgemeinen Schmerzmedikamenten – müsste in einer zukünftigen Studie in Betracht gezogen werden. Auch die Dauer der Mobilisation (Sitzen und Gehen) müsste beachtet beziehungsweise eventuell standardisiert werden. Ein Patiententagebuch für diesbezügliche Dokumentationen, auch für die Zeit nach der Entlassung, wäre empfehlenswert. Für eindeutigere Ergebnisse müsste zudem diskutiert werden, ob die Interventionsgruppe mit einer Gruppe ohne Behandlung (ohne Eispackung) zu vergleichen wäre. Der Einfluss der Intervention auf die Aufenthaltsdauer wäre – in Anbetracht des steigenden Spardrucks – zweifellos prüfenswert (bezüglich sozialer Faktoren müsste kontrolliert werden).

Da es sich hier um eine Pilotstudie ohne Fallzahlberechnung und vorab definierte minimal klinisch relevante Effekte handelt, müssen die Resultate insgesamt kritisch beurteilt werden. Unsere Beobachtungen lassen deshalb keine abschliessenden Rückschlüsse zu, geben jedoch erste Hinweise auf die mögliche Wirkung des LKV bei Patienten / Patientinnen nach Knietotalprothesen-Operation. Ein weiterer Faktor, der in die kritische Beurteilung unserer Beobachtungen einbezogen werden muss, ist die unterschiedliche postoperative Ausgangsschwellung in den beiden Gruppen (Tabellen 2 und 3). Die Tatsache, dass die IG im Vergleich zur KG eine grössere Ausgangsschwellung hatte, könnte die Ergebnisse zuungunsten der KG verfälscht haben. Eine Verfälschung der Resultate zuungunsten der IG könnte dadurch entstanden sein, dass bei drei Patienten / Patientinnen der IG der N. femoralis-Katheter am dritten Tag nicht mehr wirksam war. Dies könnte sich auf

Zukünftige Forschung

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Für zukünftige Studien wäre auch empfehlenswert, ­ erlaufsmessungen nach drei Monaten und nach einem V Jahr durchzuführen, unter Berücksichtigung vorhandener Schlüsselempfehlungen zur Auswahl patientenrelevanter klinischer Endpunkte in der klinischen Forschung zu Knieoder Hüftprothesenimplantationen (Singh et al., 2017). Die Zusammenhänge zwischen der Schwellung und den patientenrelevanten Zielgrössen sollten ebenfalls geprüft werden, damit Rückschlüsse über die tatsächliche Bedeutung der Schwellung in der Rehabilitation nach Knietotalprothesen-Operation gezogen werden können. In einer früheren Studie wurden positive Effekte der manuellen Lymphdrainage nach Knietotalprothesen-Operation auf die Flexionsbeweglichkeit gefunden (Ebert et al., 2013). In der vorliegenden Arbeit wurden positive Effekte des LKV auf die Schwellungsreduktion gefunden. Eventuell wäre es von Interesse, die Kombination dieser beiden Anwendungen zu prüfen. Die Kosten beider Interventionen (der LKV zum Beispiel kostet ca. CHF 40 für Material und Arbeit) könnten mit dem Nutzen verglichen werden.

Fazit für die Praxis Trotz der aufgeführten Limitationen deuten die Ergebnisse der vorliegenden Pilotstudie darauf hin, dass die Applikation eines LKV eine geeignete Massnahme dafür sein könnte, die Schwellung bei Patienten / Patientinnen nach Knietotalprothesen-Operation zu reduzieren. Dieser Effekt ist sechs Wochen postoperativ noch messbar. Die tendenziell negativen Auswirkungen in der frühen postoperativen Phase auf Beweglichkeit und Funktion müssen jedoch berücksichtigt werden. Vom aktuellen Stand dieser Ergebnisse ausgehend empfehlen wir die Anwendung des LKV nur dann, wenn die postoperative Schwellung die Rehabilitation beeinträchtigt.

Einhaltung ethischer Richtlinien Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission in Einklang mit nationalem Recht sowie gemäss der Deklaration von Helsinki von 2000 (letzte Revision 2013) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten / Patientinnen liegt eine Einwilligungserklärung vor. Alle Patienten / Patientinnen, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben.

Interessenkonflikte C. Babendererde und B. Stocker geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Pflege (2018), 31 (1), 19–29

B. Stocker et al.: Schwellungsreduktion nach Knietotalprothese

Die Studie wurde ohne Drittmittelzuwendung, im Rahmen einer Masterarbeit (Masterstudiengang Muskuloskelettaler Physiotherapie Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) durchgeführt.

Danksagung Ein grosser Dank gilt Manuela Rohner-Spengler, die mit viel Engagement uns immer wieder Rückmeldungen zu unserer Arbeit gab, Hannu Luomajoki, unserem Mentor, für die unkomplizierte, schnelle und hilfreiche Beantwortung unserer Fragen sowie André Meichtry für die Unterstützung bei der statistischen Analyse und den lehrreichen Erläuterungen. Herzlichen Dank an Urs Müller, Co-Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Prüfarzt der Studie für die grosse Unterstützung. Ebenso dem Physiotherapie Team vom Luzerner Kantonsspital Luzern (insbesondere Isabelle Herger und Barbara Wagner) danken wir für die Mitarbeit bei der praktischen Umsetzung dieser Studie. Danke an Yvette Stoel und Anna Sonderegger von Lymphbildung, sie unterstützten uns in Fragen zur Lymphtherapie.

Beiträge der einzelnen Autorinnen / Autoren Substanzieller Beitrag zu Konzeption oder Design der Arbeit: BS, ChB, MR, HL, UWM Substanzieller Beitrag zur Erfassung, Analyse oder Interpretation der Daten: BS, ChB, MR, AM, UWM Manuskripterstellung: BS, ChB, MR, AM Einschlägige kritische Überarbeitung des Manuskripts: BS, MR, HL, AM Genehmigung der letzten Version des Manuskripts: BS, ChB, MR, HL, AM, UWM Übernahme der Verantwortung für das gesamte Manuskript: BS

Elektronisches Supplement Das elektronische Supplement ist mit der Online-Version dieses Artikels verfügbar unter https://doi.org/10.1024/10125302/a000575. ESM 1. Messprotokoll.

Literatur Adie, S., Kwan, A., Naylor, J. M., Harris, I. A., & Mittal, R. (2012). Cryotherapy following total knee replacement. Cochrane Database Syst Rev, 9, CD007911. doi:10.1002/14651858.CD007911.pub2 © 2017 Hogrefe


B. Stocker et al.: Schwellungsreduktion nach Knietotalprothese 29

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Brigitta Stocker Schädrütihalde 3 6006 Luzern Schweiz brigitta.stocker@bluewin.ch

Was war die grösste Herausforderung bei Ihrer Studie? Das Überwachen des Studienprotokolls bei Beteiligung verschiedener Berufsgruppen (Physiotherapie, Pflege, Ärzte). Was wünschen Sie sich bezüglich der Thematik für die Zukunft? Weitere Forschung zur Optimierung der Nachbehandlung bei Patienten / Patientinnen mit Knietotalprothesen-Operation, insbesondere die Untersuchung der kombinierten Therapie: manuelle Lymphdrainage und lymphologischer Kompressionsverband. Was empfehlen Sie zum Weiterlesen / Vertiefen? Die Studien von Ebert et al. von 2013.

Manuskripteingang: 02.03.2016 Manuskript angenommen: 17.06.2017 Veröffentlicht online: 05.09.2017

© 2017 Hogrefe Pflege (2018), 31 (1), 19–29


So funktioniert sozialwissenschaftliche Forschung

Sieghard Beller

Empirisch forschen lernen Konzepte, Methoden, Fallbeispiele, Tipps 3., überarb. u. erw. Aufl. 2016. 200 S., 18 Abb., 22 Tab., Kt € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85615-5 Auch als eBook erhältlich Eine kompakte und fundierte Darstellung der Grundkonzepte empirischer sozialwissenschaftlicher Forschung. Die praktische Anwendung wird anhand zahlreicher Beispiele aus Forschungskontexten illustriert. Verständlich und kompakt beantwortet das Buch folgende Fragen: • Was motiviert empirische Untersuchungen, und wie wird aus einer Frage eine konkrete Hypothese? • Wie führt man eine Befragung durch, und wie funktionieren psychologische Tests? • Wie bereitet man die Daten einer Untersuchung auf, und wie erkennt man ihre suggestive Darstellung? • Wie erhebt man eine repräsentative Stichprobe, und wie aussagekräftig sind Stichprobenuntersuchungen überhaupt? • Wie funktioniert der Signifikanztest, und was bedeuten seine Ergebnisse?

www.hogrefe.com

• Wie legt man Untersuchungen an, und mit welchen statistischen Verfahren wertet man sie aus? • Nach welchen Standards fasst man einen Untersuchungsbericht ab? • Und schließlich: Welche ethischen Regeln sind zu beachten? Anhand konkreter Fallbeispiele werden Kernkonzepte und Methoden leicht verständlich eingeführt. Vorkenntnisse werden nicht vorausgesetzt. Zahlreiche Aufgaben, Tipps und Hinweise auf weiterführende Literatur machen das Buch im besten Sinne auch „praktisch“ nutzbar. Konzeption und Einsatz des Buches wurden 2003 mit dem Landeslehrpreis des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Baden-Württemberg, ausgezeichnet.


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Originalarbeit

Repräsentanz von Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern aus dem deutschsprachigen Raum in Zeitschriften mit hohem Impact Factor Eine bibliometrische Publikationsanalyse

r‘s Edito e c Choi

Julian Hirt, Christian Buhtz, Benedikt Mersdorf, Gabriele Meyer Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizinische Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Zusammenfassung: Hintergrund: Die Häufigkeit pflegewissenschaftlicher Beiträge aus dem deutschsprachigen Raum in Zeitschriften mit hohem Impact Factor gibt Hinweise auf die Teilhabe der Disziplin am internationalen Diskurs. Bisherige Analysen beschränken sich auf pflegewissenschaftliche Zeitschriften. Diese konstatieren eine Unterrepräsentanz experimenteller Studien und klinischer Themen. Ziel: Identifikation und Analyse der Publikationen von im deutschsprachigen Raum ansässigen Pflegewissenschaftlerinnen / Pflegewissenschaftlern in internationalen pflegerelevanten High Impact Journals. Methode: Mittels Journal Citation Reports wurden pflegerelevante Zeitschriftenkategorien identifiziert, in denen die nach dem 5-Jahres-Impact-Factor höchsten 10 % der Zeitschriften der Jahre 2010 bis 2014 ausgewählt wurden. Der Einschluss der Publikationen und die Datenextraktion erfolgten durch zwei unabhängige Personen. Ergebnisse: Durchsucht wurden 106 939 Publikationen aus 126 Zeitschriften. Eingeschlossen wurden 100 Publikationen, an denen 114 Pflegewissenschaftler / -innen aus dem deutschsprachigen Raum insgesamt 229 Mal beteiligt sind. Insgesamt 42 % sind Beobachtungsstudien, 11 % sind experimentelle Studien. Die berichteten Themen sind mehrheitlich klinisch orientiert (55 %). Über 50 % sind in den letzten zwei Jahren publiziert worden. Schlussfolgerungen: Das pflegewissenschaftliche Publikationsaufkommen aus dem deutschsprachigen Raum in High Impact Journals ist ­gering. Eine Zunahme über den Beobachtungszeitraum ist zu verzeichnen. Im Gegensatz zu früheren Analysen zeigt sich ein höherer Anteil ­klinischer Forschung. Schlüsselwörter: Pflegewissenschaft, Bibliometrie, Publikationsanalyse, Impact Factor, High Impact Journal Representation of Nursing Scientists from German-speaking countries in High Impact Journals – a bibliometric publication analysis Abstract: Background: The frequency of publications by nursing scientists from the German-speaking area in journals with a high impact factor is an indicator for participation of the discipline in the international discourse. Previous publication analyses focused on nursing science journals only and regularly found an underrepresentation of experimental studies and clinical topics. Aim: To identify and analyse the number of publications by nursing scientists from Germany, Austria and German-speaking Switzerland in international high impact journals. Method: The Journal Citation Reports were used to identify nursing relevant categories of journals in which the highest 10 % of the years 2010 to 2014 were selected according to the 5-year Impact Factor. Inclusion of publications and data extraction were carried out by two independent persons. Results: 106 939 publications from 126 journals were screened; 100 publications were identified with 229 contributions by 114 nursing scientists. 42 % of studies are observational and 11 % are experimental. The majority of studies are clinically oriented (55 %). More than 50 % have been published in the past two years. Conclusions: The number of publications by nursing scientists from the German-speaking countries in High Impact Journals is low. There is an increase throughout the observation period. In opposite to former analyses a higher proportion of clinical research has been found. Keywords: nursing research, bibliometrics, publication analysis, journal impact factor, high impact journal

© 2018 Hogrefe Pflege (2018), 31 (1), 31–39 https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000593


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J. Hirt et al.: Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler in High Impact Journals

Was ist (zu dieser Thematik) schon bekannt? Das Publikationsverhalten ist Ausdruck wissenschaftlicher Produktivität. Was ist neu? Im Vergleich zu früheren Analysen rein pflegewissenschaftlicher Zeitschriften zeigt sich ein höherer Anteil klinischer und experimenteller Forschungsberichte. Welche Konsequenzen ergeben sich für die Pflegepraxis? Die Analyse hat keine pflegepraktischen Implikationen, sondern liefert Hinweise für zukünftige Analysen des Publikationsverhaltens von Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern, die sich nicht auf pflegewissenschaftliche Zeitschriften beschränken sollten.

Einleitung Die Pflegewissenschaft im deutschsprachigen Raum hat sich in den letzten Jahren sichtbar ausgeweitet. Zu verzeichnen ist eine Zunahme von Professuren, hochschulischen Fachbereichen und Instituten, pflegewissenschaft­ licher Studiengänge und somit Studierenden, die Erschließung von Versorgungs- und Forschungsbereichen und auch eine Zunahme von Forschungsförderung (Behrens, Görres, Schaeffer, Bartholomeyczik & Stemmer, 2012; BMBF, 2014; Meyer & Köpke, 2010). Zudem ist im deutschsprachigen Raum, aber auch international, eine Zunahme pflegewissenschaftlicher Zeitschriften zu beobachten (Thomson Reuters, 2017). Der Output in Form von Publikationen ist ein Hinweis auf das wissenschaftliche Aktivitätsniveau einer Disziplin (Holliday, Fuller, Wilson & Thomas, 2013). Originäre Aufgabe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es, ihre Arbeit zu publizieren und damit den Zugang zu dem Wissen zu ermöglichen (Deutsche Forschungsgemeinschaft, 2013). Das Publizieren in hochrangigen Zeitschriften erhöht die Sichtbarkeit pflegewissenschaftlicher Forschungsberichte. Durch externe Anreize, so beispielsweise der leistungsorientierten Mittelvergabe an Universitäten (Brähler & Strauss, 2009; Frömter, Brähler, Langenbeck, Meenen & Usadel, 1999) oder dem Wettbewerb um Forschungsförderung (Jokić & Ball, 2006), ist es für Forschende attraktiv, in Zeitschriften mit einem hohen Impact Factor, sogenannten High Impact Journals, zu publizieren (Arnold, 2017; Müller, 2009; Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, 2016). Der Impact Factor hat sich seit seiner Einführung im Jahr 1960 unter verschiedenen Rangsystemen, die Rückschlüsse auf den Einfluss einer Zeitschrift, Publikati-

on oder einer Person zulassen, durchgesetzt (Bollen, van de Sompel, Hagberg & Chute, 2009). Gleichwohl ist dieser nicht frei von Kritik (Müller, 2009), mitunter irre­ führend (Opthof, 1997), und er scheint zur Evaluation der individuellen Forschungsleistung nicht geeignet (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V., 2014). Der Impact Factor dient der Beurteilung von Zeitschriften und wird als Quotient der Anzahl von Zitaten veröffentlichter Artikel und der Anzahl veröffentlichter Artikel im Zeitfenster von zwei Jahren geführt (Müller, 2009). High Impact Journals sind Zeitschriften, die in ihrer jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin einen entscheidenden Einfluss haben (National Institute of Environmental Health Sciences, o. J.). Die Zeitschriften mit hohem Impact Factor sind ausnahmslos englischsprachig (Thomson Reuters, 2017). Frühere Publikationsanalysen basieren zumeist auf der Analyse spezifischer Zeitschriften und Datenbanken sowie bestimmter Personen, Länder und Institutionen. Zumeist handelt es sich um bibliometrische Analysen, des Weiteren um methodische oder inhaltliche Analysen. Es existieren nur wenige Publikationsanalysen pflegewissenschaftlicher Arbeiten aus dem deutschsprachigen Raum. Die Arbeit von Möhler, Palmdorf, Schnepp und Meyer (2015) ist eine methodische Analyse abgeschlossener Dissertationen zweier Universitäten. Schoppmann und Rabenschlag (2016) analysierten Kongressbeiträge aus der psychiatrischen Pflege. Eine Übersichtsarbeit zu Artikeln in der Zeitschrift Pflege bis 2007 zeigt, dass es sich bei weniger als vier von 100 Publikationen um einen experimentellen Studienbericht handelt. Hingegen wurden eher qualitative und literaturbasierte Arbeiten publiziert (Hausner, Halek & Bartholomeyczik, 2010). Auch in internationalen pflegewissenschaftlichen Zeitschriften sind klinische und experimentelle Studien unterrepräsentiert (Mantzoukas, 2009; Polit & Beck, 2009; Richards, Coulthard & B ­ orglin, 2014). Möglicherweise sind die in pflegewissenschaftlichen Zeitschriften publizierten Beiträge kein repräsentatives Abbild der Pflegewissenschaft im deutschsprachigen Raum. Kontrollierte Studien werden womöglich vermehrt in nicht-pflegewissenschaftlichen Zeitschriften publiziert (Meyer & Köpke, 2010). Die Analyse exklusiv pflegewissenschaftlicher Zeitschriften würde somit ein verzerrtes Bild ergeben. Es liegt bisher keine umfassende Publikationsanalyse pflegewissenschaftlicher Forschungsarbeiten in nicht-pflegewissenschaftlichen Zeitschriften vor. Hinweise darauf, dass das

Tabelle 1. Kriterien für den Einschluss von Publikationen Auswahl

Kriterium

Einschluss

Automatisiert

Zeitschriften

Die obersten 10 % der Zeitschriften nach dem höchsten 5-Jahres-Impact-Factor aus zehn als pflegerelevant identifizierten Kategorien anhand JCR in der Ausgabe 2014

Publikationszeitraum

2010 bis 2014

Publikationssprache

Deutsch, Englisch

Publikationstyp

Indexiert als „Article“ und „Review“ gemäß WoS

Autorin / Autor

Mindestens ein / e im deutschsprachigen Raum ansässige / r Pflegewissenschaftler / -in

Manuell

Pflege (2018), 31 (1), 31–39

© 2018 Hogrefe


J. Hirt et al.: Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler in High Impact Journals

verwendete Forschungsdesign einen Einfluss auf die Publikation in High Impact Journals hat, ergeben sich aus Vorarbeiten (Mantzoukas, 2009; P ­ apoutsis, Ukena, Gottwik & Böhm, 2015). Einen Überblick zu den systematisch recherchierten Publikationsanalysen gibt der Gliederungspunkt 1 im Online-Supplement zu diesem Beitrag. Ziel dieser Untersuchung ist die Identifikation und Analyse der Publikationen von im deutschsprachigen Raum ansässigen Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern in internationalen pflegerelevanten High Impact Journals.

Methode Design In der Publikationsanalyse wurden die eingeschlossenen Arbeiten personenbezogen, thematisch, methodisch und bibliometrisch ausgewertet.

Untersuchungsinstrumente Der Zugang zu den zu analysierenden Zeitschriften wurde mittels Journal Citation Reports (JCR) gewählt. Der JCR ist eine Datenbank, in der Zeitschriften anhand verschiedener bibliometrischer und inhaltlicher Kriterien indexiert und in Kategorien respektive wissenschaftliche Disziplinen eingeteilt sind (Thomson Reuters, 2017). Um die Publikationen abzurufen, wurde die Datenbank Web of Science (WoS) benutzt, in der die Zeitschriften des JCR indexiert sind (Thomson Reuters, 2016). Aufgrund des umfangreichen Zeitschriftenfundus und der vollständig vorliegenden Autoreninformationen eignet sich WoS für die Durchführung bibliometrischer Analysen (Ball, 2014).

Identifikation pflegerelevanter JCRKategorien Das methodische Vorgehen zur Identifikation pflegerelevanter JCR-Kategorien wurde validiert, indem auf zwei Arten pflegerelevante JCR-Kategorien ausgewählt wurden. (1) Für jede der 171 Kategorien ist eine kurze Beschreibung zu ihrem Gebiet und Fokus vorhanden. Anhand derer wurden durch drei Autoren (CB, JH, BM) unabhängig voneinander Kategorien als pflegerelevant identifiziert, und anschließend 32 Kategorien konsentiert (Tabelle 2, Online Supplement). (2) In der Datenbank WoS wurde der Suchstring „nurs*“ im Feld „TS“ (Titel, Abstract, Keywords) angewendet. Weiter eingegrenzt wurde die Sprache (German, English) und Art der Publikation (Article, Review). Die Treffer wurden anhand ihrer JCR-Kategorien dargestellt, wobei die zehn häufigsten Kategorien ausgewählt wurden. Es zeigte sich, dass diese über WoS ausgewählten Kategorien ausnahmslos Bestandteil der im vor-

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hergehenden Schritt durch die Autoren ausgewählten Kategorien waren (Tabelle 3, Online Supplement).

Identifikation der Zeitschriften Für die Auswahl der Zeitschriften wurde der 5-Jahres-Impact-Factor gewählt, da diese Publikationsanalyse einen Zeitraum von fünf Jahren umfasste. Der 5-Jahres-ImpactFactor ergibt sich aus der Division von Zitaten eines Jahres und der Anzahl von Artikeln in den vergangenen fünf Jahren (Thomson Reuters, 2017). Die nach dem 5-Jahres-Impact-Factor jeweils besten 10 % der Zeitschriften der identifizierten Kategorien in der JCR-Version 2014 wurden eingeschlossen (Tabelle 4 und 5, Online Supplement). Der Impact Factor innerhalb einer Kategorie kann als ein relatives Maß betrachtet werden, welches maßgeblich von bibliometrischen Aspekten der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin abhängig ist. Zwischen den JCR-Kategorien variiert die Anzahl der Zeitschriften. Abweichend ist auch der 5-Jahres-Impact-Factor. Daher ist es sinnvoll, eine relative Anzahl an Zeitschriften je Kategorie in die Analyse einzuschließen. Die Entscheidung für den Einschluss der oberen 10 % ist der Machbarkeit geschuldet.

Identifikation der Publikationen Mithilfe von WoS wurden die Zeitschriften im Zeitraum 2010 bis 2014 automatisch auf Publikationen mit Beteiligung von Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz eingegrenzt (Tabelle 6, Online Supplement). Es folgte die manuelle Auswahl der Publikationen, an denen im deutschsprachigen Raum ansässige Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler beteiligt waren. Die Kriterien für den Einschluss von Publikationen zeigt Tabelle 1.

Tabelle 2. Hintergrund der Beteiligungen der Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler (n = 229) n (%) Geschlecht

Weiblich

120 (52,4)

Autorenposition

Mittlere Position

126 (55,0)

Land*

Erste Position

59 (25,8)

Letzte Position

44 (19,2)

Deutschland Schweiz

153 (60,2) 90 (35,4)

Österreich

11 (4,3)

Institutionsform* Universität / Universitätsklinik

204 (80,3)

Fachhochschule

26 (10,2)

Sonstiges

11 (4,3)

Krankenhaus

10 (3,9)

Fort- und Weiterbildungseinrichtung

3 (1,2)

Anmerkungen: * Mehrfachnennung (n = 256)

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J. Hirt et al.: Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler in High Impact Journals

Tabelle 3. Thematische, methodische und bibliometrische Beschreibung der eingeschlossenen Publikationen (n = 100) n Thema

Design

Förderungsart

Zeitliche ­Dimension

Praxis

55

Management / Politik

13

Methode

10

Profession

9

Bildung

7

Gesundheitsförderung

3

Sonstiges

3

Beobachtungsstudie

42

Literaturstudie

23

Sonstiges

15

RCT

11

Mixed-Methods

4

CCT

3

Qualitative Studie

2

Ministerium und vergleichbare /  andere öffentliche Institutionen

34

Keine oder ungenaue Angaben

22

Mischformen

21

Keine Förderung oder Eigenmittel der Forschenden

11

Stiftung oder private Förderung

5

Intramurale Förderung

3

Sonstige Förderung

3

Industrie

1

Studienendbericht

96

Studienprotokoll

4

Zwischenbericht

0

Multinationale Zusammensetzung der Autorenschaft

87

JCR-Kategorie*

Nursing

57

Jahr

2010

13

2011

12

2012

19

2013

28

2014

28 Impact Factor

Impact Factor** Summe

412,13

Minimum

1,16

Maximum

45,22

M (SD)

4,21 (5,64)

Median

2,25

net recherchiert. Dies wurde von jeweils zwei unabhängigen Personen (CB, JH, BM) getätigt. Abweichungen wurden bis zum Konsens diskutiert. Die Auswahl erfolgte nach den folgenden Prinzipien: Screening der Autoreninformationen in den Publikationen, bei denen neben dem Ort (Deutschland, Österreich, deutschsprachige Schweiz) mindestens eines von zwei Kriterien positiv bewertet werden musste. Das bibliografische Kriterium, also die pflegewissenschaftliche Relevanz der fachlichen Ausrichtung der der Autorin oder dem Autor zugehörigen Institution. Das zweite Kriterium ist biografisch. Der berufliche Hintergrund und die Ausbildung (Berufsausbildung, Studium, Promotion, Habilitation, Professur) der Autorinnen und Autoren wurde betrachtet und festgestellt, ob ein pflegerischer oder pflegewissenschaftlicher Bezug vorliegt.

Datenerfassung und -analyse Jeweils zwei Personen erfassten die Daten aus den Volltexten der eingeschlossenen Publikationen unabhängig voneinander. Abweichungen bei uneinheitlicher Daten­ erfassung wurden bis zum Konsens diskutiert. Eine Variablenübersicht befindet sich in Tabelle 7 im Online Supplement. Die Institutionsform der im deutschsprachigen Raum ansässigen Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler wurde in Anlehnung an Ergebnisse einer früheren Online-Befragung zugeordnet (Reuschenbach et al., 2012). Um die Themenbereiche der Publikationen einordnen zu können, wurde das von Mantzoukas (2009) induktiv entwickelte Raster verwendet. Die eingeschlossenen Publikationen wurden hinsichtlich ihres Designs klassifiziert (Grimes & Schulz, 2002; Hausner et al., 2010; Mantzoukas, 2009; Meißner, 2008). Die finanzielle Förderung der Studien wurde in modifizierter Form nach Tricco et al. (2016) unterschieden. Der Publikationszeitpunkt wurde ermittelt, um Studienprotokolle und Zwischenberichte abgrenzen zu können. Drei Autoren (CB, JH, BM) waren an der Datenerfassung beteiligt. In einer Pilotphase wurden zehn Publikationen von der Autorin und den Autoren gemeinsam analysiert. Als Qualitätsmaß der Zuverlässigkeit der Zuordnung der erfassten Daten wurde der prozentuale Grad der Übereinstimmung und der zufallskorrigierte Anteil der Übereinstimmungen, der Cohens Kappa-Koeffizient (κ), zwischen je zwei Autoren (CB, JH, BM) berechnet (Grouven, Bender, Ziegler & Lange, 2007). Einen Überblick zum Vorgehen bietet Abbildung 1.

Anmerkungen: *Mehrfachnennung (n = 108 Kategorien), **Gerundet auf zwei Nachkommastellen, n = 98 Publikationen aufgrund zwei nicht identifizierbarer 5-Jahres-Impact-Factoren; Abkürzungen: M = Arithmetisches Mittel, SD = Standardabweichung.

Ergebnisse

Anhand der Institutionen der Autorinnen und Autoren wurde entschieden, ob sich diese in Deutschland, Österreich oder der deutschsprachigen Schweiz befinden und potenziell in die Analyse eingeschlossen werden sollten. Jede an der Publikation beteiligte Person wurde im Inter-

Es wurden 106 939 Publikationen in 126 Zeitschriften aus zehn Kategorien durchsucht. Davon sind 100 Publikationen (0,09 %) mit 229 einzelnen Beteiligungen von 114 verschiedenen Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern aus dem deutschsprachigen Raum.

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Übereinstimmung und der zufallskorrigierte Anteil der Übereinstimmungen, der Cohens Kappa-Koeffizient (κ), zwischen je zwei Autoren (CB, JH, BM) berechnet (Grouven, Bender, Ziegler & Lange, 2007). Einen Überblick zum Vorgehen bietet Abbildung 1.

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((Abbildung 1 etwa hier einfügen))

Tabelle 4. Prozentuale und zufallskorrigierte Übereinstimmung zwischen je zwei Autoren (n = 100) Variable

Übereinstimmung (%)

κ (95 % CI)

Thema

85

0,41 (0,20; 0,63)

Design

59

0,52 (0,41; 0,63)

Förderungsart

64

0,56 (0,45; 0,67)

Zeitliche Dimension

87

0,19 (-0,02; 0,41)

Etwa die Hälfte der 229 Beteiligungen geht auf weibliche Personen zurück (52,4 %). Mehr als die Hälfte (55,0 %) haben eine Binnenposition in der Autorenreihe der Artikel inne. Die Institutionen, an denen die Autorinnen und Autoren beschäftigt sind, haben am häufigsten einen Sitz in Deutschland (60,2 %), mehrheitlich handelt es sich um Beteiligungen aus der Tätigkeit an einer Universität oder einem Universitätsklinikum heraus ­ (80,3 %). Tabelle 2 zeigt den Hintergrund der Beteiligungen der Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler in den eingeschlossenen Publikationen. Im Mittel sind es zwei Publikationen je beteiligter Person (n = 114). Die Hälfte der Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler ist an einer Publikation beteiligt. Die Spannweite reicht von einer Publikation bis zwölf Publikationen je Person. Von den 100 eingeschlossenen Publikationen sind über die Hälfte praktisch / klinisch orientiert (n = 55). Es handelt sich überwiegend um Beobachtungsstudien (n = 42), n = 11 berichten über experimentelle Studien. Mehrheitlich sind die Arbeiten staatlich oder von einer vergleichbaren öffentlichen Institution gefördert (n = 34). Bei den Publikationen handelt es sich nahezu ausschließlich um Studienendberichte (n = 96), n = 4 sind Studienprotokolle. Die multinationale Zusammensetzung der Autorenschaft überwiegt (n = 87). Mehr als die Hälfte der Publikationen ist in den letzten zwei Jahren des Beobachtungszeitraums erschienen (n = 54). Der Impact Factor der Zeitschriften reicht von 1,16 bis 45,22 und liegt im Mittel bei 4,21 mit einer Standardabweichung von 5,64. Der mediane Impact Factor beträgt 2,25. Die vollständige thematische, methodische und bibliometrische Beschreibung der eingeschlossenen Publikationen ist Tabelle 3 zu entnehmen. Der Dotplot in Abbildung 2 zeigt, dass die eingeschlossenen Publikationen in Zeitschriften aller zehn JCR-­ Kategorien erscheinen, wobei die Kategorie Nursing überwiegt (n = 57), gefolgt von Medicine, General & Internal (n = 13). Dies sind mehrheitlich Publikationen mit praktischem bzw. klinischem Fokus. In der Kategorie Nursing werden Publikationen aller thematischen Kategorien veröffentlicht. Abbildung 3 zeigt Boxplots des Impact Factors je ­Studiendesign der eingeschlossenen Publikationen. Den höchsten medianen Impact F ­ actor erreichen qualitative Designs (n = 2), gefolgt von RCTs (n = 11). Einen Impact Factor jenseits von 30 erreichen eine RCT sowie eine Beobachtungsstudie.

Festlegung der Zeitschriftenkategorien anhand des Journal Citation Reports

Auswahl von 10 % der Zeitschriften je Kategorie nach dem höchsten 5-Year IF

Automatisierte Auswahl von Publikationen nach den folgenden Kriterien: - Zeitraum: 2010 bis 2014 - Typ: Article, Review - Sprache: English, German - Land: Austria, Germany, Switzerland

Manuelle Auswahl der Publikationen

Volltextanalyse

Personenebene Publikationsebene

Abbildung Methodisches Vorgehen. Abbildung 1.1.Methodisches Vorgehen.

Ergebnisse ((Ü1)) Es wurden 106.939 Publikationen in 126 Zeitschriften aus zehn Kategorien durchsucht. Davon sind 100 Publikationen (0,0009 %) mit 229 einzelnen Beteiligungen von 114 verschiedenen Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern aus dem deutschsprachigen Raum. Etwa die Hälfte der 229 Beteiligungen geht auf weibliche Personen zurück (52,4 %). Mehr als die Hälfte (55,0 %) haben eine Binnenposition in der Autorenreihe der Artikel inne. Die Institutionen, an denen die Autorinnen und Autoren beschäftigt sind, haben am häufigsten 8

Abbildung 2. Zuordnung der Themen der eingeschlossenen Publikationen zu den JCRAbbildung Zuordnung der Themen der eingeschlossenen Publika­ Kategorien (n =2. 108).

tionen zu den JCR-Kategorien (n = 108). Abbildung 3 zeigt Boxplots des Impact Factors je Studiendesign der eingeschlossenen Publikationen. Den höchsten medianen Impact Factor erreichen qualitative Designs (n = 2), gefolgt von prozentuale RCTs (n = 11). Einen Impact Factor jenseits von der 30 erreichen eine RCT sowie Die Übereinstimmung Zuordnung der eine Beobachtungsstudie.

einzelnen Variablen zwischen den Autoren (CB, JH, BM) ist in Bezug auf den Publikationszeitpunkt am höchsten ((Abbildung 3 etwa hier einfügen)) (87 %), beim Design hingegen am niedrigsten (59 %). Der κ ist bei den Variablen Förderungsart (0,56) und Design (0,52) am höchsten und beim Publikationszeitpunkt (0,19) am niedrigsten. Tabelle 4 zeigt die prozentuale und zufallskorrigierte Übereinstimmung zwischen je zwei Autoren.

Diskussion Von den 106 939 Publikationen aus 126 Zeitschriften mit einem hohen Impact Factor sind lediglich 100 mit Beteiligung von deutschsprachigen Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern. Über den Beobachtungszeitraum von fünf Jahren nimmt der Anteil zu. Die vorliegende Analyse zeigt – entgegen früherer Analysen ausschließlich pflegewissenschaftlicher Zeitschriften (Hausner et al.,

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mehrerer Länder zusammen. Dies ist ein Hinweis dafür, dass a) Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler aus dem deutschsprachigen Raum international kooperieren und b) Produkte dieser internationalen Kooperationen in High Impact Journals publiziert werden. Mehrheitlich wurden die Publikationen in Zeitschriften der JCR-Kategorie Nursing veröffentlicht. Interessant ist, dass die eingeschlossenen Zeitschriften neben der JCRKategorie Nursing neun weiteren, nicht primär pflegewissenschaftlichen Disziplinen zugeordnet sind. Das Interesse anderer wissenschaftlicher Disziplinen und nicht pflegewissenschaftlicher Zeitschriften an Publikationen aus der Pflegewissenschaft scheint vorhanden. Die präsentierte Publikationsanalyse hat Schwächen. Die Auswahl der pflegerelevanten JCR-Kategorien muss Abbildung 3. Impact Factor der Zeitschrift in Relation zum Design der Abbildung 3. Impact Factor der Zeitschrift in Relation zum Design der eingeschlossenen kritisch reflektiert werden. Das Vorgehen wurde von den eingeschlossenen Publikation (n = 98). Publikation (n = 98). Autoren (CB, JH, BM) entwickelt und bediente sich keiner beschriebenen Methodik. Da die beiden beschriebenen Die prozentuale Übereinstimmung der Zuordnung der einzelnen Variablen zwischen den 2010; Mantzoukas, 2009; Polit & Beck, 2009; Richards et Methoden zur Auswahl der pflegerelevanten JCR-KategoriAutoren (CB, JH, BM) ist in Bezug auf den Publikationszeitpunkt am höchsten (87 %), beim   % der 100 Publikationen einen höheren al., 2014) – mit 11 Design hingegen am niedrigsten (59 %). Der κ ist bei den Variablen Förderungsart (0,56) und en ein deckungsgleiches Ergebnis lieferten, vermittelt das Anteil klinischer und experimenteller Pflegeforschung. So 4 Vorgehen den Beteiligten Sicherheit darin, hiermit tatsächDesign (0,52) am höchsten und beim Publikationszeitpunkt (0,19) am niedrigsten. Tabelle lich pflegerelevante JCR-Kategorien identifiziert zu haben. wiesen in einerund Analyse der Publikationen in der jeZeitschrift zeigt die prozentuale zufallskorrigierte Übereinstimmung zwischen zwei Autoren. Für die Entscheidung, Personen als PflegewissenschaftPflege nur knapp 4 % der Studien ein experimentelles De((Tabelle etwa hier einfügen)) sign auf4 (Hausner et al., 2010). Mantzoukas (2009) identilerin oder Pflegewissenschaftler und somit Publikationen fizierte in zehn hochrangigen Zeitschriften der Kategorie mit ihrer Beteiligung in die Analyse miteinzubeziehen, waTabelle 4. Prozentuale und zufallskorrigierte Übereinstimmung zwischen je zwei Autoren   % experimentelle Designs. Eine ren mehrere Überlegungen leitend. Bereits erwähnte, pfleNursing einen Anteil von 7 (n = 100) gewissenschaftliche Publikationsanalysen bedienen sich Analyse rein klinischer Studien in 20 hochrangigen ZeitVariable Übereinstimmung (%) κ (95% CI) schriften der Kategorie Nursing konstatierte einen Anteil keiner klaren Definition des Begriffs PflegewissenschaftleThema 85 0,41 (0,20; 0,63)  %,(0,41; jedoch rin und Pflegewissenschaftler (Hausner et al., 2010; der experimentellen Designs von knapp 120,52 Design 59 0,63)inklusive quasi-experimenteller Designs (Richards et al., 2014). Mantzoukas, 2009; Richards et al., 2014). Die pflegewisZu einem ähnlichen Ergebnis kamen Polit und Beck (2009) 13 senschaftliche Relevanz der dort analysierten Publikationen ist implizit gegeben durch die ausdrückliche Begrenbei ihrer Analyse von acht Zeitschriften der Kategorie zung auf pflegewissenschaftliche Journals. Die Methode, Nurs­ing: der Anteil der Interventionsstudien betrug knapp Autoren entsprechend ihrer Nationalität auszuwählen, 14 %, jedoch ebenfalls inklusive quasi-experimenteller Designs. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sind Hinwei­ergibt sich bei Hausner et al. (2010) durch die deutsche se dafür, dass klinisch orientierte und experimentelle ­Sprache der Zeitschrift. Alleinstellungsmerkmal der vor­ ­Pflegeforschung in biomedizinischen Zeitschriften mit höliegenden Arbeit ist es, dass die Publikationen von im herem Impact Factor publiziert wird. deutschsprachigen Raum ansässigen Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern in nicht ausschließDer mittlere Impact Factor der Zeitschriften, in denen lich pflegewissenschaftlichen Zeitschriften analysiert wurdie Publikationen veröffentlicht wurden, ist höher als der den. Es war daher notwendig, den Auswahlprozess eigens mediane Impact Factor, was aufgrund einzelner Publikationen in Zeitschriften mit einem Impact Factor jenseits von zu definieren und im Sinne der Wissenschaftlichkeit nachvollziehbar zu dokumentieren. zehn zu erklären ist. Dies ist bei Beobachtungsstudien, Ein Vergleich der Publikationen zwischen PflegewissenRCTs und einer qualitativen Studie zu beobachten. Die schaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern aus Deutschqualitativen Studien wurden im Median in Zeitschriften land, Österreich und der Schweiz erschien nicht ziel­ mit einem höheren Impact Factor publiziert als die RCTs führend, da hierzu ein geeigneter Parameter fehlt in und CCTs. Ein Ergebnis, das zunächst verwundert, da Vorarbeiten zu dem Ergebnis kamen, dass experimentelle DeAnbetracht differenter Förderungsmodalitäten und -kultusigns in Zeitschriften mit höherem Impact Factor publiziert ren sowie Aufträge an die Hochschulen in den untersuchten Ländern. Ein Ländervergleich wäre jedoch im Verlauf werden (Mantzoukas, 2009; Papoutsis et al., 2015). Dies von Wiederholungsstudien interessant, um Hinweise für sollte in Anbetracht der Anzahl interpretiert werden. Lediglich zwei qualitative Studien sind unter den 100 Publidie Beantwortung der Frage zu generieren, wie sich pflegekationen zu finden. wissenschaftliche Publikationen in den einzelnen Ländern Erwartungsgemäß ist der größte Anteil der Publizierenausgestaltet und etabliert haben. den in allen drei Ländern an eine Universität oder ein UniBei der Datenerfassung durch zwei unabhängige Persoversitätsklinikum angegliedert. nen wurde erwartet, dass ein Kategoriensystem mit niedrigem Detaillierungsgrad Konflikte bei der Klassifizierung Bei 87 der 100 eingeschlossenen Publikationen setzt der Publikationen reduziert und eine bessere Vergleichbarsich die Autorenschaft aus Vertreterinnen und Vertretern Pflege (2018), 31 (1), 31–39

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keit mit den benannten Arbeiten sowie Nachnutzung der ermittelten Daten ermöglicht. Der relativ niedrige prozentuale Übereinstimmungswert bei der Datenerfassung des Designs auf Publikationsebene kann auf fachliche Unsicherheiten seitens der erfassenden Autoren (CB, JH, BM) zurückgeführt werden. Denkbar ist auch, dass eine höhere Anzahl von Publikationen bei der Pilotierungsphase zu einer höheren Übereinstimmungsrate geführt hätte. Jedoch wurde, ähnlich wie von Richards et al. (2014) beschrieben, die Erfahrung gemacht, dass die angewandten Designs in den Publikationen unvollständig oder unklar beschrieben wurden. Dadurch kam es zu einem erhöhten Aufwand für den Analyseprozess bzw. konsensuell zu klärendem Dissens. Die κ liegen im mittelmäßigen Bereich. Für die Variable des Publikationszeitpunkts liegt dieser sogar im ­schwachen Bereich mit einem die Null einschließenden Konfidenzintervall. Dies ließe sich interpretieren als eine Übereinstimmungsquote, die niedriger als zufällig ist. Wird jedoch die prozentuale Übereinstimmung betrachtet, erklärt sich dieser κ durch die ungleichen Randverteilungen (Grouven et al., 2007). Um den Publikationsoutput von im deutschsprachigen Raum ansässigen Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern langfristig zu beobachten, ist zu empfehlen, für wiederholende Anschlussuntersuchungen vergleichbare Variablen und Kategoriensysteme zu verwenden. Das Risiko für fehlerhafte Eintragungen der Datenbank WoS ist unumgänglich, da die Datenqualität aus Machbarkeitsgründen nicht überprüft werden kann. Das Verzerrungsrisiko kann somit nicht zuverlässig eingeschätzt werden. Es gilt jedoch festzuhalten, dass die Datenbanken JCR und WoS häufig für bibliometrische Analysen benutzt werden. Ähnlich unklar sind Verzerrungen aufgrund der Internetrecherche nach den einzelnen Personen als Pflegewissenschaftlerin und Pflegewissenschaftler. Es verlangte nicht selten nach einer intensiven Recherche mit multiplen Weiterleitungen. Denkbar ist, dass der pflegerische Hintergrund einer Person aufgrund nicht verfügbarer Informationen übersehen worden sein könnte. Entgegnen lässt sich, dass eine Autorin oder ein Autor nie unauffindbar war. Zu den Limitationen der Arbeit zählt des Weiteren, dass der Analysezeitraum auf fünf Jahre begrenzt wurde. Der gesellschaftliche Impact sowie die Güte und Relevanz der identifizierten Publikationen waren nicht Gegenstand der Zielstellung der vorliegenden Arbeit. Das geringe Aufkommen pflegewissenschaftlicher Publikationen aus dem deutschsprachigen Raum in High Impact Journals hat wahrscheinlich viele Ursachen, die jedoch spekulativ bleiben. Die Beforschung dieser Ursachen erscheint müßig. Es darf angenommen werden, dass die noch junge Pflegewissenschaft im deutschsprachigen Raum allein durch Zunahme der tätigen Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler in naher Zukunft ein höheres Aufkommen an publizierbaren und international anschlussfähigen Resultaten erfährt. Zudem darf unterstellt werden, dass Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler aus dem deutschsprachigen Raum

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am internationalen Diskurs partizipieren möchten und anstreben, in anerkannten Zeitschriften zu publizieren, somit Barrieren wie zum Beispiel sprachlicher Art selbst erkennen und überwinden. Eine Stärke der vorliegenden Arbeit ist, dass zum ersten Mal aus einer großen Grundgesamtheit an Publikationen jene mit Beteiligung von im deutschsprachigen Raum ansässigen Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern identifiziert und analysiert wurden. Durch die Anknüpfung an Vorarbeiten von Mantzoukas (2009) und Hausner et al. (2010) konnte ein Vergleich angestellt werden zwischen den Publikationen in pflegewissenschaftlichen Zeitschriften auf der einen und pflegewissenschaftlich relevanten High Impact Journals auf der anderen Seite. Die Auswahl der JCR-Kategorien, der Zeitschriften, der Publikationen und der beteiligten Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler erfolgte nach vorab definierten Ein- und Ausschlusskriterien und stets durch zwei unabhängige Personen. Das Ergebnis der vorliegenden Arbeit kann als Momentaufnahme von Publikationen mit Beteiligung von im deutschsprachigen Raum ansässigen Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern gesehen werden. Um die Trends des Publikationsverhaltens beurteilen und weitere Aussagen über die Teilhabe der Disziplin am internationalen wissenschaftlichen Diskurs generieren zu können, sind langfristige Beobachtungen des Publikationsoutputs von im deutschsprachigen Raum ansässigen Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern vonnöten.

Danksagung Die Autoren und die Autorin bedanken sich für die statistische Konsultation bei Frau Dr. Christine Lautenschläger vom Institut Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik sowie Dr. Steffen Fleischer vom Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Medizinischen Fakultät an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Beiträge der einzelnen Autoren und der Autorin Beitrag zur Konzeption und zum Design der Arbeit: JH, CB, BM, GM Beitrag bei der Erfassung, Analyse und der Interpretation der Daten: JH, CB, BM, GM Manuskripterstellung: JH, CB Kritische Überarbeitung von wichtigen intellektuellen Inhalten des Manuskripts: GM Genehmigung der letzten Version des Manuskripts zur Publikation: JH, CB, BM, GM Bereitschaft, für alle Aspekte der Arbeit Verantwortung zu übernehmen: JH, CB, BM, GM

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Elektronische Supplemente (ESM) Das elektronische Supplement ist mit der Online-Version dieses Artikels verfügbar unter https://doi.org/10.1024/ 1012-5302/a000593 ESM 1. Dokumentation systematische Literaturrecherche und Tabellen 2 – 7.

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J. Hirt et al.: Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftler in High Impact Journals

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Manuskripteingang: 27.05.2017 Manuskript angenommen: 07.08.2017 Julian Hirt Institut für Gesundheitsund Pflegewissenschaft Medizinische Fakultät Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Magdeburger Straße 8 06108 Halle Deutschland PubAna@outlook.com

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© 2018 Hogrefe Pflege (2018), 31 (1), 31–39


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Aus der Praxis – für die Praxis

Gezielte Entwicklung von Advanced Practice Nurse-Rollen für spezifische Patient(inn)engruppen in einem Schweizer Universitätsspital Elisabeth Spichiger1,2, Maya Zumstein-Shaha3, Maria Schubert1,2, Luzia Herrmann1 Bereich Fachentwicklung, Direktion Pflege / MTT, Insel Gruppe, Inselspital Universitätsspital Bern Pflegewissenschaft, Departement Public Health, Medizinische Fakultät, Universität Basel 3 Abteilung angewandte Forschung und Entwicklung Pflege, Department Gesundheit, Berner Fachhochschule 1 2

Zusammenfassung: Hintergrund: Um den zukünftigen Bedarf der Bevölkerung an medizinischen Leistungen abzudecken, sind neue Versorgungsmodelle gefragt. Der Aufbau von Advanced Nursing Practice (ANP) bietet eine Möglichkeit, diesen Herausforderungen mit neuen Angeboten zu begegnen. Im ­Inselspital, Universitätsspital Bern werden seit 2011 ANP-Angebote und entsprechende Advanced Practice Nurse-Rollen aufgebaut. Ziel: Es wird angestrebt, innovative und evidenzbasierte ANP-Angebote zu entwickeln, um die Versorgung für spezifische Patient(inn)en­ gruppen und ihre Angehörigen auszubauen und mehr Sicherheit sowie bessere Ergebnisse zu erreichen. Methode: ANP-Angebote werden im Rahmen von Projekten, in enger Zusammenarbeit von Klinik und Bereich Fachentwicklung (BFE) der Direktion Pflege entwickelt. Zur Evaluation werden Struktur-, Prozess- und Ergebnisdaten erhoben. Ergebnisse: Heute sind fünf ANP-Angebote etabliert, acht weitere befinden sich im Aufbau. Die meisten Angebote sind auf eine langfristige Betreuung von Patient(inn)en mit chronischen Erkrankungen und ihre Angehörigen ausgerichtet. Zehn APN haben Anstellungen von 10 % bis 80 %, drei führen ein ANP-Team. Sie arbeiten zu über 50 % in der direkten klinischen Praxis, primär beratend. Ein ANP-Netzwerk verbindet APN und BFE, um Synergien und Austausch zu fördern. Schlussfolgerungen: Herausfordernd bei der Entwicklung von ANP-Angeboten sind oft die Ressourcen. Wesentlich für den nachhaltigen Erfolg sind ein adäquater Stellenumfang, die Unterstützung durch die Klinikleitung, das spitalweit gültige Konzept und der Aufbau im Rahmen von Projekten. Schlüsselwörter: Advanced Nursing Practice, Rollenentwicklung, Versorgungsmodelle, evidenzbasierte Praxis, Spitäler Focused development of advanced practice nurse roles for specific patient groups in a Swiss university hospital Abstract: Background: To cover future health care needs of the population, new care models are necessary. The development of advanced nursing practice (ANP) offers the opportunity to meet these challenges with novel services. At the Inselspital, Bern University Hospital, ANP services and corresponding advanced practice nurse (APN) roles have been developed since 2011. Purpose: The aim is to develop innovative and evidence based ANP services to supplement health care for specific patient groups and their family members with the goal to improve safety and achieve better outcomes. Methods: Project-based ANP services are developed in close collaboration of clinical departments and the Nursing Development Unit (NDU) of the Directorate of Nursing. Structure, process and outcome data are collected for evaluation. Findings: Currently, five ANP services are established and running, eight more are in the developmental phase. Most services address the long term care of patients with chronic illnesses and their family members. Ten APNs work between 10 % and 80 %, three are leading an ANP-team. APNs work over 50 % in direct clinical practice, primarily in counselling. An ANP network connects APNs and NDU, promoting synergy and exchange. Conclusions: The available resources often constitute a challenge for the development of ANP services. Vital for the long-term success are an adequate extent of the position, the support by department directorate, the conceptual framework that is implemented across the whole ­hospital, and the development within project structures. Keywords: advanced practice nursing, role development, models of care, evidence-based practice, hospitals

Einleitung Bekannte demografische Veränderungen in der Bevölkerung sowie kontinuierliche Entwicklungen in Medizin

und Medizintechnik führen zur Zunahme betagter Menschen, chronisch Kranker aller Altersgruppen und multimorbider Patient(inn)en (Bundesamt für Gesundheit, 2013; OECD / W HO, 2011). Die durchschnittliche Auf-

© 2018 Hogrefe Pflege (2018), 31 (1), 41–50 https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000594


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E. Spichiger et al.: Gezielte Entwicklung von Advanced Practice Nurse-Rollen

Was ist (zu dieser Thematik) schon bekannt? In der Schweiz werden zunehmend Advanced Practice Nurse-­ Rollen aufgebaut. Was ist neu? Zentral gesteuerte Entwicklung von Advanced Nursing PracticeAngeboten für ausgewählte Patient(inn)engruppen, abgestützt auf ein spitalweit gültiges Konzept. Welche Konsequenzen ergeben sich für die Pflegepraxis? Zentrale Steuerung, gezielter Projektaufbau, gute Zusammenarbeit interprofessionell sowie von Klinik und Direktion Pflege fördern den Aufbau innovativer Angebote / Rollen.

enthaltsdauer in Schweizer Akutspitälern ist rückläufig (Widmer & Kohler, 2016). Folglich findet eine Verlagerung von der Akutbetreuung in den ambulanten und Langzeitbereich statt. Zusätzlich wird eine Konzentration der hochspezialisierten Medizin angestrebt (Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -­direktoren, 2008). Diese Veränderungen sind herausfordernd für Patient(inn)en und ihre Angehörigen: Sie müssen die Behandlung von Krankheiten und den Umgang mit Auswirkungen von Krankheiten und Therapien zu Hause selber oder mit Unterstützung durch Gesundheitsfachpersonen bewältigen (Bundesamt für Gesundheit, 2013; OECD / W HO, 2011). Advanced Practice Nurses (APN) können chronisch kranke Patient(inn)en mit komplexen Anforderungen langfristig unterstützen. Die genannten Veränderungen stellen auch alle Fachpersonen im Gesundheitswesen vor hohe Anforderungen; neue Versorgungsmodelle sind gefragt, um den zukünftigen Bedarf der Bevölkerung an medizinischen Leistungen adäquat abzudecken (Bundesamt für Gesundheit, 2013; OECD / W HO, 2011). Innovative Advanced Nursing Practice-Angebote sind eine Möglichkeit, diesen Herausforderungen zu begegnen. APN-Rollen ermöglichen zudem das Nutzen des vollen Potenzials von Pflegefachpersonen mit Master of Science in Nursing (MScN) oder Doktorat in Pflege, um bessere Ergebnisse für Patient(inn)en und ihre Angehörigen zu erreichen (Institute of Medicine, 2011). Der Begriff „Angehörige“ bezieht sich im Sinne von Wright, Watson und Bell (1996) hierbei auf alle Personen, die sich dem Patienten verbunden fühlen und involviert sind. Advanced Nursing Practice (ANP) bezeichnet eine erweiterte vertiefte Pflegepraxis; diese bezieht sich ­ ­insbesondere auf 1) die Nutzung einer ganzheitlichen Sicht, welche physiologische, soziale, emotionale, kognitive und spirituelle Aspekte einbezieht und damit Pat­ ient­(inn)en und Angehörige als einmalige Individuen in ihrem alltäglichen Umfeld und im Gesundheitssystem betrachtet, 2) den Aufbau einer therapeutischen Beziehung zu Patient(inn)en und Angehörigen und eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit ihnen, 3) das adäquate Umsetzen von fundiertem theoretischen Wissen, klinischer Expertise und Kenntnissen bezüglich ethischer Entscheidungsfindung in der Praxis, 4) das Gewährleisten einer evidenzbasierten Pflege und 5) das bedarfsgePflege (2018), 31 (1), 41–50

rechte und flexible Einsetzen unterschiedlicher Methoden in der Zusammenarbeit mit Patient(inn)en und Angehörigen (Hamric et al., 2014). Während ANP vor allem in den a ­ ngelsächsischen Ländern etabliert ist, weltweit in rund 40 Ländern praktiziert und seit ca. 15 Jahren in der Schweiz gelehrt und zunehmend umgesetzt wird (Bryant-Lukosius et al., 2016; OECD, 2010; Pulcini, Jelic, Gul, & Loke, 2010; Spirig, Panfil, & Meyer, 2010), wurde im Inselspital, Universitätsspital Bern erst 2011 mit dem Aufbau und der Umsetzung von ANP-Angeboten begonnen. In diesem Artikel beschreiben wir, mit welchem Ziel in der Insel Gruppe ANP-Angebote aufgebaut werden, nach welchen Kriterien und mit welchen Instrumenten dieser Aufbau zentral gefördert und gesteuert wird, wie die Arbeit der APN auf Spitalebene evaluiert wird und was in den ersten fünf Jahren erreicht wurde. Nicht thematisiert werden Ergebnisse für Patient(inn)en und Angehörige auf der Ebene der einzelnen Angebote. Die Entwicklung erfolgte von 2012 bis 2015 zunächst im Inselspital. Seit dem Zusammenschluss des Universitätsspitals mit dem Stadtspital und den Landspitälern zur Insel Gruppe gelten Ziele und Vorgehen für die Gesamtorganisation.

Ziele der ANP-Entwicklung Folgende Zielsetzung leitet die ANP-Entwicklung in der Insel Gruppe: Ein ANP-Angebot soll innovativ sein und evidenzbasiert entwickelt werden. Damit sollen die Versorgung für eine spezifische Patient(inn)engruppe und ihre Angehörigen in sinnvoller Weise ausgebaut / ergänzt und mehr Sicherheit und bessere Ergebnisse erreicht werden. Ein ANP-Angebot wird aufgebaut, wenn mehrere der folgenden, auf die Unternehmensstrategie der Insel Gruppe abgestimmte Kriterien zutreffen: 1) Betreuung und Kontinuität in der Pflege können verbessert und dadurch bessere Ergebnisse für Patient(inn)en erreicht werden. 2) Das Angebot leistet einen Beitrag zum Erfüllen der Klinik- / Spitalziele oder der Unternehmensstrategie der Insel Gruppe. 3) Es kann ein Mehrwert für Klinik, Spital oder Insel Gruppe generiert werden. 4) Dank einem neuen Versorgungsmodell können Prozesse im Sinne einer integrierten Versorgung optimiert werden. 5) Herausforderungen im Gesundheitswesen kann innovativ begegnet werden. 6) Der Bedarf eines ANP-Angebots lässt sich aus der Literatur ableiten (Herrmann, Shaha, & Spichiger, 2016). Dieser Artikel fokussiert ausschließlich auf die Entwicklung von neuen ANP-Angeboten und APN-Rollen. In der Insel Gruppe arbeiten seit langem Pflegeex­ pert(inn)en (diplomierte Pflegefachpersonen mit einer höheren Fachausbildung Stufe 2 und / oder MScN) als Fachexpert(inn)en in einer Klinik; sie sind mitverantwortlich für die Pflegeentwicklung und -qualität. Diese © 2018 Hogrefe


E. Spichiger et al.: Gezielte Entwicklung von Advanced Practice Nurse-Rollen

etablierten Rollen sind nicht Teil des vorliegenden Berichts.

Methode, Vorgehen und Organisation Den Kontext für die ANP-Entwicklung bilden das Universitätsspital, das Stadtspital und die vier Landspitäler der Insel Gruppe. Die bisherigen Schritte betrafen das Universitätsspital. Zukünftig sollen bei einem entsprechenden Bedarf auch im Stadt- und in den Landspitälern ANP-Angebote aufgebaut werden. In diesem Artikel wird von der Entwicklung im Universitätsspital berichtet. Dieses umfasst zehn Departemente mit 30 Kliniken und rund 1 000 Betten. Im Jahr 2015 waren 43 697 Patient(inn)en für durchschnittlich sechs Tage hospitalisiert. Zudem wurden 638 955 Patient(inn)en ambulant behandelt. Das Spital verfügt über 2 443 Vollzeiteinheiten für Pflegefachpersonen. Der / Die Direktor(in) Pflege / MTT ist Mitglied der Geschäftsleitung der Insel Gruppe und führt die Direktion Pflege, medizinisch-technische und medizinisch-therapeutische Bereiche (DPMTT). Als Teil der DPMTT ist der Bereich Fachentwicklung (BFE) unter anderem zuständig für die ANP-Entwicklung. Auf Klinikebene sind grundsätzlich der / die Leiter(innen) Pflegedienst verantwortlich für die Entwicklung von ANPAngeboten. Die APN sind in die Linienorganisation eingebunden und dem / der Leiter(in) Pflegedienst unterstellt. Eine APN ist zudem fachlich der leitenden Ärztin / dem leitenden Arzt unterstellt, die / der in Zusammenarbeit mit ihr die Patient(inn)engruppe betreut.

Organisation der ANP-Entwicklung Wenn für eine bestimmte Patient(inn)engruppe in einer Klinik der Bedarf für ein ANP-Angebot erkannt wird, erfolgt der Aufbau grundsätzlich im Rahmen eines Projekts und in enger Zusammenarbeit von Klinik und BFE. Im BFE unterstützen primär die / der Bereichsleiter(in) und zwei wissenschaftliche Mitarbeitende mit Doktorat in Pflegewissenschaft die ANP-Entwicklung. Von der Klinik, die ein Angebot aufbauen will, sind zu Beginn meist die / der Leiter(in) Pflegedienst und die zukünftige APN involviert. Letztere arbeitet oft bereits in der Klinik. Üblicherweise diskutieren die / der Leiter(in) Pflegedienst, die APN sowie Leiter(in) und Mitarbeitende des BFE in einem ersten Austausch das geplante ANP-Angebot und definieren die Form der Zusammenarbeit und die Projektorganisation mit Auftraggeber(inne)n, Steuergruppe, Projekt­leitung und -gruppe. Die Zusammensetzung der Projek­tgruppe unterscheidet sich je nach Projekt, meist ist ein(e) leitende(r) Arzt / Ärztin integriert. Abbildung 1 zeigt die organisatorischen Strukturen, in denen der Aufbau von ANP-Angebo-

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ten erfolgt, sowie eine übliche Projektorganisation. Die Projektleitenden erarbeiten dann einen Projektantrag, der Hintergrund, Bedarf und Ziele des ANP-Angebots aufzeigt sowie erforderliche Maßnahmen und Meilensteine skizziert. Zudem werden Rahmenbedingungen, verfügbare Ressourcen und die Form der Kommunikation festgelegt. Die Steuergruppe genehmigt den Projektantrag, Projektleitende und -gruppe setzen diesen um und berichten an die Steuergruppe wie vorgesehen. Mit einem durch die Steuergruppe genehmigten Schlussbericht wird das Projekt abgeschlossen und das neue Angebot in den Normalbetrieb integriert.

Grundlagen zur ANP-Entwicklung Als strukturelle Elemente auf Ebene der Insel Gruppe unterstützen ein übergeordnetes ANP-Konzept (Herrmann et al., 2016) des BFE, eine APN-Musterstellenbeschreibung und eine Richtlinie zum Abrechnen ambulanter Leistungen den Aufbau von ANP-Angeboten und APN-Rollen. Ein zur Verfügung stehender ANP-Flyer kann zur Information von Fachpersonen (Pflegefachpersonen, Ärzt(inn)en, Fachpersonen medizinisch-therapeutischer und medizinisch-technischer Berufe) genutzt werden. Allen Beteiligten steht eine gemeinsame, geschützte Ablage für elektronische Dokumente zur Verfügung. Das ANP-Konzept legt Vorgaben zum Entwickeln von ANP-Angeboten und APN-Rollen verbindlich fest und ist wegweisend für Kliniken und BFE. Im Konzept wird der internationale, nationale und lokale Hintergrund zu ANP beschrieben. Das Modell von Hamric et al. (2014) wird als theoretischer Rahmen vorgegeben. Dementsprechend soll die APN über einen MScN verfügen und ihr Fokus soll die direkte Betreuung von Patient(inn)en und Angehörigen sein. Gemäß Konzept müssen ärztliche und pflegerische Leitung der jeweiligen Klinik dem Aufbau eines Angebots Abbildung 1. Organisatorische Strukturen, in denen der Aufbau von ANP Angeboten erfolgt, sowie eine übliche Projektorganisation.

Geschäftsleitung Direktor(in) Pflege/MTT Universitätsspital

Direktion Pflege/MTT BFE

10 Departemente mit 30 Kliniken

Zuständig für ANP Entwicklung: Leiter(in) 2 wiss. Mitarbeitende

Klinik Zusammenarbeit im Rahmen von ANP-Projekten

Klinikleitung:

Chefarzt(ärztin) und Leiter(in) Pflegedienst

Auftraggeber(innen) Leiter(in) Pflegedienst, Chefarzt(ärztin), Direktor(in) Pflege/MTT

Steuergruppe Leiter(in) Pflegedienst, Chefarzt(ärztin), Leiter(in) BFE

Co-Projektleitung APN und wiss. Mitarbeitende BFE Projektgruppe Zusammensetzung nach Bedarf Abkürzungen: MTT1. = medizinisch-technische und medizinisch-therapeutische Bereiche; = Bereich Fachentwicklung; APN = von Advanced Practice Abbildung Organisatorische Strukturen, in BFE denen der Aufbau Nurse; wiss. = wissenschaftlich Developing and Evaluating Advanced Practice Nurse übliche Roles in a Swiss Projektorganisation. University Hospital based on a Conceptual Framework, E. Spichiger 1 ANP Angeboten erfolgt, sowie eine Abkürzungen: MTT = medizinisch-technische und medizinisch-therapeutische Bereiche; BFE = Bereich Fachentwicklung; APN = Advanced Practice Nurse; wiss. = wissenschaftlich

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E. Spichiger et al.: Gezielte Entwicklung von Advanced Practice Nurse-Rollen

Abbildung 2. Ausschnitt aus dem logischen Modell zur Entwicklung von ANP Angeboten.

Ziel: Entwicklung von ANP-Angeboten und -Rollen: APN-Rollen und die entsprechenden ANP-Angebote sind im Rahmen von Projekten entwickelt, eingeführt, (forschungsgestützt) evaluiert, adaptiert und in den Normalbetrieb überführt. Die Nachhaltigkeit der ANP-Angebote ist gewährleistet. Ressourcen

Massnahmen

Produkte

Kurzfristige Ergebnisse

Mittelfristige Ergebnisse

Langfristige Ergebnisse ANP-Angebote unterstützen die Attraktivität des Gesamtunternehmens als Arbeitgeber

ANP-Angebote werden nach Konzept im RahANP-Konzept Musterstellenbeschreibung APN ANP-Netzwerk ANP-Gruppe BFE

men von Projekten - entwickelt - eingeführt - (forschungsgestützt) evaluiert - angepasst - in den Normalbetrieb überführt - und die Nachhaltig-

Liste der ANP-Projekte und -Angebote (in Abklärung, im Aufbau, im Normalbetrieb)

keit wird gesichert - Laufbahnentwicklung DPMTT - Akademische Nachwuchsförderung

-

Aufbau der Schwerpunktzentren (Krebs, Herz, Neurologie)

ANP-Netzwerk koordinieren und leiten Erarbeitung von Grundlagendokumenten

Anzahl, Inhalte der Netzwerksitzungen sowie Teilnehmende, Protokolle

Jedes ANP-Projekt ist evaluiert und das Angebot angepasst für den Normalbetrieb Jede APN nimmt die Rollen nach Hamric et al.

Die Nachhaltigkeit ist für jedes ANP-Angebot gesichert

APN-Rollen sind verankert in der Organisation

ANP-Angebote sind als innovative und nachhaltige Versorgungsmodelle etabliert

(2014) wahr Netzwerk ANP ist im Gesamtunternehmen ein anerkanntes Gremium

Grundlagendokumenten liegen vor

Fallstudien zu ANP – Angeboten durchführen

Der Mehrwert der ANPAngebote für die Unternehmung ist dargestellt

ANP-Angebote sind Bestandteil der Unternehmensstrategie

(Zusammenfassung der Projektevaluationen)

Abbildung 2. Ausschnitt aus dem logischen Modell zur Entwicklung von ANP-Angeboten. Abkürzungen: ANP = Advanced Nursing Practice; APN = Advanced Practice Nurse; BFE = Bereich Fachentwicklung; DPMTT = Direktion Pflege, medizinischAbkürzungen: ANP = Advanced Nursing Practice; APN = Advanced Practice Nurse; BFE = Bereich Fachentwicklung; DPMTT = Direktion Pflege, technische und medizinisch-therapeutische Bereiche medizinisch-technische und medizinisch-therapeutische Bereiche

zustimmen. Im Gegensatz zu anderen Ländern fehlt in der Schweiz noch eine rechtliche Grundlage für den umfassenden Kompetenzbereich einer APN. Folglich müssen rollenspezifisch erweiterte Kompetenzen mit den ärztlichen Partnern schriftlich vereinbart werden. Weiter ist im Konzept festgehalten, dass jedes Projekt bezüglich Struktur, Prozess und Ergebnissen zu evaluieren ist (Donabedian, 2005) und Schritte zur Sicherung der Nachhaltigkeit des Angebots zu integrieren sind. Schließlich sind im Konzept die Aufgaben des BFE beschrieben. Die geplante Unterstützung der ANPEntwicklung durch den Bereich ist in einem logischen Modell (W. K. Kellogg Foundation [WKKF], 2004) zusammenfassend dargestellt. Die Abbildung 2 zeigt einen Ausschnitt aus dem logischen Modell. Verschiedene methodische Ansätze werden für Planung und Durchführung von ANP-Aufbauprojekten, soweit sinnvoll, kombiniert (Ullmann-Bremi, Spirig, & Ullmann, 2004). Es werden Methoden des Projektmanagements (Gächter, 2015), der Aktionsforschung (Stringer, 2014) und der Praxisentwicklung (McCormack, Manley, & Titchen, 2013) genutzt. Dabei werden Projektmanagement-Methoden genutzt, um den Aufbau eines ANP-Angebots im Rahmen eines Projekt mittels Projektantrag und geeigneter Projektorganisation zu planen und das Projekt dann zielgerichtet in der vorgegebenen Zeit umzusetzen. Der Aktionsforschungsansatz mit seinen wiederkehrenden Phasen (IstZustand erheben, Vorgehen planen, Geplantes umsetzen, erneut Ist-Zustand erheben usw.) wird nach Bedarf in jeder Projektphase genutzt. In der konkreten Arbeit mit Beteiligten werden zudem Mittel der Praxisentwicklung eingesetzt, z. B. zum Klären von Werten oder Entwickeln einer Vision. Schließlich erfolgt die APN-Rollenentwicklung und -implePflege (2018), 31 (1), 41–50

mentation inhaltlich in Anlehnung an das Konzept „Participatory, evidence-based, patient-centred process for APN role development, implementation and evaluation“ (PEPPA). Bryant-Lukosius und DiCenso (2004) bieten mit diesem international genutzten Konzept (Boyko, Carter, & Bryant-Lukosius, 2016) einen Prozess zum Rollenaufbau an, der alle Beteiligten einbezieht, auf Evidenz beruht und Patient(inn)en in den Fokus stellt. Die Schritte nach PEPPA werden in einer auf den lokalen Kontext und das jeweilige ANP-Projekt abgestimmten Form umgesetzt. Zum Beispiel erfolgen nicht immer alle Schritte systematisch und in der vorgesehenen Reihenfolge, weil dies für ein spezifisches Projekt nicht immer sinnvoll scheint.

Aufgaben des BFE Aufgabe des BFE ist in erster Linie die konkrete Unterstützung von ANP-Entwicklung und APN-Rollenaufbau durch Mitarbeit in den Projekten. Zusätzlich stellen die Mitarbeitenden des BFE sicher, dass nationale und internationale Tendenzen in der ANP-Entwicklung wahrgenommen und allenfalls in der Insel Gruppe integriert werden. Sie fördern durch Präsentationen und Publikationen die Positionierung der Insel Gruppe bezüglich ANP- und APN-Rollen national und international und unterstützen die APN bei der Kommunikation ihrer Angebote nach innen und außen (z. B. mittels Peer-Review von Abstracts, Präsentationen oder Publikationen). Die Mitarbeitenden des BFE pflegen nationale und internationale Kontakte und Zusammenarbeit. Sie organisieren bei Bedarf ein Mentoring für eine APN. © 2018 Hogrefe


E. Spichiger et al.: Gezielte Entwicklung von Advanced Practice Nurse-Rollen

Der BFE organisiert und leitet zudem das „ANP-Netzwerk“. Dies beinhaltet regelmäßige Treffen der APN mit der / dem Leiter(in) und den Mitarbeitenden des BFE. Das ANP-Netzwerk ist für den BFE ein zentrales Steuerungselement und unterstützt die Zusammenarbeit mit den APN auch nach Abschluss eines Projekts. Alle APN, unabhängig vom Stand ihrer Rollenentwicklung, sind Mitglieder des Netzwerks. Eine regelmäßige Teilnahme an den Treffen wird erwartet. Das ANP-Netzwerk dient dem Austausch und Lernen voneinander. Dabei können APN, welche die Rolle neu übernehmen, von den erfahrenen APN profitieren. Alle APN kennen sich und können bei Bedarf direkt Kontakt aufnehmen und mit Kolleginnen zusammenarbeiten. Mit den Treffen wird die Rollenentwicklung gemäß Konzept unterstützt. Zudem werden rollenübergreifende Herausforderungen aufgenommen und bearbeitet, damit untereinander Synergien genutzt werden können. Schließlich werden im Netzwerk eine jährliche Evaluation auf Spitalebene geplant und umgesetzt sowie die Nachhaltigkeit der Angebote evaluiert und allenfalls nötige Maßnahmen diskutiert.

Vorgehen zur Evaluation Auf Spitalebene werden für die Evaluation von ANP-Entwicklung, ANP-Angeboten und APN-Rollen Struktur-, Prozess- und Ergebnisdaten erhoben. Beispielsweise wird bezüglich der Struktur erfasst, ob das ANP-Konzept nach Bedarf angepasst ist und ob aktuelle Literatur zur Verfügung steht. Prozessdaten werden zum ANP-Netzwerk (Anzahl Treffen, Anzahl Teilnehmende), zu Konferenzbesuchen sowie nationalen und internationalen Kontakten erhoben. Zudem erfasst jede APN die Zeit in Minuten, welche sie pro Kompetenz gemäß Modell von Hamric et al. (2014) aufwendet. Um eine möglichst einheitliche Erfassung zu gewährleisten, steht allen die gleiche Excel-Tabelle zur Verfügung und die Aktivitäten pro Kompetenz wurden im Netzwerk definiert. Aufkommende Fragen zur Zuteilung werden laufend geklärt. Schließlich erheben die APN Daten zur Anzahl betreuter Patient(inn)en und Angehörigen, und es wird eine Liste der ANP-Angebote sowie von Präsentationen und Publikationen geführt. Die Daten werden jährlich von den Mitarbeitenden des BFE deskriptiv ausgewertet. Auf Ebene der einzelnen Angebote evaluieren die APN insbesondere in der Projektphase Strukturen, Prozesse und manchmal Patientenergebnisse. Nötige Anpassungen erfolgen laufend im Projektverlauf sowie bei der Implementierung eines Angebots im Normalbetrieb. Zu zwei Angeboten konnten qualitative Evaluationsstudien durchgeführt werden, in welchen die Sicht von Patient(inn)en und Angehörigen exploriert wurde. Ergebnisse von Evaluationen auf Ebene der einzelnen Angebote sind nicht Teil dieses Artikels. Um die Nachhaltigkeit der ANP-Angebote nach Projektabschluss zu evaluieren und diese bei Bedarf zu fördern, wurden vor Kurzem im Netzwerk Kriterien erarbeitet, die darauf hinweisen, wie nachhaltig ein Angebot gestaltet ist.

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Diese Kriterien basieren auf dem ANP-Konzept und beziehen sich auf das Evaluieren der APN-Rolle (Beispiel: Wird die APN-Rolle langfristig monitorisiert auf Ebene des Angebots? Weist die APN z. B. ihre jährlichen Leistungen nach?), das Sicherstellen einer evidenzbasierten Praxis (Beispiel: Ist eine laufende Literatursuche installiert?), eine nötige Weiterentwicklung oder einen Ausbau des Angebots (Beispiel: Besteht Bedarf für grundlegende Anpassungen oder einen Ausbau des Angebots?), die erforderliche personelle Besetzung (Beispiel: Ist die Stellvertretung der APN sichergestellt?) sowie die Verankerung von Angebot und Rolle in der Klinik, respektive im Gesamtunternehmen (Beispiel: Erfolgt eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Klinikführung?). Die APN sind aufgefordert, jährlich ihr Angebot bezüglich dieser Kriterienliste zu überprüfen und zu dokumentieren, was umgesetzt oder erreicht wurde, wo Handlungsbedarf besteht, welche Schritte geplant sind und ob Unterstützung durch den BFE erforderlich ist. Für diese Überprüfung steht als Hilfsmittel eine PowerPoint-Präsentationsvorlage, in der die Kriterien aufgeführt sind, zur Verfügung. Die APN nutzt diese, um die Nachhaltigkeit ihres Angebots im Netzwerk zu diskutieren. Gemäß Rückmeldungen von APN und ersten Erfahrungen im ANP-Netzwerk scheint dieses Vorgehen hilfreich.

Ergebnisse Seit 2011 konnten im Inselspital eine bereits bestehende Beratung als ANP-Angebot etabliert und vier weitere Angebote entwickelt und in den Normalbetrieb überführt werden. Acht weitere Angebote befinden sich im Aufbau. Die 13 Angebote richten sich an Patient(inn)en mit seltenen und / oder komplexen Erkrankungen, oder an Patient(inn)en mit häufig auftretenden Erkrankungen, die vom spezifischen Fachwissen und der Erfahrung einer APN profitieren können, oder an Patient(inn)en, deren bestmögliche Lebensqualität dank kontinuierlicher Betreuung durch eine APN gewährleistet werden kann. Inhaltlich unterscheiden sich die Angebote je nach Patient(inn)engruppe. Wesentliche Bestandteile aller Angebote sind jedoch eine umfassende Bedarfserfassung, auf die individuelle Situation abgestimmte Informationsvermittlung zur Krankheit sowie Beratung und Patientenedukation im Rahmen einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit Patient(inn)en. Häufig gehört zur Aufgabe der APN auch die Koordination der Betreuung im interprofessionellen Kontext. Alle APN betreuen, soweit erwünscht, auch Angehörige, und sie ziehen Angehörige bei, wenn eine Situation dies erfordert (z. B. wenn eine kognitive Einschränkung einem Patienten die regelmäßige Medikamenteneinnahme verunmöglicht). Die meisten Angebote sind auf eine langfristige, kontinuierliche Betreuung ausgerichtet, das heißt die APN sind im stationären, ambulanten Bereich und allenfalls über einen Spitalaufenthalt hinaus tätig. Einige APN haben erweiterte Kompetenzen mit leitenden Ärzt(inn)en und

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E. Spichiger et al.: Gezielte Entwicklung von Advanced Practice Nurse-Rollen

Tabelle 1. Übersicht zu den ANP-Angeboten Patient(inn)en mit …

Stand Angebot

Brust- und gynäkologischen Krebsarten

Normalbetrieb

Systemsklerose, Sicca-Symptomatik, Hautproblemen und Wunden bei rheumatischen Erkrankungen

Normalbetrieb

Angeborenen Herzfehlern – Transitionssprechstunde

Normalbetrieb

Chronischer Niereninsuffizienz (Stufen I–V, ohne Ersatztherapie)

Normalbetrieb

Prostatakarzinom

Normalbetrieb

Palliative Care

Im Aufbau

Tracheostoma

Im Aufbau

Angeborenen Hämostasestörungen

Im Aufbau

Frühgeburt – Transition vom Spital nach Hause

Im Aufbau

Sarkom-Erkrankungen

Im Aufbau

Dermatologischen Erkrankungen

Im Aufbau

Malignen hochgradigen Hirntumoren

Im Aufbau

Neurochirurgischen Erkrankungen

Im Aufbau

weiteren Fachpersonen vereinbart, z. B. das Anordnen einer Ernährungsberatung oder die Reduktion von Schmerzmedikamenten. Die Übernahme von ärztlichen Aufgaben steht jedoch bei den bisher entwickelten ANP-Angeboten nicht im Vordergrund. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die ANP-Angebote.

Aufbau von ANP-Angeboten Die Angebote wurden und werden grundsätzlich gemäß Konzept im Rahmen von Projekten und in einer engen Zusammenarbeit von Klinik, zukünftiger APN und BFE aufgebaut. Im Jahr 2015 war die / der Leiter(in) des BFE bei neun Projekten Mitglied der Steuergruppe, Mitarbeitende hatten in sechs Projekten eine Co-Leitung und waren für drei weitere Angebote beratend tätig. Der Bedarf für ein ANP-Angebot wird in der Regel in der Klinik durch die involvierten Berufsgruppen festgestellt, z. B. aufgrund von Rückmeldungen von Patient(innen)en oder weil Klinikergebnisse Handlungsbedarf aufzeigen. So erkannten mehrfach erfahrene Pflegefachpersonen während und / oder nach Abschluss ihres Masterstudiums Unterstützungsbedarf für eine spezifische Patient(inn)engruppe, initiierten den Aufbau eines Angebots in ihrer Klinik und übernahmen sowohl die APN-Rolle als auch die Co-Projektleitung. Wenn jedoch Klinikleitende die Betreuung für eine Patient(inn)engruppe mittels ANP-Angebot verbessern wollten, stand nicht immer eine spezialisierte Pflegefachperson mit MScN bereits zur Verfügung. Folglich erwarben einige APN das nötige Fachwissen während des Aufbauprojekts mittels Literaturstudium und gezielten Weiterbildungen und Workshadowings. Im Verlauf der Pilotphase ihres ANP-Angebots machten sie erste Erfahrungen, reflektierten diese und bauten kontinuierlich darauf auf. In zwei Projekten absolvieren gegenwärtig die zukünftigen APN parallel zum Rollenaufbau das Studium zum MScN. Sie nutzen Kurse soweit wie möglich für die Entwicklung ihrer zukünftigen Rolle. Pflege (2018), 31 (1), 41–50

Evaluationsergebnisse auf Spitalebene Wie die verfügbaren Evaluationsergebnisse auf Spitalebene zeigen, arbeiteten 2014 acht Pflegefachpersonen zwischen 10 % und 80 % als APN. Zwei APN führten ein ANPTeam, das heißt, sie arbeiteten zusammen mit ein bis drei spezifisch für das Angebot geschulten diplomierten Pflegefachpersonen. Im Jahr 2015 hatten zehn APN Anstellungen von 10 % bis 80 %, drei führten ein ANP-Team. Die Arbeitspensen der APN waren abhängig von den Ressourcen, welche eine Klinik zur Verfügung stellen konnte und von der Größe oder dem Bedarf der Patient(inn)engruppe. So betreut die APN mit der 10 % Stelle 25 – 35 Patient­(inn­)en pro Jahr mit einer seltenen Krankheit und arbeitet ­daneben als Pflegeexpertin für die Klinik. Die APN arbeiteten seit durchschnittlich 26 Monaten (Spannbreite 4 – 144 Monate) als APN in ihren Fachbereich, acht von ihnen verfügten bereits über einen MScN. Bei sieben Angeboten gewährleisten Stellvertretende oder ANP-Teammitglieder die Betreuung von Patient(inn)en und Angehörigen während Abwesenheiten der APN. Alle anderen Aufgaben (z. B. das Sicherstellen einer evidenzbasierten Praxis) obliegen der APN als Teamleiterin. Für die weiteren Angebote ist jeweils eine APN alleine zuständig. Je nach Entwicklungsstand ihres Angebots erhoben die APN Daten zu den betreuten Patient(inn)en und zur Aufteilung ihrer Arbeitszeit. Für 2014 und 2015 erfassten sieben, respektive neun APN die Zeit, welche sie pro Kompetenz gemäß Modell von Hamric et al. (2014) einsetzten (siehe Abbildung 3). Insgesamt arbeiteten die APN 4 051 Stunden, respektive 4 2 98 Stunden in ihrer APN-Rolle. Wie im Konzept vorgesehen bezog sich ihre Tätigkeit in beiden Jahren zu über 50 % auf die Bereiche „direkte klinische Praxis“ und „Beratung / Coaching“, das heißt auf Aktivitäten mit direktem Patient(inn)en- und Angehörigenkontakt. Für den Bereich „evidenzbasierte Praxis“ wendeten die APN ebenfalls einen beträchtlichen Anteil © 2018 Hogrefe


E. Spichiger et al.: Gezielte Entwicklung von Advanced Practice Nurse-Rollen

ihrer Zeit auf. Dies ist darauf zurückzuführen, dass hier die konzeptuelle Aufbauarbeit für das ANP-Angebot mit enthalten ist. Im Jahr 2014 konnten sieben APN die Anzahl der betreuten Patient(inn)en und Angehörigen sowie die Anzahl der Kontakte erheben, 2015 waren es neun APN. Da nicht alle ANP-Teammitglieder, die Patient(inn)en betreuten, entsprechende Daten erhoben, wären die eigentlichen Zahlen etwas höher. Tabelle 2 gibt einen Überblick. Die APN ermöglichten zudem Einblicke in ihre Angebote und waren in der Forschung aktiv. Sechs APN boten 2014 elf interessierten Pflegefachpersonen die Möglichkeit für ein Workshadowing, 2015 waren es fünf APN für elf Pflegefachpersonen. Die APN waren an fünf, respektive sechs Forschungsprojekten beteiligt und sie präsentierten sechs-, respektive 21-mal an nationalen sowie 17respektive 12-mal an internationalen Kongressen zu ihren ANP-Angeboten. 2015 erfolgten zwei Publikationen in Zeitschriften mit Peer-Review (Fitch, Fliedner, & O'Connor, 2015; Thomet, Schwerzmann, & Greutmann, 2015).

Aktivitäten des BFE Neben der schon erwähnten Mitarbeit in Projekten unterstützten die Mitarbeitenden des BFE die ANP-Entwicklung durch das Integrieren neuer Tendenzen. Entsprechend wurde das ANP-Konzept im Jahr 2014 aufgrund der bisherigen Erfahrungen und basierend auf der neuen Auflage des Grundlagenbuchs von Hamric et al. (2014) überarbeitet und erweitert. Es wurde auch eine Literatur-Suchstrategie etabliert; die Mitglieder des Netzwerks erhalten nun monatlich neue Publikationen zu ANP. Zweimal wurde ein Workshop mit Prof. Dr. D. Bryant-Lukosius organisiert zu APN-Rollen, respektive deren Evaluation. Zudem förderten Mitarbeitende des BFE die Kommunikation zu den ANP-Angeboten, z. B. durch Kongressteilnahmen. So nahm eine Delegation von APN und Mitarbeitenden des BFE 2014 an der ICN INP / APNN Conference in Helsinki, Finnland teil. Die vier Beiträge aus dem Inselspital interessierten internationale Kongressbesuchende, es ergaben sich spannende Gespräche. Dank einheitlich gestalteter Startfolie entstand ein Wiedererkennungseffekt; das Inselspital wurde wahrgenomTabelle 2. Anzahl durch APN betreuter Patient(inn)en und Angehörige sowie Anzahl persönlicher, telefonischer oder weiterer Kontakte Anzahl

2014

2015

Betreute Patient(inn)en

594

1035

Involvierte Angehörige

165

324

Kontakte nur mit Patient(inn)en

814

1718

Kontakte mit Patient(inn)en und Angehörigen

185

236

Kontakte nur mit Angehörigen

37

65

47

4,6%

1,0%

0,6%

Direkte klinische Praxis Beratung, Coaching

12,4%

30,9% EBP Zusammenarbeit Leadership

24,1%

Ethische Entscheidungsfindung Konsulationen, Konsilien 26,3%

Abbildung 3. Verteilung der APN-Tätigkeiten auf die Kompetenzen gemäß Modell von Hamric et al. (2014).

men. Unterstützend für den erfolgreichen Auftritt in Helsinki war die vorhergehende Peer-Review der Abstracts und Präsentationen im ANP-Netzwerk. Schließlich stellte der BFE die nationale Vernetzung ­sicher, z. B. durch Mitarbeit in der Interessengruppe ­SwissANP oder im Schweizerischen Verein für Pflegewissenschaft, und förderte internationale Kontakte. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. D. Bryant-Lukosius, School of Nursing and Department of Oncology, Co-Director, Canadian Centre for Advanced Practice Nursing Research, ­McMaster University, Kanada, dem Institut für Pflegewissenschaft der Universität Basel, dem Universitätsspital Basel und weiteren Stakeholdern beteiligten sich Mitarbeitende des BFE an der Entwicklung von PEPPA plus, einem Rahmenkonzept für die Evaluation von ANP im Schweizer Kontext (Bryant-Lukosius et al., 2016). Das vom BFE geleitete ANP-Netzwerk besteht seit 2012. Es finden sechs 1,5 bis 2-stündige Treffen pro Jahr statt. Die Zahl der Teilnehmer(innen) nahm im Verlauf leicht zu, während 2012 von 14 eingeladenen im Durchschnitt 10,6 Personen teilnahmen, waren es 2015 von 22 eingeladenen durchschnittlich 11,8 Personen. Das Finden von für alle Beteiligten möglichen Terminen ist immer wieder herausfordernd. Neben den bereits erwähnten Funktionen des Netzwerks, wurde dieses genutzt, um neue Projekte vorzustellen, diese kritisch zu diskutieren und anstehende Fragen zu besprechen. Die Mitglieder des Netzwerks überprüften jede rollenspezifische Stellenbeschreibung und stellten damit sicher, dass sie nicht von der Musterstellenbeschreibung abweicht, sondern diese nach Bedarf ergänzt. Die Teilnahme an Kongressen wurde koordiniert, um die erwünschte Präsenz der Insel Gruppe zu gewährleisten. Kongressinhalte wurden anschließend ausgetauscht. Zudem wurde eine Richtlinie zum Abrechnen von ambulanten APN-Leistungen initiiert. Die Mitarbeitenden des BFE referierten zu gewünschten Themen (z. B. systematische Literatursuche, Gestaltung eines Curriculum vitae). Eine APN organisierte eine seither regelmäßig stattfindende, interprofessionelle Intervision mit Fallbesprechungen.

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Diskussion Die im Inselspital etablierten fünf ANP-Angebote sowie die weiteren acht in verschiedenen Phasen des Aufbaus stehenden Angebote richten sich an spezifische Gruppen von chronisch kranken Patient(inn)en und deren Angehörige. Die Angebote umfassen inhaltlich in erster Linie bisher nicht erbrachte, spezialisierte und erweiterte Pflegeleistungen in den Bereichen Beratung, Coaching und Unterstützung im Selbstmanagement sowie langfristige, interprofessionelle Koordination der Betreuung. Die Evaluation der neuen Angebote erfolgte primär bezüglich der Strukturen und Prozesse auf Ebene Inselspital. Zudem wurden Daten erhoben zu Patient(inn)enzahlen und Aktivitäten der APN auf Ebene des Angebots und für alle Angebote zusammenfassend ausgewertet. Während mehrere Reviews zeigen, dass APN im Vergleich mit Ärzt(inn)en vergleichbare Patient(inn)energebnisse erzielen (Martin-Misener et al., 2015; Martinez-González et al., 2014; Newhouse et al., 2011) und z. B. in einem in der Schweiz durchgeführten randomisierten klinischen Versuch positive Auswirkungen einer APN-Intervention nachgewiesen werden konnten (Imhof, Naef, Wallhagen, Schwarz, & Mahrer-Imhof, 2012), war es bisher im Inselspital nicht möglich, Patient(inn)energebnisse auf Ebene eines Angebots mittels quantitativer Studien zu evaluieren. Das Planen solcher Studien erwies sich als herausfordernd: Die beteiligten Kliniken fokussierten eher auf eine rasche Entwicklung der klinischen Praxis als auf Ergebnisforschung. Weil ein neues Angebot allen Betroffenen zugutekommen sollte, wurden randomisierte klinische Versuche nicht in Betracht gezogen. Prä-Post-Tests scheiterten öfters am Fehlen von Basisdaten, und das Erheben solcher Daten hätte zu einem verzögerten Projektbeginn geführt und schien damit zu zeitaufwändig. Die Übernahme von ärztlichen Aufgaben durch die APN stand beim Entwickeln der bisherigen ANP-Angebote nicht im Vordergrund. In angelsächsischen Ländern sind körperliche Untersuchungen, das Anordnen von Diagnostik sowie das Verschreiben bestimmter Medikamente für „Nurse Practitioners“ oft Routineaufgaben und rechtlich geregelt (Hamric et al., 2014). Weil entsprechende gesetzliche Regelungen in der Schweiz fehlen, haben einige APN erweiterte Kompetenzen schriftlich mit den verantwortlichen Fachpersonen vereinbart, damit sie rechtlich abgesichert sind. Diesbezüglich zeigt die Erfahrung, dass solche Kompetenzregelungen nicht nur mit Ärzt(inn)en, sondern auch mit anderen Fachpersonen, z. B. Psycholog(inn)en, getroffen werden müssen. Herausfordernd und teilweise limitierend erwiesen sich wiederholt die verfügbaren Ressourcen für ANP-Angebote. Der Aufbau eines Angebots erforderte personelle, finanzielle und strukturelle Ressourcen (DiCenso et al., 2010, Kilpatrick et al., 2012). Wenn eine Pflegefachperson mit MScN in ihrem Fachbereich die Entwicklung initiierte, stand diese als APN mit den nötigen Kompetenzen von Beginn an zur Verfügung. Wenn jedoch eine Klinik den Pflege (2018), 31 (1), 41–50

Aufbau initiierte, musste eine im entsprechenden Fachbereich spezialisierte APN gefunden werden, was bei der immer noch limitierten Anzahl von Pflegefachpersonen mit MScN in der Schweiz meist nicht möglich war. Das bedeutete, dass in diesen Fällen eine motivierte und geeignete Fachperson gesucht werden musste, die interessiert war, ein Masterstudium zu absolvieren und sich im gewünschten Fachbereich als APN zu spezialisieren. In jedem Fall war eine Klinik gefordert, genügend Stellenprozente zur Verfügung zu stellen, sodass der Aufbau eines ANP-Angebots und einer APN-Rolle möglich waren. Zudem wurden für neue Angebote adäquate Strukturen (z. B. Beratungsräume, Schulungsmaterial) benötigt. Die dadurch anfallenden Kosten müssen ebenfalls von der Klinik übernommen werden. Eine Möglichkeit wäre hier, Sponsoren zu suchen, was jedoch mit einem zusätzlichen Aufwand verbunden ist und entsprechende Kenntnisse der hierfür zuständigen Personen voraussetzt. Die Initiant(inn)en benötigen folglich klare Strategien und Vorgehensweisen sowie Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen. Im ambulanten Bereich konnten Dienstleistungen der APN den Patient(inn)en, respektive den Krankenversicherungen in Rechnung gestellt werden, die Tarife sind bisher jedoch nicht kostendeckend. Die Frage nach den verfügbaren Ressourcen stellt sich auch für den BFE. Bisher konnte die Unterstützung von Projekten (z. B. Co-Projektleitung oder Beratung durch Mitarbeitende des BFE) gewährleistet werden. Eine steigende Anzahl von Projekten und zeitlich beschränkte Ressourcen der Bereichsmitarbeitenden sind jedoch zunehmend eine große Herausforderung. Bezüglich der nachhaltigen Sicherung besteht bei vielen ANP-Angeboten weiterhin Handlungsbedarf. Pro Angebot arbeitet momentan nur eine spezialisierte Pflegefachperson mit MScN als APN. Einige sind alleine für ihr Angebot zuständig. Gründe dafür sind entweder eine kleine Patient(inn)engruppe, sodass weitere Stellenprozente für eine Stellvertretung nicht gerechtfertigt sind, oder es fehlen generell die Ressourcen für eine Stellvertretung. ­Zudem fehlen auch weitere entsprechend spezialisierte Pflegefachpersonen mit MScN. Während ferien- oder ­ krankheitsbedingten Abwesenheiten erfolgen bei diesen Angeboten keine Dienstleistungen, in einem Fall übernehmen ärztliche Partner einige Beratungsaufgaben. Andere APN haben eine Stellvertretung, sodass ihre Dienstleistung während Abwesenheiten gewährleistet bleibt. Bei den wenigen APN, die ein ANP-Team leiten, können deren Teammitglieder diese Angebote während Abwesenheiten gewährleisten. Eine langfristige Nachhaltigkeit der ANP-Angebote im Inselspital kann jedoch momentan nur über eine gute inhaltliche Dokumentation des Angebots und der Patient(inn)enbetreuung sowie eine adäquate Einführung einer allfälligen APN-Nachfolge erreicht werden. Zukünftig könnte allenfalls bei einigen Angeboten eine Ausweitung auf ähnliche Patient(inn)engruppen angestrebt werden, sodass – dank größerer Gruppe mit entsprechend erhöhtem Bedarf – mehr personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden könnten und damit eine zweite APN aufgebaut und integriert werden könnte. © 2018 Hogrefe


E. Spichiger et al.: Gezielte Entwicklung von Advanced Practice Nurse-Rollen

Als unterstützend für eine Entwicklung von ANP-Angeboten und APN-Rollen erwiesen sich im Inselspital mehrere Faktoren. Der Aufbau gestaltete sich einfacher, wenn das ANP-Angebot von ärztlicher und pflegerischer Leitung initiiert und durch Mitarbeit im Projekt unterstützt wurde. Fehlende Unterstützung durch Führungspersonen aus Pflege und ärztlichem Bereich wird international wiederholt als Hürde für einen erfolgreichen Rollenaufbau beschrieben (DiCenso et al., 2010; WisurHokkanen, Glasberg, Mäkelä, & Fagerström, 2015). Das spitalweit gültige Konzept war mit verständlichen und umsetzbaren Vorgaben leitend für alle Beteiligten. Zudem unterstützte der Aufbau im Rahmen von Projekten, gemäß Projektantrag und mit einer definierten Projektorganisation das Entwickeln von Angeboten und Rollen mittels klarer Strukturen. Dank enger Zusammenarbeit von Klinik und BFE konnten (designierte) APN situationsspezifisch im Projekt unterstützt und Synergien im Netzwerk genutzt werden. Schließlich hatten auch die beteiligten Personen einen wesentlichen Einfluss: Wenn APN, Leiter(in) Pflegedienst, involvierte Ärzt(inn)e(n) und weitere Fachpersonen sich auf einer persönlichen Ebene gut verstanden und ergänzten, wirkte sich dies positiv auf ihre Zusammenarbeit und letztlich auf die Entwicklung des Angebots aus. Ein Ausblick auf die zukünftige Entwicklung von ANPAngeboten in der Insel Gruppe macht deutlich, dass einerseits weitere Angebote für spezifische Patient(inn)engruppen mit APN-Rollen gefragt sind, die sich ähnlich gestalten wie die bisher entwickelten Rollen. Andererseits besteht seitens einiger Kliniken der Bedarf einer Rolle, in der die APN in weit größerem Ausmaß ärztliche Aufgaben übernehmen. Es sind eigentlich Nurse Practitioners gefragt, bisher gibt es in der Schweiz jedoch noch keine entsprechende Ausbildung. Damit diese APN in Delegation ärztliche Aufgaben in der Betreuung von ambulanten oder stationären Patient(inn)en übernehmen können, ist es deshalb einerseits wichtig, sie so weiterzubilden, dass sie im schriftlich vereinbarten, und damit rechtlich abgesicherten Rahmen die entsprechenden fachlichen Kompetenzen aufweisen, um diese ärztlichen Aufgaben zu übernehmen. Andererseits gilt es beim Rollenaufbau spezifisch darauf zu achten, dass auch diese Angebote weiterhin einen eindeutig pflegerischen Fokus beinhalten. Ter Maten-Speksnijder, Pool, Grypdonck, Meurs und van Staa (2015) zeigten, dass Pflegefachpersonen, die in den Niederlanden neu eine Nurse Practitioner Rolle übernahmen, sehr auf die ärztlichen Rollenanteile fokussierten und Aspekte einer erweiterten Pflegepraxis nicht wahrnahmen. Dies soll in der Insel Gruppe vermieden werden. Als weitere Entwicklung zeigt sich, dass bei den medizinisch-therapeutischen Berufen (Physiotherapie, Ergotherapie, Ernährungsberatung, Logopädie) ein Interesse an Advanced Practice und entsprechenden Rollen besteht. Der Aufbau solcher Rollen soll sich ebenfalls auf das ANP-Konzept stützen und in Zusammenarbeit mit dem BFE erfolgen. Erste Projekte sind angedacht.

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Schließlich sind ANP-Angebote für die ganze Insel Gruppe vorstellbar, das heißt, für Patient(inn)engruppen, welche im Verlauf an verschiedenen Standorten (Land-, Stadt- und Universitätsspital) betreut werden. Abschließend lässt sich sagen, dass die Insel Gruppe mit dem Aufbau von ANP-Angeboten und APN-Rollen einen Beitrag leistet im Sinne des Bundesrates (Bundesamt für Gesundheit, 2013). Es werden neue Versorgungsmodelle entwickelt mit dem primären Ziel, chronisch kranke Patient(inn)en und ihre Angehörigen im Selbstmanagement zu unterstützen.

Danksagung Wir danken den beiden APN, Dinah Gafner, MScN, und Monica Fliedner, MScN, für die Review des Manuskriptentwurfs.

Beiträge der einzelnen Autorinnen Mitarbeit in der Entwicklung der Advanced Nursing Practice: ES, MSh, MSch, LH. Manuskripterstellung und kritische Überarbeitung von Manuskriptinhalten: ES, MSh, MSch, LH. Genehmigung der letzten Version des Manuskripts zur Publikation: ES, MSh, MSch, LH. Bereitschaft, für alle Aspekte der Arbeit Verantwortung zu übernehmen: ES, MSh, MSch, LH.

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E. Spichiger et al.: Gezielte Entwicklung von Advanced Practice Nurse-Rollen

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Elisabeth Spichiger PD, PhD Direktion Pflege / MTT Inselspital Universitätsspital Bern Freiburgstrasse 44a 3010 Bern Schweiz elisabeth.spichiger@insel.ch

Was war die größte Herausforderung bei Ihrer Studie? Den Aufbau von ANP-Angeboten mit minimalen Ressourcen nachhaltig voranzutreiben. Was wünschen Sie sich bezüglich der Thematik für die Zukunft? Eine einheitliche Regelung auf berufspolitischer Ebene sowie eine gesetzliche Regelung für den Einsatz von APN, welche es diesen erlaubt, ihre Kompetenzen voll einzusetzen und eigenständig zu handeln. Was empfehlen Sie zum Weiterlesen / Vertiefen? Kleinpell, R. M. (Ed.) (2013). Outcome Assessment in Advanced Practice Nursing (3rd ed.). New York: Springer.

Manuskripteingang: 27.05.2017 Manuskript angenommen: 07.08.2017

© 2018 Hogrefe


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Les-Art

In der Vulnerabilitätsdebatte werden zwei Formen unterschieden, die anthropologische Vulnerabilität als conditio humana und die spezifische Vulnerabilität, die sich aus bestimmten Lebensumständen oder -lagen ergibt. Pflegende und Forschende sind aufgefordert, sowohl die anthropologische Vulnerabilität anzuerkennen als auch die spezifische Vulnerabilität zu erkennen, um sie durch ihr Tun nicht zu verstärken. Die Voraussetzungen dazu sind, das Konzept Vulnerabilität zu verstehen. Doch wie die Literatur zeigt, ist die Bestimmung von Vulnerabilität gleicher­ maßen vielfältig wie inkonsistent (Wendler, 2017), sodass sich die Frage stellt, wie damit in der Praxis sinnvoll umgegangen werden kann. Henk ten Have (2016) konstatiert hierzu, dass in der Mainstream-Bioethik Vulnerabilität eine negative Konnotation habe und der Fokus zu sehr auf die Autonomie gerichtet werde. Die anthropologische Vulnerabilität beinhalte die Forderung, füreinander Sorge zu tragen, wodurch eine universale Abhängigkeit entstehe, sodass Vulnerabilität der Regelfall und Autonomie die Ausnahme sei. Eine differenzierte Verwendung des Vulnerabilitätskonzepts erfordere die Betrachtung von mindestens drei Aspekten: einer Bedrohung ausgesetzt sein (exposure), auf eine Bedrohung reagieren (sensitivity) und der Bedrohung begegnen können (adaption). Sensitivität und Adaptionsmöglichkeit fungierten als Unterscheidungsmerkmale zwischen der anthropologischen und der spezifischen Vulnerabilität. Kritisch zu sehen sei, dass sich im forschungsethischen Kontext das Merkmal der Adaption ausschließlich als Mangel an Selbstschutz und nicht als Potenzial oder Ressource findet. David Wendlers (2017) vertritt die Ansicht, dass sich die Forschungsethik in Sachen Vulnerabilität in eine Sackgasse begebe, wenn sie den Schutz von vulnerablen Gruppen in einer weiteren Analyse des Begriffs oder einer allgemeinen Liste von gefährdeten Gruppen suche. Stattdessen müssten Richtlinien entwickelt werden, die differenzieren, welche Individuen und Gruppen in welchem Kontext vulnerable sind, und welche Schritte des Schutzes erforderlich sind. Er schlägt dazu einen Prozess in sieben Schritten vor, mit dem Schwerpunkt der Entwicklung von passenden Schutzmaßnahmen und der Analyse, wann ein Ausschluss aus der Forschung ausgeschlossen, angemessen oder übertrieben ist. Da die Antworten sehr unterschiedlich sein werden, koste diese der Kasuistik entsprechende Vorgehensweise mehr Zeit, schaffe aber auch mehr Sicherheit und im Wissenschaftskontext einen höheren Nutzen.

Adrian Kwek (2017) sieht die Eliminierung gruppenspezifischer Zuschreibungen von Vulnerabilität wiederum kritisch, weil damit die Lücken, die die Prinzipienethik und die Kasuistik aufwiesen, nicht gefüllt würden. Eine gruppenspezifische Zuschreibung sei notwendig, wenn bestimmte Prinzipien in Konflikt gerieten oder paradigmatische Fälle unterbestimmt seien. Er schlägt zur Bestimmung ein dreischrittiges Verfahren vor: 1) Die Auflistung beispielhafter gefährdeter Gruppen, wie z. B. Neugeborene, und die der notwendigen Schutzmaßnahmen. 2) Die Auflistung nicht exemplarisch vulnerabler Gruppen, wie z. B. Gefangene, wie diese identifiziert werden und welche Schutzmaßnahmen sie mitbringen. 3) Die Festlegung von allgemeinen Merkmalen und Grundsätzen, mittels derer andere gefährdete Personen identifiziert werden können. Diese Charakteristika sollten als Leitfaden für die Bestimmung hochgradig kontextbezogener Vulnerabilität dienen. Diese drei Beispiele stehen für eine Vielfalt an Sichtund Vorgehensweisen zur Bestimmung von Vulnerabilität. Was die herrschende Literatur neben der Vielfalt auch zeigt, ist der Mangel an empirischem Fundament zu Konzeptualisierung von Vulnerabilität (Schrems, 2017). Über das erlebte Phänomen Vulnerabilität ist beispielsweise wenig bekannt und so bleibt es ein normatives und schillerndes Konzept, das je nach Bedarf ausgelegt wird.

Literatur Kwek, A. (2017). The indispensability of labelled groups to vulnerability in bioethics. Bioethics, 31(9), 674 − 682. Schrems, B. (2017). Vulnerabilität im Kontext der Pflegeforschung. Ein Essay. Pflege & Gesellschaft, 4, 308 − 321. ten Have, H. (2016). Vulnerability: Challenging Bioethics. London, New York: Routledge. Wendler, D. (2017). A pragmatic analysis of vulnerability in clinical research. Bioethics, 31(7), 515 − 525.

Mag. Dr. Berta M. Schrems, M.A. Privatdozentin der Universität Wien Sozialwissenschaftliche Fakultät Institut für Pflegewissenschaft Alser Strasse 23/12 1080 Wien Österreich berta.schrems@univie.ac.at

© 2018 Hogrefe Pflege (2018), 31 (1), 51 https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000602

Les-Art

Vulnerabilität ODER Wie verletzlich ist der Mensch?


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In eigener Sache

Marianne Müller gibt ihre Funktion als Herausgeberin ab Marianne Müller trat dem Herausgeberteam der Zeitschrift Pflege im März 2011 bei, nachdem sie der Zeitschrift bereits seit 2009 als Statistische Beraterin zur Verfügung gestanden hatte. Mit ihrer Expertise und Fachkompetenz konnte sie in all den Jahren der Zeitschrift wertvolle Dienste erweisen und maßgeblich zu einer qualitativen Steigerung der

­ rtikel beitragen, in denen komplexe statistische Daten A publiziert wurden. Das Herausgeberteam freut sich, dass Frau Müller der Zeitschrift weiterhin als Statistische Beraterin zur Ver­ fügung steht und dankt ihr herzlich für ihre Mitarbeit. Die Herausgeberinnen und Herausgeber

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Pflege (2018), 31 (1), 52 https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000599

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In eigener Sache

Refereetätigkeit 2017 Wir danken den Referees, die im Jahr 2017 für unsere Zeitschrift Manuskripte begutachtet haben. Durch ihre Expertise und unentgeltliche Unterstützung haben die Manuskripte oft maßgeblich an Qualität in der Berichterstattung gewonnen. Gerne übermitteln wir an dieser Stelle auch stellvertretend für die Autorinnen und Autoren der begutachteten Manuskripte deren Rückmeldungen, die sich für die fundierten, kritisch begründeten, aber auch würdigenden und aufbauenden Reviews bedanken. Wir freuen uns auf eine weiterhin gute und konstruktive Zusammenarbeit.

Doris Arnold, Ludwigshafen Gudrun Bauer, Wien Anja Behncke, Lübeck Lut Berben, Basel Thomas Boggatz, Salzburg Katharina Bosshart, Zürich Helga Elisabeth Breimaier, Graz Corinne Brunner, Zürich Hanna Burkhalter, Zürich Andreas Büscher, Osnabrück Martin Dichter, Witten Manuela Eicher, Lausanne Michael Ewers, München Katharina Fierz, Basel, Winterthur Thomas Fischer, Dresden Monika Fliedner, Basel Steffen Fleischer, Halle Irena Anna Frei, Basel Martin R. Fröhlich, Zürich Max Geraedts, Marburg Barbara Grädel-Messerli, Winterthur Monika Habermann, Bremen Sabine Hahn, Bern Margareta Halek, Witten Wolfgang Hasemann, Basel Daniela Hayder, Schriesheim Evelyn Huber, Zürich Manfred Hülsken-Giesler, Vallendar Patrick Jahn, Halle (Saale)

Brigitte Jenull, Klagenfurt Susan Kean, Edinburgh Michael Kleinknecht-Dolf, Zürich Martin Knoll, München Antje Koller, Wien Anne-Dörte Latteck, Bielefeld Christiane Luderer, Halle (Saale) Franco Mantovan, Bozen / Bolzano Tanja Manser, Bonn Herbert Mayer, Witten Ralph Möhler, Freiburg i. Br. Elsbeth Müller-Kaegi, Zürich Gabriele Müller-Mundt, Hannover Rahel Naef, Zürich Martin Nagl-Cupal, Wien Nadja Nestler, Salzburg Sabine Ursula Nover, Vallendar Rebecca Palm, Witten Heidi Petry, Zürich Sabine Pleschberger, Wien Manuela Pretto, Basel Franziska Rabenschlag, Zürich Josephine Reiche, Halle (Saale) Horst Rettke, Zürich Bernd Reuschenbach, München Iris L. Schaefer, Bern Bianca Schaffert-Witvliet, Schlieren Michael Schilder, Darmstadt Wilfried Schnepp, Witten Susanne Schoppmann, Basel Michael Schultz, Bielefeld Natascha Schütz-Hämmerli, Basel Brigitte Seliner, Zürich Erika Sirsch, Vallendar Elisabeth Spichiger, Bern, Basel Renate Stemmer, Mainz Gaby Stoffel, Zürich Antje Tannen, Berlin Doris Wilborn, Hamburg Maya Zumstein-Shaha, Bern Matthias Zuendel, Bremen

© 2018 Hogrefe Pflege (2018), 31 (1), 53 https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000598


Aktuelle Sachbücher und Ratgeber Claudia Clos

Gesund im Job So stärken Sie Ihre körperliche und psychische Gesundheit am Arbeitsplatz 2016. 208 S., 21 Abb., 2 Tab., Kt € 19,95 / CHF 26.90 ISBN 978-3-456-85578-3 Auch als eBook erhältlich

Mit Fokus auf die Ressourcenaktivierung gibt Claudia Clos in diesem kompakten Ratgeber praktische und konkrete Tipps, wie Berufstätige ihren Arbeitsalltag bewusst aktiv gestalten können, um zu mehr körperlicher und psychischer Gesundheit am Arbeitsplatz zu gelangen.

Die vergessene Klugheit Wie Normen uns am Denken hindern 2016. 272 S., Gb € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85239-3 Auch als eBook erhältlich

Trotz Ausbildung und Renommee leiden wir in gewissen Situationen unter einer eklatanten Denkschwäche. Allan Guggenbühl geht im vorliegenden Buch den Handlungen auf den Grund, die aus nüchterner Perspektive nicht nachvollziehbar sind – und unsere Intelligenz, Kompetenzen und unseren Ausbildungsgrad in Frage stellen.

Manfred Ruoss

Marti Olsen Laney

Die Psychologie des Bergsteigens

Der andere Weg zu Glück und Erfolg

2., überarb. u. erg. Aufl. 2017. 304 S., Gb € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85668-1 Auch als eBook erhältlich

Übersetzt von Karsten Petersen. 2., unveränd. Aufl. 2016. 304 S., Gb € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85602-5

Zwischen Flow und Narzissmus

Die psychologische Analyse der Bergsehnsucht – vom Freizeitwanderer bis zum Extremkletterer: Was treibt die Menschen wirklich an, auf hohe Berge zu steigen? Die zweite Auflage wurde überarbeitet und um ein Doppelporträt der polnischen Extrembergsteiger Wanda Rutkiewicz und Jerzy Kukuczka ergänzt.

www.hogrefe.com

Allan Guggenbühl

Die Macht der Introvertierten

Marti Olsen Laney ist Psychologin und Expertin für Introversion. In diesem Ratgeber klärt sie darüber auf, was es heißt introvertiert zu sein, und zeigt mit vielen praktischen Tipps für alle Lebenslagen, wie Sie als introvertierter Mensch erfolgreicher und glücklicher leben können.


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Buchbesprechungen

Klaus Schäfer, Vom Koma zum Hirntod: Pflege und ­Begleitung auf der Intensivstation Aus der Reihe Pflegepraxis, 2017, Kohlhammer, Stuttgart, 1. Auflage, 252 Seiten, € 35.00 (ISBN: 978 – 31 – 70330887) Das Buch wendet sich in erster Linie an Fachkräfte der Gesundheits- und Krankenpflege, nichtärztliche Therapeuten und Mitarbeiter der Intensivstationen, die regelmässig Komapatienten betreuen und mit dem Thema Hirntod konfrontiert sind. Das Buch gliedert sich in vier Teile. Nach Darstellung allgemeiner Aspekte zu Koma und Hirntod im ersten Teil folgt ein Kapitel über den „Komapatienten“. Hier wird das Grundwissen über Komaursachen und -tiefen, künstliches Koma und spezielle neurologische Krankheitsbilder sowie Grundsätzliches zur Pflege des Komapatienten vermittelt. Das dritte Kapitel ist mit „der Hirntote“ überschrieben. Der Autor geht dabei auf das Grundwissen über den Hirntod, seine Historie, die Durchführung der Hirntoddiagnostik und deren Besonderheiten in anderen Ländern näher ein. Eingeflossen sind hier Ausführungen zum Todeszeitpunkt und zum pathophysiologischen Konzept. Es werden dabei auch weit verbreitete Halb- und Unwahrheiten über den Hirntod, mögliche Fehldiagnosen, sprachliche Unkorrektheiten und die Würde des Hirntoten zur Sprache gebracht. Besonders anschaulich werden die Wege des verstorbenen Patienten nach dem festgestellten Hirntod bei vorliegender Schwangerschaft, Zustimmung zu einer Organ- und Gewebespende oder bei Beendigung der Therapie dargestellt. Der vierte Teil widmet sich der Kommunikation und Seelsorge mit Betonung auf das Gespräch mit den Angehörigen und Hinterbliebenen. Es folgen Stellungnahmen der grossen Religionen (Christentum, Islam, Judentum, Buddhismus und Hinduismus) und Hinweise zum Thema „hirntote Kinder“, das immer eine existentielle Erschütterung für die Eltern und weiteren Hinterbliebene sowie auch für das Team der Intensivstation darstellt. Auch der Umgang mit Grenzen und das Erleben des therapeutischen Scheiterns werden nicht ausgespart. Im Anhang sind zum raschen Auffinden Informationen, Adressen und Links sowie die gemeinsame Erklärung der verschiedenen Fachdisziplinen angefügt, ergänzt von einer Checkliste zur Gesprächsführung. Die Stärke des Buches liegt in seiner ganzheitlichen Sicht auf den Patienten, von der Phase der Erkrankung mit

Koma bis zum Eintritt des Hirntodes und einer möglichen Organspende. Dass der Autor vom Beruf kein Arzt ist, sondern Krankenhaus-Seelsorger, der über viele Jahre Patienten, Angehörige und Hinterbliebene seelsorgerlich betreut hat, ist von Vorteil. Der Autor kann weit über rein medizinische Sachverhalte hinausgehen und Themenbereiche wie Unsicherheiten, Zweifel und verständliche Schwierigkeiten der Angehörigen und Hinterbliebenen aufgreifen. Sachlich und unaufgeregt wird der derzeitige Wissensstand dargestellt, der ja seit den 50er Jahren von ausserordentlicher Konstanz ist. Eingeflochten sind dabei Informationen zu Hirntoddiagnostik in Österreich, der Schweiz und anderen Ländern, medizinhistorische Meilensteine in dieser Thematik sowie auch der Themenpunkt „Fortführung einer Schwangerschaft bei einer hirntoten Patientin“. Von Nutzen sind auch die Ausführungen zu den religiösen und seelsorgerischen Sichtweisen der verschiedenen grossen Religionen und ihre grundsätzlichen Haltungen zum Thema Hirntod. Der sprachliche Ductus ist gut verständlich, Fachbegriffe werden hinreichend erklärt. Was mit dem Patienten geschieht, ist für den Leser nachvollziehbar und mitgehbar. Dass es in der 1. Auflage zu einigen kleineren medizinischen Unschärfen gekommen ist, ist verzeihlich. Diese können mühelos in einer weiteren Auflage korrigiert werden. Dass manche Punkte in einzelnen Kapiteln wiederholt angesprochen werden, ist für den Leser nur von Vorteil, es dient der Wiederholung und Festigung des Wissens. Insgesamt ist das Buch eine gelungene Abhandlung zum Thema „Hirntod“, das neben dem medizinischen Wissen auf die vielen Verknüpfungen um das Thema Hirntod herum ausführlich eingeht. Es kann den Fachkräften der Gesundheits- und Krankenpflege sowie den nichtärztlichen Mitarbeitern der Intensivstationen, die regelmässig in die Behandlung von Patienten mit Koma und der Frage nach der „Feststellung des Hirntodes“ eingebunden sind, uneingeschränkt empfohlen werden.

Prof. Dr. med. Josef G. Heckmann Klinik Landshut, Neurologie, Stroke Centre Robert-Koch-Str. 1 84034 Landshut Deutschland neurologie@klinikum-landshut.de

© 2018 Hogrefe Pflege (2018), 31 (1), 55 https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000601


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Kongresskalender

März

April

2. – 3. März Universität Trier

19. – 20. April FHS St. Gallen

Best of Bachelor – Best of Master

Forschungswelten 2018: 9. Internationaler wissenschaftlicher Kongress für Pflegeund Gesundheitsforschung

Ansprechpartner: Prof. Dr. a. D. Dr. Andreas Lauterbach Forschungswelten 2017 Raun 21 63667 Nidda Deutschland www.forschungswelten.info

21. März Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt, Berlin

Pflege in Berlin: Das hat der neue Senat im ersten Jahr erreicht mit Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung: Dilek Kolat Auskunft und Anmeldung: Deutsches Pflege Forum Prof. Dr. Reinhold Roski HTW Berlin, Fachbereich 4 – Wirtschaftswissenschaften Campus Wilhelminenhof Wilhelminenhofstrasse 75A 12549 Berlin Deutschland Tel. (+ 49) (0)30 50 19 2485 reinhold.roski@htw-berlin.de www.deutschespflegeforum.de

22. März Bern

Vielfalt leben – Offenheit erhalten. Multiperspektivität und Interdisziplinarität in Pflege – Praxis – Wissenschaft Programm und Informationen: http://www.forschungswelten.info/programm/ Franziska Reuther, Content Management Verlag hpsmedia Raun 21 63667 Nidda Deutschland Tel.: (+ 49) (0) 6402/7082 – 663 cm@hpsmedia.info

20. – 21. April Kartause Ittingen, Warth bei Frauenfeld, Schweiz

21. Internationales deso-Seminar Palliativbetreuung von Tumorkranken Kontakt: Fabienne Hevi, Conference Manager St. Gallen Oncology Conferences (SONK), Deutschsprachig-Europäische Schule für Onkologie (deso) Rorschacherstr. 150 9006 St. Gallen Schweiz Tel.: + 41 (0)71 243 00 32 www.oncoconferences.ch

20. Schweizer Onkologiepflege-Kongress Mit Inspiration und Zuversicht in die Zukunft Auskunft und Anmeldung: Onkologiepflege Schweiz Sylvia Spengler-Mettler, Geschäftsführerin Hirstigstr. 13 8451 Kleinandelfingen Schweiz Tel. (+ 41) (0)52 301 21 89 www.onkologiepflege.ch info@onkologiepflege.ch

Pflege (2018), 31 (1), 56 https://doi.org/10.1024/1012-5302/a000600

© 2018 Hogrefe


Pflegeklassifikationen – NANDA, NIC & NOC Maria Müller Staub / Kurt Schalek / Peter König (Hrsg.)

Pflegeklassifikationen Anwendung in Praxis, Bildung und elektronischer Pflegedokumentation 2016. 416 S., 59 Abb., 34 Tab., Kt € 49,95 / CHF 65.00 ISBN 978-3-456-85492-2 Auch als eBook erhältlich Das Grundlagenwerk über Pflegeklassifikationen und pflegerische Begriffssysteme führt in die Begriffssysteme in der Pflege ein, zeichnet deren historische Entwicklung nach und erläutert deren Grundbegriffe und Konstruktionsprinzipien. Verständlich werden Definitionen und Arten von Ordnungssystemen erklärt, ihre Funktion beschrieben und Referenzklassifikationen für Pflegediagnosen (NANDA), Pflegeinterventionen (NIC) und Pflegeergebnisse (NOC) angeführt.

Gloria M. Bulechek et al. (Hrsg.)

Pflegeinterventionsklassifikation (NIC)

Deutsche Ausgabe herausgegeben von Widmer Rudolf. Übersetzt von Michael Herrmann / Ute Villwock / Rudolf Widmer / Jürgen Georg. 2015. 1120 S., 4 Abb., 1 Tab., Gb € 79,95 / CHF 99.00 ISBN 978-3-456-83298-2 Alles was Pflegende tun – beschrieben, definiert, standardisiert, kodiert und klassifiziert in einem einzigartigen Werk. NIC bietet • 554 Pflegeinterventionen mit über 10000 Pflegeaktivitäten • Verknüpfungslisten von NANDA-I-Pflegediagnosen mit NIC-Pflegeinterventionen • Schlüsselinterventionen für 49 Pflegefachbereiche von Anästhesiepflege bis hin zur Transplantationspflege • Angaben zum Zeitaufwand und Grade-Skill-Mix für einzelne Interventionen.

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Marilynn E. Doenges / Mary Frances Moorhouse / Alice C. Murr

Pflegediagnosen und Pflegemaßnahmen Dt. Ausgabe herausgegeben von Maria Müller Staub / Jürgen Georg / Christoph Abderhalden. 5., überarb. u. erw. Aufl. 2014. 1218 S., 22 Abb., 5 Tab., Gb € 64,95 / CHF 89.00 ISBN 978-3-456-85449-6 Das praktische und erfolgreichste Handbuch zur Pflegeplanung hilft Pflegenden, Merkmale und Ursachen von Pflegediagnosen zu erkennen, Daten des Pflegeassessments zu ordnen und Pflegediagnosen mit einheitlichen Begriffen zu benennen. Es bietet begründete Pflegemaßnahmen und -interventionen und gibt Hinweise zur Patientenedukation und Entlassungsplanung.

Sue Moorhead et al.

Pflegeergebnisklassifikation (NOC) Übersetzt von Michael Herrmann. 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl. 2013. 1406 S., 17 Abb., 16 Tab., Gb € 69,95 / CHF 95.00 ISBN 978-3-456-85166-2

Wie kann die Pflege zeigen, zu welchen Behandlungsergebnissen sie beim Patienten beiträgt? Die Pflegeergebnisklassifikation (NOC) erleichtert es praktizierenden, leitenden und lehrenden Pflegenden, Pflegeziele und pflegerisch beeinflussbare Patientenergebnisse zu formulieren, zu lehren, zu messen und zu bewerten. Dazu bietet NOC eine standardisierte Fachsprache und Messinstrumente.


Das Pflegefachbuch zum wissenschaftlichen Arbeiten

Eva-Maria Panfil (Hrsg.)

Wissenschaftliches Arbeiten in der Pflege Lehr- und Arbeitsbuch für Pflegende 3., vollst. überarb. u. erw. Aufl. 2017. 492 S., 27 Abb., 45 Tab., Kt € 39,95 / CHF 48.50 ISBN 978-3-456-85832-6 Auch als eBook erhältlich

Eva-Maria Panfil (Hrsg.)

Wissenschaftliches Arbeiten in der Pflege Lehr- und Arbeitsbuch für Pflegende 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

Das erfolgreiche Lehr- und Arbeitsbuch hat sich innerhalb kürzester Zeit als Standardwerk etabliert. Es fasst alle relevanten Informationen über wissenschaftliches Arbeiten für Pflegende kurz und konkret zusammen. Verständlich wird erklärt, was wissenschaftliches Arbeiten in der Pflege bedeutet, mit welchen Techniken gearbeitet wird und welche Produkte als Ergebnis wissenschaftlichen Arbeitens entstehen.

07.09.17 15:48

Neben einer Einführung in wissenschaftliches Arbeiten beschreiben die AutorInnen konkret, wie man kritisch denkt, englische

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Texte liest, gut zuhört, effektiv mitschreibt, klug fragt, klar argumentiert, gewinnend referiert, auf den Punkt zusammenfasst, anschaulich visualisiert, effektiv Literatur recherchiert, bibliografiert und verwaltet, korrekt zitiert und verständlich schreibt. Als Produkte wissenschaftlichen Arbeitens zeigen die AutorInnen, wie man Themen findet, ein Exposee oder einen Projektplan schreibt, ein wissenschaftliches Manuskript verfasst, einen Artikel einreicht, ein Buch rezensiert, einen Vortrag hält, ein Poster präsentiert sowie Hausund Abschlussarbeiten verfasst.


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