Leseprobe PPP 2018

Jahrgang 65 / Heft 1 / 2017

Geschäftsführender Herausgeber Franz Petermann Herausgeber Harald J. Freyberger Alexandra Philipsen Erich Seifritz Rolf-Dieter Stieglitz

Zeitschrift für

Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie Themenschwerpunkt Computational Psychiatry

Theorie und Praxis der Systemtheorie

Norbert Bischof

Struktur und Bedeutung Einführung in die Systemtheorie 3., vollständig überarb. u. erweiterte Aufl. 2016.

664 S., 402 Abb., 12 Tab., Gb € 49,95 / CHF 65.00 ISBN 978-3-456-85225-6

Seit Langem ist es ein Anliegen der Psychologie, ihre Aussagen zu formalisieren. Gesucht wird eine Mathematik, die nicht, wie die Statistik, in erster Linie Daten aufbereiten hilft, sondern als echtes Medium der Theoriebildung taugt. In dieser Hinsicht kann bislang die Systemtheorie die beste Erfolgsbilanz aufweisen. An die aber trauen sich die wenigsten Psychologen heran.

Das vorliegende Lehrbuch setzt sich zur Aufgabe, ihnen Mut zu machen. Es ist didaktisch konzipiert und bevorzugt Anschaulichkeit vor formaler Abstraktion; es verwendet nach Möglichkeit nicht technische, sondern psychologische und biologische Beispiele; es setzt nur Abiturmathematik voraus, führt aber auch an anspruchsvollere Problemstellungen heran.

Vor allem aber möchte das Lehrbuch nicht nur ein passives Verständnis der Systemtheorie, sondern die Kompetenz vermitteln, das erlernte Handwerkszeug auch aktiv zur

www.hogrefe.com

Lösung anstehender Forschungsprobleme einzusetzen und überhaupt im neuen Medium kreativ zu denken.

Für die dritte Auflage wurden alle Kapitel überarbeitet. Neu hinzugekommen sind unter anderem • eine Diskussion der Gründe, warum die kybernetische Herangehensweise für die wissenschaftliche Psychologie interessant, wenn nicht sogar unverzichtbar ist • die Bereinigung modischer Missverständnisse, die sich mit den Begriffen Systemtheorie und Kybernetik verbinden • eine vergleichende Gegenüberstellung von Kybernetik und Synergetik • eine ausführliche Darstellung des Zürcher Modells der sozialen Motivation.

Applikationen mit begleitendem Demonstrations- und Übungsmaterial sind im Internet abrufbar.

Zeitschrift für

Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie 65. Jahrgang / Heft 1 / 2017

Themenheft Computational Psychiatry Geschäftsführender Herausgeber Franz Petermann Herausgeber Harald J. Freyberger Alexandra Philipsen Erich Seifritz Rolf-Dieter Stieglitz

Geschäftsführender Herausgeber

Prof. Dr. Franz Petermann, Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen, Grazer Straße 2 und 6, 28359 Bremen, Tel. +49 (0) 421 218-68601 (Sekr.), -68600 (direkt), fpeterm@uni-bremen.de

Herausgeber

Prof. Dr. H. J. Freyberger, Greifswald Prof. Dr. Alexandra Philipsen, Oldenburg Prof. Dr. Erich Seifritz, Zürich Prof. Dr. Rolf-Dieter Stieglitz, Basel

Redaktion

Dr. Ulrike de Vries, Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation ZKPR, Universität Bremen, Grazer Straße 6, 28359 Bremen, Tel. +49 (0) 421 218-68612, udevries@uni-bremen.de

Beirat

Prof. Dr. Martin Bohus, Mannheim

Prof. Dr. Norbert Kathmann, Berlin

Prof. Dr. Heinz Böker, Zürich

Prof. Dr. Klaus Lieb, Mainz

Prof. Dr. Elmar Brähler, Leipzig

Prof. Dr. Jürgen Margraf, Bochum

Prof. Dr. Franz Caspar, Bern

Prof. Dr. Hans J. Markowitsch, Bielefeld

Prof. Dr. Ulrike Ehlert, Zürich

Prof. Dr. Simone Munsch, Freiburg (Schweiz)

Prof. Dr. Jörg M. Fegert, Ulm

Prof. Dr. Michael Rösler, Homburg/Saar

Prof. Dr. Hans Förstl, München

Prof. Dr. Dr. Wolfgang Schneider, Rostock

Prof. Dr. Wolfgang Gaebel, Düsseldorf

Prof. Dr. Ulrich Schnyder, Zürich

Prof. Dr. Peter Henningsen, München

Prof. Dr. Carsten Spitzer, Göttingen

Prof. Dr. Wolfgang Hiller, Mainz

Prof. Dr. Bernhard Strauß, Jena

Prof. Dr. Fritz Hohagen, Lübeck

Prof. Dr. Claus W. Wallesch, Elzach

Prof. Dr. Lutz Jäncke, Zürich

Prof. Dr. Martina de Zwaan, Hannover

Verlag

Hogrefe AG, Länggass-Strasse 76, Postfach, 3000 Bern 9, Schweiz, Tel. +41 (0) 31 300 45 00, verlag@hogrefe.ch, www.hogrefe.com

Anzeigen

Josef Nietlispach, Hogrefe AG, Länggass-Strasse 76, Postfach, 3000 Bern 9, Schweiz, Tel. +41 (0) 31 300 45 69, josef.nietlispach@hogrefe.ch

Satz & Druck

AZ Druck und Datentechnik GmbH, 87437 Kempten

Umschlagfoto

© Kelly J. Hall / istockphoto.com

Erscheinungsweise

vierteljährlich

Indexierung

Social Sciences Citation Index, Social Scisearch, Current Contents/Social and Behavioral Sciences, Journal Citation Reports/Social Sciences Edition, EMBASE, PsycINFO, IBZ, IBR, Europ. Reference List for the Humanities (ERIH) und Scopus

Bezugsbedingungen

Jahresabonnement: Institute: CHF 393.– / € 306.– Private: CHF 158.– / € 117.– Porto und Versandgebühren: Schweiz: CHF 14.– Europa: € 13.– übrige Länder: CHF 26.– Einzelheft: CHF 72.50 / € 53.50 (+ Porto und Versandgebühren) Unverbindliche Preisempfehlung Abbestellungen spätestens zwei Monate vor Ablauf des Abonnements.

Elektronischer Volltext

www.econtent.hogrefe.com/toc/ppp/current

ISSN-L 1661-4747 ISSN 1661-4747 (Print) ISSN 1664-2929 (online)

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1)

© 2017 Hogrefe

Inhalt

Editorial

Computational Psychiatry

5

Erich Seifritz und Gregor Hasler Themenschwerpunkt

Hat Computational Psychiatry Relevanz für die klinische Praxis der Psychiatrie?

9

Klaas Enno Stephan, Jakob Siemerkus, Martin Bischof und Helene Haker Computational Psychiatry

21

Quentin J. M. Huys Komputationale Modelle in der psychiatrischen Forschung

27

Andreas Heinz, Florian Schlagenhauf, Lea Mascarell Maricic und Laura S. Daedelow Das Negativsymptom Apathie – eine Folge dysfunktionaler Entscheidungsfindung?

37

Stefan Kaiser, Matthias Hartmann-Riemer und Philippe N. Tobler Verwendung ökonomischer Spiele für die Diagnostik psychischer Erkrankungen

45

Aleksandra Kupferberg, Nora Preuss und Gregor Hasler Computationale und kognitive Ansätze für die Therapieentwicklung bei Depressionen

55

David E. J. Linden Klinische Untersuchungsverfahren

Fragebogen zu Ressourcen im Kindes- und Jugendalter (FRKJ 8–16)

Buchbesprechung

Diagnostische Verfahren in der Psychotherapie

61

Franz Petermann 63

Franz Petermann Kongresskalender

© 2017 Hogrefe

65

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 3

NAB Neuropsychological Assessment Battery Franz Petermann / Lutz Jäncke / Hans-Christian Waldmann Unter Mitarbeit von Mona Bornschlegl Deutschsprachige Adaptation der Neuropsychological Assessment Battery (NAB) von Robert A. Stern und Travis White Test komplett Bestehend aus: 6 Modulen und Video-Tutorial-DVD* Best.-Nr. 03 203 01 € 1890,00 / CHF 2305.00 Modul Screening Best.-Nr. 03 203 02 € 484,00 / CHF 590.00 Modul Aufmerksamkeit Best.-Nr. 03 203 03 € 342,00 / CHF 417.00

Die NAB ist eine umfangreiche Testbatterie für die neuropsychologische Diagnostik. Sie findet primär in der klinischen Neuropsychologie bei Erwachsenen Verwendung. In der Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten ist die NAB erprobt für den Einsatz in den Reha-Phasen B, C und D und kann auch bei spezifischen Fragestellungen in der klinischen Psychologie und Psychiatrie eingesetzt werden. Ebenso eignet sich die NAB als Messinstrument in der Fahreignungsdiagnostik, der Forschung zur kognitiven Entwicklung im Erwachsenenalter sowie bei gerontopsychologischen Fragestellungen.

Alle Aufgaben der deutschsprachigen NAB wurden gemeinsam auf Basis einer Stichprobe von N = 880 Erwachsenen standardisiert.

Zwei parallele Testformen der NAB ermöglichen Verlaufskontrollen (Eingangs- und Abschluss-Diagnostik).

Jedes der sechs NAB-Module kann unabhängig von den anderen Modulen angewendet werden.

www.hogrefe.com

Die NAB besteht aus sechs Modulen. Das Modul Screening erlaubt dem Untersucher zunächst eine effiziente Planung der tiefergehenden Diagnostik mit den Hauptmodulen der NAB. Die fünf Hauptmodule decken unterschiedliche Bereiche der psychologischen Diagnostik ab: ŋ Aufmerksamkeit ŋ Sprache ŋ Gedächtnis ŋ Wahrnehmung ŋ Exekutive Funktionen

Modul Sprache Best.-Nr. 03 203 04 € 326,00 / CHF 398.00 Modul Wahrnehmung Best.-Nr. 03 203 05 € 330,00 / CHF 403.00 Modul Gedächtnis Best.-Nr. 03 203 06 € 384,00 / CHF 469.00 Modul Exekutive Funktionen Best.-Nr. 03 203 07 € 238,00 / CHF 290.00 Elektronische Auswertung Best.-Nr. H5 283 70 € 198,00 / CHF 240.00 Elektronische Auswertung Screening Best.-Nr. H5 283 80 € 78,00 / CHF 95.00

* Einführungsangebot (gültig bis September 2017): Bei Kauf eines Test komplett erhalten Sie die elektronischen Auswertungsprogramme kostenlos.

Editorial

Computational Psychiatry Erich Seifritz1 und Gregor Hasler2 1 2

Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Schweiz Abteilung für Molekulare Psychiatrie, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Bern, Schweiz

Zusammenfassung: Neben der klassischen klinischen und präklinischen Forschung und der gegenseitigen Translation hat sich in den letzten Jahren ein innovativer neuer Forschungsansatz, die ‚Komputationale Psychiatrie‘ etabliert. Sie hat das Ziel, einen wissenschaftlichen Rahmen zu schaffen, um multidimensionale molekulare, zelluläre und systemische sowie psychologische und soziale Faktoren in mathematisch fundierten Modellen zu integrieren. Komputationale Ansätze versprechen Fortschritte in dem ätiologischen und pathophysiologischen Verständnis psychischer Erkrankungen und, davon abgeleitet, evidenzbasierte Grundlagen für diagnostische Klassifikationssysteme, welche die dimensionalen Eigenschaften abbilden sowie für personalisierte Therapien.

Schlüsselwörter: computational neuroscience, Lernen, molekulare Basis der Psychopathologie, personalisierte Psychiatrie, psychiatrische Klassifikation, translational neuromodeling Abstract: Besides of conventional clinical and preclinical research and the mutual translation thereof, ‘Computational Psychiatry’ has emerged as an innovative novel research strategy in recent years. Its goal is to establish a scientific framework to integrate multidimensional molecular, cellular and systemic as well as psychological and social factors using advanced mathematical models. Computational approaches promise progress in the etiological and pathophysiological understanding of psychiatric disorders and, as a consequence, the formation of evidence based diagnostic classification systems which finally consider the dimensional nature of psychiatric disorders and, thus, can set the basis for personalized therapies.

Keywords: computational neuroscience, learning, molecular basis of psychopathology, personalized psychiatry, psychiatric classification, translational neuromodeling

Die wissenschaftliche Forschung für die Entwicklung wirksamerer Therapien und effizienterer präventiver Massnahmen in der Psychiatrie und Psychotherapie ist mit einer grossen Anzahl unterschiedlicher Problembereiche konfrontiert, welche der Komplexität dieser Erkrankungen geschuldet sind. Es gibt wohl kein anderes medizinisches Fach, bei welchem die bio-psycho-sozialen Interaktionen annähernd stark miteinander verzahnt sind wie in der Psychiatrie. Psychische Störungen fächern sich über ein mehrdimensionales Kontinuum mit bis heute nicht klar definierten Grenzen zwischen gesund und krank, zwischen unterschiedlichen Krankheitsgruppen und Komorbiditäten sowie zwischen Anlage- und Umwelt-bedingten Ursachen und Pathophysiologien auf. Die psychiatrische Diagnostik beruht zudem immer noch praktisch ausschliesslich auf weitgehend subjektiven rein klinischen und damit ‹weichen› Kriterien, welche die Krankheitsbilder im Quer- und Längsschnitt beschreiben. Obwohl die neurobiologischen Grundlagen psychischer Erkrankungen intensiv erforscht werden – mittels modernsten neurowissenschaftlichen, psychologischen und soziologischen Methoden – und ein beeindruckendes Wissen über einzelne Veränderungen gesammelt werden konnte, ist es immer noch nicht gelungen, © 2017 Hogrefe

psychische Krankheiten reliabel mittels qualitativen und quantitativen Markern zu beschreiben. Diese wären notwendig für die robuste Diagnostik, die erfolgreiche differentielle Therapie und für die nachhaltige Prognose.

Die aktuelle psychiatrische Forschung ist nach wie vor stark deskriptiv ausgerichtet und es fehlen ihr prüfbare, theoretische Modelle. Neben der klassischen klinischen und präklinischen Forschung und der Translation zwischen den beiden hat sich in den letzten Jahren ein innovativer Forschungsansatz, die Komputationale Psychiatrie etabliert. Sie hat das Ziel, einen wissenschaftlichen Rahmen zu schaffen, um multidimensionale molekulare, zelluläre und systemische sowie psychologische und soziale Faktoren in mathematisch fundierten Modellen zu integrieren. Damit soll sie dazu beitragen, unserem Fach eine theoretische Grundlage und wissenschaftliche Stringenz zu verleihen. Diese sind Voraussetzung dafür, dass ein mechanistisches Verständnis über die Pathophysiologie psychiatrischer Krankheiten gewonnen werden kann. Ein solches ist die Grundlage für die Entwicklung von rational begründeten, ‚präzisen‘ Therapieansätzen, welche sich auf spezifische Krankheitsprozesse beziehen. Komputationale Algorithmen haben in diesem Sinne das Potential,

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 5–7 DOI 10.1024/1661-4747/a000295

6

aufgrund nicht-invasiver biologischer, psychologischer und sozialer Messungen, indidviduelle krankheitsrelevante Veränderungen zu erfassen, nutzbare ‚Therapietargets‘ zu identifizieren und letztlich die ‚stratifizierte‘ Psychiatrie – ‚Precision Medicine‘ – voranzutreiben. Das Potential, dass der komputationale methodische Ansatz klinisch nützliche Erkenntnisse liefern kann, ist gross. Jedoch ist auch eine gewisse (hoffnungsvolle) Vorsicht angebracht und klinische Ergebnisse bleiben abzuwarten.

Aufgrund der Bedeutung des komputationalen Ansatzes in der Psychiatrie haben wir diese Sondernummer zusammengestellt. Mit den Beiträgen führender Vertreter und Vertreterinnen des Gebiets wollen wir die wichtigsten Bereiche abdecken und folgende Fragen beantworten: was ist komputationale Psychiatrie, und welche potentielle Bedeutung hat sie für die Grundlagen-, die klinische und die translationale Forschung, die individualisiserte Diagnostik sowie die personalisiserte Therapieentwicklung in der Psychiatrie und Psychotherapie. Im Übersichtsbeitrag von Stephan, Siemerkus, Bischof und Haker (2016) werden die Konzepte der Komputationalen Psychiatrie vorstellt und zusammengefasst und deren Potential für die translationale Forschung, die klinische Diagnositk sowie für die Therapie zusammengestellt. Er setzt den Rahmen, in welchem sich die folgenden Arbeiten bewegen. Huys (2016) geht vertieft in die Modellierung von innerpsychischen Vorgängen am Beispiel von Lernprozessen ein und zeigt auf, wie mittels Komputationaler Psychiatrie Rückschlüsse auf zugrundeliegende molekulare Vorgänge, bspw. Ionenkanalstörungen, gezogen werden können. Auf einer anderen Skala zeigt er auf, wie Komputationale Psychiatrie und maschinelles Lernen eingesetzt werden können, um auf ‚Big Data‘ basierende Informationen für psychiatrische Fragestellungen zu nutzen. Heinz, Schlagenhauf, Mascarell Maricic und Daedelow (2016) zeigen auf, wie Komputationale Psychiatrie konkretes menschliches Entscheidungsverhalten in bestimmten experimentellen Umgebungen erfasst und qualitativ und quantitativ beschrieben und mit neurobiologischen Grundlagen in Verbindung gebracht werden kann. Auch diese Autoren wenden komputationale psychiatrische Methoden an, um Entscheidungsverhalten und Lernvorgänge mit molekularen – speziell dopaminergen – Prozessen in Verbindung zu bringen. Besonders interessant sind die translationalen Experimente, welche Beobachtungen im Tiermodell und beim Menschen in Verbindung bringen. Im Beitrag von Kaiser, HartmannRiemer und Tobler (2016) wird aufgezeigt, wie komputationale Methoden in Verbindung mit Verhaltensexperimenten, welche verschiedene Phasen menschlicher Entscheidungsprozesse erfassen, psychopathologische Phänomene beschreiben können. Sie versuchen, empirisch testbare Verhaltensänderungen in quantitativ messbare Biomarker zu transformieren, ganz im Sinne der diagnosenübergreifenden Beschreibung psychischer Störungen. In ihren klinischen

E. Seifritz & G. Hasler: Computational Psychiatry

Studien mit Schizophrenie Patienten konnten sie die Apathie, eine zentrale und besonders beeinträchtigende Dimension von psychotischen Negativsymptomen, auf zugrundeliegende psychologische Prozesse herunterbrechen und damit spezifische Ansatzpunkte für therapeutische Interventionen, pharmakologische und psychotherapeutische, identifizieren. Kupferberg, Preuss und Hasler (2016) wenden innovative ökonomische Spieltheorien an, um Entscheidungsprozesse in experimentellen Testverfahren abzubilden und damit psychische Störungen zu charakterisieren.

Abweichungen im Sozialverhalten werden mittels komputationalen mathematischen Modellen analysiert und es wird damit versucht, Biomarker für störungsspezifische Endophänotypen zu identifizieren, welche für Diagnostik, Verlaufsprognostik und personalisierte Therapieansätze relevant sind. Die Autoren stellen erste klinische Befunde vor und zeigen auf, dass etwa Borderline Persönlichkeitsstörungen mit verändertem Vertrauens-, Kooperations- und Bestrafungsverhalten assoziiert sind, dass bei Autismus eine veränderte Wechselwirkung zwischen Belohnungsverhalten und sozialer Kontrolle und dass bei Depressionen eine Vermeidung von kompetitiven Verhaltensweisen vorliegen. In einem weiteren Schritt werden dann die psychopathologiespezifischen Veränderungen, umschrieben mit komputationalen Analysemethoden, mittels funktioneller Bildgebung mit neuralen Prozessen in Verbindung gebracht.

Als Abschluss dieses Themenhefts beschreibt Linden (2016) am Beispiel der Depression, wie mit komputationalen Berechnungen kognitive Modelle der Psychopathologie und des dysfunktionalen Verhaltens erfasst werden können. Die erhöhte Aufmerksamkeit auf negative Informationen und die bevorzugte Erinnerung negativer Ereignisse erzeugen bei depressiven Patienten einen Teufelskreis bestehend aus negativer Stimmung, Pessimismus und Anhädonie. Diese pathologischen kognitiven Schemen stellen einen zentralen Ansatzpunkt für spezifische, d. h. personalisierte, psychotherapeutische Interventionen dar. Die komputationale Entscheidungstheorie erfasst diese ‚negative bias‘ und setzt sie in Beziehung zu Veranlagung für sowie Früherkennung von Depressionen und setzt somit Grundlagen für innovative Therapieansätze, bspw. Computer gestützte ‚cognitive bias modification‘ oder etwa Neurofeedback Methoden.

Erich Seifritz und Gregor Hasler

Literatur Heinz, A., Schlagenhauf, F., Mascarell Maricic, L. & Daedelow, L.S. (2016). Komputationale Modelle in der psychiatrischen Forschung. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 65, 27–36.

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 5–7

© 2017 Hogrefe

E. Seifritz & G. Hasler: Computational Psychiatry

7

Huys, Q. J. M. (2016). Komputationale Psychiatrie. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 65, 21–26.

Kaiser, S., Hartmann-Riemer, M. & Tobler, P. N. (2016). Das Negativsymptom Apathie – Eine Folge dysfunktionaler Entscheidungsfindung? Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 65, 37–43.

Kupferberg, A., Preuss, N. & Hasler, G. (2016). Verwendung ökonomischer Spiele für die Diagnostik psychischer Erkrankungen.

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 65, 45–54.

Linden, D. E. J. (2016). Computationale und kognitive Ansätze für die Therapieentwicklung bei Depressionen. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 65, 55–60.

Stephan, K. E., Siemerkus, J., Bischof M. & Haker, H. (2016). Hat Computational Psychiatry Relevanz für die klinische Praxis der Psychiatrie? Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 65, 9–19.

Prof. Dr. med. Erich Seifritz Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Psychiatrische Universitätsklinik Zürich Lenggstrasse 31 8032 Zürich Schweiz Erich.Seifritz@bli.uzh.ch

© 2017 Hogrefe

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 5–7

Das gesamte Spektrum psychischer Störungen und Therapieverfahren

Franz Petermann et al. (Hrsg.)

Dorsch – Lexikon der Psychotherapie und Psychopharmakotherapie 2016. 1048 S., Gb € 59,95 / CHF 69.00 ISBN 978-3-456-85572-1

Das Lexikon der Psychotherapie und Psychopharmakotherapie präsentiert kompakt und aktuell das Wissen für das gesamte Spektrum psychischer Störungen und Therapieverfahren. Grundlagen, Konzepte, Definitionen und therapeutische Methoden werden systematisch und zuverlässig in über 4500 Beiträgen von mehr als 400 renommierten Expertinnen und Experten der Psychologie und Psychopharmakologie dargestellt.

Eine systematische Darstellung psychischer Störungen: Symptomatik, Psychopathologie, Ätiologie, Klassifikation orientiert an ICD-10 und DSM-5, Prävalenz und Verlauf, Diagnostik sowie psychotherapeutische und psychopharmakotherapeutische Behandlungsstandards

www.hogrefe.com

„Hier kann der Fachmann nur applaudieren.

Was in diesem knapp 1050 Seiten umfassenden Buch zusammengetragen wurde, ist gigantisch. Ob als Student oder Arzt, das Buch bietet für jeden die richtigen Informationen.

Allein die 350 Testverfahren sind ein genialer Praxisleitfaden. Ein Buch, welches man sicher immer mal wieder zum Nachschlagen nutzen wird. Hinzu kommt, dass der Band mit knapp 60 Euro in einem sehr guten Preis-/ Leistungsverhältnis steht." www.fachbuchkritik.de

Themenschwerpunkt

Hat Computational Psychiatry Relevanz für die klinische Praxis der Psychiatrie?

Klaas Enno Stephan1, Jakob Siemerkus1,2, Martin Bischof1,2 und Helene Haker1 1 2

Translational Neuromodeling Unit (TNU), Institut für Biomedizinische Technik, Universität Zürich & ETH Zürich, Schweiz Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Schweiz

Zusammenfassung: Computational Psychiatry (CP) ist ein junges Wissenschaftsfeld an der Schnittstelle zwischen der klinischen Psychiatrie und den mathematischen Neurowissenschaften, das sich in den letzten Jahren zu entfalten begonnen hat. Dieser Artikel widmet sich den möglichen klinischen Implikationen dieser jungen Disziplin. Wir (i) beginnen mit einer kurzen Übersicht über die Geschichte, Ziele und Inhalte der CP, (ii) beschreiben die zentralen Themen, Modelle und Theorien der CP, (iii) untersuchen die Relevanz und das Potenzial modell-basierter diagnostischer Tests (computational assays) für die Lösung zentraler Probleme in der klinischen Psychiatrie, und (iv) stellen zukünftige Herausforderungen und Chancen der CP dar.

Schlüsselwörter: komputationale Psychiatrie, komputationale Neurowissenschaft, Translational Neuromodeling, komputationale diagnostische Tests

Computational Psychiatry: is it relevant for psychiatric practice?

Abstract: Computational Psychiatry (CP) is a young field of research at the interface between clinical psychiatry and mathematical neurosciences, which has emerged during recent years. This article describes the possible clinical implications of this young discipline. We (i) begin with a short review on the history, aims, and contents of CP, (ii) delineate the relevance, central themes, models, and theories of CP, (iii) investigate the relevance and the potential of model-based diagnostic tests (computational assays) for the solution of central problems of clinical psychiatry, and (iv) point out future challenges and opportunities of CP. Keywords: computational psychiatry, computational neuroscience, translational neuromodeling, computational assays

Was ist Computational Psychiatry?

Die Computational Psychiatry (CP) ist eine junge Disziplin an der Schnittstelle zwischen der klinischen Psychiatrie und den mathematischen Neurowissenschaften.

Je nach Auslegung des Begriffs „computational“ (deutsch: „komputational“), kann CP breit oder eng definiert werden, wie sich in einer Reihe jüngst erschienener Übersichtsartikel zeigt (Corlett & Fletcher, 2014; Friston, Stephan, Montague & Dolan, 2014; Huys, Maia & Frank, 2016; Montague, Friston & Dayan, 2012; Stephan & Mathys, 2014; Wang & Krystal, 2014). In diesem Artikel verwenden wir eine eher breite Definition und verstehen unter CP die Anwendung mathematischer und algorithmischer Methoden, um Fragen der Nosologie, Diagnostik, Prognose und Therapieprädiktion in der Psychiatrie zu untersuchen. Allerdings konzentrieren wir uns hier auf die

Entwicklung und Anwendung mathematischer Modelle, die ein mechanistisches Verständnis von Prozessen und Daten anstreben – insbesondere sogenannte „generative Modelle“ – um klinische Probleme in der Psychiatrie zu lösen. Diese Definition grenzt die CP von deskriptiven Ansätzen ab, wie zum Beispiel statistische Mustererkennung und maschinelles Lernen (Machine Learning).

Historisch ist die CP aus der Computational Neuroscience entstanden, die sich mit der mathematischen Untersuchung von Informationsverarbeitung auf allen Ebenen des Nervensystems (z. B. einzelne Neurone, Netzwerke, aber auch Kognition) beschäftigt, und stellt einen speziellen Anwendungsfall des Translational Neuromodeling (TN) dar. TN entwickelt mathematische Modelle für klinische Problemlösungen in fachübergreifender Weise und schliesst neben der CP auch die Schwesterdisziplin, Computational Neurology, ein (Abbildung 1).

© 2017 Hogrefe. Veröffentlicht als Hogrefe OpenMindZeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 9–19 Artikel unter der Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0) DOI 10.1024/1661-4747/a000296

10

K. E. Stephan et al.: Relevanz von Computational Psychiatry für die klinische Praxis

Abbildung 1. Eine Taxonomie komputationaler neurowissenschaftlicher Disziplinen und ihr klinischer Bezug.

beobachtbaren Krankheitsbilder entstehen. Entsprechend sind die pathophysiologischen Konzepte hinter einer Psychopharmakotherapie zumeist vage und die Medikationsselektion mehr von klinischer Intuition denn von einer zuverlässigen Prädiktion des individuellen Ansprechens geleitet.

Sowohl für die konzeptionelle Formulierung von pathophysiologischen Mechanismen hinter den heutigen heterogenen Krankheitsentitäten, als auch für die Entwicklung von Methoden zur Detektion individueller Krankheitsprozesse bietet die CP neue Ansätze.

Wozu Computational Psychiatry?

Viele ungelöste klinische Probleme in der Psychiatrie hängen mit der heutigen Nosologie zusammen. DSM-5 und ICD-10 bedienen sich fast ausschliesslich syndromaler Kriterien zur Klassifikation psychischer Störungen. Die individuellen Verlaufsformen und das sehr variable Ansprechen auf Therapien legen nahe, dass sich hinter den heutigen diagnostischen Entitäten sehr heterogene pathophysiologische Prozesse verbergen (Casey et al., 2013; Kapur, Phillips & Insel, 2012; Krystal & State, 2014; Owen, 2014; Stephan et al., 2016a). Es fehlen der Psychiatrie bislang objektive Tests, welche pathophysiologische Prozesse im Individuum mess- oder sichtbar machen können, um gezieltere Aussagen zur Prognose oder Therapie zu machen.

Ein weiteres Problem ist, dass für verschiedene Störungsbilder zwar Erklärungsmodelle auf unterschiedlichen Ebenen (genetisch, molekular, kognitiv, etc.) bestehen, aber zumeist ein Modell fehlt, dass die verschiedenen Ebenen verbindet und mechanistische Erklärungen liefert, wie z. B. aus molekularen Veränderungen die klinisch

Zentrale Themen der Computational Psychiatry Die Nutzbarmachung mathematischer Methoden für die Lösung der obengenannten klinischen Probleme in der Psychiatrie steht im Zentrum der CP. Viele Befunde der neuropsychiatrischen Forschung beziehen sich auf Mittelwertsunterschiede zweier Gruppen. Da sich klinische Entscheidungsfindung jedoch immer auf individuelle Patienten bezieht, ist es für die mathematischen Modelle der CP zwangsläufig essentiell, auf Daten einzelner Patienten anwendbar zu sein und individuelle Krankheitsmechanismen erschliessen zu können. Diese Notwendigkeit schließt den Einsatz rein theoretischer Simulationsansätze aus und führt uns zu einem Kernkonzept der CP, die Entwicklung sogenannter „generativer Modelle“ für Daten, die im klinischen Kontext erhoben werden können, z. B. beobachtetes Verhalten oder mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) oder Elektroenzephalographie (EEG) gemessene Hirnaktivität.

Abbildung 2. Ein generatives Modell beschreibt, wie sich ein verborgener Systemzustand x auf einer nicht direkt beobachtbaren Systemebene in messbaren Daten y widerspiegelt, zum Beispiel die Umsetzung neuronaler Aktivität in ein messbares EEG-Signal. Diese Beschreibung beruht auf einem probabilistischen Vorwärtsmodell (likelihood: die Wahrscheinlichkeit p(y|x, m), dass Messung y resultiert, wenn Zustand x vorliegt) und a priori Wahrscheinlichkeiten der Systemzustände p(x|m) (priors). Durch Anwendung des Bayes'schen Theorems lässt sich das Modell invertieren und die a posteriori Wahrscheinlichkeit p(y|x, m) des Systemzustands bei Vorliegen der gemessenen Daten berechnen. Diese Abbildung entstand aus zuvor publiziertem Bildmaterial von Garrido et al. (2008) und Stephan et al. (2016b), mit Genehmigung der Copyright-Besitzer.

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 9–19

© 2017 Hogrefe

K. E. Stephan et al.: Relevanz von Computational Psychiatry für die klinische Praxis

Generative Modelle und Computational Assays Wie in Abbildung 2 dargestellt, beschreibt ein generatives Modell, wie sich ein latenter (d. h. verborgener) Prozess auf einer nicht direkt beobachtbaren Systemebene in messbaren Daten widerspiegelt. Zum Beispiel könnte ein generatives Modell im Bereich der Neurophysiologie beschreiben, wie sich die neuronale Aktivität in einer Region oder einem Schaltkreis in ein gemessenes EEG- oder fMRT-Signal umsetzt; ein anderes Beispiel aus dem behavioralen Bereich wäre ein generatives Modell, das abbildet, wie ein bestimmter kognitiver Algorithmus zu sichtbarem Verhalten führt.

Da Modelle per Definition eine abstrakte Vereinfachung darstellen und darüber hinaus Messungen stets mit Rauschen (noise) behaftet sind, ist ein generatives Modell stets probabilistisch: es sagt vorher, mit welcher Wahrscheinlichkeit bestimmte messbare Daten resultieren, wenn ein bestimmter Systemzustand vorliegt. Aus klinischer Anwendungssicht möchte man aber den gegenteiligen Schluss ziehen, d. h., man möchte wissen, welcher Systemzustand (z. B. ein verborgener Krankheitsprozess) vorliegt, wenn bestimmte Messdaten erhoben wurden.

Dies lässt sich prinzipiell über die Anwendung eines zentralen Satzes der Wahrscheinlichkeitstheorie – das sogenannte Bayes'sche Theorem – erreichen. Durch die Umkehrung der Richtung der Modell-Vorhersage (Invertierung des Models), lässt sich der verborgenen Systemzustand aus den Messdaten inferieren (probabilistisch erschliessen); dies wird auch als „Lösung des inversen Problems“ bezeichnet. Anders gesagt, man kann mit Hilfe Bayesianischer Methoden berechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit bei gegebenen Messdaten ein bestimmter Systemzustand (oder Krankheitsprozess) vorliegt. Entscheidend hierbei ist, dass ein generatives Modell a priori Wahrscheinlichkeiten (Priors) über die Parameter des verborgenen Systemzustands – z. B. die Stärke synaptischer Verbindungen – einbezieht.

Mithilfe eines geeigneten generativen Models lassen sich somit prinzipiell aus nicht-invasiven Messungen bildgebender oder elektrophysiologischer Verfahren, aber auch aus einfachen Verhaltensmessungen (z. B. im Rahmen computerbasierter Aufgaben oder Spiele), Aussagen über krankheitsrelevante neurophysiologische oder kognitive Prozesse machen. So ist es zum Beispiel möglich, aus elektrophysiologischen Daten auf pharmakologisch oder genetisch induzierte Veränderungen synaptischer Übertragung zu schließen. Empirische Beispiele finden sich in Tier- und Humanstudien, in denen generative Modelle genutzt wurden, um Veränderungen in der Balance glutamaterger und GABAerger Aktivität unter variierender Anästhesietiefe zu bestimmen (Moran et al., 2011a), den © 2017 Hogrefe

11

Einfluss dopaminerger Medikation auf ionotrope (glutamaterge) Rezeptoren im Kortex zu ermitteln (Moran, Symmonds, Stephan, Friston & Dolan, 2011b), oder monogenetische Ionenkanalveränderungen zu detektieren (Gilbert et al., 2016).

Dieser Ansatz, mittels eines generativen Modells aus peripheren Messungen auf pathophysiologische und psychopathologische Prozesse zu schließen, wird auch als „Computational Assay“ bezeichnet (Stephan, Iglesias, Heinzle & Diaconescu, 2015; Stephan & Mathys, 2014) – in Analogie zu biochemischen Assays, mit denen aus peripheren Gewebeproben auf Krankheitsprozesse in inneren Organen geschlossen wird.

Im Folgenden werden wir in aller Kürze einige der wesentlichen generativen Modellierungsansätze vorstellen, die in der CP genutzt werden. Wir unterscheiden hierbei generative Modelle von Verhaltensdaten („komputationale Modelle“ im engeren Sinne, da sie die algorithmische Struktur von Informationsverarbeitung beschreiben) und generative Modelle von neurophysiologischen Daten.

Generative Modelle von Verhalten Stark vereinfacht lassen sich mathematische Modelle von Verhalten in zwei Klassen aufteilen, die sich vorrangig auf Entscheidungsfindung bzw. Wahrnehmung konzentrieren. Eine erste Klasse von Modellen, mit partiell bis zum Behaviorismus zurückreichenden Wurzeln, beruhen auf sogenannten Markov Decision Processes (MDP) (Sutton & Barto, 1998). Dieses Konzept sieht vor, dass Handlungen stets so gewählt werden, dass über einen bestimmten Zeitraum die größte Belohnung (reward) bzw. Nützlichkeit (utility) resultiert. Um dies zu erreichen, gilt es, in jedem Entscheidungskontext eine endliche Anzahl von relevanten Zuständen der Welt zu unterscheiden und den Wert (value) eines jeden Zustands bzw. den Wert der entsprechenden Handlungsoptionen zu lernen. Da es mit zunehmender Komplexität des Problems schnell unmöglich wird, die dem beobachteten Verhalten zu Grunde liegenden Entscheidungsprozesse mittels eines MDP exakt zu bestimmen, existieren praktikable Näherungsverfahren, wie z. B. das Verstärkungslernen (reinforcement learning, RL). Bestimmte RL-Modelle haben eine empirisch gezeigte Verbindung zur Physiologie, als dass die Aktivität dopaminerger Neurone im Mittelhirn (unter anderem) die Diskrepanz zwischen einem erwarteten und einem tatsächlichen Stimulus widerspiegelt (der sogenannte „Vorhersagefehler“ oder „prediction error“; Schultz, Gayan & Montague, 1997).

RL-Modelle sind bereits bei etlichen psychiatrischen Erkrankungen eingesetzt worden, um mögliche Mechanismen des veränderten Verhaltens formal zu beschreiben

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 9–19

12

K. E. Stephan et al.: Relevanz von Computational Psychiatry für die klinische Praxis

(Maia & Frank, 2011). So ergeben sich aus der Anwendung von RL-Modellen auf Verhaltensdaten von Patienten Hinweise darauf, dass der Anhedonie in der Depression bzw.

Negativsymptomen in der Schizophrenie eine verminderte Empfindlichkeit für Belohnungserlebnisse zu Grunde liegen könnte (Huys, Pizzagalli, Bogdan & Dayan, 2013; Kirschner et al., 2016; Radua et al., 2015). Ein weiterer Anwendungsschwerpunkt liegt im Bereich der Abhängigkeitserkrankungen, wo Störungen dopaminerger Mechanismen bei verstärkendem Lernen vermutet werden (Deserno et al., 2015; Redish, Jensen, Johnson & Kurth-Nelson, 2007).

Eine zweite Klasse von Modellen – sogenannte hierarchische Bayesianische Modelle (HBM) wie Predictive Coding (Friston, 2005; Rao & Ballard, 1999) oder Hierarchical Filtering (Iglesias et al., 2013; Mathys, Daunizeau, Friston & Stephan, 2011) – beschäftigt sich mit dem fundamentalen Problem der Wahrnehmung (Perzeption): Das Gehirn hat keinen direkten Zugriff auf den Zustand der Welt – z. B. die physikalische Umwelt, die mentale Zuständen anderer Menschen, der Zustand des eigenen Körpers – sondern kann diesen nur aus seinen Sinneseingängen probabilistisch, d. h. auf Basis von Wahrscheinlichkeiten, erschließen. Eine ideale Weise, dieses Inferenz-Problem zu lösen, leitet sich aus einem zentralen Satz der Wahrscheinlichkeitstheorie ab, dem oben erwähnten Satz von Bayes. Dieses Theorem liegt auch dem oben besprochenen Konzept des generativen Modells zu Grunde, beschreibt hier aber, wie sich im Sinne einer kognitiven Verarbeitung gegebenes Vorwissen oder Vorab-Erwartung (prior beliefs) mit neuen Sinneseindrücken kombinieren lässt, um optimale Schlüsse (posterior beliefs) zu ziehen.

Die Übertragung dieses optimalen Inferenzprinzips in den Bereich der Perzeption führte zu der inzwischen weitverbreiten „Bayesian Brain“ Theorie. Diese besagt, dass das Hirn ein Modell seiner Umwelt erstellt, welches vorhersagt, wie ein jeder gegebener Weltzustand zu sensorischen Inputs führt (Friston et al., 2014); also ein generatives Modell der sensorischen Eingänge. Durch Kombination von (aus gelernten und im Modell kodierten) Vorerwartungen und den sensorischen Daten kann das Hirn auf den verborgenen Zustand der Welt schließen (Inversion des generativen Modells). Diese Theorie steht nicht nur im Einklang mit einer Vielzahl an Befunden aus der Wahrnehmungspsychologie (Knill & Richards, 1996; Yuille & Kersten, 2006), sondern kann auch alltägliche (und nur scheinbar fehlerhafte) Aspekte menschlicher Perzeption wie Wahrnehmungsverzerrung oder sensorische Illusionen umfassend erklären (Petzschner, Glasauer & Stephan, 2015).

HBM bieten einen sehr allgemeinen Rahmen für die konkrete Implementierung dieser Theorie an, indem sie für das vom Gehirn erstellte generative Modell eine hierarchische Struktur annehmen (Friston, 2005; Mathys et al.,

2011; Rao & Ballard, 1999). Dies erlaubt, auch komplizierte Strukturen der Welt abzubilden (z. B. multiple zeitliche und räumliche Skalen, oder semantische Zusammenhänge) und steht im Einklang mit der bemerkenswert hierarchischen Struktur des Kortex (Felleman & Van Essen, 1991; Hilgetag, O'Neill & Young, 2000). Hierbei stellt eine jede Ebene des HBM eine probabilistische Repräsentation (belief) des erwarteten Zustands einer Variablen in der Welt dar. Durch den Austausch von Prädiktionssignalen und Vorhersagefehlern zwischen den Ebenen wird ein optimales Erschließen des Zustands der Welt ermöglicht.

Hervorzuheben ist, dass HBM dabei auch abbilden, mit welcher subjektiven (Un)Gewissheit Zustände der Welt erschlossen werden.

HBM werden zurzeit von vielen Arbeitsgruppen zur Untersuchung und Formalisierung verschiedener psychiatrischer Symptome, aber auch zur Theoriebildung, eingesetzt. Drei Beispiele sollen hier in aller Kürze erwähnt werden. Im Bereich der Schizophrenie dienen HBM zur Erklärung von Halluzinationen (Fletcher & Frith, 2009; Friston, 2005; Horga, Schatz, Abi-Dargham & Peterson, 2014) und Wahnvorstellungen (Adams, Stephan, Brown, Frith & Friston, 2013; Corlett, Taylor, Wang, Fletcher & Krystal, 2010). In Bezug auf Angst bzw. Stressreaktionen konnten HBM in empirischen Studien (an gesunden Probanden) zeigen, dass emotionale und physiologische Stress-Antworten eng mit der subjektiven Ungewissheit bei der Vorhersage aversiver Stimuli korrelieren (de Berker et al., 2016) und dass Probanden mit stärker ausgeprägten ängstlichen Persönlichkeitszügen Schwierigkeiten haben, ihr Lernen an Ungewissheit über wechselnde Wahrscheinlichkeiten (Volatilität) anzupassen (Browning, Behrens, Jocham, O´Reilly & Bishop, 2015). Schließlich dienen HBM als Grundlage einer weitfassenden Theorie menschlicher Kognition und Entscheidungsfindung, die von Bedeutung für psychiatrische Krankheitskonzepte ist. Das sogenannte „Prinzip der freien Energie“ (free energy principle; Friston, 2010) besagt, stark vereinfacht gesagt, dass das Gehirn einem einzigen Ziel folgt: die Überraschung (im informationstheoretischen Sinne) über seine sensorischen Eingänge zu minimieren. Dies kann es auf zwei Arten erreichen: durch Anpassung seines generativen Modells (so dass die vorhergesagten Empfindungen besser zu den tatsächlichen passen), oder durch Auswahl von Handlungen, welche die erwarteten sensorischen Eingänge wahr werden lassen (active inference; Friston et al., 2015).

Diese allgemeine Idee ermöglicht die Konstruktion konkreter pathogenetischen Theorien mit möglichen Implikationen für Differenzialdiagnostik. Ein aktuelles Beispiel liefert eine auf HBM basierende metakognitive Theorie der Depression, die Patienten-Subgruppen mit differenziellen Störungen aktiver Inferenz vorhersagt (Stephan et al., 2016b). Gemäss dieser Theorie führen bei ei-

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 9–19

© 2017 Hogrefe

K. E. Stephan et al.: Relevanz von Computational Psychiatry für die klinische Praxis

nem Teil depressiver Patienten Störungen der Interozeption bzw. allostatischer Kontrolle zu mangelhafter Erfüllung von a priori Erwartungen über Körperzustände (homeostatic beliefs). Die resultierende chronische Dyshomöostase wird auf einer metakognitiven Ebene als mangelnde Selbstwirksamkeit auf der fundamentalen Ebene der Selbsterhaltung erlebt, mit anschliessender Generalisierung in depressive Erschöpfung und Antriebsmangel.

Wichtig ist, dass diese Theorie durch die Anwendung von HBM auf neurophysiologische Daten von Patienten überprüfbar ist und, falls sie sich als stichhaltig erweisen sollte, direkt zu einem differentialdiagnostischen Hilfsinstrument auf der Basis eines Computational Assays führen könnte. Schliesslich würden sich durch die differentialdiagnostische Zuordnung zu subgruppenspezifischen Krankheitsmechanismen gezielte Behandlungsansätze ergeben, z. B. in der Psychotherapie (siehe unten).

Generative Modelle neurophysiologischer Daten Generative Modelle für die Analyse von fMRT- und EEGDaten lassen sich in zwei wesentliche Modellklassen unterscheiden: biophysikalische Netzwerkmodelle und Dynamic Causal Models (für eine aktuelle Übersichtsarbeit, siehe Stephan et al., 2015).

Biophysikalische Netzwerkmodelle (BNM) beruhen auf einer anatomisch und biophysikalisch detaillierten Beschreibung von großen (oft das ganze Gehirn abdeckenden) Netzwerken (Deco, Jirsa & McIntosh, 2013a). Die

13

einzelnen Knoten dieser Netzwerke repräsentieren lokale Areale oder Nuclei; die darin enthaltenen Neuronen werden nicht einzeln mathematisch abgebildet, stattdessen wird ihre Populationsaktivität modelliert. Die Verbindungen zwischen den Arealen sind durch anatomische Befunde aus tierexperimentenellen Studien oder aus diffusionsgewichteten bildgebenden Studien im Menschen geleitet.

Das Ausmaß an biophysikalischen und anatomischen Details, das BNM zu Grunde liegt, ist gleichermaßen Segen wie Fluch: einerseits ist die direkte Interpretierbarkeit dieser Modellklasse attraktiv, andererseits ist es numerisch bislang schwierig bis unmöglich, die sehr große Anzahl an freien Parametern in diesen Modellen aus Daten zu schätzen. Bislang können nur sehr wenige Parameter dieser Modelle bestimmt werden; zumeist handelt es sich hierbei um einen einzigen globalen Skalierungsparameter der Konnektivität (Deco et al., 2013b).

Eine zweite Modellklasse, die Dynamic Causal Models (DCMs; Friston, Harrison & Penny, 2003), basieren auf einer im Vergleich zu BNM vereinfachten Beschreibung der Aktivität interagierender neuronaler Populationen (Abb. 3). In Kombination mit fortgeschrittenen Bayesianischen Methoden ermöglicht es diese Vereinfachung, aus fMRT- und EEG-Daten einzelner Probanden Parameter zu schätzen, die individuelle Netzwerk-Mechanismen in der Form effektiver Konnektivität beschreiben. Um mathematische Handhabbarkeit zu gewährleisten, sind diese Modelle üblicherweise auf relativ kleine Netzwerke (ca. 10 Regionen) beschränkt. Die Erweiterung dieses Ansatzes auf Ganzhirnmodelle ist ein heißes Thema der aktuellen Forschung.

Abbildung 3. Schematische Darstellung von Dynamic Causal Modeling (DCM), einem generativen Modellierungsprinzip für fMRT- und EEG-Daten.

Hier bezeichnet y gemessene Daten; x neuronale Zustände; und m das Modell. Vergleiche Abbildung 2. Diese Abbildung entstand aus zuvor publiziertem Bildmaterial von Chen, Henson, Stephan, Kilner & Friston (2009), Garrido et al. (2008) und Stephan et al. (2016c), mit Genehmigung der Copyright-Besitzer.

© 2017 Hogrefe

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 9–19

14

K. E. Stephan et al.: Relevanz von Computational Psychiatry für die klinische Praxis

Hervorzuheben ist, dass DCMs für EEG-Daten bereits jetzt mit ähnlicher biophysikalischer Präzision wie BNMs formuliert werden können, wenn man sich auf die Untersuchung lokaler Schaltkreise konzentriert. Tierexperimentelle Validierungsstudien und pharmakologische Humanstudien haben gezeigt, dass dieser Ansatz auch die Bestimmung detaillierter physiologischer Mechanismen, wie z. B. die Veränderung der Exzitation-Inhibition-Balance (Moran et al., 2011a) oder neuromodulatorische Effekte (Moran et al., 2013) und ihren Einfluss auf glutamaterge NMDA-Rezeptoren (Moran et al., 2011b), ermöglicht.

Modellselektion für Differentialdiagnostik Über Probanden bzw. Patienten hinweg können anatomische oder physiologische Determinanten eines neuronalen Schaltkreises erheblich variieren, als Ausdruck unterschiedlicher genetischer Faktoren oder unterschiedlicher Ausprägung synaptischer Plastizität durch Umweltfaktoren und Erfahrung. Des Weiteren können sich Patienten deutlich in der Ausführung kognitiver Prozesse und dem daraus resultierenden Verhalten unterscheiden, wenn verschiedene algorithmische Strategien gewählt werden oder unterschiedliche Erwartungen (beliefs) vorliegen.

Beide Formen von Varianz sind von größtem klinischen Interesse, da sie direkt mit einem der zentralen Probleme der Psychiatrie (aber auch anderer klinischer Disziplinen)

Abbildung 4. Ein Ziel der CP ist die Ermöglichung formaler Differentialdiagnose durch Modellselektion. Dies erfordert, dass man für ein gegebenes Symptom y (ein Verhaltens- oder physiologischer Befund) generative Modelle m1 …mK entwirft, von denen ein jedes einen alternativen Krankheitsprozess darstellt, um das Symptom zu erklären.

Durch Anwendung das Satz von Bayes lassen sich die a posteriori Modell-Wahrscheinlichkeit p(mk|y) für jedes Modell k bestimmen und entscheiden, welches Modell und damit welcher Krankheitsprozess am plausibelsten ist. Diese Abbildung entstand aus zuvor publiziertem Bildmaterial von Stephan et al. (2016c), mit Genehmigung der Copyright-Besitzer.

verbunden sind: unsere momentan eingeschränkte Fähigkeit, für Patienten maßgeschneiderte Therapieempfehlungen auf der Basis einer differenzialdiagnostischen Einsicht in individuelle Krankheitsmechanismen zu ermöglichen.

Eine aktuelle, auf dieses Problem ausgerichtete Forschungsstrategie ist die Entwicklung einer Batterie von Computational Assays, die alternative Krankheitsmechanismen über verschiedene generative Modelle abbilden (Stephan et al., 2016c). Durch statistische Modellvergleiche könnte das im einzelnen Patienten plausibelste Modell für die Erklärung der gemessenen physiologischen bzw. behavioralen Daten gefunden werden, um einen Hinweis auf die Natur des individuellen Krankheitsmechanismus zu erhalten. Dies würde eine formalisierte Differenzialdiagnostik ermöglichen, mit der die Wahrscheinlichkeit verschiedener Erklärungsansätze (posterior model probability) bestimmt werden kann (Abb. 4). Wir gehen darauf unten näher ein.

Maschinelles Lernen und Generative Embedding Bereits frühe diagnostische Überlegungen in der Psychiatrie hatten zum Ziel diagnostische Gruppen zu umschreiben, die den Verlauf oder das Therapieansprechen vorhersagen (vgl. z. B. die Dichotomie zwischen gutartig und ungünstig verlaufenden Erkrankungen in der Kraepelinschen Nosologie (Kraepelin, 1896). Neben der Suche nach einer auf Krankheitsmechanismen beruhenden Nosologie hat auch die statistische Suche nach prädiktiven Mustern in klinischen oder biologischen Daten eine lange Tradition in der psychiatrischen Forschung; für Beispiele aus den letzten Jahrzehnten, siehe Huxley, Goldberg, Maguire & Kincey (1979), Itil, Marasa, Saletu, Davis & Mucciardi (1975) und Nedopil, Pflieger & Ruther (1983). In jüngerer Zeit hat diese Arbeit durch Fortschritte im maschinellen Lernen (ML), das sich mit der statistischen Erkennung von Mustern in komplexen Datensätzen beschäftigt, Auftrieb erhalten (Klöppel et al., 2012). So konnte z. B. durch Anwendung moderner ML-Methoden gezeigt werden, dass sich aus rein klinischen Daten mit 59 % Genauigkeit das Ansprechen auf Antidepressiva vorhersagen lässt (Chekroud et al., 2016), und aus strukturellen MRT-Bildern das individuelle Ansprechen depressiver Patienten auf Elektrokrampftherapie (Redlich et al., 2016) bzw. das Risiko von hochgefährdeten Individuen, den Übergang in die Psychose zu erleben mit je ca. 80 % Genauigkeit (Koutsouleris et al., 2015). Diese mit klassischen ML-Methoden erzielten Ergebnisse stellen wichtige Fortschritte auf dem Weg zu klinischen relevanten Werkzeugen darstellen dar, sind aber aus methodischer Sicht „black box“ Resultate, deren Prädiktion nicht direkt auf konkrete oder intuitiv

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 9–19

© 2017 Hogrefe

K. E. Stephan et al.: Relevanz von Computational Psychiatry für die klinische Praxis

nachvollziehbare biologische oder kognitive Mechanismen zurückgeführt werden kann. Klassische ML-Methoden haben den Vorteil, dass sie nicht zwingend ein Verständnis der Daten erfordern und somit auch von fachfremden Wissenschaftlern angewendet werden können, haben aber den wichtigen Nachteil, keine mechanistische Interpretation zuzulassen und somit keine Orientierung für neue Therapieansätze zu liefern.

Ein Ansatz, die Vorteile maschinellen Lernens und generativer Modellierung zu verbinden, ist das sogenannte Generative Embedding (Brodersen et al., 2014; Brodersen et al., 2011). Bei diesem Ansatz wird die Fähigkeit eines generativen Modells, komplexe Daten in (wenige) Parameter und statistisches Rauschen zu separieren, genutzt, um dem anschließenden ML eine kompakte und mechanistische interpretierbare Zusammenfassung der Daten zu übergeben. Sofern ein plausibles generatives Modell existiert, kann dieser Ansatz nicht nur die Prädiktionsgenauigkeit und die Validität detektierter Muster (z. B. Cluster von Patienten) erhöhen, sondern erlaubt auch eine direkte Interpretierbarkeit der Resultate, da sich zurückverfolgen lässt, welcher der Parameterwerte (und damit welcher biologischer oder kognitiver Mechanismus) die erzielte Prädiktion möglich macht.

Erhoffte Beiträge der CP zur zukünftigen klinischen Praxis in der Psychiatrie In den vorangegangenen Abschnitten haben wir bereits etliche Beispiele erwähnt, wie die CP zukünftig zur klinischen Praxis in der Psychiatrie beitragen könnte. In diesem Abschnitt versuchen wir, die wesentlichen klinischen Ziele der CP kurz zusammenzufassen und zu systematisieren. Diese lassen sich in zwei Hauptgruppen unterteilen: die Entwicklung von Computational Assays als Hilfswerkzeuge zur Lösung konkreter klinischer Probleme, und die Ermöglichung konzeptueller Fortschritte in Nosologie und psychiatrischer Forschung. Es sollte dabei betont werden, dass die CP noch in den Kinderschuhen steckt und, wie weiter unten diskutiert, die Machbarkeit der erhofften klinischen Beiträge sich noch in prospektiven Validierungsstudien erweisen muss. Die folgenden Ausführungen sind also lediglich als ein hoffnungsvoller Entwurf für die Etablierung der CP zu verstehen.

Eine wichtige Strategie für CP, die ihre Inspiration aus Erfolgsgeschichten anderer klinischer Disziplinen zieht, ist die Entwicklung von Computational Assays, mit denen aus im klinischen Kontext gewinnbaren Daten auf Krankheitsprozesse im individuellen Patienten geschlossen werden © 2017 Hogrefe

15

kann. Sollten sich Assays mit hinreichender Sensitivität und Spezifität als auch klinisch sinnvoller Interpretierbarkeit etablieren lassen, so könnte dies einen bedeutsamen Beitrag zur Lösung aktueller Probleme der psychiatrischen Praxis leisten. Darunter fallen:

Verbesserte und beschleunigte Diagnose Die Diagnosestellung gemäss der syndromalen Klassifikationssysteme wie DSM oder ICD ist zumeist nicht das dringendste klinische Problem. Allerdings gibt es bedeutsame Ausnahmen, bei denen das Vorhandensein eines beobachterunabhängigen diagnostischen Tests eine erhebliche Erleichterung und Beschleunigung der Diagnostik bedeuten würde. Darunter fällt zum Beispiel die Diagnose der Autismusspektrumsstörung (ASS; siehe Haker, Schneebeli & Stephan, 2016) für eine eingehende Diskussion). Im Kindesalter erfordert diese Diagnose aufwändige diagnostische Abklärungen mittels semi-strukturierter Interviews und Beobachtungen (wie z. B. Autism Diagnostic Observation Schedule, ADOS, und Autism Diagnostic Interview, ADI-R); im Erwachsenenalter fehlen standardisierte Instrumente, und psychiatrische Expertise ist dünn gesät. Die beschleunigte Diagnosestellung einer ASS kann im Kindesalter Verzögerungen bei der Einleitung verhaltenstherapeutischer Maßnahmen vermeiden; darüber hinaus bedeutet die Diagnosestellung häufig eine große psychische Erleichterung für die Betroffenen und die Familien, die eine Erklärung für die beobachteten Symptome suchen. Ein anderes klinisches Beispiel betrifft die Unterscheidung von unipolaren und bipolaren affektiven Störungen, insbesondere bei Patienten, die sich initial mit depressiven Symptomen präsentieren. Hier könnte ein Test zur präzisen Diagnosestellung eine frühzeitige Behandlung mit stimmungsstabilisierender Medikation ermöglichen, um Manien und ihre sozialen Folgen zu verhindern.

Differenzialdiagnose und prädiktive Tests auf individuelles Therapieansprechen Wie oben beschrieben, könnte eine formale Differenzialdiagnose zwischen verschiedenen Typen von Krankheitsmechanismen durch den statistischen Vergleich verschiedener generativer Modelle ermöglicht werden. Alternativ könnte eine Differenzialdiagnose auf den geschätzten Parameterwerten eines Modells aufsetzen. In beiden Fällen ist Differenzialdiagnose nicht in Bezug auf DSM/ICDDiagnosen zu verstehen, sondern in Bezug auf pathophysiologische oder psychopathologische Prozesse. In Bezug auf Pathophysiologie existieren zum Beispiel mehrere po-

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 9–19

16

K. E. Stephan et al.: Relevanz von Computational Psychiatry für die klinische Praxis

tentielle EEG-basierte Computational Assays, die in initialen Validierungsstudien eine vielversprechende Fähigkeit zeigen, Veränderungen synaptischer Übertragung in spezifischen Netzwerken zu detektieren, z. B. glutamaterge und cholinerge Transmission in auditorischen-präfrontalen Schaltkreisen (Moran et al., 2013; Schmidt et al., 2013b), oder glutamaterge und dopaminerge Transmission im präfrontalen Kortex (Moran et al., 2011b).

Angesichts der Tatsache, dass die Mehrzahl der in der Psychiatrie genutzten Pharmaka die Synthese, Metabolismus oder postsynaptische Wirkung neuromodulatorischer Transmitter (wie Dopamin, Acetylcholin oder Serotonin) beeinflussen, könnten modell-basierte Indizes von synaptischer Übertragung und neuromodulatorischen Prozessen für die Planung individueller Pharmakotherapie nützlich sein. Diese Hypothese wird zurzeit in einer prospektiven Studie mit an Schizophrenie leidenden Patienten untersucht. Die in Zürich durchgeführte Beobachtungsstudie COMPASS (www.compass-studie.ch) versucht vorherzusagen, ob Patienten, bei denen eine initiale antipsychotische Medikation ohne cholinerge Wirkkomponente keine ausreichende Wirkung zeigt, von einer Ergänzung bzw. Umstellung auf eine antipsychotische Medikation mit cholinerger (muskarinerger) Wirkkomponente, d. h. Clozapin oder Olanzapin, profitieren. Zu diesem Zwecke werden EEG- und fMRT-Messungen vor Beginn der Medikationsanpassung durchgeführt und eine klinische Nachbeobachtung über acht Wochen durchgeführt.

Das Ziel ist zu testen, ob durch Computational Assays gewonnene Indizes synaptischer Übertragung in verschiedenen neuronalen Schaltkreisen das individuelle Ansprechen auf die Medikationsanpassung vorhersagen können.

Computational Assays könnten aber auch für psychopathologische Differenzialdiagnose nützlich sein. So implizieren die oben diskutierten HBM, dass Wahrnehmungsverzerrungen, die z. B. psychotischen Symptomen zu Grunde liegen mögen, durch Störungen verschiedener komputationaler Prozesse hervorgerufen werden könnten, d. h. der Berechnung oder Signalisierung von VorabInformationen bzw. Erwartungen, Vorhersagefehlern oder ihrer Gewissheit bzw. Präzision (Stephan et al., 2016a).

Patienten mit ähnlichen psychotischen Symptomen könnten diesbezüglich variieren, und eine differenzialdiagnostische Einordnung hätte mögliche Implikationen für einen verhaltenstherapeutischen Zugang. Ähnlich dem metakognitiven Training könnte durch Einsicht in die Entstehung verzerrter Wahrnehmung eine entsprechende Umstrukturierung angestrebt werden. Ein anderes Beispiel betrifft die Unterscheidung bei depressiven Patienten, ob eine Störung der Interozeption (mit subjektiv erlebter homöostatischer Dysregulation) vorliegt oder nicht. Hier könnte eine modellbasierte Diagnostik beitragen, neue Differentialtherapien, wie z. B. ein Körperwahrnehmungstraining

im Rahmen der psychotherapeutischen Interventionen für die Gruppe mit einer Störung der Interozeption, zu überprüfen.

Konzeptuelle Fortschritte durch CP CP hat nicht nur das Potential, zur Lösung konkreter klinischer Entscheidungsprobleme beizutragen, sondern auch konzeptuelle Fortschritte zu ermöglichen. Aus der Sicht der Patienten bietet sie Möglichkeiten zur Psychoedukation, indem sie neuartige Krankheitskonzepte anbietet, die eine subjektive Konzeptbildung und ein mögliches Verständnis der eigenen Erkrankung unterstützen können. Ein konkretes Beispiel liefert die „Bayesian Brain“ Krankheitstheorie der ASS, nach der autistische Symptome entgegen weit verbreiteter Meinung nicht primär im Bereich sozialer Kognition angesiedelt sind, sondern durch suboptimale Inferenz (Übergewichtung der Sensorik im Verhältnis zu unpräzisen Vorerwartungen oder Priors) im Bereich basaler Perzeption entstehen und erst sekundär soziale Kognition beeinflussen (Haker et al., 2016).

Die klinische Erfahrung der Letztautorin dieses Artikels ist, dass diese Krankheitstheorie den Betroffenen ein umfassenderes Konzept und Verständnis für ihre Störung als andere Erklärungsansätze vermittelt. Auch im Rahmen psychotischer Störungen ist ein solcher Ansatz vorstellbar und vielversprechend, als dass er sowohl psychoedukative sowie therapeutische Möglichkeiten impliziert. So kann in einem ersten Schritt durch die Verfügbarkeit eines Erklärungsansatzes für die Entstehung des Wahns eine subjektive Erleichterung eintreten. In einem weiteren Schritt könnte dann versucht werden, diese Erklärung gezielt einzusetzen, um eine kognitive Umstrukturierung zu erreichen.

Ein zweiter Bereich, in dem CP konzeptuelle Fortschritte unterstützen kann, betrifft die Brückenbildung über verschiedene Erklärungsebenen hinweg. Die meisten psychiatrischen Forschungskonzepte konzentrieren sich auf eine bestimmte Beschreibungsebene, z. B. genetische Ansätze auf die molekulare und psychopathologische Ansätze auf die kognitive Ebene. CP hat das Potenzial, diese Ebenen miteinander zu verbinden, in dem sie untersucht, wie neurophysiologische Mechanismen bestimmte komputationale Prozesse ermöglichen, die sich wiederum in Handeln und Wahrnehmung niederschlagen (Corlett & Fletcher, 2014).

Ein letzter, aber nicht minder wichtiger Punkt betrifft die Reform der psychiatrischen Nosologie, von einer syndromorientierten zu einer auf physiologischen und kognitiven Mechanismen beruhenden Klassifikation. Auch hier könnten generative Modelle einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie helfen, heterogene Spektrumserkrankun-

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 9–19

© 2017 Hogrefe

K. E. Stephan et al.: Relevanz von Computational Psychiatry für die klinische Praxis

gen wie Schizophrenie oder Depression in Subgruppen aufzulösen, die durch bestimmte physiologische oder kognitive Prozesse charakterisiert sind. Ein empirisches Beispiel liefert die Arbeit von Brodersen et al. (Brodersen et al., 2014), in der Generative Embedding genutzt wird, um eine Gruppe von 41 Patienten mit der Diagnose Schizophrenie in physiologisch definierte Untergruppen aufzuteilen, ohne dass Vorannahmen über die Struktur oder die Anzahl der Untergruppen getroffen wurden. Zu diesem Zweck wurde ein einfaches DCM auf fMRT-Daten einer Arbeitsgedächtnis-Aufgabe angewendet und die erhaltenen Konnektivitätsparameter zwischen kortikalen Regionen für eine Cluster-Analyse genutzt. Diese zeigte, dass die Verteilung der Konnektivitätsmuster am plausibelsten durch die Existenz dreier Untergruppen erklärt wurde. Bemerkenswerterweise unterschieden sich diese drei rein physiologisch definierten Subgruppen bezüglich der Ausprägung negativer Symptome, ohne dass das Modell Zugang zu klinischen Daten gehabt hätte. Dieses Beispiel zeigt, wie generative Modelle prinzipiell genutzt werden könnten, um die oft bedeutsame klinische Heterogenität von Patienten mit der gleichen DSM/ICD-Diagnose auf die unterschiedliche Ausprägung bestimmter biologischer oder kognitiver Mechanismen zu erklären. Langfristig könnte dies einen wichtigen Beitrag zu der seit langem angestrebten Reform psychiatrischer Krankheitsklassifikationen leisten (Insel, 2014; Owen, 2014; Stephan et al., 2016a).

Grenzen und Herausforderungen für die Computational Psychiatry Wie schon oben angedeutet, ist die CP eine extrem junge Disziplin, die viele methodische, aber auch organisatorische Herausforderungen erst noch bewältigen muss, bevor sie zu einer echten und verlässlichen Bereicherung der klinischen Praxis in der Psychiatrie führen kann. So ist ein wichtiges methodisches Problem, die existierenden Kandidaten-Assays in geeigneten Studien zu validieren und ihre Sensitivität und Spezifität für die Detektion bestimmter pathophysiologische Prozesse zu ermitteln. Diese Validierung ist bislang in nur sehr begrenztem Maße erfolgt.

Generell benötigt die Validierung von modellbasierten klinischen Werkzeugen (i) Tierstudien mit möglichst selektiven Perturbationen krankheitsrelevanter Prozesse (für Beispiele im Kontext von DCM, siehe Moran et al., 2015; Moran et al., 2011a; Moran et al., 2008), (ii) pharmakologische Humanstudien (Moran et al., 2013; Moran et al., 2011b; Schmidt et al., 2013a), aber vor allem auch (iii) prospektive Patientenstudien, in denen geprüft wird, © 2017 Hogrefe

17

ob die durch Computational Assays geschätzten Mechanismen überhaupt für individuelle Prognose bzw. Therapie-Prädiktion nützlich sind. Studien aller drei Formen sind schwierig durchzuführen, da sie langwierig, schwer planbar und nur im Rahmen interdisziplinärer Kooperationen möglich sind. Es wird wichtig sein, die wenigen vorhandenen Datensätze dieser Art systematisch für ReAnalysen (z. B. mit neu entwickelten Modellen) zur Verfügung zu stellen; dies wird ohne Anreizsysteme zum Datenteilen nur schwer möglich sein. Darüber hinaus gibt es nicht-triviale methodische Probleme bei der Perturbation (experimentellen „Störung“) physiologischer Prozesse in basalen Validierungsstudien in Tier und Mensch, z. B. die oft nicht im Detail bekannten Unterschiede zwischen akuten Perturbationen (im Experiment) und chronischen Veränderungen (bei einer Erkrankung) eines physiologischen Prozesses, oder die mangelhafte Selektivität der meisten uns zur Verfügung stehenden pharmakologischen Substanzen.

Insgesamt muss davon ausgegangen werden, dass es kaum realistisch sein wird, binnen weniger Jahre Computational Assays für die Psychiatrie zu entwickeln, welche die gleiche Auflösung und Trennschärfe haben, wie diagnostische Assays in der Inneren Medizin. Dies ist für diagnostische Nützlichkeit aber auch nicht zwingend nötig.

Bereits eine Unterscheidung wesentlicher Typen von Mechanismen könnte, wie oben angedeutet, für die Therapieprädiktion von großer Nützlichkeit sein.

Nicht nur die Validierung, sondern auch die praktische Anwendung von Computational Assays steht erheblichen Herausforderungen gegenüber. Das Problem ist hierbei nicht in erster Linie die Verfügbarkeit von Software. Erste Open Source Programme beginnen von verschiedenen Instituten entwickelt zu werden, darunter das Zürcher Programmpaket TAPAS (http://translationalneuromodeling. org/tapas). Wie oben angedeutet, ist die Parameterschätzung in komplexen mathematischen Modellen kein triviales Unterfangen und erhaltene Resultate müssen sorgfältig auf ihre Plausibilität, Robustheit und potentielle numerische Probleme untersucht werden. Dies impliziert die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Qualitätssicherung, die methodisch-orientierte Institute mit hochspezialisierter Expertise im Neuromodeling erfordert. Hier bietet sich die Analogie zur historischen Entwicklung der Inneren Medizin an, aus der sich Spezialgebiete wie die Klinische Chemie herauslösten und zu eigenen Disziplinen wurden, um die Qualität diagnostischer Werkzeuge zu gewährleisten.

Abschließend möchten wir auf ein besonders wichtiges Problem für die weitere Entwicklung der CP eingehen.

Dies ist die hochgradig interdisziplinäre Natur dieser jungen Disziplin, die extrem unterschiedliche akademische Ansätze in sich vereint – mathematische Modellierungs-

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 9–19

18

K. E. Stephan et al.: Relevanz von Computational Psychiatry für die klinische Praxis

techniken einerseits und biomedizinische Konzepte andererseits. Es wird für die Entwicklung des Felds unerlässlich sein, systematische Curricula zu definieren, in denen Lehrinhalte der Mathematik und Informatik gleichberechtigt klinischen Inhalten gegenüberstehen. Ein erster Ansatz dazu findet sich im Computational Psychiatry Course (CPC), ein seit 2015 jährlich von der Translational Neuromodeling Unit (TNU) Zürich durchgeführter Kurs, der regelmäßig mehr als 150 Studenten aus aller Welt anzieht und mathematische Modellierung mit klinischen Inhalten aber auch konkreter Einweisung in Software zu verbinden versucht (http://www.translationalneuromodeling.org/ cpcourse).

Sollte es gelingen, die hier nur in aller Kürze dargestellten Probleme und Herausforderungen erfolgreich zu meistern, könnte sich die CP zu einem Teilbereich der klinischen Psychiatrie entwickeln, die in Zusammenarbeit mit theoretischen Neuromodeling-Instituten die zukünftige Praxis der Psychiatrie mit mathematischen Modellen für Differenzialdiagnose, Prognose und Therapie-Prädiktion bereichert.

Danksagung Wir danken der René und Susanne Braginsky Stiftung und der Universität Zürich für ihre Unterstützung.

Literatur Adams, R. A., Stephan, K. E., Brown, H. R., Frith, C. D. & Friston, K. J. (2013). The computational anatomy of psychosis. Frontiers in Psychiatry, 4, 47.

Brodersen, K. H., Deserno, L., Schlagenhauf, F., Lin, Z., Penny, W. D., Buhmann, J. M. & Stephan, K. E. (2014). Dissecting psychiatric spectrum disorders by generative embedding. Neuroimage Clinical, 4, 98–111.

Brodersen, K. H., Schofield, T. M., Leff, A. P., Ong, C. S., Lomakina, E. I., Buhmann, J. M. & Stephan, K. E. (2011). Generative embedding for model-based classification of fMRI data. PLoS Comput Biol, 7, e1002079.

Browning, M., Behrens, T. E., Jocham, G., O'Reilly, J. X. & Bishop, S. J. (2015). Anxious individuals have difficulty learning the causal statistics of aversive environments. Nature Neuroscience, 18, 590–596.

Casey, B. J., Craddock, N., Cuthbert, B. N., Hyman, S. E., Lee, F. S. & Ressler, K. J. (2013). DSM-5 and RDoC: progress in psychiatry research? Nature Reviews Neuroscience, 14, 810–814.

Chekroud, A. M., Zotti, R. J., Shehzad, Z., Gueorguieva, R., Johnson, M. K., Trivedi, M. H., … Corlett, P. R. (2016). Cross-trial prediction of treatment outcome in depression: a machine learning approach. Lancet Psychiatry, 3, 243–250.

Chen, C. C., Henson, R. N., Stephan, K. E., Kilner, J. M. & Friston, K. J. (2009). Forward and backward connections in the brain: a DCM study of functional asymmetries. Neuroimage, 45, 453–462.

Corlett, P. R. & Fletcher, P. C. (2014). Computational psychiatry:a a Rosetta Stone linking the brain to mental illness. Lancet Psychiatry, 1, 399–402.

Corlett, P. R., Taylor, J. R., Wang, X. J., Fletcher, P. C. & Krystal, J. H. (2010). Toward a neurobiology of delusions. Progress in Neurobiology, 92, 345–369. de Berker, A. O., Rutledge, R. B., Mathys, C., Marshall, L., Cross, G. F., Dolan, R. J. & Bestmann, S. (2016). Computations of uncertainty mediate acute stress responses in humans. Nature Communicatios, 7, 10996.

Deco, G., Jirsa, V. K. & McIntosh, A. R. (2013a). Resting brains never rest: computational insights into potential cognitive architectures. Trends in Neuroscience, 36, 268–274.

Deco, G., Ponce-Alvarez, A., Mantini, D., Romani, G. L., Hagmann, P. & Corbetta, M. (2013b). Resting-state functional connectivity emerges from structurally and dynamically shaped slow linear fluctuations. Journal of Neuroscience, 33, 11239–11252.

Deserno, L., Beck, A., Huys, Q. J., Lorenz, R. C., Buchert, R., Buchholz, H. G., … Heinz, A. (2015). Chronic alcohol intake abolishes the relationship between dopamine synthesis capacity and learning signals in the ventral striatum. European Journal of Neuroscience, 41, 477–486.

Felleman, D. J. & Van Essen, D. C. (1991). Distributed hierarchical processing in the primate cerebral cortex. Cerebral Cortex, 1, 1–47.

Fletcher, P. C. & Frith, C. D. (2009). Perceiving is believing: a Bayesian approach to explaining the positive symptoms of schizophrenia. Nature Reviews Neuroscience, 10, 48–58.

Friston, K. (2005). A theory of cortical responses. Philosophical Transactions of the Royal Society London, 360, 815–836.

Friston, K. (2010). The free-energy principle: a unified brain theory?

Nature Reviews Neuroscience, 11, 127–138.

Friston, K., Rigoli, F., Ognibene, D., Mathys, C., Fitzgerald, T. & Pezzulo, G. (2015). Active inference and epistemic value. Cognitive Neuroscience, 6, 187–214.

Friston, K. J., Harrison, L. & Penny, W. (2003). Dynamic causal modelling. Neuroimage 19, 1273–1302.

Friston, K. J., Stephan, K. E., Montague, R. & Dolan, R. J. (2014).

Computational psychiatry: the brain as a phantastic organ. The Lancet Psychiatry, 1, 148–158.

Garrido, M. I., Friston, K. J., Kiebel, S. J., Stephan, K. E., Baldeweg, T. & Kilner, J. M. (2008). The functional anatomy of the MMN: a DCM study of the roving paradigm. Neuroimage, 42, 936–944.

Gilbert, J. R., Symmonds, M., Hanna, M. G., Dolan, R. J., Friston, K. J. & Moran, R. J. (2016). Profiling neuronal ion channelopathies with non-invasive brain imaging and dynamic causal models: Case studies of single gene mutations. Neuroimage, 124, 43–53.

Haker, H., Schneebeli, M. & Stephan, K. E. (2016). Can Bayesian theories of autism spectrum disorder help improve clinical practice? Frontiers in Psychiatry, 7, 107.

Hilgetag, C. C., O'Neill, M. A. & Young, M. P. (2000). Hierarchical organization of macaque and cat cortical sensory systems explored with a novel network processor. Philosophical Transactions of the Royal Society London, 355, 71–89.

Horga, G., Schatz, K. C., Abi-Dargham, A. & Peterson, B. S. (2014).

Deficits in predictive coding underlie hallucinations in schizophrenia. Journal of Neuroscience, 34, 8072–8082.

Huxley, P. J., Goldberg, D. P., Maguire, G. P. & Kincey, V. A. (1979). The prediction of the course of minor psychiatric disorders. British Journal of Psychiatry,135, 535–543.

Huys, Q. J., Maia, T. V. & Frank, M. J. (2016). Computational psychiatry as a bridge from neuroscience to clinical applications. Nature Neuroscience, 19, 404–413.

Huys, Q. J., Pizzagalli, D. A., Bogdan, R. & Dayan, P. (2013). Mapping anhedonia onto reinforcement learning: a behavioural metaanalysis. Biological Mood and Anxiety Disorders, 3, 12.

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 9–19

© 2017 Hogrefe

K. E. Stephan et al.: Relevanz von Computational Psychiatry für die klinische Praxis

Iglesias, S., Mathys, C., Brodersen, K. H., Kasper, L., Piccirelli, M., den Ouden, H. E. & Stephan, K. E. (2013). Hierarchical Prediction Errors in Midbrain and Basal Forebrain during Sensory Learning. Neuron, 80, 519–530.

Insel, T. R. (2014). The NIMH research domain criteria (RDoC) project: precision medicine for psychiatry. American Journal of Psychiatry, 171, 395–397.

Itil, T. M., Marasa, J., Saletu, B., Davis, S. & Mucciardi, A. N. (1975).

Computerized EEG: predictor of outcome in schizophrenia.

Journal of Nervous and Mental Disorders, 160, 118–203.

Kapur, S., Phillips, A. G. & Insel, T. R. (2012). Why has it taken so long for biological psychiatry to develop clinical tests and what to do about it? Molecular Psychiatry, 17, 1174–1179.

Kirschner, M., Hager, O. M., Bischof, M., Hartmann-Riemer, M. N., Kluge, A., Seifritz, E., … Kaiser, S. (2016). Deficits in context-dependent adaptive coding of reward in schizophrenia. NPJ Schizophrenia, 2, 16020.

Klöppel, S., Abdulkadir, A., Jack, C. R., Jr., Koutsouleris, N., MouraoMiranda, J. & Vemuri, P. (2012). Diagnostic neuroimaging across diseases. Neuroimage, 61, 457–463.

Knill, D. & Richards, W. (1996). Perception as Bayesian inference.

Cambridge: University Press.

Koutsouleris, N., Riecher-Rossler, A., Meisenzahl, E. M., Smieskova, R., Studerus, E., Kambeitz-Ilankovic, L., … Borgwardt, S. (2015). Detecting the psychosis prodrome across high-risk populations using neuroanatomical biomarkers. Schizophrenia Bulletin, 41, 471–482.

Kraepelin, E. (1896). Psychiatrie (5. Aufl.). Leipzig: J. A. Barth.

Krystal, J. H. & State, M. W. (2014). Psychiatric disorders: diagnosis to therapy. Cell, 157, 201–214.

Maia, T. V. & Frank, M. J. (2011). From reinforcement learning models to psychiatric and neurological disorders. Nature Neuroscience, 14, 154–162.

Mathys, C., Daunizeau, J., Friston, K. J. & Stephan, K. E. (2011). A Bayesian foundation for individual learning under uncertainty.

Frontiers in Human Neuroscience, 5, 39.

Montague, P. R., Dolan, R. J., Friston, K. J. & Dayan, P. (2012). Computational psychiatry. Trends in Cognitive Sciences, 16, 72–80.

Moran, R. J., Campo, P., Symmonds, M., Stephan, K. E., Dolan, R. J. & Friston, K. J. (2013). Free energy, precision and learning: the role of cholinergic neuromodulation. Journal of Neuroscience, 33, 8227–8236.

Moran, R. J., Jones, M. W., Blockeel, A. J., Adams, R. A., Stephan, K. E. & Friston, K. J. (2015). Losing control under ketamine: suppressed cortico-hippocampal drive following acute ketamine in rats. Neuropsychopharmacology, 40, 268–277.

Moran, R. J., Jung, F., Kumagai, T., Endepols, H., Graf, R., Dolan, R. J., … Tittgemeyer, M. (2011a). Dynamic causal models and physiological inference: a validation study using isoflurane anaesthesia in rodents. PLoS One, 6, e22790.

Moran, R. J., Stephan, K. E., Kiebel, S. J., Rombach, N., O'Connor, W. T., Murphy, K. J., … Friston, K. J. (2008). Bayesian estimation of synaptic physiology from the spectral responses of neural masses. Neuroimage, 42, 272–284.

Moran, R. J., Symmonds, M., Stephan, K. E., Friston, K. J. & Dolan, R. J. (2011b). An in vivo assay of synaptic function mediating human cognition. Current Biology, 21, 1320–1325.

Nedopil, N., Pflieger, R. & Ruther, E. (1983). The prediction of acute response, remission and general outcome of neuroleptic treatment in acute schizophrenic patients. Pharmacopsychiatria, 16, 201–205.

Owen, M. J. (2014). New Approaches to Psychiatric Diagnostic Classification. Neuron, 84, 564–571.

© 2017 Hogrefe

19

Petzschner, F. H., Glasauer, S. & Stephan, K. E. (2015). A Bayesian perspective on magnitude estimation. Trends in Cognitive Science, 19, 285–293.

Radua, J., Schmidt, A., Borgwardt, S., Heinz, A., Schlagenhauf, F., McGuire, P. & Fusar-Poli, P. (2015). Ventral striatal activation during reward processing in psychosis: A neurofunctional meta-analysis. JAMA Psychiatry, 72, 1243–1251.

Rao, R. P. & Ballard, D. H. (1999). Predictive coding in the visual cortex: a functional interpretation of some extra-classical receptive-field effects. Nature Neuroscience, 2, 79–87.

Redish, A. D., Jensen, S., Johnson, A. & Kurth-Nelson, Z. (2007).

Reconciling reinforcement learning models with behavioral extinction and renewal: implications for addiction, relapse, and problem gambling. Psychological Review, 114, 784–805.

Redlich, R., Opel, N., Grotegerd, D., Dohm, K., Zaremba, D., Burger, C., … Dannlowski, U. (2016). Prediction of individual response to electroconvulsive therapy via machine learning on structural magnetic resonance imaging data. JAMA Psychiatry, 73, 557–564.

Schmidt, A., Diaconescu, A. O., Kometer, M., Friston, K. J., Stephan, K. E. & Vollenweider, F. X. (2013a). Modeling ketamine effects on synaptic plasticity during the mismatch negativity. Cerebral Cortex, 23, 2394–2406.

Schmidt, A., Smieskova, R., Aston, J., Simon, A., Allen, P., Fusar-Poli, P., … Borgwardt, S. (2013b). Brain connectivity abnormalities predating the onset of psychosis: correlation with the effect of medication. JAMA Psychiatry, 70, 903–912.

Schultz, W., Dayan, P. & Montague, P. R. (1997). A neural substrate of prediction and reward. Science, 275, 1593–1599.

Stephan, K. E., Bach, D. R., Fletcher, P. C., Flint, J., Frank, M. J., Friston, K. J., … Breakspear, M. (2016a). Charting the landscape of priority problems in psychiatry, part 1: classification and diagnosis. Lancet Psychiatry, 3, 77–83.

Stephan, K. E., Iglesias, S., Heinzle, J. & Diaconescu, A. O. (2015).

Translational perspectives for computational neuroimaging.

Neuron, 87, 716–732.

Stephan, K. E., Manjaly, Z. M., Mathys, C., Weber, L. A. E., Paliwal, S., Gard, T., … Petzschner, F. H. (2016b). Allostatic self-efficacy: A metacognitive theory of dyshomeostasis-induced fatigue and depression. Frontiers in Human Neuroscience (in revision).

Stephan, K. E. & Mathys, C. (2014). Computational approaches to psychiatry. Current Opinions in Neurobiology, 25, 85–92.

Stephan, K. E., Schlagenhauf, F., Huys, Q. J., Raman, S., Aponte, E. A., Brodersen, K. H., … Heinz, A. (2016c). Computational neuroimaging strategies for single patient predictions. Neuroimage (im Druck).

Sutton, R. S. & Barto, A. G. (1998). Reinforcement learning: an introduction. IEEE Trans Neural Network, 9, 1054.

Wang, X. J. & Krystal, J.H. (2014). Computational psychiatry. Neuron, 84, 638–654.

Yuille, A., Kersten, D., 2006. Vision as Bayesian inference: analysis by synthesis? Trends in Cognitive Science, 10, 301–308.

Klaas Enno Stephan Translational Neuromodeling Unit (TNU) Institut für Biomedizinische Technik Universität Zürich & ETH Zürich 8032 Zürich Schweiz stephan@biomed.ee.ethz.ch

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 9–19

Es kann jeden treffen!

Ulrich Leutgeb

Episodische Depressionen Erfolgreiche und effektive Behandlung in der Praxis 4., aktualisierte Auflage 2016.

136 S., 5 Abb., Kt € 19,95 / CHF 26.90 ISBN 978-3-456-85698-8 Auch als eBook erhältlich

Was ist der Grund für meine Depression?

Die „Grund“-Frage: Alle Betroffenen und die ihnen Nahestehenden stellen sich diese Frage immer und immer wieder. Der Autor beantwortet sie hier auf eine allgemeingültige Weise und stützt sich dabei auf Ergebnisse moderner Forschung.

Was verhilft mir zu rascher Linderung?

Quälende Beschwerden einer Depression wie Schlaflosigkeit, innere Unruhe oder „zermarterndes“ Grübeln können schon bei Beginn einer ärztlichen Behandlung sehr effektiv gelindert werden. Gut verständlich beschreibt der Autor, wie das funktioniert – mit Arzneimitteln, die seit Jahrzehnten bekannt und erprobt sind.

www.hogrefe.com

Wie kann ich meine Depression langfristig überwinden?

Bewährte Arzneimittel können nicht nur die Dauer einer Leidenszeit stark verkürzen, sie dienen auch dem Schutz vor weiteren Episoden. Ein anderer wichtiger Baustein dafür, sich vor ihnen zu „wappnen“, ist die Psychotherapie. In unserer Zeit geht es dabei oft weniger um den Blick zurück in die Kindheit als darum – lebensnah und ganz praktisch –, depressionsfördernde Denk- und Verhaltensschemata abzubauen.

Themenschwerpunkt

Computational Psychiatry Quentin J. M. Huys Translational Neuromodeling Unit, Institute for Biomedical Engineering, University of Zürich and Swiss Federal Institute of Technology (ETH) Zürich, Switzerland

Zusammenfassung: „Computational Psychiatry“ ist eine neue Forschungsrichtung, die Fortschritte aus den theoretischen und experimentellen Neurowissenschaften in klinische Anwendungen für die Psychiatrie umzusetzen will. Der mögliche Nutzen mathematischer Modelle für psychiatrische Anwendungen ergibt sich vor allem aus der Komplexität psychiatrischer Phänomene, deren Beherrschung neue analytische Herangehensweisen erfordert. Konkret können mithilfe solcher Modelle erstens innerpsychische und ansonsten nicht direkt messbare Prozesse erfasst werden. Ein Beispiel hierfür sind Lernprozesse. Zweitens können Phänomene auf verschiedenen Ebenen quantitativ miteinander in Verbindung gebracht werden, z. B. der Effekt von Ionenkanalstörungen auf das Kurzzeitgedächtnis. Drittens können Methoden aus dem maschinellen Lernen mit diesen Modellen verbunden werden, um grosse Datensätze zu analysieren. Obwohl erste Ansätze aus dieser Forschung schon möglichen klinischen Nutzen erwiesen haben, ist das Feld noch jung. Der Artikel schliesst mit dem Vorschlag, Prozeduren aus der Entwicklung pharmazeutischer Produkte für die Validierung theoretischer Anwendungen herbeizuziehen.

Schlüsselwörter: computational psychiatry, reinforcement learning, mathematische Modelle

Computational Psychiatry Abstract: Computational psychiatry is a young research field which attempts to bring advances from theoretical and experimental neurosciences to bear on clinical issues in psychiatry. The motivation for the use of computational techniques arises from the complexity of psychiatric phenomena. Computational techniques facilitate the measurement of intrapsychic processes that are not otherwise directly observable (e. g. learning processes) and allow phenomena arising at different levels of description to be related, for instance the impact of ion channel disturbances on short-term memory. Methods from machine learning can be combined with such models and facilitate the analysis of larger, complex datasets. Although there are promising leads, the effort is in its initial stages and it may be appropriate to adopt procedures from the development of pharmaceutical to speed up the validation and translation of computational efforts.

Keywords: computational psychiatry, reinforcement learning, machine learning

Auch nach Jahrzehnten intensivster Forschung und trotz wichtiger Fortschritte spielen moderne Neurowissenschaften in der Diagnose und Behandlung psychiatrischer Erkrankungen weiterhin eine kleine und kaum bemerkbare Rolle. Gründe hierfür gibt es viele. Allen voran sicherlich die Komplexität der Psyche und ihrer Erkrankungen. Beim menschlichen Gehirn handelt es sich um das komplexeste der Organe, das eine noch kaum verstandene Fülle verschiedener Funktionen ausführt. Ähnlich wie bei einem Computer können Störungen auf verschiedenen Ebenen entstehen und einander beeinflussen.

Störungen auf (sub)zellulärer Ebene, z. B., NMDA Rezeptorstörungen im Präfrontalkortex spielen eine wichtige Rolle in der Entstehung von schizophrenen Erkrankungen, während die Ursachen gewisser Angst- oder depressiven Erkrankungen rein auf der kognitiven Ebene in „Fehlverständnissen“ oder Denkfehlern liegen. Die Ursprünge dieser Störungen sind heterogen: zellulär sind genetische Aspekte, kognitiv aber oft Lebensumstände © 2017 Hogrefe

und Erfahrungen wichtig, wobei diese Faktoren natürlich interagieren. „Computational Psychiatry“ (CP) ist eine neue Forschungsrichtung, die versucht, Fortschritte in theoretischen Neurowissenschaften für klinische Zwecke einzusetzen (Huys et al., 2011; Huys, Maia & Frank, 2016; Maia & Frank, 2011; Montague, Dolan, Friston & Dayan, 2012).

Der Begriff „computational“ dabei steht für die Nutzung von mathematischen Modellen und neuen statistischen Verfahren, die der Komplexität der Probleme eher gewachsen sind als ältere einfachere Herangehensweisen (Dayan & Abbott, 2001; MacKay, 2003). Die Aspekte der Komplexität lassen sich in drei nicht ganz scharf voneinander trennbare Aspekte unterteilen. Erstens sind die Objekte psychiatrischer Erkrankungen innere Prozesse deren Messung derzeit vor allem auf verbalen Äusserungen der Patienten beruht, die aber ansonsten nicht direkt beobachtbar sind. Sogenannte Bayesianische und Reinforcement Learning (RL) Modelle erlauben quantitative Rück-

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 21–26 DOI 10.1024/1661-4747/a000297

22

schlüsse auf diese Prozesse und ihre Funktionsweisen.

Zweitens erlauben theoretische Modelle die Verbindung von Phänomenen auf verschiedenen Ebenen. Genau wie ein Fahrrad aus verschiedenen Legierungen bestehen kann oder ein Programm auf verschiedenen Computern funktioniert können die gleichen psychischen Funktionen auf teilweise unterschiedlichen neurobiologischen Substraten beruhen. Quantitative theoretische Modelle erlauben es, die Effekte von Veränderungen auf einer Ebene auf andere Ebenen zu schätzen. Drittens haben die Fortschritte in den Informatikwissenschaften zu einer regelrechten Datenflut geführt, deren Bewältigung nur mithilfe neuer statistischer Verfahren aus dem Bereich des Maschinellen Lernens möglich ist. Im Folgenden werde ich diese drei Bereiche kurz anhand aktueller Beispiele beschreiben.

Quantifizierung innerpsychischer Prozesse Der Nutzen mathematischer Modelle bei der Quantifizierung innerpsychischer Prozesse lässt sich gut anhand von zwei Beispielen darstellen: der Entscheidungsfindung und der Dynamik psychiatrischer Symptome.

Entscheidungsfindung Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen scheinen oft suboptimale Entscheidungen zu treffen, z. B. in emotionalen Reaktionen auf soziale Situationen oder beim Konsum von Drogen. Optimale Entscheidungsfindung bedingt, dass nicht nur die immediaten, sondern auch die langfristigen Konsequenzen in Betracht gezogen werden. Moderne Entscheidungsfindungsmodelle (Daw, Niv & Dayan, 2005) unterscheiden zwischen zwei Algorithmen, die zur Lösung dieser schwierigen Aufgabe herbeigezogen werden. Psychische Krankheiten scheinen mit Störungen dieser zwei Algorithmen einherzugehen.

Sogenannte prospektive Entscheidungsfindung beinhaltet die explizite Bewertung aller oder vieler möglicher Verhaltensstrategien. Das Problem lässt sich gut Anhand von Schach illustrieren: um den optimalen Zug zu finden muss der Spieler für jeden seiner Züge alle Züge des Gegners bedenken; und für alle Züge des Gegners alle eigenen nächsten Züge etc. Da die Anzahl möglicher Zugkombinationen exponentiell zunimmt ist dies nur für einfache, kurze Entscheidungsprobleme realistisch, zum Beispiel im Endspiel wenn nur noch ganz wenige Figuren auf dem Brett stehen.

Am Anfang müssen die Spieler auf bewährte Formeln zurückgreifen, d. h. auf Eröffnungsstrategien, die schon oft

Q. J. M. Huys: Computational Psychiatry

gespielt wurden und die tendenziell zu einer guten Spiellage führen. Hier handelt es sich um die zweite Art von Entscheidungsfindung. Diese stützt sich retrospektiv, also zurückblickend, auf vergangene Erfahrungswerte. Gewohnheiten beruhen auf solchen retrospektiven Entscheidungsfindungsstrategien: Handlungen, die schon oft ausgeführt wurden und immer wieder belohnt wurden werden mit der Zeit automatisch, d. h. sie bedürfen nicht mehr der expliziten prospektiven Überlegung. Dopamin, ein im Hirnstamm produzierter Botenstoff, spielt beim Erlernen dieser Strategien eine zentrale Rolle (Schultz, Dayan & Montague, 1997). Dies erklärt die Beeinträchtigungen beim Erlernen neuer Gewohnheiten im Parkinsonismus (Frank, Moustafa, Haughey, Curran & Hutchison, 2007), und die starken Gewohnheiten, die das Bild stoffgebundener Abhähngigkeiten prägen. Während beim Parkinsonismus das dopaminerge Signal geschwächt ist, geht man von einer Stärkung dieses Signals bei Suchtkrankheiten aus (Huys, Tobler, Hasler & Flagel, 2014). Schizophrene Negativsymptome scheinen ähnlich wie Parkinsonismus mit Reduktionen dieser dopaminergen Signale einherzugehen (Kirschner et al., 2016).

Modellisierungsmethoden erlauben die Quantifizierung der verschiedenen Komponenten im Verhalten von Versuchspersonen. Zum Beispiel haben Sebold et al.

(2014) eine Aufgabe untersucht, in der sowohl prospektives als auch retrospektives Verhalten vorhanden ist (Daw, Gershman, Seymor, Dayan & Dolan, 2011). Die Messung der verschiedenen Anteile mit mathematischen Modellen ergab, dass bei Patienten mit Alkoholerkrankungen retrospektive Tendenzen stärker ausgeprägt sind als prospektive. Ein ähnliches Muster ergab sich aus in einer grossen Studie mit über 1000 Teilnehmern (Gillan, Kosinski, Whelan, Phelps & Daw, 2016). Erste Resultate der DFGStudie „Learning in Alcohol Disorders“ an der Charité Berlin und an der Technischen Universität Dresden lassen vermuten, dass solche Messungen bei der Vorhersage von Rückfällen nach Alkoholentzug nützlich sein könnten (Garbusow et al., 2016).

Dynamik von Symptomen Ein weiteres interessantes Gebiet ist die Untersuchung von psychiatrischen Symptomen. Diese werden üblicherweise entweder in Interviews von qualifizierten Personen erhoben, oder von Probanden selbst beurteilt. Hierbei wird oft versucht, die Symptome über einen gewissen Zeitraum zu mitteln. Zum Beispiel verlangt das Beck’sche Depressionsinventar, dass ein Zeitraum von zwei Wochen berücksichtigt werden sollten. Hochfrequente Messungen von Symptomen haben klar aufgezeigt, ass solche geschätzten Mittelwerte leider nicht sehr zuverlässig sind

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 21–26

© 2017 Hogrefe

Q. J. M. Huys: Computational Psychiatry

23

(Ben-Zeev & Young, 2010; Ben-Zeev, Young & Madsen, 2009; Treadway & Leonard, 2016).

Hochfrequente Messungen von Symptomen werden mit der Verbreitung von smartphones und ähnlichen Geräten immer einfacher. Dies hat auch den Vorteil, dass die Dynamik der Symptominteraktionen untersucht werden kann.

Klassischerweise werden Symptome als Ausdruck einer unterliegenden Krankheit gesehen (Abbildung 1A). Zum Beispiel kann das Vorliegen einer Depression sowohl zu Schlafschwierigkeiten wie auch zu Müdigkeit führen. Nun ist es aber natürlich auch möglich, dass Schlafschwierigkeiten ganz unabhängig vom Vorliegen einer Depression zu Müdigkeit führen kann (Abbildung 1B). Ähnlich könnten Konzentrationsstörungen bei der Arbeit zu Gefühlen von Insuffizienz und Hilfslosigkeit, und wiederum zu Gefühlen von Traurigkeit führen. Solche Interaktionen können nun zu komplexen Verläufen der Symptome führen

(Abbildung 1C). van de Leemput et al. (2014) haben solche dynamischen Interaktionen in einer grossen Stichprobe charakterisiert. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Interaktionen bei Beginn und beim Ende depressiver Episoden stärker werden, und ein Anzeichen für eine bevorstehenden Zustandveränderung des Krankheitsbildes sind.

In der Tat ist eine stärkere Vernetzung von Symptomen ein negatives prognostisches Zeichen (van Borkulo et al., 2015). Simulationen zeigen, dass einzelne Interaktionen hierbei eine zentrale Rolle übernehmen können (Abbildung 1D).

Die Quantifizierung solcher Symptominteraktionen beruht auf einer mathematischen Charakterisierungen von Netzwerken, die nicht in einzelnen Symptomen oder im Mittelwert oder der Summe über viele Symptome einfach erfassbar ist. Solche Modelle sind bisher vor allem auf grosse Gruppen angewandt worden, und die Entwicklung

Abbildung 1. Symptomdynamik. A: Die traditionelle Sichtweise. Hier geht man davon aus, dass die Symptome der Majoren Depression (MDD) davon abhängen, wie sehr diese ausgeprägt ist. Veränderungen der Symptome hängen dann ganz von Veränderungen der darunterliegenden aber nicht direkt beobachtbaren Krankheitsausprägung ab. B: Alternativ könnten sich Symptome aber auch direkt beeinflussen. Zum Beispiel könnte ein Gefühl der Hilfslosigkeit zu Traurigkeit führen,oder Schlafprobleme könnten zu Müdigkeit führen. C: In dieser Simulation führen die Interaktionen zwischen Symptomen in Abbildung B zu dynamischen Veränderungen aller Symptome über die Zeit. D: Einzelne Symptominteraktionen können starke Effekte auf die Dynamik haben. Hier wurde nur der Effekt von Hilflosigkeit auf Traurigkeit entfernt, und statt dem Verlauf in C wird in stabiler Verlauf mit temporärer Symptomatik beobachtet.

© 2017 Hogrefe

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 21–26

24

individueller Masse ist ein aktives Forschungsgebiet (Wichers, Groot, Psychosystems, ESM Group & EWS Group, 2016).

Integration verschiedener Funktionsebenen Ein weiteres Gebiet auf dem mathematische Modelle nützlich sind ist die Integration von Phänomenen auf verschiedenen Ebenen. Ein elegantes Beispiel hierbei sind die Effekte von NMDA-Ionenkanaldysfunktionen auf das Arbeitsgedächtnis in der Schizophrenie.

Wie Abbildung 2A zeigt, sind kortikale Pyramidenneuronen miteinander verbunden. Da diese sich gegenseitig anregen, braucht es inhibierende Interneuronen um die positive Rückkopplung zu kontrollieren. Durch eine geschickte Anordnung der positiven und negativen Rückkopplungen werden sogenannte Attraktorzustände ermöglicht, in denen die positive Rückkopplung zwischen den pyramidalen Neuronen die Aktivität aufrecht erhält, der negative Input der Interneuronen jedoch eine explosionsartige Zunahme verhindert. Sensorische oder andere

Q. J. M. Huys: Computational Psychiatry

Informationen können somit kurzfristig in der neuronalen Aktivität gespeichert werden, bis neue Informationen eingespeist werden. Diese stabilen Aktivitätsmuster entsprechen wahrscheinlich dem Kurzzeitgedächtnis, das in der Schizophrenie gestört ist. Veränderungen der Kopplungsstärken verändern die Stabilität der Aktivitätsmuster. Mathematische Modelle konnten nun zeigen, dass die Veränderungen der NMDA Kanäle in der Schizophrenie zu breiteren und weniger stabilen Aktivitätsmustern führen (Abbildung 2B; Murray et al., 2014).

Solche Modelle können also erklären, wie Veränderungen von Ionenkanälen in sehr spezifischen Zellen im Kortex zur Verschlechterung des Arbeitsgedächtnisses in der Schizophrenie führen (Abbildung 2C, D). Ähnlich detaillierte Voraussagen konnten mithilfe von detaillierten Modellen der Basalganglien erreicht werden (Frank, 2005; Frank et al., 2007).

Maschinelles Lernen Das dritte Gebiet auf dem mathematische Modelle der Psychiatrie unter die Arme greifen können ist bei der Mustererkennung in grossen, hochkomplexen Datensätzen.

Abbildung 2. Einfluss von NMDA Ionenkanälen auf das Arbeitsgedächtnis. A: Kortikale Pyramidenneuronen (E) erregen ihre Nachbarn und gleichzeitig auch Interneuronen (I), die wiederum alle Neuronen hemmen. B: Im Normalzustand führt diese Balance erregender und hemmender Interaktionen zu stabilen Aktivitätsmustern, die es erlauben, Informationen im Arbeitsgedächtnis aufrecht zu erhalten (oberes Bild). Eine Hemmung oder Dysfunktione der NMDA Kanäle im Modell führt zu einer Destabilisierung dieses Aktivitätsmusters. Das Arbeitsgedächtnis sollte also insgesamt gestört sein, aber vor allem anfällig sein auf ablenkende Stimuli, die dem im Arbeitsgedächtnis gespeicherten Stimulus ähnlich sind. C: Diese Voraussage wurde mit einem Versuch getestet, in dem Probanden sich den Ort eines ersten Stimulus (Encoding) merken sollten während mehrere zusätzliche ablenkende Stimuli gezeigt wurden. D: Ketamin, ein NMDA Hemmer, führt nicht nur zu psychotischen Symptomen (Krystal et al., 1994), aber auch spezifisch zu höheren Fehlerraten wenn die ablenkenden Stimuli nah (near) aber nicht fern (far) vom Stimulus sind, das gespeichert wurde (target). Alle Abbildungen von Murray et al. (2014).

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 21–26

© 2017 Hogrefe

Q. J. M. Huys: Computational Psychiatry

25

Hier kommen statistische Verfahren zur Anwendung, die auch in vielen anderen Bereichen beeindruckende Fortschritte ermöglicht haben, zum Beispiel in der automatischen Erkennung von Gesichtern in digitalen Bildern.

In der Psychiatrie wurden diese zuerst auf Daten aus der Bildgebung angewandt. So haben Fu et al. (2008) in einer frühen Arbeit versucht, anhand von magnetresonanztomographischen (MRT) Daten vorauszusagen, welche Patienten mit depressiven Erkrankungen auf kognitive Verhaltenstherapie ansprechen würden. Solche Ansätze wurden mittlerweile auch auf die Diagnose von Schizophrenie, Autismus, Demenz, ADHS und anderen Krankheiten angewandt, und auf die Voraussage von Therapieerfolg. Insgesamt sind die Resultate bisher meistens noch nicht robust genug für klinische Anwendungen (Wolfers, Buitelaar, Beckmann, Franke & Marquand, 2015), wobei eine wichtige Ausnahme hervorzuheben ist. Hier handelt es sich um eine multizentrische randomisierte Studie, im Rahmen derer Patienten mit depressiven Erkrankungen in zwei Behandlungsarme randomisiert wurden. Im ersten Behandlungsarm wurde die Medikation nach einem optimisierten Schema nach STAR*D ausgewählt. In zweiten Arm hingegen wurde die antidepressive Medikation anhand eines EEGs ausgewählt. Dieses EEG wurde mit EEGs einer grossen EEG Datenbank verglichen. Sodann wurde diejenige Medikation empfohlen, die bei Patienten mit ähnlichen EEGs gute Erfolge erzielt hatte. Beeindruckenderweise konnten mit dieser Medikationsverschreibung bessere Resultate erzielt werden als mit dem optimisierten Behandlungsprotokoll nach STAR*D (DeBattista et al., 2011).

Ein wichtiger Schritt bei der Anwendung von Methoden aus dem Maschinellen Lernen ist die Vorverarbeitung, bei der die Komplexität der Daten reduziert wird. Diese Reduktion geschieht oft „blind“, mit Methoden, die die eigentliche Biologie oder Psychologie nicht respektieren.

Eine neue Alternative eröffnet sich durch die Kombination der hier beschriebenen Methoden. Maschinelle Lernmethoden greifen besser, wenn die Vorverarbeitung von biologischen Daten mit Modellen geschieht, die die innerpsychischen oder darunterliegenden neurobiologischen Prozesse erfasst (Huys et al., 2016; Wiecki et al., 2015a; Wiecki, Poland & Frank, 2015b).

Klinische Anwendungen Wie aus dieser kurzen Beschreibung ersichtlich ist, können mathematische Modelle die psychiatrische Forschung in vielfältiger Weise unterstützen. Es ist aber auch klar, dass die meisten dieser Techniken bisher keine klinische Anwendung gefunden haben. Um diese Hoffnungen in © 2017 Hogrefe

Realität umzuwandeln schlugen Paulus, Huys und Maia (2016) in Anlehnung an den Entwicklungspfad pharmazeutischer Produkte vor, fünf Phasen in der Entwicklung theoretischer Anwendungen aus der Computational Psychiatry zu unterscheiden. In einer ersten präklinischen Phase werden mögliche Messwerte und Methoden entwickelt. In der Phase I werden diese dann auf Robustheit geprüft und normiert. Phase II bezieht sich auf den Nachweis der Effizienz der Methoden in randomisierten klinischen Versuchen, und Phase III auf den Nachweis des klinischen Nutzens in grösseren Studien. Schlussendlich würden Weiterentwicklungen und Ausdehnungen des Gebrauchs in Phase IV getestet. Derzeit befinden sich einige Methoden in Phase I. In Phase II wurde bisher nur die EEG-basierte Depressionsbehandlung von DeBattista et al. (2011) getestet.

Acknowledgements QH wird vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt.

Literatur Ben-Zeev, D. & Young, M. A. (2010). Accuracy of hospitalized depressed patients' and healthy controls' retrospective symptom reports: an experience sampling study. Journal of Nervous and Mental Disease, 198, 280–285.

Ben-Zeev, D., Young, M. A. & Madsen, J. W. (2009). Retrospective recall of affect in clinically depressed individuals and controls.

Cognition and Emotion, 23, 1021–1040.

Daw, N. D., Gershman, S. J., Seymour, B., Dayan, P. & Dolan, R. J. (2011). Model-based influences on humans' choices and striatal prediction errors. Neuron, 69, 1204–1215 Daw, N. D., Niv, Y. & Dayan, P. (2005). Uncertainty-based competition between prefrontal and dorsolateral striatal systems for behavioral control. Nature Neuroscience, 8, 1704–1711.

Dayan, P. & Abbott, L. F. (2001). Theoretical Neuroscience. Computational and mathematical modeling of neural systems. Cambridge, Massachusetts: MIT Press.

DeBattista, C., Kinrys, G., Hoffman, D., Goldstein, C., Zajecka, J., Kocsis, J., … Fava, M. (2011). The use of referenced-eeg (reeg) in assisting medication selection for the treatment of depression.

Journal of Psychiatry Research, 45, 64–75.

Frank, M. J. (2005). Dynamic dopamine modulation in the basal ganglia: a neurocomputational account of cognitive deficits in medicated and nonmedicated Parkinsonism. Journal of Cognitive Neuroscience, 17, 51–72.

Frank, M. J., Moustafa, A. A., Haughey, H. M., Curran, T. & Hutchison, K. E. (2007). Genetic triple dissociation reveals multiple roles for dopamine in reinforcement learning. Proceedings of the National Academy of Sciences, 104, 16311–16316.

Fu, C. H. Y., Williams, S. C. R., Cleare, A. J., Scott, J., Mitterschiffthaler, M. T., Walsh, N. D., … Murray, R. M. (2008). Neural responses to sad facial expressions in major depression following cognitive behavioral therapy. Biological Psychiatry, 64, 505–512.

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 21–26

26

Garbusow, M., Schad, D. J., Sebold, M., Friedel, E., Bernhardt, N., Koch, S. P., … Heinz, A. (2016). Pavlovian-to-instrumental transfer effects in the nucleus accumbens relate to relapse in alcohol dependence. Addiction Biology, 21, 719–731.

Gillan, C. M., Kosinski, M., Whelan, R., Phelps, E. A. & Daw, N. D. (2016). Characterizing a psychiatric symptom dimension related to deficits in goal-directed control. Elife, 5.

Huys, Q. J. M., Cools, R., Gölzer, M., Friedel, E., Heinz, A., Dolan, R. J. & Dayan, P. (2011). Disentangling the roles of approach, activation and valence in instrumental and Pavlovian responding. PLoS Computational Biology, 7, 1002028.

Huys, Q. J. M., Maia, T. V. & Frank, M. J. (2016). Computational psychiatry as a bridge from neuroscience to clinical applications.

Nature Neuroscience, 19, 404–413.

Huys, Q. J. M., Tobler, P. N., Hasler, G. & Flagel, S. B. (2014). The role of learning-related dopamine signals in addiction vulnerability.

Progress in Brain Research, 211, 31–77.

Kirschner, M., Hager, O. M., Bischof, M., Hartmann, M. N., Kluge, A., Seifritz, E., … Kaiser, S. (2016). Ventral striatal hypoactivation is associated with apathy but not diminished expression in patients with schizophrenia. Journal of Psychiatry & Neuroscience, 41, 152–161.

Krystal, J. H., Karper, L. P., Seibyl, J. P., Freeman, G. K., Delaney, R., Bremner, J. D., … Charney, D. S. (1994). Subanesthetic effects of the noncompetitive nmda antagonist, ketamine, in humans: psychotomimetic, perceptual, cognitive, and neuroendocrine responses. Archives of General Psychiatry, 51, 199–214.

MacKay, D. J. (2003). Information theory, inference and learning algorithms. Cambridge, UK: CUP. Maia, T. V. & Frank, M. J. (2011). From reinforcement learning models to psychiatric and neurological disorders. Nature Neuroscience, 14, 154–162.

Montague, P. R., Dolan, R. J., Friston, K. J.& Dayan, P. (2012). Computational psychiatry. Trends in Cognitive Science, 16, 72–80.

Murray, J. D., Anticevic, A., Gancsos, M., Ichinose, M., Corlett, P. R., Krystal, J. H. & Wang, X.-J. (2014). Linking microcircuit dysfunction to cognitive impairment: effects of disinhibition associated with schizophrenia in a cortical working memory model. Cerebral Cortex, 24, 859–872.

Paulus, M. P., Huys, Q. J. & Maia, T. V. (2016). A roadmap for the development of applied computational psychiatry. Biological Psychiatry: CNNI, im Druck.

Schultz, W., Dayan, P. & Montague, P. R. (1997). A neural substrate of prediction and reward. Science, 275, 1593–1599.

Q. J. M. Huys: Computational Psychiatry

Sebold, M., Deserno, L., Nebe, S., Schad, D. J., Garbusow, M., Hägele, C., … Huys, Q. J. M. (2014). Model-based and model-free decisions in alcohol dependence. Neuropsychobiology, 70, 122–131.

Treadway, M. T. & Leonard, C. V. (2016). Isolating biomarkers for symptomatic states: considering symptom-substrate chronometry. Moecular Psychiatry, 21, 1180–1187. van Borkulo, C., Boschloo, L., Borsboom, D., Penninx, B. W. J. H., Waldorp, L. J. & Schoevers, R. A. (2015). Association of symptom network structure with the course of longitudinal depression.

JAMA Psychiatry, 72, 1219–1226. van de Leemput, I. A., Wichers, M., Cramer, A. O. J., Borsboom, D., Tuerlinckx, F., Kuppens, P., … Scheffer, M. (2014). Critical slowing down as early warning for the onset and termination of depression. Proceedings of the National Academy of Sciences, 111, 87–92.

Wichers, M., Groot, P. C., Psychosystems, ESM Group & EWS Group (2016). Critical slowing down as a personalized early warning signal for depression. Psychotherapy and Psychosomatics, 85, 114–116.

Wiecki, T. V., Antoniades, C. A., Stevenson, A., Kennard, C., Borowsky, B., Owen, G., … Frank, M. J. (2015a). A computational cognitive biomarker for early-stage huntington's disease. PLoS One, 11, e0148409.

Wiecki, T. V., Poland, J. & Frank, M. J. (2015b). Model-based cognitive neuroscience approaches to computational psychiatry clustering and classification. Clinical Psychological Science, 3, 378–399.

Wolfers, T., Buitelaar, J. K., Beckmann, C. F., Franke, B. & Marquand, A. F. (2015). From estimating activation locality to predicting disorder: A review of pattern recognition for neuroimagingbased psychiatric diagnostics. Neuroscience and Biobehavioral Reviews, 57, 328–349.

Quentin JM Huys Translational Neuromodeling Unit Wilfriedstrasse 6 8032 Zürich Schweiz qhuys@cantab.net

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 21–26

© 2017 Hogrefe

STAXI-2 KJ Das State-Trait-Ärgerausdrucks-Inventar – 2 für Kinder und Jugendliche Deutschsprachige Adaptation und Erweiterung des State-Trait Anger Expression Inventory–2 Child and Adolescent (STAXI-2 C/A) von Thomas M. Brunner und Charles D. Spielberger Katharina Kupper / Sonja Rohrmann Einsatzbereich Kinder und Jugendliche von 9 bis 16 Jahren, sowohl für Fragestellungen in der psychologischen und klinischen Forschung als auch in der psychotherapeutischen Praxis zur Diagnostik und Therapieplanung bzw. -evaluation. Selbst- und Fremdbeurteilung können unabhängig voneinander eingesetzt und ausgewertet werden.

Test komplett Bestehend aus: Manual, je 10 Fragebogen Selbst- und Fremdbeurteilung, je 10 Auswertungsbogen Selbst- und Fremdbeurteilung, 20 Profilbogen (Selbst- und Fremdbeurteilung) und Box. Best.-Nr. 03 199 01 € 106,00 / CHF 127.00

Verfahren Das STAXI-2 KJ ist ein Verfahren zur Erfassung von situationsbezogenem und dispositionellem Ärger, Ärgerausdruck und Ärgerkontrolle. Mit der Selbstbeurteilungsversion kann der situationsbezogene Ärger bzw. Zustandsärger (State-Ärger) erfasst werden, der in die Subskalen Ärgergefühl und State-Ärgerausdruck unterteilt wird. Darüber hinaus wird der dispositionelle Ärger (Trait-Ärger) mit den Subskalen Ärger-Temperament und Ärger-Reaktion erfasst sowie der Ärgerausdruck, der sich in den nach außen gerichteten Ärgerausdruck und den nach innen gerichteten Ärgerausdruck unterteilen lässt. Zusätzlich wird die Ärgerkontrolle erfasst. In der Fremdbeurteilungsversion wird auf die Erfassung des situationsbezogenen Ärgers, der eine Ärgerinduktion voraussetzen würde, verzichtet.

Zuverlässigkeit Selbstbeurteilung: interne Konsistenzen zwischen Ѓ = .71 und .88; Korrelationen

www.hogrefe.com

zur Überprüfung der Retest-Reliabilität moderat bis hoch (rtt = .33 und .53).

Fremdbeurteilung: interne Konsistenzen zwischen Ѓ = .70 und .83; Korrelationen zur Überprüfung der Retest-Reliabilität hoch (rtt = .51 bis .76).

Gültigkeit Die Konstrukvalidität wurde durch die Berechnung der konvergenten und diskriminanten Validität über Korrelationen mit konstruktnahen und konstruktfernen Verfahren sowie durch die Überprüfung der theoretisch angenommenen Faktorenstruktur mithilfe von Konfirmatorischen Faktorenanalysen, durch Überprüfung von Alters- und Geschlechtsunterschieden und dem Vergleich einer Paper-Pencil- mit einer Online-Erhebung belegt. Die Kriteriumsvalidität wurde durch den Vergleich einer klinischen Stichprobe mit Kindern und Jugendlichen der Allgemeinbevölkerung überprüft.

Normen Selbstbeurteilung: N = 324 Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 16 Jahren; Fremdbeurteilung: N = 305 Bezugspersonen für den gleichen Altersbereich; Gesamtnormen in Form von Prozenträngen und Stanine-Werten.

Bearbeitungsdauer Selbstbeurteilung ca. 10 Minuten, Fremdbeurteilung ca. 5 Minuten; Auswertung ca. 5 Minuten.

Exakt abgegrenzte Kriterien

WHO – World Health Organization

Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 Kapitel V (F). Diagnostische Kriterien für Forschung und Praxis Deutsche Ausgabe herausgegeben von Horst Dilling / Werner Mombour / Martin H. Schmidt / Elisabeth Schulte-Markwort.

6., überarb. Aufl. 2016. 264 S., Kt € 29,95 / CHF 39.90 ISBN 978-3-456-85700-8

Das Manual für erfahrene Anwender in Forschung und klinischer Praxis - auf dem neuesten Stand der German Modification (GM) 2016 Die Diagnostischen Kriterien stellen das geeignete Manual für den klinischen Gebrauch erfahrener Anwender dar. Klar und übersichtlich verdeutlichen sie das Gesamtkonzept und die für die Diagnose entscheidenden Kriterien des Kapitels V(F) der ICD-10, psychische und Verhaltensstörungen bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern.

Die Diagnostischen Kriterien enthalten im Vergleich zu den klinisch-diagnostischen Leitlinien insgesamt stringentere diagnostische Merkmale. In den vergangenen Jahren haben sie sich in der Forschung bewährt, inzwischen aber auch in der Praxis, sodass sich ihr Geltungsbereich deutlich erweitert hat.

www.hogrefe.com

Im Text werden neben den Kodierungsziffern und den Störungsbezeichnungen nur die eigentlichen diagnostischen Kriterien und die Verknüpfungsregeln aufgeführt.

Im Anhang finden sich einige ergänzende vorläufige Diagnosen sowie kulturspezifische Störungen.

Für die 6. überarbeitete Auflage wurde das Buch entsprechend der German Modification (ICD-10-GM) 2016 des Deutschen Instituts für Medizinische Datenverarbeitung und Information (DIMDI) überarbeitet und ergänzt.

Themenschwerpunkt

Komputationale Modelle in der psychiatrischen Forschung Andreas Heinz1, Florian Schlagenhauf1,2, Lea Mascarell Maricic1 und Laura S. Daedelow1 1 2

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité – Universitätsmedizin Berlin Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig

Zusammenfassung: Komputationale Methoden werden in einem weiten Bereich psychiatrischer Forschung eingesetzt v. a. beim Umgang mit großen Datensätzen. Hier diskutieren wir, wie mit Hilfe komputationaler Methoden das Entscheidungsverhalten in bestimmten Testsituationen in mathematischen Gleichungen abgebildet werden kann, um diesem Entscheidungsverhalten wiederum neurobiologischen Korrelaten zuordnen zu können. Ein bekanntes Beispiel ist das belohnungsabhängige Lernen, bei dem die Größe eines Vorhersagefehlers, d. h. des Unterschieds zwischen der erwarteten und der eingetroffenen Belohnung, mathematisch berechenbar ist und mit entsprechenden Signalen wie der Dopaminfreisetzung im ventralen Striatum in Tiermodellen oder entsprechenden funktionellen Bildgebungskorrelaten beim Menschen in Verbindung gebracht werden kann. Veränderungen dieser Lernmechanismen lassen sich nosologieübergreifend bei verschiedenen Störungsbildungen wie Suchterkrankungen, Psychosen und majoren affektiven Erkrankungen nachweisen und ermöglichen so einen dimensionalen Ansatz, mit dem neurobiologische Korrelate einzelner Mechanismen in verschiedenen Krankheitsbildern identifiziert und mit Teilaspekten der Symptomatik in Verbindung gebracht werden können. Die vorliegende Arbeit diskutiert entsprechende Ansätze im Bereich Pawlowschen Konditionierens und des belohnungsabhängigen, zielgerichteten und habituellen Entscheidungsverhaltens. Der Fokus auf Lernmechanismen betont hierbei die Vielfältigkeit und Veränderbarkeit menschlichen Verhaltens, beispielsweise durch Trainingsprogramme oder kognitiv-behaviorale Interventionen.

Schlüsselwörter: Komputational, psychiatrische Forschung, Vorhersagefehler, Pawlowsche Konditionierung

Computational Models in Psychiatric Research Abstract: Computational methods are widely used in psychiatric research and comprise big data approaches as well as the here discussed research approach, that mathematically models decision making in order to identify its neurobiological correlates. A well-known example is reward-dependent learning, where the prediction error (the difference between expected and actual reward) is mathematically computable and can be linked to neural signals such as dopamine release in the ventral striatum of animals and its functional correlates in humans.

Changes in relevant learning mechanisms can be detected across different mental disorders including substance use disorders, psychoses and major depressive disorders thus providing a dimensional approach to identify neurobiological correlates of specific learning-mechanisms and their associated symptoms in different mental disorders. Here we discuss key approaches in the area of Pavlovian conditioning as well as reward-dependent (goal-directed and habitual) decision making. The focus on learning mechanisms emphasizes the diversity and modifiability of human behavior, which can be targeted therapeutically with training programs and cognitive-behavioral interventions.

Keywords: computational, psychiatric research, prediction error, pavlovian conditioning

Zwei entscheidende Entwicklungen bahnten in den 1990er Jahren den heutigen komputationalen Ansätzen in der psychiatrischen Forschung den Weg. Zum einen beschrieben Schultz und andere (Schultz, Dayan & Montague, 1997), dass das Ausmaß der phasischen Dopaminfreisetzung die Größe des Unterschieds zwischen der eingetroffenen und der erwarteten Belohnung reflektiert und so den sogenannten „Vorhersagefehler“ (prediction errror) abbildet. Weiterhin beobachteten Schultz und andere, dass auch konditionierte Reize, die selbst zeitlich überraschend auftreten und verlässlich Belohnung vorhersagen, einen vergleichbar positiven Wert wie die eigentli© 2017 Hogrefe

che Belohnung erhalten und ebenfalls eine phasische Dopaminfreisetzung auslösen können, die wiederum einen Vorhersagefehler (das unerwartete Auftreten eines konditionierten Reizes, der Belohnung vorhersagt) signalisiert (Schultz et al., 1997). Eine vollständig vorhergesagte Belohnung löst dem gegenüber keinen Vorhersagefehler aus.

Entsprechende Untersuchungen mit funktioneller Kernspintomographie beim Menschen ergaben, dass auch hier die funktionelle Aktivierung im Bereich des ventralen Striatums, einem Hauptprojektionsgebiet der aufsteigenden dopaminergen Bahnen aus dem Hirnstamm, das Ausmaß des Vorhersagefehlers enkodiert (O'Doherty, Dayan, Fris-

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 27–36 DOI 10.1024/1661-4747/a000298

28

ton, Critchley & Dolan, 2003). Eine vollständig vorhergesagte Belohnung, die beispielsweise regelhaft durch einen konditionierten Stimulus angekündigt wird, löst demgegenüber keine phasische Dopaminfreisetzung aus. Auf letzterem Befund aufbauend postulierten Robinson und Berridge bereits 1993 (Robinson & Berridge, 1993), dass die phasische Dopaminfreisetzung mit der „Begierde“ (wanting) nach einer Belohnung verbunden ist, nicht aber mit dem Genuss beim Konsum eines vollständig vorhergesagten Verstärkers wie z. B. Nahrung. Der hedonische Genuss beim Konsum (liking) wäre demnach von der Vorfreude und Begierde nach diesem Konsum abzutrennen. Ein hedonischer Genuss kann beispielsweise durch Endorphine oder serotonerge Neurotransmission signalisiert werden, während Vorfreude und Begierde von der phasischen Dopaminfreisetzung im ventralen Striatum abhängen (Heinz, 2000). Aufbauend auf solchen Überlegungen wurden einfache Paradigmen entwickelt, in denen zeitlich unvorhergesehene, konditionierte Reize (bei rechtzeitigem Knopfdruck) entweder die Möglichkeit des Gewinns einer Geldmenge vorhersagen oder die Möglichkeit, den Verlust einer solchen Geldmenge abzuwenden. Im Vergleich mit neutralen Reizen lösen sowohl gewinnanzeigende Reize wie (zu einem geringeren Umfang) Reize, die einen drohenden Verlust signalisieren, eine Aktivierung des ventralen Striatums aus (Heinz & Schlagenhauf, 2010; Knutson, Adams, Fong & Hommer, 2001).

Derartige Studien wurden in verschiedenen Krankheitsbildern durchgeführt und zeigten, dass Patienten mit schizophrenen Psychosen und Alkoholabhängigkeit sowie teilweise auch Patienten mit majorer Depression eine verminderte Aktivierung des ventralen Striatums bei gewinnanzeigenden Reizen zeigen (Hägele et al., 2015; Juckel et al., 2012; Wrase et al., 2007). Diese Verminderung war mit dem Ausmaß der Depressivität verbunden, was darauf hinweist, dass eine Beeinträchtigung der neuronalen Enkodierung möglicher Belohnung nosologieübergreifend zu negativen Stimmungszuständen bei verschiedenen Krankheitsbildern beitragen kann (Hägele et al., 2015). Der hier verwendete, von Knutson und Kollegen (2001) etablierte Test kann allerdings die Höhe des Vorhersagefehlers nicht genau abschätzen, der durch das zeitlich unerwartete Auftreten eines belohnungsanzeigenden Reizes ausgelöst wird. Hinzu kommt, dass hier unterschiedliche Lernmechanismen involviert sind: sowohl Pawlowsches Konditionieren von Reizen, die eine bestimmte Belohnung vorhersagen, als auch operantes Lernen aus dem Erfolg oder Misserfolg der Reaktion, in diesem Fall der Geschwindigkeit der Durchführung eines Knopfdrucks, um die angezeigte Belohnung auch tatsächlich zu erhalten oder die drohende Bestrafung zu vermeiden. Neuere Lernparadigmen bemühen sich deshalb, diese unterschiedlichen Lernmechanismen zu unterscheiden

A. Heinz et al.: Komputationale Modelle

und komputational in entsprechenden Modellen abzubilden.

Pawlowsches Konditionieren Der Transfereffekt von Pawlowschen Reizen auf instrumentelles Verhalten Pawlows berühmte Beobachtung, dass nicht nur die Präsentation von Nahrung, sondern auch seine Schritte, die die Hunde hörten bevor er ihnen Nahrung präsentierte, zum Speichelfluss führen, war der Ausgangspunkt einer Serie von Untersuchungen, die den Einfluss solcher konditionierter, Pawlowscher Reize wie eben der Schritte auf entsprechend biologisch fest verankerte Reaktionen wie dem Speichelfluss bei Tieren erforschten (Pavlov & Anhrep, 1927). Pawlowsche Reize und ihre Wirkungen auf entsprechende fest verankerte Reaktionen spielen auch beim Mensch eine Rolle. Beispielsweise kann die plötzliche Konfrontation mit einem alkoholischen Lieblingsgetränk zu einer konditionierten Reaktion führen, die neben entsprechend appetitiven Veränderungen wie der Speichelproduktion auch die Begierde umfassen kann, das Getränk zu konsumieren.

Wichtiger als solche direkten Reaktionen sind jedoch offenbar komplexe Kombinationen von Pawlowschen Reizen und zielgerichtetem Verhalten. So schilderte ein alkoholabhängiger Patient, dass er trotz Abstinenzwunsches dann besonders gefährdet sei, rückfällig zu werden, wenn er abends allein durch eine Straße gehe und aus einer unter dem grauen Abendhimmel hell erleuchteten Bar das Gläserklingen vernehme. Dann wäre er „verloren“. Ein solcher konditionierter Reiz (das Gläserklingen) löst hier aber nicht nur biologisch „hart“ verankerte Reaktionen wie beispielsweise Speichelfluss aus, sondern nimmt offenbar Einfluss auf eine ganze Reihe zielgerichteter Verhaltensweisen: Der besagte Patient muss die Bar betreten, ein Getränk ordern, ggf. schon vor dem Konsum dafür bezahlen usw … Versteht man das Gläserklingen als Pawlowschen konditionierten Reiz, dann beeinflusst dieser offenbar eine ganze Reihe instrumenteller Verhaltensweisen. Dieses Phänomen wird als Pavlovian-to-Instrumental Transfer (PIT) bezeichnet. Hierbei wird unterschieden, ob generell alle möglichen instrumentellen Reaktionen durch appetitive, Pawlowsche Reize verstärkt werden oder speziell nur solche Reaktionen, die zur Erlangung einer spezifischen Belohnung führen, die inhaltlich mit dem Pawlowschen Reiz in Verbindung steht (Genauck, Huys, Heinz & Rapp, 2013). Tatsächlich wurde beobachtet, dass bei Präsentation appetitiver, d. h. zuvor belohnter Pawlowscher Reize die Neigung der Versuchspersonen steigt, eine davon ganz un-

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 27–36

© 2017 Hogrefe

A. Heinz et al.: Komputationale Modelle

29

abhängige instrumentelle Handlung (im Rahmen dieses Experimentes das Einsammeln bestimmter Objekte wie z. B. Muscheln) durchzuführen, während aversive Reize dazu führen, dass eine durchaus sinnvolle Handlung unterbleibt (Garbusow et al., 2016). Solche Mechanismen machen kontextuell durchaus Sinn: Man stelle sich vor, dass man entweder bei strahlendem Sonnenschein oder nachts bei Regen durch einen Wald geht und ein Knacken im Unterholz hört. Im ersten Fall wird man eher geneigt sein, nach dem Urheber des Geräusches zu suchen und vielleicht ein Eichhörnchen oder ein anderes Waldtier zu entdecken, während eine ähnliche Reaktionsbereitschaft im Kontext aversiver konditionierter Reize (dunkle Schatten im nächtlichen Wald, Regen) eher unterbleiben wird. Tatsächlich zeigen entgiftete alkoholabhängige Patienten ebenso wie gesunde Kontrollpersonen einen solchen PIT-Effekt, der jedoch bei entgifteten alkoholabhängigen Patienten besonders ausgeprägt war (Abb. 1).

Das Ausmaß der neuralen Korrelate des PIT-Effekts, also der tatsächlich durch appetitive Reize gesteigerten Aktionen im unabhängigen instrumentellen Verhalten bzw. die Hemmung derselben, war bei später rückfälligen Patienten im Nucleus accumbens stärker ausgeprägt als bei gesunden Kontrollpersonen, während dies bei Patienten, die später abstinent bleiben konnten, nicht der Fall war (Garbusow et al., 2016).

Diese Beobachtung zeigt, dass alkoholabhängige Patienten möglicherweise dann besonders rückfallgefährdet sind, wenn sich ihre zielgerichteten Verhaltensweisen stark durch Umweltreize beeinflussen lassen. Entsprechend gibt es eine Unterscheidung in Rückfallsituationen, die durch positive Stimmungen ausgelöst werden (geselliges Beisammensein, Feiern etc.) und solche, die eher mit Stressbelastungen in Verbindung stehen (Heinz et al., 2003). Patienten, die vor allem dann rückfällig werden, wenn sie im geselligen Beisammensein mit anderen auf

Anzahl der Tastendrucke relativ zu 0 Euro (weder Gewinn noch Verlust)

A)

Pawlowscher Hintergrundreiz (assoziiert mit +2 €) Assoziierter Wert des Pawlowschen Hintergrund-Bildes in Euro (durch Pawlowsches Konditionieren mit Geldstücken von −2 € bis +2 €)

Individueller PIT-Effekt

B) Erklärung. A) HC = gesunde Kontrollprobanden; AD = alkoholabhängige Patienten; Der PIT-Effekt wird messbar, wenn der Wert des Hintergrundbildes Einfluss auf das davon eigentlich ganz unabhängige instrumentelle Verhalten im Vordergrund hat (implizit).

Das bedeutet: Das unabhängige instrumentelle Verhalten (z. B. gute Muscheln einsammeln) wird verstärkt ausgeführt (mehr Tastendrucke), wenn im Hintergrund ein Bild mit +1 € oder +2 €-Wert assoziiert gezeigt wird. Im Gegensatz dazu kommt es zu verminderten Tastendrucken bei −1 € oder −2 €-Wert-assoziierten Hintergrund-Bildern. B) Gruppenvergleich des individuellen PIT-Effekts, der bei alkoholabhängigen Patienten (AD) stärker ausgeprägt ist als bei gesunden Kontrollprobanden (HC) (modifiziert nach Garbusow et al., 2016).

Abbildung 1. Unterschiede in der Stärke des PIT-Effektes zwischen alkoholabhängigen Patienten und gesunden Kontrollprobanden.

© 2017 Hogrefe

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 27–36

30

den Alkohol nicht verzichten wollen, könnten dementsprechend besonders gefährdet sein, wenn sie einen solchen verstärkten PIT-Effekt zeigen. Umgekehrt war bei Patienten mit majorer Depression der auch bei gesunden Kontrollpersonen zu beobachtende PIT-Effekt offenbar ganz verloren gegangen (Huys et al., 2016). Anders als man vielleicht vermuten könnte, fand sich bei Patienten mit majorer Depression also nicht einfach ein Trend (Bias) in Richtung einer Verhaltenshemmung durch aversive Stimuli, sondern es zeigte sich ein gänzlicher Verlust der Einwirkung von Pawlowschen Reizen auf instrumentelles Verhalten. Übertragen auf den klinischen Alltag könnte das bedeuten, dass Patienten mit majorer Depression sich zu wenig von Kontextfaktoren ihrer Umwelt anregen oder hemmen lassen, was zu Antriebsstörungen und zu einem verminderten affektiven Kontakt mit der Umwelt beitragen könnte.

Zielgerichtetes vs. habituelles Verhalten Instrumentelle, d. h. eine bestimmte Konsequenz hervorrufende, Verhaltensweisen werden durch Belohnung verstärkt und durch Bestrafung oder ausbleibende Belohnung abgeschwächt, was auch als operante Konditionierung bezeichnet wird. Innerhalb dieser Verhaltensweisen können flexible, zielgerichtete Abläufe, die verschiedenste Verhaltensmöglichkeiten in Betracht ziehen, von solchen unterschieden werden, die eher gewohnheitsmäßig (habituell) ablaufen. Viele neu erworbene Verhaltensweisen gehören zuerst zu den flexiblen Abläufen, die mit hoher Konzentration immer wieder geübt werden müssen bis sie habituell „fast reflexartig“ ablaufen. Man denke an bestimmte Bewegungen beim Sport: neurobiologisch spielen hierbei frontokortikale-striato-thalamische Regelkreise eine wichtige Rolle, wobei die zunehmende Gewohnheitsbildung mit einer Verschiebung der Informationsverarbeitung vom ventralen zum dorsalen Striatum zusammenhängen soll (Alexander, DeLong & Strick, 1986; Haber, Fudge & McFarland, 2000).

Zielgerichtete Verhaltensweisen können mit einfachen Entscheidungsaufgaben untersucht werden. Beispielsweise soll eine Versuchsperson eine linke oder rechte Taste drücken, wobei die entsprechende Entscheidung nur in 80 % der Fälle belohnt wird, sodass diese probabilistische Komponente dazu führt, dass jede Entscheidung mit einer gewissen Unsicherheit verbunden ist und zu Vorhersagefehlern führen kann. Zudem wird in solchen Aufgaben in der Regel nach einer gewissen Zeit die „gute“ Seite vertauscht, sodass die Person erneut lernen muss, welche Wahl die bessere ist (reversal learning). Solche einfachen Entscheidungsaufgaben lassen sich durch verschiedene Strategien lösen, welche durch entsprechende komputati-

A. Heinz et al.: Komputationale Modelle

onale Modelle beschrieben werden können. So kann die Versuchsperson bzw. der Computer, der ihr Entscheidungsverhalten abbilden soll, beispielsweise beim Eintreffen der Rückmeldung (Belohnung oder Bestrafung) nur dem Belohnungswert der ausgewählten Option (Seite) anpassen z. B. nach Drücken des rechten Knopfes den bisher beim Drücken dieser Seite durchschnittlich erhaltenen Belohnungswert mit dem Vorhersagefehler aufsummieren (dabei wird der Vorhersagefehler mit der Lernrate gewichtet, die dadurch den Einfluss des Vorhersagefehlers modifiziert, bei hohen Lernraten wirkt der Vorhersagefehler entsprechend stärker). Man kann eine solche Rechenleistung aber auch für beide Wahlmöglichkeiten durchführen, d. h. man kann ebenfalls berechnen, was denn auf der linken Seite zu gewinnen wäre, wenn man diese ausgewählt hätte. Zudem kann man (was viele Menschen tun) Verluste stärker gewichten als Gewinne. Schließlich kann man auch ganz einfach mitzählen und herausfinden, nach wie vielen Fehlerrückmeldungen man am besten die Seite wechseln sollte, oder eine andere kognitive Strategie entwickeln, die den Versuchsaufbau abbilden und dadurch zum Ziel führen soll. Letztgenannte Strategien können beispielsweise durch ein sogenanntes „Hidden Markov Model“ abgebildet werden. Untersuchungen bei alkoholabhängigen Patienten, schizophrenen Patienten und Patienten mit majorer Depression zeigten nun Beeinträchtigungen in der Lerngeschwindigkeit der jeweiligen Patienten im Vergleich zu Kontrollpersonen sowie der neuronalen Korrelate, die mit entscheidenden Rechenschritten bei der Bewältigung der Aufgabe verbunden sind (Kumar et al., 2008; Park et al., 2010; Schlagenhauf et al., 2014). So fand sich bei alkoholabhängigen Patienten eine Verminderung der Lerngeschwindigkeit, ohne dass die Enkodierung des Vorhersagefehlers im ventralen Striatum selbst beeinträchtigt war (Park et al., 2010). Stattdessen zeigte sich bei diesen Patienten, dass die funktionelle Konnektivität, d. h. die neurale Interaktion zwischen dem ventralen Striatum und dem dorsolateralen präfrontalen Kortex verändert war: Während bei gesunden Kontrollpersonen diese dann besonders ausgeprägt war, wenn die Aufgabe erfolgreich durchgeführt wurde, und besonders gering war, wenn dies nicht der Fall war, waren diese Unterschiede bei alkoholabhängigen Patienten vermindert (Park et al., 2010). Im Gegensatz dazu zeigten schizophrene Patienten eine deutlichere Beeinträchtigung ihrer Lerngeschwindigkeit, zudem war die mit der Enkodierung des Vorhersagefehlers verbundene funktionelle Aktivierung im ventralen Striatum vermindert (Schlagenhauf et al., 2014).

Gerade die letztgenannte Arbeit zeigt aber, warum über das komputationale Modellieren des Entscheidungsverhaltens hinaus die Notwendigkeit besteht, zu prüfen, ob einzelne Versuchspersonen sich tatsächlich so verhalten,

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 27–36

© 2017 Hogrefe

A. Heinz et al.: Komputationale Modelle

31

dass ihre Entscheidungsabläufe durch das mathematische Modell erfasst werden. Ein Teil der unmedizierten schizophrenen Patienten verhielt sich nämlich nicht so, wie dies das „Hidden Markov Model“ für die gesunden Kontrollpersonen und einen anderen Teil der unmedizierten schizophrenen Patienten vorausgesagt hätte. Bei Patienten, deren Verhalten nicht durch ein „Hidden Markov Model“ zu erklären waren, wären dann natürlich auch die entsprechenden neuralen Korrelate des damit verbundenen Entscheidungsablaufes nicht zu erwarten. So käme es dann z. B. nicht zur funktionellen Aktivierung des ventralen Striatums bei Auftreten informativer Fehler, die zu einer neuen Verhaltensausrichtung führen (beispielsweise dem Seitenwechsel beim Drücken der Knöpfe), da diese das Verhalten der Versuchsperson gar nicht nachweisbar beeinflussen und damit offenbar auch von ihnen gar nicht berechnet werden.

Es genügt also nicht, einfach darauf hinzuweisen, dass eine bestimmte Patientengruppe eine gewisse Hirnaktivierung „nicht zeigt“ – man muss belegen, dass sich diese Patientengruppe tatsächlich entsprechender Entscheidungsabläufe bedient und dass es deshalb zu erwarten wäre, dass bestimmte Berechnungen (wie eben die Berechnung informativer Fehler) durchgeführt werden.

Wenn sich dagegen bei einer Patientengruppe fehlende Aktivierungen in Korrelationen mit bestimmten mathematischen Entscheidungsschritten nachweisen lassen, die auch das Verhalten der Versuchsperson erklären, spricht dies für eine biologische Veränderung. Dies war tatsächlich bei den Patienten der Fall, die die Aufgabe so bewältigten wie die gesunden Kontrollpersonen. Offenbar kompensierten diese Patienten durch zusätzliche Aktivierung von Bereichen des frontalen Kortex. Solche Kompensationsleistungen können aber in anderen Situationen dazu führen, dass es zur Überforderung kommt.

Die Arbeit von Schlagenhauf und Kollegen (Schlagenhauf et al., 2014) zeigt also dreierlei: 1. Die Notwendigkeit per Modellvergleich die Verhaltensstrategien zu identifizieren, mit denen die Entscheidungsabläufe von Individuen am besten beschrieben werden können; 2. Die nötige Prüfung, ob individuelle Patienten oder Kontrollpersonen sich tatsächlich entsprechend dieser Verhaltensmodelle verhalten; 3. Die notwendige Suche nach Kompensationsmechanismen, wenn ein entsprechender Entscheidungsablauf offenbar durchgeführt wird, aber nicht zur Aktivierung der Hirnregionen führt, die bei gesunden Kontrollpersonen zu beobachten ist. Auch bei Patienten mit majorer Depression zeigten sich Verminderungen der Lerngeschwindigkeit und der neuralen Enkodierung der Vorhersagefehler (Kumar et al., 2008). Patienten mit Manien zeigten dem gegenüber eher eine verstärkte Reaktion auf negatives Feedback in Hirnregionen, die bei gesunden Kontrollpersonen einen positiven Entscheidung signalisieren (Bermpohl et al., 2010), © 2017 Hogrefe

als würde ein negatives Ergebnis positiv „umkodiert“, wobei dieser Befund allerdings ohne komputationale Modellierung der entsprechenden Entscheidungsabläufe erhoben wurde.

Als Weiterentwicklung solcher einfachen Aufgaben des belohnungsabhängigen Lernens mit wechselnden Bedingungen (reversal learning) versuchen neuere Aufgaben, habituelles Verhalten von komplexen, flexiblen und die gesamte Struktur der Aufgabe bedenkenden Entscheidungsabläufen zu differenzieren. Sequentielle Entscheidungsaufgaben wie beispielsweise der sogenannte Two-Step-Task (Daw, Gershman, Seymour, Dayan & Dolan, 2011) versuchen dem gerecht zu werden, indem Entscheidungen nacheinander auf zwei Ebenen zu fällen sind: Die Versuchsperson gelangt durch ihre Entscheidung auf der ersten Ebene (Auswahl eines rechten oder linken Stimulus durch Drücken eines Knopfes) mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit zu einem von zwei Auswahloptionen auf der zweiten Ebene, auf der ebenfalls wieder eine Auswahl zwischen zwei Stimuli zu treffen ist.

Beispielsweise gelangt man – wie in Abbildung 2 veranschaulicht – durch Auswahl des rechten Stimulus auf der ersten Ebene mit 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu dem gelben Stimuluspaar auf der zweiten Entscheidungsebene und mit 30-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu dem grünen. Die Entscheidungen auf der zweiten Handlungsebene werden dann direkt belohnt oder bestraft, wobei die Wahrscheinlichkeiten hier langsam wechseln, sodass es sinnvoll ist, nach einer Belohnung erneut zu dem belohnten Stimuluspaar auf der zweiten Ebene zu gelangen, wozu die Versuchspersonen ihr Wissen über die probabilistische Transitionsstruktur (Wahrscheinlichkeit nach einer Auswahl auf der ersten Ebene zu einer der beiden Optionen auf der zweiten Ebene zu gelangen) nutzen müssten (Abbildung 2).

Weiß man also beispielsweise, dass das Drücken des linken Knopfes meistens (in 70 Prozent der Fälle) zu einer Entscheidungsoption führt, bei der ich mich bereits gut auskenne und von der ich weiß, dass ich jetzt z. B. den linken Knopf drücken sollte, um eine Belohnung zu erreichen, dann sollte ich auf der ersten Entscheidungsebene den Knopf wählen, der mich regelhaft zu dieser zweiten Entscheidungsebene bringt. Sollte ich auf der ersten Entscheidungsebene aber zufällig durch Drücken dieses Knopfes (und zwar in 30 Prozent der seltenen Überleitung) auf die andere Option gestoßen sein, mit der ich mich weniger auskenne oder die insgesamt gerade weniger vorteilhaft ist, und diese wurde dennoch belohnt, dann empfiehlt es sich nicht, beim nächsten Mal die Wahl auf erster Ebene zu wiederholen, sondern zu wechseln, da ich dann mit größerer Wahrscheinlichkeit zu der mit Belohnung verbundenen und mir gut bekannten Entscheidungsaufgabe auf der zweiten Ebene gelange. Umgekehrt sollte

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 27–36

32

ich auf der ersten Ebene einen Knopfdruck wiederholen, der mich zuvor im Rahmen der seltenen Überleitung (also der 30-prozentigen Wahrscheinlichkeit) zu einer unvorteilhaften Option auf der zweiten Entscheidungsebene ge-

A. Heinz et al.: Komputationale Modelle

bracht hat, denn ich weiß ja, dass ich bei Wiederholung der Auswahl auf der ersten Ebene beim nächsten Mal mit 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit wieder da lande, wo ich eigentlich hinwollte. Inwieweit dieses Wissen um die

Erklärung. In jedem Durchgang der Two-StepTask mussten die Probanden zuerst einen von zwei Stimuli vor einem grauen Hintergrund auswählen (erste Entscheidungsebene). Diese Wahl führt dann zu einer von zwei farbigen Optionen (grün oder gelb) auf zweiter Ebene: Dort mussten die Probanden wieder einen von zwei Stimuli auswählen. Der Übergang (die Transition) von der ersten Ebene zur zweiten Ebene ist probabilistisch: Während eine Option auf der ersten Ebene, das Drücken der rechten Taste, häufig (mit 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit) zur gelben Option auf der zweiten Ebene führte, aber nur selten (mit 30-prozentiger Wahrscheinlichkeit) zur grünen Option auf zweiter Ebene, war die andere Option auf erster Ebene an eine häufige grüne Option auf zweiter Ebene und eine seltene gelbe Option auf zweiter Ebene gekoppelt. Nach der zweiten Ebene wurden Probanden direkt belohnt mit 20 Cent oder 0 Cent. Diese Gewinnwahrscheinlichkeiten (P[Gewinn]) der Auszahlung auf 2. Ebene änderten sich über die Zeit des Experiments hinweg langsam (aus Sebold et al., 2016).

Erklärung. A & B) Erwartete modellbasierte und modellfreie Antwortmuster. Bei einfachen modellfreien Entscheidungsstrategien wird die Entscheidung auf erster Ebene wiederholt, wann auch immer diese Wahl und die dann auf zweiter Ebene erfolgte erneute Wahl zu einem belohnenden Ergebnis führte (A). Modellfreie Entscheidungen auf erster Ebene sind demnach einfache Funktionen unmittelbar Belohnung. In modellbasierten Strategien wird dagegen neben der Belohnung auch die Transition von der ersten zur zweiten Ebene in Betracht gezogen. Wenn im Beispiel der Abbildung oben die Auswahl der horizontalen Ellipse (links) auf erster Ebene unerwarteter Weise zur den gelben Optionen auf zweiter Ebene führt und die Auswahl auf dieser zweiten Ebene belohnt wird, zeigt der modelbasierte Proband im nächsten Durchgang eine geringere Wahrscheinlichkeit, erneut die horizontale Ellipse auszuwählen, da er weiß, dass die vertikale Ellipse eine höhere Wahrscheinlichkeit hat, zu den gelben Optionen zu gelangen, die momentan das Geld „beinhalten“. C & D): Beobachtete Antwortmuster auf erster Ebene für gesunde Kontrollprobanden (C) und alkoholabhängige Patienten (D). Das Antwortmuster gesunder Kontrollprobanden entspricht dem der vorhergesagten modelbasierten Entscheidungsstrategie, wobei die modellbasierte Entscheidung bei alkoholabhängigen Patienten dann verringert war, wenn die eine selten bestrafte (und damit häufig zur Belohnung führende) Wahl auf erster Ebene hätte wiederholt werden sollen (roter Pfeil; aus Sebold et al. 2016).

Abbildung 2. Beispiel eines Verhaltensablaufs bei der Two-Step-Task sowie erwartete und beobachtete Antwortmuster für modellbasierte und modellfreie Entscheidungsstrategien bei gesunden Kontrollprobanden und alkoholabhängigen Patienten.

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 27–36

© 2017 Hogrefe

A. Heinz et al.: Komputationale Modelle

33

Aufgabenstruktur genutzt wird, kann daher aus dem Auswahlverhalten auf der ersten Ebene abgeleitet werden.

Eine Versuchsperson, die ihr Wissen um die Aufgabenstruktur nutzt, um die zu erwartende Belohnung der einzelnen Handlungsoptionen zu berechnen, handelt zielgerichtet. Wird dagegen einfach nur die jeweilige Auswahl auf der ersten Ebene entsprechend der gerade zuletzt erhaltenen Belohnung auf der zweiten Ebene wiederholt bzw. nach Bestrafung vermieden, und zwar unabhängig davon, ob diese Belohnung oder Bestrafung nach einem häufigen oder seltenen Übergang erfolgte, handelt die Versuchsperson habituell.

Auf den klinischen Alltag bezogen kann das bedeuten, dass ich eine Entscheidung wiederholen sollte, die mir in der Regel nützt, auch wenn sie in Einzelfällen zu weiteren Entscheidungsmöglichkeiten führt, die mir nicht liegen.

Man denke an einen Patienten mit Alkoholabhängigkeit, der sich entschieden hat, abstinent zu leben: In der Regel wird diese Entscheidung für ihn gut sein (längerfristige Gesundheitsperspektiven, derzeitiges Wohlbefinden ohne Alkoholintoxikation etc.). In bestimmten Situationen kann die Abstinenz jedoch mit ausgesprochen unangenehmen weiteren Entscheidungsmöglichkeiten verbunden sein, beispielsweise wenn ich abends allein und einsam vor meinem Fernseher sitze und mich entweder nur mit dem langweiligen Fernsehprogramm oder mit den sich im Briefkasten stapelnden Rechnungen beschäftigen könnte.

Tatsächlich fielen in einer Untersuchung alkoholabhängige Patienten gegenüber gesunden Kontrollpersonen dadurch auf, dass es ihnen besonders schwerfiel, eine in der Regel zu Belohnung führende, manchmal aber auch zu Bestrafung führende Wahl auf der ersten Entscheidungsebene zu wiederholen. Sie neigten vielmehr dazu, sich hier einfach an der unmittelbar zuletzt erfolgten Belohnung oder Bestrafung zu orientieren, ganz egal, wie sie in diese Situation gelangt waren. Verschafft also der akute Alkoholkonsum in einer Situation der Einsamkeit kurzfristig Erleichterung, würde dieser wiederholt werden, was der klinischen Erfahrung mit vielen Patientinnen und Patienten entspricht (Sebold et al., 2014).

Auch bei anderen Suchterkrankungen sowie bei Patienten mit Zwangsstörungen wurde beobachtet, dass die betroffenen Personen dazu neigen, sich an der unmittelbaren Gewinnrückmeldung zu orientieren, also eher gewohnheitsmäßig zu handeln (Belohnung wird aufgesucht, Bestrafung vermieden), ohne entsprechend der komplexen Struktur des Entscheidungsbaumes ihre Verhaltensweisen auf der ersten Auswahlebene flexibel anzupassen (Voon et al., 2015). Allerdings muss hier bedacht werden, dass das zielgerichtete Verhalten in diesem Versuchsaufbau relativ hohe „komputationale Kosten“ hat.

Die betroffene Person muss sich auf der ersten Ebene immer wieder vergegenwärtigen, inwiefern jetzt je nach © 2017 Hogrefe

Wahl auf dieser Ebene mit hoher oder niedriger Wahrscheinlichkeit auf welche der zwei möglichen Auswahloptionen der zweiten Ebene übergeleitet wird, sodann muss die zielgerichtet arbeitende Versuchsperson und bei der Berechnung des Belohnungswertes der Auswahlmöglichkeiten diese Übergangswahrscheinlichkeiten berücksichtigen. Zu diesem zielgerichteten Verhalten sind Arbeitsgedächtnis (man kann sich ja auch noch die bisherigen Ergebnisse der Wahlmöglichkeiten auf zweiter Ebene merken) und ein relativ hohes Ausmaß an Konzentration nötig. Die zielgerichtete Verhaltenskontrolle korreliert daher auch mit der fluiden Intelligenz der Versuchspersonen.

Wer also durch Zwangsgedanken oder Alkoholverlangen oder durch die drogeninduzierte Schädigung des Hirngewebes in seiner Konzentrationsfähigkeit oder seinem Arbeitsgedächtnis beeinträchtig ist, wird Schwierigkeiten haben, den Test anders als durch Reaktion auf die jeweils letzte Belohnung oder Bestrafung und damit „habituell“ durchzuführen. Zudem stellt sich die Frage, ob solche Gewohnheitsbildungen im klinischen Alltag nicht viel kontextspezifischer sind oder von der Art der Belohnung abhängen, ob also beispielsweise alkoholabhängige Patienten gar nicht generell zur Gewohnheitsbildung neigen, sondern eben nur im Kontext der Präsentation von suchtspezifischen Reizen.

Tatsächlich beobachteten Sebold und andere (Sebold et al., 2016), dass Menschen, die in dem gerade genannten Test gewohnheitsmäßig reagieren, auch dazu neigen, sich stärker durch Pawlowsche Umweltreize in ihrem Verhalten steuern zu lassen. Sollte ein solcher Zusammenhang auch bei alkoholabhängigen Patienten nachgewiesen werden können, speziell bezüglich Pawlowscher konditionierter Reize, die mit Alkoholgetränken in Verbindung stehen, wäre dies ein wichtiger Hinweis darauf, wie bestimmte Alkoholreize das Rückfallrisiko durch Aktivierung gewohnheitsmäßiger Konsummuster erhöhen können. In der Tat gibt es eine vielfältige und komplexe Literatur, die zeigt, dass alkoholbezogenen Reize eine Vielzahl von Hirnregionen bei alkoholabhängigen Patienten aktivieren, wobei insbesondere die Aktivierung des medialen präfrontalen Kortex mit dem späteren Rückfallrisiko korreliert (Beck et al., 2012).

Ob solche Aktivierungen allerdings aufgrund eines PITMechanismus zum Rückfall führen, müsste noch gezeigt werden. Immerhin ist therapeutisch ein Trainingsprogramm erfolgversprechend, das auf der habituellen Zurückweisung von Alkoholreizen beruht: So beobachteten Wiers und andere (Wiers, R. W., Eberl, Rinck, Becker & Lindenmeyer, 2011), dass alkoholabhängige Patienten dazu neigen, Bilder von Alkoholgetränken per Joystick zu sich heranzuziehen und nicht von sich wegzuschieben, auch wenn die jeweilige Aufgabeninstruktion dies erfordert (beispielsweise weil Bilder im Querformat immer von

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 27–36

34

sich weggeschoben und im Hochformat zu sich herangezogen werden sollten). Die Präsentation der alkoholbezogenen vs. neutralen Reize in dieser Versuchsaufgabe führt nun bei der Tendenz, diese Bilder zu sich heranzuziehen, tatsächlich zur Aktivierung des ventralen Striatums und des medialen präfrontalen Kortex (Wiers, C. E. et al., 2014), also von Hirnregionen, deren Aktivierungen bereits in früheren Studien mit dem Rückfallverhalten alkoholabhängiger Patienten in Verbindung gebracht wurden (Beck et al., 2012; Grüsser et al., 2004). Trainieren die Versuchspersonen nun in relativ wenigen Sitzungen Alkoholbilder von sich wegzuschieben statt an sich heranzuziehen, führt dies in den folgenden 12 Monaten zu einer signifikanten Senkung des Rückfallrisikos (Wiers, R. W. et al., 2011). Ob dieses Training tatsächlich zu einer Veränderung von PITMechanismen führt, wird derzeit im Rahmen der DFGgeförderten Forschergruppe 1617 in Berlin und Dresden untersucht. Immerhin zeigen die genannten Studien, dass Trainingsprogramme, die basale Lernmechanismen wie die automatisierte Annäherung an Drogenreize beeinflussen wollen, therapeutisch erfolgreich sowie neurobiologisch plausibel sind.

Eine Weiterentwicklung bei der Beschreibung der besprochenen Lernmechanismen stellen sog. hierarchische Bayesiansche Lernmodelle dar (Mathys, Daunizeau, Friston & Stephan, 2011; Stephan & Mathys, 2014). Lernen wird hierbei als ein Prozess aufgefasst, bei dem die eigenen Überzeugungen über die Welt angepasst werden, indem neue Informationen mit vorherigen Überzeugungen integriert werden. Allerdings sind sowohl die bestehenden Überzeugungen (prior) als auch die neuen Informationen (z. B. sensorische Daten) immer zu einem gewissen Grad ungewiss. Ein optimaler Umgang mit solchen unsicheren Informationen wird durch das Bayes’sche Theorem beschrieben: eine Anpassung der eigenen Überzeugung über den Zustand der Welt (posterior) sollte erfolgen durch eine Kombination aus der Stärke vorbestehenden Überzeugung über den Zustand der Welt (prior) mit der Wahrscheinlichkeit, dass die neuen sensorischen Daten durch diesen Zustand der Welt hervorgebracht wurden (likelihood). Im Rahmen von hierarchischen Modellen wird angenommen, dass die Überzeugungen auf höheren Hierarchieebenen die Erwartung über Aktivität auf niedrigeren Ebenen steuern. Abweichungen zwischen diesen Erwartungen und dem tatsächlichen Geschehen werden dann als Prädiktionsfehler an die höheren Ebenen zurückgemeldet, um die Erwartungen anzupassen. Die Unsicherheit über die Überzeugung auf höherer Ebene bestimmt dabei das Ausmaß der Anpassung der Überzeugung, also die Lernrate, mit der neue Informationen in die Überzeugungen einbezogen werden. Wird die Überzeugung also als unpräzise eingestuft, haben Prädiktionsfehler von der niedrigeren Ebene stärkeren Einfluss. Ein Verlust der Prä-

A. Heinz et al.: Komputationale Modelle

zision auf höheren Hierarchieebenen, die allgemeine Eigenschaften der Welt repräsentieren, könnte dazu führen, dass die Welt als weniger vorhersagbar und unberechenbar erlebt wird, wie Theorien zu Schizophrenie dies annehmen (Adams, Huys & Roiser, 2016; Adams, Stephan, Brown, Frith & Friston, 2013; Bock & Heinz, 2016).

Zusammenfassung und Ausblick Pawlowsche und operante Lernmechanismen spielen eine wesentliche Rolle in der Gestaltung menschlichen Verhaltens und entsprechend aktueller Studien offenbar auch bei der Entstehung psychischer Erkrankungen. So zeigen Untersuchungen zum instrumentellen Verhalten, dass appetititve oder aversive Pawlowsche Reize davon unabhängiges Entscheidungsverhalten alkoholabhängiger Patienten besonders stark beeinflussen, was zu Rückfallsituationen beispielsweise in Anwesenheit positiv konnotierter Umweltreize (Trinken auf Feiern etc.) führen kann (Garbusow, Sebold, Beck & Heinz, 2014). Umgekehrt sind Patienten mit majorer Depression offenbar besonders wenig durch solche kontextuellen Reize beeinflussbar, was zu einer gewissen Entfremdung von der Umwelt und zu Antriebsstörungen beitragen könnte (Huys et al., 2016).

Belohnungsabhängiges Lernen und das Enkodieren von Vorhersagefehlern wurde sowohl bei Patienten mit majorer Depression wie bei Menschen mit schizophrenen Psychosen und Alkoholabhängigkeit als verändert beschrieben, wobei die neurobiologischen Korrelate durchaus voneinander abweichen (Kumar et al., 2008; Park et al., 2010; Schlagenhauf et al., 2014). So zeigten unmedizierte schizophrene Patienten wie Patienten mit majorer Depression eine Verminderung der Enkodierung von Vorhersagefehlern im ventralen Striatum, wobei aber wichtig ist, dass die untersuchten Patientengruppen tatsächlich Verhaltensstrategien anwenden, die auf der Berechnung solcher Vorhersagefehler beruhen und nicht etwa im Rahmen ihrer Psychose durch Halluzinationen oder Ich-Störungen abgelenkt sind, sodass von vornerein gar nicht zu erwarten wäre, dass ein entsprechender Rechenschritt tatsächlich im Entscheidungsfall der betroffenen Personen eine Rolle spielt und neuronal kodiert wird (Kumar et al., 2008; Schlagenhauf et al., 2014). Patienten mit Alkoholabhängigkeit zeigten dagegen eine relativ ungestörte Enkodierung dieser Vorhersagefehler (Deserno et al., 2015; Park et al., 2010), während die Modellierung durch dopaminerge Neurotransmission und die Informationsweitergabe bzw.

Interaktion mit dem dorsolateralen präfrontalen Kortex verändert war.

Die Identifizierung solcher Lernmechanismen und ihrer jeweiligen Modifikationen kann einerseits durch gezielte

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 27–36

© 2017 Hogrefe

A. Heinz et al.: Komputationale Modelle

35

Verhaltensinterventionen wie beispielweise das Training zur Zurückweisung von Alkoholreizen genutzt werden (Wiers, R. W. et al., 2011), andererseits ist es möglicherweise auch pharmakologischen Interventionen zugänglich. Umgekehrt können Nebenwirkungen von Psychopharmaka wie beispielweise die neuroleptische Blockade von D-2-Rezeptoren im Striatum besser erklärt werden, wenn auf die spezifische Rolle der Enkodierung von Vorhersagefehlern und damit auf die Verhaltenssteuerung hingewiesen wird. Tatsächlich zeigten einige Studien, dass eine hochgradige Blockade der D-2-Rezeptoren im Striatum mit Apathie und weiteren Motivationsstörungen verbunden ist (Heinz et al., 1998). Letztlich verweist der Fokus auf Lernmechanismen auf die Vielfältigkeit menschlichen Verhaltens und seiner Veränderbarkeit. Die Identifizierung basaler Lernmechanismen und ihrer Beeinträchtigung in psychischen Erkrankungen ist vergleichbar mit der Beobachtung von Veränderungen im Alphabet oder in einzelnen grammatischen Regeln, die zu systematischen Änderungen in den unendlich vielfältigen, mit diesen Buchstaben oder mit dieser Grammatik formulierbaren Texte führen können. Ebenso wie solche Veränderungen nicht den gesamten Text erklären, sondern nur bestimmte systematische Auffälligkeiten, ist auch die Identifikation einzelner, veränderter Lernmechanismen bei psychischen Erkrankungen nicht in der Lage, das vielfältige komplexe Erleben der betroffenen Personen abzubilden, das auch immer durch ihre eigene kreative Reaktion auf diese Veränderungen gekennzeichnet ist, identifiziert aber grundlegende Aspekte, die therapeutisch beeinflussbar sind.

Die Identifizierung basaler Lernmechanismen soll also dazu beitragen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Verhalten psychisch erkrankter Personen zu identifizieren, mathematisch zu beschreiben und damit zur Suche nach neurobiologischen Korrelaten beitragen, um Nebenwirkungen entsprechender Interventionen zu reduzieren und therapeutische Ansätze besser an der individuellen Besonderheit der Patientinnen und Patienten auszurichten.

Literatur Adams, R. A., Huys, Q. J. & Roiser, J. P. (2016). Computational Psychiatry: towards a mathematically informed understanding of mental illness. Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry, 87, 53–63.

Adams, R. A., Stephan, K. E., Brown, H. R., Frith, C. D. & Friston, K. J. (2013). The computational anatomy of psychosis. Frontiers in Psychiatry, 4, 47.

Alexander, G. E., DeLong, M. R. & Strick, P. L. (1986). Parallel organization of functionally segregated circuits linking basal ganglia and cortex. Annual Review of Neuroscience, 9, 357–381. © 2017 Hogrefe

Beck, A., Wustenberg, T., Genauck, A., Wrase, J., Schlagenhauf, F., Smolka, M. N., … Heinz, A. Effect of brain structure, brain function, and brain connectivity on relapse in alcohol-dependent patients. Archives of General Psychiatry, 69, 842–852.

Bermpohl, F., Kahnt, T., Dalanay, U., Hagele, C., Sajonz, B., Wegner, T., … Heinz, A. (2010). Altered representation of expected value in the orbitofrontal cortex in mania. Human Brain Mapping, 31, 958–969.

Bock, T. & Heinz, A. (2016). Psychosen: Ringen um Selbstverständlichkeit. Köln: Psychiatrie Verlag.

Daw, N. D., Gershman, S. J., Seymour, B., Dayan, P. & Dolan, R. J. (2011). Model-based influences on humans’ choices and striatal prediction errors. Neuron, 69, 1204–1215.

Deserno, L., Beck, A., Huys, Q. J., Lorenz, R. C., Buchert, R., Buchholz, H.G., … Heinz, A. (2015). Chronic alcohol intake abolishes the relationship between dopamine synthesis capacity and learning signals in the ventral striatum. European Journal of Neuroscience, 41, 477–486.

Garbusow, M., Schad, D. J., Sebold, M., Friedel, E., Bernhardt, N., Koch, S. P., … Heinz, A. (2016). Pavlovian-to-instrumental transfer effects in the nucleus accumbens relate to relapse in alcohol dependence. Addiction Biology, 21, 719–731.

Garbusow, M., Sebold, M., Beck, A. & Heinz, A. (2014). Too difficult to stop: mechanisms facilitating relapse in alcohol dependence. Neuropsychobiology, 70, 103–110.

Genauck, A., Huys, Q. J., Heinz, A. & Rapp, M. A. (2013). PawlowschInstrumentelle Transfereffekte bei Alkoholabhängigkeit.

SUCHT, 59, 215–223.

Grüsser, S. M., Wrase, J., Klein, S., Hermann, D., Smolka, M. N., Ruf, M., … Heinz, A. (2004). Cue-induced activation of the striatum and medial prefrontal cortex is associated with subsequent relapse in abstinent alcoholics. Psychopharmacology, 175, 296–302.

Haber, S. N., Fudge, J. L. & McFarland, N. R. (2000). Striatonigrostriatal pathways in primates form an ascending spiral from the shell to the dorsolateral striatum. The Journal of Neuroscience, 20, 2369–2382.

Hägele, C., Schlagenhauf, F., Rapp, M., Sterzer, P., Beck, A., Bermpohl, F., … Heinz, A. (2015). Dimensional psychiatry: reward dysfunction and depressive mood across psychiatric disorders.

Psychopharmacology (Berl), 232, 331–341.

Heinz, A. (2000). Das dopaminerge Verstärkungssystem. Funktion, Interaktion mit anderen Neurotransmittersystemen und psychopathologische Korrelate. Darmstadt: Steinkopff.

Heinz, A., Knable, M. B., Coppola, R., Gorey, J. G., Jones, D. W., Lee, K. S., … Weinberger, D.R. (1998). Psychomotor slowing, negative symptoms and dopamine receptor availability – an IBZM SPECT study in neuroleptic-treated and drug-free schizophrenic patients. Schizophrenia Research, 31, 19–26.

Heinz, A., Lober, S., Georgi, A., Wrase, J., Hermann, D., Rey, E. R., …

Mann, K. (2003). Reward craving and withdrawal relief craving: assessment of different motivational pathways to alcohol intake. Alcohol and Alcoholism, 38, 35–39.

Heinz, A. & Schlagenhauf, F. (2010). Dopaminergic dysfunction in schizophrenia: salience attribution revisited. Schizophrenia Bulletin, 36, 472–485.

Huys, Q. J., Golzer, M., Friedel, E., Heinz, A., Cools, R., Dayan, P. & Doyan, R.J. (2016). The specificity of Pavlovian regulation is associated with recovery from depression. Psychological Medicine, 46, 1027–1035.

Juckel, G., Friedel, E., Koslowski, M., Witthaus, H., Ozgurdal, S., Gudlowski, Y., … Schlagenhauf, F. (2012). Ventral striatal activation during reward processing in subjects with ultra-high risk for schizophrenia. Neuropsychobiology, 66, 50–56.

Knutson, B., Adams, C. M., Fong, G. W. & Hommer, D. (2001). Anticipation of increasing monetary reward selectively recruits nucleus accumbens. Journal of Neuroscience, 21, RC159.

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 27–36

36

Kumar, P., Waiter, G., Ahearn, T., Milders, M., Reid, I. & Steele, J. D. (2008). Abnormal temporal difference reward-learning signals in major depression. Brain, 131(Pt 8), 2084–2093.

Mathys, C., Daunizeau, J., Friston, K. J. & Stephan, K. E. (2011). A bayesian foundation for individual learning under uncertainty.

Frontiers in Human Neuroscience, 5, 39.

O’Doherty, J. P., Dayan, P., Friston, K., Critchley, H. & Dolan, R. J. (2003). Temporal difference models and reward-related learning in the human brain. Neuron, 38, 329–337.

Park, S. Q., Kahnt, T., Beck, A., Cohen, M. X., Dolan, R. J., Wrase, J. & Heinz, A. (2010). Prefrontal cortex fails to learn from reward prediction errors in alcohol dependence. Journal of Neuroscience, 30, 7749–7753.

Pavlov, Í. P. & Anhrep, G. (1927). Conditioned reflexes: an investigation of the pysiological activity of the cerebral cortex. Oxford: Oxford University Press.

Robinson, T. E. & Berridge, K. C. (1993). The neural basis of drug craving: An incentive-sensitization theory of addiction. Brain Research Reviews, 18, 247–291.

Schlagenhauf, F., Huys, Q. J., Deserno, L., Rapp, M. A., Beck, A., Heinze, H. J., … Heinz, A. (2014). Striatal dysfunction during reversal learning in unmedicated schizophrenia patients. Neuroimage, 89, 171–180.

Schultz, W., Dayan, P. & Montague, P. R. (1997). A neural substrate of prediction and reward. Science, 275(5306), 1593–1599.

Sebold, M., Deserno, L., Nebe, S., Schad, D. J., Garbusow, M., Hagele, C., … Huys, Q.J. (2014). Model-based and model-free decisions in alcohol dependence. Neuropsychobiology, 70, 122–131.

Sebold, M., Schad, D. J., Nebe, S., Garbusow, M., Junger, E., Kroemer, N. B., … Huys, Q.J. (2016). Don't think, just feel the music: individuals with strong pavlovian-to-instrumental transfer ef-

A. Heinz et al.: Komputationale Modelle

fects rely less on model-based reinforcement learning. Journal of Cognitive Neuroscience, 28, 985–995.

Stephan, K. E. & Mathys, C. (2014). Computational approaches to psychiatry. Current Opinions in Neurobiology, 25, 85–92.

Voon, V., Derbyshire, K., Ruck, C., Irvine, M. A., Worbe, Y., Enander, J., … Bullmore, E.T. (2015). Disorders of compulsivity: a common bias towards learning habits. Molecular Psychiatry, 20, 345–352.

Wiers, C. E., Stelzel, C., Park, S. Q., Gawron, C. K., Ludwig, V. U., Gutwinski, S., … Bermpohl, F. (2014). Neural correlates of alcoholapproach bias in alcohol addiction: the spirit is willing but the flesh is weak for spirits. Neuropsychopharmacology, 39, 688–697.

Wiers, R. W., Eberl, C., Rinck, M., Becker, E. S. & Lindenmeyer, J. (2011). Retraining automatic action tendencies changes alcoholic patients' approach bias for alcohol and improves treatment outcome. Psychological Science, 22, 490–497.

Wrase, J., Schlagenhauf, F., Kienast, T., Wustenberg, T., Bermpohl, F., Kahnt, T., … Heinz, A. (2007). Dysfunction of reward processing correlates with alcohol craving in detoxified alcoholics.

Neuroimage, 35, 787–794.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Andreas Heinz Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Charité – Universitätsmedizin Berlin Campus Charité Mitte Charitéplatz 1 10117 Berlin Deutschland andreas.heinz@charite.de

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 27–36

© 2017 Hogrefe

Uta Deppe-Schmitz / Miriam Deubner-Böhme

Auf die Ressourcen kommt es an Uta Deppe-Schmitz Miriam Deubner-Böhme

Auf die Ressourcen kommt es an

Praxis der Ressourcenaktivierung

Praxis der Ressourcenaktivierung

Soziale Phobie

Falk Leichsenring / Manfred E. Beutel / Simone Salzer / Antje Haselbacher / Jörg Wiltink

Soziale Phobie Psychodynamische Therapie Falk Leichsenring Manfred E. Beutel Simone Salzer Antje Haselbacher Jörg Wiltink

Psychodynamische Therapie

Praxis der psychodynamischen Psychotherapie – analytische und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Mit CD-ROM

2016, 249 Seiten, inkl. CD-ROM, € 34,95 / CHF 45.50 ISBN 978-3-8017-2611-9 Auch als eBook erhältlich

(Reihe: „Praxis der psychodynamischen Psychotherapie – analytische und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie“). 2015, VIII/99 Seiten, € 22,95 / CHF 29.90 ISBN 978-3-8017-2322-4 / Auch als eBook erhältlich

Der Praxisleitfaden zeigt auf, wie in der Verhaltenstherapie über den gesamten Therapieprozess hinweg systematisch Ressourcen aktiviert werden können, um das Wohlbefinden von Patienten zu fördern und störungsbezogene Problemlöseprozesse zu verbessern.

Der vorliegende Band stellt ein manualisiertes psychodynamisches Vorgehen zur Behandlung der Sozialen Phobie vor.

Depressive Störungen bei Krebserkrankungen

Manfred E. Beutel et al.

Rainer Sachse

Depressive Störungen bei Krebserkrankungen

Therapeutische Beziehungsgestaltung

Psychodynamische Therapie Manfred E. Beutel Yvette Barthel Antje Haselbacher Katja Leuteritz Rüdiger Zwerenz Barbara H. Imruck Susanne Kuhnt Gregor Weißflog Elmar Brähler

Psychodynamische Therapie

Rainer Sachse

Therapeutische Beziehungsgestaltung 2., aktualisierte und ergänzte Auflage

Praxis der psychodynamischen Psychotherapie – analytische und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

(Reihe: „Praxis der psychodynamischen Psychotherapie – analytische und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie“). 2015, VIII/100 Seiten, € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-8017-2658-4 Auch als eBook erhältlich

2., akt. und erg. Auflage 2016, 124 Seiten, € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-8017-2718-5 Auch als eBook erhältlich

Dieser Band beschreibt ein supportiv-expressives psychodynamisches Konzept zur Behandlung depressiver Störungen bei an Krebs erkrankten Menschen.

Eine tragfähige Therapeut-Klient-Beziehung ist das zentrale Element einer erfolgreichen Therapie. Dieser Band erklärt, wie sie hergestellt und aktiv gestaltet werden kann. lichen, die Multisystemische Therapie, vor.

www.hogrefe.com

BRIEF Verhaltensinventar zur Beurteilung exekutiver Funktionen Deutschsprachige Adaptation des Behavior Rating Inventory of Executive Function (BRIEF®) von G. A. Gioia, P. K. Isquith, S. C. Guy und L. Kenworthy und der Self-Report Version (BRIEF®-SR) von S. C. Guy, P. K. Isquith und G. A. Gioia R. Drechsler / H.-Ch. Steinhausen

Test komplett bestehend aus: Manual, 10 Fragebogen Eltern, Lehrer und Selbstbeurteilung, 10 Auswerte- und Profilbogen Eltern, Lehrer und Selbstbeurteilung, Schablonensatz und Box Bestellnummer 03 156 01 € 183,00/CHF 230.00

Das BRIEF ist ein klinisches Fragebogenverfahren zur Erfassung exekutiver Funktionsbeeinträchtigungen bei Kindern und Jugendlichen. Es stehen drei Versionen zur Verfügung: zur Beurteilung durch Eltern, Lehrer (jeweils für 6- bis 16-Jährige) und zur Selbstbeurteilung (für 11- bis 16-Jährige).

Die Fremdbeurteilung erhebt die Skalen Hemmen, Umstellen und Emotionale Kontrolle (= Verhaltensregulations-Index) sowie die Skalen Initiative,

Arbeitsgedächtnis, Planen/Strukturieren, Ordnen/Organisieren und Überprüfen (= Kognitiver Regulations-Index). Zusammen ergeben sie den Exekutiven Gesamtwert. Die Selbstbeurteilung ist dazu weitgehend parallel aufgebaut. Anhand von Validitätsskalen können die Konsistenz der Einschätzungen und eine negative Färbung der Urteile überprüft werden. Die Auswertung erfolgt komfortabel und zeitökonomisch mit Hilfe farbiger Schablonen.

BRIEF-P Verhaltensinventar zur Beurteilung exekutiver Funktionen für das Kindergartenalter Deutschsprachige Adaptation des Behavior Rating Inventory of Executive Function® – Preschool Version (BRIEF®-P) von G. A. Gioia, K. Andrews Espy und P. K. Isquith M. Daseking / F. Petermann

Test komplett bestehend aus: Manual, 10 Fragebogen, 10 Auswerteund Profilbogen, Schablonensatz und Box Bestellnummer 03 194 01 € 114,00/CHF 139.00

www.hogrefe.com

Mit dem BRIEF-P können Eltern sowie pädagogisch und psychologisch tätige Fachkräfte das Verhalten eines Kindes mit Fokus auf die exekutiven Funktionen sowohl in der häuslichen Umgebung als auch in den alterstypischen Betreuungseinrichtungen wie Kindergärten oder Kindertagesstätten einschätzen.

Das Verfahren ermöglicht auch die Verhaltensbeurteilung von Kindern mit entstehenden Lern- und Aufmerk-

samkeitsstörungen, Sprachstörungen, Hirnschädigungen, tiefgreifenden Entwicklungsstörungen sowie anderen entwicklungsbezogenen, neurologischen, psychiatrischen und medizinischen Bedingungen.

BRIEF-P kann im Alter von 2 bis 6 Jahren angewendet werden. Die Auswertung erfolgt komfortabel und zeitökonomisch mit Hilfe farbiger Schablonen.

Themenschwerpunkt

Das Negativsymptom Apathie Eine Folge dysfunktionaler Entscheidungsfindung?

Stefan Kaiser1, Matthias Hartmann-Riemer1 und Philippe N. Tobler2 1 2

Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Schweiz Labor zur Erforschung sozialer und neuronaler Systeme, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität Zürich, Schweiz

Zusammenfassung: Die Apathie ist eine Dimension von Negativsymptomen, die zu erheblichen Beeinträchtigungen in der Alltagsfunktion führt, ohne dass adäquate Behandlungsverfahren zur Verfügung stehen. Die Apathie wird heute zunehmend als eine Reduktion von zielgerichtetem Verhalten definiert. Die dem zielgerichteten Verhalten zugrundeliegenden Prozesse lassen sich in einem Modell verstehen, das verschiedene Phasen der Entscheidungsfindung beinhaltet. Hierzu gehören die Generierung von Handlungsoptionen, die Bewertung und Auswahl von Handlungsoptionen und schliesslich das Lernen aus Handlungsergebnissen. Diese Prozesse und ihre Dysfunktionen lassen sich quantitativ erfassen, wie wir am Beispiel von Studien bei Patienten mit Schizophrenie zeigen. Dysfunktionen in allen genannten Entscheidungsphasen sind mit der Apathie assoziiert. Dieses Modell kann dazu dienen, die Entwicklung psychologischer und biologischer Therapieverfahren gezielter auf die zugrundeliegenden dysfunktionalen Prozesse aufzubauen.

Schlüsselwörter: Apathie, Negativsymptome, Schizophrenie, Entscheidungsfindung, Lernen

The negative symptom apathy – a consequence of dysfunctional decision-making?

Abstract: Apathy is a dimension of negative symptoms that leads to significant impairment in everyday functioning. At the same time there are no adequate treatment options. Recently, apathy has been defined as a reduction of goal-directed behavior. The processes subserving goal-directed behavior can be understood with a model that includes sequential stages of decision making. These stages consist of generation of options for action, valuation and selection of options and learning from action outcomes. These processes and their dysfunctions can be measured quantitatively as is shown in recent studies including patients with schizophrenia. Dysfunctions in all three stages of decision making are associated with apathy. This model can be employed to target psychological and biological interventions more specifically at the underlying dysfunctional processes.

Keywords: apathy, negative symptoms, Schizophrenia, decision making, learning

Apathie als Negativsymptom der Schizophrenie

des präfrontalen Kortex oder der Basalganglien. Negativsymptome, insbesondere Apathie, gehen mit einer beeinträchtigten Alltagsfunktion einher. Gleichzeitig existieren

Die Negativsymptome der Schizophrenie können als Verlust normaler psychischer Funktionen verstanden werden (Andreasen, 1982). Es besteht ein breiter Konsens, dass sich Negativsymptome in zwei Hauptdimensionen unterteilen lassen (Kaiser et al., 2016; Messinger et al., 2011).

Die Symptomdimension Apathie umfasst Antriebsminderung (Avolition), sozialen Rückzug (Asozialität) und Freudlosigkeit (Anhedonie). Die Symptomdimension reduzierter Ausdruck umfasst Sprachverarmung (Alogie) sowie Affektverflachung. Das Symptom Apathie tritt nicht nur bei schizophrenen Psychosen auf. In der Psychiatrie wird Apathie zum Beispiel auch bei affektiven Störungen und Substanzstörungen beobachtet, in der Neurologie bei neurodegenerativen Erkrankungen oder fokalen Läsionen

Abbildung 1. Dimensinen der Negativsymptomatik.

© 2017 Hogrefe

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 37–43 DOI 10.1024/1661-4747/a000299

38

keine effektiven Behandlungsoptionen (Aleman et al., 2016). Dies hängt auch damit zusammen, dass es bisher keine adäquaten Modelle von Entstehung und Aufrechterhaltung negativer Symptome gab. In diesem Artikel sollen aktuelle Forschungsergebnisse in ein Modell der Apathie integriert werden.

S. Kaiser et al.: Das Negativsymptom Apathie

möglichen Nutzen und den möglichen Kosten der Option ergibt. Die Handlungsoption mit dem höchsten Wert wird dann ausgewählt und umgesetzt. Jede ausgeführte Handlungsoption führt zu einem Ergebnis, das vom Organismus zum Lernen aus dem Handlungsergebnis genutzt wird.

Eine Dysfunktion in jeder Phase der Entscheidungsfindung kann zu einer Reduktion zielgerichteten Verhaltens – also zur Apathie – führen, wie wir im Folgenden ausführen werden.

Apathie als dysfunktionale Entscheidungsfindung Die Symptomdimension Apathie wurde in der Literatur auf unterschiedliche Weise definiert. Während lange ein Verlust von Motivation im Vordergrund stand, wird in der aktuellen Literatur die Apathie zunehmend als eine Reduktion zielgerichteten Verhaltens definiert (Levy & Dubois, 2006). Zielgerichtetes Verhalten benötigt eine Reihe motivationaler und kognitiver Prozesse, die zum Erreichen eines gewünschten Endzustandes – des Zieles – beitragen. Ein besseres Verständnis dieser Prozesse lässt sich erreichen, wenn man zielgerichtetes Verhalten als Folge von Entscheidungsfindung versteht, die man schematisch wiederum in eine Reihe von Phasen unterteilen kann (siehe Abbildung 2) (Brown & Pluck, 2000; Kalis, Mojzisch, Schweizer & Kaiser, 2008).

Wir fassen hier die Entscheidungsphasen nur kurz zusammen und führen diese dann in den folgenden Abschnitten weiter aus. Die erste Phase umfasst die Generierung von Handlungsoptionen, zwischen denen in der Folge entschieden wird. Diese Phase ist nur notwendig, wenn die Handlungsoptionen nicht klar vorgegeben sind, was allerdings im Alltag sehr häufig vorkommt. Die zweite Phase ist die Auswahl zwischen Handlungsoptionen, also die eigentliche Entscheidungsfindung. Hier wird für jede Handlungsoption ein Wert bestimmt, der sich aus dem

Abbildung 2. Zielgerichtetes Verhalten in alltäglichen und wenig strukturierten Situationen.

Generierung von Handlungsoptionen Die Forschung zur Entscheidungsfindung hat bisher vor allem auf die Auswahl von Handlungsoptionen und das Lernen aus Handlungsergebnissen fokussiert (Kalis, Kaiser & Mojzisch, 2013). Hier wird vorausgesetzt, dass die Optionen, zwischen denen ausgewählt wird, bereits definiert sind. Während dies unter kontrollierten experimentellen Bedingungen in der Regel der Fall ist, kann in häufig unstrukturierten Alltagssituationen nicht davon ausgegangen werden. In diesen Fällen müssen mögliche Handlungsoptionen zunächst eigenständig generiert werden, bevor überhaupt eine Auswahl möglich ist. Wir haben daher vorgeschlagen, option generation als eigene Entscheidungs- bzw. Handlungsphase zu definieren, die in unstrukturierten Situationen der Auswahl vorangeht.

Wenn nun eine Person nicht in der Lage ist, Handlungsoptionen zu generieren, hat dies unterschiedliche Effekte je nach Art der Situation. In einer einfachen Entscheidungssituation mit vorgegebenen Handlungsoptionen wird ein solches Defizit keine grossen Auswirkungen haben. In unstrukturierten Alltagssituation ohne vorgegebene Handlungsoptionen wird die Person jedoch in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Diese Zusammenhänge sind bisher nur unzureichend untersucht worden. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass die Handlungsfähigkeit von Patienten mit schizophrenen Psychosen insbesondere in unstrukturierten Situationen mit wenigen Vorgaben eingeschränkt ist (Revheim et al., 2006).

In einer vor kurzem veröffentlichten Studie haben wir die Hypothese untersucht, dass schizophrene Patienten mit Apathie eine Reduktion der Anzahl generierter Handlungsoptionen in Alltagssituationen aufweisen (Hartmann, Kluge, et al., 2015). In der Studie wurden Alltagssituationen präsentiert und die Studienteilnehmer aufgefordert, Optionen zu generieren und zu verbalisieren. Dabei wurden unterschiedliche Arten von Situationen und unterschiedliche Zeitlimiten vorgegeben innerhalb welcher möglichst viele Handlungsoptionen zu generieren

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 37–43

© 2017 Hogrefe

S. Kaiser et al.: Das Negativsymptom Apathie

A

Szenario

39

"Sie haben ihr Zug verpasst und haben 1 Stunde Wartezeit bis der nächste Zug kommt"

B

Generieren von Handlungssoptionen Option Telefonieren

Option 2 Zeitung lesen

Option 3 Sandwich kaufen

Entscheiden

Ausführung der Handlung Abbildung 3. Negativsymptome als ein Defizit in der Fähigkeit Handlungsoptionen zu generieren. A. Vereinfachtes Schema einer Situation, bei der das Generieren von Handlungsoptionen eine Rolle spielt. B. Apathie Symptome korrelieren negativ mit der durchschnittlichen Anzahl generierter zielgerichteter Optionen (Hartmann et al., 2015).

waren. Unabhängig von der experimentellen Bedingung zeigte sich eine starke negative Korrelation zwischen Apathie und der generierten Anzahl von Handlungsoptionen – je weniger Optionen ein Patient generierte desto höher war der Ausprägungsgrad der Apathie. Dieser Zusammenhang blieb auch bei Kontrolle für andere klinische Parameter, wie zum Beispiel die Dosis der Antipsychotika oder die kognitive Leistungsfähigkeit bestehen.

Diese Ergebnisse weisen also darauf hin, dass eine beeinträchtigte Generierung von Handlungsoptionen zum Symptom Apathie beitragen kann.

Kantine (durchschnittliches Essen, kargere Einrichtung, kürzerer Weg, sicher offen, billiger) und dem Restaurant in der Nähe des Arbeitsortes (besseres Essen, ansprechendere Einrichtung, längerer Weg, vielleicht nicht offen, teurer) für die Mittagspause zu wählen. Um den Nettonutzen zu bestimmen werden für jede Option die subjektiven Kosten (Anstrengung, Zeit, Risiko, Preis) und die subjektiven Nutzen (Essen, Einrichtung) anhand der Auftretenswahrscheinlichkeit (p) und des erwarteten zeitlichen Verzugs (t) gewichtet und dann voneinander abgezogen.

Erwarteter Nettonutzen = p1t1(erwarteter Nutzen) – p2t2(erwartete Kosten)

Bewertung und Auswahl von Handlungsoptionen Sobald die Handlungsoptionen generiert oder extern vorgegeben sind, können sie bewertet werden. Danach wird typischerweise die Handlungsoption mit dem höchsten Wert ausgewählt und ausgeführt. Die Bewertung einer einzelnen Handlungsoption erfolgt aufgrund des erwarteten Nutzens und der erwarteten Kosten. Diese Variablen sind subjektiv, normalerweise gelernt und beruhen auf Komponenten wie der Grösse und Wahrscheinlichkeit von Belohnung (Nutzen) und Bestrafung (Kosten), sowie des zeitlichen Verzugs bis der Nutzen oder die Kosten eintreten und der Anstrengung, die nötig ist, um die Handlungsoption zu implementieren. Zum Beispiel kann eine Entscheidung darin bestehen, zwischen der firmeneigenen © 2017 Hogrefe

Wenn eine Person den Nutzen von Handlungsoptionen unterbewertet oder die Kosten überbewertet, kann dies dazu führen, dass auch Handlungsoptionen, welche für die meisten Menschen einen positiven Nettonutzen haben, nicht mehr gewählt werden. Mit anderen Worten, in solchen Situationen würden es die Leute bevorzugen, nichts zu tun, weil der Nettonutzen der meisten Alternativen im Vergleich dazu kleiner ist. Obwohl die Bestimmung und Trennung von Kosten und Nutzen nicht immer einfach ist, gibt es Hinweise darauf, dass Patienten mit Negativsymptomen die Anstrengungskosten von Handlungsoptionen überbewerten und deshalb den Nettonutzen dieser Optionen niedriger bewerten als Patienten ohne Negativsymptome.

Wir haben kürzlich die Hypothese untersucht, dass Patienten mit Negativsymptomen körperlicher Anstrengung höhere Kosten beimessen als gesunde Kontrollprobanden

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 37–43

40

(Hartmann, Hager, et al., 2015). Die Studienteilnehmer entschieden sich jeweils zwischen einer kleinen Belohnung (CHF 1), welche sie ohne körperliche Anstrengung bekommen konnten und einer grösseren Belohnung (CHF 1.5 – CHF 5), welche eine grössere körperliche Anstrengung erforderte. Die grössere körperliche Anstrengung variierten wir als Prozentsatz (40–100 %) der für jeden Teilnehmer einzeln bestimmten maximal möglichen Kraftausübung auf einem isometrischen Handgriff während 3.5 Sekunden. Sowohl gesunde Probanden als auch Patienten mit Schizophrenie wählten die Handlungsoption mit der grösseren Belohnung weniger häufig, wenn die dafür erforderliche körperliche Anstrengung zunahm. Innerhalb der Patienten gab es aber einen Unterschied. Wie vorhergesagt, waren jene mit hoher Apathie weniger bereit, höhere Kosten für eine grössere Belohnung auf sich zu nehmen als jene mit niedriger Apathie. Interessanterweise nahm die Bereitschaft, körperliche Anstrengung auszuüben mit zunehmender Apathie, aber nicht mit stärker reduziertem Ausdruck ab. Kontrollanalysen zeigten, dass die Patienten mit höherer Apathie die körperliche Anstrengung an sich nicht als anstrengender empfanden als die Patienten mit niedrigerer Apathie und dass ein zusätzlich gefundener negativer Zusammenhang zwischen Apathie und belohnungsinduzierten positiven Gefühlen die Befunde nicht vollständig erklärt.

Diese Befunde zeigen, dass der Nettonutzen von Handlungsoptionen bei Patienten mit erhöhter Apathie durch An-

S. Kaiser et al.: Das Negativsymptom Apathie

strengungskosten stärker vermindert wird als bei Patienten ohne Apathie und gesunden Kontrollprobanden. Die Studie führt zudem eine neue Methode ein, mit welcher der Grad von verminderter Motivation und von Beeinträchtigung im zielgerichteten Verhalten einfach gemessen und mit Negativsymptomen in Verbindung gebracht werden kann.

Lernen aus Handlungsergebnissen Um den erwarteten Nettonutzen von verschiedenen Handlungsalternativen korrekt zu bewerten, lernen Menschen aus den Ergebnissen ihrer Handlungen und kombinieren Vorhersagen des erwarteten Nutzens und der erwarteten Kosten. Wenn ein Ergebnis einen höheren Nutzen als erwartet hat, wird der vorhergesagte Nettonutzen der Handlungsoption erhöht, wenn das Ergebnis schlechter als erwartet ist, wird der vorhergesagte Nettonutzen verringert.

Ein Vorhersagefehler entsteht immer dann, wenn ein Unterschied zwischen eingetroffenem und vorhergesagtem Nutzen auftritt: Vorhersagefehler = eingetroffener Nutzen – vorhergesagter Nutzen Nehmen wir an, wir haben uns entschieden, im Restaurant Mittag zu essen und stellen zu unserer Überraschung

Abbildung 4. Anhand eines einfachen Entscheidungsexperimentes, bei dem die Teilnehmer Geldbelohnung und physischen Aufwand (Kraft auf handgrip) abwägen mussten (A), konnte gezeigt werden, dass Patienten mit stärkeren Apathie Symptomen potentiellen Aufwand in ihren Entscheidungen stärker gewichteten als solche mit weniger starken Symptomen (b). Dieser Zusammenhang wurde jedoch nicht für die Symptomdimension des reduzierten Ausdrucks gefunden (siehe B links) (Hartmann et al., 2015).

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 37–43

© 2017 Hogrefe

S. Kaiser et al.: Das Negativsymptom Apathie

41

fest, dass das Essen (zum Beispiel sanft gegartes FreilandEi mit Spinatschaum und Pilzen) noch besser als vorhergesagt ist. Mit anderen Worten, wir erleben einen positiven Vorhersagefehler. Diesen Vorhersagefehler benutzen wir, um unsere bestehenden Vorhersagen anzupassen (und beim nächsten Mal noch eher ins Restaurant statt in die Kantine zu gehen). Lernen entspricht somit dem Erstellen einer neuen Vorhersage aufgrund des vorherigen Vorhersagefehlers: Neue Vorhersage = Alte Vorhersage + Lernrate * Vorhersagefehler Die Lernrate variiert zwischen 0 (kein Lernen, die alte Vorhersage wird beibehalten) und 1 (die neue Vorhersage wird komplett durch den letzten Vorhersagefehler bestimmt; dieses Modell wird auch als Q-Learning bezeichnet).

Das Lernen des Nutzens von Ergebnissen ist also Voraussetzung für eine angemessene Bewertung des Nettonutzens von Handlungsoptionen, besonders in Situationen, in denen die Ergebnisse nicht mit Sicherheit auftreten oder die Umwelt sich ändert. Eine Serie von Studien von Gold und Kollegen (Gold et al., 2012; Strauss et al., 2011; Waltz, Frank, Robinson & Gold, 2007) hat nun die Hypothese getestet, dass Patienten mit Negativsymptomen im Lernen besonders von positiven Ergebnissen beeinträchtigt sind und deshalb oft nicht die Handlungsalternative mit einem höheren Nettonutzen wählen. In einer typischen Aufgabe (Gold et al., 2012) lernen die Probanden zuerst durch Versuch und Irrtum, welche von jeweils zwei vorgegebenen Handlungsoptionen diejenige mit dem höheren Nettonutzen ist, entweder weil die Handlungsoption häufiger von einem Geldgewinn gefolgt wird oder weil sie häufiger von der Vermeidung eines Geldverlustes gefolgt wird. Patienten mit erhöhter Negativsymptomatik lernten zumindest tendenziell weniger gut als Patienten mit niedriger Negativsymptomatik und gesunde Kontrollprobanden, insbesondere bei Handlungsoptionen, die häufiger von einem Geldgewinn gefolgt waren. Beim Vermeidungslernen mit Handlungsoptionen, die häufiger von einem Verlust gefolgt waren, gab es keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Gruppen. Eine Modell-basierte Analyse zeigte zudem, dass die Patienten mit erhöhter Negativsymptomatik Vorhersagefehler eher dazu benutzten, ihre Handlungen anzupassen (ihr Wahlverhalten liess sich am besten mit einem sogenannten Actor-Critic Lernmodell beschreiben: Neues Gewicht = Altes Gewicht + Lernrate (Actor) * Vorhersagefehler Hier bestimmt der Vorhersagefehler, wie stark man die gewählte Handlung bei der nächsten Wahlsituation ge© 2017 Hogrefe

wichtet). Im Gegensatz dazu benutzten die Patienten mit niedriger Negativsymptomatik und die gesunden Kontrollprobanden Vorhersagefehler eher dazu, den Erwartungsnutzen von Zuständen anzupassen (ihr Wahlverhalten liess sich am besten mit dem sogenannten Q-Lernmodell beschreiben; siehe oben).

Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass Patienten mit Negativsymptomen nicht generelle Lernschwierigkeiten haben, sondern weniger von Belohnungen lernen, da sie positiven Nettonutzen weniger hoch einschätzen. Als Folge davon wird es auch verständlich, wie Apathie zielgerichtetes Verhalten vermindert: Ziele haben weniger Nettonutzen und unerwartete Zielerreichung führt zu weniger Lernen als bei Patienten ohne Apathie.

Therapeutische Implikationen In den vorangehenden Abschnitten wurde ein Modell entwickelt, das Apathie als Resultat dysfunktionaler Prozesse in einer oder mehreren Entscheidungsphasen versteht.

Für die Therapie ergibt sich die Frage, ob und wie sich diese dysfunktionalen Prozesse durch psychologische oder biologische Interventionen beeinflussen lassen. Ein Modell der Entscheidungsfindung kann insbesondere dazu dienen, bereits bestehende Therapieansätze spezifischer auf das Symptom Apathie auszurichten. Ein weiterer Schritt wäre eine Personalisierung von psychologischen und biologischen Therapieansätzen auf der Basis einer individuellen Erfassung dysfunktionaler Entscheidungsprozesse beim einzelnen Patienten. Die Erstellung eines solchen individuellen Profils von Entscheidungsprozessen erfordert standardisierte Testverfahren, an denen zurzeit gearbeitet wird (Reddy et al., 2015). Im Folgenden diskutieren wir die Möglichkeiten der Modifikation von Entscheidungsprozessen durch psychologische und biologische Therapieansätze, insbesondere solcher für die es bereits Hinweise auf eine potentielle Wirksamkeit gegen Negativsymptome und Apathie gibt.

Es ist bisher nicht untersucht worden, durch welche therapeutischen Interventionen sich die Generierung von Handlungsoptionen verbessern lässt. Da kognitive Prozesse hier eine wichtige Rolle spielen, könnten Methoden der kognitiven Remediation von Interesse sein, die eine Vielzahl von psychologischen Verfahren zur Behandlung von Störungen der Kognition bei Patienten mit schizophrenen Psychosen umfassen (Wykes, Huddy, Cellard, McGurk & Czobor, 2011). Der Effekt solcher Therapieprogramme auf Negativsymptome scheint allerdings eher gering zu sein, wenn nicht spezifisch für Negativsymptome relevante Prozesse trainiert werden. Das hier vorgestellte Modell der Entscheidungsfindung liefert potentielle Anhaltspunkte, welche ko-

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 37–43

42

gnitiven Funktionen zur Verbesserung von Negativsymptomen trainiert werden könnten. So konnten wir bei gesunden Probanden zeigen, dass der Abruf aus dem Langzeitgedächtnis eine wichtige Rolle spielt (Kaiser et al., 2013). Für diesen Prozess sind bereits Trainingsmöglichkeiten verfügbar, welche allerdings noch nicht in Bezug auf die Generierung von Handlungsoptionen eingesetzt wurden.

Wie oben dargestellt, trägt eine Reihe von Prozessen zur Bewertung und Auswahl von Handlungsoptionen bei. Ein zentraler Aspekt ist die Verarbeitung des Nutzens oder des Wertes von Handlungsoptionen, der von Patienten mit Negativsymptomen zu niedrig angesetzt wird. Daher fokussieren unterschiedliche Formen kognitiv-verhaltenstherapeutischer Interventionen auf die Antizipation von Freude oder positivem Affekt im Allgemeinen. Mit anderen Worten sollte eine stärkere Antizipation von Freude zu einer höheren Bewertung des Nutzens einer Option führen. Zu erwähnen sind hier Interventionen im Einzelsetting wie zum Beispiel das Motivation and Enhancement Training for Schizoprhenia (MOVE) (Velligan et al., 2015) und Interventionen im Gruppensetting wie das Positive Emotions Program for Schizophrenia (PEPS) (Favrod et al., 2015). Die Repräsentation von Nutzen und Kosten sowie die Berechnung des Nettonutzens stellen auch kognitive Anforderungen, wobei bisher der Effekt primär kognitiver Interventionen hier noch nicht untersucht worden ist.

Hinsichtlich medikamentöser Interventionen wurde bei gesunden Probanden gezeigt, dass die Gabe dopaminerger Stimulantien zu einer stärkeren Gewichtung des Nutzens in Relation zu den Kosten einer Option führt (Wardle, Treadway, Mayo, Zald & de Wit, 2011). Bei Patienten mit neurologischen, insbesondere neurodegenerativen Erkrankungen, werden diese Substanzen zur Behandlung der Apathie eingesetzt (ADMET) (Rosenberg et al., 2013).

Die Einsatzmöglichkeiten dieser Substanzgruppe sind jedoch bei Patienten mit schizophrenen Psychosen durch das Risiko psychotischer Exazerbationen begrenzt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass bei hinsichtlich Positivsymptomen stabilen Patienten das Risiko gering ist (Lindenmayer, Nasrallah, Pucci, James & Citrome, 2013). Insofern erscheint es sinnvoll, die dopaminerge Stimulation als Ansatzpunkt für die Behandlung von Apathie auch bei Patienten mit Schizophrenie weiterzuverfolgen. Nicht vergessen werden sollten potentiell negative Effekt von Antipsychotika, die durch die Blockade der Dopamin-Rezeptoren potentiell zu einer ungünstigen Verschiebung der Kosten-Nutzen-Kalkulation führen können. Wir haben beispielsweise gezeigt, dass Antipsychotika bei gesunden Probanden den Nutzen und die motivierende Rolle von Belohnung und belohnungsassoziierten Reizen vermindern kann (Weber et al., 2016).

Hinsichtlich des Lernens aus Handlungsergebnissen ergibt sich aus dem beschriebenen Modell von Apathie ein po-

S. Kaiser et al.: Das Negativsymptom Apathie

tentielles Problem für verhaltenstherapeutische Methoden und andere psychologische Therapieverfahren, die zu einem erheblichen Anteil auf dem Lernen aus Handlungsergebnissen beruhen (Kanfer & Saslow, 1965). Insbesondere eine Dysfunktion im Lernen von positiven Ergebnissen ist hier problematisch, da Verstärkung durch Belohnung ein essentieller Anteil der psychotherapeutischen – insbesondere der verhaltenstherapeutischen – Behandlung ist. Umso wichtiger erscheint es, das Lernen von Handlungsergebnissen durch therapeutische Interventionen zu verbessern. In Studien zur kognitiven Remediation ist bisher ein systematisches Training dieses Prozesses nicht untersucht worden. Einen interessanten Ansatzpunkt bietet die Arbeit von Collins und Kollegen, die einen starken Einfluss der Arbeitsgedächtniskapazität auf das Lernen aus Handlungsergebnissen zeigt (Collins, Brown, Gold, Waltz & Frank, 2014). Ein Training des Arbeitsgedächtnisses wiederum ist in mehreren vorhandenen Trainingsprogrammen integriert und könnte in seiner Wirksamkeit auf das Lernen aus Handlungsergebnissen untersucht werden.

Auch das Lernen aus Handlungsergebnissen ist potentiell durch dopaminerge Medikation beeinflussbar. Im Vergleich zu Placebo verbessert beispielsweise die Gabe von L-DOPA das Lernen über Belohnung aufgrund von Vorhersagefehlern, während Haloperidol es verschlechtert (Pessiglione, Seymour, Flandin, Dolan & Frith, 2006).

Keine der beiden Substanzen hatte in dieser Studie einen Einfluss aufs Lernen über Bestrafung, andere Studien, mit anderen Substanzen und Paradigmen fanden aber einen Effekt von dopaminerger Medikation auch aufs Bestrafungslernen (van der Schaaf et al., 2014). Diese Ergebnisse sprechen wie die obengenannten zur Auswahl von Handlungsoptionen für eine weitere Untersuchung dopaminerger Interventionsmöglichkeiten bei Patienten mit Negativsymptomen.

Ausblick Das hier vorgestellte Modell des Negativsymptoms Apathie als Folge dysfunktionaler Entscheidungsfindung kann als Rahmen sowohl für Grundlagen- als auch Therapieforschung verwendet werden. Dieses Modell erlaubt das Phänomen Apathie in unterschiedliche zugrundeliegende Prozesse zu zerlegen – Generierung von Handlungsoptionen, Bewertung und Auswahl von Handlungsoptionen sowie Lernen aus Handlungsergebnissen. Eine Messung dieser Prozesse sollte also eine Differenzierung des Phänomens Apathie erlauben, die mit klinischen Messinstrumenten aktuell nicht möglich ist. Entscheidend ist dabei, dass die zugrundeliegenden mathematischen Modelle

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 37–43

© 2017 Hogrefe

S. Kaiser et al.: Das Negativsymptom Apathie

43

eine quantitative Erfassung der Dysfunktionen ermöglichen. Hinsichtlich der Therapieforschung erlaubt ein solches Modell eine systematische Einordnung und Entwicklung von Therapieansätzen unter Berücksichtigung psychologischer und biologischer Interventionen.

Literatur Aleman, A., Lincoln, T. M., Bruggeman, R., Melle, I., Arends, J., Arango, C. & Knegtering, H. (2016). Treatment of negative symptoms: Where do we stand, and where do we go? Schizophrenia Research (im Druck).

Andreasen, N. C. (1982). Negative symptoms in schizophrenia. Definition and reliability. Archives of General Psychiatry, 39, 784–788.

Brown, R. G. & Pluck, G. (2000). Negative symptoms: the ‘pathology’ of motivation and goal-directed behaviour. Trends in Neuroscience, 23, 412–417.

Collins, A. G., Brown, J. K., Gold, J. M., Waltz, J. A. & Frank, M. J. (2014). Working memory contributions to reinforcement learning impairments in schizophrenia. Journal of Neuroscience, 34, 13747–13756.

Favrod, J., Nguyen, A., Fankhauser, C., Ismailaj, A., Hasler, J. D., Ringuet, A., … Bonsack, C. (2015). Positive Emotions Program for Schizophrenia (PEPS): a pilot intervention to reduce anhedonia and apathy. BMC Psychiatry, 15, 231.

Gold, J. M., Waltz, J. A., Matveeva, T. M., Kasanova, Z., Strauss, G. P., Herbener, E. S., … Frank, M. J. (2012). Negative symptoms and the failure to represent the expected reward value of actions: behavioral and computational modeling evidence. Archives of General Psychiatry, 69, 129–138.

Hartmann, M. N., Hager, O. M., Reimann, A. V., Chumbley, J. R., Kirschner, M., Seifritz, E., … Kaiser, S. (2015). Apathy but not diminished expression in schizophrenia is associated with discounting of monetary rewards by physical effort. Schizophrenia Bulletin, 41, 503–512.

Hartmann, M. N., Kluge, A., Kalis, A., Mojzisch, A., Tobler, P. N. & Kaiser, S. (2015). Apathy in schizophrenia as a deficit in the generation of options for action. Journal of Abnormal Psychology, 124, 309–318.

Kaiser, S., Lyne, J., Agartz, I., Clarke, M., Morch-Johnsen, L. & Faerden, A. (2016). Individual negative symptoms and domains – Relevance for assessment, pathomechanisms and treatment.

Schizophrenia Research (im Druck).

Kaiser, S., Simon, J. J., Kalis, A., Schweizer, S., Tobler, P. N. & Mojzisch, A. (2013). The cognitive and neural basis of option generation and subsequent choice. Cognitive Affective and Behavioral Neuroscience, 13, 814–829.

Kalis, A., Kaiser, S. & Mojzisch, A. (2013). Why we should talk about option generation in decision-making research. Frontiers in Psychology, 4, 555.

Kalis, A., Mojzisch, A., Schweizer, T. S. & Kaiser, S. (2008). Weakness of will, akrasia, and the neuropsychiatry of decision making: an interdisciplinary perspective. Cognitive Affective and Behavioral Neuroscience, 8, 402–417.

Kanfer, F. H. & Saslow, G. (1965). Behavioral analysis: An alternative to diagnostic classification. Archives of General Psychiatry, 12, 529–538.

Levy, R. & Dubois, B. (2006). Apathy and the functional anatomy of the prefrontal cortex-basal ganglia circuits. Cerebral Cortex, 16, 916–928. © 2017 Hogrefe

Lindenmayer, J. P., Nasrallah, H., Pucci, M., James, S. & Citrome, L. (2013). A systematic review of psychostimulant treatment of negative symptoms of schizophrenia: challenges and therapeutic opportunities. Schizophrenia Research, 147, 241–252.

Messinger, J. W., Tremeau, F., Antonius, D., Mendelsohn, E., Prudent, V., Stanford, A. D. & Malaspina, D. (2011). Avolition and expressive deficits capture negative symptom phenomenology: implications for DSM-5 and schizophrenia research. Clinical and Psychological Review, 31, 161–168.

Pessiglione, M., Seymour, B., Flandin, G., Dolan, R. J. & Frith, C. D. (2006). Dopamine-dependent prediction errors underpin reward-seeking behaviour in humans. Nature, 442, 1042–1045.

Reddy, L. F., Horan, W. P., Barch, D. M., Buchanan, R. W., Dunayevich, E., Gold, J. M., . . . Green, M. F. (2015). Effort-based decisionmaking paradigms for clinical trials in schizophrenia: part 1-psychometric characteristics of 5 paradigms. Schizophrenia Bulletin, 41, 1045–1054.

Revheim, N., Schechter, I., Kim, D., Silipo, G., Allingham, B., Butler, P. & Javitt, D. C. (2006). Neurocognitive and symptom correlates of daily problem-solving skills in schizophrenia. Schizophrenia Research, 83, 237–245.

Rosenberg, P. B., Lanctot, K. L., Drye, L. T., Herrmann, N., Scherer, R. W., Bachman, D. L., … Investigators, A. (2013). Safety and efficacy of methylphenidate for apathy in Alzheimer's disease: a randomized, placebo-controlled trial. Journal of Clinical Psychiatry, 74, 810–816.

Strauss, G. P., Frank, M. J., Waltz, J. A., Kasanova, Z., Herbener, E. S. & Gold, J. M. (2011). Deficits in positive reinforcement learning and uncertainty-driven exploration are associated with distinct aspects of negative symptoms in schizophrenia. Biological Psychiatry, 69, 424–431. van der Schaaf, M. E., van Schouwenburg, M. R., Geurts, D. E., Schellekens, A. F., Buitelaar, J. K., Verkes, R. J. & Cools, R. (2014).

Establishing the dopamine dependency of human striatal signals during reward and punishment reversal learning. Cerebral Cortex, 24, 633–642.

Velligan, D. I., Roberts, D., Mintz, J., Maples, N., Li, X., Medellin, E. & Brown, M. (2015). A randomized pilot study of MOtiVation and Enhancement (MOVE) Training for negative symptoms in schizophrenia. Schizophrenia Research, 165, 175–180.

Waltz, J. A., Frank, M. J., Robinson, B. M. & Gold, J. M. (2007). Selective reinforcement learning deficits in schizophrenia support predictions from computational models of striatal-cortical dysfunction. Biological Psychiatry, 62, 756–764.

Wardle, M. C., Treadway, M. T., Mayo, L. M., Zald, D. H. & de Wit, H. (2011). Amping up effort: effects of d-amphetamine on human effort-based decision-making. Journal of Neuroscience, 31, 16597–16602.

Weber, S. C., Beck-Schimmer, B., Kajdi, M. E., Muller, D., Tobler, P. N. & Quednow, B. B. (2016). Dopamine D2/3- and mu-opioid receptor antagonists reduce cue-induced responding and reward impulsivity in humans. Translational Psychiatry, 6, e850.

Wykes, T., Huddy, V., Cellard, C., McGurk, S. R. & Czobor, P. (2011). A meta-analysis of cognitive remediation for schizophrenia: methodology and effect sizes. American Journal of Psychiatry, 168, 472–485.

PD Dr. med. Stefan Kaiser Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Psychiatrische Universitätsklinik Zürich Lenggstrasse 31 8032 Zürich Schweiz stefan.kaiser@puk.zh.ch

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 37–43

Christian Stiglmayr / Hans Gunia Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) zur Behandlung der BorderlinePersönlichkeitsstörung

Christian Stiglmayr Hans Gunia

Ein Manual für die ambulante Therapie

Akkreditiert durch den Deutschen Dachverband DBT e.V.

Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) zur Behandlung der BorderlinePersönlichkeitsstörung

Ratgeber Zwangsstörungen Informationen für Betroffene und Angehörige Hans Reinecker

Ratgeber Zwangsstörungen Informationen für Betroffene und Angehörige

Ein Manual für die ambulante Therapie

2., aktualisierte Auflage

(Reihe: „Therapeutische Praxis“) 2017, 165 Seiten, Großformat, inkl. CD-ROM, € 49,95 / CHF 65.00 ISBN 978-3-8017-2424-5 Auch als eBook erhältlich

Therapeutische Praxis

Das Therapiemanual beschreibt erstmals ausführlich das konkrete therapeutische Vorgehen innerhalb der ambulanten DBT. Das Buch liefert zunächst eine Beschreibung des Störungsbildes, informiert über diagnostische Verfahren und erläutert die Entstehung der Störung. Anschließend wird anhand zahlreicher Beispieldialoge das therapeutische Vorgehen in den einzelnen Sitzungen detailliert beschrieben.

Gaby Bleichhardt Alexandra Martin

Hans Reinecker

Krankheitsängste erkennen und bewältigen Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige

Die Neuauflage des Ratgebers informiert anhand zahlreicher Fallbeispiele über die verschiedenen Formen von Zwängen. Sie informiert über die Entstehung von Zwangsstörungen, wobei insbesondere auf Merkmale der Stabilität und Aufrechterhaltung sowie der Vernetzung im Leben der Betroffenen eingegangen wird.

Gaby Bleichhardt / Alexandra Martin

Lars Auszra / Imke Herrmann / Leslie S. Greenberg

Krankheitsängste erkennen und bewältigen

Emotionsfokussierte Therapie Ein Praxismanual

Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige (Ratgeber zur Reihe: „Fortschritte der Psychotherapie“, Band 36) 2016, 93 Seiten, Kleinformat, € 9,95 / CHF 13.50 ISBN 978-3-8017-2310-1 Auch als eBook erhältlich

Krankheitsängste sind alltäglich, normal und manchmal sogar lebenserhaltend. In stärker ausgeprägter Form können aber Gedanken, schwer erkrankt zu sein sowie begleitendes Verhalten zur Sicherheitssuche, zu erheblichen Einschränkungen im Alltag führen.

Dann liegt in der Regel eine Hypochondrie vor. Das Buch erklärt, was hypochondrische Krankheitsängste sind und wie sie entstehen. Es bietet ausführliche Anleitungen zur Selbsthilfe sowie Hilfen zur Aufnahme einer Psychotherapie.

www.hogrefe.com

(Ratgeber zur Reihe: „Fortschritte der Psychotherapie“, Band 12) 2., akt. Auflage 2017, 67 Seiten, Kleinformat, € 8,95 / CHF 11.90 ISBN 978-3-8017-2788-8 Auch als eBook erhältlich

Lars Auszra Imke R. Herrmann Leslie S. Greenberg

Emotionsfokussierte Therapie

2017, 359 Seiten, € 36,95 / CHF 45.90 ISBN 978-3-8017-2425-2 Auch als eBook erhältlich

Ein Praxismanual

Dieser Band gibt eine fundierte und praxisnahe Einführung in die Emotionsfokussierte Therapie (EFT).

Neben einer Darstellung der theoretischen Grundlagen und wichtiger Forschungsergebnisse zur EFT wird aufgezeigt, wie Veränderungsprozesse gefördert werden können. Anhand zahlreicher Beispiele und Transkripte authentischer Therapiesitzungen wird erläutert, wie die Prinzipien und Methoden der EFT in der Praxis konkret angewendet werden können.

Themenschwerpunkt

Verwendung ökonomischer Spiele für die Diagnostik psychischer Erkrankungen Aleksandra Kupferberg1, Nora Preuss2 und Gregor Hasler1 1

2

Abteilung für molekulare Psychiatrie, Zentrum für translationale Forschung, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Bern, Schweiz Abteilung für Neurowissenschaften, Karolinska Institutet, Stockholm, Schweden

Zusammenfassung: Ein zentraler Aspekt vieler psychischer Erkrankungen ist die Störung eines oder mehrerer Entscheidungsfindungsprozesse in sozialen Interaktionen. Die neuartige Kombination aus ökonomischer Spieltheorie und Neurowissenschaft ermöglicht es, aufgrund der Spieltheorie Abweichungen im Sozialverhalten psychischer Patienten „komputational“ zu untersuchen. In laufenden Studien untersuchen wir das soziale Entscheidungsverhalten von Patienten mit unipolarer Depression, Borderline Persönlichkeitsstörung und Autismus-Spektrum Störung mittels einfacher sozialer Experimente. Bei der Borderline Persönlichkeitsstörung hat sich gezeigt, dass das Vertrauensverhalten, Kooperationsverhalten und Bestrafungsverhalten der Betroffenen inkonsistent ist. Patienten mit Autismus-Spektrum Störung unterschieden sich nicht von gesunden Kontrollpersonen in Bezug auf Vertrauen und Kooperation, teilen aber deutlich weniger Belohnung mit anderen, wenn sie nicht dafür bestraft werden konnten. Die Verwendung des Wettbewerbsparadigmas hat gezeigt, dass Individuen mit Depression den Wettbewerb mehr scheuen als gesunde Kontrollpersonen. In einer aktuellen fMRI-Studie kombinieren wir das Wettbewerbsparadigma mit funktioneller Kernspintomographie, um Veränderungen der Hirnaktivität zu untersuchen, die den veränderten Wettbewerbspräferenzen bei Depression zugrunde liegen.

Schlüsselwörter: Spieltheorie, ökonomische Spiele, komputationale Psychiatrie, soziale Entscheidungsfindung, Persönlichkeitsstörung

Using economic games for the diagnostics of mental disorders Abstract: A central aspect of many psychiatric disorders is the disturbance of decision-making in social interactions. This disturbance importantly contributes to the severe social consequences of these conditions. The combination of economic game theory and neuroscience opens up the potential to examine dysfunctional social behavior at the computational level, including psychological, social and biological information in the same model. In current studies, we examine social decision-making in patients with depression, bipolar disorder, borderline personality disorder and autism spectrum disorder using simple social experiments. We found that social decision-making is less consistent in patients with borderline personality disorder than in depressed individuals, patients with autism and controls. Adult patients with autism spectrum disorders showed reduced unconditional altruism in our experiments. Patients with major depressive disorder specifically exhibited competition avoidance. We currently examine the neural substrate of abnormal social decision-making using fMRI. Keywords: game theory, economic games, computational psychiatry, social decision-making, personality disorder

Die Rolle von Verhaltensökonomie für die Untersuchung veränderter Entscheidungsfindung in psychischen Störungen Die Fähigkeit, Absichten, Wünsche, Bedürfnisse und Gefühlszustände anderer Menschen einzuschätzen und über eigene Emotionen und psychische Prozesse zu reflektieren, ist für soziale Interaktionen von fundamenta© 2017 Hogrefe

ler Bedeutung. Neben den Schwierigkeiten, Emotionen zu verstehen und das Verhalten anderer Mitmenschen richtig zu deuten, haben Personen mit psychischen Erkrankungen oft Probleme darin, die normalerweise bestehenden impliziten Übereinkünfte und Regeln der zwischenmenschlichen Interaktionen zu befolgen. Dies kann einerseits zu negativen Reaktionen auf der Seite von Nicht-Erkrankten und sozialen Nachteilen und Symptomverstärkungen bei den Patienten führen. Andererseits können auch Schwierigkeiten im zwischenmenschlichen Kontakt und fehlende soziale Unterstützung das

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 45–54 DOI 10.1024/1661-4747/a000300

46

Auftreten von psychischen Erkrankungen begünstigen (Schilbach, 2016).

Die in der Psychiatrie übliche Methode, Symptome, Präferenzen, soziale Merkmale und Selbsteinschätzungen der eigenen Verhaltensweisen durch Fragebögen zu erheben, hat den Nachteil, dass unter Umständen das Selbstbild und die soziale Erwünschtheit einen entscheidenden Einfluss auf die Messungen haben können. Dieser Effekt ist beim Sozialverhalten sehr deutlich. Dagegen werden in der Spieltheorie soziale Entscheidungssituationen experimentell modelliert, in denen mehrere Beteiligte in realen Konfliktsituationen Entscheidungen treffen müssen. Dabei hängt die finanzielle Entschädigung des Einzelnen nach dem Experiment nicht nur von eigenen Entscheidungen ab, sondern auch von den Entscheidungen anderer Mitspieler (Camerer, 2003).

Die Verhaltensökonomie, die zu einem Teilgebiet der Ökonomie gehört, untersucht die für das Sozialverhalten relevanten Fragestellungen. Sie beschäftigt sich mit der Analyse der sozialen Normen und des menschlichen Verhaltens in ökonomischen Konfliktsituationen und erweitert die ökonomische Spieltheorie um psychologische und soziologische Aspekte.

In vielen experimentellen Konfliktsituationen hat sich herausgestellt, dass das ökonomische Standardmodell die Entscheidungen der Teilnehmer nicht erklären kann, da es starke Abweichungen vom ökonomischen rationalen Entscheidungsmodell gibt (Nowak, Page & Sigmund, 2000).

Die Erkenntnisse aus den verhaltensökonomischen Paradigmen basierend auf der Spieltheorie helfen dabei, besser zu verstehen, warum sich gesunde Menschen in diesen Situationen – zumindest streng ökonomisch betrachtet – weder rational noch egoistisch verhalten. Stattdessen zeigen sie Kooperationsbereitschaft, ohne zu wissen, ob das Gegenüber auch kooperieren wird oder vielmehr die Kooperationsbereitschaft ausnutzen wird.

In letzter Zeit wurden die verhaltensökonomischen Paradigmen eingesetzt, um zu untersuchen, wie kognitive und neuronale Prozesse, Motivationen sowie bestimmte pharmakologische Substanzen die menschliche Interaktion und die Entscheidungsfindung in Patienten mit psychischen Erkrankungen beeinflussen (Destoop, Schrijvers, De Grave, Sabbe & Bruijn, 2012; Radke, Schäfer, Müller & de Bruijn, 2013; Scheele, Mihov, Schwederski, Maier & Hurlemann, 2013). Die dabei erlangten Erkenntnisse können helfen, die Schwierigkeiten des sozialen Entscheidungsverhaltens bei Menschen mit psychischen Erkrankungen zu identifizieren und Therapiemethoden zu entwickeln, um diese Probleme besser anzugehen.

Um die Fragestellung zu präzisieren, werden im nächsten Kapitel einige Paradigmen aus der Verhaltensökonomie vorgestellt: das Wettbewerbsspiel, das Vertrauensspiel, das Bestrafungsspiel und das Kooperationsspiel. Im

A. Kupferberg et al.: Ökonomische Spiele

darauffolgenden Kapitel werden Befunde aus den Experimenten referiert, die einen Überblick über das veränderte Sozialverhalten bei unipolarer Depression, Borderline Persönlichkeitsstörung und Autismus-Spektrum Störung geben. Schließlich wird die Wissenschaft der Neuroökonomie vorgestellt, welche die ökonomischen Entscheidungsparadigmen mit neurowissenschaftlichen Methoden kombiniert.

Einführung in die verhaltensökonomischen Paradigmen Die ‚soziale Interaktion‘ wird innerhalb der Verhaltensökonomie in Bezug auf mehrere zwischenmenschliche Phänomene wie Vertrauen, Fairness oder Kooperation sowie Empathie, Reziprozität, und die Theory of Mind (die Fähigkeit, sich in Bewusstseinsvorgänge von anderen Personen hineinzuversetzen, auch „mentalisieren“ genannt) untersucht. Das zu erforschende Phänomen wird dabei meist in einer experimentell mess- und replizierbaren ökonomischen Spielsituation modelliert, um die Entscheidungsstrategien von Individuen in Echtzeit und unter Alltagsbedingungen zu testen.

Ein spieltheoretisches Spiel wird als Paradigma bezeichnet und involviert eine bestimmte Anzahl von Entscheidungsträgern (Spielern), die miteinander interagieren, indem sie jeweils eine Entscheidung aus einer Reihe alternativer Auswahloptionen auswählen (Lee, 2008). Je nachdem welche Aspekte erforscht werden, kann ein Paradigma prinzipiell für zwei oder mehrere Spieler konzipiert sein. Interaktionen können sowohl einmalig (oneshot game) als auch wiederholt ausgeführt werden. Die Spieler bleiben anonym und dürfen nicht untereinander kommunizieren.

Wettbewerbsspiel zur Untersuchung des Wettbewerbsverhaltens Unter Verwendung verhaltensökonomischer Experimente wurde oft empirisch gezeigt, dass Individuen, insbesondere Männer und Frauen, sich hinsichtlich ihres Wettbewerbsverhaltens unterscheiden (Buser et al., 2014; Datta Gupta, 2013; Niederle & Vesterlund, 2007; Sutter & Glätzle-Rützler, 2014). Meist müssen die Teilnehmer im Wettbewerbsspiel eine oder mehrere Aufgaben unter Zeitdruck bearbeiten und danach die Entscheidung treffen, ob ihre Leistung auf Basis eines Vergleichs mit anderen (Wettbewerb), oder auf einer individuellen bzw. gemeinsamen Basis (Gewinn gleichermaßen auf beide Teilneh-

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 45–54

© 2017 Hogrefe

A. Kupferberg et al.: Ökonomische Spiele

47

mer aufgeteilt) entlohnt wird. Die monetären Anreize werden so gesetzt, dass die Spieler sich anstrengen müssen und ihre Wettbewerbspräferenz zeigen. Die Bedingungen des Wettbewerbsspiels können von Runde zu Runde gezielt variiert werden. Die Variation der Belohnung für den Wettbewerb erlaubt es, die Wettbewerbspräferenz quantitativ zu bestimmen. Die Variation des Gegenspielers macht es möglich, den Einfluss des sozialen Kontexts auf Wettbewerbsentscheidungen abzuschätzen. Zum Beispiel hängt die Präferenz oft vom sozialen Status und vom Geschlecht des Gegenspielers ab (Niederle & Vesterlund, 2007). Das Spiel gegen einen Computer erlaubt die Unterscheidung zwischen Risiko- und Wettbewerbspräferenz (die Risikopräferenz ist viel allgemeiner und bezieht sich auch auf nicht-soziale Entscheidungen).

Vertrauensspiel zur Untersuchung des Vertrauens Vertrauen ist eine wichtige Komponente in alltäglichen Interaktionssituation und kann in der Spieltheorie durch das Vertrauensspiel erforscht werden. Das Vertrauensspiel wird von einem Investor (Treugeber) und einem Trustee (Treuhänder) gespielt. Aufgabe des Investors ist es zu entscheiden, ob er dem Trustee vertrauen möchte oder nicht. In der Regel wird ein gewisser Geldbetrag eingesetzt, welchen der Investor mit dem Trustee teilen kann. Der Trustee hat im Anschluss die Möglichkeit, das Vertrauen des Investors zu honorieren (i. d. R . mittels Geld), muss dies aber nicht tun (d. h., kein Geld als Honorar geben, Vertrauensmissbrauch).

Ein ‚Homo economicus‘, d. h. ein Trustee, der völlig rational entscheidet und nur auf die Maximierung seines Gewinnes bedacht ist, sollte sich in dieser anonymen und einmaligen Situation für den Vertrauensmissbrauch entscheiden, d. h., dem Investor kein Geld zurückzahlen. Rational betrachtet sollte der Investor dieses Verhalten antizipieren können und letztlich dem Trustee kein Vertrauen schenken. Tatsächlich entspricht das Verhalten von Menschen aber nicht dem des rationalen ‚Homo economicus‘, selbst wenn die eigene Reputation durch strikte Anonymisierung weder geschädigt noch verbessert werden kann.

Bestrafungsspiel zur Untersuchung der altruistischen Bestrafung Eines der interessantesten Anwendungsgebiete der Spieltheorie bezieht sich auf Verhandlungen, in denen ein Geldbetrag zwischen mehreren Spielern aufgeteilt werden soll. Ein bekanntes Spiel, mit dem die Bereitschaft zur Fairness und Zurückweisung von als unfair wahrgenommenen Verhaltens im Labor untersucht werden kann, ist © 2017 Hogrefe

das Ultimatumspiel (Bestrafungsspiel). Das Spiel impliziert extrem ungleiche Aufteilungen von Geld und ist somit die ideale Voraussetzung für die Beobachtung des altruistischen Verhaltens (Emanuele, Brondino, Bertona, Re & Geroldi, 2008). Die Situation sieht wie folgt aus: Der Anbieter teilt einen Geldbetrag in zwei Teile auf, einen Teil für sich, einen Teil für den Empfänger. Der Empfänger kann das Angebot dann entweder annehmen – und beide erhalten ihren zugewiesenen Betrag – oder ablehnen, woraufhin beide leer ausgehen. Besonders interessant sind hierbei unfaire Aufteilungen des Anbieters, bei denen auf Seiten des Empfängers ein Konflikt entsteht. Für die Annahme eines unfairen Angebots würde die simple Nutzenmaximierung sprechen, für die Ablehnung die Verletzung des Fairnessempfindens. Die klassische Spieltheorie, die von einem rationalen Entscheider ausgeht, macht klare Vorhersagen: Nach der sogenannten Eigennutzprognose sollte der Empfänger alle Angebote annehmen, da etwas Geld immer noch besser ist als gar kein Geld. Der Anbieter, der dies weiß, sollte daher den kleinstmöglichen Betrag anbieten, da er von der Annahme des Angebots ausgehen kann. Interessanterweise verhalten sich Menschen ganz anders: Anbieter bieten häufig die Hälfte des Gesamtbetrags an, und Angebote von weniger als 50 % der Gesamtsumme werden von mehr als 60 % der Empfänger sanktioniert (Fehr & Fischbacher, 2004). Menschen, die von einem Normbruch betroffenen sind, investieren eigene Ressourcen um eine unfair handelnde Person zu bestrafen und Gerechtigkeit wiederherzustellen.

Aus dem Ultimatumspiel entwickelte sich später das Diktatorspiel, bei dem das Angebot des Anbieters nicht abgelehnt werden kann. Dieses Experiment misst altruistisches Verhalten beim Anbieter, der ohne äußere Folgen alles Geld für sich behalten kann.

Kooperationsspiele zur Untersuchung der Kooperationsbereitschaft Ein zentraler Bestandteil der Spieltheorie und eines der einflussreichsten wissenschaftlichen Spielszenarien, um die Problematik der Kooperationsbereitschaft zu untersuchen, ist das Gefangenendilemma (Kuhn, 2014). Die Ausgangsituation sieht wie folgt aus: Zwei Gefangene werden beschuldigt, gemeinsam ein Verbrechen begangen zu haben. Da die Polizei keine Beweise für ihre Tatbeteiligung hat, werden sie zeitgleich vor die Wahl gestellt, die Straftat zu gestehen (d. h. den Komplizen zu verraten) oder zu leugnen (d. h. mit dem Komplizen zu kooperieren), ohne vorher miteinander kommunizieren zu können. Die Strafe hängt dabei davon ab, wie beide Gefangenen aussagen: wenn beide leugnen, d. h. kooperieren, erhalten sie eine niedrige Strafe, weil die Polizei keine Beweise gegen sie

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 45–54

48

hat. Wenn beide gestehen, erhalten beide eine hohe Strafe, aber nicht die Höchststrafe aufgrund ihres Geständnisses. Falls aber nur einer der Verdächtigten gesteht, kommt er aufgrund der Kronzeugenregelung frei, wobei sein Komplize die Höchststrafe erhält. Das Dilemma besteht in der Tatsache, dass es für beide Gefangenen den größten Nutzen gibt, mit dem anderen Spieler zu kooperieren und die Straftat zu leugnen, was aber wiederum die Gefahr der Höchststrafe mit sich bringt, falls der andere Spieler gestehen sollte. Aus diesem Grund und aufgrund der Tatsache, da sie als Informant die völlige Straffreiheit erhalten könnten, tendieren die Spieler oft dazu, die Tat zu gestehen.

Gestehen aber beide Spieler, führt dies insgesamt zu einem schlechteren Resultat für beide, als wenn beide leugnen würden.

Zusätzlich zum Gefangenendilemma, kann die Kooperationsbereitschaft in Public Goods Game (auch Öffentliche-Güter-Spiel) untersucht werden. Das öffentliche-Güter-Spiel erforscht die freiwillige Bereitschaft, Beiträge zu einem öffentlichen Gut zu leisten. Bei diesem Spiel zahlen die Teilnehmer anonym und nach eigenem Ermessen einen Geldbetrag in einen Topf ein, um ein öffentliches Gut zu erwerben. Wenn der Gesamtbetrag für das öffentliche Gut erreicht wird, wird eine Belohnung an alle Spieler zum gleichen Teil ausgezahlt, unabhängig davon, wie viel sie zuvor in den Topf gezahlt haben. Daher ist es für die Gruppe am besten, wenn alle möglichst viel investieren. Einzelne können jedoch noch mehr verdienen, wenn sie selber nicht oder wenig investieren und vom Vertrauen und der Großzügigkeit der anderen („cooperators“) profitieren.

Diese asozialen Personen nennt man auch „free riders“.

Ökonomische Spiele charakterisieren Sozialverhaltensstörungen bei psychischen Erkrankungen Unipolare Depression Depressive Störungen gehören zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere und Krankheitslast am meisten unterschätzten psychischen Erkrankungen (Ferrari et al., 2013). Sie zeigen überwiegend einen wiederkehrenden oder chronischen Verlauf, liegen oft gleichzeitig mit anderen Krankheiten vor und betreffen gemäß Forschungsstand rund 8 % der Erwachsenen im Alter von 18 bis 79 Jahren, wobei Frauen mit 10,2 % eine signifikant höhere Prävalenz als Männer mit 6,1 % aufweisen (Busch, Maske, Ryl, Schlack & Hapke, 2013). Depressionen führen zu einer großen Beeinträchtigung für die Betroffenen in ihrem sozialen Umfeld (43,4 % der Patienten) und bedingen er-

A. Kupferberg et al.: Ökonomische Spiele

hebliche Behinderungen am Arbeitsplatz (28,1 % der Patienten) (Kessler et al., 2003). Die Belastung der Beziehungen zu Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten führt dazu, dass depressive Menschen ein dünneres soziales Netz haben, ihre sozialen Rollen nicht mehr ausfüllen können und deswegen eine Neigung zu Rückzug, Vereinsamung und Isolation haben (Fink & Shapiro, 2013; Hirschfeld et al., 2002; Hirschfeld et al., 2000). Einerseits könnten die Beeinträchtigungen depressiver Patienten durch die internen Faktoren wie die gedrückte Gefühlslage, pessimistische Gedanken, Selbstvorwürfe, Scham und Schuldgefühle bedingt sein. Anderseits könnten sie aus den Störungen des Sozialverhaltens resultieren. Dazu gehören Bindungsunsicherheit, soziale Anhedonie, gestörtes Emotionserkennen, Empathiemangel, reduzierte Kooperationsbereitschaft, erhöhte Tendenz zur altruistischen Bestrafung, ausgeprägte Angst vor Ablehnung und erhöhte Wettbewerbsvermeidung (Hirschfeld et al., 2000; Segrin, 2000; Tse & Bond, 2004; Wei, Mallinckrodt, Larson & Zakalik, 2005). Die durch solche Verhaltensweisen verursachten negativen Reaktionen bzw. die Ablehnung durch Freunde oder Angehörige können zu einer weiteren Verstärkung der depressiven Symptome führen.

Das soziale Modell zur evolutionären Entstehung der Depression von Price und Kollegen (1994) geht davon aus, dass Depressionen als einstmals adaptive soziale Reaktion und Anpassung bei sozialen Konflikten entstehen. Diese Theorie basiert auf der Annahme, dass ein depressiver Gemütszustand unseren Vorfahren dazu verhalf, einen Statusverlust innerhalb ihrer Gruppe seelisch und körperlich zu überwinden. Die depressive Stimmung hinderte sie daran, bei wenig Aussicht auf Erfolg sich Ziele zu setzten, denen sie gegenwärtig nicht gewachsen waren. Ein Umschalten auf „unterwürfige Verhaltensweisen“ hat in zwischenmenschlichen Konkurrenz-Situationen dem Stärkeren gezeigt, dass der Interaktionspartner keine Gefahr mehr darstellt und hemmte bei Konkurrenten aggressive Impulse. Für die Interpretation des depressiven Verhaltens als Form der „Unterordnung“ sprechen nicht zuletzt Tierversuche, in denen Antidepressiva unterwürfiges Verhalten verringerten (Malatynska et al., 2002).

Vermeidung des Wettbewerbs Obwohl es eine Reihe von evolutionsbiologischen Theorien zur Depressionsentstehung gibt, wurde keine von ihnen experimentell untersucht. Mit Hilfe eines auf der Spieltheorie basierten Experiments, bei dem eine Entscheidung für oder gegen Kooperation bzw. Wettbewerb bei einer Papierfaltaufgabe getroffen werden musste, haben wir das Wettbewerbsverhalten von depressiven Frauen untersucht (Kupferberg et al., 2016). Die Wettbewerbsaufgabe der Probanden bestand darin, innerhalb von fünf Minuten möglichst viele A4 Blätter zusammenzu-

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 45–54

© 2017 Hogrefe

A. Kupferberg et al.: Ökonomische Spiele

49

falten und in C6-Couverts zu verstauen. Diese Aufgabe wurde speziell so gewählt, dass weder Gesunde noch Depressive einen Vorteil in den Fähigkeiten oder in Erfahrungen hatten. Die Studie hat gezeigt, dass das Wettbewerbsverhalten von depressiven Patientinnen hoch-signifikant von jenem der gesunden Kontrollprobanden abwich. Im Gegensatz zu 66 % der gesunden Kontrollpersonen, die sich dazu entschieden, mit einem anderen Gegenspieler in den Wettbewerb zu treten, haben sich nur 30 % der Personen mit Depression für Wettbewerb entschieden. Die meisten Betroffenen bevorzugten es, mit einer unbekannten Person zu kooperieren. Es scheint also, dass bei einer unbekannten Gegenspielerin depressive Frauen die Kooperation bevorzugen. Das steht im Einklang mit der oben beschriebenen Evolutionshypothese der Depression, weil ein Wettbewerb mit einem möglicherweise stärkeren Gegenspieler zu einer Niederlage führen könnte (Price et al., 1994). Interessanterweise änderte sich das Wettbewerbsverhalten der Betroffenen, wenn der gesundheitliche Status des Gegenspielers dem eigenen glich. Fast 90 % der depressiven Probandinnen entschieden sich für den Wettbewerb, wenn ihr Gegenspieler die gleiche Diagnose hatte (auch an Depression litt), wobei nur 50 % der gesunden Kontrollpersonen bei gleicher Diagnose (gesund) den Wettbewerb wählten. Dabei korrelierte die Neigung zum Wettbewerb negativ mit der Schwere der depressiven Symptome. Die depressiven Patientinnen neigten also dazu, gegen andere Depressive in Wettbewerb zu treten und mit einer unbekannten Person zu kooperieren. Das deutet darauf hin, dass die Patientinnen mehr Selbstvertrauen gegenüber Menschen mit der gleichen Diagnose hatten als gegenüber Menschen, über die sie keine Informationen besaßen. Die Tatsache, dass ein Großteil der Depressiven dazu neigte, gegenüber ebenfalls Depressiven in den Wettbewerb zu gehen, könnte dadurch erklärt werden, dass die von der Depression Betroffenen oft einen höheren Leistungsdruck verspüren und ihren sozialen Status zurückerlangen wollen, indem sie sich behaupten (Gilbert, McEwan, Bellew, Mills & Gale, 2009).

Die Scheu vor Wettbewerbssituationen und Leistungsvergleich könnte alternativ dadurch bedingt sein, dass man eigene Leistungen und Fähigkeiten im Vergleich zu anderen Personen als niedrig einschätzt. Entgegen unseren Erwartungen zeigten depressive Frauen ein normales Risikoverhalten, ein normales Maß an Vertrauen und keine Abweichung von der Norm hinsichtlich egoistischem und altruistischem Verhalten. Zusätzlich haben wir die emotionale Befindlichkeit abgefragt, welche die Versuchspersonen bei verschiedenen fiktiven Ausgängen (beispielweise Gewinn oder Niederlage beim Wettbewerb, höhere oder niedrigere Leistung bei der Kooperation) des Versuchs haben würden. Im Falle eines vorgestellten Verlusts nach einem Wettbewerb gab es keinen Zusammenhang © 2017 Hogrefe

zwischen den negativen Gefühlen und dem Typ des Gegenspielers (gleiche Diagnose oder zufällig ausgewählt).

Das deutet darauf hin, dass das Ausmaß der depressiven Reaktion auf Verlust nicht den Ausschlag für das stark unterschiedliche Wettbewerbsverhalten gab. Zusammengefasst lieferte daher unsere Studie Hinweise, dass das Wettbewerbsverhalten bei depressiven Patientinnen eine komplexe Dysregulation aufweist.

Erhöhte Tendenz zur altruistischen Bestrafung Weiterhin zeigt sich, dass depressive Personen im Ultimatumspiel mehr unfaire Angebote ablehnen als gesunde Kontrollpersonen (Wang et al., 2014) und das sogar sechs Wochen nach der Therapie (Scheele et al., 2013). Die Theorie, dass Depression mit einem erhöhten Sinn für Fairness assoziiert ist, wurde weiterhin durch eine Studie bestätigt, die zeigte, dass depressive Individuen auch faire Angebote ablehnten (Radke et al., 2013). Außerdem haben Patienten mit schweren Formen der Depression im Ultimatumspiel dem Gegenüber mehr Geld angeboten als gesunde Versuchspersonen (Destoop et al., 2012). Es gibt zwei Theorien, die dieses prosoziale Verhalten bei Depressiven erklären könnten. Zum einen könnten Patienten mit Depression mehr Geld anbieten, damit ihr Angebot nicht abgelehnt wird. Zum anderen könnte dieses Verhalten aus der geschwächten Reaktion des Hirn-Belohnungssystems auf positive soziale und monetäre Reize bei Depression bedingt sein (Henriques & Davidson, 2000; Schaefer, Putnam, Benca & Davidson, 2006; Smoski et al., 2009).

Reduzierte Kooperationsbereitschaft Die Untersuchung des kooperativen Verhaltens von depressiven Patienten mit Hilfe des Gefangenendilemmas hat gezeigt, dass depressive Symptome zu Schwierigkeiten führten, die reziproke Kooperation aufrecht zu erhalten (Clark, Thorne, Hardy & Cropsey, 2013). In ähnlicher Weise zeigte eine andere Studie, dass depressive Patienten signifikant weniger als gesunde Kontrollen in einer hypothetischen Überlebenssituation während einer Interaktion mit nachsichtigen Partnern kooperierten (Pulcu et al., 2015). Ferner hat es sich gezeigt, dass depressive Patienten weniger Beiträge im Öffentliche-Güter-Spiel leisteten (Clark et al., 2013).

Borderline Persönlichkeitsstörung Die Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung, welche mit einer Lebenszeitprävalenz von ca. 3 % zu den häufigen psychischen Erkrankungen im Erwachsenenalter zählt (Bohus & Kröger, 2011). BPS kennzeichnet sich durch eine verminderte Impulskontrolle, emotionale Instabilität, Selbstwahr-

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 45–54

50

nehmungsdefizite, Selbstwertproblematiken und instabile zwischenmenschliche Beziehungen (Lieb, Zanarini, Schmahl, Linehan & Bohus, 2004). Die Betroffenen weisen häufig ambivalente aber intensive Beziehungsmuster auf, die zwischen den Extremen ‚Idealisierung‘ und ‚Entwertung‘ wechseln. Mittlerweile wird davon ausgegangen, dass eine Mehrheit der betroffenen Patienten psychische Traumata erlebt hat (Driessen et al., 2002). Dazu gehören sowohl sexueller und körperlicher Missbrauch als auch emotionale Vernachlässigungen im Kindes- und Jugendalter. Basierend auf der Attachment Theory nach Ainsworth und Kollegen (1978), hat im Speziellen die Bindung zur Bezugsperson im Kindesalter einen maßgeblichen Einfluss auf das Selbstkonzept, welches ein Kind später entwickelt (Bowlby, 1969, 1973, 1977, 1980; Levy, 2005). Kinder, welche eine sichere Bindung zu ihrer Bezugsperson aufweisen, wissen, dass sie sich auf diese verlassen können. Dies ermöglicht ihnen, in einer sicheren Umgebung die eigenen Bewusstseinzustände und die Bewusstseinszustände anderer Personen zu explorieren und so Wissen über Bewusstseinszustände im Allgemeinen zu lernen (Fonagy, 2000). Dieser Prozess wird auch als „mentalisieren“ bezeichnet und beschreibt die Fähigkeit, sowohl die eigenen als auch die Gedanken und Intentionen anderer zu verstehen und diese auf neue soziale Situationen übertragen zu können. Eine sichere Bindung ist bei BPS Patienten jedoch sehr selten (Levy, 2005). Die Kindheit von BPS Patienten ist häufig gekennzeichnet durch Vernachlässigung und Missbrauch, weshalb die Fähigkeit zu mentalisieren nicht entwickelt werden kann (Ball & Links, 2009). Die Unfähigkeit zu mentalisieren trägt zu einem desorganisieren Bindungstil bei und begünstigt schliesslich die Entwicklung einer BPS. Dies führt zu den bekannten Symptomen der BPS wie unvorhersehbarem, impulsivem Verhalten und instabilen zwischenmenschlichen Beziehungen. Soziale Unterstützung durch Familie und Freunde hat im Gegenzug einen protektiven Einfluss auf die Entwicklung einer BPS (Rosenbach & Renneberg, 2014). Es wird angenommen, dass sich aus den Bindungsmustern allgemeine kognitive Schemata entwickeln, welche das Verhalten in zukünftigen Beziehungen beeinflussen (Bowlby, 1969).

In einer aktuellen Studie der Autoren sollte das Verhalten von BPS Patientinnen mittels einfacher verhaltensökonomischer Experimente untersucht werden (Preuss et al., 2016). Dabei wurden drei Spiele durchgeführt, welche Konzepte wie Vertrauen, Bestrafung und Kooperation aufgreifen. Im Speziellen waren die Autoren am Verhalten in der ersten Runde eines Spieles interessiert. Es wurde angenommen, dass BPS Patientinnen aufgrund der entwickelten kognitiven Schemata bereits in der ersten Runde ein inkonsistentes und unvorhersehbares Verhalten zeigen würden. Dabei wurden je zwei Bedingungen miteinander verglichen: Verhalten im sozialen und nicht-sozialen Kon-

A. Kupferberg et al.: Ökonomische Spiele

text. Das Verhalten der BPS Patientinnen wurde mit dem Verhalten von gesunden Kontrollprobandinnen und depressiven Patientinnen verglichen. Zusätzlich wurde noch die wahrgenommene soziale Unterstützung durch Familie und Freunde mittels Fragebogen erhoben (Soz-U; Fydrich, Sommer, Tydecks, & Brähler, 2009).

Inkonsistentes Verhalten im Vertrauensspiel Im Vertrauensspiel sollten die Versuchsteilnehmerinnen (BPS Patientinnen und Kontrollteilnehmerinnen) einen Punktebetrag von 10 Punkten zwischen sich (der Investorin) und einer unbekannten zweiten Person (der ‚Trustee‘) aufteilen. Der Betrag, der an die andere Person ging, wurde daraufhin verdreifacht. Im Gegenzug hatte nun die Trustee die Möglichkeit, einen Teil des erhaltenen Betrages an die Investorin abzugeben. Die BPS Patientinnen und Kontrollteilnehmerinnen nahmen dabei immer die Rolle der Investorin ein. In der ‚sozialen Kontext‘-Bedingung wurde den Versuchsteilnehmerinnen gesagt, dass es sich bei der Trustee um eine andere Frau handle. Sie spielten insgesamt vier Runden in der ‚sozialen Kontext‘-Bedingung, jede Runde mit einer anderen Frau. In der ‚kein sozialer Kontext‘-Bedingung wurde ihnen gesagt, dass es sich bei der Trustee um einen Computer handle. Es wurden ebenfalls vier Runden gespielt. Im Mittel zeigte sich kein Unterschied im Verhalten zwischen den BPS Patientinnen und den Kontrollteilnehmerinnen. Interessanterweise zeigten die BPS Patientinnen jedoch in den Runden mit ‚sozialem Kontext‘ ein deutlich inkonsistenteres Verhalten als die Kontrollteilnehmerinnen. Diese Inkonsistenzen traten auf, obwohl es sich jedes Mal um eine erste Interaktion zwischen ihnen und einer neuen Interaktionspartnerin handelte. Dieser Befund deutet darauf hin, dass BPS Patientinnen das für sie typische inkonsistente und unvorhersehbare Verhalten auch bei initialen Interaktionen zeigen.

Inkonsistentes Verhalten im Bestrafungsspiel Ein ähnliches Ergebnis wie im ersten Experiment wurde auch im zweiten Experiment gefunden, welches auf die Untersuchung des Bestrafungsverhaltens ausgerichtet war. In diesem Experiment erhielten die Versuchsteilnehmerinnen einen initialen Betrag von 100 Punkten. Sie (die Investorinnen) konnten auch hier den erhaltenen Betrag mit einer zweiten unbekannten Frau teilen. Im Anschluss an diese Transaktion erhielten beide Teilnehmerinnen 25 weitere Punkte. Auch in diesem Spiel gab es zwei Bedingungen. In der ‚sozialer Kontext‘-Bedingung konnte die zweite Teilnehmerin die Investorin für ihr Verhalten bestrafen (Bestrafungs-Bedingung), wenn sie mit dem erhaltenen Betrag nicht zufrieden war. Dabei konnte sie einen Teil ihrer Punkte für die Bestrafung einsetzen. Ein eingesetzter Punkt führte bei der Investorin zu einem Abzug von fünf Punkten. Die zweite Spielerin konnte daher mittels

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 45–54

© 2017 Hogrefe

A. Kupferberg et al.: Ökonomische Spiele

51

ihrer 25 Punkte die Investorin um deren Gesamtbetrag von 125 Punkten erleichtern. In der ‚kein sozialer Kontext‘Bedingung musste die zweite Teilnehmerin den erhaltenen Betrag akzeptieren (Diktator-Bedingung). Insgesamt wurden zehn Runden gespielt, je fünf pro Bedingung und jede Runde mit einer anderen Interaktionspartnerin. BPS Patientinnen und Kontrollteilnehmerinnen waren immer in der Position der Investorin. Interessanterweise zeigte sich hier das gleiche Verhaltensmuster wie in der Vertrauensstudie. Im Mittel unterschied sich das Verhalten von BPS und Kontrollteilnehmerinnen nicht, allerdings zeigten die BPS Patientinnen ein inkonsistenteres Verhalten (d. h. große Unterschiede zwischen den Entscheidungen in der gleichen Bedingung über die Zeit) in der Bedingung mit sozialem Kontext.

Inkonsistentes Verhalten im Kooperationsspiel Beim dritten Verhaltensexperiment handelte es sich um eine Studie, in der Kooperation untersucht werden sollte.

Die Versuchsteilnehmerinnen spielten dabei in einer Gruppe von insgesamt vier Spielerinnen. Jede Spielerin sollte unabhängig von den anderen Spielerinnen einen Betrag auswählen: 5, 7,5 oder 10 Schweizer Franken (CHF). Die Spielerin, die den kleinsten Betrag wählte, gewann die Runde. Wenn alle Spielerinnen 10 CHF wählten, erhielten alle Teilnehmerinnen 10 CHF. Wenn jedoch eine Spielerin einen geringeren Betrag als die anderen Spielerinnen wählte, wurden die anderen Spielerinnen für ihren zu hohen Einsatz bestraft und erhielten je nach Wetteinsatz einen Abzug (Details siehe Preuss et al., 2016). In diesem Spiel wurden je zwei Runden mit derselben Gruppe gespielt. Analysiert wurde sowohl das Verhalten in der ersten als auch in der zweiten Runde. Tendenziell zeigte sich auch hier eine erhöhte Inkonsistenz im Verhalten der BPS Patientinnen in der ersten Runde des Kooperationsspiels, allerdings war dieser Effekt nicht signifikant. Im Mittel unterschied sich das Verhalten von BPS Patientinnen und Kontrollteilnehmerinnen weder in der ersten noch in der zweiten Runde.

Die Befunde aller drei Spiele deuten darauf hin, dass sich das vermutete Defizit von BPS Patientinnen zu mentalisieren auch bei ersten Interaktionen zeigt. BPS Patientinnen wiesen in der Vertrauens- und Bestrafungsstudie inkonsistentes Verhalten in den Bedingungen mit sozialem Kontext auf. Sowohl in der Vertrauens- als auch in der Bestrafungsstudie korrelierte das inkonsistente Verhalten bei sozialem Kontext negativ mit der wahrgenommenen sozialen Unterstützung durch Familie und Freunde: Je weniger Unterstützung eine Teilnehmerin aus ihrem Umfeld erfuhr, desto inkonsistenter war das Verhalten in den beiden Spielen. In der beschriebenen Studie konnte erstmals mittels einfacher verhaltensökonomischer Experimente gezeigt werden, dass sich inkonsistentes Verhalten bei BPS Patientinnen auch bei initialen Interaktionen zeigt. © 2017 Hogrefe

Autismus-Spektrum Störung Bei der Autismus-Spektrums Störung (ASS) handelt es sich um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, welche in der frühen Kindheit beginnt und durch eine verzögerte und abweichende Entwicklung gekennzeichnet ist (Remschmidt & Kamp-Becker, 2007). Die Symptome bei ASS lassen sich in drei Hauptkategorien einteilen: Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion, Beeinträchtigungen in der Kommunikation (inkl. Sprachentwicklungsverzögerung) und repetitives/stereotypes Verhalten. ASS tritt häufiger bei Jungen als bei Mädchen auf und die Prävalenzraten variieren je nach Typ und Schweregrad der Entwicklungsverzögerung (Fombonne & Tidmarsh, 2003). Als Asperger-Syndrom wird im Allgemeinen eine eher milde Ausprägung der ASS bezeichnet, bei der die Betroffenen zwar die typischen Defizite in Sprache, Interaktion und Verhalten, jedoch keine Intelligenzminderung aufweisen. Das Asperger-Syndrom ist Teil der ASS, wird aber im DSM-5 nicht mehr als Einzelstörung aufgeführt.

Defizite in der sozialen Interaktion kennzeichnen sich häufig durch eine mangelnde Fähigkeit über die Bewusstseinszustände anderer Menschen zu mentalisieren (Baron-Cohen, Jolliffe, Mortimore & Robertson, 1997). Die Betroffenen zeigen eine extreme Ich-Bezogenheit in sozialen Interaktionen und sind unfähig, die Gedanken und Gefühle anderer Personen nachzuvollziehen. Zwar nehmen Menschen mit Asperger-Syndrom gerne Kontakt zu anderen auf, verhalten sich dabei aber unangemessen. Gesprächsthemen kreisen beispielsweise gerne um eigene Spezialinteressen und auf ihr Gegenüber wird nicht adäquat eingegangen (Remschmidt & Kamp-Becker, 2007).

Im Gegensatz zu BPS wird die Unfähigkeit zu mentalisieren aber nicht durch Vernachlässigung oder Misshandlung in der frühen Kindheit ausgelöst, sondern hat eine biologische Pathogenese, welche unter anderem genetische Faktoren, Hirnschädigungen und biochemische Abweichungen beinhaltet (Remschmidt & Kamp-Becker, 2005, 2006; Remschmidt & Schulte-Körne, 2004). Ein schlüssiges Model zur Entstehung einer ASS fehlt jedoch bislang (Remschmidt & Kamp-Becker, 2007).

In einer bisher unveröffentlichten Studie der Autoren sollte auch mit Hilfe von verhaltensökonomischen Experimenten das Verhalten von ASS betroffenen Erwachsenen in den drei bereits beschriebenen Spielen untersucht werden. Insgesamt wurden 20 Erwachsene mit Asperger-Syndrom mit 20 gesunden Kontrollprobanden verglichen. Es wurden dieselben drei Spiele zu Vertrauen, Bestrafung und Kooperation durchgeführt wie in der BPS Studie. Frühere Studien konnten bereits zeigen, dass Kinder, die an ASS leiden, geringere Angebote im Diktator-Spiel machen (Sally & Hill, 2006). Bei einer Spendenaufgabe hatte bei gesunden Erwachsenen die Präsenz einer weiteren Person

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 45–54

52

einen positiven Einfluss auf den gespendeten Betrag. Bei Erwachsenen mit ASS hatte die Anwesenheit einer weiteren Person jedoch keinen Einfluss auf den gespendeten Betrag (Izuma, Matsumoto, Camerer & Adolphs, 2011).

Beide Befunde deuten darauf hin, dass ASS-Betroffene sich wenig Gedanken über ihre soziale Reputation machen und darüber, was andere von ihnen denken könnten.

Normales Vertrauensverhalten und reduzierter Altruismus im Diktatorspiel Der Ablauf der drei Verhaltensexperimente war der gleiche wie in der BPS-Studie. Die von ASS betroffenen Teilnehmer nahmen im Vertrauens- und Bestrafungsspiel die Rolle des Investors ein. Hier zeigten sich jedoch keine Unterschiede im Verhalten zwischen den von ASS betroffenen Teilnehmern und Kontrollteilnehmern. Lediglich bei der Bestrafungsstudie konnte derselbe Effekt gefunden werden, welcher bereits von Sally und Hill (2006) beschrieben wurde. Die von ASS betroffenen Teilnehmer machten geringere Angebote in der Diktator-Bedingung.

Kein Unterschied im Verhalten konnte allerdings festgestellt werden, wenn der zweite Spieler die Möglichkeit zur Bestrafung hatte. Dies deutet darauf hin, dass sich die von ASS betroffenen Teilnehmer sehr wohl im Klaren über die soziale Erwünschtheit ihrer Handlungen waren.

Normales Verhalten im Kooperationsspiel Zwar konnten Downs und Smith (2004) ungewöhnliche Verhaltensweisen in einem Kooperationsspiel bei von ASS betroffenen Kindern nachweisen, dies ließ sich aber in der vorliegenden Studie mit Erwachsenen nicht bestätigen. Es zeigte sich kein Unterschied im Verhalten zwischen den von ASS betroffenen und gesunden Teilnehmern, weder in der ersten Runde noch in der zweiten Runde des Spiels.

Die geringen Unterschiede zwischen ASS und gesunden Teilnehmern in den drei Spielen könnten zum einen auf einen geringen Schweregrad der ASS-Ausprägung zurückzuführen sein (alle Teilnehmer hatten das Asperger-Syndrom), zum anderen aber auch darauf hindeuten, dass Erwachsene mit ASS mit der Zeit lernen, ihre Defizite zu kompensieren und ein kooperatives, sozial erwünschtes Verhalten entwickeln können.

Untersuchung neuronaler Korrelate der veränderten Entscheidungsfindung in ökonomischen Verhandlungssituationen Psychische Erkrankungen gehen mit einer Störung von einem oder mehreren sozialen Entscheidungsprozessen

A. Kupferberg et al.: Ökonomische Spiele

und Veränderungen der Aktivität in bestimmten Gehirnregionen einher. Daher geht unser Team davon aus, dass man durch neurowissenschaftliche Untersuchungen der Mechanismen sozialer Interaktion einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann, psychische Erkrankungen als Störung der sozialen Interaktion zu rekonstruieren und ihre neurobiologischen Grundlagen zu untersuchen. Die Wissenschaft, die ökonomische Entscheidungsparadigmen mit neurowissenschaftlichen Methoden kombiniert, heißt Neuroökonomie. Sie befindet sich an der Schnittstelle zwischen Wirtschaftswissenschaft, Psychologie und Neurowissenschaft. Die naturwissenschaftliche Methodik bedient sich dabei der bildgebenden Verfahren, wie der Positronen-Emmissions-Tomographie (PET), funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) und Elektroenzephalografie (EEG), mit denen aufgezeigt werden kann, welche spezifischen Hirngebiete bei einer bestimmten Entscheidungssituation aktiviert sind. Diese Methoden können dabei helfen, Auskunft über die im Gehirn ablaufenden neuronalen Prozesse oder den Einfluss pharmakologischer Substanzen (z. B. Oxytocin oder Serotonin) auf die Gehirnaktivität bei sozialen und ökonomischen Entscheidungen zu erhalten. Die auf diese Weise untersuchten Phänomene sind zum Beispiel Belohnung und Bestrafung, Vertrauen, Kooperation, Fairness oder die Bildung von Präferenzen (Baumgartner, Heinrichs, Vonlanthen, Fischbacher & Fehr, 2008). Auch Anwendung von Tiermodellen in der sozialen Neuroökonomie könnte dazu verwendet werden, die Grundlagen veränderter Verhaltensmuster bei sozialen Entscheidungen zu untersuchen. Hirnregionen, die eine zentrale Funktion bei ökonomischen Entscheidungssituationen innehaben, sind das sogenannte ventrale Striatum, welches insbesondere in Belohnungssituationen aktiviert wird (Knutson et al., 2004) und die Amygdala, die vermutlich für die Verlustangst verantwortlich ist (De Martino, Camerer & Adolphs, 2010; Hsu, Bhatt, Adolphs, Tranel & Camerer, 2005). In einer aktuell laufenden Studie untersucht unser Team mit Hilfe einer abgeänderten Version des oben beschriebenen Wettbewerbsparadigmas die neuronalen Korrelate, die dem veränderten Wettbewerbsverhalten bei Depression zugrunde liegen. Weiterhin ist eine Studie geplant, die erforschen wird, inwiefern die Wettbewerbsvermeidung bei bipolar depressiven Patienten im gleichen Masse vorhanden ist wie bei den Patienten mit unipolarer Depression. Die Erkenntnisse aus diesen Studien werden helfen, eine systematische Charakterisierung der neurobiologischen Basis des sozialen Verhaltens auszuarbeiten, was zu einem besseren Verständnis der Verhaltensabläufe in sozialen Entscheidungssituationen und so zu einer verbesserten Diagnose und Behandlung von affektiven Erkrankungen führen wird.

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 45–54

© 2017 Hogrefe

A. Kupferberg et al.: Ökonomische Spiele

53

Ausblick Die Kombination aus Spieltheorie und Neurowissenschaften ermöglicht es, wichtige Aspekte des sozialen Verhaltens psychisch Erkrankter zu untersuchen, komplexe neuronale Funktionsstörungen zu identifizieren und auf der neuronalen Ebene zu charakterisieren. So können die Prozesse, die dem Entscheidungsverhalten in Konfliktsituationen zugrunde liegen, beleuchtet werden und so das beobachtete Verhalten zusätzlich quantifiziert, validiert und im Rahmen der Spieltheorie verstanden werden. Der Einsatz verhaltensökonomischer Methoden zusammen mit bildgebenden Verfahren ermöglicht es auch, persönliche Motive, welche den sozialen Präferenzen, wie zum Beispiel Egoismus und Altruismus, zugrunde liegen, besser zu verstehen (Hein, Morishima, Leiberg, Sul & Fehr, 2016).

Dieses Verständnis von bewussten und unbewussten Motivationsfaktoren erlaubt es den Psychotherapeuten, die Komplexität und Tiefe der sozialen Behinderungen ihrer Patientinnen genauer zu verstehen.

Weiterhin hat der Einsatz neuroökonomischer Paradigmen das Potential, die Diagnostik psychischer Erkrankungen zu verbessern, und die Beziehungen zwischen ökonomischen Präferenzen und dem Risiko für das Auftreten spezifischer psychischer Krankheiten aufzudecken. Die neuronalen und molekularen Korrelate dieser Präfenzen bei psychischen Erkrankung können als Biomarker und Endophänotypen dienen und zu einer wissenschaftlich basierten Klassifikation psychischer Störungen beitragen (Hasler, 2012). Die mögliche Rolle von einfachen sozialen Experimenten im Rahmen der Research Domain Criteria des National Institutes of Mental Health haben wir in unserem Artikel „Social Functioning in Major Depression“ (Kupferberg, Bicks & Hasler, 2016) ausführlich beschrieben.

Literatur Ainsworth, M. D. S., Bleaher, M., Waters, E. & Wall, S. (1978). Pattern of attachment: a psychological study of the strange situation.

American Psychologist, 44, 709–716.

Ball, J. S. & Links, P. S. (2009). Borderline personality disorder and childhood trauma: evidence for a causal relationship. Current Psychiatry Reports, 11, 63–68.

Baron-Cohen, S., Jolliffe, T., Mortimore, C. & Robertson, M. (1997).

Another advanced test of theory of mind: Evidence from very high functioning adults with autism or Asperger syndrome.

Journal of Child Psychology and Psychiatry, 38, 813–822.

Baumgartner, T., Heinrichs, M., Vonlanthen, A., Fischbacher, U. & Fehr, E. (2008). Oxytocin shapes the neural circuitry of trust and trust adaptation in humans. Neuron, 58, 639–650.

Bohus, M. & Kröger, C. (2011). Psychopathologie und Psychotherapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Der Nervenarzt, 82, 16–24. © 2017 Hogrefe

Bowlby, J. (1969). Attachment and loss: Attachment. London: Hogarth Press and the Institute of Psycho-Analysis.

Bowlby, J. (1973). Attachment and loss: Separation. New York: Basic Books.

Bowlby, J. (1977). The making and breaking of affectional bonds. II. Some principles of psychotherapy. The fiftieth Maudsley Lecture. The British Journal of Psychiatry, 130, 421–431.

Bowlby, J. (1980). Attachment and loss: Loss, sadness and depression. New York: Basic Books.

Busch, M. A., Maske, U. E., Ryl, L., Schlack, R. & Hapke, U. (2013).

Prävalenz von depressiver Symptomatik und diagnostizierter Depression bei Erwachsenen in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz, 56, 733–739.

Buser, T., Niederle, M. & Oosterbeek, H. (2014). Gender, Competitiveness, and Career Choices. The Quarterly Journal of Economics, 129(3), 1409 – 1447. https://doi.org/10.1093/qje/qju009 Camerer, C. F. (2003). Behavioral game theory: Experiments in strategic interaction. Princeton, N.J.: Princeton University Press.

Clark, C., Thorne, C. B., Hardy, S. & Cropsey, K. L. (2013). Cooperation and depressive symptoms. Journal of Affective Disorders, 150, 1184–1187.

Datta Gupta, N., Poulsen, A. & Villeval, M. C. (2013). Gender matching and competitiveness: Experimental evidence. Economic Inquiry, 51(1), 816 – 835.

De Martino, B., Camerer, C. F. & Adolphs, R. (2010). Amygdala damage eliminates monetary loss aversion. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 107, 3788–3792.

Destoop, M., Schrijvers, D., De Grave, C., Sabbe, B. & De Bruijn, E. R. A. (2012). Better to give than to take? Interactive social decision-making in severe major depressive disorder. Journal of Affective Disorders, 137, 98–105.

Downs, A. & Smith, T. (2004). Emotional understanding, cooperation, and social behavior in high-functioning children with autism.

Journal of Autism and Developmental Disorders, 34, 625–635.

Driessen, M., Beblo, T., Reddemann, L., Rau, H., Lange, W., Silva, A. & Ratzka, S. (2002). Ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung eine komplexe posttraumatische Störung? Zum Stand der Forschung. Der Nervenarzt, 73, 820–829.

Emanuele, E., Brondino, N., Bertona, M., Re, S. & Geroldi, D. (2008).

Relationship between platelet serotonin content and rejections of unfair offers in the ultimatum game. Neuroscience Letters, 437, 158–161.

Fehr, E. & Fischbacher, U. (2004). Social norms and human cooperation. Trends in Cognitive Sciences, 8, 185–190.

Ferrari, A. J., Charlson, F. J., Norman, R. E., Patten, S. B., Freedman, G., Murray, C. J. L. & Whiteford, H. A. (2013). Burden of depressive disorders by country, sex, age, and year: Findings from the global burden of disease study 2010. PLoS Med, 10, e1001547.

Fink, B. C. & Shapiro, A. F. (2013). Coping mediates the association between marital instability and depression, but not marital satisfaction and depression. Couple & Family Psychology, 2, 1–13.

Fombonne, E. & Tidmarsh, L. (2003). Epidemiologic data on Asperger disorder. Child and Adolescent Psychiatric Clinics of North America, 12, 15–21.

Fonagy, P. (2000). Attachment and borderline personality disorder.

Journal of the American Psychoanalytic Association, 48, 1129–1146.

Fydrich, T., Sommer, G., Tydecks, S. & Brähler, E. (2009). Fragebogen zur sozialen Unterstützung (F-SozU): Normierung der Kurzform (K-14) Social Support Questionnaire (F-SozU): Standardization of short form (K-14). Zeitschrift für Medizinische Psychologie, 18, 43–48.

Gilbert, P., McEwan, K., Bellew, R., Mills, A. & Gale, C. (2009). The dark side of competition: How competitive behaviour and stri-

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 45–54

54

ving to avoid inferiority are linked to depression, anxiety, stress and self-harm. Psychology and Psychotherapy, 82, 123–136.

Hasler, G. (2012). Can the neuroeconomics revolution revolutionize psychiatry? Neuroscience and Biobehavioral Reviews, 36, 64–78.

Hein, G., Morishima, Y., Leiberg, S., Sul, S. & Fehr, E. (2016). The brain’s functional network architecture reveals human motives.

Science, 351, 1074–1078.

Henriques, J. B. & Davidson, R. J. (2000). Decreased responsiveness to reward in depression. Cognition and Emotion, 14, 711–724.

Hirschfeld, R. M. A., Dunner, D. L., Keitner, G., Klein, D. N., Koran, L. M., Kornstein, S. G., … Keller, M. B. (2002). Does psychosocial functioning improve independent of depressive symptoms? a comparison of nefazodone, psychotherapy, and their combination. Biological Psychiatry, 51, 123–133.

Hirschfeld, R. M., Montgomery, S. A., Keller, M. B., Kasper, S., Schatzberg, A. F., Möller, H. J. & Bourgeois, M. (2000). Social functioning in depression: a review. The Journal of Clinical Psychiatry, 61, 268–275.

Hsu, M., Bhatt, M., Adolphs, R., Tranel, D. & Camerer, C. F. (2005).

Neural systems responding to degrees of uncertainty in human decision-making. Science (New York, N.Y.), 310, 1680–1683.

Izuma, K., Matsumoto, K., Camerer, C. F. & Adolphs, R. (2011). Insensitivity to social reputation in autism. Proceedings of the National Academy of Sciences, 108, 17302–17307.

Kessler, R. C., Berglund, P., Demler, O., Jin, R., Koretz, D., Merikangas, K. R., … Wang, P. S. (2003). The epidemiology of major depressive disorder: Results from the national comorbidity survey replication (ncs-r). JAMA, 289, 3095–3105.

Knutson, B., Bjork, J. M., Fong, G. W., Hommer, D., Mattay, V. S. & Weinberger, D. R. (2004). Amphetamine modulates human incentive processing. Neuron, 43, 261–269.

Kuhn, S. (2014) “Prisoner's Dilemma”, The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Fall 2014 Edition), Edward N. Zalta (ed.), http://plato. stanford.edu/archives/fall2014/entries/prisoner-dilemma Kupferberg, A., Bicks, L. & Hasler., G. (2016). Social functioning the major depressive disorder. Neuroscience & Biobehavioral Reviews (im Druck).

Kupferberg, A., Hager, O. M., Fischbacher, U., Brändle, L. S., Haynes, M. & Hasler, G. (2016). Testing the social competition hypothesis of depression using a simple economic game. British Journal of Psychiatry Open, 2, 163–169.

Lee, D. (2008). Game theory and neural basis of social decision making. Nature neuroscience, 11, 404–409.

Levy, K. N. (2005). The implications of attachment theory and research for understanding borderline personality disorder. Development and Psychopathology, 17, 959–986.

Lieb, K., Zanarini, M. C., Schmahl, C., Linehan, M. M. & Bohus, M. (2004). Borderline personality disorder. The Lancet, 364, 453–461.

Malatynska, E., Goldenberg, R., Shuck, L., Haque, A., Zamecki, P., Crites, G., … Knapp, R. J. (2002). Reduction of submissive behavior in rats: a test for antidepressant drug activity. Pharmacology, 64, 8–17.

Niederle, M. & Vesterlund, L. (2007). Do Women Shy Away From Competition? Do Men Compete Too Much? The Quarterly Journal of Economics, 122(3), 1067 – 1101.

Nowak, M. A., Page, K. M. & Sigmund, K. (2000). Fairness versus reason in the ultimatum game. Science (New York, N.Y.), 289, 1773–1775.

Preuss, N., Brändle, L. S., Hager, O. M., Haynes, M., Fischbacher, U. & Hasler, G. (2016). Inconsistency and social decision making in patients with Borderline Personality Disorder. Psychiatry Research, 243, 115–122.

Price, J., Sloman, L., Gardner, R., Gilbert, P. & Rohde, P. (1994). The social competition hypothesis of depression. The British Journal of Psychiatry, 164, 309–315.

A. Kupferberg et al.: Ökonomische Spiele

Pulcu, E., Thomas, E. J., Trotter, P. D., McFarquhar, M., Juhasz, G., Sahakian, B. J., … Elliott, R. (2015). Social-economical decision making in current and remitted major depression. Psychological Medicine, 45, 1301–1313.

Radke, S., Schäfer, I. C., Müller, B. W. & de Bruijn, E. R. A. (2013). Do different fairness contexts and facial emotions motivate ‘irrational’ social decision-making in major depression? An exploratory patient study. Psychiatry Research, 210, 438–443.

Remschmidt, H. & Kamp-Becker, I. (2005). Neuropsychologie autistischer Störungen. Fortschritte der Neurologie Psychiatrie, 73, 654–663.

Remschmidt, H. & Kamp-Becker, I. (2006). Das Asperger Syndrom.

Berlin: Springer.

Remschmidt, H. & Kamp-Becker, I. (2007). Das Asperger-Syndrom–eine Autismus-Spektrum-Störung. Deutsches Ärzteblatt, 104, A873–82.

Remschmidt, H. & Schulte-Körne, G. (2004). Neuropsychologie von tiefgreifenden Entwicklungsstörungen. In S. Lautenbacher & S. Gauggel (Hrsg.), Neuropsychologie psychischer Störungen (S. 339–366). Berlin: Springer.

Rosenbach, C. & Renneberg, B. (2014). Rejection sensitivity as a mediator of the relationship between experienced rejection and borderline characteristics. Personality and Individual Differences, 69, 176–181.

Sally, D. & Hill, E. (2006). The development of interpersonal strategy: Autism, theory-of-mind, cooperation and fairness. Journal of Economic Psychology, 27, 73–97.

Schaefer, H. S., Putnam, K. M., Benca, R. M. & Davidson, R. J. (2006).

Event-related functional magnetic resonance imaging measures of neural activity to positive social stimuli in pre- and posttreatment depression. Biological Psychiatry, 60, 974–986.

Scheele, D., Mihov, Y., Schwederski, O., Maier, W. & Hurlemann, R. (2013). A negative emotional and economic judgment bias in major depression. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, 263, 675–683.

Schilbach, L. (2016). Towards a second-person neuropsychiatry.

Philosophical Transactions of the Royal Society of London, 371, 20150081.

Segrin, C. (2000). Social skills deficits associated with depression.

Clinical Psychology Review, 20, 379–403.

Smoski, M. J., Felder, J., Bizzell, J., Green, S. R., Ernst, M., Lynch, T. R. & Dichter, G. S. (2009). fMRI of alterations in reward selection, anticipation, and feedback in major depressive disorder. Journal of Affective Disorders, 118, 69–78.

Sutter, M. & Glätzle-Rützler, D. (2014). Gender Differences in the Willingness to Compete Emerge Early in Life and Persist.

Management Science, 61(10), 2339 – 23354. https://doi.org/ 10.1287/mnsc.2014.1981 Tse, W. S. & Bond, A. J. (2004). The impact of depression on social skills. The Journal of Nervous and Mental Disease, 192, 260–268.

Wang, Y., Zhou, Y., Li, S., Wang, P., Wu, G.-W. & Liu, Z.-N. (2014). Impaired social decision making in patients with major depressive disorder. BMC Psychiatry, 14, 18.

Wei, M., Mallinckrodt, B., Larson, L. M. & Zakalik, R. A. (2005). Adult attachment, depressive symptoms, and validation from self versus others. Journal of Counseling Psychology, 52, 368–377.

Gregor Hasler Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universität Bern Bolligenstrasse 111 3000 Bern 60 Schweiz gregor.hasler@puk.unibe.ch

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 45–54

© 2017 Hogrefe

Klare Richtlinien für die Gutachtenerstellung

René T. Proyer / Tuulia Ortner

Praxis der Psychologischen Gutachtenerstellung Schritte vom Deckblatt bis zum Anhang 2009. 168 S., 2 Abb., 7 Tab., Kt € 19,95 / CHF 33.90 ISBN 978-3-456-84782-5 Auch als eBook erhältlich

Das vorliegende Buch ist für die Lehre und die Praxis verfasst: Davon ausgehend, dass sich ein fachgerechtes Psychologisches Gutachten vor allem durch seine Nachvollziehbarkeit auszeichnet, gibt es klare Richtlinien vor, wie diese erreicht werden kann. Neben allgemeinen Grundlagen der Gutachtenerstellung werden für jeden einzelnen Schritt im psychologisch-diagnostischen Prozess Leit- und Richtlinien vorgelegt, die helfen, dieses und andere Gütekriterien zu erfüllen.

Ausgehend von der Fragestellung und dem Deckblatt werden Anforderungen und Hypothesen, die Auswahl diagnostischer Verfahren, das diagnostische Gespräch, die Ergebnisdarstellung in Bezug auf verschiedene Verfahrensklassen, Stellungnahme, Entscheidung und zuletzt Empfehlung (Intervention) thematisiert. Für unterschiedliche

www.hogrefe.com

Arten psychologisch-diagnostischer Verfahren (z.B. Leistungstest, Persönlichkeitsfragebogen, Objektive Persönlichkeitstests) werden standardisierte Ergebnisdarstellungen vorgeschlagen. Für jeden einzelnen Schritt wird der theoretische Hintergrund gemeinsam mit grundsätzlich zu berücksichtigenden Aspekten und Überlegungen diskutiert und in praktische Handlungsanweisungen umgesetzt. Anhand zahlreicher Beispiele werden typische Fehler und Probleme diskutiert, die dabei auftreten können. Ein besonderer Schwerpunkt wird auf die Bedeutung unterschiedlicher Informationsquellen im Gutachten gelegt (z.B. Anamnese, Dokumente, Gelegenheitsbeobachtung, Testergebnisse usw.), wie sie gemeinsam dargestellt und integriert werden.

Aktuelle Sachbücher und Ratgeber Hanna Zeyen

Phil, der Frosch Ein Buch für Kinder mit ADHS, ihre Freundinnen und Freunde und alle, die sie gern haben 2016. 80 S., Gb € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85621-6 Auch als eBook erhältlich Phil ist ein fröhlicher Frosch, der eigentlich sehr zufrieden mit seinem Leben ist. An manchen Tagen läuft aber gar nichts richtig: Seine Mutter schimpft mit ihm, weil er nicht aufpasst, seine Lehrerin ärgert sich, dass er nicht still sitzt und seine beste Freundin Rosa ist böse auf ihn, weil er sie geärgert hat. Phil kommt auf die Idee, dass wohl manchmal ein Hase in ihm hoppelt, ihm die Ohren zuhält und Wörter aus seinem Mund herauswirft. Er entschließt sich, das seiner Mutter zu erzählen.

Zu seiner Überraschung schimpft sie nicht mit ihm, sondern versteht ihn gut und telefoniert mit vielen Menschen. Schließlich erzählt sie ihm, dass sie bald zu einem Spezialisten gehen werden. Der Spezialist bringt ihm viele Tricks bei, wie er mit seinem Hasen umgehen kann, und Phil ist beruhigt.

Thorsten Macha / Franz Petermann

Mein Kind und ich Die ersten Lebensjahre 2016. 152 S., 34 Abb., 10 Tab., Kt € 16,95 / CHF 21.90 ISBN 978-3-456-85678-0 Auch als eBook erhältlich

Wie ist mein Kind entwickelt? Wie kann ich mein Kind fördern? Muss ich es überhaupt fördern? Welche Rollen und Aufgaben kommen mir als Elternteil bei der Entwicklungsbegleitung zu? Dieser Ratgeber greift elementare Fragen von Eltern zur Entwicklung ihres Kindes und zur Elternschaft auf.

www.hogrefe.com

Stefanie Rietzler / Fabian Grolimund

Erfolgreich lernen mit ADHS Der praktische Ratgeber für Eltern 2016. 256 S., Kt € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85618-6 Auch als eBook erhältlich

Für ADHS-betroffene Kinder und ihre Eltern ist die Schulzeit oftmals sehr beschwerlich. Meist weichen die Kinder unliebsamen Hausaufgaben aus, verwickeln die Eltern in ewige Diskussionen über Sinn und Unsinn bestimmter Übungen, trödeln und träumen vor sich hin und reagieren rasch frustriert, wenn sie einen Misserfolg einstecken müssen oder eine Aufgabe nicht lösen können. Selbst Eltern mit hohen Erziehungskompetenzen bringt die Lern- und Hausaufgabensituation mit „Träumerchen“ und „Wirbelwind“ daher bisweilen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.

Petra Jansen / Stefanie Richter

Gelassen durch die ersten Schuljahre Ein informativer Begleiter für Eltern 2016. 232 S., Kt € 19,95 / CHF 26.90 ISBN 978-3-456-85679-7 Auch als eBook erhältlich

Die Autorinnen erzählen – mit einer kleinen Prise Humor – die Geschichte von Julia, ihrem Ehemann Peter und dem Wirbelwind Alexander, der in die Grundschule kommt. Wie erleben die drei den neuen Lebensabschnitt von Alexander? Welchen Problemen, welchem Stress sind sie ausgesetzt?

Themenschwerpunkt

Computationale und kognitive Ansätze für die Therapieentwicklung bei Depressionen David E. J. Linden Division of Psychological Medicine and Clinical Neurosciences, Cardiff University, United Kingdom

Zusammenfassung: Das kognitives Modell der Depression postuliert, dass Patienten mit Depression – und Menschen mit erhöhtem Depressionsrisiko – zu stärkerer Aufmerksamkeit auf negative Informationen und bevorzugte Erinnerung negativer Ereignisse neigen (Beck, 2008). Die resultierende negative Interpretation der eigenen Lebenserfahrungen und Erwartung negativer Konsequenzen (Katastrophisieren) führt dann zu einer Schleife von negativer Stimmung, Pessimismus und Anhedonie. In diesem Modell ist also das dysfunktionale kognitive Schema, welches wiederum durch eine Kombination von genetischen und Entwicklungsfaktoren verursacht wird, ein Kernmechanismus des klinischen Syndroms und der zentrale Ansatzpunkt für psychologische Interventionen. Dieser Artikel diskutiert die experimentelle Evidenz für solche dysfunktionalen Schemata, besonders im Bereich der Übergewichtung negativer Informationen bei Prozessen der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses. Die computationale Entscheidungstheorie kann erklären, wie aus solchen Übergewichtungen negativer Informationen (und Untergewichtung positiver Informationen) sowohl Verhaltenssymptome der Depression (psychomotorische Verlangsamung) als auch pessimistische Grundeinstellungen entstehen können. Ein solcher „negative bias“ kann der gesunden Emotionsregulierung im Wege stehen und damit eine Vulnerabilität für Depression begründen. Die zunehmenden Erkenntnissen über die kognitiven Prozesse der Depression können für die Entwicklung von Früherkennungsverfahren klinisch relevant werden und neue Therapieansätze, sowohl in der computergestützen kognitiven Intervention (z. B. „cognitive bias modification“) als auch in der Selbstregulierung des Gehirns (Neurofeedback), begründen.

Schlüsselwörter: Depression, Kognition, Lernen, Entscheidung, Neurofeedback

Computational and cognitive approaches for the therapy development in depression Abstract: The cognitive model of depression postulates that patients with depression – and people at increased risk – have a negativity bias in attention and memory. The resulting negative interpretation of life experiences and expectancy of negative consequences (catastrophizing) ushers into a circle of negative mood, pessimism and anhedonia. In this model, the dysfunctional cognitive schema, which is caused by a combination of genetic and developmental factors, is a core mechanism of the clinical syndrome and a key target for therapeutic intervention. In this article I discuss the experimental evidence for such dysfunctional schemata especially with regard to negative biases in attention and memory. Computational decision theory can explain how overweighting negative (and underweighting positive) information can lead to behavioural symptoms of depression (psychomotor retardation) and a fundamentally pessimistic outlook. Such a negative bias can hinder healthy emotion regulation and thus establish vulnerability for depression. The increasing understanding of cognitive processes in depression is clinically relevant for the development of early detection tools and forms a basis for the development of new interventions in the fields of computerbased training (for example “cognitive bias modification”) and self-regulation of brain activity (neurofeedback).

Keywords: depression, cognition, learning, decision making, neurofeedback

Depression als klinisches Syndrom Die Depression ist ein Syndrom aus dem Formenkreis der affektiven Störungen, welches durch persistente Traurigkeit, Motivationsverlust und Freudlosigkeit charakterisiert ist. Hinzu kommen im allgemeinen Symptome aus den Domänen somatische Beschwerden, negative Kognition und Störungen des zirkadianen Rhythmus. Depressive Syndrome können isoliert, im Rahmen rezidivierender affektiver Störungen (wie der rezidivierenden unipolaren Depression © 2017 Hogrefe

oder der bipolaren Krankheit) oder im Rahmen organischer Krankheiten auftreten. Obwohl die biologischen Mechanismen der Depression seit vielen Jahrzehnten sowohl an Tiermodellen als auch in biochemischen, physiologischen und Bildgebungs-Studien mit Patienten erforscht werden, gibt es bisher keine klinisch relevanten Biomarker (Linden, 2012). Die Schwierigkeiten bei der Entwicklung und Prüfung einheitlicher biologischer Modelle der Depression dürften unter anderem daher rühren, dass es sich um ein klinisch heterogenes Syndrom handelt, bei dem

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 55–60 DOI 10.1024/1661-4747/a000301

56

vermutlich verschiedene Subtypen vorliegen. Allerdings ist es auch für diese Subtypen (etwa die melancholische Depression, charakterisiert durch prominente somatische Symptome, fehlende Schwingungsfähigkeit und Schuldgedanken) bisher noch nicht gelungen, verlässliche biologische Korrelate zu identifizieren. Ein aktueller Ansatz besteht darin, die Dimensionalität psychischer Krankheiten genauer zu beschreiben, indem Defizite und Veränderungen über die Bandbreite kognitiver und affektiver Domänen hinweg erfasst werden. Gemäss dieser vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika unter dem Begriff „Research Domain Criteria“ (RDoC) propagierten Methodik (http://www.nimh.nih.gov/research-priorities/rdoc/constructs/rdoc-matrix.shtml, Stand vom 27.9.2016) können zum Beispiel die für die Depression besonders relevanten Domänen der positiven und negativen Valenz und Aufmerksamkeit, aber auch autonome Funktionen wie SchlafWach-Rhythmus und Appetit abgebildet werden (Woody & Gibb, 2015). Ein Ziel dieser RDoC „Matrix“ ist es, durch parallele Studien im Tiermodell und an Patienten Aufschluss über biologische Mechanismen spezifischer Symptome oder Verhaltensdefizite zu erhalten. In diesem Rahmen kommt der quantitativen Erfassung und Modellierung von Entscheidungsprozessen, wie sie am Beispiel der Apathie, die auch als Teil eines depressiven Syndroms auftreten kann, in diesem Heft von Kaiser et al. erläutert wird, eine besondere Rolle zu.

Kognitive Mechanismen der Depression Becks kognitives Modell der Depression postuliert, dass Patienten mit Depression – und Menschen mit erhöhtem Depressionsrisiko – zu stärkerer Aufmerksamkeit auf negative Informationen und bevorzugte Erinnerung negativer Ereignisse neigen (Beck, 2008). Die resultierende negative Interpretation der eigenen Lebenserfahrungen und Erwartung negativer Konsequenzen (Katastrophisieren) führt dann zu einer Schleife von negativer Stimmung, Pessimismus und Anhedonie. In diesem Modell ist also das dysfunktionale kognitive Schema, welches wiederum durch eine Kombination von genetischen und Entwicklungsfaktoren (z. B. Kindheitstraumata) verursacht wird, ein Kernmechanismus des klinischen Syndroms und der zentrale Ansatzpunkt für psychologische Interventionen (Kognitive Verhaltenstherapie). Bei der Erforschung der kognitiven Mechanismen der Depression kommen neben experimentellen Techniken der kognitiven Psychologie kommen zunehmend auch Methoden der mathematischen Modellierung von Entscheidungs- und Lernprozes-

D. E. J. Linden: Computationale Therapie bei Depressionen

sen zum Einsatz. Traditionell wurde dabei zwischen „kognitiven“ Modellen im engeren Sinne (unter Einbeziehung hypothetischer mentaler Prozesse wie „Erwartung“ oder „Repräsentation“ und metakognitiver Einstellungen) und klassischen Verhaltensmodellen (z. B. operante Konditionierung) unterschieden. Heute ist aber die Psychologie weitgehend zu dem Konsens gekommen, dass menschliches Lernen und Entscheiden praktisch immer auch „kognitive“ Komponenten hat, weswegen in diesem Artikel unter den „kognitiven“ Mechanismen der Depression auch die klassischen Lernmodelle subsumiert werden.

Ein besseres Verständnis der kognitiven Mechanismen der Depression kann in verschiedener Hinsicht auch klinisch bedeutsam werden. Dysfunktionale kognitive Prozesse und metakognitive Einstellungen können potentiell direkt mit psychologischen und übenden Verfahren behandelt werden, z. B. mit der unten diskutieren „Cognitive Bias Modification“. Sie können auch zum Angriffspunkt für neue biologische Therapieverfahren werden, vorausgesetzt dass ihre biologischen Mechanismen über parallel Studien mit Patienten und Tiermodellen (im Sinne der RDoC-Philosophie) aufgeklärt werden können. Ein Beispiel wäre der Versuch, dopaminerge Korrelate veränderter Lernprozesse zu finden (Chen, Takahashi, Nakagawa, Inoue & Kusumi, 2015; Huys, Daw & Dayan, 2015), die dann wiederum zur Grundlage neuer pharmakologischer Therapiestrategien werden könnten. Kognitive Korrelate der Depression oder ihrer Subtypen können auch großen Nutzen als Surrogatmarker für Therapieeffekte bekommen (wobei dann nachzuweisen wäre, dass eine Änderung der Kognition mit einer klinischen Verbesserung korreliert). Schließlich gibt es erste Erkenntnisse, nach denen kognitive Veränderungen, besonders abgeschwächtes Ansprechen auf Belohnungen, die Entwicklung depressiver Symptome in Risikogruppen (etwa Kindern depressiver Mütter: Rawal, Collishaw, Thapar & Rice, 2013) vorhersagen. Den kognitiven Mechanismen der Depression könnte als auch eine Rolle bei der Früherkennung und -intervention zukommen.

Welche kognitiven Prozesse sind bei der Depression betroffen?

Eine bevorzugte Verarbeitung negativen affektiven Materials (wie etwa Gesichter mit traurigem Ausdruck) ist lange postuliert worden, kann aber nicht immer nachgewiesen werden. Sogenannte subliminale Verarbeitungsprozesse, also solche die unterhalb der Wahrnehmungsschwelle erfolgen, scheinen bei Patienten mit Depression nicht wesentlich anders von der affektiven Tönung des dargebotenen Materials beeinflusst zu sein als bei Gesunden. Hingegen richten

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 55–60

© 2017 Hogrefe

D. E. J. Linden: Computationale Therapie bei Depressionen

57

depressive Patienten bei bewusst wahrgenommenen Informationen ihre Aufmerksamkeit tendenziell mehr auf negatives als auf positives Material. Zugrunde liegt vermutlich eine Schwierigkeit, die Aufmerksamkeit von negativem Material wieder zu loesen (Foland-Ross & Gotlib, 2012). Zum Beispiel brauchten Patienten länger als Kontrollprobanden, um bei einem sogenannten „oddball task“ Zielreize (Kreise) zu erkennen, die auf negative Ablenkreize (Bilder mit traurigem Inhalt) folgten (Wang et al., 2008).

Weitere Hinweise auf eine Defizit beim „Ablösen“ der Aufmerksamkeit von negativen Inhalten ergeben sich aus der Messung von längeren Reaktionszeiten beim StroopTest mit negativen Wörtern, aus Untersuchungen zum „negative affective priming“, bei denen Probanden irrelevante negative Informationen unterdrücken müssen und Arbeitsgedächtnisaufgaben, bei denen kontinuierlich neue Informationen gespeichert und alte gelöscht werden müssen, was depressiven Patienten bei negativem Material schwerer fällt (Foland-Ross & Gotlib, 2012).

Neben der Schwierigkeit bei der Unterdrückung negativer Informationen gibt es auch Befunde für bevorzugtes Erinnern negativer Informationen im Langzeit- und Kurzzeitgedächtnis, zum Beispiel besseres Erinnern trauriger Gesichter bei Patienten mit melancholischer Depression (Linden, Jackson, Subramanian, Healy & Linden, 2011).

Diese präferentielle Gewichtung (englisch: „bias“) negativen Materials auf verschiedenen Stufen der kognitiven Verarbeitung (Aufmerksamkeit, Interpretation, Gedächtnis) kann depressive Verstimmungen erzeugen bzw. verstärken. Ein relevanter Mechanismus ist die Emotionsregulierung, die für die Aufrechterhaltung der affektiven Homöostase entscheidend ist. Ein negativer „bias“ verhindert angemessene Emotionsregulierung, die eine Unterdrückung negativen Materials bei der Stressverarbeitung und eine realistische Bewertung negativer Konsequenzen erfordert, und kann damit zu depressiven Ruminationen führen. Während der negative kognitive bias also in den meisten Fällen ungünstige Effekte auf das Wohlbefinden hat, mag er andererseits in einer realistischeren Einschätzung der Umwelt resultieren (unter der Annahme, dass Menschen generell einen positiven bias haben, wofür es zumindest im Hinblick auf den sogenannten „optimism bias“, die Erwartung selbst besser abzuschneiden als andere, gute empirische Evidenz gibt (Shepperd, Waters, Weinstein & Klein, 2015)). Die Evidenz für diese Theorie des „depressive realism“ ist allerdings begrenzt (Moore & Fresco, 2012).

Lernprozesse bei der Depression Lernprozesse lassen sich nach ihren fundamentalen Prinzipien in klassische und operante Konditionierung © 2017 Hogrefe

(assoziatives Lernen) und Beobachtungs- oder soziales Lernen einteilen. Die Bedeutung des Beobachtungslernens für die Entwicklung des Menschen wurde vor allem von dem amerikanischen Sozialpsychologen Albert Bandura hervorgehoben. Alle diese Arten von Lernprozessen können durch mathematische Modelle beschrieben werden, wie es am Beispiel des Vorsagefehler-(prediction error-)Modells der operanten (oder instrumentellen) Konditionierung von Kaiser et al. In diesem Heft dargelegt wird.

Im Bereich der klassischen (oder „Pawlow'schen“) Konditionierung sind zwar Defizite bei der Depression beschrieben worden, etwa im Hinblick auf verringerte Konditionierung von physiologischen Antworten (Hautleitfähigkeit) durch Angstreize, allerdings scheinen diese nicht diagnostisch spezifisch zu sein und etwa auch bei Angststörungen aufzutreten (Otto et al., 2014). Im Bereich der operanten Konditionierung – des Lernens am Erfolg – wurden spezifischere Veränderungen bei Patienten mit Depression beschrieben. Allerdings ist umstritten, ob bereits das Ansprechen auf Belohnung („reward sensitivity“, „liking“) an sich reduziert ist (Chen et al., 2015; Huys et al., 2015). Viele Studien fanden nämlich eine normale Wahrnehmung von Belohnungs- und auch Schmerzreizen und somit also keine Störung auf der Ebene der Verarbeitung von primären affektiven Schlüsselreizen. Hingegen finden sich Veränderungen in der Art und Weise, wie solche Belohnungsreize handlungswirksam werden („wanting“) (Huys et al., 2015). Depressive Patienten scheinen vergleichbaren Belohnungsreizen weniger Wert für ihre Entscheidungsveralten beizumessen (niedrigere „expected utility rate“), was möglicherweise die häufig vorkommenden klinischen Bilder von psychomotorischer Verlangsamung und Antriebslosigkeit erklären kann (oder auf diese zurückgehen könnte, eine kausale Analyse ist ja mit den meisten Querschnittsdaten nicht möglich). Dazu würde auch die oft beobachtete erhöhte Sensibilität für Bestrafung (Chen et al., 2015) passen – wenn bei Handlungen, deren Ergebnis unsicher ist (und das ist ja für die meisten Lebens- und auch viele Alltagsentscheidungen der Fall), die Gewinnchancen (im Hinblick auf Höhe und/ oder Wahrscheinlichkeit) unter- und die potentiellen negativen Konsequenzen überbewertet werden, kann es durchaus zu Handlungsunsicherheit oder sogar -unfähigkeit kommen, wie sie auch im Rahmen von soziologischen Modellen der Depression beschrieben wurde (Ehrenberg, 1998).

Die klassische Analyse operanten Lernens basiert auf wenigen standardisierten Parametern wie zum Beispiel der Lernrate und ist auf menschliches Lernen ebenso anwendbar wie auf Beobachtungen aus Tierexperimenten.

Das Lernen unter diesen „modellfreien“ (englisch: „model free“) Annahmen ist relativ langsam, da die Parameter

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 55–60

58

über viele Belohnungs-/Bestrafungserfahrungen adjustiert werden müssen. Hingegen kann das „modellbasierte“ („model-based“) Lernen, welches kognitive Vorannahmen über die Umwelt einschließt (und diese mit-lernt), schneller auf neue Informationen und Situationen reagieren. Beide Arten von Prozessen spielen beim menschlichen Lernen eine Rolle, wobei das modellbasierte Lernen vom Einsatz höherer kognitiver Funktionen wie Planen und Abstraktionsfähigkeit profitiert. Damit ist das modellbasierte Lernen aber auch schwerer neuropsychologisch zu Erfassen, da etwaige Defizite bei Patientengruppen auch durch Beeinträchtigungen dieser kognitiven Funktionen bedingt sein können. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass die Prozesses des Verstärkungs-(„reinforcement“-)Lernens eng an die Funktionsfähigkeit des Dopaminsystems und anderer monoaminerger Systeme gekoppelt ist (Chen et al., 2015), die von den bei der Depression eingesetzten psychotropen Substanzen beeinflusst werden. Besonders wünschenswert sind daher Studien mit unmedizierten Patienten oder Risikogruppen. Eine weitere Herausforderung an die Forschung im Bereich der Modellierung von Lernprozessen und ihrer Veränderungen bei der Depression ist die Einbeziehung andere Aktoren in die mathematischen Modelle, um Lernen im sozialen Kontext zu untersuchen.

Wir haben vor kurzem eine Modellierung eines „sozialen Vorhersagefehlers“ („social prediction error“) für das Szenario einer Belohnungswechsel-(„reversal learning“-) Aufgabe mit einem zweiten Spieler vorgeschlagen (Ihssen, Mussweiler & Linden, 2016), aber Untersuchungen solcher komplexen – aber realistischen – Lernszenarien mit Patienten stehen noch aus.

Psychologische Interventionen Wie können die oben diskutierten kognitiven Neigungen und Veränderungen von Lernprozessen Ausgangspunkt für therapeutische Interventionen werden? Das klassische Beispiel ist die Kognitive Verhaltenstherapie, die ja gerade auf die dysfunktionalen kognitiven Schemata abzielt. Die wachsende empirische und experimentelle Literatur zur Kognition bei der Depression kann Erweiterungen der Kognitiven Verhaltenstherapie motivieren.

Ein Beispiel ist der Befund, dass positive Erinnerungen von Gesunden nach negativer Stimmungsinduktion zur „Reparatur“ negativer Stimmungslagen herangezogen werden können (Foland-Ross & Gotlib, 2012), diese Fähigkeit aber bei depressiven Patienten reduziert ist. Hieraus ergibt sich ein direkter Angriffspunkt für psychologische Interventionen für „repair of sad mood“ (Foland-Ross et al., 2014).

D. E. J. Linden: Computationale Therapie bei Depressionen

Viele der neueren Befunde zu veränderten kognitiven Mechanismen bei der Depression stammen ja aus Experimenten, die am Computer im Verhaltenslabor durchgeführt werden. Auch wenn sich dabei immer die Frage der ökologischen Validität stellt, ergibt sich die attraktive Möglichkeit aus den experimentellen Protokollen computer-basierte Interventionen zu entwickeln. Eine direkte Modifikation der depressiven Kognitionen mit computerbasiertem Training wird zum Beispiel in folgenden unter dem Oberbegriff „Cognitive bias modification“ (CBM) in folgenden Bereichen versucht: • Beim „Attentional bias training“ (auch „Cognitive bias modification for attention“: CBM-A) soll die Aufmerksamkeit von negativem Material abgelöst und zu zu neutralem oder positivem Material hingelenkt werden. Allerdings sind die klinischen Effekte begrenzt, und es wurden auch Symptomverschlechterungen beobachtet (Baert, Raedt, Schacht & Koster, 2010).

• Bei der „Cognitive bias modification for interpretation“ (CBM-I) wird die positive Interpretation ambivalenter Szenarios, zum Beispiel bei der Vervollständigung von Sätzen, trainiert (Bowler et al., 2012). Diese Methode erzielt die gewünschten Effekte auf kognitive Einstellungen und physiologische Reaktionen (Joormann, Waugh & Gotlib, 2015), aber es gibt nur vorläufige Befunde zur klinischen Wirksamkeit (Cristea, Kok & Cuijpers, 2015).

Diese computer-basierten kognitiven Trainingsmethoden haben eine gute theoretische und experimentelle Grundlage, sind aber offenbar für den klinischen Einsatz bei der Depression noch nicht ausgereift. Neben den klassischen psychotherapeutischen Verfahren kommt daher bis auf weiteres der antidepressiven Pharmakotherapie die wichtigste Rolle bei der Normalisierung des „negative bias“ zu (Roiser, Elliot & Sahakian, 2012). Aufgrund der Bedeutung des Dopaminsystems für das Verstärkungslernen könnten computationale Marker gestörten Lernens bei der Depression, wenn sie stabil darstellbar sind, interessante Surrogatmarker für die Testung der klinischen Wirksamkeit dopaminerger Substanzen bei amotivationalen Syndromen und Antriebslosigkeit werden.

Regulierung und Selbstregulierung des Gehirns Wie bewegt man einen akut depressiven Patienten dazu, sich auf positive Erinnerungen einzulassen und optimistische Projektionen für die Zukunft zu machen? Klinisch Tä-

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 55–60

© 2017 Hogrefe

D. E. J. Linden: Computationale Therapie bei Depressionen

59

tige kennen diese alltägliche Herausforderung, die auch die Umsetzbarkeit von expliziten kognitiven Modifikationstrategien für die „repair of sad mood“ begrenzt. Ein möglicher Zugang zum positiven Erleben könnte allerdings in der direkten Regulierung von Hirnaktivität bestehen. Mit Tiefenhirnstimulation im Mittelhirn haben Schlaepfer und Kollegen direkte intraoperative Verbesserungen von Interesse und Motivation und auch mittelfristige Stimmungsverbesserungen berichtet (Schlaepfer, Bewernick, Kayser, Mädler & Coenen, 2013). Diese invasive Methode steht aber nur für eine sehr ausgewählte Patientengruppe zur Verfügung, und die abschließende klinische Beurteilung ist noch offen.

Eine andere potentielle Möglichkeit der Regulierung von Aktivität in emotionsrelevanten Hirnarealen und -netzwerken ergibt sich über das Selbstregulierungstraining mit Neurofeedback. Bei Neurofeedback-Verfahren wird den Teilnehmern Information über eine Komponente der Hirnaktivität in Echtzeit wiedergespiegelt, damit sie lernen, diese auf ein bestimmtes Niveau hoch- oder herunterzuregulieren. Verschiedene Messverfahren können verwendet werden (zum Beispiel Elektroenzephalographie, EEG, oder funktionelle Magnetresonanztomographie, fMRT), das Grundprinzip ist aber immer dasselbe: Der Teilnehmer sieht eine Repräsentation von hirnphysiologischen Signalen (beim EEG etwa das Verhältnis zwischen zwei Frequenzbändern, bei der fMRT etwa die hämodynamische Aktivierung eines bestimmten Areals) und trainiert, diese auf ein bestimmtes Zielniveau zu bringen (Linden, 2014a).

Sobald also stabile neurale Korrelate dysfunktionaler Lern- und Kognitionsprozesse bei der Depression bekannt sind, könnte man sich vorstellen diese zu direkten therapeutischen Zielen von Neurofeedback-Protokollen zu machen. Wenn zum Beispiel die fMRT-Untersuchungen Evidenz für eine Unteraktivierung bestimmter Hirnareale bei der Depression bieten, könnte die Erhöhung der Aktivität auf Normalniveau ein Ziel eines solchen Selbstregulationstrainings sein. Allerdings kann dieses Verfahren auch eingesetzt werden, um kompensatorische Hirnprozesse zu trainieren, zum Beispiel die Aktivierung von Netzwerken positiver Imagination. Zur Entwicklung eines solchen Neurofeedback-Protokolls für Patienten mit Depressionen haben wir zunächst mit der fMRT Hirnareale lokalisiert, die besonders auf positive affektive Stimuli reagieren, und dann im Training die Patienten instruiert, positive Vorstellungen oder Gedächtnisinhalte hervorzurufen, die dann im Erfolgsfall mit der Rückmeldung über erhöhte Aktivität in den entsprechenden Arealen verstärkt wurden (Linden et al., 2014b; Linden et al., 2012). Ein solches Interventionsprotokoll bietet also die Möglichkeit, geleitet durch die gemessene Hirnaktivität bei klinisch relevanten Vorgängen (etwa der Emotionsregulierung) kognitive Verfahren © 2017 Hogrefe

zu entwickeln, die aufgrund des Elements der neuralen Verstärkung von Patienten trainiert werden können. Die potentiellen psychiatrischen Einsatzbereiches eines solchen neuralen Trainings sind nicht auf die Depression beschränkt, sondern erstrecken sich in Prinzip auf alle Krankheiten bei deren Therapie dysfunktionale Assoziationen (zwischen Stimuli aber auch zwischen Stimuli und Hirnaktivität) abgebaut werden sollen, wie etwa Sucht und Angststörungen (Sokunbi, Linden, Habes, Johnston & Ihssen, 2014; Zilverstand, Parvaz & Goldstein, 2016; Zilverstand, Sorger, Sarkheil & Goebel, 2015). Allerdings stehen auch hier die Prüfungen der klinischen Wirksamkeit noch ganz am Anfang.

Ausblick Experimentelle Studien zu Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozessen bei der Depression und Lernexperimente mit mathematischer Modellierung der Verhaltensparameter haben bereits wichtige Einsichten in dysfunktionale kognitive Schemata („negative bias“) und verändertes motivationales Verhalten geliefert. Weitere Arbeiten, gerade auch mit unmedizierten Patienten und Risikogruppen, sind aber erforderlich, um die spezifischen Veränderungen des Belohnungslernens bei der Depression und ihre Entwicklung über die Zeit aufzuschlüsseln.

Daraus könnten sich auch interessante Ansätze für ein besseres Verständnis der Neurobiologie der Depression und neue Therapieentwicklungen in den Bereichen der computergestützen Trainingsverfahren und Neurostimulation / Neurofeedback ergeben.

Literatur Baert, S., De Raedt, R., Schacht, R. & Koster, E. H. (2010). Attentional bias training in depression: therapeutic effects depend on depression severity. Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry, 41, 265–274.

Beck, A. (2008). The evolution of the cognitive model of depression and its neurobiological correlates. American Journal of Psychiatry, 165, 969–977.

Bowler, J. O., Mackintosh, B., Dunn, B. D., Mathews, A., Dalgleish, T. & Hoppitt, L. (2012). A comparison of cognitive bias modification for interpretation and computerized cognitive behavior therapy: effects on anxiety, depression, attentional control, and interpretive bias. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 80, 1021–1033.

Chen, C., Takahashi, T., Nakagawa, S., Inoue, T. & Kusumi, I. (2015).

Reinforcement learning in depression: A review of computational research. Neuroscience and Biobehavioral Reviews, 55, 247–267.

Cristea, I. A., Kok, R. N. & Cuijpers, P. (2015). Efficacy of cognitive bias modification interventions in anxiety and depression: meta-analysis. British Journal of Psychiatry, 206, 7–16.

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 55–60

60

Ehrenberg, A. (1998). La fatigue d'être soi : dépression et société.

Paris: O. Jacob.

Foland-Ross, L. C., Cooney, R. E., Joormann, J., Henry, M. L. & Gotlib, I. H. (2014). Recalling happy memories in remitted depression: a neuroimaging investigation of the repair of sad mood. Cognitive and Affective Behaviroal Neuroscience, 14, 818–826.

Foland-Ross, L. C. & Gotlib, I. H. (2012). Cognitive and neural aspects of information processing in major depressive disorder: an integrative perspective. Frontiers in Psychology, 3, 489.

Huys, Q. J., Daw, N. D. & Dayan, P. (2015). Depression: a decisiontheoretic analysis. Annual Reviews in Neuroscience, 38, 1–23.

Ihssen, N., Mussweiler, T. & Linden, D. E. (2016). Observing others stay or switch – How social prediction errors are integrated into reward reversal learning. Cognition, 153, 19–32.

Joormann, J., Waugh, C. E. & Gotlib, I. H. (2015). Cognitive bias modification for interpretation in major depression: effects on memory and stress reactivity. Clinical Psychological Science, 3, 126–139.

Linden, D. (2012). The Biology of Psychological Disorders. Macmillan: Palgrave.

Linden, D. (2014a). Brain Control. Basingstoke: Palgrave.

Linden, D. E. (2014b). Neurofeedback and networks of depression.

Dialogues in Clinical Neuroscience, 16, 103–112.

Linden, D. E., Habes, I., Johnston, S. J., Linden, S., Tatineni, R., Subramanian, L., … Goebel, R. (2012). Real-time self-regulation of emotion networks in patients with depression. PLoS One, 7, e38115.

Linden, S. C., Jackson, M. C., Subramanian, L., Healy, D. & Linden, D. E. (2011). Sad benefit in face working memory: an emotional bias of melancholic depression. Journal of Affective Disorders, 135, S. 251–257.

Moore, M. T. & Fresco, D. M. (2012). Depressive realism: a metaanalytic review. Clinical Psychological Reviews, 32, 496–509.

Otto, M. W., Moshier, S. J., Kinner, D. G., Simon, N. M., Pollack, M. H. & Orr, S. P. (2014). De novo fear conditioning across diagnostic groups in the affective disorders: evidence for learning impairments. Behavioral Therapy, 45, 619–629.

Rawal, A., Collishaw, S., Thapar, A. & Rice, F. (2013). The risks of playing it safe: a prospective longitudinal study of response to reward in the adolescent offspring of depressed parents. Psychological Medicine, 43, 27–38.

D. E. J. Linden: Computationale Therapie bei Depressionen

Roiser, J. P., Elliott, R. & Sahakian, B. J. (2012). Cognitive mechanisms of treatment in depression. Neuropsychopharmacology, 37, 117–136.

Schlaepfer, T. E., Bewernick, B. H., Kayser, S., Mädler, B. & Coenen, V. A. (2013). Rapid effects of deep brain stimulation for treatmentresistant major depression. Biological Psychiatry, 73, 1204–1212.

Shepperd, J. A., Waters, E., Weinstein, N. D. & Klein, W. M. (2015). A primer on unrealistic optimism. Current Directions in Psychological Science, 24, 232–237.

Sokunbi, M. O., Linden, D. E., Habes, I., Johnston, S. & Ihssen, N. (2014). Real-time fMRI brain-computer interface: development of a “motivational feedback” subsystem for the regulation of visual cue reactivity. Frontiers in Behavioral Neuroscience, 8, 392.

Wang, L., LaBar, K. S., Smoski, M., Rosenthal, M. Z., Dolcos, F., Lynch, T. R., … McCarthy, G. (2008). Prefrontal mechanisms for executive control over emotional distraction are altered in major depression. Psychiatry Research, 163, 143–155.

Woody, M. L. & Gibb, B. E. (2015). Integrating NIMH Research Domain Criteria (RDoC) into depression research. Current Opinions in Psychology, 4, 6–12.

Zilverstand, A., Parvaz, M. A. & Goldstein, R. Z. (2016). Neuroimaging cognitive reappraisal in clinical populations to define neural targets for enhancing emotion regulation. A systematic review. Neuroimage (im Druck).

Zilverstand, A., Sorger, B., Sarkheil, P. & Goebel, R. (2015). fMRI neurofeedback facilitates anxiety regulation in females with spider phobia. Frontiers in Behavioral Neuroscience, 9, 148.

Prof. Dr. med. Dr. phil. David E. J. Linden Division of Psychological Medicine and Clinical Neurosciences School of Medicine Hadyn Ellis Building Maindy Road Cardiff CF24 4HQ United Kingdom lindend@cf.ac.uk

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 55–60

© 2017 Hogrefe

Klinische Untersuchungsverfahren

Fragebogen zu Ressourcen im Kindes- und Jugendalter (FRKJ 8–16) Franz Petermann Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen

Testart Bei dem vorliegenden Fragebogen handelt es sich um ein Selbsteinschätzungsverfahren für Kinder und Jugendliche der Altersgruppe von 8 bis 16 Jahren (Lohaus & Nussbeck, 2016). Das Verfahren kann im therapeutischen und pädagogischen Bereich eingesetzt werden. Es lassen sich personale (= kindbezogene) und soziale (= umgebungsbezogene) Ressourcen differenziert und ökonomisch erfassen.

Der Fragebogen zu Ressourcen im Kindes- und Jugendalter (FRKJ 8–16) stellt eine Neuentwicklung der Autoren dar.

Theoretischer Hintergrund Der Fragebogen möchte eine Alternative zur Defizitorientierung in der klinischen und Entwicklungsdiagnostik anbieten. Beim FRKJ 8–16 sollen demnach die Ressourcen eines Kindes und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen, also die Stärken, mit deren Hilfe eine positive Entwicklung gelingt. Ausgangspunkt bildet ein Risiko-Schutzfaktoren-Modell. Global wird davon ausgegangen, dass Risikofaktoren die Wahrscheinlichkeit des Auftretens psychischer Auffälligkeiten und Entwicklungsabweichungen erhöhen. Schutzfaktoren sind im Gegenzug in der Lage, die Auswirkungen von Risikofaktoren abzupuffern. Besonders deutlich kommt die Bedeutung von Schutzfaktoren zum Tragen, wenn Entwicklungsaufgaben anstehen und zu bewältigen sind (vgl.

Lohaus & Glüer, 2014). Eine differenzierte Erfassung von Risiko- und Schutzfaktoren ist nötig, da vor allem durch die Kumulation von Risikofaktoren sich das Risiko für Entwicklungsabweichungen erhöht. Der FRKJ 8–16 zielt ausschließlich auf die Erfassung von Schutzfaktoren, da diese die Resilienz von Kindern und Heranwachsenden erhöhen, wodurch es trotz Risiken im Einzelfall gelingt, zu einem positiven Entwicklungsergebnis zu gelangen.

Die Autoren unterscheiden in ihren Ausführungen zu den theoretischen Grundlagen des FRKJ 8–16 zwischen © 2017 Hogrefe

spezifischen Schutzfaktoren und allgemein förderlichen Faktoren (z. B. der Selbstkontrolle im Sinne von Belohnungsaufschub), die sie unter dem Oberbegriff „Entwicklungsressourcen“ zusammenfassen. Der Resilienzbegriff wird allerdings nicht weiter differenziert (vgl. dazu Reinelt, Schipper & Petermann, 2016). Sehr überzeugend wird zwischen sechs kind- und vier umgebungsbezogenen Entwicklungsressourcen unterschieden. Als kindbezogene Entwicklungsressourcen werden definiert: • Empathie und Perspektivenübernahme, • Selbstwirksamkeit, • Selbstwertschätzung (i. S. selbstbezogener Emotionen, z. B. „Ich bin zufrieden, wie ich bin.“ oder „Ich mag mich selbst.“), • Kohärenzsinn, • Optimismus und • Selbstkontrolle.

Als umgebungsbezogene Entwicklungsressourcen, die in einer besonderen Weise der Gesunderhaltung eines Kindes und Jugendlichen dienen (vgl. auch Plass et al., 2016), werden benannt: • Elterliche soziale und emotionale Unterstützung, • Autoritativer Erziehungsstil, • Integration in die Peergruppe und • Schulische Integration.

Die 10 Entwicklungsressourcen bezeichnen die Skalen des FRKJ 8–16.

Anwendungsbereich Die Autoren betonen im Vorwort, dass der FRKJ 8–16 vor allem im Rahmen primärpräventiver Maßnahmen eingesetzt werden sollte. Für die sekundärpräventive Arbeit empfehlen die Autoren den Einsatz, „um gezielt vorhandene Ressourcen im Umgang mit Problemen nutzen zu können“ (Lohaus & Nussbeck, 2016, S. 5). Prinzipiell ist

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 61–62 DOI 10.1024/1661-4747/a000302

62

der Fragebogen im Einzel- und Gruppensetting verwendbar. Der Einsatz im schulischen Kontext bietet sich an. Im Manual wird zudem ein Beispiel eines 13-jährigen ängstlich-depressiven Jungen vorgestellt, wodurch der Nutzen des FRKJ 8–16 im Rahmen der Therapieplanung illustriert wird.

Testdurchführung und Auswertung Der Fragebogen ist für Kinder der 3. bis 10. Klasse konstruiert. Nach einer kurzen Einführung in den Fragebogen kann dieser von Kindern mit einer hinreichenden Lesefähigkeit selbstständig bearbeitet werden. Die 60 knapp formulierten Fragen (jeweils 6 Items pro Skala, s. o.) können in ca. 20 bis 30 Minuten bearbeitet werden. Jede der 60 Fragen soll auf einer vierstufigen Skala („stimmt nie“ bis „stimmt immer“) beantwortet werden.

Die Auswertung des FRKJ 8–16 erfolgt mit Hilfe einer Schablone und auf der Basis eines Auswertungsbogens können die Ergebnisse graphisch illustriert werden. Zur Auswertung müssen die summierten Rohwerte pro Skala in Normwerte (Prozentrang, Stanine) umgewandelt werden; zudem kann ein Gesamtwert (Summation aller Rohwerte) gebildet werden. Auch für den Gesamtwert können die entsprechenden Normwerte im Anhang des Manuals nachgeschlagen werden. Ein hoher Wert pro Skala (Prozentrang 90 und höher) gibt einen überdurchschnittlichen Wert an, das bedeutet, dass solche Kinder und Jugendlichen eine überdurchschnittliche Verfügbarkeit von Entwicklungsressourcen aufweisen. Aus den zehn Skalen lässt sich ein individuelles Stärken- und Schwächenprofil zeichnen. Für die Auswertung des FRKJ 8–16 muss man 5 bis 10 Minuten veranschlagen.

Gütekriterien und Normierung Der FRKJ 8–16 ist nach den Prinzipien der klassischen Testtheorie konstruiert worden. Es wurde dazu eine Konstruktionsstichprobe (N = 568, 9- bis 14-Jährige) und eine Normierungsstichprobe (N = 2513, 8- bis 16-Jährige) gewonnen. Die Objektivität ist durch die Standardisierungen in Durchführung und Auswertung sowie durch Interpretationshinweise weitgehend gewährleistet. Die internen Konsistenzen in der Konstruktions- und Normierungsstichprobe variieren zwischen .68 und .89. Die Konstruktvalidität und kriterienbezogene Validität wurden durch Korrelationsstudien mit anderen Verfahren (z. B. Intelligenz, Big-Five-Dimensionen, Stressbewältigung, Emotionsregulation, Wohlbefinden, Verhaltensprobleme nach SDQ ) überprüft.

Klinische Untersuchungsverfahren

Interessant ist auch eine Studie zur Überprüfung der Übereinstimmung zwischen Kind- und Elternurteil, wobei das Fremdurteil der Eltern (N = 314) die Kindperspektive beinhaltet, wodurch die Fragen umformuliert werden mussten (z. B. „Mein Kind glaubt fest daran, dass es ein schönes Leben vor sich hat.“). Die Übereinstimmung zwischen Fremd- und Selbsturteil variierte zwischen .07 und .47 (Gesamturteil: .32).

Für den FRKJ 8–16 liegen geschlechts- und altersspezifische Normen (Stanine, Prozentrang) vor. Diese Normwerte differenzieren in die Altersgruppe 8–10, 11–13 und 13–16 Jahre; pro Altersbereich variiert die Stichprobengröße zwischen 294 bis 503 (Gesamt-N = 2513).

Kritik Der vorliegende Fragebogen wurde sehr fundiert entwickelt; es sind im Manual hinreichend Validierungsstudien enthalten. Kritisch fällt nur auf, dass die Altersspanne zwischen der Konstruktions- und Normierungsstichprobe nicht identisch ausfällt.

Ich sehe in dem FRKJ 8–16 ein großes Potenzial für die Klinische Kinderpsychologie und würde mir Studien und Fallberichte mit Kindern und Jugendlichen wünschen, die eine gesicherte Diagnosestellung (also der Defizitsichtweise genügen) und einen ressourcenorientierten Therapieplan auf der Basis des FRKJ 8–16 aufweisen.

Literatur Lohaus, A. & Glüer, M. (2014). Grundlagen der Entwicklungsförderung. In A. Lohaus & M. Glüer (Hrsg.), Entwicklungsförderung im Kindesalter (S. 11–41). Göttingen: Hogrefe.

Lohaus, A. & Nussbeck, F. W. (2016). Fragebogen zu Ressourcen im Kindes- und Jugendalter (FRKJ 8–16). Göttingen: Hogrefe.

Plass, A., Haller, A.-C., Habermann, K., Barkmann, C. … Klassen, F. (2016). Faktoren der Gesunderhaltung bei Kindern psychisch belasteter Eltern. Ergebnisse der BELLA-Kohortentudie. Kindheit und Entwicklung, 25, 41–49.

Reinelt, T., Schipper, M. & Petermann, F. (2016). Viele Wege führen zur Resilienz. Zum Nutzen des Resilienzbegriffs in der Klinischen Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie. Kindheit und Entwicklung, 25, 189–199.

Prof. Dr. Franz Petermann Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation Universität Bremen Grazer Straße 6 28359 Bremen Deutschland fpeterm@uni-bremen.de

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 61–62

© 2017 Hogrefe

Buchbesprechung Geue, K., Strauß, B. & Brähler, E. (Hrsg.) (2016).

Diagnostische Verfahren in der Psychotherapie (3., überarb. Aufl.). Göttingen: Hogrefe, 545 Seiten, 79,95 Euro, ISBN 978-3-8017-2700-0 Das vorliegende Kompendium ist vor ungefähr 15 Jahren • Bezug zur Psychotherapie in der ersten Auflage erschienen, damals mit 94 diagnosti­ • Testentwicklungsschritte schen Verfahren, die man im Kontext der Psychotherapie • Aufbau und Auswertung und Psychiatrie gewinnbringend zur Qualitätsoptimierung • Gütekriterien einsetzen konnte. Die überarbeitete Fassung, bereinigt • Normen/Vergleichswerte durch eine gewisse Anzahl angestaubter Erhebungsver­ • Einige wichtige Literaturhinweise fahren, weist 113 psychometrische Fragebogen auf.

Die Herausgeber gehen in ihrer Einführung nochmals Diese systematischen Berichte wurden von Experten kurz auf die Vorbehalte ein, die viele Jahre Psychothera­ (häufig von den Testautoren selbst) angefertigt. peuten (vor allem tiefenpsychologisch orientierte) gegen­ über standardisierten Erhebungsverfahren formulierten.

Hier hat sich vieles in den letzten Jahren verbessert, ob­ Zum Inhalt wohl das Misstrauen gegen eine standardisierte Doku­ mentation von Therapieverläufen tief zu sitzen scheint.

Der Band enthält störungsübergreifende und störungsspe­ Standardisierte Fragebogen im Rahmen der Indikations­ zifische Erhebungsverfahren. Die störungsübergreifenden stellung haben sich hingegen sehr gut etabliert – nicht nur Verfahren beziehen sich vor allem auf die Erfassung von in der Verhaltenstherapie. körperlichen Beschwerdeformen, emotionalem Befinden, sozialer Kompetenz sowie die Qualität von sozialen Bezie­ hungen (u. a. soziale Unterstützung). Acht Verfahren die­ Zum Anspruch des Bandes nen der Erfassung von Ressourcen, u. a. Resilienz und Ko­ härenzgefühl – also einem Themenfeld, in dem sich zwei Es sollen die im deutschen Sprachraum etablierten dia­ Herausgeber des Bandes (Brähler/Strauß) schon lange gnostischen Erhebungsverfahren nach einem vorgegebe­ Verdienste erworben haben (vgl. Schumacher, Leppert, nen Schema dargestellt werden. Die ausgewählten Verfah­ Gunzelmann, Strauß & Brähler, 2005). ren sollen eine hohe Akzeptanz und weite Verbreitung in Bei den störungsspezifischen Fragebogen erscheint die der psychotherapeutischen Praxis und Forschung aufwei­ Auswahl sehr gelungen und repräsentativ. Im Einzelnen sen sowie testtheoretisch fundiert sein (= Reliabilitätsan­ wurden aufgenommen: Abhängigkeitskrankheiten (u. a. gaben, Validierungsstudien). Für die Auswahl war auch Alkohol-, Nikotin-, Kauf- und Internetsucht), Angststörun­ entscheidend, dass bevölkerungsrepräsentative Normen gen, Anpassungsstörungen, Depression, Essstörungen, oder zumindest Vergleichswerte vorliegen. Dementspre­ Persönlichkeitsstörungen, Posttraumatische Belastungs­ chend wurde der Bericht über die jeweiligen Erhebungs­ störung, somatoforme und Zwangsstörungen. verfahren wie folgt gegliedert: Der Band schließt (neben einem Testautorenverzeich­ • Kurzbezeichnung, Bezugsquelle, Verfügbarkeit von nis) mit einem Testverzeichnis, das nach den Konstrukten Kurzversionen etc. geordnet ist, die die Erhebungsverfahren erfassen. Bei den • Kurze Verfahrensbeschreibung mit Hinweisen auf die störungsübergreifenden Verfahren stehen Fragebogen zur diagnostische Zielsetzung und die Erhebungstechnik Erfassung körperlicher Beschwerden/Beeinträchtigungen (z. B. Selbstbeurteilung) (N = 13) und solche, die Persönlichkeitsmerkmale spezifi­ • Anwendungsbereiche zieren (N = 10), im Mittelpunkt; bei den störungsspezifi­ • Bearbeitungszeit schen sind die Verfahren, die verschiedene Formen der • Theoretischer Hintergrund Abhängigkeit/Sucht erheben (N = 12) und Fragebögen zur © 2017 Hogrefe

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 63–64 DOI 10.1024/1661-4747/a000303

64 Buchbesprechungen

Spezifizierung von Angststörungen/Ängstlichkeit (N = 16), besonders häufig vertreten. 21 Erhebungsverfahren bezie­ hen sich auf allgemeine Aspekte einer Psychotherapie (z. B. Therapiezielabklärung, Therapiemotivation) oder dienen der standardisierten Therapiedokumentation (z. B. Therapeuten- und Patientenstundenbogen).

Da eine standardisierte Diagnostik in allen Phasen des psychotherapeutischen Prozesses ein Qualitätsmerkmal darstellt, ist dem Band und den dokumentierten Erhe­ bungsverfahren eine weite Verbreitung zu wünschen.

Literatur Bewertung Die Optimierung von Psychotherapie durch eine standar­ disierte Indikationsstellung und Veränderungsmessung ist ohne psychometrisch abgesicherte Erhebungsverfahren nicht möglich (vgl. Stieglitz & Petermann, 2014). Der vor­ liegende Band liefert dafür besonders wichtige und wert­ volle Informationen. Natürlich stellt jede Sammlung den aktuellen Zustand dar und man wünscht sich nicht nur alle 15 Jahre ein Update.

Wichtig finde ich die Aufnahme von relativ vielen stö­ rungsübergreifenden Erhebungsverfahren. In einer Zeit, in der transdiagnostische Ansätze an Bedeutung gewin­ nen, ist dieser Schritt folgerichtig. Ressourcenorientierte Verfahren, die die verschiedenen Sichtweisen des Resili­ enzbegriffes berücksichtigen (vgl. zu dieser Diskussion Reinelt, Schipper & Petermann, 2016), müssen zwar noch in der klinischen Praxis ihren Nutzen belegen, wurde je­ doch umfassend in den Band aufgenommen.

Reinelt, T., Schipper, M. & Petermann, F. (2016). Viele Wege führen zur Resilienz. Zum Nutzen des Resilienzbegriffes in der Klinischen Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie. Kindheit und Entwicklung, 25, 189–199.

Schumacher, J., Leppert, K., Gunzelmann, T., Strauß, B. & Brähler, E. (2005). Die Resilienzskala – Ein Fragebogen zur Erfassung der psychischen Widerstandsfähigkeit als Personmerkmal.

Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, 53, 16–39.

Stieglitz, R. D. & Petermann, F. (2014). Veränderungsmessung und klinische Praxis. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 62, 83–84.

Prof. Dr. Franz Petermann Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der ­Universität Bremen Grazer Str. 6 28359 Bremen Deutschland fpeterm@uni-bremen.de

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 63–64

© 2017 Hogrefe

Kongresskalender 27.01.–28.01.2017. 3. Kinder- und Jugendpsychiatrie Kongress, Innsbruck, Austria, Traumabezogene Störungen und Persönlichkeit im Kindes- und Jugendalter. Auskünfte: Kathrin Sevecke, Univ. Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Anichstraße 35, 6020 Innsbruck, Austria, Tel. +43 512 504 23679, Fax. +43 512 504 23676, E-Mail: lki.ps.kjp-kongress@tirol-kliniken.at, Internet: https://psychiatrie.tirolkliniken.at/page.cfm?vpath=psychiatrie-iv/kongress-kjp.

tik2017@kit-group.org, Internet: http://www.deutscherpsychosomatik-kongress.de/.

09.02.–11.02.2017. 7. rehaKIND-Kongress, Weimar, Germany, Kinderreha ist kein Luxus. Auskünfte: rehaKIND e.V., Lütgendortmunder Str. 153, 44388 Dortmund, Germany, Tel. +49 231 6103056, E-Mail: info@rehakind.com, Internet: http://www.rehakind.de/index.php.

23.03.–25.03.2017. International Convention of Psychological Science (ICPS) 2017, Vienna, Austria, Auskünfte: Association for Psychological Science, 20036 Washington D.C., United States, Tel. +1 202 2939300, Fax. +1 202 2939350, E-Mail: icps@psychologicalscience.org, Internet: http://icps.psychologicalscience.org/.

11.03.–12.03.2017. 68. Kindertherapietage an der Universität Bremen Veranstalter ist das Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation (Prof. Dr. Franz Petermann) der Universität Bremen. Nähere Informationen erhalten Sie unter der Rufnummer: 0421/218-68603, Fax: 0421/218-68629, EMail: todisco@uni-bremen.de, oder der Anschrift: Frau Eva Todisco, Zentrum für Klinische Psychologie und Psychotherapeutische Ambulanz für Kinder und Jugendliche der Universität Bremen, Grazer Straße 6, 28359 Bremen oder auf unserer Homepage: www.zrf.uni-bremen.de.

17.03.–19.03.2017. 122. Verhaltenstherapiewoche, Meiringen, Switzerland, Neue Entwicklungen in der Psychotherapie. Auskünfte: Ina Lizon, IFT – Gesundheitsförderung, Montsalvatstraße 14, 80804 München, Germany, E-Mail: lizon@ift.de, Internet: http://vtwoche.de/.

20.03.–22.03.2017. 26. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium 2017, Deutscher Kongress für Rehabilitationsforschung, Frankfurt am Main, Germany, Prävention und Rehabilitation in Zeiten der Globalisierung. Auskünfte: Kerstin Seidel, Deutsche Rentenversicherung Bund, Bereich Reha-Wissenschaften, Ruhrstraße 2, 10704 Berlin, Germany, Tel. +49 30 86539336, Fax. +49 30 86528879, E-Mail: kolloquium@drv-bund.de, Internet: https://www. reha-kolloquium.de.

22.03.–24.03.2017. Deutscher Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie 2017, Berlin, Germany, Psyche – Soma. Mensch – System. Auskünfte: K.I.T. Group GmbH, Association & Conference Management, Kurfürstendamm 71, 10709 Berlin, Germany, Tel. +49 30 24603280, Fax. +49 30 24603200, E-Mail: psychosoma© 2017 Hogrefe

23.03.–26.03.2017. Leipziger Buchmesse 2017, Leipzig, Germany, Auskünfte: Leipziger Messe GmbH, Messe Allee 1, 04356 Leipzig, Germany, Tel. +49 341 6788240, Fax. +49 341 6788242, E-Mail: info@leipziger-buchmesse.de, Internet: http://www.leipziger-buchmesse.de/.

26.03.–29.03.2017. 59th Conference of Experimental Psychologists/ 59. Tagung experimentell arbeitender Psychologen (TeaP), Dresden, Germany, Auskünfte: Technische Universität Dresden, Zellescher Weg 19, 01069 Dresden, Germany, Tel. +49 351 46333726, Fax. +49 351 46337274, E-Mail: bianca.fricke@tu-dresden.de, Internet: www.teap2017.de.

30.03.–02.04.2017. Psychotherapie-Tage Berlin 2017, Berlin, Germany, Workshop Kongress. Auskünfte: Ita Kloss, AWP Berlin, Witzlebenstr. 30a, 14057 Berlin, Germany, E-Mail: ita.kloss@awp-berlin.de, Internet: http:// www.psychotherapietage-berlin.de/.

31.03.–03.04.2017. 123. Verhaltenstherapiewoche, Hürth, Germany, Auskünfte: Ina Lizon, IFT – Gesundheitsförderung, Montsalvatstraße 14, 80804 München, Germany, EMail: lizon@ift.de, Internet: http://www.vtwoche.de/.

01.04.–04.04.2017. 25th European Congress of Psychiatry, Florenz, Italy, Together for Mental Health. Auskünfte: Kenes International Organizers of Congresses S.A., 1211 Geneva, Switzerland, Tel. +41 22 9080488, E-Mail: Switzerland@kenes.com, Internet: www.epa-congress.org.

09.04.–14.04.2017. 67. Lindauer Psychotherapiewochen 2017, Lindau, Germany, Angst – Ressentiment – Hoffnung.

Auskünfte: Lindauer Psychotherapiewochen, Platzl 4a, 80331 München, Germany, E-Mail: Info@Lptw.de, Internet: http://lptw.de.

16.04.–21.04.2017. 67. Lindauer Psychotherapiewochen 2017, Lindau, Germany, Hass – Fanatismus – Versöhnung.

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 65–66 DOI 10.1024/1661-4747/a000304

66

Auskünfte: Vereinigung für psychotherapeutische Fortund Weiterbildung e.V., Platzl 4a, 80331 München, Germany, Tel. +49 89 29163855, Fax. +49 89 29165039, EMail: Info@Lptw.de, Internet: http://www.lptw.de/.

20.04.–22.04.2017. 4th International Conference Aging & Cognition 2017, Zürich, Germany, Aging & Cognition.

Auskünfte: Universität Zürich / UFSP Dynamik Gesunden Alterns, Andreasstr. 15 / Box 2, 8050 Zürich, Germany, EMail: ac2017@dynage.uzh.ch, Internet: http://eucas.org/ conference/a-c-2017/.

03.05.–05.05.2017. British Psychological Society Annual Conference, Brighton, United Kingdom, Wellbeing -Looking Forward – Social Justice. Auskünfte: British Psychological Society, United Kingdom, E-Mail: annualconference@ bps.org.uk, Internet: https://www.bps.org.uk/events/conferences/annual-conference-2017.

05.05.–09.05.2017. 124. Verhaltenstherapiewoche, Dresden, Germany, Auskünfte: Ina Lizon, IFT – Gesundheitsförderung, Montsalvatstraße 14, 80804 München, Germany, E-Mail: lizon@ift.de, Internet: http://www.vtwoche.de/.

20.05.–24.05.2017. 170th Annual Meeting of the American Psychiatric Association, San Diego, United States, Auskünfte: American Psychiatric Association, United States, E-Mail: apa@psych.org, Internet: http://www.psychiatry.org/learn/meetings/future-apa-meetings.

25.05.–28.05.2017. 29th Annual Convention of the Association for Psychological Science, Boston, United States, Auskünfte: Association for Psychological Science, United States, Tel. +1 202 2939300, Fax. +1 202 2939350, E-Mail: convention@psychologicalscience.org, Internet: http://www.psychologicalscience.org/index.php/convention.

16.06.–17.06.2017. Traumapotenziale VI, Leipzig, Germany, Traumatagung zum Thema: Das sich verändernde Traumagedächtnis. Auskünfte: Trauma-Institut-Leipzig, Leipziger Straße 36a, 04178 Leipzig, Germany, Tel. +49 341 4429128, E-Mail: info@traumapotenziale.de, Internet: https://www.traumapotenziale.de.

23.06.–26.06.2017. 125. Verhaltenstherapiewoche, Lübeck, Germany, Körpertherapie in der Verhaltenstherapie.

Auskünfte: Ina Lizon, IFT – Gesundheitsförderung, Montsalvatstraße 14, 80804 München, Germany, E-Mail: lizon@ift.de, Internet: http://www.vtwoche.de/.

03.08.–06.08.2017. 125th Annual Convention of the American Psychological Association, Washington D.C.,

Kongresskalender

United States, Auskünfte: American Psychological Association, United States, E-Mail: convention@apa.org, Internet: http://www.apa.org/convention/future.aspx.

22.08.–25.08.2017. 13. Kongress der Fachgruppe Gesundheitspsychologie, Universität Siegen, 57068 Siegen, Germany, Gesundheitspsychologie 4.0 – Konzeptuelle Innovationen, interdisziplinäre Perspektiven, neue Karrieren.

Auskünfte: Prof. Dr. Angela Schorr, Universität Siegen, Fakultät II, Medienpsychologisches Labor, Hölderlinstraße 3, 57076 Siegen, Germany, Tel. +49 271 7404685, E-Mail: angela.schorr@uni-siegen.de, 29.08.–02.09.2017. 31st Conference of the European Health Psychology Society, Padova, Italy, Innovative Ideas in Health Psychology. Auskünfte: European Health Psychology Society, Italy, E-Mail: secretary@ehps.net, Internet: http://www.ehps.net/conferences.

16.09.–17.09.2017. 69. Kindertherapietage an der Universität Bremen Veranstalter ist das Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation (Prof. Dr. Franz Petermann) der Universität Bremen. Nähere Informationen erhalten Sie unter der Rufnummer: 0421/218–68603, Fax: 0421/218– 68629, E-Mail: todisco@uni-bremen.de, oder der Anschrift: Frau Eva Todisco, Zentrum für Klinische Psychologie und Psychotherapeutische Ambulanz für Kinder und Jugendliche der Universität Bremen, Grazer Straße 6, 28359 Bremen oder auf unserer Homepage: www.zrf.unibremen.de.

22.09.–25.09.2017. 126. Verhaltenstherapiewoche, Freiburg, Germany, Auskünfte: Ina Lizon, IFT – Gesundheitsförderung, Montsalvatstraße 14, 80804 München, Germany, E-Mail: lizon@ift.de, Internet: http://www.vtwoche.de/.

12.10.–14.10.2017. 17. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Systematische Therapie, Beratung und Familientherapie, München, Germany, Von der Neutralität zur Parteilichkeit – SystemikerInnen mischen sich ein. Auskünfte: Münchner Institut für systemische Weiterbildung (misw), Reichenhallerstraße 29, 81547 München, Germany, Tel. +49 89 509999, Fax. +49 89 54070565, E-Mail: info@misw.eu, Internet: https://www. dgsf.org/aktu ell/termine/termine/dgsf-jahrestagung-2017.

10.11.–12.11.2017. 127. Verhaltenstherapiewoche, München, Germany, Auskünfte: Ina Lizon, IFT – Gesundheitsförderung, Montsalvatstraße 14, 80804 München, Germany, E-Mail: lizon@ift.de, Internet: http://www.vtwoche. de/.

Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2017), 65 (1), 65–66

© 2017 Hogrefe

Verständlich und mit zahlreichen Fallbeispielen

Michael Rufer / Susanne Fricke

Der Zwang in meiner Nähe Rat und Hilfe für Angehörige von zwangskranken Menschen 2., akt. u. überarb. Aufl. 2016. 192 S., 3 Tab., Kt € 19,95 / CHF 26.90 ISBN 978-3-456-85556-1 Auch als eBook erhältlich

Verständlich und mit zahlreichen Fallbeispielen geschrieben, leistet dieser praxisnahe Ratgeber einen wichtigen Beitrag zum Umgang mit dem Zwangserkrankten.

Zwangserkrankungen wirken sich erheblich auf das Umfeld der Betroffenen aus. Familienangehörige, Partner, Freunde, Arbeitskollegen und andere Menschen, die einem Zwangskranken nahestehen, sind oft alleine gelassen mit ihren Fragen: Wie kann ich dem Betroffenen am besten helfen? Wie kann ich seine zwanghaften Verhaltensweisen verstehen? Wie kann ich mich abgrenzen, und was mache ich dann mit meinem schlechten Gewissen? Wann ist eine professionelle Therapie notwendig? Soll ich einmal mit zu seinem Therapeuten gehen?

www.hogrefe.com

Diese und viele andere häufig gestellte Fragen werden von den Autoren, die beide jahrelange Erfahrung in der Beratung von Angehörigen und in der Therapie von Zwangskranken haben, aufgegriffen und mit Beispielen aus der Praxis und konkreten Tipps verständlich beantwortet.

Die 2. Auflage wurde aktualisiert und um ein Kapitel über die Besonderheiten der Situation von Eltern zwangskranker Kinder ergänzt.

Darüber hinaus wurden Informationen zu neuen Therapieansätzen eingearbeitet.

Das erste Fallbuch zu ACT!

Michael Waadt / Jan Martz / Andrew Gloster (Hrsg.)

Arbeiten mit der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) Ein Fallbuch Mit einem Vorwort von Steven C. Hayes.

2015. 416 S., 18 Abb., 1 Tab., Kt € 34,95 / CHF 45.50 ISBN 978-3-456-85558-5 Auch als eBook erhältlich

Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (kurz: ACT) entstand in der sogenannten dritten Welle der Verhaltenstherapie. Entwickelt von Steven C. Hayes ist sie in ihrer Wirkung vielfach durch wissenschaftliche Studien bestätigt worden. Michael Waadt, Autor des ACT-Buches zum Burnout und ACT-Therapeut in München, Jan Martz, Psychiater in Winterthur, und Andrew Gloster, Research Scientist am Department für Psychologie der Uni Basel, stellen mit dem vorliegenden Werk das erste Fallbuch zusammen, in dem die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der ACT an konkreten Falldarstellungen verdeutlicht werden.

www.hogrefe.com

Erfahrene ACT-Therapeuten schildern Fälle aus der Praxis und erläutern Schritt für Schritt ihr Vorgehen im Therapieprozess.