Jahrgang 66 / Heft 1 / 2018
Geschäftsführender Herausgeber Franz Petermann Herausgeber Simone Munsch Alexandra Philipsen Erich Seifritz
Zeitschrift für
Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie Themenheft Psychotherapie bei Depression
Bernd Ubben Problemanalyse und Therapieplanung
Bernd Ubben
Problemanalyse und Therapieplanung (Reihe: „Standards der Psychotherapie“, Band 2) 2017, VII/139 Seiten, € 24,95 / CHF 32.50 (Im Reihenabonnement € 19,95 / CHF 26.90) ISBN 978-3-8017-2823-6 Auch als eBook erhältlich
Praxisbuch AMDP
Praxisbuch AMDP Rolf-Dieter Stieglitz Achim Haug Bernhard Kis Silke Kleinschmidt Andreas Thiel (Hrsg.)
Psychopathologische Befunderhebung – Grundlagen und Anwendungsbeispiele
Der Band beschreibt die Grundlagen des AMDP-Systems für die klinische Anwendung und spezielle Anwendungsbereiche des Systems. Zudem wird aufgezeigt, wie das System in der Aus-, Fort- und Weiterbildung genutzt werden kann. Anhand von ausgewählten Störungsgruppen wird die Befunderhebung mit dem AMDP-System sowie die Formulierung des psychopathologischen Befundes dargestellt.
Detlef Kranz
Hypnotherapie bei Tinnitus Ein Praxisleitfaden
Detlef Kranz
Hypnotherapie bei Tinnitus Ein Praxisleitfaden
2017, 290 Seiten, inkl. CD-ROM, € 39,95 / CHF 48.50 ISBN 978-3-8017-2767-3 Auch als eBook erhältlich
Psychopathologische Befunderhebung - Grundlagen und Anwendungsbeispiele 2018, 320 Seiten, € 34,95 / CHF 45.50 ISBN 978-3-8017-2852-6 Auch als eBook erhältlich
Standards der Psychotherapie
Verhaltenstherapeuten erhalten mit diesem Buch einen Leitfaden an die Hand, der es Ihnen ermöglicht, eigenständig und versiert Problemanalysen durchzuführen und Therapiepläne zu erstellen. Der Band liefert damit die Basis für eine kontrollierte Praxis. Dazu werden zehn bewährte Module vorgestellt. Beispiele, Abbildungen und Arbeitsblätter veranschaulichen die Umsetzung des Vorgehens in der klinischen Praxis.
Rolf-Dieter Stieglitz / Achim Haug / Bernhard Kis / Silke Kleinschmidt / Andreas Thiel (Hrsg.)
Tania Lincoln / Eva Heibach
Psychosen Psychosen
Tania Lincoln Eva Heibach
(Reihe: „Fortschritte der Psychotherapie“, Band 67) 2017, VI/106 Seiten, € 19,95 / CHF 26.90 (Im Reihenabonnement € 15,95 / CHF 21.50) ISBN 978-3-8017-2749-9 Auch als eBook erhältlich
Fortschritte der Psychotherapie
Das Buch liefert das notwendige Hintergrundwissen und „Handwerkszeug“ für eine erfolgreiche hypnotherapeutische Behandlung von Patienten mit einem Tinnitusleiden. Von der Gestaltung des Rapports zum Patienten über hypnotische Strategien des Zugangs zum Problem mithilfe von direkten Suggestionen bis hin zu indirekten und symbolischen Suggestionen wird in die symptom- und problemorientierte Methodik der Hypnotherapie eingeführt. Die CD-ROM stellt umfangreiches Arbeitsmaterial zur Verfügung, welches die Umsetzung der beschriebenen Methoden in der klinischen Praxis unterstützt.
www.hogrefe.com
Der Band beschreibt die kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung von Patienten mit einer psychotischen Störung sowie das Vorgehen bei verhaltenstherapeutischen Familieninterventionen. Hierzu wird u.a. auf die Erarbeitung des individuellen Störungsmodells, die Arbeit an auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren, den Umgang mit Wahn, Halluzinationen und der Negativsymptomatik sowie das Vorgehen beim Kommunikations- und Problemlösetraining eingegangen. Ziel ist es, Therapeuten Mut zu machen, sich an die ambulante Behandlung von Psychosen heranzuwagen.
Zeitschrift für
Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie Jahrgang 66 / Heft 1 / 2018
Themenheft Psychotherapie bei Depression
Geschäftsführender Herausgeber
Prof. Dr. Franz Petermann, Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen, Grazer Straße 2 und 6, 28359 Bremen, Tel. +49 (0) 421 218-68601 (Sekr.), -68600 (direkt), fpeterm@uni-bremen.de
Herausgeber
Prof. Dr. Simone Munsch, Freiburg (Schweiz) Prof. Dr. Alexandra Philipsen, Oldenburg Prof. Dr. Erich Seifritz, Zürich
Redaktion
Dr. Ulrike de Vries, Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation ZKPR, Universität Bremen, Grazer Straße 6, 28359 Bremen, Tel. +49 (0) 421 218-68612, udevries@uni-bremen.de
Beirat
Prof. Dr. Martin Bohus, Mannheim
Prof. Dr. Norbert Kathmann, Berlin
Prof. Dr. Heinz Böker, Zürich
Prof. Dr. Klaus Lieb, Mainz
Prof. Dr. Elmar Brähler, Leipzig
Prof. Dr. Jürgen Margraf, Bochum
Prof. Dr. Franz Caspar, Bern
Prof. Dr. Hans J. Markowitsch, Bielefeld
Prof. Dr. Ulrike Ehlert, Zürich
Prof. Dr. Michael Rösler, Homburg/Saar
Prof. Dr. Jörg M. Fegert, Ulm
Prof. Dr. Dr. Wolfgang Schneider, Rostock
Prof. Dr. Hans Förstl, München
Prof. Dr. Ulrich Schnyder, Zürich
Prof. Dr. H. J. Freyberger, Greifswald
Prof. Dr. Carsten Spitzer, Göttingen
Prof. Dr. Wolfgang Gaebel, Düsseldorf
Prof. Dr. Rolf-Dieter Stieglitz, Basel
Prof. Dr. Peter Henningsen, München
Prof. Dr. Bernhard Strauß, Jena
Prof. Dr. Wolfgang Hiller, Mainz
Prof. Dr. Claus W. Wallesch, Elzach
Prof. Dr. Fritz Hohagen, Lübeck
Prof. Dr. Martina de Zwaan, Hannover
Prof. Dr. Lutz Jäncke, Zürich Verlag
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Satz & Druck
AZ Druck und Datentechnik GmbH, 87437 Kempten
Umschlagfoto
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Erscheinungsweise
vierteljährlich
Indexierung
Social Sciences Citation Index, Social Scisearch, Current Contents/Social and Behavioral Sciences, Journal Citation Reports/Social Sciences Edition, EMBASE, PsycINFO, IBZ, IBR, Europ. Reference List for the Humanities (ERIH) und Scopus
Bezugsbedingungen
Jahresabonnement: Institute: CHF 393.– / € 306.– Private: CHF 158.– / € 117.– Porto und Versandgebühren: Schweiz: CHF 14.– Europa: € 15.– übrige Länder: CHF 26.– Einzelheft: CHF 72.50 / € 53.50 (+ Porto und Versandgebühren) Abbestellungen spätestens zwei Monate vor Ablauf des Abonnements.
Elektronischer Volltext
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Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2018), 66 (1)
© 2018 Hogrefe
Inhalt Editorial
Aktuelle Ansätze zur Diagnostik und Psychotherapie depressiver Störungen
5
Elisabeth Schramm und Rolf-Dieter Stieglitz Themenschwerpunkt
Therapie-begleitende Diagnostik bei depressiven Störungen
7
Rolf-Dieter Stieglitz Kurz- und langfristige Wirksamkeit von Psychotherapie bei Depression im Vergleich zu medikamentöser Therapie
19
Barbara Barton, Elisabeth Schramm und Ulrich Voderholzer Psychotherapie bei Depressionen im Alter
31
Martin Hautzinger Psychotherapie bei chronischer Depression – Führen störungsspezifische Ansätze zu besseren Behandlungserfolgen?
41
Elisabeth Schramm und Paul Bausch Internetbasierte Therapie in der Versorgung von Patienten mit depressiven Störungen: Ein Überblick
48
Matthias Backenstrass und Markus Wolf Klinische Untersuchungsverfahren
Hopkins-Symptom-Checkliste-25 (HSCL-25)
Buchbesprechung
Klein, J. P. und Belz, M. (2014). Psychotherapie chronischer Depression. Praxisleitfaden CBASP
61
Rolf-Dieter Stieglitz 63
Rolf-Dieter Stieglitz
Erratum: L.-M. Fritz, S. Domin, A. Thies, J. Yang, M. Stolle, C. Fricke und F. Petermann: Stationäre Eltern-Kind-Behandlung Im Artikel „Stationäre Eltern-Kind-Behandlung von Fritz, L.-M. et al. (Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, Heft 4/2017, S. 219 – 2 29, doi 10.1024/16614747/a000325) sind unter dem Kapitel „Diskussion“ Vergleichszahlen falsch dargestellt worden. Die korrigierte Version ist unten dargestellt: Neben der elterlichen Stressbelastung sind die Mütter und Väter der Stichprobe auch durch psychische Symptome deutlich belastet: Sowohl zu Beginn als auch am Ende des stationären Aufenthaltes liegen die Normwerte der © 2018 Hogrefe
Vergleichs- und der klinischen Gruppe auf der HSCL-25 Skala „Angst“ im Mittel im deutlich auffälligen Bereich (TWert ≥ 63), trotz signifikanter Reduktion am Ende des stationären Aufenthaltes. Auch auf der Skala „Depression“ liegen die Normwerte zu Beginn des stationären Aufenthaltes im Mittel im deutlich auffälligen Bereich (T-Wert ≥ 63). In der Vergleichsgruppe befinden sich die Werte am Ende des stationären Aufenthaltes knapp im leicht auffälligen Bereich (T-Wert ≥ 60), in der klinischen Gruppe liegen sie nach wie vor knapp im deutlich auffälligen Bereich. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2018), 66 (1),3
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Editorial
Aktuelle Ansätze zur Diagnostik und Psychotherapie depressiver Störungen Current approaches in the diagnosis and psychotherapy of depressive disorders Elisabeth Schramm1 und Rolf-Dieter Stieglitz2 Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Institut für Psychologie, Abteilung Klinische Psychologie und Psychiatrie, Universität Basel
1
2
Zusammenfassung: Depressive Störungen stellen in der Allgemeinbevölkerung einer der häufigsten und wichtigsten Störungsgruppen dar. Speziell im Bereich der Psychotherapie sind in den letzten 20 Jahren vielfältige Entwicklungen erkennbar. Im Themenschwerpunkt dieses Heftes werden exemplarisch einige dieser Entwicklungen aufgezeigt. Schlüsselwörter: Depression, Psychotherapie, Diagnostik Abstract: Depressive disorders are one of the most common and important disorders in the general population. Especially in the field of psychotherapy, a variety of developments have been identified over the last 20 years. The focus of this issue is exemplified by some of these developments. Keywords: Depression, psychotherapy, diagnostics
Depressive Störungen weisen eine hohe Prävalenz (Alonso et al., 2004), eine immense Krankheitsbelastung (Mathers & Loncar, 2006) und damit verbundene Beeinträchtigung der Lebensqualität von Betroffenen und deren Angehörigen auf (Saarni et al., 2007). Depressionen stehen außerdem mit stark erhöhten Mortalitätsraten (Cuijpers, Vogelzangs, Twisk, Kleiboer & Penninx, 2014), hoher Inanspruchnahme des Gesundheitssystems und massiven ökonomischen Kosten in Verbindung (Smit et al., 2006). In den letzten Jahrzehnten sind eine beträchtliche Anzahl an biologischen – dabei in erster Linie Antidepressiva – und psychotherapeutischen Behandlungsansätzen entwickelt und untersucht worden. Seit 1970 liegen aber auch mehr als 500 kontrollierte randomisierte Psychotherapiestudien bei depressiven Störungen vor (Cuijpers, 2017). Verschiedene Ansätze wurden dabei überprüft, allen voraus kognitiv-verhaltenstherapeutische Interventionen gefolgt von interpersoneller Psychotherapie, Verhaltensaktivierung, Problemlöseverfahren, supportiver Therapie und © 2018 Hogrefe
psychodynamischen Kurzzeitansätzen. Alle Therapien erwiesen sich als effektiv, ohne dass signifikante Unterschiede zwischen den Ansätzen nachgewiesen werden konnten. Auch zeigten sie sich als gleichermaßen wirksam wie Pharmakotherapie und in der Kombination den Monotherapien überlegen. Einige Studien weisen sogar darauf hin, dass Psychotherapie in bestimmten Kontexten effektiver ist und einen besseren Rückfallschutz bieten als medikamentöse Ansätze (Cuijpers, 2017). Ähnlich wie bei pharmakologischen Studien ist allerdings auch hier von einem Publikationsbias im Sinne einer Überschätzung der Wirksamkeit auszugehen. Bei chronischer und therapieresistenter Depression zeigte sich eine psychotherapeutische Behandlung bisher als weniger erfolgreich als bei nicht-chronischen Depressionsformen. Da weitgehend nachgewiesen ist, dass verschiedene Therapieformen unabhängig vom Format (als Einzel- oder Gruppentherapien) und der Altersgruppe (z. B. bei älteren depressiven Patienten) wirksam sind, sollte sich die weitere Forschung eher konzentrieren auf die Prävention depressi-
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E. Schramm & R.-D. Stieglitz: Diagnostik und Psychotherapie depressiver Störungen
ver Episoden, die Verbesserung der Behandlung chronischer Depressionen und den Rückfallschutz sowie auf die höhere Zugänglichkeit zu psychotherapeutischen Methoden beispielsweise über das Internet. Diesen Überlegungen Rechnungen tragend, wurden die Beiträge dieses Heftes zusammengestellt. Da der Fokus in allen Beiträgen auf der (Psycho-)Therapie liegt, wurden im einleitenden Beitrag von Stieglitz (2018) grundlegende Fragen der therapie-begleitenden Diagnostik diskutiert. Es wird darin ein Überblick zu Ansätzen und Verfahren gegeben, die im Verlauf einer Therapie sinnvoll eingesetzt werden können mit dem Ziel, Informationen zum Behandlungsverlauf sowie zur Evaluation zu erhalten. Barton, Schramm und Voderholzer (2018) geben in ihrem Beitrag einen Überblick zu der immer wieder diskutierten und noch nicht abschließend geklärten Frage der Wirksamkeit einer Kombinationsbehandlung. Die Ergebnisse von Studien deuten auf eine langfristige Überlegenheit der Psychotherapie oder der Kombinationstherapie gegenüber alleiniger Pharmakotherapie hin. Es besteht jedoch unverändert Forschungsbedarf, speziell im Hinblick auf die langfristige Effektivität. Hautzinger (2018) fokussiert in seinem Beitrag auf die Psychotherapie im Alter. Notwendigkeit, Ansatzpunkte, Vielfalt und Nutzen von Psychotherapie mit älteren depressiven Patienten werden dargestellt. Damit soll illustriert werden, welche theoretischen Grundlagen sich nutzen lassen, welche psychotherapeutischen Ansätze es gibt und welche Wirksamkeit erwartet werden darf. Insbesondere die Kognitive Verhaltenstherapie, die Problemlösetherapie und die Lebensrückblicktherapie zeichnen sich durch klinische Nützlichkeit und empirische Belege für verschiedene Indikationsbereiche psychischer Störungen, primär depressiver Störungen, aus. Wir schlussfolgern, dass Psychotherapie bei Altersdepressionen nicht nur möglich, sondern auch erfolgreich ist. Alter ist also nicht länger eine relevante Variable, um depressiven Patienten eine Psychotherapie vorzuenthalten. Schramm und Bausch (2018) stellen die chronischen Depressionen als häufige, aber schwer behandelbare Störung dar. Von den psychotherapeutischen Interventionen hat sich das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) als störungsspezifischer und besonders wirksamer Ansatz erwiesen, vor allem bei Patienten mit belastenden und traumatisierenden Kindheitserfahrungen. Zur Wirksamkeit von psychotherapeutischer Behandlung chronischer Depressionen liegen bisher allerdings ungleich weniger Studien vor (bislang noch unter 20) im Vergleich zu akut-episodischen Depressionen. Im letzten Beitrag werden von Backenstrass und Wolf (2018) die großen Möglichkeiten von Internet- und mobilbasierten Interventionen in der Behandlung von Menschen mit depressiver Symptomatik aufgezeigt. Die meist auf kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen basie-
renden Angebote werden hinsichtlich ihrer Wirksamkeit verglichen und kritisch diskutiert.
Literatur Alonso, J., Angermeyer, M. C., Bernert, S., Bruffaerts, R., Brugha, T. S., Bryson, H., Vollebergh, W. A. (2004). Prevalence of mental disorders in Europe: Results from the European Study of the Epidemiology of Mental Disorders (ESEMeD) project. Acta Psychiatrica Scandinavica, 109, 21 – 27. Backenstrass, M. & Wolf, M. (2018). Internetbasierte Therapie bei Depression. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 66, 48 – 60. Barton, B., Schramm, E. & Voderholzer, U. (2018). Kurz- und langfristige Wirksamkeit von Psychotherapie bei Depression im Vergleich zu medikamentöser Therapie. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 66, 19 – 29. Cuijpers, P. (2017). Four decades of outcome research on psychotherapies for adult depression: An overview of a series of metaanalyses. Canadian Psychology, 1, 7 – 19. Cuijpers, P., Vogelzangs, N., Twisk, J., Kleiboer, A., Li, J. & Penninx, B. W. (2014). Comprehensive meta-analysis of excess mortality in depression in the general community versus patients with specific illnesses. The American Journal of Psychiatry, 171, 453 – 462. Hautzinger, M. (2018). Psychotherapie bei Depressionen im Alter. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 66, 31 – 40. Mathers, C. D. & Loncar, D. (2006). Projections of global mortality and burden of disease from 2002 to 2030. PLoS Medicine, 3, e442. Saarni, S. I., Suvisaari, J., Sintonen, H., Pirkola, S., Koskinen, S., Aromaa, A. & Lönnqvist, J. (2007). Impact of psychiatric disorders on healthrelated quality of life: General population survey. The British Journal of Psychiatry, 190, 326 – 332. Schramm, E. & Bausch, P. (2018). Psychotherapie bei chronischer Depression – Führen störungsspezifische Ansätze zu besseren Behandlungserfolgen? Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 66, 41 – 47. Smit, F., Cuijpers, P., Oostenbrink, J., Batelaan, N., de Graaf, R. & Beekman, A. (2006). Costs of nine common mental disorders: Implications for curative and preventive psychiatry. The Journal of Mental Health Policy and Economics, 9, 193 – 200. Stieglitz, R.-D. (2018). Therapie-begleitende Diagnostik bei depressiven Störungen. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 66, 7 – 17.
Prof. Dr. phil. Elisabeth Schramm Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Freiburg Medizinische Fakultät Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Hauptstraße 5 79104 Freiburg Deutschland Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Wilhelm-Klein Str. 27 4012 Basel Schweiz elisabeth.schramm@uniklinik-freiburg.de
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Themenschwerpunkt
Therapie-begleitende Diagnostik bei depressiven Störungen Measurement based care in depression Rolf-Dieter Stieglitz Institut für Psychologie, Abteilung Klinische Psychologie und Psychiatrie, Universität Basel
Zusammenfassung: Zur Diagnostik depressiver Störungen existiert eine Vielzahl von Interviews, zur Schweregradbestimmung noch mehr Ratingskalen. Beide Verfahrensgruppen finden im klinischen Alltag jedoch bereits zur Statusdiagnostik wenig Anwendung, noch weniger im Verlauf einer Therapie. Im Beitrag wird ein Überblick zu Ansätzen und Verfahren gegeben, die im Verlauf einer Therapie sinnvoll eingesetzt werden können mit dem Ziel, Informationen zur Behandlung sowie zu deren Evaluation zu erhalten. Schlüsselwörter: Depression, Assessment, Evaluation, Ratingskalen, therapie-begleitende Diagnostik Abstract: A variety of interviews are available for the diagnosis of depressive disorders, and even more rating scales for the severity rating. Both procedural groups are, however, little used in everyday clinical practice for status diagnosis, even less in the course of therapy. This article provides an overview of approaches and procedures that can be used in the course of a therapy in a meaningful manner with the aim of obtaining information on the treatment and their evaluation. Keywords: Depression, assessment, evaluation, rating scales, measurement based care
Viele Studien haben gezeigt, dass Psychotherapie zur Behandlung depressiver Störungen generell wirksam ist (vgl. z. B. Barton, Schramm & Voderholzer, 2018), ob dies im klinischen Alltag dann auch tatsächlich so Gültigkeit hat, muss immer wieder neu belegt werden (Hahlweg, 2000). Es reicht daher nicht mehr aus, die eigene Tätigkeit mit der globa len Wirksamkeit von Psychotherapie zu begründen. Hinzu kommt, dass mit der Durchführung einer Psychotherapie nicht automatisch positive Veränderungen erreicht werden, sondern dass bei Patienten auch eine Verschlechterung oder eine Stagnation des Zustandes eintreten kann, wofür verschiedene Faktoren verantwortlich sein können (u. a. Patienten- und Therapeutenvariablen und vor allem der Einfluss der therapeutischen Beziehung). Qualitätsmanagement und -kontrolle auch in diesem Bereich kommt daher eine wichtige Funktion zu, spielt in der Psychotherapiepraxis jedoch eher eine untergeordnete Rolle. Gründe hierfür sind nach Hahlweg (2000) u. a. der hohe Zeitaufwand, Fragen der Kostenerstattung oder auch eine prinzipielle Ablehnung der Diagnostik in der Psychotherapie. Ergänzt werden muss sicherlich auch ein noch oft unzureichendes Wissen und unzureichende diagnostische Qualifikation auf Seiten der psychotherapeutisch Tätigen. Nachfolgende Ausführungen sollen Möglichkeiten zeigen, wie eine therapie-begleitende Diagnostik zur Opti© 2018 Hogrefe
mierung der klinischen Alltagspraxis und zur Verbesserung der Transparenz des eigenen therapeutischen Handelns bei depressiven Störungen beitragen können (Hahlweg, 2000; vgl. auch Stieglitz, 2014, 2016; Stieglitz & Freyberger, 2017a). In Leitlinien und Therapiemanualen spielen Fragen der Diagnostik eher eine untergeordnete Rolle, gewinnen jedoch zunehmend an Bedeutung. Eine Verzahnung von Diagnostik und Therapie ist selten direkt erkennbar, dies gilt sowohl für den Bereich der Psycho- als auch Pharmakotherapie. In den nachfolgenden Abschnitten soll ein Überblick zu Möglichkeiten einer therapie-begleitenden Diagnostik gegeben werden mit Fokus auf Möglichkeiten der praktischen Umsetzung und Anwendung. Von daher werden bei der Auswahl und Vorstellung von Verfahren ausschließlich auf solche Bezug genommen, für die deutschsprachige Versionen vorliegen.
Definition und Indikation Unter einer therapie-begleitenden Diagnostik versteht man alle diagnostischen Maßnahmen, die vor, bei Beginn, ihm Verlauf und am Ende einer Therapie durchgeführt werden
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R.-D. Stieglitz: Therapie-begleitende Diagnostik bei depressiven Störungen
mit dem Ziel der Beantwortung der für die jeweilige (Therapie-)Phase spezifischen Fragen (Stieglitz, 2008). Während es zu Beginn u. a. um die Statusbestimmung als Ausgangspunkt für eine spätere Veränderungsbewertung geht, geht es im Verlauf um die kontinuierliche Evaluation der Therapie und am Ende um die Beurteilung des Therapieerfolges. Ziel aller Erhebungen ist es, Informationen für die Opti mierung der Behandlung zu bekommen. Gelenberg (2010) spricht in diesem Zusammenhang auch von „measurementbased care“ (oder „measurement-enhanced care“), d. h. das Monitoring des Therapieresponse zusammen mit Therapiealgorithmen, Treffen von strategischen Entscheidungen an bestimmten Punkten der Therapie. Im Einzelnen sollen neben der Entdeckung bzw. Erkennung einer Depression rationale Therapieentscheidungen, eine Optimierung der Behandlung und dadurch eine Verbesserung des Outcomes erreicht werden. Allgemein kommt einer therapie-begleitenden Diagnostik somit folgende Funktionen zu (Laireiter & Kalteis, 2017): yy Diagnostik vor und zu Beginn der Therapie: Indikationsorientierte Diagnostik yy Diagnostik im Verlauf der Therapie: Verlaufs- und Prozessdiagnostik yy Diagnostik am Ende und nach der Therapie: evaluative Diagnostik. Eine Psychotherapie ist jedoch auch mit dem Risiko verbunden, dass sie nicht nur hilft, sondern im Einzelfall sogar schaden kann bzw. dass sie nicht nur Wirkungen, sondern auch unerwünschte Nebenwirkungen beinhaltet, d. h. einer Verlaufs- und Prozessdiagnostik (Stieglitz, 2016) kommt auch hier eine Bedeutung zu. Ungünstige Therapieverläufe können zu Therapieabbrüchen oder einer Verschlechterung bis hin zu Suizidalität oder psychotischer Entgleisung führen (vgl. z. B. Hohagen, Stieglitz, Bohus, Caspar & Berger, 2015). Zur Minimierung der Gefahr von negativen Therapieeffekten sind verschiedene Vorgehensweisen sinnvoll (vgl. Hohagen et al., 2015; Stieglitz, 2016; vgl. auch Abbildungen 1 – 3): yy Zunächst gilt es, zu Beginn der Therapie eine umfassende Eingangsdiagnostik mit dem Ziel der diagnostischen Einordnung anhand eines etablierten Klassifikationssystems zu erreichen (ICD-10, DSM-5). Dabei soll auch ein besonderer Blick auf mögliche komorbide körperliche und / oder psychische Erkrankungen geworfen werden. Speziell komorbide psychische Störungen verkomplizieren in der Regel den Therapieprozess. Diagnostische Interviews können in dieser Phase hilfreich eingesetzt werden (Stieglitz, 2008). yy Im Rahmen einer therapie-begleitenden Diagnostik ist die Diagnosestellung anhand eines Klassifikationssystems alleine nicht ausreichend. Hier gilt es alle Facetten der Psychopathologie sowie weitere klinisch relevante Be-
reiche mit Hilfe etablierter Selbst- und Fremdbeurteilungsverfahren im Querschnitt wie im Verlauf zu objektivieren. yy Eine zu lange wirkungslose Behandlung ist grundsätzlich auch als schädlich anzusehen, weil sie für den Patienten belastend ist und ein adäquateres Vorgehen verhindern kann. Wünschenswert ist daher, eine Evaluation genügend differenziert und fortlaufend vorzunehmen, sodass möglichst fundiert beurteilt werden kann, ob sich ein Wechsel oder eine Ergänzung / Augmentierung des therapeutischen Vorgehens empfiehlt, oder ob der Patient sich nur vorübergehend auf ei nem Plateau befindet, von dem aus bei kontinuierli cher Weiterbehandlung schnell Veränderung eintreten können. Eine wichtige Funktion kommt daher einer therapiebegleitenden Diagnostik zu. Im Hinblick auf die konkre te Umsetzung in der Praxis lassen sich drei allgemeine Strategien entlang der Dimension Standardisierung ver sus Individualisierung unterscheiden (Härter, Stieglitz & Berger, 2015): Generelle, störungsgruppenbezogene und individuelle Strategien. Generelle Strategien zielen auf eine Zusammenstellung von Verfahren zur Prozess- und Ergebnisqualität, die für alle Patienten anwendbar sind. Störungsspezifische Strategien haben das Ziel, Instrumente möglichst eng an einer bestimmten Störungsgruppe orientiert einzusetzen (z. B. Depression), während individuelle Strategien eine hypothesengeleitete Auswahl der Verfahren anstreben, um der Individualität des Patienten gerecht zu werden. Neben der Erfolgsmessung ist es auch wichtig, Informationen für und über die Behandlung zu erhalten.
Rahmenmodell Verschiedenen Definitionen von Psychotherapie gemeinsam ist die Betonung der Zielgerichtetheit, was impliziert, die Erreichung der festgelegten Ziele auch zu überprüfen, d. h. zu objektivieren. Hierzu können im Rahmen einer therapie-begleitenden Diagnostik nach Diagnosestellung anhand eines anerkannten Klassifikationssystems psychometrische Verfahren zum Einsatz kommen, zu denen es verschiedene Systematisierungsversuche gibt (vgl. Stieglitz, Baumann & Freyberger, 2001; Stieglitz, 2008). Der einfachste unterscheidet zwischen störungsübergreifenden, also transdiagnostischen und störungsbezogenen Verfahren (vgl. Stieglitz & Freyberger, 2017a). Standardisierte, psychometrische Verfahren können generell auf verschiedenen Ebenen zur Anwendung kommen. In Abbildungen 1 und 2 findet sich eine Differenzie-
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R.-D. Stieglitz: Therapie-begleitende Diagnostik bei depressiven Störungen
Ebene 1
kategoriale Diagnostik nach ICD-10 oder DSM-5 (z. B. mittels strukturierter Interviews)
Ebene 2
Globalbewertung (z. B. mittels CGI oder GAF)
allgemeine und störungsspezifische Psychopathologie (z. B. mittels SCL-90-R)
Ebene 3
Beeinträchtigungen (z. B. mittels SDS)
Lebensqualität (z. B. mittels SF-36)
Ebene 4
9
allgemeine Aspekte der Persönlichkeit (z. B. mittels PSSI)
therapiebezogene, spezifische Diagnostik (z. B. kognitiv-verhaltenstherapeutisch)
Abbildung 1. Diagnostische Ebenen im Kontext der Psychotherapie (modifiziert nach Stieglitz, 2014; Abk. vgl. Tabelle 2)
Abbildung 1. Diagnostische Ebenen im Kontext der Psychotherapie (modifiziert nach Stieglitz
intensiv sind. Beide Verfahrensgruppen ermöglichen rung zwischen einer allgemeinen und therapiebezogen eine zuverlässige Diagnostik depressiver Störungen nach bzw. störungsbezogenen Diagnostik (Ebenen 1 – 3 ). 2014; Abk. vgl. Tabelle2) ICD-10 oder DSM-5.
Ebene 1: Auf der Ebene 1 geht es um die zuverlässige Diagnosestellung nach dem jeweils gewählten Klassifikationssystem (kategoriale Diagnostik). Oft finden hier strukturierte oder standardisierte Interviews Anwendung (vgl. hierzu Stieglitz, 2008). An diese werden oft ähnliche Anforderungen gestellt wie an psychometrische Tests, obwohl sie traditionell nicht dazu gerechnet werden, da sie u. a. keine Quantifizierungen / Schweregradeinschätzungen erlauben. Für deren Bewertung relevant ist vor allem das Gütekriterium der Interrater-Reliabilität, d. h. möglichst hohen Übereinstimmung bei Anwendung des Verfahrens durch unterschiedliche Untersucher bei demselben Patienten. Dieses lässt sich vor allem durch ein umfassendes Training erreichen. Gleiches gilt auch für die oft alternativ eingesetzten Checklisten (vgl. im Detail Stieglitz, 2008), die gegenüber Interviews meist weniger zeit © 2018 Hogrefe
Ebene 2: Die Ebene 2 beinhaltet die Differenzierung hinsichtlich klinisch relevanter Facetten über die Diagnose hinaus. Hierzu zählt die allgemeine Einschätzung und Bewertung des Pa tienten hinsichtlich des globalen Niveaus der Symptomatik, wozu häufig die Clinical Global Impressions (CGI) eingesetzt wird. Diese ermöglicht neben der Zustandseinschätzung auch eine Veränderungsbeurteilung. Bezüglich der allgemeinen Psychopathologie findet heute vor allem das AMDP-System (AMDP) Anwendung. Auf der Ebene der Selbstbeurteilungsverfahren kommt am häufigsten die Symptom-Checklist-90 (SCL-90) zum Einsatz, die jedoch unter methodischem Aspekt nicht unproblematisch ist (z. B. postulierte Mehrdimensionalität), die Globalwerte jedoch als valide Indikatoren der Gesamtbeeinträchtigungen interpretierbar sind. AMDP wie SCL-90-R
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R.-D. Stieglitz: Therapie-begleitende Diagnostik bei depressiven Störungen
ermöglichen auf syndromaler Ebene die vielfältigen Aspekte depressiver Symptomatik abzubilden über das zentrale depressive Syndrom hinaus (AMDP: u. a. Apathisches Syndrom, Vegetatives Syndrom; SCL-90-R: u. a. Ängstlichkeit, Somatisierung). Zunehmend häufiger zum Einsatz kommt der Outcome Questionnaire (OQ-45.2), der einen stärkeren Bezug zur Psychotherapie hat, da er in diesem Kontext auch entwickelt wurde. Er ermöglicht zusätzlich zur Quantifizierung der Symptomatologie auch die Erfassung zwischenmenschlicher Beziehungen sowie sozialer Integration als therapierelevante Dimensionen. Jedoch auch andere Verfahren zu störungsübergreifenden Bereichen sind wichtig wie z. B. die Erfassung allgemeiner Beschwerden oder auch der stärker fluktuierenden Befindlichkeiten oder Stimmungen (vgl. Stieglitz & Freyberger, 2017b). Störungsbezogene Verfahren erlauben die Abbildung zentraler Aspekte der jeweiligen Störung. Gerade auch in der Psychotherapie sind z. B. auch Aspekte der Persönlichkeit zu beachten, wozu sich z. B. der Persönlichkeits-Stil- und Störungs-Inventar (PSSI) anbietet, welches sich eng an die Definition der DSM-IV-Subtypen der Persönlichkeitsstörungen orientiert.
Ebene 3: Auf der Ebene 3 kommen Verfahren zum Einsatz, die über die Psychopathologie und assoziierter Aspekte hinaus klinisch relevante Bereiche i. S. der „Folgen“ der depressiven Störung erfassen, wie Beeinträchtigungen oder Lebensqualität. Erster Bereich lässt sich z. B. einfach er-
fassen mit der häufig eingesetzten Sheehan-Disability Scale (SDS), während für den Bereich der Lebensqualität viele verschiedene Instrumente zur Verfügung stehen. Häufig eingesetzt wird der Fragebogen zum Gesundheitszustand (SF-36).
Ebene 4: Auf der Ebene 4 kommen dann die verschiedenen therapiebezogenen Verfahren zur Anwendung (s. u.), wobei hier eine Differenzierung hinsichtlich der Therapierichtungen notwendig und sinnvoll ist, d. h. Verfahren, die die spezifischen Inhalte der durch die Therapie angestrebten Veränderungen abbilden, über die rein depressive Symptomatik hinaus (s. u. zur Kognitiven Therapie von Beck).
Ansätze und Verfahren in der therapiebegleitenden Diagnostik depressiver Störungen Die Diagnostik hat im Kontext der Psychotherapie im deutschsprachigen Raum über Jahrzehnte eine untergeordnete Rolle gespielt. Sie wurde oft wegen des mit ihr verbundenen strukturierten Vorgehens als belastend für die therapeutische Beziehung betrachtet und zumeist wurde auf sie zu Gunsten einer hermeneutischen oder pragmatischen Betrachtungsweise verzichtet. Auch nachvollziehbare diagnostische Ansätze zu differenzierteren Fallkonzep tionen wurden erst allmählich entwickelt (Schneider & Freyberger, 2014).
Therapie-begleitende Diagnostik
Therapieerfolg
Therapieprozess
Therapie-relevante Faktoren (z. B. Psychotherapiemotivation)
Störungsspezifische Diagnostik
Therapie-bezogene Diagnostik
Therapieziel-bezogene Diagnostik (z. B. Goal Attainment Scaling)
Querschnitt und Verlauf (Outcome) Abbildung 2. Systematik therapie-begleitender Diagnostik Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2018), 66 (1), 7–17
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Im angloamerikanischen Bereich spielt die Integration einer umfassenden Psychodiagnostik in die Psychotherapie seit Jahren eine ungleich größere Rolle. Exemplarisch sei auf drei herausragende Monografien verwiesen, die zu den ersten umfassenderen Arbeiten zu dieser Thematik gehören: yy Ogles, Lambert und Masters (1996) legten eine Übersicht zu Verfahren zur Outcome-Messung vor und gaben Empfehlungen für die praktische Anwendung ab (auch für depressive Störungen). Als besonders positiv zu erwähnen sind die detaillierten Ausführungen zu Fragen der Veränderungsmessung unter klinischen Gesichtspunkten. yy Im Buch von Strupp, Horowitz und Lambert (1997) wurde von einer Bestandsaufnahme der psychotherapeutischen Outcome-Forschung bezogen auf die affektiven, Angst- und Persönlichkeitsstörungen aus gegangen. Darauf aufbauend wurden Kriterien für die Auswahl von Instrumenten entwickelt und Vor schläge für Standardverfahren (sog. core battery) gegeben. yy Im Buch von Antony und Barlow (2002) wird besonders auf die enge Verzahnung von Diagnostik und Therapie hingewiesen. Bezogen auf 13 ausgewählte Störungen (u. a. alle Angststörungen nach DSM-IV, Depression, Schizophrenie, Persönlichkeitsstörungen) werden explizite Empfehlungen für einzelne Verfahren gegeben. Diese Vorschläge wurden im deutschsprachigen Bereich jedoch kaum rezipiert bzw. als eigenständige Ansätze weiter entwickelt. Trotz dieser seit langem existierenden Vorschläge ist erst allmählich die Tendenz einer stärkeren Verbindung zwischen Diagnostik und Therapie auch im deutschsprachigen Bereich erkennbar. Hierfür lassen sich verschiedene Faktoren verantwortlich machen: yy Zunahme von verfügbaren Verfahren, d. h. sowohl störungs- als auch z. T. therapierelevante Verfahren, yy z. T. Zunahme an Verfahren, die aus einer Therapie theorie abgeleitet sind bzw. in enger Beziehung dazu stehen, yy zunehmende Forderung, die Qualität der Behandlung zu dokumentieren (Stichwort Qualitätssicherung / -management; vgl. z. B. Härter, Linster und Stieglitz, 2003), yy Erkennen des eigenen Nutzens für die therapeutische Arbeit. Ein Problem bei der Auswahl und Anwendung von psychometrischen Verfahren besteht jedoch unverändert darin, dass es bis heute kein sog. „Evidence Based Assessment“ (vgl. im Überblick Hunsley & Mash, 2007 sowie Stieglitz, 2016) gibt mit Vorgaben, welche verbindlichen © 2018 Hogrefe
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Anforderungen an psychodiagnostische Verfahren gestellt werden und welche Verfahren zur Anwendung kommen sollten. Therapieleitlinien verschiedener nationaler wie internationaler Fachgesellschaften bzw. Therapiemanuale bezüglich einzelner Störungsbilder fokussieren fast ausschließlich auf die Therapie. Der Fokus der Diagnostik liegt meist auf der somatischen und klassi fikatorischen Diagnostik, eine psychometrische, direkt therapiebezogene Diagnostik wird (wenn überhaupt) eher am Rande erwähnt (Freyberger & Stieglitz, 2006) und bleibt dann auch eher allgemein im Hinblick auf die Empfehlung einzelner Verfahren, meist an deren Bekanntheitsgrad und nicht psychometrischer Qualität orientiert. Dies gilt auch für die für den Depressionsbereich vorliegenden Leitlinien. Nachfolgend finden sich daher Zusammenstellungen von Verfahren, die sich im Kontext depressiver Störungen bewährt haben. Ausgewählt wurden Verfahren, die im Therapieverlauf Anwendung finden, nicht jedoch für die Diagnosestellung (vgl. hierzu z. B. Hölzel, Storz & Normann, 2017). In Tabelle 1 werden störungsspezifische Verfahren unterschieden nach Selbst- und Fremdbeurteilungsverfahren und dem jeweiligen Indikationsbereich (zu störungsübergreifenden Verfahren siehe Stieglitz & Freyberger, 2017b). Zur Einschätzung des Schweregrades der Symptomatik gibt es gerade bei Depressionen eine kaum noch zu überblickende Fülle (Stieglitz, 2008). Die aufgeführten Verfahren finden in Praxis und / oder Forschung die häufigsten Anwendungen und sind meist hinsichtlich psychometrischer Gütekriterien zumindest als befriedigend einzuschätzen und es liegen Informationen zur Auswertung vor. Weniger bekannt ist das frei erhältliche Major Depression Inventory (MDI) von Bech et al. (2001; Olsen, Jensen, Noerholm, Martiny & Bech, 2003; https:// www.psykiatri-regionh.dk/CCMH/Rating-scales-ogspoergeskemaer/Documents/MDI_German.pdf). Dieses Selbstbeurteilungsverfahren orientiert sich an der Operationalisierung der Depressiven Episode der ICD-10 bzw. des DSM-IV. Es besteht aus 10 Items, die nach Schweregrad quantifiziert werden müssen. Cut-off-Werte liegen vor. Hinweise zum Einsatz von Verfahren im Rahmen der Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP; s.a. Schramm & Bausch, 2018) finden sich bei McCullough (2012). Zunehmend an Bedeutung gewinnen jedoch auch Verfahren, die in enge Anlehnung an eine Therapiemethode (Konstrukte) entwickelt werden. Die differenziertesten Verfahren finden sich für die Kognitive Therapie der Depression nach Beck (Stieglitz, 2008). Verfahren existieren für die verschiedenen Ebenen seiner Therapietheorie wie Gedankeninhalt, -prozess oder -struktur (vgl. z. B. Hautzinger & Pössl, 2016).
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Tabelle 1. Störungsspezifische Verfahren zur Erfassung des Schweregrades bei Depression (Beispiele) Verfahrensgruppe
Verfahren
Kommentar
Selbstbeurteilung
Beck Depressions Inventar (BDI / BDI – II)
Am häufigsten eingesetzte Selbstbeurteilungsskala; BDI-II an DSM-IV orientiert; Cut-Off-Werte, Normwerte
Allgemeine Depressionsskala (ADS)
Adaptation englischsprachiger Version Kurz- und Langversion (15 / 20 Items); Cut-Off-Werte, Normwerte
Paranoid-Depressivität-Skala (PD-S, PD-S')
Parallelformen; Subskalen „Paranoides Erleben“ und „Krankheitsverleugnung“; Normwerte
Hamilton Depressionsskala (HAMD)
Am häufigsten eingesetzte Fremdbeurteilungsskala; Fokus eher körpernahe Symptome; psychometrische Schwächen
Montgomery Åsperg Depression Rating Scale (MADRS)
In Studien häufig eingesetztes Verfahren, mit 10 Items kurz; gute psychometrische Qualität
Bech-Rafaelsen Depressions Skala (BRMS)
mit 11 Items kurz; gute psychometrische Qualität
Fremdbeurteilung
Anmerkungen: Nähere Angaben zu den Verfahren siehe CIPS (2015), Geue et al. (2016), Hölzel et al. (2017), Brähler, Schumacher & Strauss (2003).
Praktische Aspekte der Anwendung
Therapieevaluation
Bei der Auswahl eines Verfahrens ist das Assessmentziel von entscheidender Bedeutung. Es ist zu fragen, yy Was will ich mit welchem Ziel erfassen? (Assessmentnutzen) yy Kann ich das Ergebnis auch sinnvoll interpretieren? yy Welche Folgerungen lassen sich für die Behandlung ableiten?
Entsprechend der Relevanz einer therapie-begleitenden Diagnostik ist deren Realisierung in allen Phasen der Therapie möglich (vgl. Abb. 3). Es gilt jeweils im Hinblick auf die phasenspezifischen oder ereignisbedingten Fragestellungen („Assessmentziele“) zu entscheiden, wann und mit welchen Instrumenten eine Untersuchung sinnvoll oder notwendig ist (Stieglitz, 2016). So lässt sich z. B. über die Schweregradbestimmung des depressiven Syndroms mittels einer Ratingskala der Fortschritt oder die Stagnation einer Therapie evaluieren. Erhebungen können bereits zu Beginn einer Therapie gezielt geplant werden (z. B. alle 4 Wochen oder zur Mitte der Therapie bei festgelegter Anzahl Sitzungen) oder bei bestimmten neu auftretenden Situationen (z. B. Stagna tion). Bei wiederholter Messung kann Bezug genommen werden zum Beginn der Therapie oder zur letzten Erhebung (mögliche Fragestellung: Lässt sich eine Veränderung nachweisen?). Generell kann man von folgenden 3 Konstellationen ausgehen: yy Fortschritt, d. h. die Therapie führt zu erwarteten positiven Veränderungen yy Stagnation, d. h. die Therapie tritt auf der Stelle yy Verschlechterung, d. h. unter Therapie verschlechtert sich die Symptomatik (weiter) bzw. es treten Nebenwirkungen auf.
Es stellt sich somit die Frage nach der Nützlichkeit (clinical utility). Es geht dabei auch um die „Objektivierung“ subjektiver Eindrücke. Diagnostik und Psychotherapie sind untrennbar miteinander verbunden. Es ist Hoyer und Knappe (2012) zuzustimmen, dass der Patient mit Recht erwartet, dass die Diagnostik professionell, wissenschaftlich fundiert und möglichst präzise ist. In der Praxis lassen sich jedoch einige Probleme erkennen: yy Auswahl und Einsatz von Verfahren: Verfahren werden oft unreflektiert, meist nach Bekanntheitsgrad ausgewählt, nicht nach inhaltlichen oder methodischen Kriterien. Dies gilt speziell für den Depressionsbereich, wo meist die Hamilton Depressionsskala (HAMD) und das Beck Depressionsinventar (BDI) eingesetzt werden. Beide sind jedoch nicht unproblematisch, da sie unterschiedliche Bereiche abdecken (vgl. Stieglitz, 2008). So fokussiert die HAMD stark auf körperliche Aspekte, das BDI auf eher kognitive Aspekte. Zudem ist die HAMD unter psychometrischen Gesichtspunkten zu kritisieren. yy Interpretation: Bezüglich der Interpretation der erhobenen Befunde bestehen oft unzureichende Kenntnisse, dies gilt speziell für die Veränderungsbewertung. yy Qualifikation: Speziell im Hinblick auf die Anwendung von Fremdbeurteilungsverfahren stellt sich oft das Problem der unzureichender Qualifikation der Anwender.
Die in Tabelle 1 aufgeführten Verfahren können dazu dienen. Im Rahmen einer therapie-begleitenden Diagnostik stellt sich vor allem die Frage der Bewertung der erho benen Informationen. Im Querschnitt (vor allem zu Beginn der Behandlung; vgl. auch Abb. 3) kann der aktuelle Schweregrad quantifiziert werden. Für Selbstbeurtei-
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Outcome, Erfolg
Therapiefortschritt
T1
T2
Therapiebeginn
T3 Therapieende
Verlauf Abbildung 3. Veränderungsmessung in allen Phasen der Therapie (Therapieverlauf und Messzeitpunkte) Abbildung 3. Veränderungsmessung in allen Phasen der Therapie (Therapieverlauf und Messzeitpunkte)
lungsverfahren liegen hierzu meist repräsentative Normen Gesunder vor, für Fremdbeurteilungsverfahren nur Cut-Off-Werte zur Grenze nach „unauffällig“. Von besonderem Interesse im Therapieverlauf sind die Bewertungen von Veränderungen. Hier stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung von einfachen prozentualen Veränderungen (z. B. 30 % Reduktion in einem Skalenwert) bis hin zu komplexeren Ansätzen (vgl. auch Stieglitz & Hiller, 2014, 2017). Zu letzten gehört der inte ressante Ansatz der Klinischen Signifikanz (vgl. auch Hahlweg, 2000). Der allgemeine Grundgedanke besteht darin, yy dass Veränderungen grösser als der Zufall sein müssen und yy dass der Skalenwert (z. B.) am Ende der Therapie im Bereich der „Gesunden“ liegen sollte.
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Exemplarisch sei dies am Beispiel der Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS) erläutert. Die MADRS ist neben der HAMD die am meisten eingesetzte Depressionsskala und dient in vielen Therapiestudien als Outcomekriterium. So finden sich in der Literatur Hinweise darauf, dass die Grenze zwischen „gesund und krank“ etwa bei einem Skalenwert von 5 liegt. Differenzen zwischen 2 Erhebungen, die mindesten 6 Skalenpunkte betragen, weisen auf eine mehr als zufallsbedingte Veränderung (z. B. Verbesserung oder Verschlechterung) hin. Nur wenn beide Kriterien erfüllt sind, sollte man von einer klinisch signifikanten Veränderung sprechen. Diese Information bezogen auf den Einzelfall ist von praktischer Relevanz im Gegensatz von in Studien mitgeteilten Mittelwertsdifferenzen oder Effektstärken, die lediglich etwas über eine allgemeine Wirksamkeit einer Therapie aussagen. Wie bei konkreten Therapieentscheidungen Ratingskalen hilfreich sein können, konnten auch Adli et al. (2002) zeigen. Im Rahmen eines Stufenplans zur Behandlung depressiver Störungen wurde die Bech-Rafaelsen Melancholie Skala (BRMS; vgl. auch Tab. 1) als Entscheidungskriterium für die Beibehaltung bzw. Veränderung der Therapie verwendet. Das Ansprechen auf die jeweils gewählte psychopharmakologische Behandlung (bei einem Bewertungsabstand von 14 Tagen) wurde dabei wie folgt definiert: yy Remission: BRMS-Wert ≤ 5 yy Kein Response: BRMS-Symptomreduktion ≤ 25 % yy Partialresponse: BRMS-Symptomreduktion ≥ 26 %. Derartige Strategien lassen erwarten, dass sich der Therapieverlauf günstig beeinflussen lässt (z. B. kürzere Behandlungsdauer, größere Zufriedenheit bei Patient und Therapeut). Mittels psychometrischer Verfahren ist es somit möglich, Veränderungen in negativer Richtung und / oder Stagnatio-
Tabelle 2. Im Kontext depressiver Störungen relevante Bereiche Bereiche
Beispiele
Vorgeschichte
Life Chart
Wohlbefinden
Frage zum psychologischen Wohlbefinden (FPWB)
Selbstwert, Selbstwirksamkeit
Skala zur Allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung (SWE)
Persönlichkeit
Persönlichkeits-Sstil und Störungs-Inventar (PSS)
Interpersonelle Probleme
Inventar zur Erfassung Interpersoneller Probleme (IIP-D)
Beziehungsprobleme
Structural Analysis of Social Behavior (SASB)
Beeinträchtigungen
Sheehan Disability Scale (SDS)
Soziale Anpassung
Social Adjustment Scale (SAS)
Lebensqualität
Fragebogen zum Gesundheitszustand (SF-36)
Achtsamkeit
Mindfulness Attention and Awareness Scale (MAAS)
Trauma
Childhood Trauma Questionnaire (CTQ)
Anmerkungen: Nähere Angaben zu den Verfahren siehe Geue et al. (2016); Schumacher, Kleiberg & Brähler (2005); Risch, Stangier, Heidenreich & Hautzinger (2012)
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nen im Therapieverlauf rechtzeitig zu erkennen und entsprechende gegensteuernde Maßnahmen einzuleiten (z. B. Besprechung in der Supervision). Derartige gezielte Kontrollen ermöglichen bei Notwendigkeit adaptive Indikationsentscheidungen (Hahlweg, 2000), d. h. Modifikation oder sogar grundsätzliche Veränderungen der Interventionsstrategien. Neben dem Einsatz von psychometrischen Verfahren zur Quantifizierung von Bereichen, bieten sich auch einzelfallbezogene Ansätze an. Besonders zu erwähnen ist das Goal Attainment Scaling (GAS; Stieglitz, 2012). GAS kann als Oberbegriff für eine Reihe von unterschiedlichen Vorgehensweisen angesehen werden, deren gemeinsamer Nenner darin besteht, dass der Erfolg einer Behandlung durch Kriterien erfasst werden sollte, die auf die Bedürfnisse, Fähigkeiten usw. des Patienten zugeschnitten sind. Ziele werden dabei gemeinsam vom Therapeuten und Patienten festgelegt und „operationalisiert“. Dadurch ist eine differenzierte Verlaufskontrolle möglich. Gegenüber der Erfassung von Therapieergebnissen spielt die Diskussion zur Relevanz der Erfassung des Therapieprozesses unter psychometrischem Blickwinkel meist eine noch untergeordnete Rolle, wenngleich in den letzten Jahren allmählich eine veränderte Sichtweise erkennbar ist. Bei der Erfassung des Therapieprozesses mittels Skalen geht es auch um das kontinuierliche Monitoring der Therapie, mit dem Ziel der rechtzeitigen Identifikation möglicher Schwachstellen und damit der Möglichkeit der Korrektur. Fokus sind hier vor allem die verschiedenen Facetten der therapeutischen Beziehung (Interaktion zwischen Therapeut und Patient), die als unspezifischen Therapiefaktoren für einen Therapieerfolg mit von großer Relevanz sind. Mittels sogenannter Stundenbögen lässt sich die Qualität der Therapie aus Sicht des Patienten (und Therapeuten) abbilden (z. B. Therapiefortschritte in der Therapie, Qualität der Therapiebeziehung; vgl. auch Stieglitz & Freyberger, 2017b; Stieglitz & Hiller, 2014). So lassen sich bei wiederholten Anwendungen auch hier Fortschritte, etwaige Stagnation oder eine Verschlechterung z. B. der therapeutischen Beziehung rechtzeitig erkennen. Die Ergebnisse derartiger Erhebungen können z. B. ebenfalls im Rahmen der Supervision hilfreich eingebracht werden. Sie können bei wiederholtem Einsatz rechtzeitig „Warnhinweise“ geben, ob es in einer Therapie Probleme gibt (z. B. gestörte Patient-Therapeut-Beziehung, Unzufriedenheit des Patienten mit der Therapie oder den Therapiefortschritten). Illustrative Anwendungsbeispiele finden sich bei Grawe und Braun (1994).
Fazit und Perspektiven Die Notwendigkeit der Abbildung von Ausgangssituation und Veränderungen im Kontext der Psychotherapie ist von
großer Bedeutung. Im Idealfall sollte zwischen Diagnostik und Therapie eine enge Verzahnung in Form eines Regelprozesses stattfinden im Sinne des „Assess-Treat-Reassess-Adjust Treatment“ (Hunsley & Mash, 2005). Der Ausgangspunkt der Behandlung dient der Quantifizierung des Status zu Beginn der Therapie („assess“). Die sich anschließende Behandlung („treat“) sollte nach einer gewissen Zeit evaluiert („re-assess“) und in Abhängigkeit vom Ergebnis ggf. modifiziert werden („adjust treatment“). Dies sollte ein kontinuierlicher Prozess im Therapieverlauf sein. Nur so lassen sich Nebenwirkungen, Stagnationen oder sogar Verschlechterungen im Therapieverlauf rechtzeitig erkennen und gegensteuernde Massnahmen einleiten. Psychometrische Verfahren können dabei in allen Phasen der Therapie auch in der klinischen Routine mit einem zumutbaren Aufwand hilfreich eingesetzt werden (Stieglitz, 2014). Auch wenn es prinzipiell bereits jetzt verschiedene, wenngleich nicht hinreichend genutzte Möglichkeiten der the rapie-begleitenden Diagnostik gibt, sollten sich zukünftige Entwicklungen für den Bereich depressiver Störungen vor allem auf folgende Aspekte beziehen: yy Entwicklung von noch stärker änderungssensitiven Instrumenten, was bereits bei der Testkonstruktion zu berücksichtigen gilt. yy Entwicklung von Verfahren, die einen stärkeren Bezug zu den theoretischen Konzepten einer Therapiemethode haben (vgl. z. B. Instrumente von Beck zur Kognitiven Therapie der Depression; Stieglitz, 2008). yy Auf der Anwendungsebene im Hinblick auf Ökonomie der Durchführung sind vermehrt computergestützte Ansätze zu entwickeln. Für die Diagnosestellung liegt mit dem DIA-X ein bewährtes Verfahren vor, ebenfalls existieren Verfahren für die computerisierte Auswertung von Testverfahren (Stieglitz, 2008), nicht jedoch für die computerisierte Applikation von Selbst- und Fremdbeurteilungsverfahren (Durchführung- und Auswertung, wenn möglich auch Interpretation), zumindest im deutschsprachigen Bereich nicht. Eine therapie-begleitende Diagnostik unter Einsatz von psychometrischen Verfahren gewinnt zwar zunehmend an Bedeutung, spielt jedoch trotz vielfältiger Verfahrensentwicklungen immer noch nicht die Rolle, die ihr eigentlich zusteht. Entscheidend für eine weitere Verbreitung wird sein, den therapeutischen Nutzen für die Arbeit zu erkennen. Zu den Minimalanforderungen sollte die Anwendung mindestens eines Verfahrens zu Therapiebeginn wie -ende zählen, besser noch die wiederholte Anwendung im Therapieverlauf, um Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen (vgl. z. B. Grawe & Braun, 1994). Hierzu ist zumindest der Einsatz eines Selbst- und Fremdbeurteilungsverfahren zu verschiedenen Zeitpunkten der Therapie unabdingbar notwendig (z. B. MDI und MADRS: zeitökonomisch, gute
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psychometrische Qualität), beides zeitökonomisch einsetzbare Verfahren, für die ausreichend Informationen zu deren Interpretation vorliegen, speziell auch im Hinblick auf die klinische Signifikanz.
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CME-Fragen 1. Welche Formen einer therapie-begleitende Diagnostik lassen sich unterscheiden? a. Indikationsorientierte Diagnostik b. Verlaufsorientierte Diagnostik c. Prozessorientierte Diagnostik d. Situationsorientierte Diagnostik e. Evaluative Diagnostik 2. Welche Ziele hat eine umfassende Eingangsdiagnostik mittels eines etablierten Klassifikationssystems wie der ICD-10? a. Diagnosefindung bzw. -sicherung b. Erfassung komorbider Störungen c. Hinweise auf therapeutische Interventionen d. Erfassung begleitender körperlicher Erkrankungen e. Schweregradbestimmung einer Störung 3. Warum lässt sich eine zunehmend stärkere Verbreitung von Diagnostik in der Psychotherapie erkennen? a. Generelle Zunahme von verfügbaren Verfahren b. Mehr Zeit zur Verfügung c. Zunahme von Verfahren, die aus Therapietheorien abgeleitet wurden
d. Forderung nach Qualitätssicherung auch in der Psychotherapie e. Erkennen des Nutzens für die eigene Therapie 4. Welche konkreten und praktischen Probleme treten häufig in der Praxis einer therapie-begleitende Diagnostik auf? a. Auswahl der Verfahren b. Mangelndes Interesse der Patienten c. Interpretation der Befunde d. Qualifikation der Anwender e. Mangelndes Interesse des Therapeuten 5. Welche Aussagen zur klinischen Signifikanz einer Veränderung sind richtig? a. Klinische Signifikanz deckt sich mit dem klinischen Eindruck. b. Veränderungen müssen mehr als der Zufall sein. c. Der Endwert in einer Skala muss bei null liegen. d. Der Wert in einer Skala muss in den Bereich der Gesunden fallen. e. Die klinische Signifikanz einer Veränderung lässt sich mit einem diagnostischen Instrument bestimmen.
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Um Ihr CME-Zertifikat zu erhalten (min. 3 richtige Antworten), schicken Sie bitte den ausgefüllten Fragebogen mit einem frankierten Ruckumschlag bis zum 14.02.2018 an die nebenstehende Adresse. Später eintreffende Antworten können nicht mehr berücksichtigt werden.
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Dr. Ulrike de Vries ZKPR Universität Bremen Grazer Str. 6 28359 Bremen Deutschland
Fortbildungszertifikat Die Ärztekammer Niedersachsen erkennt hiermit 2 Fortbildungspunkte an.
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Stempel Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie 01/2018
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Johannes Michalak / Petra Meibert / Thomas Heidenreich
Achtsamkeit üben Hilfe bei Stress, Depression, Ängsten und häufigem Grübeln Johannes Michalak Petra Meibert Thomas Heidenreich
Achtsamkeit üben Hilfe bei Stress, Depression, Ängsten und häufigem Grübeln
(Ratgeber zur Reihe: „Fortschritte der Psychotherapie“, Band 40) 2017, 65 Seiten, Kleinformat, € 8,95 / CHF 11.90 ISBN 978-3-8017-2676-8 Auch als eBook erhältlich
Der Ratgeber informiert darüber, was Achtsamkeit ist, wie Achtsamkeit wirkt und wie sie geübt werden kann. Er erläutert den Aufbau verschiedener achtsamkeitsbasierter Therapieprogramme und stellt formelle Achtsamkeitsübungen, wie z. B. den Body Scan, die Sitz- und Gehmeditation, sowie informelle Achtsamkeitsübungen, bei denen man Routinetätigkeiten im Alltag mit Präsenz und Wachheit durchführt, vor. Die vorgestellten Übungen können insbesondere bei Stress, Depression, Ängsten und häufigem Grübeln hilfreich sein.
Johannes Michalak / Thomas Heidenreich / J. Mark G. Williams
Michalak · Heidenreich · Williams
Achtsamkeitsübungen für die klinische Praxis und den Alltag Audio-CD
Achtsamkeitsübungen für die klinische Praxis und den Alltag Audio-CD (Ratgeber zur Reihe: „Fortschritte der Psychotherapie“, Band 23) 2012, MP3-Dateien, € 14,95 / CHF 21.90 ISBN 978-3-8017-2444-3
SOZAS Skalen zur Sozialen Angststörung Soziale-Phobie-Inventar (SPIN), Soziale-Interaktions-Angst-Skala (SIAS), Soziale-Phobie-Skala (SPS), Liebowitz-Soziale-Angst-Skala (LSAS) K. von Consbruch / U. Stangier / T. Heidenreich Einsatzbereich: Erwachsene ab 18 Jahren, Einzel- und Gruppensetting. Die Anwendung erfolgt im klinisch-psychologischen sowie psychiatrischen Bereich zur Eingangsdiagnostik, Therapieplanung und -evaluation sowie in der Forschung. Das Verfahren: Die SOZAS werden zur Diagnostik der sozialen Angststörung eingesetzt. Sie ermöglichen es, zwischen nicht klinischen sozialen Ängsten und sozialen Angststörungen zu differenzieren. Es stehen vier verschiedene Instrumente zur Verfügung: SPIN, SPS, SIAS, LSAS. Das SPIN ist ein Selbstbeurteilungsinstrument und dient dem Screening sozialer Ängste in der Routinepraxis. Die SPS und die SIAS sind Selbstbeurteilungsinstrumente, mit deren Hilfe Situationstypen identifiziert werden, in denen Patienten mit einer sozialen Angststörung typischerweise Angst erleben. Dabei erfasst die SPS Angst in Bewertungssituationen und die SIAS Angst in Interaktionssituationen. Die LSAS ist ein Fremdbeurteilungsinstrument und wird vom Diagnostiker ausgefüllt. Diese Skala erfasst die Angst und die Vermeidung sowohl in Interaktions- als auch in Leistungssituationen.
Achtsamkeitsübungen können dabei helfen, den eigenen Körper direkt und lebendig wahrzunehmen; ungünstige und immer wiederkehrende Gedanken und Gefühle können wahrgenommen und allmählich losgelassen werden. Körperlicher und seelischer Stress kann auf diesem Weg besser bewältigt werden. Die Audio-CD (MP3-Dateien) enthält Anleitungen zur Durchführung von drei zentralen Achtsamkeitsübungen: Body-Scan, Sitzmeditation und Atemraum. Diese Übungen können therapiebegleitend eingesetzt werden und fördern, bei regelmäßiger Übung, die Entfaltung von Achtsamkeit im Alltag.
Bearbeitungsdauer: Die Bearbeitungszeit der drei Selbstbeurteilungsbögen (SPIN, SIAS, SPS) liegt jeweils bei etwa 5 bis 10 Minuten. Die Anwendung der LSAS (Fremdbeurteilung) erfordert etwa 15 bis 20 Minuten. Die Auswertungen dauert pro Skala etwa 3 bis 5 Minuten.
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Themenschwerpunkt
Kurz- und langfristige Wirksamkeit von Psychotherapie bei Depression im Vergleich zu medikamentöser Therapie Short and long-term efficacy of psychotherapy compared to pharmacological treatment for depression Barbara Barton1, Elisabeth Schramm2,4 und Ulrich Voderholzer1,2,3 1 2 3 4
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum der LMU München Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg Schön Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel
Zusammenfassung: Die Depression ist eine der weltweit am häufigsten auftretenden psychischen Erkrankungen. Nationale und internationale Leitlinien empfehlen zur Behandlung sowohl Psycho- als auch Pharmakotherapie oder deren Kombination. Viele Studien konnten die kurzfristige Wirksamkeit dieser Therapiemethoden bestätigen. Eine weitaus geringere Anzahl an Studien hat allerdings bislang untersucht, inwiefern die Wirksamkeit der Therapie über das Absetzen der Akuttherapie, Erhaltungstherapie oder Rezidivprophylaxe hinaus erhalten bleibt. Die Mehrzahl der bisher durchgeführten Studien zur nachhaltigen Wirksamkeit der Depressionsbehandlung verfügt über einen durchschnittlichen Follow-up Zeitraum von 2 Jahren. Die Ergebnisse dieser Studien deuten auf eine langfristige Überlegenheit der Psychotherapie oder der Kombinationstherapie gegenüber alleiniger Pharmakotherapie hin. Aufgrund der hohen Rezidivneigung und der Chronizität der Depression bei einem Teil der Betroffenen ist die Frage der langfristigen Wirksamkeit für eine Therapieempfehlung allerdings von höchster Relevanz. Neben ausreichenden validen Aussagen zur Nachhaltigkeit der Behandlung sind Informationen zu Absetz- und Placeboeffekten ebenfalls begrenzt. Es besteht dringender Forschungsbedarf bzgl. langfristiger Effekte antidepressiv wirkender Therapieverfahren, um adäquate Therapieempfehlungen geben zu können. Schlüsselwörter: Depression, Psychotherapie, Antidepressiva, Follow-up, Nachhaltigkeit Abstract: Depression is a worldwide highly prevalent mental disorder. In national and international guidelines, psycho- and pharmacotherapy or their combination is recommended for its treatment. The short-term efficacy of these treatment options has been proved by many studies. However, only a few studies have investigated the lasting effect of the short-term therapeutic success after acute, continuation or maintenance therapy. The average follow-up period observed in the majority of the existing literature about long-term effects in the treatment of depression is about 2 years. The results of these studies show a superiority of psychotherapy or combination therapy over pharmacotherapy at follow-up. Because of the high risk for recurrence and chronicity episodes, information on long-term effects is needed to make adequate treatment recommendations. Not only is the data on therapeutic long-term effects limited, but also on withdrawal symptoms and on placebo effects. Future research is essential in order to recommend patients a therapy which includes optimal short- and long-term benefits. Keywords: depression, psychotherapy, antidepressants, follow-up, long-term effects
Depressive Erkrankungen zählen mit einer 12-MonatsPrävalenz von 6,9 % in Europa zu den häufigsten psychischen Erkrankungen (Wittchen et al., 2011) und stellen deshalb eine immense sozioökonomische Belastung dar (Marschall et al., 2016). Die Depression ist vor allem durch ihre Rezidivneigung charakterisiert (Eaton et al., 2008) und verläuft in einem Drittel der Fälle chronisch © 2018 Hogrefe
(Murphy & Byrne, 2012). Aufgrund der steigenden Lebenserwartung und den damit verbunden somatischen und neurologischen Erkrankungen ist ein Anstieg der Prävalenzzahlen bei sekundären Depressionen und ei ne Zunahme chronischer Verläufe zu erwarten (Richter, Berger & Reker, 2008). Der Artikel gibt einen Überblick über die kurz- und langfristige Wirksamkeit von Psycho-
Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2018), 66 (1), 19–29 https://doi.org/10.1024/1661-4747/a000336
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B. Barton et al.: Wirksamkeit der Depressionsbehandlung
Therapeutische Effekte bei Depression – 4 Phasen
Gesundheit
1
Vollständige Genesung
Remission
Ende der Therapie
Nachhaltigkeit
2 Rückfall
Symptom
Krankheit
Syndrom
Wiedererkrankung
Wiedererkrankung
Response Ansprechen unbehandelt
6-12 Wochen
4-9 Monate
> 1 Jahr
Akuttherapie
Erhaltungstherapie
Rezidivprophylaxe
Keine weitere Therapie
Abbildung 1. Die vier Phasen therapeutischer Effekte. Sowohl nach der Akut- und der Erhaltungstherapie sowie nach der Rezidivprophylaxe kann Abbildung 1. eine Die vier Phasen therapeutischer Effekte. Sowohl nach wobei der Akutder Erhaltungstherapie nach einer der Rezidivprophylaxe kann(keine anschlieanschließend kurzfristige Wirksamkeit gemessen werden, dieund langfristige Wirksamkeitsowie erst nach therapiefreien Zeit weiteeine kurzfristige Wirksamkeit gemessen werden, wobei die langfristige Wirksamkeit erst nach einer therapiefreien Zeit (keine weitere Therapie) gemessen reßend Therapie) gemessen werden kann. werden kann.
therapie und Pharmakotherapie und deren Kombination in der Depressionsbehandlung. Eine kurzfristige Wirksamkeit ist hierbei definiert als die messbare Wirksamkeit im Rahmen bzw. unmittelbar nach Beendigung der Therapie, während eine langfristige Wirksamkeit als eine anhaltende Wirksamkeit über das Absetzen der Therapie hinaus definiert wird. In diesem Sinne gilt die gemessene Wirksamkeit sowohl unmittelbar nach einer Akuttherapie aber auch nach einer Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe als kurzfristig. Eine langfristige Wirksamkeit zeigt sich erst, wenn auch nach einer therapiefreien Zeit nach Absetzen der Therapie Therapie erfolge bestehen bleiben (Abb. 1).
State of the Art: Behandlungsempfehlungen der S3-Leitlinie Gemäß der S3-Leitlinie sollte bei Vorliegen einer leichten depressiven Episode zunächst 14 Tage eine aktiv-abwartende Begleitung erfolgen. Hält die depressive Symp tomatik über diesen Zeitraum an, wird eine Therapie empfohlen. Bei leichten und mittelgradigen depressiven Episoden kann die Psycho- und Pharmakotherapie, nach Empfehlung der Leitlinie, gleichwertig eingesetzt werden. Bei einer schweren depressiven Episode wird eine Kombination aus Psycho- und Pharmakotherapie empfohlen (DGPPN et al., 2015). Aufgrund der hohen Rezidivneigung und der hohen Rate chronischer Verläufe bei depressiven Störungen empfiehlt die S3-Leitlinie nach erfolgreicher Akuttherapie eine Erhaltungstherapie und bei Bedarf (z. B. viele depressive Episoden in der Vorgeschichte) auch eine Rezidivprophylaxe (Tab. 1) (DGPPN et al., 2015).
Unterschiede in der Wirksamkeit verschiedener Psychotherapieverfahren und unterschiedlicher antidepressiver Medikation 26
Im Vergleich verschiedener Psychotherapieverfahren in der Behandlung der Depression gibt es über die Studien hinweg keine deutliche Überlegenheit eines bestimmten Verfahrens (Cuijpers, Andersson, Donker & van Straten, 2011). Eine aktuelle randomisierte kontrollierte Studie (RCT) (N = 177) verglich beispielsweise die Interpersonelle Psychotherapie (IPT) und Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) als Akut- und Erhaltungstherapie über einen Zeitraum von 10 Monaten miteinander. Dabei zeigte sich, dass beide Verfahren in ihrer Wirksamkeit vergleichbar waren, die Wirkung der KVT jedoch schneller einzusetzen begann (Mulder, Boden, Carter, Luty & Joyce, 2017). Auch bei der Behandlung mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) zeigt eine aktuelle Meta-Analyse von Jakobsen et al. (2017) keine Überlegenheit eines SSRI gegenüber eines anderen SSRI.
Datenlage zur kurzfristigen Wirksamkeit der Psychotherapie, Pharmakotherapie und der Kombinationsbehandlung Vergleich der Wirksamkeit von Psycho- und Pharmakotherapie und der Kombinationsbehandlung gegenüber einem Placebo Die bereits erwähnte Meta-Analyse von Jakobsen et al. (2017) mit 131 RCT zeigte, dass nach Beendigung der Therapie SSRI zu signifikant besseren Ergebnissen auf der Ha-
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Tabelle 1. Therapiephasen bei der Behandlung depressiver Störungen nach S3-Leitlinie Therapiephasen
Ziel
Dauer
Akuttherapie
• Linderung des Leidensdrucks des Patienten
6 – 12 Wochen
• Remission der aktuellen depressiven Symptomatik • Wiederherstellung der beruflichen und psychosozialen Leistungsfähigkeit und Teilhabe Erhaltungstherapie
• Reduktion des Rückfallrisikos
Pharmakotherapie: 4 – 9 Monate; erst dann Dosisreduktion; Psychotherapie: 8 – 12 Monate mit niedrigerer Sitzungsfrequenz (bei rezidivierender Depression mit zusätzlichen Belastungsfaktoren auch mit höherer Frequenz)
rezidivprophylaktische Therapie
• langfristige Verhinderung des Auftretens einer erneuten Krankheitsepisode
Pharmakotherapie: 2 Jahre Psychotherapie: keine Zeitangaben
• Nicht bei allen Patienten indiziert; nur bei hohem Risiko eines Wiederauftretens der depressiven Symptomatik
milton Depression Rating Scale (HDRS) führten als eingesetzte Placebo-Medikamente (Veränderung der HDRS Werte um durchschnittlich –2,25 Punkte (KI = –2,69 – 1,83)). Allerdings bewerteten die Autoren die durchschnittliche Differenz auf der HDRS als nicht klinisch signifikant (erst ab einer Differenz von 3 Punkten). Die SSRI reduzierten das Risiko keine Remission zu erreichen signifikant, führten aber auch zu signifikant mehr ungewünschten Ereignissen als unter Placebo innerhalb der Therapie (31 im Vergleich zu 22 / 1000 Betroffenen). In einer Meta-Analyse von Cuijpers, Turner, et al. (2014) mit zehn RCT (N = 1240) wurde die Effektivität von Psychotherapie gegenüber einem Placebo-Medikament verglichen. Die Psychotherapie führte zu einer Reduktion der HDRS-Werte um durchschnittlich –2,66 Punkte (KI = 1,62 – 3,71) mehr als das Placebo-Medikament (ES = 0,34). Auch im Vergleich zu anderen Kontrollbedingungen (neben Medikamenten-Placebo auch Warteliste oder andere unspezifische Verfahren) war die Psychotherapie in einer Meta-Analyse von Cuijpers, Karyotaki, et al. (2014) mit 92 RCT (N = 6937) diesen signifikant überlegen (Responserate von 48 vs. 19 %; Remissionrate von 62 % vs. 43 – 48 %). Auch die Kombinationsbehandlung aus Psychound Pharmakotherapie zeigte sich in einer Meta-Analyse von Cuijpers du Kollegen (2014) genüber einem PlaceboMedikament in den 11 verfügbaren Studien überlegen (ES = 0,74). Die Psychotherapie und die Pharmakotherapie zeigten im Rahmen dieser Analysen Effektstärken von 0,37 und 0,35 gegenüber dem Medikamenten-Placebo. Die Autoren schlussfolgern aus den Ergebnissen, dass Psycho- und Pharmakotherapie einen unabhängigen Beitrag zur Wirksamkeit leisten und sich die Wirksamkeit der Verfahren bei einer Kombinationsbehandlung addieren (Cuijpers et al., 2014). Allerdings geht aus der Subanalyse dieser Meta-Analyse nicht hervor, wie viele der 11 Studien Patienten mit ei© 2018 Hogrefe
ner depressiven Erkrankung beinhalteten, da auch Studien, bei deren Teilnehmern Angststörungen diagnostiziert wurden, Eingang in die Berechnungen fanden. Direkter Vergleich von Psycho- und Pharmakotherapie und der Kombinationstherapie In der, bereits angeführten, Meta-Analyse von Cuijpers et al. (2014) mit 52 RCT (davon 32 mit depressiven Patienten) (N = 3623) wurde auch die Effektivität einer alleinigen Pharmakotherapie gegenüber der Kombination aus Psycho- und Pharmakotherapie verglichen. Dabei zeigte sich die Kombinationsbehandlung, unabhängig vom Schweregrad der Depression, als überlegen (ES = 0,43) (Cuijpers et al., 2014). Auch die alleinige Psychotherapie war der Kombinationsbehandlung in einer Meta-Anaylse von Cuijpers, van Straten, Warmerdam, und Andersson (2009) mit 18 RCT (N = 1838) unterlegen. Im direkten Vergleich von Psycho- und Pharmakotherapie zeigten sich in der Meta-Analyse von Cuijpers et al. (2011) mit 243 RCT (davon 30 mit einem Vergleich von Psycho- und Pharmakotherapie) keine signifikanten Unterschiede bezüglich der kurzfristigen Wirksamkeit. In selbiger Meta-Analyse zeigten sich aber auch eine signifikante Überlegenheit der medikamentösen Therapie bei Dysthymie und eine geringere Abbruchrate bei der Psychotherapie (Cuijpers et al., 2011). Erhaltungstherapie Im Rahmen einer Meta-Analyse konnten Cuijpers et al. (2013) fünf Studien identifizieren, in denen die Wirksamkeit einer abgeschlossenen Akuttherapie mit KVT mit einer medikamentösen Erhaltungstherapie verglichen wurde. Dabei zeigte sich keine signifikante Überlegenheit eines der untersuchten Verfahren. Es gab jedoch einen Trend, dass Patienten nach einer Aktuttherapie mit KVT
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weniger häufig Rückfälle erlitten als Patienten mit einer medikamentösen Erhaltungstherapie. Allerdings ist anzumerken, dass es auch Booster Sitzungen nach der abgeschlossenen Psychotherapie gab und insbesondere zwei der fünf Studien zu diesem Trend einer Überlegenheit der KVT beitrugen. In einer RCT mit 241 ambulant behandelten depressiven Patienten wurden diese nach einer achtmonatigen Kognitive Therapie (KT) entweder einer Erhaltungstherapie mit einem Medikamenten-Placebo, einer KT (Sitzungsanzahl: 10) oder Fluoxetin zugeteilt (Jarrett, Minhajuddin, Gershenfeld, Friedman & Thase, 2013). Nach acht-monatiger Erhaltungstherapie hatten unter Placebobehandlung (32,7 %) signifikant mehr Patienten einen Rückfall als unter KT (18,3 %) und unter Fluoxetin (18,0 %) (Jarrett et al., 2013). Studien, die der Meta-Analyse von Jakobsen et al. (2017) zugrunde liegen, konnten nur in 6 der 131 identifizierten RCT eine medikamentöse Erhaltungstherapie (9 – 80 Wochen) vorweisen. Die Autoren konnten keinen signifikanten Unterschied zwischen einer medikamentösen Erhaltungstherapie und einer Placebobehandlung finden. Zu gegensätzlichen Ergebnisse kamen Gueorguieva, Chekroud und Krystal (2017) bei der Analyse von 1462 Patientendaten aus vier Doppelblindstudien, in denen Duloxetin oder Fluoxetin nach der Akuttherapie entweder abgesetzt und ein Placebo verabreicht oder das Medikament als Erhaltungstherapie weiter gegeben wurde. Nach 26 Wochen zeigte die aktive medikamentöse Behandlung eine signifikante Überlegenheit gegenüber der Weiterbehandlung mit Placebo. So hatten 33 % der aktiv mit einem Antidepressivum behandelten Patienten einen Rückfall im Vergleich zu 46 % der mit Placebo behandelten Patienten. Rezidivprohphylaxe Um das Rezidivrisiko zu senken, gibt es eine Reihe von Psychotherapieansätzen, die speziell für die Phasenprophylaxe rezidivierender Depressionen konzipiert wurden. Neben dem am umfassendsten untersuchten Ansatz der Mindfulness-based Cognitive Therapie (MBCT, (Segal, Williams & Teasdale, 2002)), sind auch die Preventive Cognitive Therapy (Bockting et al., 2005) und die Wellbeing Cognitive Therapy (Fava, Rafanelli, Grandi, Conti & Belluardo, 1998) zu nennen. Eine aktuelle Meta-Analyse von Kuyken et al. (2016) mit zehn RCT (N = 1258) konnte zeigen, dass MBCT gleichwertig zu einer medikamentösen Rezidivprophylaxe zur Reduktion des Rückfalls bei Depressionen beiträgt, und zwar unabhängig von demo graphischen Charakteristika wie Geschlecht oder Beziehungsstatus. Die Meta-Analyse von Biesheuvel-Leliefeld et al. (2015) mit 25 RCT (N = 2055) hingegen konnte eine Überlegenheit psychotherapeutischer Interventionen als Rezidivprophylaxe (MBCT, KVT, IPT) gegenüber einer Kontrollbedingung (medikamentöse Rezidivprophylaxe,
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keine Behandlung, Warteliste) mit einer durchschnittlichen Dauer von zwei Jahren zeigen (25 RCT, N = 2055). Bei Biesheuvel-Leliefeld et al. (2015) wurden auch Studien mit Patienten eingeschlossen, die vor der Rezidivprophylaxe keine Akuttherapie innerhalb der Studien erhalten hatten. Diese Patientengruppe profitierte in geringerem Maße von der Rezidivprophylaxe, was darauf hindeutet, dass die verschiedenen Therapiephasen aufeinander folgen sollten. Auch in einer großen RCT (N = 424) zeigte sich die MBCT gleichwertig mit einer medikamentösen Rezidivprophylaxe bezüglich des Rückfalls, Residualsymptomatik und Lebensqualität am Ende der zweijährigen Therapie (Kuyken et al., 2015). In einer Meta-Analyse von Hansen et al. (2008) verglichen elf RCT eine mindestens 12 Monate andauernde medikamentöse Rezidivprophylaxe gegenüber einem Placebo. Es zeigte sich in allen Studien eine Überlegenheit der medikamentösen Therapie gegenüber der Placebobehandlung, wenngleich diese nicht immer statistisch signifikant war. Auch in der Meta-Analyse von Geddes et al. (2003) mit 31 RCT (N = 4410) zeigte sich die Therapie mit Antidepressiva gegenüber einer Placebobehandlung nach 12 Monaten bezüglich der Rückfallhäufigkeit (18 vs. 41 %) als signifikant überlegen. Eine methodische Einschränkung bei Studien zur Rezidivprophylaxe ist jedoch, dass deren Wirksamkeit immer in Abhängigkeit der vorangegangen Behandlung mit ihren positiven aber auch potentiell negativen Auswirkungen (z. B. Absetzeffekte; Tab. 2) bewertet werden muss. So geht in Studien einer Rezidivprophylaxe mit Placebo, die mit einer Rezidivprophylaxe mit Antidepressiva verglichen werden soll, meist in beiden Gruppen eine Therapie mit Antidepressiva voraus. Folglich lässt ich aus diesen Studien und entsprechenden Meta-Analysen nur die Schlussfolgerung ziehen, dass Antidepressiva rezidivprophylaktisch bei Depression wirken, wenn die Betroffenen zuvor bereits Antidepressiva erhalten hatten. Kurzfristige Wirksamkeit bei chronischer Depression Das Psychotherapieverfahren Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP, McCullough (2006)) wurde speziell für die Behandlung chronischer Depressionen entwickelt. In einer RCT (N = 60) erwiesen sich CBASP (22 Therapiesitzungen) und eine medikamentöse Behandlung mit Escitalopram mit Clinical Management von 20 Wochen als gleich wirksam (Schramm et al., 2015). Die erfasste Wirksamkeit bezog sich auf die depressive Symptomatik, Lebensqualität und das soziale Funktionsniveau. Dies galt sowohl für Patienten mit und ohne Missbrauchs- / Misshandlungs- / Vernachlässigungs- / Gewalterfahrungen in der Kindheit, wobei hier die Latenzzeit bei Patienten mit solchen Erfahrungen bei Psychotherapie etwas länger scheint (Bausch et al., 2017). Eine Kombination aus CBASP und Nefazodon führte in einer RCT (N = 681)
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von Keller et al. (2000) zu einer signifikant höheren Remissionsrate (48 %) als die Monotherapie mit CBASP (33 %) oder mit Nefazodon (29 %) (Behandlungsdauer: 12 Wochen, 16 – 20 Therapiestunden). In einer RCT (N = 268) mit ambulant behandelten, chronisch depressiven Patienten zeigte CBASP gegenüber unterstützenden und störungsunspezifischen psychotherapeutischen Gesprächen (Dauer: 20 Wochen) einen moderaten Effekt (ES = 0,31), führte häufiger zu Remission (21,8 % vs. 12,6 %) und einer besseren Lebensqualität (ES = 0,35) (Schramm et al., 2017). Die Effekte hielten auch nach einer anschließenden Erhaltungstherapie von 28 Wochen, in denen acht Sitzungen stattfanden, an (Symptomatik: ES = 0,39; Lebensqualität: ES = 0,35). In einer RCT von Gelenberg et al. (2003) wurde die Wahrscheinlichkeit einer Wiedererkrankung nach einer 52-wöchigen Erhaltungstherapie mit Nefazodon und mit einem Placebo-Medikament berechnet. Der Unterschied der Behandlungen war zugunsten der Pharmakotherapie signifikant (Wiedererkrankungsrate: 30,3 vs. 47,5 %). Die Art der Akutbehandlung (CBASP, Nefazodon, Kombination) hatte hier keinen Einfluss auf den Erfolg der Erhaltungstherapie.
Datenlage zur langfristigen, d. h. nachhaltigen Wirksamkeit der Psychotherapie, Pharmakotherapie und der Kombinationsbehandlung nach Ende der Therapie Von ganz besonderem Interesse im Hinblick auf Rezidivneigung und Chronizität depressiver Erkrankungen ist die Frage der nachhaltigen Wirkung nach Ende, bzw. Absetzen einer Therapie hinaus. In einer Meta-Analyse von Karyotaki et al. (2016) wurden 23 RCT (N = 2184; Follow-up: 6 – 48 Monate) eingeschlossen, welche die langfristige Wirksamkeit einer Kombinationstherapie, entweder im Vergleich zu einer Psychotherapie oder einer Pharmakotherapie erfassten. Dabei handelte es sich bei 15 RCT um die langfristige Wirksamkeit abgesetzter Akuttherapien und bei acht RCT um die langfristige Wirksamkeit abgesetzter Erhaltungstherapien. Für die Psychotherapie lagen jedoch zu wenige Daten für die langfristige Wirksamkeit der abgesetzten Erhaltungstherapie vor. Beim Vergleich der langfristigen Wirksamkeit war die Kombinationstherapie als Akut- und Erhaltungstherapie der Pharmakotherapie als Akut- und Erhaltungstherapie nach sechs Monaten und länger signifikant überlegen. Die langfristige Wirksamkeit einer alleinigen Psychotherapie mit einer Kombinationstherapie in der Akutbehandlung war nach sechs Monaten und länger vergleichbar (Karyotaki et al., 2016). Auch eine hochqualitative RCT von Hollon et al. (2005) gibt Hinweise auf die langfristige Wirksamkeit der Psychotherapie. In dieser RCT wurden 104 ambulante Pa© 2018 Hogrefe
tienten, die entweder nach der Akuttherapie mit KT oder medikamentöser Therapie eine Response erreichten, eingeschlossen. Patienten, die eine medikamentöse Akuttherapie erhalten hatten, wurden entweder einer 12-mona tigen Erhaltungstherapie mit dem bereits verabreichten Medikament oder einem Placebo-Medikament zugeteilt. Patienten, die eine Akuttherapie mit KT erhalten hatten, konnten innerhalb dieser 12 Monate 3 Booster Sitzungen in Anspruch nehmen. Bei Beendigung der Erhaltungstherapie nach 12 Monaten hatten 40 Patienten keinen Rückfall erlitten und wurden für weitere 12 Monate beobachtet. Nach diesen 12 Monaten hatten 17,3 % (5 von 20 Patienten) der KT-Gruppe, 53,6 % (7 von 14 Patienten) der Medikamenten-Gruppe und 2 der 6 Patienten mit Placebo eine Wiedererkrankung. Die Autoren berichten eine Reduktion der Wiedererkrankung durch eine KT in der Akutphase um 85 % im Vergleich zur Pharmakotherapie. In einer RCT von Schramm et al. (2007) und der Folgestudie von Zobel et al. (2011) wurde die langfristige Wirksamkeit eines stationären IPT- Kurzzeittherapieprogramms zusätzlich zur Standard-Pharmakotherapie im Vergleich zu unterstützenden ärztlichen Gesprächen untersucht. Die Nachbe fragung erfolgte unter naturalistischen Bedingungen im Abstand von 3 und 12 Monaten, sowie 5 Jahren nach Klinik entlassung und beinhaltete unter anderem die Evaluation auf Symptomebene, sowie hinsichtlich Rückfallrate, anhaltender Remission und der sozialen Funktionsfähigkeit. Darüber hinaus sollte der Einfluss von Traumatisierungen in der Kindheit auf den langfristigen Verlauf erfasst werden. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Patienten der Kombinationsbehandlung im Vergleich zur Standardbehandlung insbesondere bei Vorliegen von Traumatisierung in der Kindheit kurz-, mittel- und langfristig von der zusätzlichen psychotherapeutischen Intervention profitieren konnten. Dieser Vorteil äußerte sich einerseits in einer stärkeren und schnelleren Symptomreduktion, die vor allem in den ersten Monaten der Nachbefragungsperiode sichtbar wurde, andererseits in höheren Raten anhaltender Remission. Dennoch lag die Wiedererkrankungsra te im Nachbefragungszeitraum ohne signifikante Unterschiede zwischen den Behandlungsbedingungen bei 33 %. In der bereits zitierten RCT von Jarrett et al. (2013) erfolgte 12 bzw. 24 Monate nach Ende der Erhaltungstherapie eine Nachuntersuchung. Im Anschluss an eine Erhaltungstherapie mit KT kam es bei 35 % bzw. 45,2 %, nach einer Erhaltungstherapie mit Fluoxetin bei 35,1 % bzw. 41,1 % und nach einer Erhaltungstherapie mit Placebo bei 42,7 % bzw. 56,3 % zu einem Rückfall. In einer weiteren Analyse berichteten die Autoren die langfristige Wirksamkeit der Akuttherapie (KT) mit anschließender Erhaltungstherapie für acht Monate (KT oder Fluoxetin) auf das sozial-in terpersonelle Funktionsniveau (Vittengl, Clark, Thase & Jarrett, 2016). Die signifikanten Verbesserungen blieben
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diesbezüglich auch zwei Jahren nach Ende der Erhaltungstherapie erhalten, wobei sich in keiner der Gruppen eine weitere Verbesserung feststellen ließ. Stangier et al. (2013) verglichen die Wirksamkeit einer Erhaltungstherapie mit KVT und Erhaltungstherapie mit einer manualisierten Psychoedukation (Dauer: 8 Monate; 16 Psychotherapiestunden). Dazu wurden 180 Patienten mit remittierter Depression randomisiert den Bedingungen zugeteilt. 12 Monate nach Ende der Erhaltungstherapie zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den untersuchten Gruppen bezüglich der Rückfallrate (KVT: 51 %, Psychoedukation: 60 %). Bei Betrachtung von Patienten mit mehr als fünf depressiven Episoden in der Vorgeschichte und einem hiermit einhergehenden höheren Wiedererkrankungsrisiko, zeigte sich die KVT jedoch als signifikant überlegen (Rückfallrate: 50 % vs. 73,2 %). Langfristige Wirksamkeit bei chronischer Depression In einer RCT von Eisendrath et al. (2016) wurde die Wirksamkeit von acht Wochen MBCT und Pharmakotherapie gegenüber einer Kontrollbehandlung (Kombination aus Fitness, Ernährungsberatung, Musiktherapie) und Pharmakotherapie bei ambulanten Patienten mit einer therapieresistenten Depression auf ihre kurz- und langfristi ge Wirksamkeit verglichen. Nach der Akuttherapie waren beide Verfahren wirksam, die MBCT zeigte jedoch in bestimmten Bereichen (z. B. Symptomreduktion) eine signifikante Überlegenheit. Nach 52 Wochen waren Patienten in beiden Gruppen immer noch gegenüber Baseline verbessert. MBCT führte auf der HDRS zu signifikant mehr Response, jedoch nicht zu signifikant mehr Remission oder Symptomreduktion als die Kontrollbehandlung. Eine weitere RCT von Michalak, Probst, Heidenreich, Bissantz, und Schramm (2016) verglich Pharmakotherapie, Pharmakotherapie und MBCT-Gruppe, sowie Pharmakotherapie mit CBASP-Gruppe miteinander (Behandlungsdauer: 8 Wochen). 6,33 Monate nach Absetzen der Therapien zeigten sich die zusätzlichen Behandlungen mit MBCT und CBASP als vergleichbar wirksam und der alleinigen Pharmakotherapie überlegen. Die Ergebnisse der LACDepressionsstudie zur Messung der kurz- und langfristigen Wirksamkeit einer Langzeittherapie mit Psychoanalyse oder KVT bei der Behandlung chronischer Depression (Beutel et al., 2016) stehen noch aus.
Kritische Bewertung der Studienergebnisse Definition von Wirksamkeit In Anbetracht der gesellschaftlichen Bedeutung der Depression scheint es relevant die Therapieverfahren nicht nur bezüglich ihrer Wirksamkeit auf Symptomebene (Remission, Anzahl der Rückfälle) sondern auch bezüglich ihrer Wirk-
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samkeit auf das alltägliche Funktionsniveau und die Lebensqualität zu messen. Dabei handelt es sich um Bereiche, die massiv innerhalb einer depressiven Episode beeinträchtigt sind. Eine Umfrage an 535 Patienten mit Depression im ambulanten Setting bestätigt diese Annahme. So wurden Optimismus, Selbstbewusstsein, sich wieder „wie sonst fühlen“ und das Erreichen der gewöhnlichen, alltäglichen Funktionalität als wichtigste Kriterien einer Remission benannt (Zimmerman et al., 2006). Eine Meta-Analyse von Kamenov, Twomey, Cabello, Prina und Ayuso-Mateos (2017) (53 RCT; N = 29879) verglich die Auswirkungen von Psychotherapie und Pharmakotherapie, sowie deren Kombination, auf das Funktionsniveau und die Lebensqualität. Im Vergleich zu Kontrollbedingungen führten die Monotherapien zu kleinen bis moderaten Effekten bezüglich des Funktionsniveaus (Psychotherapie: ES = 0,35, Pharmakotherapie: ES = 0,27) und bezüglich des Funktionsniveaus und bezüglich der Lebensqualität (Psychotherapie: ES = 0,35, Pharmakotherapie: ES = 0,31). Im direkten Vergleich unterschieden sich Psychound Pharmakotherapie nicht in Bezug auf die Lebensqualität oder das Funktionsniveau, wobei die Psychotherapie nach Berücksichtigung des Publikationsbias eine Überlegenheit zeigte (bei Lebensqualität signifikant: ES = 0,21). Die Kombinationsbehandlung war in beiden Kategorien den jeweiligen Monotherapien signifikant überlegen (ES = 0,30 – 0,34) (Kamenov et al., 2017). Nebenwirkungen und Absetzeffekte Um eine Entscheidung für die Behandlung treffen zu können, sollte auch eine Kosten-Nutzen-Analyse bezüglich möglicherweise auftretender Nebenwirkungen durchgeführt werden. Diese können bei Medikamenten von Mundtrockenheit bis hin zu sexuellen Dysfunktionen (DGPPN et al., 2015) und bei Antidepressiva wie z. B. Mirtazapin oder Paroxetin auch zu einer Gewichtszunahme führen (Dent et al., 2012). Aber auch Psychotherapie kann Auslöser für mögliche Nebenwirkungen, wie z. B. die Trennung vom Partner, sein (Ladwig, Rief & Nestoriuc, 2014). Ein weiterer, häufig ungeachtet seiner Bedeutung vernachlässigter, Punkt ist ein möglicher Absetzeffekt (Tabelle 2). In ihrem systematischen Review fanden Fava, Gatti, Belaise, Guidi und Offidani (2015), dass es bei SSRI (insbesondere bei Paroxetin) in den meisten Fällen zu temporären Absetzeffekten in Form von psychischen, als auch physischen Symptomen kommt. Die Form des Ausschleichens nahm hierauf keinen Einfluss. In den meisten Fällen treten die Absetzeffekte wenige Tage nach dem Absetzen auf und dauern wenige Wochen an (Fava et al., 2015). Allerdings existieren auch Befunde, welche das Fortbestehen von Absetzeffekten bis zu einem Jahr angeben (Fava, Bernardi, Tomba & Rafanelli, 2007). Über Absetzeffekte in der Psychotherapie sind den Autoren keine Studien bekannt. Es ist aber denkbar, dass es auch im Rahmen der Psychothe-
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Tabelle 2. Absetz-Syndrom bei Antidepressiva (Trizyklische Antidepressiva, Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, Monoaminooxidase-Hemmer) nach DSM-5 (APA, 2014) T43.205A Erstes Auftreten, T43.205D Wiederholtes Auftreten, T43.205S Folgeschäden Definition
• Auftreten nach abrupter Unterbrechung oder nach deutlicher Dosisreduktion einer antidepressiven Medikation, die mindestens einen Monat lang eingenommen wurde • es kann nach der Behandlung mit Trizyklischen Antidepressiva, Serotonin-Wiederaufnahmehemmern und Monoaminooxidase-Hemmern auftreten • Symptome können durch die Wiederaufnahme der antidepressiven Medikation (mit demselben Antidepressivum oder einem mit ähnlichen Wirkmechanismus) abgemildert werden • die Symptome bestanden nicht vor dem Absetzen oder der deutlichen Dosisreduktion; die Symptome sind nicht besser durch eine andere psychische Störung erklärbar; das Antidepressivum darf vor dem Absetzen nicht zu Euphorie oder Hypomanie geführt haben
Symptome
keine pathognomonischen Symptome; z. B. Lichtblitze, Übelkeit Hyperreagibilität, Geräusche, Lichter, „elektrische Schläge“, Schwindel, Klingeln in den Ohren, Unfähigkeit zu schlafen, akute Angstzustände
Beginn
2 – 4 Tage nach dem Absetzen oder der deutlichen Dosisreduktion
Inzidenz
abhängig von Dosierung, Halbwertszeit, Geschwindigkeit der Dosisreduktion
Prävalenz
unbekannt
Verlauf
nur wenig bekannt, Langzeitstudien fehlen
Differentialdiagnosen
Angststörungen, depressive Störungen, Substanzkonsumstörungen, Medikationstoleranz nach langer Einnahmedauer
rapie zu Absetzeffekten kommen kann. Die diskutierten Wirkmechanismen bei Psychopharmaka erfahren zudem eine Neukonzeptionalisierung, die für ein verbessertes Verständnis von kurzfristigen und langfristigen Wirkungen, jedoch auch von Absetzeffekten von Relevanz sind. Hierbei wird neben der Auswirkung auf neurogenerative und neuroplastische Veränderungen auch die Interaktion der Medikamentenwirkung mit Umgebungseinflüssen, das heißt der Grad der Stimulation z. B. durch soziale Kontakte oder körperliche Bewegung, stärker in den Mittelpunkt gestellt (Rief et al., 2016). Publikationsbias Von besonderer Relevanz bei der Beurteilung der Effektivität von Behandlungsansätzen ist die Berücksichtigung des Publikationsbias. In einer Meta-Analyse von Cristea, Gentili, Pietrini und Cuijpers (2017) mit 45 RCT wurde die Effektivität von Psycho- gegenüber der Pharmakotherapie unter besonderer Berücksichtigung des Publikationsbias untersucht. Über alle Studien hinweg unterschieden sich Psycho- und Pharmakotherapie nicht in ihrer Effektivität voneinander. Betrachtet man hingegen nur Studien, die von der Industrie gefördert wurden, zeigt sich eine signi fikante Überlegenheit der Pharmakotherapie gegenüber der Psychotherapie. Auch der Unterschied zwischen von der Industrie geförderten und nicht geförderten Studien war dabei signifikant. Außerdem besteht das Problem der Verblindung bei Psychotherapiestudien, was zu einem Bias zugunsten der Psychotherapie gegenüber der Pharmakotherapie führen könnte. In einer Meta-Analyse von Cuijpers et al. (2015) wurden Studien analysiert, die entweder Psychotherapie gegenüber einer Pharmakotherapie © 2018 Hogrefe
mit oder ohne Verblindung (Placebobehandlung) verglichen. In Studien mit Verblindung waren Psycho- und Pharmakotherapie gleichermaßen wirksam. Studien ohne Verblindung führten zu einem kleinen, aber signifikanten Unterschied zugunsten der Pharmakotherapie.
Zukünftige Forschung Trotz der vielen, vor allem kurzfristigen Wirksamkeitsnachweise, gibt es Patienten, die nicht von den empfohlenen Therapieverfahren profitieren. Der Fokus zukünftiger Forschung sollte deshalb darauf liegen, die Gründe der fehlenden kurzfristigen und langfristigen Wirksamkeit bei diesem Teil der Patienten besser zu verstehen. In verschiedenen Studien wurde bereits versucht Prädiktoren, Moderatoren und Mediatoren für einen Therapieerfolg zu identifizieren (Chekroud et al., 2016; Fournier et al., 2009). Da die Subgruppen dieser Studien jedoch von geringer Größe sind, ist es schwer bestimmte Muster in den vorliegenden Daten zu erkennen (Weitz, Kleiboer, van Straten, Hollon & Cuijpers, 2017). Diesem Problem wollen Weitz et al. (2017) durch eine geplante Meta-Analyse auf Individualebene gerecht werden und so ein besseres Verständnis bekommen, welche Patienten stärker von einer Kombinationsthera pie oder den jeweiligen Monotherapien profitieren. Dabei werden sowohl klinische, als auch demographische Daten analysiert, die in bisherigen RCT als Prädiktoren für Therapieerfolg bzw. -misserfolg identifiziert wurden (Schwere der depressiven Symptomatik bei Baseline, psychiatrische Komorbidität, Angstsymptome, Anzahl bisheriger Episoden, Dauer der depressiven Episode, globales Funktions-
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niveau, bisherige Erfahrungen mit der Behandlung der Depression, Familienstand, berufliche Situation, Bildung, Alter). Die Idee der personalisierten Medizin in der Depressionsforschung ist jedoch nicht neuartiger Natur. So unternahmen Barber und Muenz (1996) bereits vor über 20 Jahren Anstrengungen auf Basis eines Datensets einen „matching factor“ anhand klinischer und demographischer Variablen zu berechnen, um die Wahl der Therapiemethode an die Eignung eines Patienten für eine KVT oder IPT anpassen zu können. Auch DeRubeis et al. (2014) berechneten auf Grundlage eines bestehenden Datensets retrospektiv anhand klinischer und demographischer Variablen einen „Personalized Advantage Index“, um zu entscheiden, ob ein Patient mehr von einer KVT oder einer antidepressiven medikamentösen Therapie profitiert hätte. Prospektive Studien in diesem Bereich stehen aber bislang noch aus. Zukunftsweisend sind bereits existierende Applikationen, die anhand bestimmter klinischer und demographischer Variablen das für den Patienten mit höchster Wahrscheinlichkeit wirksamste Antidepressivum berechnen und dem Behandler mitteilten (Chekroud & Krystal, 2015; Gueorguieva et al., 2017). Solch einem Programm liegt ein, durch Methoden des Maschine Learnings entwickeltes, Modell zugrunde. Außerdem wären neben der Erforschung von Prädiktoren für den individuellen Therapieerfolg auch Untersuchungen für ein verbessertes Verständnis über Wirkfaktoren der Psycho- und Pharmakotherapie zu empfehlen.
Fazit Die aktuelle Studienlage deutet darauf hin, dass bei Depression Psycho- und Pharmakotherapie sowie die Kombinationsbehandlung kurzfristig wirksamer als ein Placebo sind. Psycho- und Pharmakotherapie sind kurzfristig zwar vergleichbar wirksam, jedoch der Kombinationsbehandlung unterlegen. Zur kurzfristigen Wirksamkeit der Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe sind die Befunde nicht eindeutig, deuten aber auch hier auf eine vergleichende Wirksamkeit von Psycho- und Pharmakotherapie hin. Die langfristig beste Wirksamkeit bietet nach derzeitigem Wissensstand die Kombinationstherapie und Psychotherapie im Vergleich zur alleinigen Pharmakotherapie bis zu zwei Jahren nach Absetzen der Therapie. Die Studienlage ist hier jedoch noch unzureichend und erlaubt keine Aussagen über einen darüber hinausgehenden Zeitraum. Auch bei chronischen Depressionen scheint die Kombinationstherapie sowohl kurz- als auch langfristig den jeweiligen Monotherapien überlegen. Im partizipativen Entscheidungsprozess mit dem Patienten sollten unbedingt die kurz-und langfristigen Wirksamkeitsnachweise der
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zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen, mögliche Nebenwirkungen und Absetzeffekte thematisiert werden.
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Barbara Barton, M.Sc. Psychologin Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Klinikum der Universität München Nußbaumstr. 7 80336 München Deutschland barbara.barton@med.uni-muenchen.de
CME-Fragen 1. Laut einer Meta-Analyse von Cuijpers et al., 2011 ist bei der Behandlung der Dysthymie folgende antidepressive Behandlung am wirkungsvollsten a. Alleinige Pharmakotherapie b. Alleinige Psychotherapie c. Kombination aus Psycho-und Pharmakotherapie d. Aktives Abwarten 2. Welche Therapieverfahren bieten nach aktuellem Wissenstand die beste langfristige Wirksamkeit? a. Kombination aus Psycho- und Pharmakotherapie b. Alleinige Pharmakotherapie c. Kombination aus Psycho- und Pharmakotherapie und Psychotherapie d. Alleinige Psychotherapie 3. Welches psychotherapeutische Verfahren ist derzeit am besten zur Rezidivprophylaxe untersucht? a. DBT b. KVT c. MBCT d. CBSAP
4. Welche Kriterien sind einer Untersuchung von Zimmerman et al. (2006) zufolge die wichtigsten Kriterien für Therapieerfolg aus Sicht der Patienten? a. Symptomreduktion b. Optimismus und Selbstbewusstsein, und das Erreichen der gewöhnlichen, alltäglichen Funktionalität c. Keine Nebenwirkungen zu haben d. Kurze Therapiedauer 5. Nach welcher Zeit beginnt nach DSM-5 das Absetzsyndrom? a. Unmittelbar nach Absetzen des Medikaments b. Unmittelbar nach einer Dosisreduktion c. Innerhalb der ersten 24 Stunden d. 2 – 4 Tage nach Absetzen des Medikaments / der Dosis reduktion
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Um Ihr CME-Zertifikat zu erhalten (min. 3 richtige Antworten), schicken Sie bitte den ausgefüllten Fragebogen mit einem frankierten Rückumschlag bis zum 14.02.2018 an die nebenstehende Adresse. Später eintreffende Antworten können nicht mehr berücksichtigt werden.
Dr. Ulrike de Vries ZKPR Universität Bremen Grazer Str. 6 28359 Bremen Deutschland
Fortbildungszertifikat Die Ärztekammer Niedersachsen erkennt hiermit 2 Fortbildungspunkte an.
«Kurz- und langfristige Wirksamkeit von Psychotherapie bei Depression im Vergleich zu medikamentöser Therapie»
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Die bewährte Einführung in die Statistik
Rainer Leonhart
Lehrbuch Statistik Einstieg und Vertiefung 4., überarb. und erw. Aufl. 2017. 864 S., 148 Abb., 209 Tab., Gb € 52,95 / CHF 69.00 ISBN 978-3-456-85797-8 Auch als eBook erhältlich
Die vierte, überarbeitete und erweiterte Auflage stellt in klarer Form die relevanten Themen der Statistik vor. Nach einem einleitenden Kapitel zu häufig auftretenden Problemen der statistischen Auswertung werden nach der Definition von Messung die Deskriptive Statistik und die grafische Darstellung von Daten vorgestellt. Die Schließende Statistik wird mit einfachen parametrischen und nicht-parametrischen Verfahren eingeführt. Anschließend werden nach der Erläuterung verschiedener Korrelationskoeffizienten die einfache und multiple Regression sowie Mediator- und Moderatoranalysen besprochen. Die Varian-
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zanalyse als eines der wichtigsten statistischen Verfahren in der psychologischen Forschung wird ausführlich dargestellt, und die Faktorenanalyse, die Clusteranalyse, die Analyse von Strukturgleichungsmodellen und andere multivariate Verfahren werden intensiv behandelt. Das Buch wird mit Kapiteln über Effektgrößen, die Auswertung am PC und zur Durchführung und Darstellung von Studien abgerundet. Rainer Leonhart lehrt seit 2008 als Akademischer Rat an der Universität Freiburg, Abteilung für Sozialpsychologie und Methodenlehre.
Themenschwerpunkt
Psychotherapie bei Depressionen im Alter Psychotherapy of late life depression Martin Hautzinger Eberhard Karls Universität, Tübingen
Zusammenfassung: Begründung, Notwendigkeit, Ansatzpunkte, Möglichkeiten, Vielfalt und Nutzen von Psychotherapie mit älteren depressiven Patienten werden dargestellt. Damit soll illustriert werden, welche theoretischen Grundlagen lassen sich nutzen, welche psychotherapeutischen Ansätze gibt es, welche Wirksamkeit darf erwartet werden. Insbesondere die Kognitive Verhaltenstherapie, die Problemlösetherapie und die Lebensrückblicktherapie zeichnen sich durch klinische Bewährung und empirische Belege für verschiedene Indikationsbereiche psychischer Störungen, insbesondere depressiver Störungen aus. Für die Interpersonelle Psychotherapie sind die empirischen Evidenzen bislang nicht überzeugend. Für psychodynamische Psychotherapie lässt sich wenig konkret sagen und empirische Wirkbelege fehlen. Wir schlussfolgern, dass Psychotherapie bei Altersdepressionen möglich und erfolgreich ist. Alter ist nicht länger eine relevante Variable, um Psychotherapie depressiven Patienten vorzuenthalten. Schlüsselwörter: Altersdepression, Kognitive Verhaltenstherapie, Lebensrückblicktherapie, Interpersonelle Psychotherapie, Problemlöse therapie Abstract: This paper focuses on theoretical background, treatment rationales, possibilities, variaties, and benefits of psychotherapy of late life depression. We ask which basic principles can be differentiated, what theoretical rationales are helpful, and what kind and forms of psychotherapy are available to treat depression. Based on relevant references and research, clinically relevant and evidence-based psychotherapies are described, to understand their goals, their procedure and main strategies. Cognitive Behavior Therapy, Problem-solving Therapy, Life Review Therapy, Interpersonal Psychotherapy are available to treat various psychological problems, in particular depressive disorders in late life. Only Cognitive Behavior Therapy, Problem-solving Therapy, and Life Review Therapy are evidence based and empirically validated. Evidence for Interpersonal Psychotherapy is mixed and for Psychodynamic Psychotherapy is missing. Psychotherapy with old and very old patients suffering of depression is possible, well received, and successful. Age per se is no longer considered to be a relevant variable for indication of psycho therapy. Keywords: Depression, cognitive behaviour therapy, life review therapy, interpersonal psychotherapy, problem solving therapy
Radebold (1994) hat mehrfach Besonderheiten der Psychotherapie mit älteren Patienten herausgearbeitet. Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen ergeben sich dadurch, dass die meist jüngeren Psychotherapeuten mit ihren eigenen Elternerfahrungen, ihren „kindlichen“ Gefühlen, ihrer Abwehr gegenüber der politisch-historischen Dimension der Biografie Älterer und ihrer Angst vor dem eigenen Altern den älteren Patienten begegnen. Die Beziehung ist zudem häufig von eklatantem Unwissen über die psychosoziale Situation alter Menschen und durch normative Rollenzuschreibungen geprägt. Ältere Patienten werden gelegentlich als wenig „ideal“, ja geschäftsschädigend für die eigene Praxis angesehen. Die Ur sachen der psychischen Erkrankungen werden bei älteren Patienten viel eher in organischen und irreversiblen Faktoren gesehen als bei jüngeren Patienten. Entsprechend wird unberechtigter Weise angenommen, © 2018 Hogrefe
dass die Erfolgsprognose schlecht sei, da selbst erworbene Muster als so überlernt angesehen werden, dass eine Ver änderung in der verbleibenden Lebenszeit nicht mehr g elingen kann. Trotz inzwischen vorliegender gerontologischer Forschungsergebnisse (z. B. Kruse, 1998; Mayer & Baltes, 1996; Staudinger & Häfner, 2008) zur fortbestehenden Kompetenz und Plastizität im Alter gelingt eine Abkehr vom Defizitmodell des Alterns nur langsam. Dabei sind es nicht nur die Kliniker, die den überholten Vorurteilen anhängen, auch viele ältere Menschen wissen von den Möglichkeiten nichts oder wollen davon nichts wissen. Trotz der Bereitschaft von Psychotherapeuten, ältere Patienten zu behandeln, suchen diese nicht um die verfügbaren Möglichkeiten nach (Zank & Niemann-Mirmehdi, 1998) bzw. werden von ihren Primärärzten (Hausärzten) nicht aufgeklärt und überwiesen.
Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2018), 66 (1), 31–40 https://doi.org/10.1024/1661-4747/a000337
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Grundprinzipien erfolgreicher Psychotherapie mit älteren Patienten Für das psychotherapeutische Arbeiten mit älteren Pa tienten wurden wiederholt (Hirsch, 1999; Lewinsohn, Teri & Hautzinger, 1984; Maercker, 2015) Grundprinzipien und Merksätze formuliert, die berücksichtigt werden sollten, damit Psychotherapie gelingen kann: yy Probleme älterer Patienten sind immer multiple. Diese Vielschichtigkeit psychischer, sozialer, physischer und umweltbedingter Einflüsse gilt es zu berücksichtigen. yy Wer mit älteren Patienten arbeitet, sollte mit dem Phänomen des Alterns vertraut sein. Biologische, soziologische und psychologische Faktoren des Alterns gilt es zu kennen, damit psychopathologische Prozesse von normalen Entwicklungsvorgängen im Alter unterschieden werden können. yy Positive, doch realistische Erwartungen gilt es, in die Arbeit einzubringen, stereotype und negative Haltungen gegenüber alten Menschen zu entdecken und korrigieren. yy Dem Prinzip der minimalen Intervention verpflichtet sein. Es geht darum, möglichst wenig Abhängigkeit entstehen zu lassen und die Eigenständigkeit möglichst lange zu erhalten. yy Einbezug von und Koordination mit anderen Hilfen, Institutionen und Personen. Dabei sollte dies gemeinsam geplant und organisiert werden. yy Die Arbeit mit den Angehörigen und dem sozialen Umfeld älterer Menschen ist wichtig und wesentlich. Therapeuten sind wichtige Hilfs- und Informationsquellen für Patienten und Angehörige. yy Ziel von Interventionen sollte immer die Stärkung und Erhaltung von Ressourcen, also das Ansetzen und der Ausbau erhaltener Fertigkeiten sein. yy Psychotherapie (depressiver) älterer Menschen sollte immer strukturiert, zeitlich begrenzt, dennoch längerfristig (wiederholend) ausgerichtet sein. yy Die Behandlung sollte auf präventive, vorbeugende Maßnahmen gerichtet sein. Patienten sollten die erworbenen Lösungsstrategien für spätere Krisen und Belastungen parat haben.
Theoretische Konzepte und Begründungen Das Modell der Selektiven Optimierung mit Kompensation Dieses Metamodell erfolgreichen Alterns (Baltes & Carstensen, 1996; Schulz & Heckhausen, 1996) formuliert drei konstituierende Komponenten erfolgreicher Anpassung an Lebensveränderungen, Belastungen und Älterwerden: Selektion, Optimierung und Kompensation (SOK):
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yy Selektion bezieht sich auf die Auswahl bzw. Veränderung von Zielen und Verhaltensbereichen; yy Optimierung bezieht sich auf Stärkung und Nutzung vorhandener, zielrelevanter Handlungsmittel und Ressourcen; yy Kompensation zielt auf die Schaffung, das Training und die Nutzung neuer Handlungsmittel. Im Kontext des Alterns ergibt sich Selektion von Zielen und Verhaltensbereichen aus den Entwicklungsaufgaben des Alterns, aus der antizipierten bzw. bereits manifesten Ressourcenverringerung, was Auswahl, Verzicht und Abbau bedeuten kann. Selektion erfordert also eine Neuanpassung der Standards, der Ziele und der Erwartungen. Kompensation wird dann erforderlich, wenn Fähigkeiten und Fertigkeiten ganz oder teilweise verloren gehen, damit verbundene Ziele jedoch beibehalten werden sollen. Es muss dann nach anderen, neuen Wegen zur Zielerreichung gesucht werden. Kompensation meint daher die Schaffung und Nutzung neuer Fertigkeiten, Handlungsweisen, Ressourcen und Hilfsmittel. Optimierung bezieht sich auf die Stärkung und Verfeinerung von Ressourcen und Handlungsmitteln. Damit wird angedeutet, dass ältere Menschen sich noch entwickeln können, noch Ziele haben, noch zu Handlungen in der Lage sind, die eine Aktivierung und Stärkung körperlicher und geistiger Fähigkeiten bewirken und so eine quantitative und qualitative Bereicherung ermöglichen. Um zur Optimierung fähig zu sein, bedarf es jedoch einer angereicherten, fördernden Umwelt und der Bereitstellung von Möglichkeiten. Der fortschreitende Prozess der Erschöpfung der Ressourcen macht zum einen eine zunehmend feinere Abstimmung und Zusammenwirken von selbstgesteuerter Selektion, Kompensation und Optimierung nötig, zum anderen erlaubt das Modell Ansatzpunkte für Hilfen und Intervention bei notwendigen Selektions-, Optimierungs- und Kompensationsprozessen im Alter.
Ansatzpunkte für psychologische Interventionen nach dem SOK-Modell Hilfen bzw. Interventionen zur Selektion werden notwendig, wenn z. B. Verlust von Sozialpartnern, Ausscheiden aus dem Berufsleben, Funktionsverluste, körperliche Gebrechen oder Behinderungen eintreten. Das gilt ganz besonders dann, wenn ältere Menschen ihre bisherige Lebenswelt aufgeben, um in einer Alteneinrichtung weiter zu leben. Selektion erfordert motivationale Bereitschaft, kognitive Flexibilität und Handlungsorientierung. Hilfreich sind vor allem kognitive Methoden, Unterstützung und Solidarität durch ähnlich Betroffene sowie Reminiszenz-
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therapie, also Lebensrückblicke, Trauerarbeit, Ablösungshilfen. Optimierung zielt auf die Gestaltung der Umwelt, indem durch eine Verbesserung bzw. den Einsatz von Hilfsmitteln Handlungs-, Entscheidungs- und Kontrollspielräume erhalten bleiben. Die Interventionen zur Verbesserung bzw. Schaffung von Optimierungsprozessen richten sich vor allem auf die physikalische Umwelt (z. B. Gestaltung des Wohnraums, des Treppenhauses, altengerechtes Wohnen usw.), den Einbezug von Diensten und Serviceleistungen (z. B. Essensdienste, Pflegedienste, Einkaufshilfen), der Familie, der Partner und der Gemeinde. Psychologische Interventionen zur Kompensation beruhen auf Überlegungen, die in der Gerontologie als „Plastizitätsthese“ oder als „Inaktivitätsatrophie-Annahme“ bekannt sind. Diese Konzepte besagen, dass der Gebrauch von Fähigkeiten zu ihrer Entwicklung beiträgt, der Nichtgebrauch führt hingegen zur Verkümmerung. Die gerontologische Interventionsforschung hat gezeigt, dass die meisten älteren Menschen eine beträchtliche mentale Reserve besitzen, die durch Übung und Lernen aktiviert werden kann. Durch Gebrauch, Übung und Training lassen sich in jeder Altersgruppe (also auch bei Älteren) Fähigkeiten und Fertigkeiten steigern; fehlt dieser Gebrauch, lassen die Fähigkeiten nach. Die Interventionsforschung (Baltes & Lindenberger, 1989; Hautzinger, 2016) hat solche Effekte für die verschiedensten Bereiche nachgewiesen: Intelligenz, Gedächtnis, soziale Kompetenz, Sexualverhalten, Aktivitäten des Alltagslebens, Depressionen, chronische Krankheiten, Ängste, Schlafstörungen usw. Durch Training einzelner Kompetenzen wie z. B. Sprechen, Kochen, Einkaufen, Benutzung der Verkehrsmittel, selbstständiges Wohnen, Stressbewältigung, Entspannung, Tagesplanung, Verbes-
serung der sozialen Fertigkeiten usw. lassen sich Defizite ausgleichen, Hemmungen überwinden, neue Bewältigungsfertigkeiten bereitstellen und so den Tätigkeitsspielraum erweitern bzw. optimieren.
Das Verstärkerverlust Modell Zunächst unabhängig von gerontopsychologischen Überlegungen hat Lewinsohn (1974) ein verhaltenstheoretisches Modell für depressive Störungen entwickelt (Abb. 1), das von Gallagher und Thompson (1981) auf den geriatrischen Bereich übertragen und erfolgreich bei Altersdepressionspatienten angewandt wurde. Ausgangspunkt dieser Überlegungen waren die negativen Veränderungen, die unweigerlich auf alle älter werdende Menschen zukommen: Verlust von Funktionen, Rollen, Aufgaben und Struktur, soziale, körperliche, finanzielle und ökonomische Einschränkungen, chronische Erkrankungen, Verarmung des sozialen Kontaktnetzes und Stützsystems, Verluste bedeutsamer Partner, Unterbrechung von Handlungsplänen, gleichförmige Stimulus Situation, Abnutzung der verbliebenen Verstärker, Verlust von Perspektive und Möglichkeiten. Dies alles bei geringer bzw. keiner Kontrolle über diese Veränderungen. Depressives Verhalten entsteht als Folge einer geringen Rate (verhaltenskontingenter) positiver Verstärkung und einem Übermaß an belastenden, aversiven Erfahrungen. Die Rate an positiver Verstärkung wird von drei Einflussgrößen bestimmt: 1. Anzahl und Funktion potenziell verstärkender Ereignisse, 2. Menge verfügbarer bzw. zugänglicher, alternativer Verstärker,
Depressive Symptomatik
Menge verstärkender Ereignisse
Erreichbarkeit von verstärkenden Ereignissen
Defizite im Verhalten, von Ressourcen, Fertigkeiten
Niedrige Rate positiver Verstärkung
verbal, nonverbal, vegetativ, affektiv, motivational, kognitiv, behavioral, interaktional
Abbildung 1. Verstärkungstheoretisches Depressionsmodell. © 2018 Hogrefe
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3. Repertoire instrumenteller (Bewältigungs-) Fertigkeiten. Das auf diese Weise entstehende depressive Verhalten wird häufig zumindest kurzfristig durch Zuwendung (positive Verstärkung) und den Wegfall unangenehmer Bedingungen (Entlastung) (negative Verstärkung) stabilisiert. Mit diesem „Verstärkerverlust“-Modell werden Lebensbedingungen älterer Menschen passend beschrieben, gut analysierbar und die Entwicklung depressiver Störungen im Alter verständlich: Belastungen nehmen zu, Verstärker werden weniger zugänglich bzw. gehen ganz verloren, die Menge verstärkender Erfahrungen sinkt, fehlende Kontrolle über diese Veränderungen, Fertigkeitsdefizite bestehen bzw. werden deutlich.
Das kognitive Modell der Depression Das kognitive Modell (Beck, 1974) ergänzt das Verstärkerverlust Modell und postuliert, dass sich Depressionen dann entwickeln, yy wenn Belastungen und persönlich wichtige Ereignisse als unkontrollierbar erlebt werden, yy diese Nichtkontrolle als dauerhaft angenommen, yy dem persönlichen Versagen angelastet und yy zukünftig die eigene Hilflosigkeit angenommen bzw. erwartet wird. Es ist also nicht (nur) die (objektiv) mangelnde Kontrolle, sondern die subjektive Verarbeitung im Sinne einer internalen, globalen und stabilen Kausalattribution negativer Ereignisse, die motivational, emotional, somatisch-vegetativ und kognitiv blockierend wirkt und somit
depressive Auswirkungen hat. Dabei kommt es im weiteren Verlauf dazu, dass sich entsprechende Erwartungshaltungen herausbilden, die dann auf neue Situationen und Ereignisse voreilig und unberechtigt angewandt werden. Dysfunktionale Überzeugungen, wenig Selbstwert dienliche Ursachenzuschreibungen, Schwarz-Weiß Denken, überhöhte Erwartungen und Ansprüche, Übergeneralisierungen, voreilige Schlussfolgerungen, einseitige und verzerrte Wahrnehmungen, also Prozesse der Informationsverarbeitung stellen die entscheidenden Mediatoren für die Entwicklung einer Depression dar (Abb. 2). Beck (1974) stellt vor allem die lebensgeschichtliche Dimension der relevanten kognitiven Schemata heraus, die sich als automatische Gedanken in konkreten Zusammenhängen des Alltags zeigen. Über die Analyse und die Korrektur der situationsnahen automatischen Gedanken zeigen sich allmählich überdauernde Grundüberzeugungen und Anspruchshaltungen einer Person, die dann zum Gegenstand der Therapie gemacht werden müssen.
Ziele einer Psychotherapie mit Älteren Erfolgreiche Psychotherapien bei depressiven Störungen im Alter (vgl. Hautzinger, 2016) setzen an den genannten kritischen Punkten an. Ziele psychologischer Intervention reichen von der Etablierung kurzfristiger Maßnahmen (wie Krisenintervention, unmittelbare Unterstützung, Aktivierung von Hilfsdiensten, Motivierung) über informierende und koordinierende Maßnahmen (wie Aufklärung, Planung und Versorgung mit Möglichkeiten der Hilfe im Alltag) bis hin zu mittel- und längerfristigen psychotherapeutischen Maßnahmen in Form von Einzel- und Gruppen-
Dysfunktionale Schemata, negativ verzerrte Grundüberzeugungen, Prägungen, Werte, Attributionsstil
Ereignisse, interne und externe Auslöser
Automatische Gedanken: verzerrt, absolutistisch, moralisch, generalisierend, misserfolgsorientiert
Depressive Symptome
Abbildung 2. Kognitives Depressionsmodell. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2018), 66 (1), 31–40
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therapien, innerhalb und außerhalb von Institutionen. Dadurch werden selektive und kompensatorische Prozesse initiiert, Ressourcen und Handlungsräume wieder zugänglich, dysfunktionale Kognitionen korrigiert, Tätigkeitsund Handlungsmöglichkeiten optimiert, Unterstützung und soziale Kontakte verfügbar gemacht.
Themen einer Psychotherapie für ältere depressive Menschen Stichwortartig lassen sich die typischen Themen und Inhalte einer Psychotherapie zusammenfassen, wobei nicht in jedem Fall alle Bereiche erforderlich sind: yy Einführung, Psychoedukation, Information yy Depressionsspirale, psychologisches Verständnis der Depression yy Lebensrückblick, Reminiszenz yy Problem- und Zielanalyse, Stimmungs- und Tagesplan yy Angenehme Tätigkeiten und ihre Auswirkungen auf die Stimmung yy Planung angenehmer Tätigkeiten, Wochenplan, Neustrukturierung yy Angenehme Tätigkeiten und Kontrolle über Befinden, Tätigkeitsprotokoll yy Negative und positive Gedanken beeinflussen die Stimmung yy Gedankenkontrollen: Techniken zur Reduktion negativer Gedanken yy Ereignis-bewertende Gedanken-Gefühle Schema, Umstrukturierung yy Soziales Verhalten und Befinden, soziale Kompetenz im Alltag yy Lernen von Selbstsicherheit und sozialen Fertigkeiten yy Neue Kontakte knüpfen, Beziehungen gestalten yy Beibehalten der Fortschritte, Erfolgssicherung, Krisenund Notfallplan
Kognitive Verhaltenstherapie Kognitive Verhaltenstherapie (Hautzinger, 2013; 2016) mit älteren (depressiven) Menschen ist als Versuch zu ver-
Angehörige Familie Medien Gruppe
Psychotherapien zu Behandlung depressiver Störungen
Interper sonelle Psychotherapie
Einzel
Es liegen unterschiedliche Psychotherapien für Depressionen im Alter vor: Reminiszenztherapie („Life Review Therapy“), die Interpersonelle Psychotherapie, die psychodynamische Psychotherapie, die Problemlösetherapie und vor allem die Kognitive Verhaltenstherapie. Moderne Konzepte der Psychotherapie von Depressionen (Hautzinger, 2016) integrieren heute Aspekte unterschiedlicher theoretischer Grundlagen und überwinden die Grenzen im konkreten Vorgehen zwischen den therapeutischen Richtungen, indem sie einem problemorientierten und zielbezogenen Vorgehen Platz machen. © 2018 Hogrefe
Psychotherapie kann als individuelle bzw. Einzeltherapie, als Gruppentherapie und heute zunehmend auch über die modernen Medien vermittelte Intervention (Telefon, Internet, E-Mail, Smartphone, Tablets usw.) angeboten und durchgeführt werden. Psychotherapie kann und sollte zur Akutbehandlung, zur Erhaltungstherapie und zur Rückfallprophylaxe in Ambulanzen und Praxen, in Kliniken und Tageskliniken ebenso wie in Reha-Einrichtungen, Wohn- und Pflegeeinrichtungen durch geschultes Personal angeboten und eingesetzt werden. Unter fachlicher Anleitung durch Ärzte bzw. Psychologen können dabei auch Berufsgruppen der Pflege, der Sozialarbeit, der Beratung, der Ergo- und Physiotherapie bestimmte Interventionen durchführen. Wir haben mit Fachkrankenschwestern (bei Parkinsonerkrankungen) und mit Pflegeberatern, sofern diese regelmäßig durch Psychotherapeuten supervidiert und betreut werden, gute und für die Patienten positive Erfahrungen zur Überwindung depressiver Komorbidität gemacht. In Kliniken der Inneren Medizin (Diabetes, Herz-Kreislauf Erkrankungen), der Neurologie (Parkinson, Apoplex), der Onkologie, der Ophthalmologie, der Orthopädie und der Rehabilitationsmedizin bedürfen die häufig begleitend auftretende Depressionen der Beachtung und bereits während des stationären Aufenthalts bzw. unmittelbar danach der psychologischen und psychotherapeutischen Behandlung.
Problem lösetherapie Kognitive Verhaltens therapie
Kliniken (Geriatrie)
Psycho dynamische Therapie
Reminiszenz Lebensrückblick
Betreutes Wohnen, Heim Aufsuchende Psychotherapie
Rehabilitation amb., stat. Ambulanz, Praxen
stationär, teil stationär
Abbildung 3. Formen und Arbeitsmöglichkeiten von Psychotherapie im Alter.
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stehen, durch den Einsatz einer Reihe von therapeutischen Methoden an den jeweils individuellen Problemen und depressogenen Bedingungen mit einer konkret formulierten Zielsetzung verändernd zu wirken, den Handlungsspielraum zu erweitern und dabei die erwähnten Prozesse der Selektion, der Optimierung und der Kompensation zu berücksichtigen. Es ergeben sich daher folgende, je nach Person variierende Ziele: yy Erwartungen, Ansprüche, Wünsche den Lebensbedingungen (körperlicher Verfassung, Behinderung) anpassen und realistisch gestalten; yy Bearbeiten und Aufgeben alter Enttäuschungen, Hoffnungen, Verletzungen. yy Depressionsfördernde Bedingungen in der Lebens- und Alltagswelt der älteren Menschen (wie z. B. Isolation, ungünstige Wohn- und Lebensbedingungen) beseitigen; yy Sozialpartner, die Familie mit in die Behandlung einbeziehen. yy Patienten kontingent auf aktives, nicht-depressives Verhalten verstärken, um so Verhaltensweisen der Patienten, die im Sinne von Verhaltens- und Ressourcendefiziten depressionsfördernd sind, zu korrigieren und durch situationsangemesseneres Verhalten zu ersetzen; yy Verhaltensübungen, Realitätstesten durchführen. Aktives, die Umwelt (wieder) kontrollierendes Verhalten aufbauen bzw. wieder freilegen; yy dysfunktionale, wenig hilfreiche, resignative Kognitionen (Einstellungen, Annahmen, Haltungen) abbauen und durch konstruktivere, selbstwertdienlichere ersetzen; yy Verstärkung von passivem, vermeidendem, depressivem Verhalten abbauen. Das konkrete Vorgehen lässt sich – nach der Phase der Diagnostik, der Problem- und Zielanalyse – unterteilen in die mögliche Anwendung folgender Methoden und Techniken: yy Passivität und Inaktivität überwinden durch Aktivierung, Steigerung verstärkender Erfahrungen, Reduktion aversiver Alltagserfahrungen, Tagesstrukturierung. yy Sicherer und kompetenter werden durch Vermehrung und Verbesserung der sozialen Kontakte, Überwindung von Fertigkeitsdefiziten, Einüben von Verhaltensweisen, Bearbeitung familiärer Konflikte, Verbesserung der familiären bzw. partnerschaftlichen Interaktionen. yy Weniger pessimistisch, negativ denken durch Herausarbeitung der automatischen Gedanken, Evidenzüberprüfung der automatischen Gedanken, Ersetzen der unberechtigten automatischen Gedanken durch hilfreichere, angemessenere, positivere Kognitionen, Erkennen und Korrigieren von Überzeugungen, Einstellungen.
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yy Vergangenes besser bewältigen durch „Lebensrückblick“; den Lebensweg, die ursprünglichen Ziele, das Erreichte, doch auch das nicht Erreichte herausarbeiten, besprechen, worauf man stolz sein kann, Veränderungen, die ohne eigenes Wollen erforderlich wurden herausstellen, Unerwartetes, Unverhofftes benennen. yy Reale Schwierigkeiten bewältigen durch Dienste der Gemeinde, Aufbau eines Versorgungs- und Unterstützungssystems. yy Vorbeugen und selbstständiges Anwenden der in der Therapie gemeinsam erarbeiteten Zusammenhänge, der Bewältigungsmöglichkeiten, der Hilfsmittel zur Problemlösung, der Veränderungstechniken, verwenden der Protokolle und Übungen. yy Bei Krisen und schlechten Phasen diese Methoden wieder hervorholen, selbstständig einsetzen, rechtzeitig, dann oft nur kurz um Hilfe nachsuchen als zu lange bis zur massiveren Verschlechterung zu warten.
Lebensrückblick (Reminszenz, Life Review Therapy) Für die psychotherapeutische Arbeit mit älteren (depressiven) Patienten ist der Einbezug der Lebensgeschichte bzw. der Lebensrückblick ein zentrales Element (Forstmeier & Maercker, 2008). Diesem Lebensrückblick kommt der Charakter eines allgemeinen Wirkfaktors bei der Psychotherapie mit älteren Patienten zu (Rabaioli-Fischer, 2015). Ziele des Lebensrückblicks sind: yy Lebensbilanz, um eine ausgewogene Bilanzierung positiver und negativer Erinnerungen zu fördern. Idealerweise sollten die positiven Erinnerungen (Erfolge, schöne Erlebnisse, glückliche Momente, erfreuliche Kontakte) gegenüber den negativen (Verluste, Misserfolge, Traumata) überwiegen. yy Sinnfindung, indem negativen Erfahrungen bzw. Erlebnis nachträglich ein Sinn gegeben wird, eine traumatische Erfahrung (z. B. Tod des Partners, berufliche Misserfolge) angenommen und akzeptiert werden kann. yy Gedächtniskonsolidierung zu ermöglichen, indem über traumatische Erfahrungen (z. B. Flucht, Krieg, Gewalt) gesprochen und die Erinnerungen (detailliert, konfrontativ) elaboriert werden, so dass schließlich eine erinnerbare, eine erzählbare und emotional weniger aufregende Geschichte daraus wird. Der Lebensrückblick kann parallel zu anderen therapeutischen Maßnahmen oder konzentriert über einige Sitzungen sowohl im Rahmen der Gruppen- als auch der Einzeltherapie erfolgen. Ideal ist es, wenn Patienten zu den Sitzungen persönliche Erinnerungsgegenstände (z. B. Fotos, Briefe) mitbringen. Es hat sich außerdem bewährt, Pa-
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tienten zu bitten im Anschluss ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben. Wesentlich ist, dass der Lebensrückblick nicht nur aus Fakten und einer Aufreihung von Ereignissen besteht, sondern vor allem um die „Bedeutung“ (damals, heute) bestimmter Erfahrungen. Als Einstieg bzw. Begründung bietet sich an, Patienten über die Ziele des Lebensrückblicks zu informieren oder mit einfachen Worten zu erläutern: „Erinnerungen an die Kindheit und frühere Lebensabschnitte verschaffen den meisten große Freude und versetzen einen in gute Stimmung. Dies hilft sich mit Problemen zu befassen und hindurch zu steigen bzw. zu überwinden. Das Leben der meisten Menschen ist sehr interessant, daher bitte ich Sie in den nächsten Sitzungen ein paar (positive, negative) Erfahrungen (Geschichten) aus Ihrem Leben zu erzählen“. Typischer Weise folgt der Lebensrückblick der chronologischen Abfolge der Lebensabschnitte, also Kindheit bis zum Schuleintritt, Grundschulzeit bis 12. Lebensjahr, Jugendalter, Erwachsenenalter bis 30. Lebensjahr, Ausbildung und Beruf (Beginn des Arbeitslebens), Partnerschaft und Familie, Erwachsenenalter und Arbeitsleben, Kinder und deren Erwachsen werden, Ausscheiden aus Beruf und Rentenalter bis heute. Besondere und belastende Ereignisse, die zuvor schon bekannt sind, werden in die jeweilige Lebensphase eingeordnet. Die Arbeit am und mit dem Lebensrückblick bietet für die Arbeit mit älteren Patienten viele Vorteile. Damit gelingt es rasch und gut eine positive, emotionale und vertrauensvolle therapeutische Beziehung zu gestalten. Es werden Verletzungen, unbewältigte, noch immer belastende Themen deutlich, die sich dann in Vermeideverhalten, dysfunktionalen Denkmustern und Schemata sowie Verhaltensdefiziten manifestieren. Damit gelingt der Bogen zur Problemanalyse und den verschiedenen Therapiemodulen.
Interpersonelle Psychotherapie Interpersonelle Psychotherapie im höheren Lebensalter (IPT-LL – Miller et al., 2001) legt den Arbeitsfokus auf zwischenmenschliche Konflikte, misslingende soziale Interaktionen, Trennungs- und Verlusterfahrungen (Trauer und Rollenwechsel) bedeutsamer Sozialbeziehungen. Derartige interpersonelle Konflikte bzw. Krisen begünstigen psychische Störungen und psychopathologische Entwicklungen. Es werden drei Therapieabschnitte vorgegeben: Auseinandersetzen mit der Depression (Aufklärung, Krankenrolle, Symptommanagement), Arbeit an zwischenmenschlichen Problembereichen und Vorbereitung auf das Therapieende. Das Vorgehen der IPT-LL ist emotions- und problembezogen. Die IPT-LL wird den Bedürfnissen älterer Menschen besonders gerecht, da sie die ge© 2018 Hogrefe
wordene Persönlichkeit akzeptiert und nicht zum Gegenstand therapeutischen Handelns macht. Die IPT-LL zeichnet sich durch eine hohe Strukturiertheit, eine aktive und unterstützende TherapeutenrolIe sowie durch multiprofessionelle Zusammenarbeit aus. Als generelle Therapieregeln gelten: Wertschätzung, Verstärkung, Akzeptanz von Grenzen und von realistischen Altersproblemen. Wichtige therapeutische Strategien sind explorative Techniken, Affektermutigung, Affektregulation, Beziehungsund Kommunikationsanalysen, Entscheidungsanalysen, Rollenspiele und «fürsorgliche» Konfrontation. Eine methodisch anspruchsvolle, beispielhafte Studie (Reynolds et al., 1999) untersuchte die Bedeutung von antidepressiver Medikation und Interpersoneller Psychotherapie IPT. Dabei wurden ältere depressive Patienten (Durchschnittsalter 67 Jahre) nach erfolgter Remission von einer depressiven Episode entweder einer Verummedikation (Nortriptylin) oder einer Placebomedikation zugewiesen. Diese Mediationen wurden entweder allein (Monotherapie) oder in Kombination mit IPT in dem vierarmigen Design angewandt. Das Ziel dabei war eine erneute depressive Episode (Rückfall) zu verhindern und zu prüfen, welche der vier Behandlungen (Nortriptylin plus IPT; Placebo plus IPT; Nortriptylin plus ärztliche Versorgung und Unterstützung, Placebo plus ärztliche Versorgung und Unterstützung) dabei am wirksamsten ist. Die Zielgruppe waren remittierte, ältere depressive Patienten. Es zeigt sich, dass die Kombination aus fortgesetzter Pharmakotherapie plus Psychotherapie (16 Einzeltermine) über den insgesamt dreijährigen Beobachtungszeitraum die wenigsten Rückfälle und die längsten Phasen ohne depressive Symptome aufwiesen. Eine Nachfolgestudie (Reynolds et al., 2006) legt allerdings nahe, dass die Nützlichkeit der IPT bei Patienten ab dem 70. Lebensjahr durch komorbide medizinische Probleme eingeschränkt ist und möglicherweise die stringente Miteinbeziehung eines Angehörigen erfordert.
Problemlösetherapie Eine ausgesprochen erfolgreiche Intervention bei Patienten im höheren Alter ist Problemlösen (Nezu et al., 2012). Es stellt ein Metakonzept dar, das anhand individueller Probleme mit Patienten eine allgemeine Strategie effizienten Problemlösens erarbeitet und trainiert. Durch den Erwerb der Problemlösefertigkeit wird ein Patient in die Lage versetzt auf aktuelle, doch vor allem auf zukünftige Schwierigkeiten, Hindernisse, Probleme selbständig zu reagieren und erfolgreich damit umzugehen. Problemlösen besteht aus folgenden Schritten: 1. Schritt: Information und Vorbereitung 2. Schritt: Problembeschreibung
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3. Schritt: Problemanalyse 4. Schritt: Zielanalyse 5. Schritt: Generierung von Lösungen (ohne Bewertung) 6. Schritt: Prüfung der Machbarkeit und Veränderungsplanung 7. Schritt: Ausprobieren der Lösung, Probehandelns 8. Schritt: Bewertung des Probehandelns 9. Schritt: Transferplanung, selbständige Anwendung im Alltag Der Verlust der Sehfähigkeit im Alter durch Glaskörperveränderungen bzw. durch Netzhautablösung ist nicht nur häufig, sondern geht mit deutlichen Einschränkungen der Lebensqualität, der Handlungsfelder (z. B. Lesen, Fern sehen, Computernutzung, Kino) und damit der Tätigkeitsbereiche einher. Es verwundert nicht, dass derartige Degenerationen mit einer deutlichen Steigerung der Depressionsrate einhergehen. In einer der wenigen dazu vorliegenden Studien an älteren Patienten mit einer fortschreitenden Makulardegeneration verbunden mit zunehmender Einschränkung der Sehfähigkeit, konnten Rovner et al. (2007) aufzeigen, dass eine auf den Prinzipien des Problemlösens basierende Psychotherapie die Anpassungsleistungen an diese progressive Erkrankung ver bessert und damit der Entwicklung von Depressionen vorbeugt. Die Teilnehmer der Psychotherapie waren außerdem aktiver und behielten ihren ursprünglichen Handlungsspielraum an geschätzten, angenehmen Aktivitäten bei. Durch Psychotherapie wird dieser günstige Effekte auch längerfristig erhalten, doch wird von den Autoren auf die Notwendigkeit einer längeren Intervention verbunden mit Auffrischungssitzungen hingewiesen. Kognitive Einschränkungen stellen einen der dominierenden Risikofaktoren für Depressionen im Alter dar (Weyerer et al., 2008). Daher untersuchten Kiosses et al. (2015) eine an dem Problemlöse Ansatz orientierte individuelle Psychotherapie, die ambulant, jedoch im Haus bzw. der Wohnung der Patienten stattfand. Die Zielgruppe älterer Patienten litt an beginnender Demenz (aktuell leichte bis mittelgradige kognitive Einschränkungen) und komorbid an ein einer Depression. Da Antidepressiva bei dieser Patientengruppe nur begrenzt einsetzbar sind bzw. geringe Effekte zeigen, ist die Entwicklung und Evaluation von psychotherapeutischen Hilfen indiziert. Die Autorengruppe erarbeitete eine über 12 individuelle Sitzungen gehende Problemlösetherapie. Die 74 Patienten waren über 65 Jahre alt und litten nachweislich an kognitiven Einschränkungen einer „moderaten“ Demenz. Die Psychotherapie (PATH) erwies sich als sehr effizient (Effektstärken d = .60 bzw. d = .67; NNT 4) und deutlich der rein unterstützenden Therapie (STCI) überlegen. Die Genesungsrate (frei von Depression) durch PATH war mit 38 % deutlich den 13,5 % durch STCI überlegen. Dieser Befund deckt sich mit den Ergeb-
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nissen einer eigenen Arbeit (Hautzinger & Welz, 2008). Ebenso erfolgreich lässt sich der Problemlöseansatz zur Beratung und Behandlung älterer, depressiver, pflegender Angehöriger einsetzen (Pfeiffer et al. 2014).
Evaluation und Effektivität Wirkkomponenten von Psychotherapie bei Altersdepressionen Kliniker stimmen darin überein, dass erfolgreiche Psychotherapien bei Depressionen im höheren Lebensalter folgende Wirkelemente und therapeutischen Merkmale besitzen (siehe dazu auch Hautzinger, 2016): yy Patienten eine überzeugende, jedoch vereinfachte Erklärung für die individuelle Erkrankung geben yy Zentrale Problembereiche auf emotionaler, kognitiver, interaktioneller und behavioraler Ebene eingrenzen und konkrete Ziele formulieren yy Zusammenhang mit Lebensgeschichte und Lebenserfahrungen berücksichtigen yy Problemlöseperspektive einnehmen und dabei Patienten in die Generierung von Lösungsmöglichkeiten einbeziehen yy Strukturiertes, geplantes, konkretes Vorgehen und Übungen (Transfer in den Alltag) einschließt yy Patienten durch die verschiedenen Maßnahmen Erfolge, Verstärkung und Ablenkung erfahren yy Therapeut darauf achtet, dass Patienten für Veränderungen positive Selbstattributionen vornehmen yy Therapeutenverhalten ist aktiv, konkret, strukturiert und direktiv.
Meta-analysen zur Psychotherapie bei Depressionen im Alter Eine systematische Suche nach Übersichtsarbeiten zu kontrollierten Therapiestudien zur Psychotherapie von Depressionen im höheren Lebensalter ergab (Gühne et al., 2014) insgesamt 11 Meta-analysen, die bis zu 52 Studien (Cuijpers et al., 2011) berücksichtigten. Insgesamt zeigt sich, dass aktive Psychotherapie sich klar als wirksamer erweist, als Wartekontrollbedingungen, eine übliche ärztliche Behandlung und meistens auch als unspezifische, unterstützende Therapie. Das Therapieformat, Gruppen- oder Einzeltherapie erweist sich dabei als wenig relevant. Die errechneten Effektstärken für Psychotherapie im Vergleich zu den (aktiven) Kontrollbedingungen liegen zwischen d = .49 und d = .72. Errechnet man Besserungsraten (≥ 50 % Besserung des Ausgangswerts)
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Abbildung 4. Erfolgsraten in % verschiedener Interventionen bei Depression im Alter.
für depressive (ältere) Patienten, die mit Kombinationsbehandlung (Pharmakotherapie und Psychotherapie), mit Pharmakotherapie, mit Psychotherapie, mit aktiver Kontrollbedingung (Placebo) oder mit nicht (Warten) behandelt wurden, dann ergibt sich das in Abbildung 4 dargestellte, erfreuliche Bild.
Fazit Die Indikation zur Psychotherapie bei Altersdepression unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der für jüngere Patienten. Auch bei Vorliegen altersspezifischer Faktoren, wie psychosoziale, somatische bzw. hirnorganische Einschränkungen, Behinderungen bzw. Komorbiditäten, kann Psychotherapie mit entsprechender Adaptation zur Überwindung bzw. Vorbeugung depressiver Beeinträchtigungen eingesetzt werden. Es ist nicht verwunderlich, dass in den nationalen Versorgungs- und Behandlungsleitlinien (NVL / S3) bei Depressionen (www.leitlinie-depression.de) die Psychotherapie, insbesondere die Kognitive Verhaltenstherapie, zu den vorrangigen und zentralen Interventionen gehört. Dies gilt ausdrücklich auch bei Depressionen im Alter!
Literatur Baltes, M. M., Carstensen, L. L. (1996). Gutes Leben im Alter. Überlegungen zu einem prozeßorientierten Metamodell erfolreichen Alterns. Psychologische Rundschau, 47, 199 – 215. © 2018 Hogrefe
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Prof. Dr. Martin Hautzinger Eberhard Karls Universität Fachbereich Psychologie Klinische Psychologie und Psychotherapie Schleichstr. 4 72074 Tübinge Deutschland hautzinger@uni-tuebingen.de
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Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2018), 66 (1), 31–40
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Themenschwerpunkt
Psychotherapie bei chronischer Depression – Führen störungs spezifische Ansätze zu besseren Behandlungserfolgen? Psychotherapy of persistent depressive disorders – Are disorder-specific approaches more effective? Elisabeth Schramm und Paul Bausch Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel
Zusammenfassung: Chronische Depressionen sind häufige und besonders beeinträchtigende Erkrankungen. Aufgrund der Dauer und einer Vielzahl von komplizierenden Faktoren gelten sie als schwierig zu behandeln. In den gängigen Leitlinien wird eine Kombination von Psychotherapie und Antidepressiva zur Therapie empfohlen. Dabei hat sich eine störungsspezifische Behandlung mit dem Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) anderen und unspezifischeren Ansätzen gegenüber als überlegen gezeigt. Bei dieser Therapieform wird gezielt auf die Besonderheiten chronischer Verlaufsformen wie auf frühe interpersonelle Traumatisierungen, hohe Komorbiditätsraten und ausgeprägtes Vermeidungsverhalten eingegangen. Eine längerfristige Behandlung mit CBASP führte zu besseren Behandlungserfolgen. Schlüsselwörter: Chronische Depression, Psychotherapie, störungsspezifisch, CBASP Abstract: Chronic depression is a highly prevalent and particularly disabling disorder. Due to the duration and a variety of complicating factors, chronic depression counts as difficult-to-treat. In treatment guidelines, a combination of psychotherapy and antidepressants is recommended for the treatment of persistent depressive disorders. Among different forms of psychotherapy, a disorder-specific treatment with the Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) proved superior over other and more unspecific approaches. CBASP focuses on the special needs of chronic forms of depression such as early trauma, high comorbidity rates, and marked avoidance behavior. A longer term treatment with CBASP led to better outcomes. Keywords: Chronic depression, psychotherapy, disorder specific, CBASP
Depressionen nehmen in nahezu einem Drittel der Fälle einen chronischen Verlauf (Agosti, 2014; Murphy & Byrne, 2012), wobei die überwiegende Mehrzahl schon vor dem 21. Lebensjahr beginnt. Seit dem Erscheinen des DSM-5 wird dieser Störung eine eigenständige Kategorie der „persistierenden depressiven Störung“ gewidmet. Chronische Depressionen sind nicht nur häufige und besonders beeinträchtigende Erkrankungen (Satyanarayana, Enns, Cox & Sareen, 2009), sondern gelten aufgrund der hohen Komorbiditätsrate mit anderen psychischen und physischen Störungen, der meist durch Frühtraumatisierungen geprägten Vorgeschichte der Patienten und damit häufig einhergehenden mangelnden sozialen In© 2018 Hogrefe
tegration als schwierig zu behandeln bzw. als therapieresistent. Trotz der hohen persönlichen und sozioökonomischen Bedeutung der Erkrankung wird sie nach wie vor unzureichend diagnostiziert und unzureichend oder inadäquat behandelt (Kocsis et al., 2008; Spijker, van Straten, Bockting, Meeuwissen & van Balkom, 2013). Es liegt nur ein einziges störungsspezifisches Psychotherapieverfahren zur Behandlung chronischer Depressionen vor, das Cognitive Behavioral Analysis System of Psycho therapy (CBASP; McCullough, Schramm & Penberthy, 2015), das speziell auf die Rolle früher Missbrauchserfahrungen bei dieser Patientengruppe eingeht. Im vorlie-
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E. Schramm & P. Bausch: Störungsspezifische Ansätze
genden Beitrag wird das CBASP ausführlicher beschrieben und seine Wirksamkeit mit der Effektivität anderer Ansätze verglichen.
Behandlung chronischer Depressionen Chronisch depressive Patienten sprechen allgemein weniger gut auf psychotherapeutische und pharmakologische Behandlungen an als akut-episodisch Depressive (Cuijpers et al., 2010) oder sie benötigen höhere „Dosen“ und eine längere Behandlungsdauer, um eine Verbesserung zu erreichen (Wiersma et al., 2014). Ungefähr die Hälfte der chronisch depressiven Patienten sind Nonresponder auf Psycho- oder Pharmakotherapie, weitere 20 % erreichen keine Remission. Metaanalysen (Kriston, von Wolff, Westphal, Hölzel & Härter, 2014) belegen dennoch, dass Psychotherapie bei der Behandlung chronischer Depression effektiv ist – und zwar beeinflusst von der Schwere und dem Subtyp der Störung, wobei die Wirksamkeit psychologischer Ansätze bei Dysthymien schwächer ausgeprägt ist. Zum Vergleich psycho- und pharmakologischer Ansätze liegen insgesamt uneinheitliche Ergebnisse vor. Dabei ist die in den meisten Studien sehr kurze Behandlungsdauer
zu berücksichtigen, in der sich die Wirksamkeit von Psychotherapie nicht voll entfalten kann. Dazu sind mindestens 18 Sitzungen nötig (Cuijpers et al., 2013). In den gängigen Leitlinien (z. B. S3-Leitlinien, DGPPN, 2015) oder Behandlungsempfehlungen (Jobst et al., 2016) wird eine Kombination beider Methoden empfohlen. Die Behandlungspräferenz erwies sich dabei als Moderator für das Ansprechen auf die Therapie. Diese Empfehlung wird durch neuere Metaanalysen (z. B. Kriston et al., 2014) unterstützt, die bei chronischer Major Depression einen Vorteil für eine kombinierte Pharmako- und Psychotherapie befand, vor allem mit störungsspezifischer Psychotherapie. Auch die Mehrheit der Patienten bevorzugt eine kombiniert psycho- und pharmakotherapeutische Behandlung (Steidtmann et al., 2012). Die Empfehlungen der Leitlinien beruhen hauptsächlich auf der mit 681 chronisch depressiven Patienten umfassenden Psychotherapiestudie von Keller et al. (2000), bei der sich die Kombinationstherapie alleiniger Psycho-, aber auch alleiniger Pharmakotherapie gegenüber als überlegen erwies, während beide Monotherapien gleichwirksam waren. Zum Einsatz kam in dieser Untersuchung das CBASP (McCullough et al., 2015). Bei diesem stark strukturierten Ansatz werden behaviorale, kognitive, psychodynamische und vor allem interpersonel-
Sich persönlich einbringen Disciplined Personal Involvement
•
Prägungen durch Bezugspersonen
•
Proaktive Übertragungs-Hypothesen
•
Interpersonelle Diskriminationsübungen
Situationsanalysen
psychodynamische
Elemente
kognitive
interpersonelle behaviorale
FertigkeitenTraining
Shaping
Abbildung 1. Therapeutische Strategien beim CBASP Ansatz. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2018), 66 (1), 41–47
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le Strategien integriert. Mit speziellen Techniken wird an frühen sozialen und emotionalen Reifungsrückständen des Patienten – bedingt durch die in den meisten Fällen bestehende Missbrauchsvorgeschichte – angesetzt (vgl. Abb. 1). Dabei steht eine persönliche Beziehungsgestaltung im Vordergrund, indem der Therapeut seine eigenen emotionalen Reaktionen auf das Verhalten des Patienten in einer systematisierten Weise einbringt („Disciplined Personal Involvement / DPI“; s. u.). Das Verfahren ist auf einen längerfristigen Therapieverlauf angelegt, optimalerweise ca. 30 Einzelsitzungen von 50 Minuten Dauer.
Störungsspezifische Psychotherapie für chronische Depressionen: Das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy Das CBASP geht von der ätiologischen Annahme aus, dass die chronische Depression eine Folge misslungener Bewältigungsversuche missbräuchlicher früher interpersoneller Erfahrungen darstellt, die zu einer „kognitiv-emotionalen Entkopplung“ der betroffenen Person von ihrer Umwelt geführt hat. Darunter ist zu verstehen, dass der chronisch depressive Patient nicht oder unzureichend von Kontingenzen oder Rückmeldungen seiner Umwelt beeinflusst wird. Anders ausgedrückt: Er verfügt nur über eine mangelnde Wahrnehmung dafür, dass das eigene Verhalten spezifische Konsequenzen in der Umwelt hat und kann umgekehrt auch nur bedingt das Verhalten und die Botschaften seiner Umgebung entschlüsseln. Dadurch erreicht der Betroffene nur selten das, was er sich von anderen Personen wünscht. Die weitgehende Entkoppelung der Wahrnehmung von der Umwelt wird als Folge früher Traumatisierungen betrachtet, welche dazu führen, dass das Kind in seiner kognitiv-emotionalen Entwicklung auf einem – im Sinne der Theorie von Piaget – präoperatorischen Funktions- und Reifungsniveau stagniert. Bei einer Behandlung mit CBASP wird das Ziel verfolgt, dem Patienten zu vermitteln, in formal operativer Weise zu denken und zu handeln, um Einfluss auf seine soziale Umwelt zu nehmen. Dazu gehört, dem Patienten zu helfen, die Konsequenzen seines Verhaltens zu erkennen (perceived functionality).
Liste prägender Beziehungen und Übertragungshypothese Darüber hinaus soll gelernt werden, mit anderen Menschen empathisch in Beziehung zu treten und sich Verhaltensfertigkeiten anzueignen, mit denen zwischenmenschlich erwünschte Ziele erreicht werden können. Um zu erfassen, durch welche Prägungen das zwischenmenschliche Verhalten des Patienten geleitet ist, werden zu Beginn © 2018 Hogrefe
der Therapie im Rahmen der „Liste prägender Beziehungen“ die wichtigsten „Stempel“ durch missbräuchliche Bezugspersonen identifiziert. Diese Prägungen (z. B. „Ich habe von anderen Menschen nichts zu erwarten“, „Ich weiß nicht, was Nähe ist“) bzw. negativen Beziehungserwartungen führen in der Beziehung zu anderen Menschen zu ausgeprägtem Vermeidungsverhalten und anderen Problemen. Die negativen Beziehungserfahrungen werden vom Patienten auch in die therapeutische Beziehung im Sinne von Übertragungsphänomenen eingebracht. Patienten erwarten – zumeist nicht bewusst –, dass sich ihr Therapeut in bestimmten Situationen genauso verhält, wie dies frühere Bezugspersonen getan haben, also beispielsweise zurückweisend, bestrafend oder ablehnend. Anhand der erhobenen Prägungen formuliert der Therapeut nach Ende der zweiten Therapiesitzung eine Übertragungshypothese in einer der vier relevanten Beziehungskategorien „Nähe und Intimität“, „Scheitern und Versagen“, „Emotionale Bedürfnisse“ und „Ausdruck eines negativen Affekts“. Ein Beispiel für eine Übertragungshypothese aus der Beziehungskategorie „Emotionale Bedürfnisse“ ist: „Wenn ich etwas von meinem Therapeuten brauche, wird er es nicht merken“. Die Übertragungshypothese dient in erster Linie dazu, einer dysfunktionalen Beziehungsgestaltung von Seiten des Patienten proaktiv entgegen zu treten, um Therapieabbrüche zu verhindern, aber auch um interpersonelles Diskriminationslernen zu ermöglichen.
Interpersonelle Diskriminationsübung Mit Hilfe der Übertragungshypothesen können nun sogenannte Brennpunkt-Situationen antizipiert werden (z. B. Patient kommt bedrückt in die Sitzung, spricht aber nicht an, was er vom Therapeuten brauchen könnte). Die Aufgabe des Therapeuten ist es, mögliche Übertragungsprobleme „proaktiv“ anzusprechen. Das therapeutische Prozedere, das dabei eingesetzt wird, ist die Interpersonelle Diskriminationsübung (IDÜ). Fragen wie z. B. „Wie hätte Ihre Mutter reagiert, wenn Sie ihr von Ihrem Fehler erzählt hätten?“ dienen dazu, die früheren Erfahrungen und Beziehungserwartungen zu aktualisieren. Der Therapeut fordert dann den Patienten auf, die negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit seinem tatsächlichen Verhalten gegenüberzustellen. Der Patient erfährt im Rahmen der IDÜ also eine explizite Differenzierung zwischen prägenden Bezugspersonen und dem Therapeuten; er lernt somit, dass zwischen ihm und dem Therapeuten eine neue interpersonelle Realität existiert. Während die Situationsanalyse als Kernelement des CBASP die meisten therapeutischen Sitzungen bestimmt, werden IDÜ nur dann durchgeführt, wenn sich vor dem Hintergrund der Übertragungshypothesen und den analysierten Situationen Gelegenheiten dafür bieten.
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Pat.: Die Sitzungen mit Ihnen sind reine Zeitverschwendung. Therapeut: Was meinen Sie, wie das auf mich wirkt, wenn Sie das so sagen? Pat.: Weiß nicht, vielleicht verletzend. Therapeut: Ja, das stimmt, es verletzt mich. Wollen Sie mich denn verletzen? Pat.: Nein, eigentlich nicht. Therapeut: Was möchten Sie denn dann von mir? Pat.: Ich habe einfach Angst, dass es alles nichts bringt. Ich möchte, dass Sie mir helfen!... ...Alternativ Verhalten vermitteln... Abbildung 2. Beispiel für Disciplined Personal Involvement: Der feindselige Patient.
Kontrolliert-persönliches Einbringen Wenn die persönlichen Reaktionen des Therapeuten auf den Patienten als Diskriminationskriterien dienen, um die Qualität der therapeutischen Beziehung mit früheren dysfunktionalen Beziehungen zu vergleichen, werden diese persönlichen Reaktionen wichtiger Bestandteil des psychotherapeutischen Vorgehens. Entsprechend werden CBASPTherapeuten ermutigt, sich kontrolliert-persönlich ein zubringen („Disciplined Personal Involvement / DPI“). Darunter versteht man das Äußern persönlicher Gefühle und Reaktionen des Therapeuten auf ein dysfunktionales Verhalten des Patienten, um damit das Verhalten des Pa tienten zu beeinflussen und zu modifizieren. Ein Beispiel ist in Abbildung 2 gegeben. Ein Ziel des persönlichen Einbringens des Therapeuten ist, dass der Patient dadurch lernen kann, sich empathisch und der konkreten interpersonellen Situation a ngemessen zu verhalten und somit seine Ziele zu erreichen. Die dazu benötigten sozialen Fertigkeiten können im Rahmen von Situationsanalysen erworben werden.
Situationsanalyse Mit Hilfe von Situationsanalysen (SA) als zentrale Behandlungstechnik zum sozialen Problemlösen kann der Betroffene seine Ziele bei anderen Personen erreichen. Der Therapeut führt dabei den Patienten in folgenden Schritten durch eine Erhebungs- und eine Lösungsphase: Erhebungsphase 1. Was ist genau in der Situation passiert? (Situationsbeschreibung). 2. Wie haben Sie bewertet, was geschah? (Interpretation der Situation). 3. Wie haben Sie sich in der Situation verhalten? (Verhalten in der Situation). 4. Wie ist die Situation für Sie ausgegangen? (tatsächliches Ergebnis der Situation).
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5. Welches Ergebnis hätten Sie sich gewünscht? (erwünschtes Ergebnis der Situation). 6. Haben Sie in dieser Situation erreicht, was Sie wollten? Warum nicht? (Vergleich des tatsächlichen mit dem erwünschten Ergebnis). Lösungsphase 1. Wie trugen Ihre Interpretation dazu bei, dass Sie Ihr erwünschtes Ergebnis nicht erreichten? (Revision irrelevanter und unzutreffender Interpretationen). 2. Wie hätten Sie sich anders verhalten können? (Rollenspielsequenzen mit Fertigkeitentraining). 3. Was haben Sie mit der heutigen SA gelernt? (Umsetzung und Zusammenfassung der Lernprozesse in der SA). 4. Wie lässt sich das, was Sie heute gelernt haben, auf ähnliche Situationen übertragen? (Generalisierung und Übertragung auf den Alltag). Der Patient soll im Verlauf der SAs erkennen, dass sein Verhalten immer bestimmte Konsequenzen hat (perceived functionality) bzw. wie er sein Verhalten ändern muss, um besser mit der Umwelt in Verbindung zu treten und von anderen Menschen eher zu bekommen, was er sich wünscht. Der dazu wichtigste Schritt innerhalb der SA ist bei der Lösungsphase Schritt 2 in Form von Rollenspielsequenzen mit schrittweisem Verhaltensaufbau (Shaping). Die Bearbeitung der Situationsanalysen nimmt ca. 75 Prozent der Therapie ein, und Patienten, die die Technik der Situationsanalyse gut beherrschen, haben tatsächlich eine bessere Prognose (Manber et al., 2003).
CBASP im Vergleich: Derzeitiger Forschungsstand Mit dem CBASP liegt ein integratives Psychotherapieverfahren vor, das speziell für Patienten mit chronischer Depression entwickelt wurde. Es ist ätiologie- und therapietheoretisch spezifisch ausgearbeitet und unterscheidet sich deutlich von anderen psychotherapeutischen Verfahren. Im Vergleich zu unspezifischeren Ansätzen wie herkömmlicher psychiatrischer Versorgung, supportiver Therapie, Achtsamkeitsbasierter Kognitiver Therapie (MBCT) oder Interpersoneller Psychotherapie (IPT) war der CBASP-Ansatz bei Patienten mit persistierender Depression wirksamer, wenn man die aktuelle Studienlage zugrunde legt. Auch ein direkter Vergleich mit psychoanalytischer Therapie liegt zwischenzeitlich vor, die Publikation der Ergebnisse steht kurz bevor. Ergebnisse der Studien im Detail: In einer kürzlich veröffentlichten multizentrischen Studie (Schramm et al., 2017) an 268 unmedizierten chronisch
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Mean scores on the Hamilton Rating Scale for Depression for both groups during the study (95% CI) (N=268) 30
p=.004 p=.006
p=.007 20
HRSD
M =22.6 M =19.9
Group Red
M =21.2 M =18.1
Blue M =18.1 M =15.0
10
-2
0 -2
0
12
20 Weeks of study
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Abbildung 3. Primäres Outcome – HRSD-24 nach 20 Wochen.
depressiven Patienten mit frühem Beginn erwies sich das CBASP einer unspezifischen, supportiven Psychotherapie (SP) überlegen. Die Behandlungsdauer erstreckte sich über ein Jahr und umfasste 32 Einzelsitzungen, davon 24 Akut- gefolgt von 8 Erhaltungssitzungen. Nach 20 und noch deutlicher nach 48 Wochen verbesserte sich der mittlere Hamilton-Wert in beiden Gruppen mit einem signifikanten Unterschied zugunsten von CBASP (vgl. Abbildung 3). Die CBASP Bedingung zeigte außerdem eine signifikante Überlegenheit bezüglich allgemeiner Leistungsfähigkeit und Lebensqualität im Vergleich zu SP. Die Response- (CBASP: 52.5 %; SP: 40.9 %) und Remissionsraten (CBASP: 36.7 %; SP: 25.5 %) zu Behandlungsende lagen vergleichsweise hoch, wenn bedacht wird, dass keine unterstützende Medikation erfolgte. 1- und 2 Jahre nach Beendigung der Therapie blieben die Effekte stabil. In dieser Untersuchung wurde die bisher längste aktive Behandlungszeit angewandt. Dabei stellte sich heraus, dass sich die Wirksamkeit beider Interventionen, auch in Form der Remissionsraten, mit zunehmender Behandlungsdauer steigerte. Die Bedeutung längerer Therapiezeiten bei dieser Patientengruppe wird von einer weiteren Studie von Wiersma et al. (2014) unterstrichen, bei der CBASP erst nach 1 Jahr einen additiven Effekt zur herkömmlichen Versorgung (Care as usual) aufwies, die überwiegend einer Kombinationsbehandlung aus Pharmakotherapie und evidenzbasierter Psychotherapie entsprach. Der Vorteil verlängerter Behandlungszeiten zeigte sich auch im Vergleich von CBASP zu einer Medikation mit Escitalopram bei chronisch depressi© 2018 Hogrefe
ven Patienten im ambulanten Setting (Schramm et al., 2015). Darüber hinaus profitierten initiale Non-Responder (Patienten, bei denen sich die depressive Symptomatik in den ersten 8 Wochen weniger als 20 % verbessert hatte) nach 28 Wochen deutlich von einer Augmentierung mit der j eweils anderen Behandlungsform. In einer vorausgehenden, umfassenden Augmentierungsstudie (Kocsis et al., 2009) erwies sich eine kurzfristige Ergänzung medikamentöser Therapie durch 12 CBASP-Sitzungen bei chronisch-depressiven Pharmakotherapie-Non-Respondern allerdings nicht wirksamer als eine Augmentierung mit Supportiver Therapie oder einem Wechsel der Medikation. Der Unterschied in den Ergebnissen könnte durch die kurze Dauer der Therapie von nur 12 Wochen bei der Studie von Koscis et al. (2009) zu erklären sein. In einer randomisierten Pilotstudie (Schramm et al., 2011) wurde CBASP bei Patienten mit persistierenden Depressionsformen mit der IPT verglichen, welche auf akut depressive Episoden zugeschnitten ist. Nach 22 Sitzungen, verteilt über 16 Wochen, lag bei 57 Prozent der CBASP-Probanden keine Depression mehr vor, während die IPT nur bei 20 Prozent der Teilnehmer anschlug. Nach Ablauf eines Jahres nach Beendigung der Therapie unterschieden sich die beiden Gruppen nicht mehr. Die untersuchte Stichprobe umfasste allerdings nur 30 Patienten und die Ergebnisse sollten deshalb mit Vorsicht interpretiert werden. Ein direkter Vergleich von CBASP mit MBCT als 8-wöchige Gruppentherapie bei chronisch Depressiven (Michalak et al., 2015) erbrachte ebenfalls einen besseren Behandlungserfolg mit CBASP.
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Derzeitiger Forschungsstand: Die Rolle früher Traumatisierungen bei chronischer Depression Für die Interpretation der oben beschriebenen Ergebnisse spielen frühe Traumatisierungen eine bedeutsame Rolle und sind im therapeutischen Verlauf besonders zu berücksichtigen. So stellen frühe Traumatisierungen nicht nur einen zentralen ätiologischen Risikofaktor für die Entwicklung chronischer Depressionen dar, sondern auch für das Vorliegen komorbider Persönlichkeitsstörungen, insbesondere der ängstlich-vermeidenden und der abhängigen Persönlichkeitsstörung (Blanco et al. 2010; Klein, Roniger, Schweiger, Spath & Brodeck, 2015). Speziell für früh traumatisierte anhaltend depressive Patienten erwies sich die störungsspezifische CBASP-Therapie, mit oder ohne Medikation, als erfolgreicher im Vergleich zu einer alleinigen medikamentösen Behandlung (Nemeroff et al., 2003). Dieses Ergebnis ist hervorhebenswert, da frühe Traumatisierungen als ein zuverlässiger, negativer Prädiktor für den Behandlungserfolg von Psychotherapie, insbesondere bei kognitiver Verhaltenstherapie (Shirk et al., 2014) und interpersoneller Psychotherapie (Harkness, Bagby & Kennedy, 2012), identifiziert wurden. Dies mag eine Konsequenz der expliziten Berücksichtigung früher Traumatisierungen durch das CBASP sein, wohingegen die kognitive Verhaltenstherapie und die IPT dem Therapeuten keine spezifischen Behandlungsstrategien diesbezüglich an die Hand geben. Weiterführende Evidenz, insbesondere aus dem Bereich der Prozessforschung, ist hier dringend indiziert.
Fazit und Ausblick Die Entwicklung einer störungsspezifischen Therapie zur Behandlung chronischer depressiver Erkrankungen, wie dem CBASP, hat sich mit und ohne begleitende Medikation als erfolgreicher Ansatz herausgestellt. Bei dieser Therapieform wird gezielt auf die ätiologisch und empirisch abgeleiteten Besonderheiten bei persistierenden Depressionen eingegangen, insbesondere auf die hohe Prävalenz früher interpersoneller Traumatisierungen und das ausgeprägte Vermeidungsverhalten. Eine längerfristige Behandlung hat sich dabei einem kurzfristigeren Vorgehen gegenüber als überlegen erwiesen. Die Befundlage ergänzt die kontroverse Diskussion um die Bedeutung spezifischer vs. allgemeiner Wirkfaktoren in Bezug auf den Behandlungserfolg verschiedener Depressionstherapien und stärkt die Position, dass ein störungsspezifisches Vorgehen zu besseren Therapieergebnissen führt. Damit wird die Gültigkeit des umstrittenen „Dodo Bird Verdikt“ (Luborsky, Singer &
E. Schramm & P. Bausch: Störungsspezifische Ansätze
Luborsky, 1975) hinterfragt, das als Äquivalenzparadox der Therapieforschung bekannt ist, wonach keine Psychotherapieform einer anderen Psychotherapieform generell überlegen ist. Weitere Formen spezifischer Interventionen zur Behandlung chronischer Depressionen befinden sich in der Entwicklung. Die neue DSM-5 Klassifikation kann als ein relevanter Schritt für ein besseres Verständnis und eine gezieltere Behandlung komplexer chronischer Verlaufsformen von Depression gesehen werden. Allerdings wird weitere Forschung benötigt, um die immer noch relativ geringen Remissionsraten zu erhöhen und um eine nachhaltige Wirksamkeit zu erreichen. Modulare Ansätze mit individuellen Behandlungsalgorithmen zur Augmentierung könnten helfen, den Behandlungserfolg zu optimieren. Dies könnte auch zu einer weiteren Verbreitung spezifischer Psychotherapieansätze, wie beispielsweise des CBASP, beitragen, welches bisher noch nicht ausreichend in die Routineversorgung chronisch depressiver Patienten integriert ist.
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Elisabeth Schramm Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Freiburg Medizinische Fakultät Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Hauptstraße 5 79104 Freiburg Deutschland Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel Wilhelm-Klein Str. 27 4012 Basel Schweiz elisabeth.schramm@uniklinik-freiburg.de
Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2018), 66 (1), 41–47
Themenschwerpunkt
Internetbasierte Therapie in der Versorgung von Patienten mit depressiven Störungen: Ein Überblick Internet-based therapy in depressive disorders: An overview Matthias Backenstrass1 und Markus Wolf2 Institut für Klinische Psychologie, Klinikum Stuttgart, Deutschland, und Psychologisches Institut, Arbeitseinheit für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Universität Heidelberg, Deutschland 2 Psychologisches Institut, Klinische Psychologie mit Schwerpunkt Psychotherapieforschung, Universität Zürich, Schweiz 1
Zusammenfassung: Internet- und mobilbasierten Interventionen wird großes Potenzial in der Behandlung von Menschen mit depressiver Symptomatik zugeschrieben. Diese Einschätzung hat sich in den letzten Jahren vor dem Hintergrund mehrerer Programmentwicklungen und einer Vielzahl von Studien zur Wirksamkeitsprüfung der zumeist auf der kognitiven Verhaltenstherapie basierten Angebote etabliert. Ziel der vorliegenden Übersichtsarbeit ist es, zu prüfen, inwieweit sich aus der empirischen Befundlage wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für die Versorgungsbereiche Prävention, Primärversorgung, ambulante Psychotherapie, fachärztliche Versorgung sowie die stationäre Behandlung ableiten lassen. Hierfür werden die Ergebnisse ausgewählter Studien, die in den genannten Versorgungsbereichen angesiedelt sind und die Erhebung der Diagnose depressive Störung auf ein Expertenurteil stützen, kritisch bewertet. In der Schlussfolgerung ermöglicht die gegenwärtige Studienlage keine eindeutige Empfehlung zum Einsatz von internetbasierten Behandlungsprogrammen in den genannten Versorgungsbereichen. Schlüsselwörter: E-Mental Health, internetbasierte Interventionen, Depression, Selbsthilfe, kognitive Verhaltenstherapie Abstract: Internet and mobile interventions have the potential to transform depression care. This assumption is supported by a rapidly growing number of randomized controlled trials that evaluate the efficacy of mostly CBT-based self-help programs for the treatment of depressive symptoms under experimental conditions. However, fewer research has focused on the use of internet-based interventions in the treatment of clinical depression in real-life settings of depression care, ranging from prevention to primary and secondary care, and to inpatient treatment. Thus, it remains unclear if the current evidence translates to clinical settings. The present paper discusses studies on internet-based interventions that have been conducted under these conditions of care. The focus is on studies that have been conducted in clinical populations of patients formally diagnosed with a major depression. In conclusion, the review indicates that in many of these areas the current research lacks clear evidence for the effectiveness of internet-based interventions yet. Keywords: E-mental health, internet-based interventions, depression, self-help, cognitive behavioral therapy
Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Störungen (vgl. Schramm & Stieglitz, 2018). Aus den unterschiedlichsten Gründen erhält jedoch nur ein Teil der Pa tienten mit depressiver Störung, die häufig chronisch oder rezidivierend verlaufen, eine adäquate Behandlung (z. B. Melchior, Schulz & Härter, 2014). Vor diesem Hintergrund wird internet- und mobilbasierten Interventionen (IMI) bei der Versorgung von Patienten mit psychischen Störungen im Allgemeinen und Depressionen im Besonderen eine immer größere Bedeutung beigemessen. Die gute Verfügbarkeit entsprechender Angebote einhergehend mit der Möglichkeit, sie flexibel von zu Hause aus nutzen zu können, gelten als unmittelbar einleuchtende Vorteile von IMI (Vorund auch Nachteile internetbasierter Interventionen siehe
z. B. Moessner & Bauer, 2017). Sie finden ihren Einsatz im Bereich der Prävention, der Akutbehandlung sowie der Nachsorge, wobei der Übergang von präventiven Ansätzen zur Akuttherapie fließend ist (Bauer & Kordy, 2008; Berger, 2015). Moderne IMI basieren auf verschiedenen technischen Realisierungen wie Web-Seiten, E-Mails, SMS, Chats, Video- und Audiodateien, Videokonferenzen sowie Apps. Mitunter werden auch virtual-reality-Programme und Computerspiele („serious games“) den IMI zugerechnet. Die neuesten Entwicklungen integrieren zusätzlich Daten, die über GPS (raum-zeitliche Bewegungsdaten) oder wearables (vor allem psychophysiologische Daten wie Herzfrequenz, etc.) generiert werden. Am häufigsten im
Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2018), 66 (1), 48–60 https://doi.org/10.1024/1661-4747/a000339
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M. Backenstrass & M. Wolf: Internetbasierte Therapie bei Depression
Rahmen randomisiert-kontrollierter Studien untersucht wurden bislang internetbasierte Selbsthilfeprogramme mit oder ohne therapeutischer Unterstützung („guided“ bzw. „unguided self-help“), häufig auch als computeroder internetbasierte kognitive Verhaltenstherapie (internet-based cognitive behavioral therapy [ICBT] oder computer-based cognitive behavioral therapy [CCBT]) bezeichnet. In einer Vielzahl von Studien wurde die Wirksamkeit internetbasierter Interventionen bei depressiven Symptomen und Störungen untersucht und in mehreren Überblicksarbeiten, systematischen Reviews und Meta-Analysen zusammengefasst. Deutlich unübersichtlicher ist die Situation bei den sogenannten Gesundheits-Apps, die geltend machen, im Bereich depressiver Symptome bzw. Depressionen hilfreich zu sein (Anthes, 2016). Die Inhalte der meisten Applikationen sind sehr begrenzt und es liegen keine Wirksamkeitsnachweise vor (Shen et al., 2015), so dass es für den Betroffenen nahezu unmöglich ist, wirklich hilfreiche Angebote zu identifizieren. Für eine wissenschaftliche Bewertung scheint es uns deshalb in diesem Bereich zu früh, weswegen wir auf „Depressions-Apps“ nicht weiter eingehen werden. Angesichts der aktuellen Evidenz liegen bereits erste Überlegungen vor, internetbasierte Interventionen in die Regelversorgung zu übernehmen und als entsprechend zertifizierte Medizinprodukte in den Behandlungskatalog aufzunehmen (Bundespsychotherapeutenkammer, 2017). Auch die aktuelle S3-Nationale Versorgungsleitlinie zur unipolaren Depression (DGPPN, BÄK, KBV, AWMF für die Leitliniengruppe Unipolare Depression, 2015) nimmt in einem neuen Abschnitt explizit Bezug zu „niederschwelligen psychosozialen Interventionen“ (S. 62), allerdings ohne konkrete Empfehlungen zu deren Einsatz zu geben. Vor dem Hintergrund eines zu konstatierenden Booms und der Diskussion, welchen Stellenwert IMI in der Versorgung von Menschen mit depressiven Störungen haben sollten, wird zunächst eine Übersicht über die gegenwärtig verfügbaren Meta-Analysen tabellarisch (Tab 1) dargestellt und eine Bewertung der wissenschaftlichen Evidenz vorgenommen. Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt jedoch auf der Darstellung und Bewertung der Befundlage zu IMI bei Depression im Hinblick auf deren empirische Evidenz und Implementierungsgrad in verschiedenen Versorgungsbereichen. Dabei werden wir insbesondere berücksichtigen, inwieweit in empirischen Studien die Diagnose einer Major Depression als Eingangskriterium definiert wurde. Dieser Aspekt wird in der aktuellen Diskussion zu häufig vernachlässigt, hat aber große Relevanz für die Frage, inwiefern IMI tatsächlich geeignet für die Versorgung von Patienten mit depressiven Störungen sind.
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Wirksamkeit internetbasierter Interventionen zur Behandlung depressiver Störungen und Symptome Mittlerweile liegt eine umfangreiche Anzahl von Meta-Analysen (MA) vor, die in unterschiedlichsten Kombinationen die Wirksamkeit von IMI bei Depression bzw. depressiven Symptomen beleuchten. In der folgenden Übersicht werden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – seit 2007 erschienene und in entsprechenden Datenbanken (Cochrane Library, Embase, PsychINFO, PubMed) aufgeführte MA zusammengefasst. Von den in Tabelle 1 dargestellten 19 MA beziehen sich elf ausschließlich auf Studien zur Behandlung depressiver Symptome, weitere acht MA sind bezüglich der betrachteten Störungsbilder heterogen (siehe Tabelle 1). Fünfzehn MA untersuchen die Wirksamkeit angeleiteter und / oder nicht angeleiteter Selbsthilfe im Vergleich zu Kontrollgruppen, wobei die Effektstärken (ES) bei angeleiteter Selbsthilfe konsistent höher ausfallen, was sich auch in einer MA zum direkten Vergleich von angeleiteter versus reiner Selbsthilfe bestätigt (Baumeister, Reichler, Munzinger & Lin, 2014). Die in den MA berichteten ES beziehen sich zumeist auf Depressionsscores aus Selbstberichtsfragebogen (z. B. PHQ-9, BDI-II) und fallen in der Größenordnung kleiner bis mittlerer Effekte aus. Seltener wurden breiter gefasste Maße wie das allgemeine Funktionsniveau, Wohlbefinden oder Lebensqualität berichtet, wobei bei diesen Kriterien niedrigere ES resultieren (Cowpertwait & Clarke, 2013; Newby, Twomey, Yuan Li & Andrews, 2016; Păsărelu, Andersson, Bergman Nordgren & Dobrean, 2017; So et al., 2013; Zhou, Li, Pei, Gao & Kong, 2016). Wie Tabelle 1 zeigt, erfolgte die Rekrutierung in der Regel über Werbung und Anzeigen in Medien oder einschlägige Internetforen (sog. community samples), äußerst selten aus klinischen Settings. Vergleiche mit Wartelisten-Kon trollgruppen (WL) sind in den Original-Studien die Regel, aktive oder klinische Kontrollgruppen wie Treatment-asusual (TAU) werden seltener eingesetzt. Explizit klinische Stichproben – im Sinne einer Diagnosestellung durch Experten in der Fremdbeurteilung – sind ebenfalls rar. Einschlusskriterium war zumeist das Erreichen subsyndromaler oder leichter bis mittelgradiger Depressionswerte. Zwei aktuelle MA beleuchten die Evidenz zweier auch auf Deutsch verfügbarer Selbsthilfeprogramme, Moodgym und Deprexis (Twomey & O’Reilly, 2017; Twomey, O’Reilly & Meyer, 2017). Die Wirksamkeit von Deprexis wurde in acht randomisiert-kontrollierten Studien gegen Wartelisten und mit einer Ausnahme an nicht-diagnostizierten Stichproben1 untersucht, wobei sich bei gleichzei-
Mit „nicht-diagnostizierte Stichproben“ meinen wir, Einschlusskriterium der jeweiligen Studien war nicht die via Fremdbeurteilung durch Experten gesicherte Diagnose nach ICD-10 oder DSM-IV bzw. DSM-5.
1
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Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2018), 66 (1), 48–60
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M. Backenstrass & M. Wolf: Internetbasierte Therapie bei Depression
Tabelle 1. Meta-Analysen (publiziert seit 2007 und nach Publikationsjahr geordnet) zur Wirksamkeit internet-basierter Interventionen zum Indikationsbereich depressive Symptomatik und / oder depressive Störungen. Referenz
Titel
Jahr
Anzahl Studien
Depressionb
Rekutierung
Kontrollgruppenf
Gesamt Depres- N siona
ES
Medien/ Klinisch Anderee WL Anzeige
TAU
Andere
Spek et al.
Internet-based cognitive be 2007 haviour therapy for symptoms of depression and anxiety. A meta-analysis
12
5
1982
d = 0.27 [0.15 – 0.40]
12
0
0
5
2
5
Andersson & Cuijpers
Internet-based and other computerized psychological treatments for adult depres sion: A meta-analysis
2009
12
12
2446 0.41 [0.29 – 0.54]
8
1
3
7
4
1
Andrews et al.
Computer therapy for the anxiety and depressive disorders is effective, acceptable and practical health care
2010
22
6
642
g = 0.78 [0.59 – 0.96]
n / b
n / b
n / b
18
1
3
Cuijpers et al.
Is guided self-help as effecti- 2010 ve as face-to-face psychotherapy for depression and an xiety disorders? A systematic review and meta-analysis of comparative outcome studies
21
2
99
d = 0.02 17 [-0.20 – 0.15]c
3
1
n / a
n / a
21g
Cuijpers et al.
Self-guided psychological treatment for depressive symptoms. A meta-analysis.
2011
7
6
1266
SMD = 0.28 [0.14 – 0.42]d
3
1
3
2
4
1
Richards & Richardson
Computer-based psychologi 2012 cal treatments for depression. A systematic review and meta-analysis.
19
19
2996
SMD = 0.56 [0.41- 0.71]
12
7
0
10
8
1
2013 Cowpertwait Effectiveness of Web-based & Clarke Psychological Interventions for Depression. A Meta-analysis
18
18
2948
g = 0.43 [0.29 – 0.57]
13
5
0
8
8
2
So et al.
2013 Is computerised CBT really helpful for adult depression? – A meta-analytic re-evalua tion of CCBT for adult depres sion in terms of clinical implementation and methodo logical
16
16
2807
SMD = 0.48 [0.33 – 0.63]
12
0
4
9
5
2
Andersson et al.
Guided internet-based vs. face-to-face cognitive beha vior therapy for psychiatric and somatic disorders: A systematic review and metaanalysis
2014
13
2
134
g = 0.05 12 [-0.19 – 0.30]
1
0
n / a
n / a
13g
Arnberg et al.
Internet-delivered psychologi- 2014 cal treatments for mood and anxiety disorders. A systema tic review of their efficacy, safety, and cost-effectiveness
40
8
958
SMD = 0.83 [0.59 – 1.07]
n / b
n / b
n / b
27
5
8
Baumeister et al.
The impact of guidance on internet-based mental health interventions: A systematic review
2014
14
4
298
SMD = 0.15 [0.16 – 0.46]
n / b
n / b
n / b
n / a
n / a
14h
Andersson et al.
Internet-supported versus face-to-face cognitive beha vior therapy for depression
2016
5
5
429
g = 0.12 5 [-0.06 – 0.30]
0
0
n / a
n / a
5g
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M. Backenstrass & M. Wolf: Internetbasierte Therapie bei Depression
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Tabelle 1. Meta-Analysen (publiziert seit 2007 und nach Publikationsjahr geordnet) zur Wirksamkeit internet-basierter Interventionen zum Indikationsbereich depressive Symptomatik und / oder depressive Störungen. (Fortsetzung) Referenz
Titel
Jahr
Anzahl Studien
Depressionb
Rekutierung
Kontrollgruppenf
Gesamt Depres- N siona
ES
Medien/ Klinisch Anderee WL Anzeige
TAU
Andere
Newby et al.
Transdiagnostic computeri sed cognitive behavioural therapy for depression and anxiety. A systematic review and meta-analysis
2016
17
9
1526
g = 0.84 [0.67 – 1.02]
n / b
n / b
n / b
9
2
6
Zhou et al.
Internet-based cognitive be 2016 havioural therapy for sub threshold depression. A systematic review and meta-analysis
8
8
2707
SMD = 0.46 [0.22 – 0.70]
7
1
6
0
2
Karyotaki et al.
Efficacy of self-guided internet-based cognitive behavio ral therapy in the treatment of depressive symptoms. A meta-analysis of individual participant data
2017
16
16
4578
g = 0.33 [0.19 – 0.46]
10
2
4
7
7
2
Păsărelu et al.
Internet-delivered transdiag- 2017 nostic and tailored cognitive behavioral therapy for anxiety and depression. A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials.
19
9
1525
g = 0.79 [0.59 – 1.00
?
?
?
10
1
8
Sztein et al.
Efficacy of cognitive behaviou- 2017 ral therapy delivered over the internet for depressive symptoms. A systematic review and meta-analysis
14
14
1631
SMD = 0.74 [0.62 – 0.86]
11
2
1
n / b
n / b
n / b
Twomey et al.
2017 Effectiveness of an individually-tailored computerised CBT programme (Deprexis) for depression. A meta-analysis.
8
8
2402
g = 0.54 [0.39 – 0.69]
8
0
0
8
0
0
Twomey & O›Reilly
Effectiveness of a freely avai 2017 lable computerised cognitive behavioural therapy programme (Moodgym) for depression. Meta-analysis
12
11
5662
g = 0.36 [0.17 – 0.56]
1
5
6
8
2
2
Anmerkungen: n / a = trifft nicht zu; n / b = nicht berichtet; ES = Effektstärke (d = Cohens d; g = Hedges g; SMD = standardisierte Mittelwertsdifferenz); TAU = Treatment-as-usual. a) Anzahl der in die Meta-Analyse einbezogenen Studien, die sich explizit auf die Behandlung depressiver Symptome / Depression beziehen. b) Stichprobe und Effektstärken für die Subgruppe von Studien, die sich explizit auf die Behandlung depressiver Symptome /Depression beziehen. c) Da in der Metaanalyse keine separate Effektstärke für Depression berichtet wird, geben wir die in der Metaanalyse wieder. d) Da sich sechs von 7 untersuchten Studien auf internet-basierte Interventionen beziehen und keine separate Effektstärke für IMI berichtet wird, geben wir den Gesamteffekt der Metaanalyse wieder. e) Andere = z. B. Krankenkassen, Gesundheitsorganisationen. f) Kontrollgruppen: WL = Warteliste (wait list); TAU = Treatment-as-usual; Andere = z. B. Aufmerksamkeitskontrolle, Placebo, Informationsflyer, unspezifisches Diskussionsforum. g) Vergleich mit Face-to-Face Interventionen (z. B. Verhaltensaktivierung, psychoedukative und in Dauer und Ablauf angepasste Einzel- und Gruppeninterventionen). h) Vergleich mit angeleiteter Selbsthilfe (guided self-help).
tig hohen Dropout Raten ein mittlerer Effekt zeigte (Twomey et al., 2017).Zu Moodgym liegt eine breitere Datenbasis von 12 randomisiert-kontrollierten Studien vor. Die Studien wurden mehrheitlich mit TAU oder aktiven Kontrollgruppen durchgeführt und resultieren in einem kleinen Effekt zugunsten des Programms (Twomey & O'Reilly, 2017). © 2018 Hogrefe
Internet-basierte Interventionen in der psychosozialen Versorgung Prävention und frühe Intervention Häufig genannter Vorteil von IMI ist deren Skalierbarkeit, d. h. die Möglichkeit ohne zusätzlichen Aufwand und Kosten breite Bevölkerungskreise und prinzipiell unbegrenzt
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Nutzer zu erreichen. Ihr Potenzial im Sinne der universellen Prävention können IMI auf Populationsebene v. a. dann ausspielen, wenn Zugang, Nutzung und Akzeptanz tatsächlich gegeben sind. Da derartige Untersuchungen große Stichproben erfordern, liegen mit Bezug auf die Prävention depressiver Störungen bislang nur sehr wenige Studien vor. Buntrock und Kollegen (2016) untersuchten in ihrer randomisiert-kontrollierten Studie mit 406 Personen, die auf subsyndromale depressive Symptomatik gescreent wurden, inwiefern die Teilnahme an einer IMI dem Auftreten einer depressiven Episode vorbeugt. Das zur Anwendung gebrachte Programm GET.ON Mood Enhancer basiert auf kognitiv-verhaltenstherapeutischen und problemlöseorientierten Ansätzen und umfasste sechs 30-minütige Einheiten. Binnen eines Jahres zeigten 47 % in der Kontrollgruppe und 32 % der Programmteilnehmer eine mittels strukturiertem Interview erfasste Major Depression. Die Teilnehmer der Studie wurden über Anzeigen mehrheitlich bei einer großen Krankenkasse sowie über andere Massenmedien rekrutiert. In einer Studie mit 180 Versicherten einer anderen deutschen Krankenkasse, bei denen aktuell oder in der Vergangenheit eine depressive Störung diagnostiziert sowie depressionsbedingte Krankschreibungen vorlagen, haben Beiwinkel und Kollegen (2017) untersucht, inwiefern durch die Teilnahme an einer IMI depressive Symptome und Krankheitsfehltage reduziert werden können. Das interaktive, therapeutisch-psychologisch begleitete Programm „HelpID“ kombiniert u. a. Elemente der KVT und systemischen Beratung und umfasst 12 wöchentliche 30 – 45-minütige Sitzungen. Im Vergleich zu Patienten der Kontrollgruppe, die auf der Warteliste standen und lediglich Zugang zu psychoedukativen Inhalten hatten, zeigte sich nach Abschluss der Intervention bei den Teilnehmern eine signifikante Reduktion in der depressiven Symptomatik, allerdings lagen nur von knapp der Hälfte der Stichprobe vollständige Daten vor. Bezüglich der Fehltage zeigte sich kein Unterschied zwischen den Gruppen (Beiwinkel et al., 2017). In einer Studie aus Australien wurde die Wirksamkeit eines 6-Sitzungen umfassenden Präventionsprogramms gegen Schlafstörungen und Depression an einer Stichprobe von 1149 Teilnehmern mit subsyndromaler Depression überprüft (Christensen et al., 2016). Auch hier wurden die Teilnehmer über öffentliche Medienaufrufe rekrutiert. Es zeigte sich im 6-Monatsverlauf eine deutliche Reduktion im PHQ-9 in der Interventionsgruppe, jedoch keine signifikante Reduktion in der Inzidenz einer Major Depression gegenüber der Kontrollgruppe, die an einer unspezifischen Online-Intervention teilgenommen hatte. Zusammenfassend ist offensichtlich, dass für den Bereich Prävention weitere Studien vonnöten sind, um belegen zu können,
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dass die Bearbeitung eines internetbasierten Selbsthilfeprogramms die Wahrscheinlichkeit, in der Folge an einer Depression zu erkranken, reduziert. Primärversorgung Da ein Großteil der Menschen mit leichten und mittelgradigen depressiven Störungen durch Hausärzte behandelt werden, wird dort ein wichtiges Anwendungsgebiet von IMI gesehen (DGPPN et al., 2015). Für diesen Versorgungsbereich liegen sowohl randomisiert-kontrollierte als auch naturalistische Beobachtungsstudien vor. Die empirische Evidenz bei Stichproben mit diagnostizierten Depressionen ist jedoch begrenzt, die Befundlage heterogen. Die meisten Erfahrungen liegen v. a. aus Ländern vor, deren Versorgungssystem die Integration von IMI in die Primärversorgung begünstigen, wie Grossbritannien (z. B. Gilbody et al., 2015; Kessler et al., 2009; Proudfoot et al., 2003) oder den Niederlanden (z. B. Graaf et al., 2009; Ruwaard, Lange, Schrieken, Dolan & Emmelkamp, 2012). Aus Deutschland liegen unseres Wissens dazu noch keine Studien vor. Beispielhaft soll im Folgenden auf aktuellere Studien genauer eingegangen werden. In einer großangelegten, 3-armigen randomisiert-kontrollierten Studie aus Schweden wurden 945 Patienten mit diagnostizierter depressiver Störung in Primärversorgungszentren rekrutiert. Nach 3 und 12 Monaten waren die jeweils auf 12 Wochen angelegte angeleitete ICBT Intervention wie auch eine supervidierte Face-to-Face Gruppenintervention mit körperlichen Trainingseinheiten der TAU-Gruppe in der Reduktion depressiver Symptome bei kleinen bis mittleren Effekten überlegen (Hallgren et al., 2016). Newby und Kollegen (2013) haben in Australien das über ihre Virtual-Clinic der Universität angebotene „Worry and Sadness Program“ anhand einer Serie von Studien evaluiert. Das Programm besteht aus einer 6-Sitzungen umfassenden, therapeutisch begleiteten, KVT-basierten Kombinationsbehandlung für Angst und Depression. An einer Stichprobe von 109 Patienten mit diagnostizierter Angst und / oder Depression, die sich über die Webseite bei der Online-Intervention registriert hatten, zeigte sich eine hohe Teilnahmebereitschaft (89 % absolvierten alle 6 Sitzungen) und größere Symptomverbesserungen als in der WartelisteKontrollgruppe (Newby et al., 2013). In einer nachfolgenden unkontrollierten Studie mit 136 Patienten, die über interessierte Hausärzte oder Therapeuten an das Programm „überwiesen“ wurden, war die Adhärenz mit 41 % wesentlich niedriger. Vorbehaltlich der hohen Dropout-Rate zeigten sich ähnlich hohe Symptomverbesserungen wie in der kontrollierten Studie (Newby et al., 2013). In einer unkontrollierten Qualitätssicherungsstudie wertete dieselbe Arbeitsgruppe schließlich Daten von 484 konsekutiven Programmteilnehmern aus, die durch Hausärzte und andere Behandler an ihre Webseite überwiesen wurden. Hier ab-
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solvierten 57 % der Teilnehmer alle 6 Module. Vorbehaltlich der hohen Dropout-Raten zeigten sich signifikante Prä-Post-Reduktionen in der depressiven Symptomatik wie auch bei selbstberichteten Suizidgedanken (Mewton & Andrews, 2015). Die Studie macht deutlich, wie sich die Teilnahme- und Dropout-Rate in Abhängigkeit von der Studienteilnehmerrekrutierung deutlich verändern kann. Weitere Hinweise auf die Programmnutzung lassen sich einer Studie aus Grossbritannien von Gilbody und Kollegen (2015) entnehmen. In ihrer REEACT-Studie, einer 3-armigen, randomisiert kontrollierten Effektivitätsstudie, verglichen die Autoren die Wirksamkeit der CCBT Programme Beating the Blues (BtB, kommerziell) und Moodgym (nicht-kommerziell) jeweils als add-on zur primärärztlichen Behandlung gegenüber der Standardprimärversorgung an einer Stichprobe von 691 depressiven Patienten, die landesweit in 83 Hausarztpraxen rekrutiert wurden. Beide Programme wurden in Kombination mit (minimalem) Telefonsupport angeboten. Nach vier Monaten zeigte sich in allen drei Gruppen etwa die Hälfte der Patienten symptomatisch gebessert. Verglichen mit der Standardbehandlungsgruppe waren auch nach 12 oder 24 Monaten bei den Teilnehmern der beiden Programme keine zusätzlichen, signifikanten Symptomverbesserungen zu beobachten. Allerdings ergaben Befragungen, dass auch 19 % der Patienten der Kontrollgruppe in irgendeiner Form auf ein CCBT Programm zugegriffen hatten. Auswertungen der Nutzeraktivitäten in den beiden CCBT Gruppen zeigten, dass 83 % (BtB) bzw. 77 % (Moodgym) der Teilnehmer das Programm mindestens einmal genutzt hatten. Von diesen absolvierten 18 % alle acht BtB-Sitzungen bzw. 16 % alle sechs Moodgym-Module. Die mittlere Sitzungszahl (Median) in den beiden Gruppen lag bei zwei (BtB) bzw. eins (Moodgym) (Gilbody et al., 2015). In einer Nachfolgestudie mit 369 depressiven Patienten konnten Gilbody und Kollegen (2017) zeigen, dass wöchentliche, über einen reinen technischen Support hinausgehende, ca. 10 bis 20 minütige motivierende Telefonkontakte die Programmadhärenz erhöhen und die Effektivität in der Größenordnung eines kleinen Effekts steigern. Die Autoren schlussfolgern aus ihren Untersuchungen, dass es ein Mindestmaß an therapeutischer Unterstützung bedarf, um einen klinischen Nutzen von CCBT Programmen in der Versorgung zu erzielen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Studienlage für diesen Versorgungsbereich deutlich umfassender im Vergleich zur Prävention ist. Die vorliegenden Untersuchungen variieren in einigen wichtigen Variablen wie z. B. Dauer der IMI, Adhärenz der Teilnehmer, „unguided vs. guided“. Es verwundert nicht, dass unter diesen Bedingungen die Wirksamkeitsnachweise heterogen ausfallen, von kleinen bis mittleren Effekten in prä-post- (z. B. Cavanagh et al., 2006; Mewton & Andrews, 2015; Ruwaard et © 2018 Hogrefe
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al., 2012) und "Kontrollgruppenvergleichen (Graaf et al., 2009, 2011; Hallgren et al., 2016; Kessler et al., 2009; Newby et al., 2013; Proudfoot et al., 2003, 2004)" bis zu nicht vorhandener Effektivität von IMI in Ergänzung zur hausärztlichen Standardversorgung (z. B. Gilbody et al., 2015), wobei durch motivierende Telefonkontakte dann doch mindestens kleine Effekte aufgezeigt werden können (z. B. Gilbody et al., 2017). Ambulante Psychotherapie und / oder fachärztliche Behandlung Unseres Wissens existieren bislang keine kontrollierten Studien aus Deutschland, die der Frage nachgehen, inwiefern IMI sinnvoll in der psychotherapeutischen und psychiatrischen Akutbehandlung von depressiven Patienten eingesetzt werden können, sei es begleitend in Form von Hausaufgaben, als Augmentierung oder als Ersatz einzelner Sitzungen zur Überbrückung geografischer Distanzen. Denkbar sind IMI auch in Form von online Booster-Sitzungen, als Baustein im Rahmen eines gestuften Behandlungsprotokolls bis hin zum teilweise oder vollständigen Therapieersatz. International liegt eine kleinere Zahl von Studien zu dieser Thematik vor. So wird BtB in Grossbritannien im Zuge der NHS Initiativen nicht nur über Hausarztpraxen erprobt, sondern auch in der Sekundärversorgung über spezialisierte, psychotherapeutische Einrichtungen angeboten, die damit eine flächendeckende und niederschwellige Verfügbarkeit psychotherapeutischer Angebote unterstützen sollen (Learmonth & Rai, 2008). In einer naturalistischen Effektivitätsstudie erhielten 829 Patienten, die aufgrund einer psychischen Störung zur Abklärung von einem Psychotherapeuten gesehen wurden und von diesem oder vom Hausarzt eine Empfehlung für eine KVT in einer spezialisierten Einrichtung erhalten hatten, das Angebot in der Wartezeit an BtB teilzunehmen. 555 Patienten (67 %) nahmen das Angebot an. Knapp drei Viertel (71 %) absolvierten alle acht vorgesehenen, unbegleiteten CCBT-Sitzungen. In Analysen der 267 Teilnehmer mit ausreichend verfügbaren BDI-Daten zeigten etwa 40 % eine reliable Verbesserung ihrer depressiven Symptomatik (Learmonth, Trosh, Rai, Sewell & Cavanagh, 2008). In einer umfangreichen, unkontrollierten Kohortenstudie aus Schweden haben Hedman und Kollegen (2014) die Behandlungsdaten aller 1203 im Zeitraum von 2007 bis 2013 konsekutiv in ihrer ICBT-Clinic behandelten Patienten mit diagnostizierter Major Depression ausgewertet. Den Autoren zufolge nahmen 905 (75 %) Patienten mindestens fünf (von 10) Sitzungen in Anspruch, im Schnitt wurden 7 Sitzungen absolviert. Verlaufskurvenanalysen zeigten Prä-Post-Verbesserungen der depressiven Symptomatik im Ausmaß großer Effekte, die nach 6 Monaten
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noch stabil waren, was aufgrund der sehr hohen Dropoutraten jedoch nur eingeschränkt interpretiert werden kann (Hedman et al., 2014). Kenter et al. (2016) analysierten in ihrer Beobachtungsstudie die Behandlungsdaten von 4448 Patienten mit Depression und Angststörungen in einer großen Versorgungseinrichtung, von denen 168 Patienten ein „blended treatment“ erhalten hatten, also eine Kombination aus ICBT und Face-to-face Therapie. Der Vergleich dieser Patienten mit einer gematchten Kontrollgruppe von Patienten, die in der Einrichtung eine reine Face-to-Face Therapie absolviert hatten, ergab keine Unterschiede in der Wirksamkeit zwischen den beiden Interventionsformen. Allerdings verursachte die Kombinationstherapie höhere Kosten, da die Patienten insgesamt mehr Sitzungen in Anspruch genommen hatten (Kenter et al., 2015). Ebenfalls ein blended treatment haben Ly et al. (2015) in Schweden in einer kontrollierten Studie mit einer Stichprobe von 93 Patienten mit diagnostizierter Major Depression untersucht. Die Intervention bestand aus vier Face-to-Face Sitzungen, die über 9 Wochen absolviert wurden und einer Smartphone App, die zwischen den Sitzungen u. a. für SMS Feedback und die Dokumentation von Aktivitäten genutzt werden konnte. Die Autoren verglichen die 9-wöchige Kombinationsbehandlung mit einer 10 Sitzungen umfassenden reinen Face-to-Face Intervention. Die Adhärenz war in beiden Gruppen hoch, 93 % der Teilnehmer absolvierten alle Face-to-Face Sitzungen. In beiden Interventionen verbesserte sich die depressive Symptomatik deutlich; zwischen den Gruppen zeigte sich ein kleiner Unterschied zugunsten der Face-to-Face Intervention im Anteil der Patienten, die nach der Behandlung klinisch signifikant gebessert waren, Im Vergleich zur Face-to-Face Therapie hatte die Kombinationsbehandlung 53 % weniger Therapeutenzeit in Anspruch genommen (Ly et al., 2015). Trotz der bislang wenigen Befunde wird blended treatments ein großes Potenzial zugeschrieben, so dass in absehbarer Zeit weitere Daten zur Machbarkeit, Akzeptanz, Sicherheit, Kosten und Zusatznutzen sowie möglichem Trainingsbedarf vorliegen werden (z. B. Kemmeren et al., 2016; Kleiboer et al., 2016; Krieger et al., 2014; van der Vaart et al., 2014). Stationäre Behandlung, Rehabilitation und Krankheitsmanagement Da sich vor und nach stationären Interventionen kritische Schnittstellen ergeben, sind die Anwendungs bereiche von IMI in stationären Settings prinzipiell vielfältig. Mögliche Maßnahmen reichen von vorbereitenden, Wartezeiten überbrückenden Interventionen über Maßnahmen, die die psychotherapeutische, psychosomatische oder rehabilitative Akutbehandlung ergänzen, bis hin zu Nach sorgeinterventionen und Krankheitsmanagement
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zur Rückfallprophylaxe und nachhaltigen Stabilisierung der Gesundheit. Die stationäre Psychotherapie und Rehabilitation nimmt besonders in Deutschland eine zentrale Rolle in der Versorgung von Menschen mit Depressionen ein. Therapievorbereitende Maßnahmen wurden von der Forschung bislang stark vernachlässigt. Standardisierte, psychoedukative oder den individuellen Aufenthalt vorbereitende Interventionen tragen möglicherweise dazu bei, die Klinikbehandlung effizienter zu gestalten. Eine der wenigen Studien zu dieser Fragestellung wurde mit dem Programm VORSTAT (Zimmer, Dogs & Kordy, 2011; N = 335) zur Vorbereitung einer stationären Psychotherapie durchgeführt. Es umfasst vier Module, u. a. ein individuelles Symptom-Monitoring, moderierte Expertenchats und strukturierte Informationen zu psychischen Störungen sowie Inhalten und Ablauf der kommenden Therapie in der Klinik. In den ersten zwei Wochen des stationären Aufenthalts zeigte sich eine raschere Symptomverbesserung gegenüber Patienten, die während ihrer Wartezeit nur einen eingeschränkten Zugang zum Programm erhalten hatten (Zimmer et al., 2011). In einer nachfolgend durchgeführten prospektiven, kontrollierten Beobachtungsstudie zeigten die 911 Programmteilnehmer im Rahmen ihrer stationären Therapie größere Verbesserungen als Patienten einer gematchten Vergleichsgruppe, die nicht an der Maßnahme teilgenommen hatten (Zimmer et al., 2015). Ebenfalls aus Deutschland liegen Erfahrungen aus den Bereichen Therapienachsorge und Rückfallprävention vor. Im Projekt Internet-Brücke nahmen Patienten im Anschluss an ihre stationäre Psychotherapie für 12 – 15 Wochen in therapeutisch moderierten, störungsübergreifenden Gruppenchats teil (Kordy, Golkaramnay, Wolf, Haug & Bauer, 2006). In störungsübergreifenden, prospektiven, kontrollierten Beobachtungsstudien mit Patienten, von denen jeweils etwa die Hälfte aufgrund einer depressiven Störung stationär behandelt worden waren, wurde die Wirksamkeit der Intervention untersucht. Gegenüber Kontrollpatienten, die die Standardbehandlung erhalten hatten, konnte das Wiederauftreten psychischer Symptome nach 12 Monaten signifikant reduziert und die Rückfallrate etwa halbiert werden. Mit 9 % war die Abbrecherquote relativ niedrig (Golkaramnay, Bauer, Haug, Wolf & Kordy, 2007; Bauer, Wolf, Haug & Kordy, 2011). Ähnliche Ziele mit unterschiedlichem Ansatz verfolgen weitere IMI zur Nachsorge stationärer Rehabilitationspa tienten (z. B. Bischoff et al., 2013; Ebert, Hannig, Tarnowski, Sieland, Götzky & Berking, 2013; Zwerenz et al., 2017). Die web-basierte Rehabilitationsnachsorge W-RENA wurde für Patienten entwickelt, die eine stationäre psychosomatische Rehabilitation absolviert haben (Ebert et al., 2013). Das transdiagnostische Programm dauert 12 Wochen und beinhaltet fünf Komponenten (z. B. einen per-
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sönlichen Entwicklungsplan und ein Web-Tagebuch). Auch dieses Programm erwies sich im Rahmen einer randomisiert-kontrollierten Studie mit einer Stichprobe von 400 diagnostisch gemischten Patienten (etwa die Hälfte primär Depression) im post-stationären Beobachtungszeitraum von 12 Monaten gegenüber der TAU Kontrollgruppe als überlegen (Ebert et al., 2013; Ebert, Tarnowski, Gollwitzer, Sieland & Berking, 2013). Ein weiteres aktuelles Beispiel ist das durch einen TeleCoach begleitete, Smartphone gestützte Programm eATROS für depressive Patienten, die eine stationäre psychosomatische Rehabilitation abgeschlossen haben (Schmädeke & Bischoff, 2015). Einen eher psychodynamischen Hintergrund hat das von der Deutschen Rentenversicherung unterstützte Programm Gesundheitstraining Stressbewältigung am Arbeitsplatz (GSA), dessen supportiv-expressiver Interventionsansatz Patienten nach der stationären beruflichen Reha Patienten bei der beruflichen Wiedereingliederung unterstützen soll (Zwerenz et al., 2017). Beide Ansätze zeigten im Vergleich zu Standardbehandlungsgruppen positive Effekte (Schmädeke & Bischoff, 2015; Zwerenz et al., 2017). Diese Befunde aus der stationären Therapie und Rehabilitation werden ergänzt durch internationale Studien mit zuvor ambulant behandelten, aktuell (teil-)remittierten, depressiven Patienten, die größtenteils außerhalb der Versorgung per Medienanzeigen rekrutiert wurden und an einer rückfallprophylaktischen IMI teilgenommen hatten (Holländare et al., 2011; Kok et al., 2015). Zusammenfassend belegen die Studien aus diesem Bereich das große Potenzial von IMI bei depressiven Störungen speziell beim Schnittstellen-Management (Übergang in oder aus einer Akuttherapie). Der episodische und oftmals langfristige Krankheitsverlauf diagnostizierter Depression legt nahe, dass Interventionen über die Akutbehandlung hinaus integrativ, kollaborativ, langfristig und adaptiv ausgelegt sein sowie das Selbstmanagement des Patienten unterstützten sollten. Funktion und Aufgaben der Technologie liegen hier eher bei Schnittstellenmanagement, der datengestützten Modellierung von Übergängen und Entscheidungen, dem Monitoring zen traler Gesundheitsparameter und dem Zugang zu niederschwelligen bzw. individuell abgestimmten Hilfsangeboten. Zur Begleitung von Patienten mit chronischen Krankheitsverläufen durch IMI liegen bislang kaum empirische Studien vor (Hunkeler et al., 2012; Kordy et al., 2013). Die in den USA mit Beteiligung einer großen Krankenversicherung entwickelte Plattform eCare for Moods umfasst u. a. eine elektronische Krankenakte und ein Zugangsportal für Behandler sowie diverse Unterstützungsangebote für Teilnehmer (z. B. psychoedukative Elemente und ein Selbstmonitoring-Tool). In einer Studie (N = 103) mit Pa tienten mit rezidivierender oder chronischer Depression, © 2018 Hogrefe
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die das Programm ein Jahr lang nutzen konnten, zeigten über einen Zeitraum von 24 Monaten eine deutlichere Reduktion ihrer depressiven Symptomatik im Vergleich zur Standardbehandlungsgruppe (Hunkeler et al., 2012). Ein ähnliches Ziel verfolgt das Programm SUMMIT (kurz für Supportives Monitoring und Krankheitsmanagement über das Internet). Von Kordy und Kollegen (Kordy et al., 2013; Kordy et al., 2016) wurde auf der Basis mehrjähriger Vorarbeiten dieses internet-basierte Programm zum Krankheitsmanagement für Personen mit rezidivierender depressiver Störung entwickelt. Primäres Ziel von SUMMIT über die Rückfallprophylaxe hinaus ist die Steigerung des Wohlbefindens, also die Zunahme von Tagen und Wochen mit geringer oder besser keinerlei depressiver Symptomatik über einen langen Zeitraum. SUMMIT besteht u. a. aus einem supportiven Monitoring (Wolf, 2011), einem direkten Zugriff auf Fachinformationen im Sinne einer Psychoedukation, einem geschützten und moderierten Diskussionsforum, Expertenchats und der Zugriff auf einen im persönlichen Kontakt erstellten individuellen Krisenplan. Das SUMMIT-Programm wurde in einer multizentrischen, randomisiert-kontrollierten Studie in zwei Varianten – mit und ohne persönliche Unterstützung – gegenüber der Regelbehandlung (TAU) an einer Stichprobe von 232 zuvor stationär psychiatrisch behandelten Patienten mit rezidivierender Depression getestet (Kordy et al., 2016). Die Teilnahme an SUMMIT führte zu einer Zunahme der „guten Wochen“ von 31 % (in der reinen TAU-Gruppe) zu 52 % bei den Programmnutzern. Es zeigte sich, dass der zusätzliche persönliche Kontakt zu keiner weiteren Zunahme von „guten Wochen“ führte. Allerdings wurden die Kontaktangebote in dieser Gruppe nur von etwa 20 % der Teilnehmer genutzt.
Diskussion In der vorliegenden Übersicht haben wir den aktuellen Stand zum Einsatz von IMI in der Versorgung von Pa tienten mit depressiven Störungen dargestellt mit Fokus auf Studien, die a) in zentralen Bereichen der psychosozialen Versorgung durchgeführt wurden, und b) deren Studienpopulationen sich aus Patienten mit einer diagnostizierten Major Depression zusammensetzten. Die Anwendung dieser Kriterien hatte zur Folge, dass eine Vielzahl der häufig im Zusammenhang mit der Wirksamkeit von IMI zitierten und in Meta-Analysen aggregierten Studien aus der vorliegenden Übersicht ausgeschlossen werden mussten. Zusammenfassend zeigt unsere Übersicht, dass trotz der starken internationalen Forschungsaktivitäten der letzten Jahre noch immer große Lücken bestehen, die teilweise forschungsmetho-
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disch bedingt sind. Besonders fehlen in vielen wichtigen Bereichen noch Erfahrungen, die auf das deutsche Versorgungssystem übertragbar sind, weshalb Schlussfolgerungen zum Einsatz von IMI in Deutschland derzeit nur eingeschränkt möglich sind. Abschließend sollen deshalb anwendungsübergreifend aus unserer Sicht ausgewählte, offene Fragen und methodische Einschränkungen der aktuellen Forschung aufgegriffen werden.
Klinische und versorgungsrelevante Herausforderungen Eine Mehrheit der Studien in dem gesamten Forschungsfeld wurde ohne State-of-the-Art Diagnostik einer depressiven Störung durchgeführt, so dass Aussagen über die eigentlich angezielte klinische Population nur eingeschränkt möglich sind. Es dominieren Studienstichproben, die anhand von Symptomselbstberichten gewonnen wurden. Studien, die nicht explizit über fremdurteilsbasierte In strumente (z. B. über SKID) Diagnosen stellen (sondern lediglich über Screening-Instrumente und Cut-off-Werte), implizieren das Problem, dass sie ggf. depressive Patienten anderer Störungsgruppen (z. B. bipolare oder Borderline-Störung) einschließen. Im Studienkontext führt dies maximal zu einer eingeschränkten Interpretierbarkeit der Ergebnisse, in der Versorgung ohne leitliniengerechte Diagnostik jedoch impliziert dieses Vorgehen ggf. einen Behandlungsfehler. Wir haben an mehreren Stellen auf das Problem der eingeschränkten Teilnahmebereitschaft auf Seiten der Betroffenen hingewiesen. Derzeit liegen keine klaren Informationen zu Akzeptanz und Teilnahmebereitschaft der Interventionen auf Seiten von Therapeuten vor. Nach wie vor herrscht Skepsis bzgl. der Wirksamkeit von IMI generell und des Nutzens für die eigene Arbeit (Hennemann, Beutel & Zwerenz, 2017; Perle et al., 2013). Ins besondere bei den blended treatments scheint die Akzeptanz größer, wenngleich hier wichtige Fragen der Implementierung noch offen sind (Topooco et al., 2017). Es stellt sich zudem die Frage der Qualifizierung / Ausbildung von Therapeuten, die IMI in ihre psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung integrieren. Es gibt darüber hinaus Hinweise, dass die Akzeptanz für Technologie-gestützte Interventionen in der Allgemeinbevölkerung, besonders aber in deutlicher beeinträchtigten klinischen Stichproben geringer ausfällt als die Befunde zu Akzeptanz und Adhärenz aus kontrollierten „Labor-“Studien mit selegierten Community-Stichproben vermuten lassen (Apolinário-Hagen, Vehreschild & Alkoudmani, 2017; Hennemann e t al., 2017; Kraft et al., 2017; Mohr et al., 2010; Wallin, Mattsson & Olsson, 2016). Auch Befragungen in anderen Populationen, z. B.
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der Primärversorgung, lassen eher auf eine begrenzte Akzeptanz schließen (Gilbody et al., 2015; Mohr et al., 2010). Hier erscheint eine gezielte Aufklärung notwendig. Erste Studien mit psycho-edukativen Interventionen zur Steigerung der Akzeptanz mit gemischten Befunden liegen vor (Baumeister, Nowoczin et al., 2014; Ebert et al., 2015). Schließlich stellen sich Fragen des Zugangs zu und Dissemination von seriösen Angeboten: In Deutschland erfolgt der Zugang zu IMI noch fast ausschließlich im Rahmen von Studien zeitlich begrenzt über die beteiligten Institutionen. Mittlerweile bieten einzelne Krankenkassen ihren Versicherten IMIs an, außerdem können einige Programme direkt über kommerzielle Anbieter bezogen werden. Moodgym ist seit 2016 auch in Deutschland online frei zugänglich. Ansonsten ermöglichen einzelne Kliniken (z. B. die ambulante Internetpsychotherapie netstep des St. Alexius / St. Josef Krankenhauses in Neuss) oder Stiftungen (z. B. iFightDepression der European Alliance Against Depression, die von der Universität Leipzig koordiniert wird) Patienten die Teilnahme an Programmen. Eine weitere Variante stellen zentral, über klinisch-universitäre Institutionen betriebene „Online-Kliniken“ (Marks, 2009) dar, Vorbilder sind die ICBT-Clinic in Schweden (Hedman et al., 2014), das Online-Selbsthilfeportal „E-Hub“, über das u. a. Moodgym kostenlos angeboten wird (Bennett, Reynolds, Christensen & Griffiths, 2010), oder das Portal „ThisWayUp“ (Andrews & Williams, 2015) aus Australien. Auch potenziell qualitätsgesicherte Übersichts- oder Vergleichsportale bieten Zugang, wie die Beacon-Webseite aus Australien (Christensen et al., 2010). In Deutschland fehlen neutrale Übersichtsseiten bislang. Während sich interessierte Therapeuten über Fachpublikationen orientieren können (z. B. Krause et al., 2016), gibt es für Patienten derzeit keine Möglichkeit sich umfassend und neutral zu informieren. Angesichts des rasch wachsenden, auch kommerziellen Angebots von IMIs und Apps bedarf es neutraler Institutionen, die Professionellen wie auch potenziellen Teilnehmern einen aktuellen Überblick ermöglichen (hierzu ausführlich Klein et al., 2016; Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, 2017; Bundespsychotherapeutenkammer, 2017). Weitere wichtige Probleme und Fragen, auf die wir aus Platzgründen nicht ausführlicher eingehen können, sind den IMI zugrunde liegende Wirkfaktoren (siehe hierzu z. B. Mogoașe, Cobeanu, David, Giosan & Szentagotai, 2017), die Bedeutung der therapeutischen Beziehung (Berger, 2017) und die noch weitestgehend offene Frage nach der Nachhaltigkeit von IMI. Eine Reihe methodischer Probleme erschweren die Generalisierbarkeit und Interpretierbarkeit der derzeitigen Befundlage (Arnberg et al., 2014; Kiluk et al., 2011): Mit wenigen Ausnahmen handelt es sich (noch) um kleinere,
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monozentrische, an Universitäten „im Labor“ von motivierten Entwicklern (z. T. Firmen) initiierte oder begleitete Studien. Allerdings ist die Übertragbarkeit der Ergebnissee auf die reale Versorgungssituation begrenzt, wie aktuelle großangelegte Effectiveness-Studien unter weniger idealen, gleichwohl repräsentativen Bedingungen, zeigen (Gilbody et al. 2015). Die Überprüfung der Effektivität anhand von sogenannten „Community Samples“ impliziert erhebliche Selektionseffekte (z. B. hinsichtlich der Medien- und Hilfesuchkompetenz). Vergleiche mit WartelisteKontrollgruppen sind kritisch zu sehen, da sie konsistent höhere Effekte generieren und möglicherweise dazu beitragen, dass Effekte im Vergleich zu aktiven Kontrollgruppen überschätzt werden (Cuijpers & Cristea, 2016; Furukawa et al., 2014). Teilweise hohe Dropout- (und geringe Akzeptanz-) Raten von bis zu 60 % oder mehr erschweren valide Schätzungen des Behandlungsergebnisses. Häufig erzeugen zudem selektive Dropout-Raten in den jeweiligen Gruppen zusätzliche Verzerrungen (Melville, Casey & Kavanagh, 2010).
Limitierungen In der vorliegenden Arbeit wurden möglicherweise aktuelle Arbeiten übersehen, da sich das Feld extrem schnell entwickelt, sowohl auf Seiten der Programme als auch auf Seiten der Forschung. Wir sind daher zuversichtlich, dass einige der in diesem Beitrag adressierten Fragen rasch beantwortet werden können und Bereiche in der Versorgung identifiziert werden, in denen IBI nachweislich einen effektiven Beitrag leisten können. Die Vielfalt der Interventionsansätze macht eine übergreifende Bewertung schwierig, ist grundsätzlich aber eine Stärke des Feldes, denn sie birgt bei Vorliegen entsprechender Evidenz ein reiches Portfolio für passgenaue Anwendungen in unterschiedlichsten Indikationsbereichen auf allen Ebenen der psychosozialen Versorgung.
Schlussfolgerungen Gemäß der Phasen wissenschaftlich-technischer Innovationen stellt sich die Frage, wo das Feld derzeit steht. Es scheint, dass wir nach anfänglicher Euphorie genährt durch hohe prä-post-Effektstärken sowie Effekten, die an liberalen Vergleichsgruppen erzielt wurden, derzeit vor dem Übergang in eine Phase stehen, in der es tatsächlich um die Feststellung der generellen Wirksamkeit (Phase 3) geht und in der möglichst große, kontrollierte Studien ohne Interessenkonflikte an für die Versorgung reprä© 2018 Hogrefe
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sentativen, klinischen Stichproben, unter möglichst versorgungsnahen Bedingungen, mit aussagekräftigen Kontrollgruppen getestet werden, um die Ergebnisse zu konsolidieren. Die Zurückhaltung ist nachvollziehbar, da es sich hier um komplexe Interventionen handelt, deren Überprüfung sich wesentlich aufwändiger gestaltet, als es die bisherigen Studien waren. Unsere Übersichtsarbeit legt den Schluss nahe, dass eine Extrapolation der bislang gefundenen Effekte auf die Population von Patienten mit einer diagnostizierten Major Depression einerseits sowie in den dargestellten Versorgungsbereichen anderseits zum jetzigen Zeitpunkt nur eingeschränkt möglich ist.
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Prof. Dr. Matthias Backenstrass Institut für Klinische Psychologie Zentrum für Seelische Gesundheit Klinikum Stuttgart Prießnitzweg 24 70374 Stuttgart Deutschland m.backenstrass@klinikum-stuttgart.de
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Klinische Untersuchungsverfahren
Hopkins-Symptom-Checkliste-25 (HSCL-25) Rolf-Dieter Stieglitz Fakultät für Psychologie, Abteilung Klinische Psychologie und Psychiatrie
Testart Bei der Hopkins-Symptom-Checkliste 25 (HSCL-25) von Petermann und Brähler (2013) handelt es sich um ein zweidimensionales Selbstbeurteilungsverfahren zur Erfassung der Psychopathologie auf den Dimensionen „Depression“ und „Angst“. Das Verfahren umfasst 25 Fragen, wobei sich die ersten 10 Fragen auf den Angstbereich, die nächsten 15 Fragen auf den Depressionsbereich beziehen. Die Items müssen im Hinblick auf die letzte Woche nach ihrem Schweregrade eingeschätzt werden (überhaupt nicht – ein wenig – ziemlich – extrem).
Theoretischer Hintergrund Die HSCL-25 basiert auf einem der ersten Verfahren zur Symptomevaluation, der Hopkins-Symptom-Checkliste (HSCL), die vor mehr als 50 Jahren entwickelt wurde und den Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Vielzahl von unterschiedlichen Verfahren gebildet hat, von denen die Symptom Checklist (SCL-90-R von Derogatis; deutsche Version Franke, 2013) am bekanntesten ist. Die HSCL-25 wurde entwickelt, um gegenüber umfangreicheren Verfahren eine ökonomische Erfassung psychischer Belastung zu ermöglichen.
Anwendungsbereich Die HSCL-25 ist ab dem 14. Lebensjahr einsetzbar und verlangt ein gutes Verständnis der deutschen Sprache. Sie erlaubt neben der globalen Erfassung psychischer Belastung auch die differenzierte Überprüfung von Symptomen der Angst und Depression. Sie dient der Schweregradbeurteilung beider Bereiche, eine Diagnosestel© 2018 Hogrefe
lung ist, wie generell bei Selbstbeurteilungsverfahren, nicht möglich. Das Verfahren kann sowohl im Querschnitt als auch zur Erfassung von Veränderungen im Therapieverlauf eingesetzt werden. Die HSCL-25 kann nach Angaben der Autoren als ein Instrument angesehen werden, das einen sehr weiten Anwendungsbereich hat, sowohl im Kontext der Medizin als auch im Hinblick auf psychologische Fragestellungen, d. h. sie eignet sich für den Einsatz in allen Bereichen, in denen psychische Symptomatiken erfasst werden sollen, nicht nur im psychiatrischen Kontext und ist auch ausgewiesen als ein international etabliertes Verfahren. Die HSCL-25 wurde bereits in interkulturellen Studien eingesetzt, vor allem im Zusammenhang mit Traumatisierungen.
Testdurchführung und -auswertung Die Durchführungsobjektivität ist gewährleistet. Im Manual findet sich eine differenzierte Anleitung, wie das Verfahren einzusetzen ist und die Instruktion auf den Testbögen unterstreicht dies. Die Auswertung ist relativ einfach, da es lediglich um eine Aufsummierung der Items handelt. Aufgrund der Reihenfolge von zunächst Angst- und dann Depressionsitems ist keine Schablone notwendig. Ermittelt werden die Werte für die Angst und die Depression sowie ein Globalwert. Die Normtabellen ermöglichen eine schnelle Interpretation der Werte. Es liegen alters- und geschlechtsspezifische Normen vor. Die Normierung erfolgte im Hinblick auf T-Werte und kumulierte Prozentwerte. Die Autoren empfehlen eine Grobeinschätzung der Werte im Hinblick auf leicht auffällig, deutlich auffällig und stark auffällig. Referenzgruppe ist eine Stichprobe gesunder Patienten (N = 2462). Mittels Profildarstellung ist eine anschauliche Art der Präsenta tion der Ergebnisse möglich.
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Gütekriterien und Normen Für die HSCL-25 existieren Kennwerte für die Reliabilität (Cronbachs Alpha). Die Werte sind für Selbstbeurteilungsverfahren als gut einzustufen. Im Hinblick auf die Validität sind vor allem die differenzierten Analysen zur Dimensionalität zu erwähnen (explorative und konfirmatorische Faktorenanalysen). Die konfirmatorischen Faktorenanalysen bestätigen die Zweidimensionalität der Skala. Weitere Validitätsuntersuchungen fokussieren vor allen Dingen auf die konvergente Validität (Korrelation mit Verfahren wie z. B. dem Patient-Health-Questionnaire, PH-4) sowie die Gruppendifferenzierung auffälliger und unauffälliger Personen. Die Ergebnisse liegen in erwarteter Richtung.
Kritik Die HSCL-25 ist ein gut geeignetes Verfahren, um die zentralen Dimensionen Angst und Depression sowie einen Grobindikator für die allgemeine subjektive Beeinträchtigung zu erfassen. Sie ist schnell durchführbar und auswertbar. Weiterführende Untersuchungen sind jedoch bezogen auf die Validität wichtig, vor allen Dingen auch im Hinblick auf unterschiedliche Störungsgruppen und zusätzlich auch auf die die diskriminante / divergente Validität. Auch Fragen der Veränderungsmessung (Änderungssensitivität) sollten zukünftig noch untersucht
Klinische Untersuchungsverfahren
werden. Als Vorteil zu nennen ist die stabile Faktorenstrukturen des Verfahren, was bei der SCL-90-R nicht der Fall ist (Glöckner-Rist & Stieglitz, 2012; Stieglitz, 2008). Das Verfahren ist allen zu empfehlen, die sich einen kurzen Überblick zum Schweregrad von Angst und Depression verschaffen wollen und auf umfangreichere, zeitaufwändigere Verfahren verzichten möchten, dies gilt im Querschnitt wie im Verlauf.
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Prof. Dr. Rolf-Dieter Stieglitz, Dipl.-Psych Institut für Psychologie Abteilung Klinische Psychologie und Psychiatrie Missionsstr. 62A 4055 Basel Schweiz r.stieglitz@unibas.ch
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Buchbesprechung Klein, J. P. und Belz, M. (2014). Psychotherapie chronischer Depression. Praxisleitfaden CBASP. Göttingen: Hogrefe, 135 Seiten, € 34.95 (CHF 46.90), ISBN 978-3801724665 Depressive Störungen zählen zu den häufigsten Störungen in der Allgemeinbevölkerung. Neben psychopharmakologischen Interventionen, die die ersten Behandlungsoptionen Anfang der 50er Jahre darstellten, sind in den letzten 40 Jahren vor allem im Bereich der Psychotherapie eine Vielzahl von Behandlungsansätzen speziell kognitiv-verhaltenstherapeutischer Art entwickelt worden. Mit der zunehmenden Ausdifferenzierung depressiver Störungen auch in den aktuellen Klassifikationssystemen wie ICD-10 und DSM-IV/5 wurden auch differenziertere Therapieverfahren entwickelt. Verlaufsstudien an depressiven Störungen haben zudem gezeigt, dass es eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Personen gibt, die nur schwer auf eine Behandlung ansprechen und die Tendenz zur Chronifizierung haben. Diesen Erkenntnissen Rechnung tragend wurde z. B. auch im DSM-5 die Kategorie der chronischen Depression aufgenommen (Persistierende Depressive Störung, Dysthymie). Parallel dazu, auch im Hinblick darauf, dass psychopharmakologische Behandlungen gerade bei den therapieresistenten Depressionen nur bedingt noch ihre Wirksamkeit zeigen, wurden psychotherapeutische Verfahren entwickelt, von denen am bekanntesten das Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) von James McCullough ist. Das Manual basiert auf den Behandlungsmanualen von McCullough und deren Weiterentwicklungen und versucht, den aktuellen Stand des CBASP-Ansatzes zusammenzutragen. Das in der Reihe „Therapeutische Praxis“ bei Hogrefe erschienene Buch gliedert sich in vier Kapitel sowie einen umfassenden Anhang. Im Kapitel 1 (Theoretischer Hintergrund – chronische Depression und das CBASP-Konzept) werden die Hintergründe für die Entstehung des Störungsbildes, vor allen Dingen aber auch die zentralen Aspekte der Symptomatologie dargestellt sowie auf die bisherige empirische Befundlage der Behandlung mit CBASP hingewiesen. Es wird in diesem Kapitel u. a. auf die unzureichende In formationsverarbeitungsprozesse chronischer Depression und Defizite im interpersonellen Bereich hingewiesen. Es finden sich weiterhin in diesem Kapitel Informationen zur Diagnostik allgemein, wie therapie-begleitenden Dia gnostik speziell. © 2018 Hogrefe
Im Kapitel 2 (Ablauf der Therapie) werden die Standard optionen der Behandlung dargestellt. Die Rolle des Therapeuten und die Bedeutung der therapeutischen Beziehung werden betont. Das Störungsmodell im Kontext einer Psychoedukation sowie die Fallkonzeption werden kurz skizziert. Den Kern dieses Kapitels stellen die Interventionen dar. Unter dem Begriff der Veränderungsstrategien im CBASP-Konzept (u. a. Training interpersoneller Fertigkeiten) werden die für diesen Ansatz zentralen psychotherapeutischen Interventionen vorgestellt. Im Kapitel 3 (Modifikation) geht es darum, den Indikationsbereich der Anwendung des Therapieprogramms über die reinen depressiven Störungen hinaus aufzuzeigen, wobei insbesondere auf den Aspekt der komorbiden Patienten eingegangen wird (Alkoholabhängigkeit, Panikstörung, posttraumatische Belastungsstörung, Persönlichkeitsstörungen) sowie auf Anwendung des Verfahrens in anderen Settings wie z. B. in der Gruppe oder im stationären Bereich bzw. unter Einbeziehung der Partner. Die Autoren betonen auch in diesem Kapitel, dass es sich bei CBASP nicht um ein statisches Konzept handelt, sondern Modifikationen sinnvoll wie notwendig und hilfreich sind. Im Kapitel 4 (schwierige Therapiesituationen) finden sich eine Zusammenstellung von antizipierten Situationen, bei denen innerhalb der Therapie Schwierigkeiten auftreten können (z. B. Situationsanalyse: was mache ich, wenn …?). Im Anhang finden sich wichtige Materialien, die für die Therapiedurchführung notwendig und hilfreich sind. Diese Materialien sind auch auf der beiliegenden CD-ROM enthalten. Hierzu gehören diagnostische Hilfsmittel, Materialien zur Psychoedukation oder zu einzelnen Elementen innerhalb des Therapieprogramms wie z. B. zur interpersonellen Diskriminationsübung.
Bewertung Bei dem Manual handelt es sich um eine sehr praxisnahe und anschauliche Darstellung des CBASP. Hilfreich sind die zahlreichen Therapiebeispiele über den gesamten Text
Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2018), 66 (1), 63–64 https://doi.org/10.1024/1661-4747/a000341
64 Buchbesprechungen
verteilt mit Fragebeispielen, die der Therapeut ggf. nutzen kann. Ebenfalls positiv zu bewerten sind die Fallbeispiele und Therapiesituationen und exemplarischen PatientTherapeut-Interaktionen. Kritisch einzuwenden sind lediglich einige kleinere Aspekte. So wird nicht auf das etwa zeitgleich auf Deutsch erschienene Buch von McCullough (2012) eingegangen. Hier wäre eine Abgrenzung zum Inhalt dieses Bandes sicherlich hilfreich. Wie bei anderen Therapiemanualen auch, wären noch genauere Hinweise zur Qualifikation der Therapeuten sinnvoll gewesen, um das Risiko für eine rein formale Anwendung des Programms zu verhindern.
Prof. Dr. Rolf-Dieter Stieglitz, Dipl.-Psych Institut für Psychologie Abteilung Klinische Psychologie und Psychiatrie Missionsstr. 62A 4055 Basel Schweiz r.stieglitz@unibas.ch
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Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie (2018), 66 (1), 63–64
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Das optimale Vorgehen nach sexualisierter Gewalt
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Sexualisierte Gewalt ist nicht nur mit vielen Tabus verbunden, sondern bedeutet für die Opfer Schmerz, Ohnmacht, das Aushalten des Geschehenen und das Bewältigen der posttraumatischen Symptome. Viele schweigen, einige suchen Unterstützung in Beratung und Therapie, aber nur wenige strengen ein Strafverfahren an. Lediglich ein kleiner Teil davon, etwas weniger als ein Fünftel, führt zur Verurteilung des Täters. Das vorliegende Handbuch weist basierend auf dem neuesten Stand der psychologischen und psychiatrischen Forschung wie auch der
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Diskussion in Polizei und Justiz den Weg für ein optimales Vorgehen der verschiedenen Fachpersonen. Die Herausgeber haben damit für die Praxis ein Nachschlagewerk geschaffen zu Kernfragen in der Unterstützung, der Behandlung, des Umgangs und der Vertretung von Opfern sexualisierter Gewalt. Im Zentrum steht der interdisziplinäre Ansatz bei der Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt, der sich sowohl an medizinische und psychologische Fachpersonen wie auch an Fachleute aus der Strafverfolgung, der Gerichte und der Prävention richtet.
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Das vorliegende Modul „Abhängigkeitserkrankungen“ ergänzt und vertieft die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD-2) in Bezug auf stoffbezogenen Missbrauch oder Abhängigkeit. Die Foki aus der Grundpersönlichkeit werden dabei mit der Dynamik der abhängigkeitsbedingten Persönlichkeitsveränderungen zu einem Abbild der „Suchtspirale“ verknüpft.