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Mitteilungen der Bundesfachvereinigung leitender Krankenpfl egepersonen der Psychiatrie e. V
In der letzten Ausgabe hat sich der Vorsitzende des Landesverbandes Berlin/Brandenburg Edwin Emilio Velásquez Lecca mit seinem Steckbrief vorgestellt. In der vorliegenden Ausgabe stellt sich der neu gewählte und erweiterte BFLK-Bundesvorstand vor.
Liebe Mitglieder, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundeskonferenz hat in ihrer Herbstsitzung in Düsseldorf den BFLK-Bundesvorstand neu gewählt: • Vorsitzende: Silke Ludowisy-Dehl (Langenfeld) • Vorsitzender: Rainer Kleßmann (Bielefeld) • Schatzmeister: Renko Janßen (Münster) • Öff entlichkeitsarbeit: Isabella Müller (Alzey) • Schriftführer: Uwe Kropp (Berlin) • Beisitzerin: Ulrike Dogue (Augsburg) • Beisitzerin: Rebecca Kanthak (Lutherstadt Wittenberg/
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Dessau) • Beisitzerin: Elvira Lange (Bonn)
Aus dem Vorstand ausgeschieden sind unsere langjährigen Vorstandsmitglieder Georg Oppermann, Grit Stocker und Frank Vilsmeier. Wir danken Ihnen an dieser Stelle von ganzem Herzen für die gute, vertrauensvolle, freundschaftliche und erfolgreiche Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren! Es hat immer Spaß gemacht. Wir alle wussten, dass die investierte Zeit (in der Regel ist es ja Freizeit) sich lohnt! Jetzt hat sich die BFLK verändert, nach jahrzehntelanger „Männerwirtschaft“ ist die BFLK an ihrer Spitze um deutlich mehr Frauen reicher geworden. Wir werden in den nächsten Jahren zahlreiche Aufgaben zu erledigen haben. In vielen Aufgaben stecken wir schon, andere stehen vor der Tür. Auch wenn es nicht immer einfach im Konzert der Politik und der Interessensvertreter ist, , wir stehen für die psychiatrische Pfl ege und insbesondere für das Pfl egemanagement ein! Anfang des kommenden Jahres werden wir uns zu einer konstituierenden Sitzung treff en und die Ziele für die nächsten Jahre abstimmen. Die Ergebnisse werden wir in der nächsten Mitgliederversammlung mit Euch teilen. Wir sehen uns hoff entlich auf unserer 45. Jahrestagung in Düsseldorf wieder.
Mit kollegialen Grüßen Ihr BFLK-Bundesvorstand
Der neue BFLK-Bundesvorstand (von links nach rechts): Ulrike Dogue, Renko Janßen, Rainer Kleßmann, Silke Ludowisy-Dehl, Uwe Kropp, Elvira Lange.
Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, am 22. Oktober 2019 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Richtlinie zur Personalausstattung veröff entlicht. Nach fast vier Jahren Arbeit hat der G-BA im Sinne der Sicherung der Strukturqualität Mindestvorgaben festgelegt, deren Erfüllung grundsätzlich vorliegen muss, um psychiatrische Behandlung erbringen zu dürfen. Diese Richtlinien gab es bis jetzt nur für somatische Leistungen, aber nicht für gesamte Fachbereiche der Medizin. Daher haben wir alle erwartet, dass diese Mindestvorgaben die Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) ablösen und es ein neues Personalbemessungsinstrument für uns geben wird, als sich der Gesetzgeber festgelegt hat. Leider haben sich unsere Erwartungen nicht erfüllt. Vielleicht hatten wir die falschen Erwartungen. Auch wenn die PPP-RL derzeit noch auf ihre Rechtmäßigkeit beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geprüft wird, geht die Fachwelt davon aus, dass sie am 01. Januar 2020 ihre Wirkung entfalten wird. Da auch auf uns, das Pfl egemanagement in der Psychiatrie, erhebliche Herausforderungen zukommen, habe ich die Ergebnisse, die für die psychiatrische Pfl ege wichtig sind, zusammengestellt und einige Empfehlungen gewagt:
1. Grundlage der PPP-RL ist die Psych-PV von 1991
Die Grundlage der PPP-RL ist die PsychPV aus dem Jahre 1991 und zwar ohne Anpassungen! Es wurde neben der Systematik die Festschreibung der Regelaufgaben übernommen. Das ist besonders tragisch, da so der Entwicklung der psychiatrischen Pfl ege in den letzten fast 30 Jahren nicht gerecht wird. Die entsprechende Arbeitsgruppe beim G-BA (an der Georg Oppermann als Vertreter des Deutschen Pfl egerates zwar beratend, aber leider ohne Stimmrecht, beteiligt war) hat viele Anstrengungen unternommen, eine valide Grundlage für die PPP-RL zu fi nden. Die Sichtung internationaler Systeme, die Auswertung der einschlägigen Leitlinien sowie zahlreiche Expert_innenworkshops konnten nicht überzeugen, so dass auf die altbewährte Personalbemessung zurückgegriff en wurden. Dass einige kleine Verbesserungen für die psychiatrische Pfl ege erreicht werden konnten, ist in erster Linie den Expert_innen zu verdanken. An dieser Stelle noch einmal einen herzlichen Dank an unsere Expert_innen! Letztendlich sind die Vorschläge der Arbeitsgruppe im Unterausschuss Qualitätssicherung noch einmal beraten und verändert worden, bis die Richtlinie am 19. September 2019 schlussendlich in einer sechsstündigen Beratung in der Plenumssitzung des G-BA verabschiedet wurde (gegen die Stimmen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)).
2. Regelung nur für den Tagdienst
Analog der Psych-PV gelten die Minutenwerte nur für den Tagdienst. Insbesondere Nachtdienste und Bereitschaftsdienste werden von der PPP-RL nicht erfasst, da eine entsprechende Datengrundlage zur Berechnung nicht vorlag. Entgegen einiger Verbände-Aussagen gilt die Erfüllungsnotwendigkeit der Minutenwerte zu 100 % bereits ab dem 1. Januar 2020. Hieraus lässt sich auch der Budgetanspruch ableiten. Die Abstufungen in 85 % und 90 % für jeweils zwei Jahre sollen die Krankenhäuser vor Sanktionen bei Nichterfüllung schützen. Das Jahr 2020 ist zudem nicht sanktionsbewehrt, da die Sanktionen (Vergütungsabschläge/Entfall des Vergütungsanspruchs/Leistungsausschluss) noch erarbeitet werden müssen (bis 30. Juni 2020). Die Rechtmäßigkeit und die Erfordernisse ergeben sich aus den § 136 ff Sozialgesetzbuch (SGB) V.
3. Wegfall der Sockelminuten
Der Sockel ist damals eingeführt worden, um die Stationsgröße zu begrenzen (12 bzw. 18 Patient_innen). Allerdings gab es diese Vorgabe nur für den Pfl ege- und Erziehungsdienst. Es bedeutete, dass die Pfl egeminuten zunächst um 278 Minuten gekürzt wurden und als Sockelminuten jeder Station hinzugerechnet wurden (18 × 278 = 5000 Minuten). Für jede weitere Person blieben die Minuten gekürzt. Dass diese Vorgabe nicht den gewünschten Erfolg erzielt hat, dafür sprechen die heutigen Stationsgrößen von bis zu 30 Betten. Die BFLK war zunächst eher unsicher, ob sie dem Wegfall zustimmen sollte. Aber letztendlich sind die Gegebenheiten so, wie sie sind. Es erfolgt keine Kürzung ab dem/der 19. Patient_in mehr. Da zukünftig somit auch mit zunehmender Stationsgröße mehr Pfl egepersonal eingesetzt werden muss, ist zu vermuten, dass größere Stationen nicht mehr aus rein ökonomischen Gründen geplant werden.
4. Erhöhung der Pfl egeminuten in den
Intensivbehandlungsbereichen und KJP
Die Expert_innen in allen Anhörungen haben durchgängig die schlechtere Ausstattung der Pfl ege gegenüber den anderen Berufsgruppen ausgesprochen. Der G-BA hat diesen erhöhten Bedarf anerkannt und die Pfl egeminuten pauschal erhöht – um 10 % in den Intensivbehandlungsbereichen in der Erwachsenenpsychiatrie (A2/G2/ S2) und um 5 % in allen Behandlungsbereichen der KJP (für alle Berufsgruppen).
5. Übergabezeiten
Neben der Übergabezeit (30 Minuten) des Nachtdienstes werden zukünftig 30 Minuten Übergabezeit für den Tagdienst angerechnet (= 14,5 Stunden).
6. Ausfallzeiten
Die Ausfallzeiten sind in der PPP-RL explizit exkludiert (§ 2 Abs. 10) und müssen mit den Krankenkassen vor Ort verhandelt werden. Zudem legt die Richtlinie fest, dass in den vorgegebenen Minutenwerte nicht alle Leistungen erfasst sind, die eine leitliniengerechte Versorgung sicherstellen und daher auch auf der Ortsebene zu vereinbaren sind.
7. Behandlungsbereiche
Die bekannten Behandlungsbereiche sind nur wenig verändert worden, lediglich die „A3“ wurde gestrichen (spielte aber schon sehr lange keine Rolle mehr). Die Behandlungsbereiche in der Psychiatrie wurden um die „A7“ (Psychotherapeutische Komplexbehandlung), „A9/G9/S9/ KJ9“ (Stationsäquivalente Behandlung) sowie zwei Behandlungskategorien für die Psychosomatik („P1“: Psychotherapie und „P2“: Psychosomatische-psychotherapeutische Komplexbehandlung) erweitert.
8. Berufsgruppen
Neben den klassischen pfl egerischen Ausbildungsberufen werden erstmals auch akademisch ausgebildete Pfl egefachpersonen genannt. Dies könnte bei Budgetverhandlungen hilfreich sein, wenn es um die Festlegung der Durchschnittsgehälter geht. Zudem ist eine Anrechnung der Berufsgruppen untereinander (analog der Psych-PV) möglich. Zudem können Fachkräfte, soweit wie sie Regelaufgaben erbringen, in begrenztem Umfang angerechnet
werden. Sichergestellt sein muss, dass eine ausreichende Qualifi kation zur Erfüllung der übertragenen Regelaufgaben vorliegt.
9. Einstufung in die Behandlungsbereiche alle 14 Tage
Die Einstufung in die Behandlungsbereiche sind wir an vier Stichtagen im Jahr gewöhnt! Ab dem nächsten Jahr werden aus vier insgesamt 26 Stichtage! Denn die Einstufung muss zukünftig alle 14 Tage und zwar immer an jedem Mittwoch einer ungeraden Kalenderwoche für die um 14:00 Uhr anwesenden Patient_innen erfolgen. Die stundenweise Abweichung ist sicherlich unschädlich. Da die Einstufungen ähnlich der Pseudo-OPS sind, kann eine elektronische Ableitung hilfreich sein (hilft zumindest für das nächste Jahr). Für die Ermittlung der Mindestvorgaben werden zunächst die Minutenwerte der Behandlungsbereiche mit der Anzahl der Behandlungswochen je Behandlungsbereich multipliziert. Für die Berechnung der Behandlungswochen werden die Behandlungstage je Quartal durch sieben bzw. fünf geteilt. Die Mindestvorgabe des einzusetzenden Personals erfolgt prospektiv, d. h. die Werte des jeweiligen Quartals des Vorjahres legen die Menge fest. Wenn die aktuelle Belegung allerdings um +/– 2,5 % vom Vorjahr abweicht, erfolgt die Berechnung auf Basis der tatsächlichen Belegung des Monats des laufenden Jahres. Zudem können die Krankenhäuser von den Mindestvorgaben abweichen, wenn es zu mehr als 15 % Krankheitsausfall des eingesetzten Personals kommt oder die Zahl der untergebrachten Patient_innen um mehr als 10 % ansteigt.
10. Nachweisverfahren
Die sicher sehr unschöne Seite der PPP-RL: das Dokumentationsungeheuer des Nachweisverfahrens. Die Psych-PVNachweise sind wir alle schon einige Jahre gewöhnt, war am Anfang sicherlich auch schwierig, aber relativ einfach zu verstehen. Die Besetzung der vereinbarten Vollkräftestellen musste nach Berufsgruppen gegliedert und je Krankenhaus nachgewiesen werden (in aller Regel reichte die Bestätigung des Wirtschaftsprüfers aus). Blieben Stellen unbesetzt, bestand eine Rückzahlungspfl icht. Ja, wir haben es immer gefordert, dass die Personalausstattung nachgewiesen werden muss. Viel zu lang war immer der Pfl egedienst die „Spardose“ der Häuser, gewollt oder aus der Not heraus. Am Pfl egedienst konnte und wurde im Zweifel immer gespart. Von der Metaebene betrachtet erschien dies verständlich, es ist schließlich die größte Berufsgruppe. Aber das, was jetzt abverlangt wird, haben wir weder gewollt, noch gefordert! Der Nachweis ist in zwei Teile gegliedert: Teil A bezieht sich auf die Ermittlung des Erfüllungsgrades quartals- und einrichtungsbezogen. Er ist Grundlage für die Ermittlung der Sanktionen bei Nichterfüllung der Mindestvorgaben. Teil B soll der Transparenz des Personaleinsatzes und der Weiterentwicklung der PPP-RL dienen. Er verlangt den monats- und stationsbezogenen Nachweis aller Berufsgruppen, deren Qualifi kation sowie die Besetzung im Nachtdienst. Hier werden weder stationsübergreifende noch andere moderne Versorgungskonzepte berücksichtigt. Hier rührt auch der allgemeine Ärger her. Wir werden im Nachweis gezwungen, so zu tun, als wären wir noch im Jahre 1991. Da aber die geleisteten Stunden des eingesetzten Personals (Vollkräftestunden = VKS) den Stationen der Einrichtungen zugeordnet werden müssen, ist hier der Einsatz eines elektronischen Dienstplans bzw. einer elektronischen Zeiterfassung unerlässlich. Zudem muss geregelt werden, wie übergreifend tätige Berufsgruppen (z. B. Spezialtherapeuten) den einzelnen Stationen virtuell zugeordnet werden können.
Fazit
Die PPP-RL ist eine Erstfassung und hat noch einen langen Weg vor sich, der sich bereits abzeichnet. Die Richtlinie soll weiterentwickelt und alle zwei Jahre überprüft werden. Für die nächsten beiden Jahre stehen u. a. die Berechnung des Nachtdienstes und die Anpassung der Minutenwerte auf der Agenda. So soll auch die erweiterte Nachweispfl icht (Teil B) auf ihre weitere Notwendigkeit hin überprüft werden. Die große Herausforderung für das Pfl egemanagement liegt zum einem in der Findung und Bindung von Fachpersonal. Die Personalplanung muss immer prospektiv erfolgen, da die Quartalsergebnisse die Mindestpersonalmengen für das nächste Jahr festlegen. Die erhöhten Minutenwerte können je nach Einrichtung einen Zuwachs von 3 bis 10 % Personal bedeuten. Häuser, die Fachpersonal durch Hilfspersonal ersetzt haben (aus welchen Gründen auch immer), können einen weit höheren Bedarf haben. Die Budgetverhandlungen werden deutlich aufwändiger und müssen mit detaillierten Fakten unterstützt werden. Dies bedeutet, dass das Leitungspersonal sehr gut über die einzelnen Elemente der Ausfallzeiten informiert ist. Neben den leicht zu ermittelnden Zeiten (Urlaub, Wochenfeiertage, Krankheit) sind beispielsweise Zeiten der Fort- und Weiterbildung sorgfältig in die Verhandlung einzubringen. Auf der Mikroebene („Station“) ist eine den Behandlungsbereichen angepasste Personaleinsatzplanung erforderlich. Der Verteilung von Urlaubs- und Freitagen ist beispielsweise bei der betrieblichen Notwendigkeit der Vorzug vor Dienstplanwünschen zu geben. Dies wird nicht alle Mitarbeitende erfreuen. Auch hier müssen wir um Verständnis werben. Auch wenn der Umgang mit der PPP-RL schwierig und aufwändig ist, bin ich mir sicher, dass wir diese Herausforderung meistern, eine Verweigerung erscheint mir nicht angezeigt. Viel wichtiger erscheint mir hier, dass wir nicht nachlassen und weiterhin die Politik auff ordern, wieder die Einführung eines modernen Personalbemessungsinstruments zu beschließen. Für die somatischen Krankenhäuser haben sie sich bereits zumindest für die Pfl ege auf den Weg gemacht, dann sollte es für uns ja auch möglich sein!
Liebe Grüße Silke Ludowisy-Dehl 1. Vorsitzende