Jahrgang 77 / Heft 2 / 2020
Gastherausgeber Matthias Eberhard
Schnittbildgebung – CT und MRI Bildgebung beim Schlaganfall Nicht-invasive Diagnostik der chronischen koronaren Herzkrankheit – CT-Koronarangiographie und Stress-MRT Magnetresonanztomographie der Leber - Diagnostische Möglichkeiten und Neuigkeiten und weitere Beiträge
Therapeutische Umschau
Nutzerorientierte digitale Gesundheitstechnologien
André Posenau / Wolfgang Deiters / Sascha Sommer (Hrsg.)
Nutzerorientierte Gesundheitstechnologien Im Kontext von Therapie und Pflege 2019. 296 S., 12 Abb., 11 Tab., Kt € 49,95 / CHF 65.00 ISBN 978-3-456-85884-5 Auch als eBook erhältlich
Interdisziplinär und anwendungsbezogen verknüpft das Fachbuch relevante theoretische Konzepte mit konkreten gesundheitstechnologischen Beispielen und aktuellen Erkenntnissen aus der pflegerischen und therapeutischen Praxis. Die Verfasser setzen sich kritisch und konstruktiv mit dem Konzept der Nutzerorientierung in Therapie und Pflege auseinander.
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Im Mittelpunkt aller Technologien und Therapien steht der Mensch als Nutzer und Adressat, sei es als Patient, als Angehörige, als Pflegefachkraft oder als Therapeutin. Jede neue technologische Entwicklung und Anwendung muss deren Anforderungen, Bedürfnissen und Erwartungen gerecht werden. Und diese sind vielfältig und heterogen! Abschließend betrachten die Autoren die Veränderungen im therapeutischen und pflegerischen Behandlungsprozess durch den Einsatz neuer Gesundheitstechnologien.
Therapeutische Umschau
Schnittbildgebung – CT und MRI
Jahrgang 77 / Heft 2 / 2020
Gastherausgeber Matthias Eberhard
Geschäftsführender Herausgeber
Prof. Dr. med. J. D. Leuppi, Liestal
Gastherausgeber
Der Verlag und die Herausgeber danken den Gastherausgebern der letzten beiden Jahre für ihre Unterstützung. 2019 Prof. Barbara Ballmer-Weber Prof. Dr. Peter H. Itin Prof. Dr. Ralph Peterli PD Dr. Sacha Rothschild PD Dr. Stefan Begré Prof. Dr. Jörg Leuppi Prof. Ruppert Langer Dr. med. Marc Spielmanns Prof. Dr. Jakob R. Passweg MS Dr. med. Beat Gloor
2018 Prof. Dr. Steffen Eychmüller Dr. Jörg Humburg Prof. Dr. Christina Jeanneret-Gris PD Dr. Andreas D. Kistler Prof. Dr. Thomas J. Müller PD Dr. Albina Nowak Prof. Dr. Peter Rickenbacher Prof. Dr. Robert Rosenberg Prof. Dr. Alain Schoepfer PD Dr. David Winkler
Herausgeber
PD Dr. med. E. Bächli, Uster Prof. Dr. med. D. Candinas, Bern Prof. Dr. med. G. Cathomas, Liestal Prof. Dr. med. W. Holzgreve, Bonn Prof. Dr. med. C. A. Meier, Basel Prof. Dr. med. B. Vogt, Bern Prof. Dr. med. A. Zeller, Basel
Gastherausgeber
Dr. med. Matthias Eberhard
Verlag
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Sprache
Deutsch
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10x jährlich
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© 2020 Hogrefe AG Nachdrucke sind, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Bewilligung des Verlags gestattet. ISSN-L 0040-5930 ISSN 0040-5930 (Print) ISSN 1664-2864 (online)
Therapeutische Umschau (2020), 77(2)
Inhalt Editorial
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Schnittbildgebung – CT und MRI Matthias Eberhard
Übersichtsarbeiten
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Bildgebung beim Schlaganfall Sebastian F.-X. Winklhofer und Zsolt Kulcsár Nicht-invasive Diagnostik der chronischen koronaren Herzkrankheit – CT-Koronarangiographie und Stress-MRT
47
Oliver Müggler, Robert Manka, Hatem Alkadhi und Matthias Eberhard Diagnostik und interverntionell-radiologische Therapie der benignen Prostatahyperplasie
53
Adrian Kobe, Olivio Donati und Thomas Pfammatter 57
Endometriose Svea-Vivica Mathieu, Adrian Kobe, Thomas Pfammatter und Andreas Hötker
63
Bildgebung des peripheren Nervensystems Lorenz Grunder, Roman Guggenberger und Moritz C. Wurnig Magnetresonanztomographie der Leber – Diagnostische Möglichkeiten und Neuigkeiten
69
Daniel Stocker und Cäcilia Reiner 75
Lungenrundherde – Ein Überblick Katharina Martini, Matthias Eberhard und Thomas Frauenfelder Neue Wege in der Senologischen Bildgebung
81
Andreas Boss, Lysiane Rohrer und Nicole Berger
© 2020 Hogrefe
Therapeutische Umschau (2020), 77(2)
Kooperieren um zu verändern
Udo Schuss / Reiner Blank
Qualitätsorientierte interprofessionelle Kooperation (QuiK) Pflegefachkräfte und Mediziner im Fokus 2018. 190 S., 16 Abb., Kt € 29,95 / CHF 39.90 ISBN 978-3-456-85802-9 Auch als eBook erhältlich
24.07.18 09:24
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Das Management-Handbuch zur qualitätsorientierten interprofessionellen Kooperation (QuiK) strebt eine gute medizinisch-pflegerische Zusammenarbeit zum Wohl des Patienten an. Neben einer profunden Analyse der Ver-
sorgungssituation beschreiben die Autoren ein Wellen-Modell als Werkzeug, um alle Mitarbeitenden an Veränderungsprozessen – hin zu einer qualitätsorientierten interprofessionellen Kooperation – zu beteiligen und mitzunehmen.
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Editorial
Schnittbildgebung – CT und MRI Matthias Eberhard Die Schnittbildgebung mittels CT und MRI ist aus der heutigen Medizin nicht mehr wegzudenken. Die Einsatzfelder sind dabei vielfältig, sei es zum Ausschluss von Erkrankungen, zur Charakterisierung und Abklärung von Lokalisation und Ausdehnung einer Erkrankung oder zur Therapieplanung. Bei bekannten Erkrankungen kann die Schnittbildgebung den Verlauf kontrollieren und ein Therapieansprechen monitorisieren. Analog zum Trend der Spezialisierung in jeder einzelnen medizinischen Fachdisziplin sowie dem technischen Fortschritt in der Radiologie werden die Indikationsstellungen für CT und MRT immer vielfältiger und die Anforderungen an die Modalitäten und den befundenden Radiologen spezieller. Die vorliegende Ausgabe der Therapeutischen Umschau gibt einen Einblick in verschiedene aktuelle Themenfelder in der Schnittbildgebung und charakterisiert den Nutzen von CT und MRI. Im ersten Artikel berichten PD Dr. Sebastian Winklhofer und PD Dr. Zsolt Kulcsár über die Anwendung von CT und MRI in der Schlaganfalldiagnostik. Im aktuell dynamischen Feld der Schlaganfalltherapie haben sich CT und MRI zur Diagnosestellung und bei der Wahl der optimalen Therapie etabliert und bieten einen Mehrwert für die Therapieplanung. Dr. Oliver Müggler und Kollegen diskutieren die Möglichkeiten der nicht-invasiven Bildgebung bei der Abklärung der chronischen koronaren Herzkrankheit (KHK), mit Schwerpunkt auf CT und MRI. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) stärkte in der Ende 2019 publizierten Neuauflage der Leitlinien zur Abklärung einer chronischen (vormals stabilen) KHK die Rolle der nicht-invasiven Bildgebung. Dies vor allem auch im Hinblick auf eine Kosteneffizienz und die Vermeidung unnötiger invasiver Abklärungen. Die Übersichtsarbeiten von Dr. Adrian Kobe und Kollegen sowie Dr. Svea-Vivica Mathieu und Kollegen beschreiben den Einsatz von CT und MRI zur Diagnostik der Endometriose und zur Therapieplanung vor minimal-invasiven Embolisationen bei Adenomyose und Benigner Prostatahyperplasie. Diese interventionellen Eingriffe stellen aktuell nebenwirkungsarme Alternativen zur operativen Therapie dar. CT und MRI dienen hier nicht nur dazu, die Diagnose zu stellen und Kontraindikationen für die Eingriffe auszuschliessen. Die sorgfältige Planung des Eingriffs mit Hilfe der CT- oder MRI-Angiographien dienen dazu, die Strahlendosis während der Intervention und die Dauer des Eingriffs gering zu halten. Die MR-Neurographie stellt einen noch relativ neuen und zunehmend etablierten Ansatz zur Beurteilung peripherer Nerven dar, wie von Dr. Lorenz Grunder und Kolle© 2020 Hogrefe
gen beschrieben. Die MR-Neurographie hilft den zuweisenden Kollegen die diagnostische Sicherheit zu erhöhen und kann therapierelevante Informationen über Lokalisation der Pathologie, Ursache und Verteilungsmuster einer Neuropathie liefern. Dr. Daniel Stocker und PD Dr. Cäcilia Reiner beschreiben in Ihrer Arbeit über die Magnetresonanztomographie der Leber die wichtige Rolle der Modalität bei der Charakterisierung fokaler und diffuser Lebererkrankungen. Neben der Detektion und Abklärung von fokalen Leberläsionen haben sich in den letzten Jahren MR-Techniken zur nichtinvasiven Quantifizierung von Fett und Eisen in der Leber etabliert. Dadurch ermöglicht das MRT eine akkurate Diagnose von fokalen und auch diffusen Lebererkrankungen ohne die Notwenigkeit einer Leberbiopsie. Der Artikel von Dr. Katharina Martini und Kollegen geht auf eine Problematik der zunehmenden Bildgebung ein: Zufallsbefunde. Die häufigsten Zufallsbefunde im CT sind Lungenrundherde und stellen ein diagnostisches Dilemma dar. Obwohl circa 95 % dieser Rundherde gutartig sind, besteht doch die Gefahr, dass es sich um eine Metastase oder ein Bronchialkarzinom handelt. Die Übersichtsarbeit geht auf die aktuellen Richtlinien zur Abklärung von Rundherden ein und gibt einen kurzen Ausblick zum Lungen-Tumorscreening. Prof Dr. Dr. Andreas Boss und Kolleginnen beschäftigen sich mit neuen Trends in der senologischen Bildgebung. Hier dominierten bis vor Kurzem, vor allem in der Vorsorge, Mammographie und gegebenenfalls Ultraschall die Bildgebung. Während sich das MRT in der Brustbildgebung schon seit längerem bei verschiedensten Indikationen bewährt hat, stehen seit neuestem auch CT sowie der automatisierte Ultraschall (durch den akquirierten 3D-Datensatz quasi äquivalent zur Schnittbildgebung) als Alternativen bereit, die bei angenehmerer und überlagerungsfreier Untersuchungstechnik möglicherweise diagnostisch ebenbürtig sind. Die aktuelle Ausgabe der Therapeutischen Umschau umfasst damit eine interessante Mischung aus Artikeln verschiedener Anwendungsbereiche der Schnittbildgebung. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen und hoffe die Artikel bieten Ihnen den ein oder anderen nützlichen Aspekt für Ihre tägliche Arbeit. Dr. med. Matthias Eberhard Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Universitätsspital Zürich Rämistrasse 100 8091 Zürich matthias.eberhard@usz.ch
Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 37 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001149
Unternehmerisch Handeln im Gesundheitswesen
Volker B. Schulte / Arie Hans Verkuil (Hrsg.)
Entrepreneurship in der Gesundheitswirtschaft Sachlage, Trends und Ausblicke 2019. 216 S., 22 Abb., 13 Tab., Kt € 39,95 / CHF 48.50 ISBN 978-3-456-85727-5 Auch als eBook erhältlich
07.12.18 00:17
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Das Fachbuch zum Entrepreneurship im Gesundheitswesen setzt sich mit unternehmerischen Herausforderungen in der Gesundheitswirtschaft auseinander. Es ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil werden aktuelle Entwicklungen der Gesundheitswirtschaft im ambulanten Sektor beleuchtet. Der zweite Teil des Buches ist dem sekundären Sektor gewidmet. Was bringt dem Patienten der Trend hin zur Regionalisierung hochspezialisierter Eingriffe? Kann die Lebensqualität gesteigert werden, wenn regionale Einrichtungen
gleiche Leistungen bieten wie Zentrumskrankenhäuser und -spitäler? Der dritte Teil des Buches befasst sich mit ökonomischen und technologischen Trends in der Gesundheitsindustrie. Ein weiterer Beitrag beschreibt Herausforderungen, die sich bei Kliniken und Spitälern im Rahmen der Digitalisierung und Industrie 4.0 stellen. Das Buch ist eine anregende Lektüre für Manager in der Gesundheitswirtschaft, die sich einen Überblick über gesundheitsgesellschaftliche Trends verschaffen wollen.
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Übersichtsarbeit
Bildgebung beim Schlaganfall Sebastian F.-X. Winklhofer und Zsolt Kulcsár Klinik für Neuroradiologie, Universitätsspital Zürich
Zusammenfassung: Die neuroradiologische Bildgebung ist in den letzten Jahrzehnten für die Diagnose und Therapie des Schlaganfalls unverzichtbar geworden. Sie liefert die notwendigen Informationen, um zwischen hämorrhagischem und ischämischem Schlaganfall zu unterscheiden, die Ursache der Symptome zu identifizieren und den Zeitpunkt des Schlaganfalls zu bestimmen. Zunehmend ist die Bildgebung hilfreich, um therapeutische Entscheidungen optimal treffen zu können. Insbesondere das Aufkommen und die erfolgreiche Etablierung der mechanischen Thrombektomie hat die Behandlung von Patienten mit ischämischem Schlaganfall erheblich verändert. Mit Hilfe der Computertomographie (CT) und der Magnetresonanztomographie (MRT) können Patienten identifiziert werden, die von einer revaskularisierenden Therapie profitieren können, auch ausserhalb des bisher gültigen, dogmatischen Zeitfensters. Fortschritte bei den bildgebenden Verfahren sowohl in der CT als auch in der MRT ermöglichen die Identifizierung von rettbarem Hirngewebe, unabhängig vom Zeitfaktor und begünstigen eine individualisierte Entscheidungsfindung für eine optimale Therapie und Prognose. Die Wahl der geeigneten Bildgebungsmodalität hängt von mehreren Kriterien ab, wie z. B. Verdachts- und Differentialdiagnose, Dringlichkeit, Patientenalter und Verfügbarkeit des Scanners. Stroke Imaging Abstract: In recent decades, imaging has become indispensable for the diagnosis and therapy of stroke. It provides information necessary to distinguish between hemorrhagic and ischemic stroke, to identify the cause of the symptoms and to determine the time of stroke. Increasingly, imaging is being used as a tool for making optimal therapeutic decisions. In particular, the advent and success of mechanical thrombectomy has significantly changed the management of patients with ischemic stroke. Computed tomography (CT) and magnetic resonance imaging (MRI) allow for identifying patients who may benefit from revascularizing therapy, even outside the previously valid, dogmatic time windows. Advances in imaging modalities both in CT and MRI, allow for identifying salvageable brain tissue, independent from the time factor, advocating individualized decision making for optimal therapy and prognosis. The choice of the appropriate imaging modality depends on several criteria, such as suspected and differential diagnosis, urgency, patient age and availability of the scanner.
Einführung Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist der Schlaganfall weltweit die zweit-häufigste Todesursache und die dritt-häufigste Ursache für eine langfristige Behinderung [1]. In der Schweiz erleiden etwa 15'000 Patienten jährlich einen Schlaganfall und weitere 5'000 Patienten leiden unter einer transienten ischämischen Attacke (TIA) [2, 3]. Darüber hinaus ist der Schlaganfall nicht nur mit einer grossen Herausforderung für die betroffenen Patienten und deren Familien verbunden, sondern stellt auch eine grosse finanzielle Belastung für das Gesundheitssystem dar [4]. In ca. 80 % der Schlaganfälle handelt es sich um einen ischämischen Infarkt, wohingegen ca. 20 % der Fälle hämorrhagisch bedingt sind. Die Bildgebung des zentralen Nervensystems ist ein wesentlicher Bestandteil für die Beurteilung und Behandlung von Patienten, bei denen ein akuter hämorrhagischer oder ischämischer Schlaganfall vermutet wird. In den letzten Jahren verlagerte sich die Aufgabe der Bildgebung des ischämischen Schlaganfalls von der vormals dominierenden © 2020 Hogrefe
Intention, eine intrakranielle Blutung auszuschliessen, zu einem inzwischen weit fortgeschrittenen und umfassenderen Ansatz. Heutzutage ermöglichen moderne Konzepte der Schlaganfall-Bildgebung eine zeitnahe und präzise Diagnose, optimieren das Patientenmanagement, erweitern das mögliche individuelle Behandlungsspektrum und dienen der Prognosestellung [5, 6]. Der Nutzen der verfügbaren Bildgebungsmodalitäten wie die Computertomographie (CT) oder die Magnetresonanztomographie (MRT) hat sich als unersetzlich erwiesen, diejenigen Patienten zu identifizieren, die möglicherweise von einem bestimmten Therapieansatz profitieren können. Jüngste klinische Studien zeigten gute klinische Ergebnisse der intravenösen (i. v.) thrombolytischen medikamentösen Therapie und vor allem der neurointerventionellen mechanischen Thrombektomie bei Patienten mit akutem Schlaganfall, die auf der Grundlage von Bildgebungskriterien ausgewählt wurden [7]. So konnte mittels nicht-invasiver Gefässdarstellung und Perfusionsbildgebung auch das zeitliche Therapiefenster in den vergangenen Jahren deutlich erweitert werden und damit Patienten eine Therapie zukommen lassen, die ihnen vormals verwehrt geblieben wäre [8, 9]. Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 39–46 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001150
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Im Folgenden soll zunächst auf die zur Verfügung stehenden Bildmodalitäten und anschliessend auf deren Verwendung beim hämorrhagischen und ischämischen Schlaganfall eingegangen werden.
Bildgebungsmodalitäten Wann CT und wann MRT? Die Frage, welche Modalität besser zur Bildgebung des Schlaganfalls geeignet ist, wird rege diskutiert. Die Hauptaufgabe der neuroradiologischen Abklärung beim akuten Schlaganfall setzt sich aus folgenden drei Punkten zusammen: 1. Diagnosestellung und damit Festlegung, ob hämorrhagischer oder ischämischer Schlaganfall sowie Ausschluss sonstiger Differentialdiagnosen. 2. Identifikation von Patienten, die von einer bestimmten Behandlung profitieren können (Revaskularisation möglich? Blutungsquelle und erneutes Blutungsrisiko?). 3. Hilfe bei der Wahl der richtigen Behandlung (i. v. Lyse, mechanische Thrombektomie beim ischämischen Schlaganfall, chirurgische oder endovaskuläre Behandlung einer hämorrhagischen Gefässanomalie). Insbesondere beim akuten ischämischen Schlaganfall liegt aufgrund des rapiden Untergangs der Neuronen ein Hauptaugenmerk auf der Schnelligkeit. Das Motto «Time is Brain» gilt auch heute weiter noch. Damit und in Zusammenschau mit den oben genannten Punkten sind folgende Voraussetzungen an die Bildgebung zu stellen: 1. Verfügbarkeit und Zugänglichkeit rund um die Uhr (24 / 7). 2. Schnelligkeit. 3. Validität um Fragestellungen beantworten zu können. 4. Einfache Interpretation ohne lange Nachbearbeitung. Grundsätzlich erlauben beide etablierte Modalitäten den oben genannten Anforderungen gerecht zu werden. Auch die aktuelle Studienlage zeigt keinen klaren Gewinner, wenn es um die Frage der besseren Modalität geht [10, 11]. Das verwendete Verfahren hängt im Wesentlichen von den vor Ort gegebenen Verfügbarkeiten und dem Kosten-Nutzen Verhältnis ab.
Computertomographie CT ist nach wie vor das meist verwendete Schnittbildverfahren bei der Bildgebung des akuten Schlaganfalls. Vorteile sind die gute Verfügbarkeit, die schnelle Durchführung der Untersuchung (wenige Minuten), hoch-aufgelöste Darstellung der supra-aortalen und intrakraniellen Gefässe und die geringeren Kosten im Vergleich zur MRI Bildgebung. Nachteile sind die im Vergleich zur MRT eingeschränkte Sensitivität für Läsionen des Hirnparenchyms, die meist notwendige Gabe von Kontrastmittel (KM) sowie die einhergehende Strahlenbelastung. Zu den Kontraindikationen für ein CT zählt im Allgemeinen eine Schwangerschaft, woTherapeutische Umschau (2020), 77(2), 39–46
S. Winklhofer & Z. Kulcsár, Bildgebung beim Schlaganfall
bei im individuellen, akuten Fall und bei strenger Indikation eine CT Untersuchung unausweichlich sein kann. Bei notwendiger Kontrastmittelgabe muss an eine mögliche Unverträglichkeit oder Allergie, Niereninsuffizienz und an pathologische Schilddrüsenwerte gedacht werden. Die zur Verfügung stehenden Optionen beinhalten das Nativ-CT des Neurokraniums, die arterielle und venöse intra- und der extrakranielle Gefässdarstellung mittels jodhaltigem KM (CT Angiographie, CT-A), das Schädel CT in venöser (Spät-)Phase sowie die KM-gestützte CT Perfusion (CT-P).
Magnetresonanztomographie MRT als allgemein initiale Bildgebungsmodalität beim akuten Schlaganfall findet zum aktuellen Zeitpunkt in relativ wenigen Institutionen statt. Nur wenige Einrichtungen haben die dafür notwendige Infrastruktur (Verfügbarkeit 24 / 7 inkl. notwendigem Personal). Falls beide Modalitäten verfügbar sind (wie bei den meisten Stroke Centern in der Schweiz der Fall), kann bei Bedarf zwischen den Modalitäten ausgewählt werden, um die jeweiligen Vorteile bestmöglich auszunützen. Dennoch spielt die MR-Bildgebung bereits eine zentrale Rolle in der Schlaganfallabklärung. Hauptvorteil ist die Möglichkeit der detaillierten Darstellung des Gehirnparenchyms mittels der unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Sequenzen sowie die für den Patienten strahlenfreie Bildakquisition. Hauptnachteile sind die längere Untersuchungsdauer und die ggf. limitierte Verfügbarkeit, was insbesondere bei der akuten Schlaganfalldiagnostik berücksichtigt werden muss. Absolute Kontraindikationen für eine MR-Untersuchung sind heutzutage vor allem bei richtiger Indikationsstellung nicht mehr pauschal aufzulisten. Viele der heute verwendeten Implantate (z. B. Herzschrittmacher) sind unter Berücksichtigung der Herstellerangaben und ggf. entsprechender Überwachung des Patienten MR-gängig. Zu den relativen Kontraindikationen zählen eine Schwangerschaft (erstes Trimenon), grosse Tätowierungen sowie Klaustrophobie. Bei KM-Gabe (Gadolinium) ist bei schwerer Niereninsuffizienz oder Dialysepflicht an die Nephrogene Systemische Fibrose zu denken, wenngleich diese Nebenwirkung heutzutage nur noch selten auftritt [14]. Je nach Indikation und Fragestellung erlaubt das MRT neben den klassischen T1 und T2 gewichteten Sequenzen mit seiner Vielzahl an weiteren Sequenzen Struktur und Funktion aus unterschiedlichen physikalischen Perspektiven zu betrachten. Hierzu zählen im klinischen Alltag vor allem die folgenden Akquisitionen: DWI (diffusion weighted imaging), FLAIR (fluid attenuation inversion recovery), SWI (susceptibility-weighted imaging), TOF (time-of-flight) MR-Angiographie und die MR-Perfusion (MR-P). MR-Protokolle werden der jeweiligen Situation und den Gegebenheiten vor Ort angepasst. Schnelle Protokolle (d. h. z. B. zur akuten Schlaganfallabklärung in unter 10 min. Scanzeit) bestehen aus DWI-, FLAIR- und SWI-Sequenzen mit optionaler TOF-Gefässdarstellung und MR-P. Insbesondere © 2020 Hogrefe
S. Winklhofer & Z. Kulcsár, Bildgebung beim Schlaganfall
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Tabelle 1. Vergleich der Bildgebungsmodalitäten in der Schlaganfalldiagnostik CT / CTA / CTP
MRT / MRA / MRP
Verfügbarkeit 24 / 7
Meistens
Eher selten
Zeit-Leistungsfähigkeit
Sehr schnell
Mit allen Vorbereitungen etwas langsamer
Grössere Blutungen
Sehr sensitiv und spezifisch
Sehr sensitiv und spezifisch
Mikroblutungen
Nicht sensitiv
Sehr sensitiv und spezifisch
Akute Ischämiezeichen
Expertise abhängig
Sehr eindeutig und spezifisch
Subakute-Chronische Ischämiezeichen
Eindeutig und spezifisch
Sehr eindeutig und spezifisch
Gefässdarstellung
Sehr genau
Weniger detailliert
Darstellung von Veränderungen im Vertebrobasilären System
Nicht sensitiv
Sehr eindeutig und spezifisch
Patientenkooperation
Wenig abhängig
Sehr abhängig
Darstellbarkeit Stroke-Mimiker
Nicht sensitiv
Sensitiv
Kontraindikationen
KM-Allergie, Niereninsuffizienz
KM-Allergie, Niereninsuffizienz, Metall-Implantate
kann ein kurzes Protokoll ergänzend zum CT durchgeführt werden, falls dort Unklarheiten bestehen. Protokolle zur Abklärung bei subakuten oder chronischen Infarkten und deren Differentialdiagnosen (z. B. stroke mimiker wie Vaskulitis oder Vasospasmen) enthalten zusätzlich T1w(nativ und mit KM) und T2w-Sequenzen. Im Falle der Verfügbarkeit von CT und MRT kann beim akuten Schlaganfall die Modalität auf den individuellen Fall, also mit Hinblick auf die Symptomatik des Patienten gewählt werden. Allgemeingültige Aussagen sind schwierig zu tätigen, allerdings gibt es Gegebenheiten, die eine jeweilige Modalität bevorzugen: z. B. MRT bei Wake-upStroke-Abklärung, subakuter oder chronischer Schlaganfall, Kinder oder junge Patienten, Schwangerschaft, vermutete Ischämie in der hinteren Gefässzirkulation (hier ist die MRT der CT überlegen [12]) (Tab. 1). Im Folgenden soll auf den wesentlichen Nutzen dieser unterschiedlichen Akquisitionen für die neuroradiologische Abklärung eines Schlaganfalls näher eingegangen werden.
lässig beantwortet werden. Eine akute intrakranielle Blutung stellt sich hyperdens (= hell) im CT dar. Je nach Alter der Blutung kann diese auch iso- oder hypodens erscheinen (z. B. chronisches Subduralhämatom). Abbildung 1 zeigt Beispiele für die häufigsten Blutungsformen im CT. Die Bildgebung erlaubt die Darstellung des Ausmasses der Blutung, eine Altersabschätzung (Dichteabnahme im Verlauf in Hounsfield Einheiten gemessen) und ggf. den Nachweis einer zugrunde liegenden Pathologie. Auch andere Befunde können im CT sichtbar sein, z. B. erweiterte Liquorräume (Hydrocephalus), vasogenes Ödem, Leukenzaphalopathie, ältere lakunäre (= unter 1.5 cm Durchmesser) oder territoriale Infarkte.
Bildgebung des hämorrhagischen Schlaganfalls Nativ CT Das native CT des Schädels ist trotz seiner Einfachheit immer noch unverzichtbar. Insbesondere Stammganglienblutungen und Lobärblutungen sind klinisch oft nicht vom klassischen Erscheinungsbild eines ischämischen Infarktes zu unterscheiden. Die Kernfrage, ob es sich um einen hämorrhagischen oder einen ischämischen Schlaganfall handelt kann mittels nativ CT schnell, einfach und zuver© 2020 Hogrefe
Abbildung 1. Beispiele intrakranieller Blutungen im axialen nativ CT in Abhängigkeit ihrer Lokalisation. Intra-axiale Blutungen: a) Hypertensiv bedingte Stammganglienblutung mit zusätzlichem Ventrikeleinbruch, b) Lobärblutung (bei cerebraler Amyloidangiopathie), c) Kleinhirnblutung (zugrunde liegende Metastase). Extra-axiale Blutungen: d) Epiduralhämatom (EDH), e) Subduralhämatom (SDH), f) Subarachnoidalblutung (SAB).
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CT-Angiographie und venöse Phase CT gilt als häufigste Modalität der Wahl bei der initialen Abklärung bei Blutungsverdacht. Bei neu detektierter Hirnblutung sollte eine Darstellung der Gefässe zum Ausschluss einer zugrundeliegenden Gefässpathologie (z. B. Aneurysma, durale arteriovenöse Fistel, arteriovenöse Malformation) durchgeführt werden. Mittels KM-unterstützter CT in venöser Phase lassen sich Thrombosen der venösen Blutleiter oder Venen nachweisen. Zeigt sich ein KM-Austritt innerhalb einer Parenchymblutung, so ist dies möglicherweise Zeichen einer aktiven Blutung (Spot Sign). Ausserdem lassen sich potenziell zugrundeliegende eingeblutete Neoplasien darstellen, wie es z. B. häufig bei Melanommetastasen beobachtet wird.
S. Winklhofer & Z. Kulcsár, Bildgebung beim Schlaganfall
Tabelle 2. Altersstadien (ischämischer) Schlaganfall Altersstadium (ischämischer) Infarkt
Zeit
Früh hyperakut
0 bis 6 Stunden
Spät hyperakut
6 bis 24 Stunden
Akut
24 Stunden bis 1 Woche
Subakut
1 bis 3 Wochen
Chronisch
Mehr als 3 Wochen
MRT MRT bietet mit seiner Vielfalt an optionalen Sequenzen zusätzliche Vorteile, wie z. B. bei der Suche von oben erwähnten potenziellen Blutungsursachen. Kleine Metastasen, Gefässmalformationen oder andere Pathologien können meist besser als im CT dargestellt werden, so dass ein MRT bei unklarer Blutungsursache im Verlauf ergänzt werden sollte. Auch lässt sich mittels MRT das Blutungsalter besser als im CT abschätzen, wenngleich sich dies, aufgrund der unterschiedlichen Sequenzen und des unterschiedlichen Signalverhaltens der verschiedenen Blutabbauprodukte, als nicht immer einfach erweist. Z. B. zeigt sich intrazelluläres Deoxyhämoglobin einer akuten Blutung in der T1w-Sequenz von intermediärem Signal, wobei es in der T2w-Sequenz eher hypointens zur Darstellung kommt [15]. Mittels SWISequenzen lassen sich neben grösseren Einblutungen vor allem kleinste Mikroblutungen nachweisen, die bei zentraler Häufung eher für eine hypertensive Ätiologie sprechen, wohingegen bei peripherer Häufung eher eine amyloid assoziierte Blutung in Anbetracht kommt (zerebrale Amyloidangiopathie).
Bildgebung des ischämischen Schlaganfalls Computertomographie Nativ-CT Ist im Akutfall eine Blutung im nativ CT ausgeschlossen, so ist auf Zeichen eines cerebrovaskulären ischämischen Insults zu achten. Hier ist das Parenchym nach den klassischen Ischämie Frühzeichen zu untersuchen: Verstrichenes Mark-Rinden Band, hyperdenses Arterien Zeichen, verminderte Differenzierbarkeit der Grauen und Weissen Substanz, Abgrenzung von flauen Hypodensitäten und verminderte Abgrenzbarkeit der Basalganglien (Abb. 2). Eine Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 39–46
Abbildung 2. Infarktfrühzeichen im axialen nativ CT (a – d) und Korrelation zum MRT (e, f). a) hyperdenses Arterien Zeichen (Pfeil) bei Thrombus in der A. cerebri media rechts. b) Verminderte Differenzierbarkeit der Grauen und Weissen Substanz mit einhergehender flau-hypodenser Parenchymschwellung sowie verminderte Abgrenzbarkeit der Basalganglien (Pfeile); c) selber Patient 6 Monate später nun Infarkt im chronischen Stadium mit etwas grösserer Ausdehnung als im initialen Bild. d) Verstrichenes Mark-Rinden Band (Pfeile) mit Korrelat in der MRT Untersuchung, e) DWI, f) ADC.
hyperakute Ischämie ist jedoch nicht immer im nativ CT nachweisbar. Insbesondere der Nachweis von ischämischem Parenchym kann in den ersten Stunden nach Symptombeginn negativ ausfallen. Der Nachweis hängt hier, neben der Zeit, auch vom Ausmass des betroffenen Hirnparenchyms, kollateraler Blutversorgung und von der Erfahrenheit des Untersuchers ab. Das zytotoxische Ödem eines ischämischen Infarktes stellt sich als flaue Hypodensität dar und lässt sich als erstes meist bei Befall der tiefen Grauen Substanz (Basalganglien) nachweisen (ab einer Stunde nach Gefässverschluss in 60 % der Fälle aufgrund der fehlenden Kollateralversorgung). Grössere infarzierte Areale wie z. B. bei einem Verschluss der A. cerebri media lassen sich in der Regel nach 4 – 6 Stunden gut abgrenzen [16, 17]. Neben dem (hyper-) akuten Schlaganfall sind in zeitlicher Abhängigkeit unterschiedliche Infarktstadien zu differenzieren (Tab. 2, Abb. 2b, 2c) [15]. Diese Unterscheidung ist vor allem zur Auswahl der geeigneten Therapie entscheidend. Bereits eindeutig hypodens demarkiertes Hirnparenchym entspricht meist irreversibel geschädigtem Gewebe (zytotoxisches Ödem). Auch der Nachweis von mehrzeitigen Ereignissen, wie z. B. stummen Infarkten kann klinisch von Bedeutung sein und ist im CT möglich. © 2020 Hogrefe
S. Winklhofer & Z. Kulcsár, Bildgebung beim Schlaganfall
CT-Angiographie Die detaillierte Darstellung der supra-aortalen und zerebralen Gefässen und deren möglicher Pathologien wie Stenosen, Dissektionen und Okklusionen, ist der grosse Vorteil des CT. Mittels CT-A der intra- und extrakraniellen Gefässe nach i. v. KM-Gabe soll vor allem die potenzielle Ätiologie eines ischämischen Infarktes aufgezeigt werden. Dazu zählen insbesondere thrombotische Gefässverschlüsse bei arteriosklerotischen Gefässwandveränderungen, kardiale Embolien oder Thrombosen der Hirnvenen oder der grossen venösen Blutleiter (z. B. Sinus transversus). Ein thrombo-embolischer Verschluss zeigt sich in einem KMAbbruch des Gefässes wie z. B. der A. cerebri media. Die genaue Lokalisation hiervon ist auch in Anbetracht einer möglichen mechanischen Thrombektomie wichtig (z. B. durch Angabe des betroffenen Gefässsegments der A. cerebri media wie M1 – M4). Stenosen sind vor allem auch an den extrakraniellen Gefässen häufig und als mögliche Ursache der Beschwerden zu orten. Prädilektionsstelle ist der Bulbus der A. carotis interna an der Karotisbifurkation. In diesem Zusammenhang ist als weitere häufige Schlaganfallursache eine Dissektion der grossen Gefässe auszuschliessen. Diese treten häufiger extrakraniell unter der Schädelbasis oder in der A. vertebralis entlang der Atlasschleife bzw. im Verlauf innerhalb der Foramina transversaria [18] auf. Bildmorphologisch können dissezierte Gefässe mit einem Verschluss, einer Stenose, Irregularitäten der Gefässwand und einem Wandhämatom einhergehen, jeweils mit oder ohne cerebrale Embolien. Je nach Akquisitionsphase kann der als zunehmend wichtig eingestufte Status der Kollateralgefässe analysiert werden: kräftig ausgeprägte Kollateralen über die Gegenseite oder ein schneller retrograder Blutfluss durch leptomeningeale Kollateralen von anderen Versorgungsgebieten sind als gute prognostische Faktoren anzusehen.
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die neben der 3-dimensionalen morphologischen Bildinformation zusätzlich auch den Zeitfaktor erfasst. Direkt anschliessend werden mittels Nachbearbeitung farbcodierte Parameterkarten erstellt, in denen die Kerngrössen der CT-P bildlich dargestellt werden. Moderne Scannersoftware erlaubt dies ohne wesentliche Zeitverzögerung um unnötige Wartezeit zu vermeiden. Die Kernparameter bestehen je nach verwendetem Rekonstruktionsalgorithmus aus dem cerebralen Blutfluss (CBF), dem cerebralen Blutvolumen (CBV), der mittleren Transitzeit (mean transit time, MTT), der Zeit-zum-Gipfel (time to peak, TTP) und der Zeitzum-Maximum (time to maximum, Tmax) (Tab. 3).
Abbildung 3. Das Konzept der penumbralen Perfusionsbildgebung. Das rote Areal kennzeichnet den Infarktkern, das grüne Areal das minderperfundierte Gebiet (Penumbra, rettbares Gewebe). Der Unterschied zwischen Infarktkern und Penumbra (= Mismatch) beeinflusst die Indikation für die Revaskularisation. a) grosses Mismatch, guter, b) kleines oder fehlendes Mismatch, ungünstiger Kandidat für Revaskularisation. Bei ausbleibender Revaskularisation besteht die Gefahr der Volumenzunahme des Infarktkernes.
CT- venöse Kontrastmittelspätphase Die venöse Spätphase kann bei Bedarf zum Ausschluss anderer Ursachen der Symptomatik angefertigt werden. Dazu zählen z. B. die Sinus- oder Venenthrombosen oder intrakranielle Tumore. Nicht alle Differentialdiagnosen lassen sich mit der CT sicher nachweisen, so sind z. B. Encephalitiden oder Meningitiden nicht notwendigerweise im CT sichtbar. CT-Perfusion und Konzept der Penumbra Nach Durchführung der nativen CT und der CT-A erfolgt in Abhängigkeit der jeweiligen klinischen Situation die Akquisition einer CT-P. Diese gilt als funktionelle Aufnahme und hat sich inzwischen in der Bildgebung des akuten Schlaganfalls etabliert und ist in den entsprechenden Leitlinien je nach klinischer Situation fest verankert [19, 20]. Mittels Perfusion wird die Durchblutung des Gehirns untersucht und minderversorgtes Parenchym nachgewiesen. Nach KM-Injektion und anschliessender repetitiver Bildakquisition über ca. 40 – 60 Sekunden wird das An- und Abfluten des KM gemessen, also die Passage des KM durch die Gefässe und das Gewebe. Es handelt sich um eine 4-D Bildgebung, © 2020 Hogrefe
Abbildung 4. 79-jähriger Patient mit Hemiparese rechts seit zwei Stunden. a) Nativ CT ohne sicheren Nachweis von Infarktfrühzeichen. In der CT-Perfusion Nachweis einer deutlich verzögerten Durchblutung im Mediaterritorium links in der Tmax b) jedoch ohne wesentlich vermindertes Blutvolumen in der CBV c), einem grossen Mismatch entsprechend. d) Verschluss der distalen A. cerebri media links (3D Rekonstruktion der CT-Angiographie). e) Aufgrund dieser Konstellation Entscheid zur umgehenden neurointerventionellen mechanischen Thrombektomie mit erfolgreicher kompletter Revaskularisation des Gefässes in der DSA. f) Die Follow-up MRT-Untersuchung einen Tag nach Ereignis zeigt eine unauffällige Diffusionsbildgebung ohne Nachweis von ischämischen Läsionen.
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S. Winklhofer & Z. Kulcsár, Bildgebung beim Schlaganfall
Tabelle 3. Parameter der Perfusionsbildgebung (CT und MRT) Parameter
Definition
Einheit
CBF
Menge an Blut (ml), die pro Masse Gewebe (g) pro Zeit (min) fliesst.
ml / 100 g / min
CBV
Menge an Blut (ml) pro Masse Gewebe (g)
ml / 100 g
TPP
Benötigte Zeit bis zu der die KM-Konzentration ihr Maximum erreicht hat
s
MTT
Benötigte Zeit für KM um aus einer Arterie in durch das Gewebe in ein venöses Gefäss überzutreten.
s
Tmax
Zeitpunkt des Maximums der so genannten Restfunktion
s
Anmerkungen: CBF = Cerebral Blood Flow, CBV = Cerebral Blood Volume, TTP = Time-to-peak, MTT = Mean Transit Time, Tmax = Time-to-maximum, KM = Kontrastmittel.
Die zwei Hauptvorteile der CT-P sind die Detektion von frischen und teils auch kleinen Ischämien sowie Hilfestellung bei der Triage zur optimalen Therapie. Letzteres basiert auf der Möglichkeit gesundes, noch zu rettendes Hirngewebe, von bereits irreversibel infarziertem Gewebe zu differenzieren. Dieses Konzept hat die strikte Anwendung von Zeitfenstern zur Therapie annähernd abgelöst und ermöglicht nun eine bildgebungsbasierte patienten-individuelle optimale Therapie. Farbkodierte MTT, TTP oder Tmax Karten der CT-P können im Rahmen der Bildinterpretation Areale einer zeitlich verzögerten Durchblutung darstellen. In der CBF und CBV Karte kann der irreversibel geschädigte Infarktkern identifiziert werden: nicht- oder ungenügend mit Blut versorgtes Parenchym wird keine oder nur eine sehr langsam auftretende KM Anreicherung zeigen. Das den Infarktkern umgebende Gewebe, das womöglich ebenfalls mit Sauerstoff minderversorgte Nervenzellen beinhaltet, wird als Penumbra bezeichnet («tissue at risk»). Dieses Gewebe ist noch nicht irreversibel geschädigt und enthält noch intakte Nervenzellen, die via Restperfusion oder Kollateralen versorgt werde. Die Penumbra kann ebenfalls mittels der
Abbildung 5. 59-jähriger Patient mit neu aufgetretener, globaler Aphasie. MRT im Rahmen der initialen Abklärung: Flächige Diffusionsrestriktion in der DWI-Bildgebung; DWI a), ADC b). Das ischämisch infarzierte Areal lässt sich bereits hyperintens in der T2w c) und FLAIR d) nachweisen. Ursächlich für die Ischämie zeigt sich eine Dissektion der A. carotis interna links mit langstreckigem Gefässverschluss in der Halsangiographie (Pfeil in e). Zusätzlich Verschluss des M2 Segmentes der A. cerebri media in der TOF-Angiographie f). An dieser Lokalisation Nachweis eines längeren Thrombus in der SWI g). Deutlich verzögerte Perfusion in der TTP h) ohne Nachweis eines Mismatch im Vergleich zum infarzierten Gewebe in der DWI a), b).
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CT-P identifiziert werden. Vereinfacht gesagt, erfolgt dies aus der Differenz des betroffenen Hirnareals in MTT, TTP oder Tmax und dem irreversibel geschädigten Gewebe in der CBF / CBV. Die Differenz zwischen Infarktkern und Penumbra wird als Mismatch bezeichnet. Patienten ohne grösseres Mismatch in der Bildgebung werden von einer revaskularisierenden Therapie weniger gut profitieren als Patienten mit grossem Mismatch (Abb. 3 – 5). Dieses Konzept überwiegt klinisch den vormals üblichen Zeitfenstern, so dass nun auch Patienten bis zu 24 Stunden oder länger nach Symptombeginn von einer revaskularisierenden Therapie profitieren können. Magnetresonanztomographie T1w und T2w T1w native Sequenzen dienen vor allem zum Nachweis von intrakraniellen Blutungen. Zudem sind sie für den Vergleich zur KM-T1w-Sequenz erforderlich, um damit eine tatsächliche KM-Anreicherung nachzuweisen. Durch die Gabe von KM können zudem pathologische Anreicherungen nachgewiesen werden. T2w-Sequenzen sind besonders für eine initiale anatomische Orientierung und als Suchsequenz hilfreich. Auch kann mit ihr bereits ischämisch demarkiertes Hirngewebe oder altes Infarktgewebe identifiziert werden. FLAIR FLAIR-Sequenzen sind aufgrund ihrer hohen Flüssigkeitssensitivität zur Detektion von Ödem und bereits demarkiertem Gewebe im Falle eines ischämischen Schlaganfalls besser geeignet als T2w-Sequenzen. Sie sind daher fester und unverzichtbarer Bestandteil eines SchlaganfallMRT-Protokolls. Mittels FLAIR lassen sich bereits ischämisch demarkierte Areale (= meist bereits irreversibel geschädigt) nachweisen, die noch nicht notwendigerweise in der T2w-Sequenz abgrenzbar sind. So ist die FLAIR massgeblich an der Selektion der optimalen Therapie beim akuten Schlaganfall beteiligt. DWI Die DWI gilt als wichtigste Sequenz in der Schlaganfalldiagnostik. Das zytotoxische Ödem eines ischämischen Infarktes führt binnen Minuten zu einer nachweisbaren Einschränkung der normalen Beweglichkeit von Wasser© 2020 Hogrefe
S. Winklhofer & Z. Kulcsár, Bildgebung beim Schlaganfall
molekülen im Hirnparenchym. Der Nachweis einer eingeschränkten Diffusion (Diffusionsrestriktion) ist mittels DWI äussert sensitiv und schneller als in den konventionellen MRT-Sequenzen oder im nativ CT. Zu beachten ist, dass die Diffusionsbildgebung aus zwei Datensätzen besteht, die notwendigerweise immer in Zusammenschau betrachtet werden müssen: Das eigentliche DWI-Bild und das dazugehörige, von der Scannersoftware automatisch generierte apparent diffusion coefficient Bild (ADC), das ein Mass für die Beweglichkeit von Wassermolekülen darstellt. Ein hohes Signal im DWI-Bild (=hell) und ein korrespondierendes niedriges Signal (= dunkel) im ADC-Bild entspricht einem ischämischen Infarkt. Im zeitlichen Verlauf normalisiert sich das Signal in der DWI wieder mit sinkendem Signal im DWI-Bild und steigendem Signal in der ADC, so dass die Diffusionsbildgebung vor allem zum Nachweis von akuten und subakuten Infarkten verwendet wird. Ist der genaue Zeitpunkt des Symptombeginns unklar (z. B. beim nächtlichen Wake-Up Stroke) so können unter Einbezug der DWIund der FLAIR-Sequenz wichtige Informationen abgeleitet werden: Ist die DWI-Läsion noch nicht in der FLAIR hyperintens demarkiert, so ist von einem relativ zeitnahen Ereignis auszugehen und eine Therapie zur Revaskularisation ist als sicher und effektiv zu werten, um einen weiteren Zelluntergang zu unterbinden [21, 22]. SWI In der suszeptibilitätsgewichteten Bildgebung lassen sich Blutungen mit höchster Sensitivität nachweisen. Damit ist es nicht nur möglich einen hämorrhagischen von einem ischämischen Infarkt zu differenzieren, sondern auch kleinste sekundäre hämorrhagische Einblutungen (Mikroblutungen) in ischämischen Infarkten nachzuweisen. MR-Angiographie Die häufigste Technik ist hierbei die TOF-Angiographie, die die KM-freie Darstellung vor allem der intrakraniellen Gefässe erlaubt. Ähnlich wie bei der CT-A lassen sich so Gefässabbrüche, Stenosen oder anderweitige Gefässpathologien nachweisen. Zur Darstellung der Halsgefässe wird meist eine KM-gestützte 3D-Gradienten-Echo MRAngiographie verwendet. TOF und kontrastmittelgestützte MR-A zeigen insgesamt eine etwas geringere Sensitivität im Vergleich zur CT-A [23]. Insbesondere langsamer oder turbulenter Blutfluss können zu einem Signalverlust führen, wodurch Stenosen in der MR-A überschätzt werden können [24]. Bei der Frage nach Dissektion der Halsgefässe bieten sich sowohl die CT-A als auch die MR-A mit relativ ähnlichen Ergebnissen an [25]. In weniger dringlichen Situationen bietet die MRT-Untersuchung jedoch den Vorteil der genauen Darstellung eines möglichen Wandhämatoms und zudem mittels DWI die zeitgleiche Abklärung möglicherweise stattgefundener Infarkte. Weitere Vorteile der MR-A und CT-A sind die mittlerweile schnell und halbautomatisiert anzufertigenden 3-D Rekonstruktionen, mittels deren Hilfe sich schnell ein Überblick über die Gefässsituation verschafft werden kann (Abb. 4d, 5e). © 2020 Hogrefe
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MR-Perfusion Es stehen unterschiedliche MR-Techniken zur Messung der cerebralen Perfusion zur Verfügung. Im Alltag hat sich die dynamic susceptibility contrast (DSC) Perfusion bewährt, die auf T2*w, KM-gestützten Sequenzen basiert. Das Konzept der MR-P ist ähnlich zu dem der CT-P mit analogen farbcodierten Karten mit den Parameter TTP, MTT, CBF und CBV. Auch hier soll hypoperfundiertes Hirngewebe detektiert werden, um damit die optimale Patientenversorgung festlegen zu können. Mittels DWI kann der Infarktkern, also das irreversibel geschädigte Nervengewebe schnell und einfach definiert werden. Die zusätzlich entscheidende Frage nach einer Penumbra, also dem Vorhandensein von noch rettbarem Gewebe, kann unter Einbezug der MR-P beantwortet werden [26]. Die Relation zwischen zeitlich verzögert durchblutetem Hirngewebe (definiert z. B. durch Tmax) zum irreversiblen Infarktkern ist zur Therapieentscheidung insbesondere ausserhalb der üblichen Zeitfenster relevant. Dieses Konzept wurde in neuesten Studien mehrfach belegt und untermauert den zunehmenden Wert der mechanischen Thrombektomie [8].
Schlussfolgerung Im dynamischen Feld der Schlaganfalltherapie hat sich die fortgeschrittene Bildgebung als entscheidend bei der Diagnose und bei der Wahl der optimalen Therapie etabliert. CT ist aufgrund seiner breiten Verfügbarkeit nach wie vor die am häufigsten verwendete Modalität in der Akutsituation. MRT, soweit in der Akutsituation vorhanden, liefert ähnlich gute Ergebnisse. MRT bietet zusätzliche Optionen und ist aufgrund seiner besseren Weichteildarstellbarkeit und seiner strahlungsfreien Bildakquisition vor allem bei subakuten und späteren Infarktstadien die Methode der Wahl. Die Neuroradiologie des Schlaganfalls ist ein sich rapide wandelndes Feld. Technische Fortschritte im Bereich der Scanner (z. B. Dual-Energy CT oder höhere Feldstärken im MRT) und Weiterentwicklungen der Bildnachbearbeitung und Bildanalyse (Stichwort künstliche Intelligenz) lassen diese Neuerungen schnell voranschreiten und auf eine künftig weitere positive Entwicklung zugunsten des Patienten hoffen.
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PD Dr. med. Sebastian Winklhofer Klinik für Neuroradiologie Klinisches Neurozentrum Universitätsspital Zürich Frauenklinikstrasse 10 8091 Zürich sebastian.winklhofer@usz.ch
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Übersichtsarbeit
Nicht-invasive Diagnostik der chronischen koronaren Herzkrankheit – CT-Koronarangiographie und Stress-MRT Oliver Müggler1,2, Robert Manka1,2, Hatem Alkadhi1 und Matthias Eberhard1 1 2
Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsspital Zürich Klinik für Kardiologie, Universitäres Herzzentrum, Universitätsspital Zürich
Zusammenfassung: Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist eine der führenden Todesursachen weltweit. In den 2019 erschienenen, aktualisierten Guidelines der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) für die Diagnose und Management der chronischen koronaren Herzkrankheit wird der nicht-invasiven Bildgebung ein deutlich höherer Stellenwert eingeräumt als in vorherigen Ausgaben. Die berechnete Vortestwahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer KHK, die auf Alter, Geschlecht und Symptomen basiert, wurde im Vergleich zu den älteren Guidelines nach unten korrigiert, um der bisher überschätzten Prävalenz der KHK Sorge zutragen. Bei Patienten, bei denen das Vorliegen einer obstruktiven KHK klinisch nicht ausgeschlossen werden kann, gibt es verschiedene Strategien mittels nicht-invasiver Herzbildgebung eine KHK zu diagnostizieren: CT-Koronarangiographie, funktionelle kardiale Bildgebung und eine Kombination aus Herzkatheter und funktioneller Untersuchung. In der vorliegenden Übersichtsarbeit werden Stärken und Schwächen der einzelnen, nicht-invasiven kardialen Bildgebungsmodalitäten zur Beurteilung einer chronischen KHK, mit Schwerpunkt auf CT-Koronarangiographie und Stress-Magnetresonanztomographie (MRT), zusammengefasst. Non-invasive Imaging of Chronic Coronary Syndromes – CT Coronary Angiography and Stress Perfusion Cardiac MRI Abstract: Coronary artery disease (CAD) is amongst the leading causes of death worldwide. The European Society of Cardiology (ESC) has recently published new guidelines on diagnosis and management of chronic coronary syndromes. These guidelines emphasize the use of non-invasive imaging tests to assess CAD. Compared to previous versions of these guidelines, the pre-test probabilities of CAD based on age, sex and symptoms have been adjusted downward. Unless obstructive CAD can be excluded by clinical assessment alone, various strategies to diagnose CAD in symptomatic patients may be used: coronary CT angiography, non-invasive functional imaging for myocardial ischaemia, or invasive coronary angiography combined with functional evaluation. This review summarizes strengths and weaknesses of non-invasive cardiac imaging modalities with emphasize on coronary CT angiography and stress perfusion cardiac magnetic resonance (CMR) imaging.
Einleitung Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist eine der führenden Todesursachen weltweit. In der Schweiz ist die ischämische Herzkrankheit für über 10 % der Sterbefälle verantwortlich (https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/ gesundheit/gesundheitszustand/sterblichkeit-todesur sachen/spezifische.html). Die ischämische Herzkrankheit ist eine chronisch progressive Erkrankung, welche durch eine obstruktive oder nicht-obstruktive Atherosklerose der Koronararterien oder durch eine Mikrozirkulationsstörung verursacht wird. Diese kann viele Jahre asymptomatisch verlaufen und im Verlauf zu einem akuten Koronarsyndrom, einer ischämischen Kardiomyopathie oder einer Herzinsuffizienz führen. Nach den neusten Richtlinien der © 2020 Hogrefe
Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) wird der nicht-invasiven kardialen Bildgebung zur Abklärung einer chronischen (vormals: stabilen) KHK ein deutlich höherer Stellenwert eingeräumt [1]. Hierdurch soll eine kosteneffizientere Abklärung der KHK erreicht werden.
Vortestwahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer KHK In den 2019 erschienenen, revidierten Richtlinien der ESC für Diagnose und Management der chronischen koronaren Herzkrankheit wird die Wichtigkeit der Erhebung der kliniTherapeutische Umschau (2020), 77(2), 47–52 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001151
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O. Müggler et al., CT-Koronarangiographie und Stress-MRT
Tabelle 1. Klinische Klassifikation von Brustschmerzen Typische Angina
Erfüllt alle der drei folgenden Bedingungen: • Retrosternaler Druck charakteristischer Qualität und Dauer; • Hervorgerufen durch körperliche Anstrengung oder emotionale Belastung; • Besserung durch Ruhe und / oder Nitrate innerhalb von Minuten
Atypische Angina
Erfüllt zwei der oben genannten Bedingungen
Nicht-anginöse Brustschmerzen
Erfüllt keine oder nur eine der oben genannten Bedingungen
Anmerkungen: Modifiziert nach 2019 ESC Guideline for the diagnosis and management of chronic coronary syndromes [1].
schen Wahrscheinlichkeit einer koronaren Herzkrankheit hervorgehoben, um unnötige Tests und falsch positive Resultate zu vermeiden [1]. Wichtig für die Vortestwahrscheinlichkeit ist die klinische Beurteilung des Brustschmerzes (Tab. 1) und / oder des Vorliegens von Dyspnoe als führendes Symptom. Die Vortestwahrscheinlichkeit wird mittels Geschlecht, Alter und führender Symptomatik berechnet (Tab. 2). Die berechnete Vortestwahrscheinlichkeit wurde dabei im Vergleich zu älteren Versionen nach unten korrigiert, da die Werte in den älteren Richtlinien, aufgrund der überschätzten Prävalenz der KHK, zu hoch angesetzt waren. Weiteren Einfluss auf die Vortestwahrscheinlichkeit haben kardiovaskuläre Risikofaktoren, EKG-Veränderungen, linksventrikuläre Funktion, eine pathologische Ergometrie oder ein hoher Calcium-Score im CT. Eine nicht-invasive kardiale Bildgebung wird bei einer Vortestwahrscheinlichkeit von mehr als 15 % empfohlen. Bei Patienten mit einer tieferen Vortestwahrscheinlichkeit von 5 – 15 % ist eine Abklärung mittels nicht-invasiver Bildgebung je nach Patient optional, wobei zu bedenken ist, dass hier mehr falsch positive Resultate zu erwarten sind.
CT-Koronarangiographie Das CT bietet grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Detektion einer KHK. Einerseits ist das Erkennen und die Quantifizierung des Koronarkalks ohne die Gabe von jodhaltigem
Kontrastmittel möglich (Calcium-Score), anderseits ist unter Verwendung von jodhaltigem Kontrastmittel eine exakte morphologische Beurteilung der Koronararterien mit hoher Sensitivität möglich (CT-Koronarangiographie) [2]. Das CT Calcium-Scoring spielt eine Rolle bei der Risikostratifizierung und wird mit einer niedrigen effektiven Strahlendosis von circa 0.4 mSv oder geringer durchgeführt (zum Vergleich: Die typische Dosis einer Röntgenuntersuchung der Lendenwirbelsäule wird vom Bundesamt für Gesundheit / BAG mit 1.5 mSv angegeben; https:// www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesund-leben/ umwelt-und-gesundheit/strahlung-radioaktivitaet-schall/ strahlenanwendungen-in-der-medizin/strahlendosen-inder-medizin.html) [3]. Kalkdichte atherosklerotische Veränderungen der Koronararterien, die eine Dichte von 130 Hounsfield Units übersteigen, können mit Hilfe semiautomatischer Software summiert und quantifiziert werden. Anhand des resultierenden Agatston Scores der Koronararterien kann das kardiovaskuläre Risiko je nach Altersgruppe, Geschlecht und Ethnizität abgeschätzt werden (Abb. 1) [4, 5]. Die Quantifizierung des Koronarkalks hat auch einen therapeutischen Stellenwert, da Patienten mit ausgeprägter Koronarverkalkung deutlich stärker von einer prophylaktischen Statintherapie zur Verhinderung eines kardiovaskulären Ereignisses profitieren als Patienten ohne Koronarverkalkung [6]. Die Stärke der CT-Koronarangiographie mit Kontrastmittel liegt in der anatomischen Darstellung der Koronararterien mit einer hohen Sensitivität zur Detektion atherosklerotischer Veränderungen und Stenosen [2, 7]. Bei Patienten mit tiefer bis mittlerer Vortestwahrscheinlichkeit (< 50 %) für das Vorliegen einer KHK gelingt dies mit einem hohen negativen Vorhersagewert. Das heisst, dass die CT-Koronarangiographie in dieser Patientengruppe sehr gut zum Ausschluss einer KHK geeignet ist. Sie ist hier zudem äusserst kosteneffizient [2, 8] (Abb. 2). Die CT-Koronarangiographie kann routinemässig mit einer tiefen effektiven Strahlendosis von durchschnittlich circa 0.5 – 2 mSv durchgeführt werden, wobei insbesondere bei schlanken Patienten regelmässige Strahlendosen von < 1 mSv erreicht werden [9]. Bei jungen Patienten ist dennoch kritisch abzuwägen, ob die Bildgebung zur Abklärung einer KHK mittels CT notwendig ist oder ob diese nicht
Tabelle 2. Berechnung der Vortestwahrscheinlichkeit Thoraxschmerzen Typisch Alter
Atypisch
Dyspnoe als führendes Symptom Nicht-anginös
Männer
Frauen
Männer
Frauen
Männer
Frauen
Männer
Frauen
30 – 39
3%
5%
4%
3%
1%
1%
0%
3%
40 – 49
22 %
10 %
10 %
6%
3%
2%
12 %
3%
50 – 59
32 %
13 %
17 %
6%
11 %
3%
20 %
9%
60 – 69
44 %
16 %
26 %
11 %
22 %
6%
27 %
14 %
70+
52 %
27 %
34 %
19 %
24 %
10 %
32 %
12 %
Anmerkungen: Modifiziert nach 2019 ESC Guideline for the diagnosis and management of chronic coronary syndromes [1].
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© 2020 Hogrefe
O. Müggler et al., CT-Koronarangiographie und Stress-MRT
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Abbildung 1. CT ohne Kontrastmittelgabe (Calcium scoring) zur Risikostratifizierung bei einem 60-jährigen Mann mit Diabetes mellitus Typ II. Bild A zeigt eine repräsentative Schicht des nativen CT mit Verkalkungen in der rechten Koronararterie (RCA, roter Pfeil), im Ramus interventricularis anterior (RIVA, gelber Pfeil) und im Ramus circumflexus (RCx, blauer Pfeil). Die Bilder B und C (Volume Rendering) illustrieren das Calcium-Scoring, bei dem Koronarverkalkungen, je nach Gefäss, farblich dargestellt werden (rot, RCA; gelb, RIVA; blau, RCx). Das Calcium-Scoring ergab bei diesem Patienten eine fortgeschrittene Koronarverkalkung mit einem Agatston-Score von 1066, entsprechend einer Verkalkung über der 90. alters- und geschlechtsspezifischen Perzentile nach Raggi et al. [4].
Abbildung 2. CT-Koronarangiographie zum Ausschluss einer KHK bei einer 58-jährigen Frau mit typischen, anginösen Thoraxbeschwerden. 3D-Rekonstruktionen des Herzens (A) und des Koronarbaums (B) sowie Reformationen der rechten Koronararterie (C), des Ramus interventricularis anterior (D) sowie des Ramus circumflexus (E) zeigen normale Koronararterien ohne atherosklerostische Veränderungen. Somit konnte mittels unauffälliger CT-Koronarangiographie eine KHK sicher ausgeschlossen werden.
auch mittels eines Stress-MRT erfolgen kann. Optimalerweise sollte der Patient für die CT-Koronarangiographie einen regelmässigen Sinusrhythmus haben. Modernere CT-Scanner können Patienten auch mit höheren Herzfrequenzen bis > 100 / min und sogar mit Extrasystolen oder Arrhythmien mit diagnostischer Bildqualität untersuchen [10 – 12]. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz oder bekannter Allergie gegenüber jodhaltigem Kontrastmittel sollte der Vorteil einer KHK-Abklärung mittels CT gegenüber dem Risiko einer Kontrastmittelgabe abgewogen werden. Aufgrund der nur mässigen Spezifität der Untersuchung ist die CT-Koronarangiographie für Patienten mit hoher Vortestwahrscheinlichkeit weniger geeignet, da hier der Stenosegrad überschätzt werden kann. Die hämodynamische Relevanz einer mittels CT nachgewiesenen, intermediären Stenose (ca. 50 %) sollte mit einem funktionellen Test weiter abgeklärt werden. Hier ist die mittels Herzkatheter gemessene funktionelle Flussreserve (FFR) der Goldstandard [13]. Mehrere randomisierte Studien haben gezeigt, dass die mittels Computer-Modell aus CT-Daten berechnete funktionelle Flussreserve (FFR-CT) hier eine vielversprechende, nicht-invasive Alternative sein kann [14 – 16]. In der Praxis ist die FFR-CT aufgrund der Kosten © 2020 Hogrefe
Abbildung 3. CT-Koronarangiographie bei einem 43-jährigen Mann mit atypischen Thoraxschmerzen seit zwei Monaten. 3D-Rekonstruktion (A) und Multiplanare Reformation (B) der CT-Daten illustrieren eine hochgradige Stenose (roter Pfeil) im mittleren RCA-Segment mit korrespondierend pathologischem Wert in der mittels Computer-Modell aus den CT-Daten berechneten funktionellen Flussreserve (FFR-CT, C). Des Weiteren zeigte sich bei diesem Patienten eine intermediäre Stenose des mittleren RCx-Segments (in A und B nicht gezeigt) mit ebenfalls pathologischem FFR-CT Wert. Beide Stenosen wurden mittels Herzkatheter bestätigt (D) und mittels Stents versorgt.
und des mittels Patentrecht gesicherten Monopols eines Anbieters, zumindest in Europa, noch nicht routinemässig angekommen, kann in ausgewiesenen Zentren jedoch durchgeführt werden (Abb. 3).
Funktionelle Untersuchungen Nach den neuesten ESC-Richtlinien wurde die Ergometrie zum Ischämienachweis aufgrund der tiefen Sensitivität und Spezifität zurückgestuft. Sie sollte nur als Vorabklärung zur Bestimmung der Vortestwahrscheinlichkeit oder bei fehlenden alternativen Methoden eingesetzt werden. Die nicht-invasiven Bildgebungsmodalitäten zur Darstellung der Myokardperfusion sind zur Beurteilung der prognostischen Relevanz einer Koronarstenose und zur Abklärung einer benötigen Revaskularisation (Stenting / Koronar-arterielle Bypass-Operation) deutlich besser geeignet [1]. Die aktuellen Richtlinien favorisieren keine bestimmte Modalität und beschreiben einzig die Vor- und Nachteile. Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 47–52
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Stress-MRT des Herzens Die MRT kann mit hohem Kontrast und hoher räumlicher Auflösung die Herzbewegung darstellen und stellt heute den Goldstandard zur Beurteilung der rechts- und linksventrikulären Funktion dar. Zur Beurteilung einer chronischen KHK wird im Herz-MRT ein medikamentöser Stress induziert, um Myokardsegmente mit belastungsinduziert verminderter Perfusion oder Wandbewegungsstörung nachzuweisen (Abb. 4). Die Untersuchung wird meist mit Vasodilatatoren (Adenosin, alternativ mit Regadenoson) und selten mit einer direkten pharmakologischen Belastung (Dobutamin) durchgeführt [17, 18]. Nach Gabe von Gadolinium-haltigem Kontrastmittel können im MRT zudem Myokardnarben nach Infarkt dargestellt werden und die Viabilität des Myokards beurteilt werden (Abb. 5) [19]. Bezüglich der Detektion von subendokardialen Narben ist das Herz-MRT anderen Methoden aufgrund der hohen räumlichen Auflösung überlegen [20, 21]. Das Herz-MRT ist daher in der Lage in 35 – 45 Minuten Untersuchungszeit Fragen nach Herzfunktion, Ischämie und Myokardviabilität umfassend abzuklären. In mehreren grösseren randomisierten Studien wurde der hohe Stellenwert des Stress-MRT in der Abklärung der koronaren Herzkrankheit bestätigt [22 – 2 5]. Eine grosse Meta-Analyse von Takx et al. zeigte, dass das Stress-MRT, wie auch die CT-Koronarangiographie und die PET-Untersuchung eine signifikante KHK mit hoher Genauigkeit ausschliessen und somit sehr gut die Notwendigkeit eines Herzkatheters abklären kann [26]. SPECT und auch Stress-Echokardiographie zeigten sich in dieser MetaAnalyse weniger gut zum Ausschluss einer relevanten KHK geeignet [26]. In der MR-INFORM Studie wurde die Stress-MRT (mit Adenosin) mit der FFR-Messung während der Herzkatheteruntersuchung verglichen. Dabei wurden Patienten mit Angina Pectoris-Beschwerden mit mindestens 2 Risikofaktoren oder einem positiven Belastungs-EKG in eine Stress-MRT-basierte oder FFR-basierte Strategie im Hinblick auf eine koronare Revaskularisierung randomisiert. Die Studie zeigte, dass nach einem Jahr die MRT-basierte Strategie bezüglich des zwischenzeitlichen Auftretens kardialer Ereignisse mindestens gleich gut abschneidet wie eine FFR-basierte Strategie [27]. In der MRT-Gruppe erhielten 48 % der Patienten eine Herzkatheteruntersuchung und 36 % wurden gestentet, während bei der invasiven Gruppe mit Herzkatheter-basierter FFR 45 % der Patienten gestentet wurden. Diese Studie weist somit darauf hin, dass mit einer MRT-basierten Abklärung der chronischen KHK invasive Abklärungen und evtl. unnötiges Stenting der Koronararterien vermieden werden kann. Eine vergleichbare Studie zu den anderen funktionellen Untersuchungen gibt es derzeit nicht. Eine negative Stress-MRT hat auch prognostische Aussagekraft. Eine Metaanalyse von über 19 Studien mit einem mittleren Follow-up von 19 Monaten zeigte, dass eine negative Stress-MRT mit einem sehr tiefen Risiko für Tod durch eine kardiovaskuläre Erkrankung oder für einen akuten Myokardinfarkt einhergeht [28]. Der Nachteil Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 47–52
Abbildung 4. Stress-MRT bei einem 78-jährigen Patienten zur Abklärung einer dilatativen Kardiomyopathie unklarer Ätiologie mit einer schwer eingeschränkten Ejektionsfraktion von 15 %. Das Stress-MRT zeigt eine ausgeprägte, medikamentös induzierbare Perfusionsstörung des Myokards vor allem im Septum und weniger der Lateralwand (A – C, rote Pfeile) mit Beteiligung von insgesamt 11 von 16 Myokardsegmenten. In den «late gadolinium enhancement»-Sequenzen (D – F) konnte keine Infarktnarbe dargestellt werden, somit handelte es sich hier um eine ausgeprägte Myokardischämie. In der Herzkatheteruntersuchung (G) zeigten sich mehrere hochgradige Koronarstenosen zum Beispiel im proximalen Segment des Ramus interventricularis anterior und des mittleren Segments des Ramus circumflexus (gelbe Pfeile).
Abbildung 5. 41-jähriger Mann mit St.n. STEMI bei Verschluss des Ramus interventricularis anterior (RIVA). Die «late gadolinium enhancement»-Bilder zeigen die grosse Narbe im RIVA-Stromgebiet im 2-Kammer-Blick (A) sowie im Kurzachsenschnitt (B) durch den apikalen Anteil des linken Ventrikels.
einer Stress-MRT ist möglicherweise die reduzierte Bildqualität bei Patienten mit sehr unregelmässigem Vorhofflimmern. Aufgrund der Enge der Röhre kommt es bei manchen Patienten zu Platzangst, die unter Umständen durch den Einsatz von Midazolam-Spray oder durch die Anwendung von Prismabrillen überwunden werden kann. Die gängigen Implantate wie Herzschrittmacher, Aortenklappen oder Koronarstents stellen, zumindest bei 1.5 Tesla-MRT Scannern, meist keine Kontraindikationen für die Untersuchung dar. Eine sehr hilfreiche Übersicht / Suche, ob verschiedene medizinische Geräte uneingeschränkt für das MRT tauglich («safe») oder vorbehaltlich geringer Anpassungen für das MRT tauglich («conditional») sind, findet sich auf der Internetseite mrisafety.com.
Stress-Echokardiographie Die Stress-Echokardiographie ist in der Kardiologie eine weit verbreitete Methode und kann unter pharmakologischer oder physikalischer Belastung durchgeführt werden. Ein Vorteil liegt in der guten Verfügbarkeit, der geringen Kosten sowie der fehlenden Strahlenbelastung für den Patienten. Die Untersuchung ist jedoch stärker als die anderen Methoden von der Erfahrung des Untersuchers und © 2020 Hogrefe
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einer guten Schallqualität abhängig und weist deswegen eine geringere Reproduzierbarkeit auf [29]. Darüber hinaus erschweren Linksschenkelblock, Extrasystolen oder Vorhofflimmern die Beurteilbarkeit.
Einzelphotonen-EmissionsComputertomographie (SPECT) Beim SPECT wird das Prinzip der perfusionsabhängigen Radionuklidaufnahme in Myozyten angewendet, welche als Gammastrahlen detektiert werden. Die Untersuchung kann auch unter physikalischer Belastung (Ergometrie) durchgeführt werden. Vorteil der Untersuchung ist die Unabhängigkeit von Arrhythmien. Für adipöse Patienten ist die Untersuchungsmethode jedoch nur eingeschränkt geeignet und weitere Nachteile sind die niedrige räumliche Auflösung und die Gesamtlänge der Untersuchung. Die Strahlenbelastung für die SPECT-Untersuchung wird mit 5 – 20 mSv angegeben [26, 30].
Positronen-Emissions-Tomographie (PET) Gegenüber der SPECT liegt der Vorteil der PET-Untersuchung in einer höheren räumlichen Auflösung, der Möglichkeit der Perfusionsmessung und einer genaueren Schwächungskorrektur. Aufgrund kürzerer Halbwertszeiten und günstigerer kinetischer Eigenschaften der verwendeten Radiopharmaka ist die Strahlenbelastung kleiner als im SPECT und liegt bei circa 3 – 4 mSv [31]. Als Nachteile der Untersuchung sind vor allem die Kosten (deutlich höher im Vergleich zu den anderen funktionellen Bildgebungsmodalitäten), die Länge der Untersuchung und die eingeschränkte Verfügbarkeit anzuführen. Die Dauer der Untersuchung wird vor allem dann in die Länge gezogen, wenn es um die Abklärung von Myokardperfusion und -viabilität geht, da hier zwei verschiedene Tracer (13N-Ammoniak oder Rubidium-82 für Myokardperfusion, 18F-Desoxyglukose für Myokardviabilität) appliziert werden müssen.
Empfehlungen Eine allgemeingültige Empfehlung zur diagnostischen Strategie bei Abklärung einer chronischen KHK wird von der ESC in Ihren aktuellen Richtlinien nicht ausgesprochen. Vielmehr muss für jeden Patienten individuell zwischen den modalitätseigenen Vor- und Nachteilen abgewogen werden. Generell lässt sich sagen, dass die CT-Koronarangiographie bei tiefer bis mittlerer Vortestwahrscheinlichkeit die Untersuchungsmethode der Wahl zum Ausschluss einer KHK ist. Erfolgt im CT der Nachweis von intermediären Stenosen (> 50 %) kann mittels funktioneller Bildgebung (MRT, SPECT, PET, FFR) durch die Darstellung der Myokardperfusion die hämodyna© 2020 Hogrefe
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mische Signifikanz dieser Stenosen beurteilt werden. Bei den funktionellen Modalitäten zur nicht-invasiven Abklärung einer KHK wird das Stress-EKG nur noch zur Risikostratifizierung aber nicht mehr zum Ausschluss einer KHK empfohlen. Die Stressechokardiographie ist durch die einfache Durchführbarkeit und die hohe Verfügbarkeit sicher nach wie vor das «Arbeitspferd» zur Abklärung einer KHK. Die weiteren Modalitäten bieten verschiedene Vorund Nachteile wobei sich das Stress-MRT durch eine hohe Verfügbarkeit, dem Fehlen von ionisierender Strahlung und durch geringere Kosten auszeichnet.
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Dr. med. Matthias Eberhard Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Universitätsspital Zürich Rämistrasse 100 8091 Zürich Schweiz matthias.eberhard@usz.ch
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Übersichtsarbeit
Diagnostik und interventionellradiologische Therapie der benignen Prostatahyperplasie Adrian Kobe, Olivio Donati und Thomas Pfammatter Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsspital Zürich
Zusammenfassung: Die benigne Prostatahyperplasie (BPH) ist eine häufige Erkrankung des älteren Mannes und nimmt mit dem Alter stetig zu. Der Goldstandard in der Therapie der BPH besteht in einer medikamentösen Therapie sowie, bei Versagen derselben, in einer transurethralen Prostataresektion (TURP). Als Alternativverfahren hat sich in den letzten Jahren die minimalinvasive Therapie mittels Embolisation der A. prostatica etabliert. Nach sorgfältiger Abklärung des Patienten mittels MRT und CT zum Ausschluss von Kontraindikationen und zur Evaluation des Zugangswegs, findet die Intervention in örtlicher Betäubung statt und kann ambulant durchgeführt werden. Insbesondere bei Patienten, die einer Operation ablehnend gegenüberstehen oder polymorbide sind, ist die Prostaatembolisation eine nebenwirkungsarme Alternative zur TURP. Diagnosis and Minimal Invasive Treatment of Benign Prostatic Hyperplasia Abstract: Benign prostatic hyperplasia (BPH) is a common condition in men aged 50 – 60 years with a prevalence of about 50 %. After failure of conservative treatment, the standard treatment of BPH is transurethral resection of the prostate (TURP). However, over the last years prostatic artery embolization (PAE) emerged as a minimal invasive alternative to treat lower urinary tract symptoms. After patient assessment by MRI and CT of the prostate to rule out possible contraindications of PAE, the procedure can be performed in an outpatient setting under local anesthesia by an interventional radiologist. Especially for frail patients and / or patients with special risks regarding surgery / anesthesia, PAE may be an alternative to TURP with fewer complications.
Einleitung Unter einer benignen Prostatahyperplasie (BPH) versteht man eine benigne Proliferation von Stroma- sowie epithelialen Zellen der Prostata, was letztlich zu einer Volumenzunahme derselben führt. Krankheitswert erlangt diese erst nach Auftritt von Symptomen wie zum Beispiel einem abgeschwächten Harnstrahl, Nykturie oder einem akuten Harnverhalt. Die Prävalenz der BPH liegt bei 50-jährigen Männern bei etwa 50 % und nimmt mit dem Alter stetig zu [1]. Der Goldstandard in der Therapie der BPH besteht in einer medikamentösen Therapie sowie, bei Versagen derselben, der transurethralen Prostataresektion (TURP). In den letzten Jahren hat sich allerdings die minimalinvasive Therapiealternative mittels Embolisation der A. prostatica etabliert. Erstmalig wurde der positive Effekt einer Volumenreduktion der Prostata nach selektiver Embolisation der A. prostatica zur Therapie massiver prostatischer Blutungen im Jahre 1976 beschrieben [2]. Seither konnte der Nutzen der Prostataarterienembolisation (PAE) in diversen Studien gezeigt werden, was unter anderem zur Aufnahme der Embolisation, als Alternative © 2020 Hogrefe
zur TURP, in die aktuellen Guidelines des «National Institute for Health and Care Excellence» in Grossbritannien geführt hat [3].
Diagnostik MRI Vor Durchführung der Embolisation benötigt jeder Patient eine urologische Abklärung. Zeigt sich hier ein auffällig erhöhter PSA-Wert, was häufig im Rahmen der Volumenzunahme der Prostata zu sehen ist, kann eine multiparametrische MRI der Prostata zum Ausschluss eines Prostatakarzinoms durchgeführt werden. Eine solche Untersuchung besteht einerseits aus der Akquisition morphologischer Daten auf deren Basis die Prostata volumetriert und die zonale Anatomie beurteilt werden kann. Andererseits werden funktionelle Sequenzen, wie die diffusionsgewichtete Bildgebung oder die dynamisch Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 53–56 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001152
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Abbildung 1. Auf der morphologisch anatomischen, T2-gewichteten Sequenz (a) kann die äussere, periphere Zone der Prostata (*) von der Transitionszone (Pfeilspitzen) differenziert werden. Eine Volumenzunahme der Tranistionszone ist verantwortlich für die Beschwerden, die bei der benignen Prostatahyperplasie entstehen. Die diffusionsgewichteten Sequenzen (b) und die dynamisch kontrastmittelverstärkten Sequenzen (c) können ein evtl. vorhandenes Prostatakarzinom (Pfeile) detektieren. Zur besseren Visualisierung kann die Information aus der morphologischen Bildgebung mit der Information aus der kontrastmittelverstärkten Bildgebung fusioniert werden (d).
kontrastmittelverstärkte Bildgebung akquiriert, welche in Kombination mit der morphologischen Bildgebung die Detektion und Charakterisierung eines allfällig vorhandenen klinisch signifikanten Prostatakarzinoms ermöglichen (Abb. 1). Dies gelingt gemäss einer kürzlich veröffentlichten Metaanalyse in > 90 % der Fälle [4]. Durch die Detektion und vor allem Visualisierung des Prostatakarzinoms kann die Problematik der Unterdiagnose, des Untergradings und der Übertherapie verbessert werden, welche die «herkömmliche» Abklärung des Prostatakarzinoms mit sich bringt. Mehrere grosse Studien [5, 6] und ein systematischer Review der Cochrane Library [4] haben in den letzten Monaten gezeigt, dass beispielsweise eine MRI-unterstützte Biopsie im Vergleich zu ungezielten, systematischen Biopsien besser geeignet ist, um eine korrekte Diagnose von klinisch signifikantem Prostatakrebs zu stellen.
Computertomographie Nach Ausschluss eines Prostatakarzinoms wird von interventionell-radiologischer Seite eine CT-Angiographie des Beckens durchgeführt. Diese ermöglicht die Analyse der Beckengefässanatomie, welche sehr variabel ist, und dient der operativen Planung. Nach de Assis et al. [7] werden fünf anatomische Varianten des Abgangs der Prostataarterie beschrieben. Am häufigsten verlässt diese die A. iliaca interna zusammen mit einem gemeinsamen Stamm der A. vesicalis inferior et superior. Die genaue Kenntnis der Anatomie hat Bedeutung für die spätere Embolisation, da je nach anatomischer Variante nach anderen Kollateralgefässen gesucht werden muss, um letztlich eine Fehlembolisation zu vermeiden. Bedeutend ist die genaue Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 53–56
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Abbildung 2. (a) zeigt eine 3D-MIP-Rekonstruktion aus einer Perfusions-CT der rechtsseitigen Beckenarterien. Die Prostataarterie ist hierbei schön zu erkennen (Pfeil). (b) zeigt die intraoperative digitale Subtraktionsangiographie der A. iliaca interna rechts und ihrer Abgänge mit einer zur rekonstruierten Angiographie der Perfusions-CT übereinstimmenden Anatomie.
Evaluation der Beckenanatomie auch zur Reduktion der intraoperativen Röntgenstrahlenexposition. Im Wissen anatomischer Varianten gelingt eine superselektive Katheterisierung deutlich schneller. Im Studien-Setting wurde kürzlich der Nutzen einer Perfusions-CT der Prostata evaluiert [8]. Hierbei werden während des Einstroms des Kontrastmittels in die Prostata zu verschiedenen Zeitpunkten Bilder akquiriert. Mit speziellen Einstellungen des Computertomographen konnte bei gleicher Strahlendosis wie einer Standard-CT-Angiographie eine sehr hohe Auflösung der Prostataarterie erzielt werden (Abb. 2). Diese Art der Computertomographie ermöglicht es ausserdem mit deutlich weniger jodhaltigem Kontrastmittel auszukommen, was insbesondere Patienten mit einer Niereninsuffizienz zu Gute kommt [8]. Die Evaluation der Gefässsituation dient auch zum Ausschluss von Patienten. Dies betrifft Patienten mit stark tortuösen, verkalkten Gefässen oder aber stenosierten respektive verschlossenen Prostataarterien.
Interventionell-radiologische Therapie Die Intervention selbst findet in örtlicher Betäubung statt und kann ambulant durchgeführt werden. Eine spezielle Vorbereitung des Patienten ist nicht nötig. Unter lokaler Anästhesie wird typischerweise die A. femoralis communis dextra punktiert. Anschliessend wird, mit Hilfe eines Mikrokatheters, sequenziell die A. prostatica beidseits son© 2020 Hogrefe
A. Kobe et al., Benigne Prostatahyperplasie
diert. Zur Lagekontrolle wird vor Ort eine digitale Subtraktionsangiographie sowie Flachdetektor-CT durchgeführt (Abb. 3). Dies dient dem Ausschluss allfälliger Kollateralen zum Rektum, Penis oder der Harnblase. Diese können, falls nötig, mittels spezieller Metallspiralen verschlossen werden oder die Wahl der Embolisationspartikel beeinflussen, um eine Fehlembolisation zu verhindern. Anschliessend wird die Embolisation mittels kleiner, kalibrierter Kügelchen (250 µm) durchgeführt bis es zur Stase des Blutflusses in der A. prostatica kommt (Abb. 3). Nach 5-stündiger Überwachung kann der Patient nach Hause entlassen werden. Es folgen die regulären urologischen Kontrollen.
Nutzen und Risiken Der Nutzen der PAE wurde in mehreren Studien belegt und ist aus diesem Grund nicht mehr als experimentelle Therapie sondern als alternative Therapie zur TURP zu betrachten [9 – 11]. Mit der PAE kann eine signifikante und nachhaltige Reduktion des «international prostatic symptom score» (IPSS), «quality of life score» (QoL) sowie Prostatavolumens erreicht werden. In einer Metaanalyse durch Uflacker et al. [10] lag nach 12 Monaten die durchschnittliche Reduktion des IPSS bei 20 Punkten, des QoL bei 2.5 Punkten sowie des Prostatavolumens bei 31 ml. In einer randomisiert kontrollierten Studie konnte die PAE eine vergleichbare Reduktion der subjektiven Beschwer-
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den erreichen [12]. Es konnte allerdings auch gezeigt werden, dass die TURP der PAE beim maximalen Urinfluss, Restharnvolumen sowie der Volumenreduktion der Prostata überlegen war [12]. Die häufigsten postinterventionellen Komplikationen sind eine Dysurie (9 %) sowie ein akuter Harnverhalt (7.8 %) [10]. Erektile Dysfunktion sowie Sterilität wurden nicht beobachtet. Abt et al. [12] zeigten in ihrer randomisiert kontrollierten Studie signifikant weniger Nebenwirkungen in der Gruppe der embolisierten Patienten verglichen mit TURP. Hervorzuheben ist die Möglichkeit der Prostatembolisation in Lokalanästhesie ohne anästhesiologische Risiken einer Vollnarkose. Aus ökonomischer Sicht zeigt eine Kostenanalyse in den USA, welche die gesamthaften Kosten einer PAE und TURP analysiert, signifikant geringere Kosten für die PAE (PAE $ 1667 versus TURP $ 2154, p-Wert < 0.0001) [13]. In der Schweiz wurde dies auch beobachtet, hier allerdings nicht statistisch signifikant (PAE € 8185 versus TURP € 9137, p-Wert 0.07) [14].
Schlussfolgerung Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Embolisation der Prostata zur Behandlung einer BPH eine minimalinvasive Alternative zur TURP darstellt. Insbesondere kann diese Patienten, welche einer Operation ablehnend gegenüberstehen oder polymorbide sind, aktiv angeboten werden. Die präinterventionelle Schnittbildgebung ist für die Planung der Intervention und die korrekte Patientenselektion essenziell.
Literatur
Abbildung 3. a) und b) zeigen die superselektive digitale Subtraktionsangiographie der A. prostatica dextra et sinistra. In der anschliessend durchgeführten Flachdektektor-CT (c und d) bestätigt sich die richtige Lage des Mikrokatheters. In beiden Fällen lassen sich keine Kollateralen abgrenzen weshalb von hier aus die Embolisation bis zur Stase des Blutflusses erfolgt. Das angiographische Ergebnis nach Embolisation zeigt sich in e) und f).
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Dr. med. Adrian Kobe Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Universitätsspital Zürich Rämistrasse 100 8091 Zürich adrian.kobe@usz.ch
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Internistische Grundlagen in Viszeraler Chirurgie und Medizin Fortsetzung Tabelle: B.E.R.N. (Benny’s Emergency & Rescue Notes)
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Dr. med. Benny Wohlfarth Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin (UVCM) Inselspital, Universitätsspital Bern
Koma (GCS < 8):
ABC-Regel (Airway, Breathing, Circulation) beachten, Vitalparameter messen, O2-Gabe (CAVE: Hinweis auf CO2-Narkose, z. B. dekompensierte COPD/Asthma? Sedation oder muskuläre Erschöpfung ursächlich für GCS-Abfall?) Direkter Kontakt mit MET/Intensivmedizin. Beurteilung Pupillen. V. a. fokales Ereignis oder Meningitis: Kontakt mit MET/Neuro-IMC-Station; Blutzucker messen, PVK legen. Hypoglykämie: 3–5 Amp. Glucose 50 % à 10 ml i. v. V. a. Opiatintoxikation: Naloxon initial 0,2–0,4 mg i. v. V. a. Benzodiazepinintoxikation: Flumazenil (Anexate®) initial 0,2 mg i. v., Varia: ggf. 1 Amp. Thiamin (Benerva®) 100 mg i. v.
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Adrenalin 0,3–0,5 mg i. m. (Applikation Oberschenkel), Patienten liegend positionieren, Beine erhöhen; Volumensubstitution, z. B. Ringer Laktat 500– 1.000 ml als Bolus i. v.; vermutetes Agens stoppen/ entfernen, O2-Gabe, H1-Blocker: 1 Amp. Clemastin (Tavegyl®) 2 mg über 2–3 min i. v., H2-Blocker: 1 Amp. Ranitidin (Zantic®) 50 mg i. v. über mind. 2 min.
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Vorbekannte Epilepsie? 1 Amp. Clonazepam (Rivotril®) 1 mg i. v., bei V. a. Alkoholabusus zusätzlich 1 Amp. Thiamin (Benerva®) 100 mg i. v.; Hydratation, z. B. Ringer Laktat 500–1.000 ml i. v.
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Hämoptysen/Hämatemesis/Hämatochezie
Bradykardie (< 50/min)
wenn Patient symptomatisch (Peripherie kalt, Vigilanz ↓, Thoraxschmerzen): Atemwege offen halten, O2-Gabe; Pulsoxymeter anschließen (Frequenzkontrolle), BD-Messung (Hypotonie?), Ruhe-EKG durchführen, etwaige bradykardisierende Medikation stoppen, PVK legen, Kontakt mit MET/Intensivmedizin, ggf. Gabe von Atropin 0,5 mg i. v.; Patient auf IMC-Station/IB verlegen; ggf. transkutanen Schrittmacher anlegen
Vitalzeichen messen, PVK legen, O2-Gabe, ggf. Infusion (Ziel-MAP: > 65 mmHg) z. B. Ringer Laktat 1.500 ml/24 h i. v., Labor: Blutbild, INR, aPTT, Blutgruppe/Testblut; bei stabilem Patienten Blutbildresultat abwarten, bei instabilem Patienten Erythrozytenkonzentrate und ggf. gefrorenes Frischplasma anfordern; Kontakt mit DA Gastroenterologie o. Pneumologie (bei Hämoptysen); bei instabilem Patienten Kontakt mit MET/Intensivmedizin
Status epiIepticus
Kontakt mit DA Neurologie, MET/Intensivmedizin; O2-Gabe, PVK legen, sO2 und Vitalparameter messen, Neuro-Status erheben; 1 Amp. Thiamin (Benerva®) 100 mg i. v.; Blutzucker messen, bei Hypoglykämie 1 Amp. Glucose 50 % à 10 ml i. v., 1 Amp. Clonazepam (Rivotril®) initial 1 mg i. v.; weiteres Prozedere gemäß Neurologie
REA: Reanimation, MET: Medical Emergency Team, DA: Dienstarzt, PVK: peripherer Venenkatheter, COPD: chronic obstructive pulmonary disease, GCS: Glasgow Coma Scale, IMC: intermediate care, aBGA: arterielle Blutgasanalyse, BD: Blutdruck, MAP: mean arterial pressure; IB: Intensivbehandlungsstation, NIV: noninvasive ventilation, IV: invasive ventilation, NSAID: non-steroidal anti-inflammatory drug, CCT: kraniale Computertomografie, CAM: confusion assessment method, sO2: Sauerstoffsättigung * D-Dimer-Werte sind bei Patienten der viszeralen Chirurgie und Medizin (z. B. postinterventionell) schwer verwertbar. REA: MET/Intensivmedizin:
Pathophysiologische Zusammenhänge kennen und Befunde richtig interpretieren
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Internistische Grundlagen in Viszeraler Chirurgie und Medizin
Schock
Benny Wohlfarth
Internistische Grundlagen in Viszeraler Chirurgie und Medizin Pathophysiologische Zusammenhänge kennen und Befunde richtig interpretieren
1. hypovolämisch/hämorrhagisch (Blutdruck ↓, Peripherie kühl), O2-Gabe, Infusion z. B. Ringer Laktat 500–1.000 ml als Bolus i. v., Kontrolle BD/Puls (ZielMAP: > 65 mmHg). Bei hochgradigem V. a. Blutung: Labor: Blutbild, INR, aPTT, Blutgruppe/Testblut; parallel Erythrozytenkonzentrate und ggf. gefrorenes Frischplasma anfordern und Kontakt mit MET/Intensivmedizin, dann weitere Ursachenforschung. 2. kardiogen (Blutdruck ↓, Peripherie kühl, z. B. Myokardinfarkt, Arrhythmie, Herztamponade): O2-Gabe, Kontrolle BD und Puls (Ziel-MAP: > 65 mmHg), Kontakt mit DA Kardiologie bzw. MET/Intensivmedizin. 3. anaphylaktisch (Urtikaria, Angioödem, Blutdruck ↓, Dyspnoe): siehe „Anaphylaxie“ unten. 4. obstruktiv (gestaute Halsvenen, z. B. Lungenembolie, Spannungspneumothorax): O2-Gabe, Geneva Score: > 11 Punkte: LE-Algorithmus, Kontakt mit MET/ Intensivmedizin, Labor: Blutbild, INR, aPTT, Kreatinin, D-Dimere*, aBGA. 5. septisch (BD ↓, Peripherie warm; CAVE: initial Peripherie ggf. auch kühl): Infusion z. B. Ringer Laktat 500–1.000 ml als Bolus i. v., Kontrolle BD und Puls (Ziel-MAP: > 65 mmHg); Asservierung von Proben für Kulturen; empirische antimikrobielle Therapie; Ursachenforschung. Merke: hypovolämischer, kardiogener oder septischer Schock sind initial oft nur in der Gesamtschau zu unterscheiden
Dyspnoe (akut) stabile Situation: O2-Gabe, Röntgen-Thorax; instabile Situation: 1. Asthma (Tachypnoe, Giemen): O2Gabe, β2-Agonist Salbutamol (Ventolin®) 2,5–5 mg in 3 ml NaCl-Lösung zur Feuchtinhalation (oder 4 Hübe Dosieraerosol), Methylprednisolon (SoluMedrol®) 1 mg/kg KG i. v.; bei Status asthmaticus: Kontakt mit MET/Intensivmedizin. 2. Pneumothorax: O2-Gabe, Kontakt mit DA (Thorax-)Chirurgie. 3. Lungenödem/dekompensierte Herzinsuffizienz: O2-Gabe, Nachlastsenkung z. B. mit Nitroglycerin (z. B. Nitroglycerin Streuli®), Ziel-BD syst.: 80– 100 mmHg; ggf. Morphin 5–10 mg s. c.; wenn möglich, Patienten in sitzende Position mit hängenden Beinen bringen; bei ausbleibender Besserung zügiger Kontakt mit MET/Intensivmedizin für NIV/IV. Merke: Schleifendiuretika (z. B. Lasix®) sind in der Akuttherapie nur bei hyperhydrierten Patienten sinnvoll. 4. Lungenembolie: O2-Gabe, Geneva Score > 11 Punkte: LE-Algorithmus; Kontakt mit MET/ Intensivmedizin; Labor: Blutbild, INR, aPTT, Kreatinin, D-Dimere*, aBGA. 5. Anaphylaxie: (siehe oben). 6. Fremdkörper: O2-Gabe; Kontakt mit DA Pneumologie bzw. MET/Intensivmedizin. 7. psychogen: Talking down, ggf. Lorazepam (Temesta®) 1 mg p. o. oder Morphin 20 Trpf. 1 % oder 10 Trpf. 2 % p. o.
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Aphasie/Parese/Parästhesie: Neurologische Untersuchung; falls Symptomatik neu: PVK legen, Notfall-CCT anmelden und Kontakt mit DA Neurologie oder MET/Neuro-IMC-Station; Vitalparameter bestimmen (BD, wenn keine andere Indikation oder geplante Thrombolyse, nur bei Werten > 220 mmHg syst. oder 120 mmHg diast. senken, z. B. mit Ebrantil [z. B. Urapidil®] 5–10 mg i. v. [CAVE: Blutdruckmonitoring notwendig]); Blutzuckerkontrolle (Ziel: < 10 mmol/I), O2-Gabe (Ziel: 94–96 %) Suizidalität Absicht erfragen; wenn bejaht: keine Banalisierung, keinen Druck ausüben, Fenster abschließen; Kontakt mit DA Psychiatrie und evtl. MET/Intensivmedizin; ggf. Pflegepersonal oder Wachschutz beim Patienten positionieren
Tabelle: Glascow Coma Scale [419] Merkmal
Graduierung
Punkte
Augenöffnen
spontan auf Ansprachen, nach Aufforderung auf Schmerzreiz kein Augenöffnen
4
verbal
orientiert, adäquat verwirrt einzelne Worte Laute oder Wortfetzen keine
5 4 3 2 1
Bewegung
nach Aufforderung Zielgerichtet auf Schmerzreiz ungerichtet auf Schmerzreiz Beugesynergismen Strecksynergismen keine
6
Agitation/Delir Screening CAM: 1. akuter Beginn und schwankender Verlauf? 2. Störung der Aufmerksamkeit? 3. Denkstörung (unlogisches, sprunghaftes Denken)? 4. Bewusstseinsstörung hyperalert oder hypoalert (somnolent, stuporös, komatös)? Wenn 1. und 2. + 3. oder 4.: Delir. Dementielles Delir: Quetiapin (Seroquel®) 25–50 mg 2 × tgl. p. o. oder Haloperidol (Haldol®) 0,5–1 mg p. o. (CAVE: QT-Zeit), C2-Delir: Benzodiazepine (z. B. Lorazepam [Temesta®] 1–4 mg 3 × tgl. p. o., max. 12 mg) (CAVE: Leberinsuffizienz); bei noradrenerger Hyperaktivität: Clonidin (Catapresan®) 75–150 µg 3–4 × tgl. p. o.; Labor: Elektrolyte
Auswertung Bewusstseinsstörung 13–15 Punkte: leicht 9–12 Punkte: mittel 3–8 Punkte: schwer
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3 2 1
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Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 53–56
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Übersichtsarbeit
Endometriose Svea-Vivica Mathieu, Adrian Kobe, Thomas Pfammatter und Andreas Hötker Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsspital Zürich
Zusammenfassung: Die Endometriose als Absiedlung funktionalen Endometriumgewebes ausserhalb der Gebärmutterhöhle zählt zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen. Dennoch vergehen aufgrund der unspezifischen Symptome häufig mehr als 10 Jahre zwischen Symptombeginn und Diagnosestellung, was insbesondere an der variablen Ausprägung der Symptomatik in Abhängigkeit von der Lokalisation liegt. Zu den Manifestationsorten gehört neben den klassischen Endometriomen des Ovars vor allem auch die tiefe pelvine Endometriose, die zu narbigen Veränderungen und chronischen Unterbauchschmerzen führen kann. In der Diagnostik und insbesondere zum Staging der Erkrankung kommt zunehmend die MRI aufgrund ihres hervorragenden Weichteilkontrastes zum Einsatz. Hierfür wurden neben spezifischen Scoring-Systemen zur strukturierten Befundung (z. B. ENZIAN- Score) auch europäische Richtlinien erstellt. Therapeutisch kann, neben einer symptomorientierten Therapie, bei schwereren Fällen eine anti-hormonelle Therapie bzw. die chirurgische Exzision der Läsionen erfolgen. Im Falle einer Adenomyose, des Befalls des Myometriums des Uterus, hat sich neuerdings die Embolisation der Aae. uterinae als minimalinvasives Therapieverfahren mit guten Ergebnissen etabliert. Endometriosis Abstract: Endometriosis, which is the presence of functional endometrial tissue outside the endometrium, represents one of the most common gynecological diseases. Given the variability of the symptoms depending on the exact localization of the disease, it is not uncommon for a patient to be diagnosed only after approximately 10 years of suffering. Localizations of the disease can include the typical endometrioma of the ovaries and in particular the lesser pelvis (e. g., fallopian tubes, uterine ligaments). It is then termed “deep pelvic endometriosis” and may be the reason for scarring, chronic pelvic pain and infertility. MRI has become increasingly popular in assessing the extent of the disease, due to its increasing availability and excellent soft tissue contrast. Recently, European guidelines have been published to better standardize technical MRI parameters and reporting, in addition to several scoring systems (e. g., the ENZIAN score), which have been established in the past. This allows for a precise localization of the disease and may guide surgical management in advanced cases. Other therapeutic options – depending on the severity of the symptoms – include pain medication or hormonal treatments. In the case of adenomyosis, the embolization of the uterine arteries as a minimally invasive approach has demonstrated excellent results.
Einleitung Endometriose bezeichnet eine Absiedelung funktionalen Endometriumgewebes ausserhalb der Gebärmutterhöhle. Zumeist sind unmittelbar benachbarte Organe und das Becken betroffen, jedoch ist eine Manifestation in beinahe jeder Körperregion möglich. Diese Endometrium-Absiedlungen weisen während der Menstruation ebenso eine zyklische Blutung auf und können, in Abhängigkeit der Lokalisation, äusserst variable Symptome verursachen, z. B. chronische Unterleibsschmerzen, Lumbago, Dysmenorrhoe, Menorrhagie, Dyspareunie, Hämaturie und Dysurie. Somit erklärt sich, weshalb durchschnittlich ab Symptombeginn über 10 Jahre vergehen, bis die Diagnose «Endometriose» schlussendlich gestellt wird [1]. Dies stellt ein nicht unerhebliches Problem dar, denn die Erkrankung kann, unter anderem bedingt durch narbige Veränderungen, eine Infertilität zur Folge haben [2]. 1
Aufgrund der problematischen und oftmals späten Diagnose ist die Prävalenz der Endometriose schwer zu beziffern. Bisherige Daten zeigen, dass bis zu 15 % aller Frauen (dies entspräche 635'568 Schweizerinnen1) und 70 % der Frauen mit chronischen Unterbauchbeschwerden von einer Endometriose betroffen sind [2]. Sie zählt damit zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen. Die Ätiologie ist hierbei weitestgehend ungeklärt. Allgemein favorisiert ist derzeit die Theorie der metastatischen Verbreitung [3]. Durch retrograde Menstruation gelangen Endometriumzellen durch die Tuben nach intraperitoneal und können Absiedelungen bilden. Die metaplastische Theorie hingegen erklärt die Entstehung der Endometriose-Absiedelungen durch Metaplasie residualer Müller-Gang-Anteile im Septum rectovaginale [4]. Ein anderes Konzept beschreibt, dass hormon-aktive, verstreute Endometrium-Absiedelungen undifferenzierte Mesenchymalzellen zur Umwandlung in Endometriumgewebe anregen [5].
Basierend auf den Zahlen des Bundesamts für Statistik zur ständigen Wohnbevölkerung, Stand 2018.
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Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 57–61 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001153
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Manifestationen Endometriome Zu den häufigsten Manifestationsorten zählen die Ovarien [6]. Die Ovarien sind hierbei durch endometriotische Zysten, angrenzend oder innerhalb des Ovars, sogenannte Endometriome, vergrössert. Typisch ist in der MRI hierbei ein hyperintenses T1w-Signal, bei verlaufend hypointensem T2w-Signal, das pathognomonische «Shading-Sign» [6]. Dies wird durch die in den Zysten enthaltenen Blutabbauprodukte sowie vermehrtes Protein verursacht [6]. Sie treten häufig multilokulär auf, sind dickwandig und zeigen keine Grössenregredienz nach Verlaufskontrollen, womit sie von einfachen, eingebluteten Ovarialzysten zu unterscheiden sind, was mit der MRI mit einer Spezifität von bis zu 98 % möglich ist [7]. Bis zu 2.5 % aller Frauen mit Endometriomen entwickeln Ovarialkarzinome [9].
Tiefe pelvine Endometriose («deep pelvic endometriosis») Die tiefe, pelvine Manifestation stellt eine gesonderte Entität dar und ist definiert als eine mindestens 5 mm tiefe, subperitoneale Invasion durch die Endometriose-Absiedelungen [10]. Zumeist ist hier die Region posterior der Cervix uteri betroffen, mit Beteiligung der uterosakralen Ligamente. Diese weisen oftmals asymmetrische Verdickungen oder noduläre Läsionen auf. Vermehrt tritt eine Mitbeteiligung der Vagina nach anterior bzw. der Rektumwand nach posterior auf [10]. Ist der Gastrointestinaltrakt beteiligt, so betrifft dies überwiegend das rektosigmoideale Segment (Abb. 1) [6]. Typischerweise befinden
S.-V. Mathieu et al., Endometriose
sich die Endometriose-Absiedelung an der Serosa, können jedoch auch tiefer liegende, subseröse Schichten infiltrieren. Dies verursacht eine fibrotische Verdickung der betroffenen Darmwand. Selten wird die Mukosa selbst durchbrochen, wobei konsekutiv zyklische Hämatochezie auftreten kann. Weitere Komplikationen sind obstruierende Strikturen des Darms durch narbige Adhäsionen aufgrund der rezidivierenden Inflammation. Eine Manifestation der Harnblase ist häufig einhergehend mit weiteren Lokalisationen und somit Indiz eines fortgeschrittenen Stadiums der Endometriose [10]. Typischerweise ist die Serosa der Harnblasenhinterwand betroffen, eine Infiltration der Muscularis nach intravesikal ist jedoch möglich, wodurch eine Hämaturie auftreten kann. Im Rahmen allenfalls entstehender Adhäsionen kann hier die Excavatio vesicouterina obliterieren.
Peritoneal Die rekto-uterine (cul-de-sac) Manifestation ist die häufigste Lokalisation bei symptomatischer Endometriose [6]. Zusätzlich ist vielmals das posteriore Myometrium mitbetroffen [8]. Typisch hierbei ist, im fortgeschrittenen Stadium, die Obliteration der Excavatio rectouterina aufgrund narbiger Adhäsionen zwischen den uterosakralen Ligamenten, Ovarien, Uterus-Serosa, Vagina und Rektum. Diese werden durch die zyklische Hämorrhagie der Endometriose-Absiedlungen verursacht, jeweils gefolgt von inflammatorischen Prozessen.
Adenomyose Befindet sich ektopes Endometrium innerhalb des UterusMyometriums, spricht man von einer Adenomyose [10]. Dies führt zu einer diffusen Vergrösserung des Uterus, häufig ist hierbei zusätzlich die uterine Serosa betroffen. In bis zu 30 % aller Hysterektomien wird eine Adenomyose des Myometriums festgestellt [11].
Diagnostik
Abbildung 1. MRI (T2- gewichtete Sequenz) einer 45-jährigen Patientin mit tiefer infiltrierender Endometriose und Infiltration des Rektums (weisse Pfeile).
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Die nicht-invasive Diagnostik der Endometriose gestaltet sich aufgrund der Vielfalt der möglichen Symptome und Manifestationsorte schwierig. Zumeist entzieht sie sich einer Diagnose mittels klinischer Untersuchung, da nur selten pelvine Raumforderungen, als Entsprechung der entstandenen narbigen Adhäsionen bei fortgeschrittener Erkrankung, palpiert werden können. Den Gold-Standard stellt weiterhin die Biopsie per Laparoskopie mit histopathologischer Diagnosesicherung dar [12]. Der transvaginale Ultraschall ist eine nicht-invasive, breit verfügbare und günstige Option. Deutliche Einschränkungen bestehen jedoch durch die Untersucherabhängigkeit, Bildqualität und das limitierte Sichtfeld. Tiefe pelvine Manifesta© 2020 Hogrefe
S.-V. Mathieu et al., Endometriose
tionen oder funktionelle Komplikationen, wie Adhäsionen, können beispielsweise kaum oder nur erschwert dargestellt werden [13].
MRI Die Magnetresonanztomographie (MRI) bietet sich als nicht-invasive, zusätzliche Option an. Vor allem in unklaren und komplexen Fällen, zur Diagnosesicherung und Staging sowie zur präoperativen Planung kommt der MRI vermehrt eine Schlüsselrolle zu. Dabei kommt weder ionisierende Strahlung noch jodhaltiges Kontrastmittel zum Einsatz. Dank hoher Auflösung und grossem, multiplanarem Sichtfeld ist die MRI hier sehr präzise [14] und dem transvaginalen Ultraschall insgesamt überlegen [13]. Die Darstellung der Endometriose-Absiedelungen selbst, samt allfälliger Organinfiltrationen und multilokaler Manifestationen ist mit hoher Sensitivität möglich. Speziell der Befall der uterosakralen Ligamente sowie der Vagina können mit hoher Sensitivität detektiert werden [15]. Ebenso können gegebenenfalls vorhandene Komplikationen, wie Adhäsionen und Narben, auch an schwer einsehbaren Lokalisationen nachgewiesen werden [13]. Somit ermöglicht die MRI in einem einzelnen Untersuchungsgang einen umfassenden Überblick. Die Europäische Gesellschaft für urogenitale Radiolgie (ESUR) hat spezifisch für die MRI-Bildgebung bei Endometriose-Verdacht Empfehlungen erarbeitet, die sowohl empfohlene technische Untersuchungsparameter, als auch eine strukturierte Befundung der Bilddaten umfassen [12]. Demnach ist für eine qualitativ hochwertige MRI der Zeitpunkt der Bildgebung in Bezug auf den Menstruationszyklus, entgegen bisher häufig angewandter Praxis, nicht erheblich [12]. Bezüglich Vorbereitung der Patientin wird Nüchternheit empfohlen. Zur Artefaktreduktion durch Darm-Bewegungen sollte unmittelbar vor Untersuchungsbeginn eine anti-peristaltische Prämedikation, beispielsweise mit Glucagon- oder Butyl-Scopolamin-Präparaten, erfolgen. Optional kann bei Verdacht auf entsprechende Infiltration dieser Kompartimente eine vaginale bzw. rektale Füllung mit Gel die spätere Bildinterpretation vereinfachen. Die Harnblase sollte moderat gefüllt sein, um auch hier eine allfällige Infiltration besser erkennen zu können. Für eine strukturierte Befundung hat sich der sogenannte ENZIAN-Score etabliert [16]. Dieser erlaubt eine Einstufung der Befunde nach klinischer Relevanz in vier Stadien – abhängig von Lokalisation und Ausdehnung der Endometriose-Absiedelungen – und korreliert in hohem Masse mit dem Ergebnis einer nachfolgenden Laparoskopie [14].
Therapie Die Therapie der Endometriose erfolgt primär symptomorientiert. So kann in leichten Fällen bereits eine sympto© 2020 Hogrefe
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matische Therapie mittels Analgetika ausreichend sein. Zusätzlich bestehen anti-hormonelle Therapie-Ansätze mit dem Ziel einer Beschwerdereduktion durch Induktion einer Amenorrhö [17]. Bei ausgeprägten Beschwerden ist derzeit weiterhin die vollständige, chirurgische Exzision aller endometriotischer Läsionen die Therapie der Wahl [2], weshalb die präoperative Identifikation aller Läsionen mittels MRI essenziell ist. Die Adenomyosis uteri nimmt therapeutisch eine Sonderstellung ein. Bis anhin war die totale Hysterektomie die definitive Therapie. Nebst der laparoskopisch organerhaltenden Verfahren hat sich mittlerweile die Embolisation der Ae. uterinae, insbesondere bei fokaler Adenomyosis uteri, als minimalinvasives Therapieverfahren etabliert [18, 19]. Die präinterventionelle Planung umfasst nebst Aufklärungsgespräch in der interventionell-radiologischen Sprechstunde eine MRI des Beckens mit zusätzlicher MR-Angiographie. Diese ermöglicht, die Diagnose der Adenomyose zu stellen, das Ausmass abzuschätzen und anatomische Varianten (bspw. Mitversorgung der Ovarien via Aa. uterinae) oder postoperativ alterierte Veränderungen der arteriellen uterinen Versorgung zu erkennen. Somit wird die sonographisch häufig verpasste Diagnose «Adenomyose» gestellt und die Röntgenstrahlenexposition der Embolisation selbst reduziert. Bestehen keine Kontraindikationen, wie bspw. ein Status nach Ligatur uteriner Arterien, kann die Therapie durchgeführt werden. Diese findet in örtlicher Betäubung inguinal sowie unter Analgosedation mit Kurzhopsitalisation (meistens eine Spitalübernachtung) statt. Einer speziellen Vorbereitung der Patientin bedarf es nicht. Typischerweise wird unilateral die A. femoralis communis dextra punktiert und von hier ausgehend die A. uterina beidseits mittels eines Mikrokatheters sondiert. Einmal vor Ort, wird die Lage mittels digitaler Subtraktionsangiographie verifiziert und ausgeschlossen, dass Anastomosen zu den Oavarialarterien bestehen. Diese können, falls nötig, mittels spezieller Metallspiralen verschlossen werden oder die Wahl der Embolisationspartikel beeinfllussen, um eine Fehlembolisation zu verhindern. Anschliessend wird die Embolisation des Uterus vorgenommen (Abb. 2). Dies geschieht in der Regel mit kleinen, kalibrierten Kügelchen (typischerweise 200 – 500 µm), welche über den Mikrokatheter bis zur Stase des Blutflusses in die A. uterina appliziert werden. Im Vergleich zur Standardmyomembolisation werden bei der Adenomyose initial kleinere Kügelchen appliziert, um eine periphere Infarzierung zu bewerkstelligen. Die Embolisation des Uterus geht typischerweise mit ischämiebedingten Schmerzen im Unterleib einher, welche innerhalb der ersten 24 Stunden weitestgehend abklingen. Eine Hospitalisation für diesen Zeitraum zur Optimierung der analgetischen Therapie empfiehlt sich. Häufig kommt eine durch die Patientin bedienbare Schmerzpumpe zum Einsatz. Drei Monate postoperativ findet eine interventionell-radiologische AbschlusskonTherapeutische Umschau (2020), 77(2), 57–61
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trolle statt, mit erneuter Durchführung einer MRI (Abb. 3). Anschliessend erfolgen routinemässige, gynäkologische Kontrollen. Trotz fehlender prospektiv randomisierter Studien scheint der Nutzen der Embolisation der A. uterina bei symptomatischer Adenomyosis uteri als gesichert. Eine Metaanalyse durch de Bruijn et al. [20] zeigte eine Symptomverbesserung in 83.1 % (872 / 1'049) der Patientinnen bei einem durchschnittlichen Beobachtungszeitraum von 32.5 Monaten. Zur Hysterektomie kam es auf Grund mangelnder Symptomminderung bei lediglich 14.2 % der Patientinnen. Nebst den beschriebenen postinterventionellen Schmerzen bestehen einzelne Fallbeschriebe einer aufgetretenen Endometritis. Zusammenfassend kann die Embolisation der A. uterina zur Behandlung einer symptomatischen Adenomyosis uteri Frauen angeboten werden, welche eine organerhaltende, minimalinvasive Therapie wünschen.
Schlussfolgerung
Abbildung 2. a) und c) zeigen eine digitale Subtraktionsangiographie (DSA) der A. uterina beidseits bei einer Patientin mit transfusionspflichtiger Hypermenorrhoe im Rahmen einer ausgeprägten Adenomyosis uteri. b) und d) zeigen eine erneute DSA direkt im Anschluss an die durchgeführte Emoblisation mit praktisch vollständiger Stase des Blutflusses in der A. uterina beidseits.
Die Endometriose zählt zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen. Jedoch gestaltet sich die Leidensgeschichte häufig prolongiert, bedingt durch eine verzögerte Diagnose bei oftmals unspezifischen Beschwerden. In Anbetracht der resultierenden Komplikationen, bis hin zur Infertilität, ist eine frühzeitige, spezifische Diagnostik essenziell. Neuartige Verfahren mittels interventioneller Embolisation ermöglichen, neben chirurgischer Sanierung, zudem vermehrt minimalinvasive, organerhaltende Therapien. Hier kommt der MRI, als relativ neuer Modalität, vermehrt eine Schlüsselrolle zu: Sie ermöglicht eine präzise Diagnostik in einem einzelnen Untersuchungsgang. Speziell in fortgeschrittenen Stadien, zur Detektion möglicher Komplikationen sowie präoperativen Planung, stellt die MRI einen unverzichtbaren Baustein in der heutigen Endometriose-Diagnostik dar.
Literatur
Abbildung 3. a) zeigt eine ausgeprägte Adenomyosis uteri mit insbesondere Befall der gesamten Vorderwand und den MR-morphologisch typischen Veränderungen der Verdickung der «junctional zone» sowie T2-hyperintensen kleinfleckigen Läsionen. b) zeigt die postinterventionelle Kontrolle nach 3 Monaten mit bereits deutlich grössenregredientem Uterus und grosser Nekrosezone in der Uterusvorderwand.
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PD Dr. med. Andreas Hötker Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Universitätsspital Zürich Rämistrasse 100 8091 Zürich andreas.hoetker@usz.ch
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Übersichtsarbeit
Bildgebung des peripheren Nervensystems Lorenz Grunder, Roman Guggenberger und Moritz C. Wurnig Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsspital Zürich
Zusammenfassung: Mit den in den letzten Jahren erzielten technischen Fortschritten in der Schnittbildgebung wurde der Stellenwert der Radiologie im klinischen Alltag zunehmend bedeutender. So auch in der Diagnostik und Evaluation von Neuropathien. Die hochsensitive Elektrophysiologie wird zunehmend durch spezifische Bildgebung ergänzt. Therapierelevante Informationen aus der Bildgebung sind unter anderem die Lokalisation und Ursache, aber auch das Verteilungsmuster einer Neuropathie. Die MR-Neurographie hilft, die diagnostische Sicherheit zu erhöhen und bildet einen wichtigen Pfeiler im Management der Patienten. Die Möglichkeiten und den aktuellen Stellenwert der Bildgebung von Ultraschall (US), über die Computertomographie (CT), bis zur Magnetresonanztomographie (MRT), möchten wir in diesem Artikel darstellen. Imaging of the peripheral nervous system Abstract: With the technical advances in imaging achieved in recent years, the significance of radiology in everyday clinical practice has become definitely increased. This also applies to the diagnosis and evaluation of neuropathies. Highly sensitive electrophysiology is increasingly complemented by specific imaging. Therapy-relevant information from imaging includes the localization and cause, but also the distribution pattern of a neuropathy. Neurography helps to increase diagnostic certainty and is an important part in management of patients with neuropathy. In this article we would like to present the possibilities and the value of different imaging modalities including ultrasound (US), computed tomography (CT) and magnetic resonance imaging (MRI).
Einleitung Mit zunehmenden Kenntnissen und Möglichkeiten in der mikrochirurgischen Behandlung von Nervenverletzungen steigt der Bedarf nach entsprechenden diagnostischen Hilfsmitteln, die eine präoperative Planung vereinfachen, beziehungsweise ein konservatives Vorgehen begründen. Auch zur Abklärung atraumatischer Neuropathien, wie zum Beispiel atypischen Polyneuropathien, kann die Bildgebung einen zusätzlichen Beitrag leisten. Zum peripheren Nervensystem gehören die Hirnnerven und Spinalnerven. Grundeinheit eines peripheren Nervs ist ein myelinisiertes oder nicht myelinisiertes Axon zur Leitung efferenter (motorischen) oder afferenter (sensorischen) elektrischer Impulse. Myelinisierte Axone sind umgeben von mehreren Schichten einer Schwann-Zell-Membran, die das Myelin bilden. Die grossen peripheren Nerven, wie beispielsweise der Ulnarisnerv, bestehen aus drei Bindegewebsschichten. Die Innerste, das myelinisierte Axon umgebende Bindegewebsschicht, bildet das Endoneurium aus vaskularisiertem Bindegewebe und extrazellulärer Flüssigkeit. Mehrere individuelle Nervenfasern mit umgebendem Bindegewebe bilden zusammen mit einer zweiten Bindegewebsschicht, dem Perineurium, ein © 2020 Hogrefe
Faszikel. Das Perineurium dient unter anderem als Barriere gegen Infektionen und toxische Substanzen. Bei einer Beschädigung dieser Barriere ist eine perineurale Ausdehnung oder Infiltration einer Erkrankung möglich. Die gebildeten Faszikel sind die kleinste bildmorphologisch abgrenzbare Einheit. Die äusserste Bindegewebsschicht wird durch das kollagen- und elastinhaltige Epineurium, einer Ausstülpung der Dura, gebildet und dient als struktureller Halt bzw. Schutz gegen mechanische Einwirkung. Zu den häufigsten Ursachen einer peripheren Neuropathie gehören eine traumatische Verletzung oder Nervenkompression, insbesondere der oberen Extremitäten mit Plexus brachialis, Ulnaris- und Medianusnerv, seltener aber auch der unteren Extremitäten [1]. Traditionell werden die traumatischen Verletzungen nach Seddon klassifiziert. Das Ausmass der Verletzungen wird weiter nach Sunderland eingeteilt. Basierend auf diesen Einteilungen wird ein entsprechendes therapeutisches Vorgehen gewählt (Tab. 1). Bei einem neurologischen Defizit ausgehend vom peripheren Nervensystem erfolgt nebst der initialen klinischen Untersuchung meist eine elektrophysiologische Beurteilung der motorischen und sensorischen Nervendysfunktion. So ist auch naheliegend, dass die Elektrophysiologie Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 63–68 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001154
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L. Grunder et al., Bildgebung des peripheren Nervensystems
Tabelle 1. Traumatische Nervenverletzung graduiert und klassifiziert nach Sunderland und Seddon mit entsprechendem Befund in der Elektrophysiologie und der MRT Sunderland Grad
Seddon Klasse
SNAP
CMAP
EMG
MRT Befund
Genesung
I
Neurapraxie
Normal
Normal oder LB
Normal aber vermindertes IM
Hyperintenser Nerv
Vollständig, schnell
II
Axonotmesis
Verminderte Amplitude
Verminderte Amplitude
SA und IM vermindert
Hyperintenser und verdickter Nerv mit / ohne prominenten Faszikel
II: Normalerweise vollständig, aber langsam
III
Neurotmesis
Verminderte Amplitude
Verminderte Amplitude
SA und IM vermindert
Hyperintenser und verdickter Nerv mit / ohne prominenten Faszikel
unterschiedlich, inkomplett
IV
Neurotmesis
Verminderte Amplitude
Verminderte Amplitude
SA und IM vermindert
Heterogenes Signal des Nervs mit lateralem oder fusiformem Neurom im Verlauf.
Nicht zu erwarten ohne operativen Eingriff
V
Neurotmesis
Fehlend
Fehlend
Kein MSAP
Dehiszenz des Nervs
Nicht zu erwarten ohne operativen Eingriff
Anmerkungen: Eine vollständige Genesung ist zu erwarten bei Grad I – II Verletzungen. Grad III-V erlauben nur eine zurückhaltende Prognose. SNAP Sensibles Nervenaktionspotential, CMAP Muskelsummenaktionspotential, EMG Elektromyographie, LB Leitungsblock, IM Interferenzmuster, SA Spontanaktivität, MSAP Muskelsummenaktionspotential
lange die wichtigste apparative Untersuchung für die Diagnostik und Beurteilung einer Neuropathie war. Komplexe Verletzungen, aber auch teilweise erst verzögert ersichtliche elektrophysiologische Veränderungen erschweren die genaue Lokalisierung und Beurteilung einer Neuropathie. Abhilfe schafft hier die Bildgebung. Folgende Fragen sollten dabei zuverlässig beantwortet werden: Liegt eine Neuropathie vor? Lokalisation der Neuropathie? Ausmass der Neuropathie? Ursache der Neuropathie?
Welche Bildgebung ist zielführend? In der Abklärung der peripheren Neuropathie haben sämtliche Modalitäten von Ultraschall (US) über die Magnetresonanztomographie (MRT) bis zur Computertomographie (CT) ihren Stellenwert. Auf Bildgebung basierende diagnostische Richtlinien für diverse klinische Fragestellungen werden beispielsweise fortlaufend vom American College of Radiology (ACR) dem aktuellen Wissensstand angepasst und publiziert. Für die Bildgebung des peripheren Nervensystems sind insbesondere die Empfehlungen hinsichtlich der Nervenplexus relevant [2].
Magnetresonanztomographie Die MRT wurde erstmals von Howe et al. anfangs der 1990er Jahre spezifisch für die Darstellung der peripheren Nerven verwendet [3]. Ein ausgezeichneter WeichteilkontTherapeutische Umschau (2020), 77(2), 63–68
rast sowie eine gute räumliche Auflösung in zwei oder drei Dimensionen ermöglicht die Darstellung des Nervenverlaufs im Körper, aber auch die Beurteilung der Nervenbinnenstruktur bis auf Ebene der Faszikel (Abb. 1). Signalveränderungen der Nerven aber auch der Muskeln können als Kriterium der Diagnosestellung einer Neuropathie verwendet werden. So sind nebst der Lokalisation einer Nervenverletzung auch eine intraneurale Gewebecharakterisierung, Graduierung einer akuten oder chronischen Muskeldenervierung und die Erkennung von Polyneuropathien möglich. Um das endoneurale Flüssigkeitssignal und damit die Binnenstruktur besser beurteilen zu können, kommen typischerweise MRT-Sequenzen mit entsprechender Fettsignalunterdrückung zur Anwendung. Dabei ermöglichen hochaufgelöste 2D spin-echo Sequenzen in T1-Wichtung eine Beurteilung der lokalen anatomischen Gegebenheiten und fettgesättigte Sequenzen in T2-Wichtung (T2fs, alternativ auch short tau inversion recovery (STIR) Sequenzen) eine Beurteilung des Signalverhaltens der Nerven. Idealerweise wird für die T2fs-Sequenzen zusätzlich ein Puls zur Unterdrückung von Flusssignalen eingesetzt, um besser zwischen Nerven und angrenzenden Gefässen unterscheiden zu können. Zusätzlich erlauben hochaufgelöste flüssigkeitssensitive 3D Sequenzen nach sekundärer Reformation die Beurteilung der Nerven auch entlang nicht akquirierter Standardebenen. Intravenöses Kontrastmittel hilft bei Tumoren, Entzündungen oder bei der Charakterisierung von atypischen Polyneuropathien. Ein physiologischer Nerv zeigt eine regelmässige, rundliche Kontur und eine Grösse ähnlich der angrenzenden Arterien. Ein pathologischer Nerv ist wiederum an einer oder mehreren Veränderungen ersichtlich. Veränderung © 2020 Hogrefe
L. Grunder et al., Bildgebung des peripheren Nervensystems
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Tabelle 2. MRT Befund pathologischer Nerven Eigenschaft des Nervs
Abnormaler Befund
Verwendete Sequenz zur Bildbeurteilung
Kaliber
Fokale oder diffus langstreckige Verdickung / Verschmälerung
T1 und T2
Kontur
Irreguläre Kontur
T1 und T2
Faszikel
unregelmässig, verdickt, atroph, unterbrochen
T1 und T2
Signalverhalten
Abrupte Veränderung des Signalverhaltens. Unterschiedlich im Seitenvergleich oder zu anderen angrenzenden Nerven
T2
Kontinuität
Dehiszenz oder Neurom im Nervenverlauf
T1 und T2
Raumforderung
Intra- oder extraneurale Raumforderung
T1 und T2
Perineurale Fettlamelle
Fibrose oder verlegte Fettlamelle
T1 und T2
Kontrastmittelanreicherung
Jede Kontrastmittelanreicherung distal des dorsalen Spinalganglions
T1
Tabelle 3. Bildmorphologische Korrelate für Neuropathien Nervassoziiert
T1 Signal
T2 Signal
mögliche Ätiologie
Ödem
Hypointens
Hyperintens
Kompression, Entzündung
Mehrverfettung
Hyperintens
Hyperintens
Chronische Atrophie, Diabetes mellitus, Lipom, Fibrolipom
Flüssigkeit
Hypointens
Hyperintens
Ganglionzyste, perineurale Zyste
Blut / Blutabbauprodukte
Hypointens / Hyperintens / gemischt
Hypointens / Hyperintens / gemischt
Trauma, intraneurale Neoplasie, Endometriose
Fibrose
Hypointens
Hypointens
Post Trauma, chronische Kompression
Benigne Raumforderung
Isointens
Hyperintens
Schwannom, Neurofibrom, Perineuriom
Lokal aggressive Raumforderung
Isointens
Hypointens / gemischt
Desmoid, Fibromatose
Maligne Raumforderung
Isointens / gemischt
Hyperintens / gemischt
Maligner Nervenscheidentumor, synoviales Sarkom, Fibrosarkom, Lymphom, Metastase
im Signalverhalten und / oder Durchmesser, unscharfe Begrenzung, Narbenbildung, pathologische Kontrastmittelanreicherung und / oder Raumforderung in oder um den Nerv (Tab. 2). Intraneurale Veränderungen im Sinne von Mehrverfettung, Ödem und Fibrose sind in den grossen peripheren Nerven wie dem Ischias-Nerv ebenfalls bildmorphologisch beurteilbar (Tab. 3). Richtungsweisend sind ebenfalls indirekte Zeichen einer Neuropathie wie ein Denervationsödem oder eine Muskelatrophie (Abb. 2). Limitationen der MRT sind, abgesehen von nicht MRTtauglichen Implantaten und anderen grundsätzlichen Kontraindikationen, die üblicherweise vergleichsweise lange Untersuchungsdauer und das eingeschränkte Untersuchungsvolumen. Zusätzlich können MRT-taugliche Implantate das Magnetfeld und damit die Bildqualität stören, ebenso aber auch unruhige Patienten. Pulsationsartefakte von Gefässen können angrenzende Nerven überdecken oder deren Signalverhalten beeinflussen und damit die Aussagekraft der Bildgebung vermindern. Eine ungenügende Fettsignalunterdrückung schränkt ebenfalls die Beurteilung des Signalverhaltens der Nerven hochgradig ein. © 2020 Hogrefe
Zur genauen Beurteilung der Bilder bedarf es also auch einer genauen Kenntnis dieser möglichen Artefakte und dem Wissen, wo diese typischerweise auftreten.
Ultraschall Der Ultraschall findet Verwendung in der Darstellung und Beurteilung von vorwiegend oberflächlichen Nerven, aber auch als periinterventionelle Unterstützung beispielsweise bei Nervenblockaden im Rahmen einer Regionalanästhesie. Die Hochfrequenz-Sonographie ermöglicht kostengünstig eine äusserst hohe räumliche Auflösung in Echtzeit bis auf Ebene der Faszikel. Im klinischen Alltag können so kleinste Nerven wie beispielsweise die Fingernerven beurteilt werden, vorausgesetzt werden muss allerdings die Kenntnis des genauen anatomischen Verlaufs der jeweiligen Nerven. Tief gelegene Nerven, übergewichtige Patienten und der im Vergleich zum MRT verminderte Weichteilkontrast und nicht zuletzt die Untersucherabhängigkeit schränken den Verwendungsbereich des Ultraschalls jedoch ein. Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 63–68
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L. Grunder et al., Bildgebung des peripheren Nervensystems
Abbildung 2. Axiale T2 Sequenz mit Unterdrückung des Fettsignals. Signalanhebung und Atrophie der Oberschenkeladduktoren rechts im Rahmen einer Denervation. Abbildung 1. Axiale T2 Sequenz. Orthogonaler Schnitt des N. ischiadicus nach Durchtritt durch des Forman ischiadicum majus. Die Faszikel sind gut als hypointense Punkte abgrenzbar.
Computertomographie Bei nicht MRT tauglichen Implantaten oder anderen Kontraindikationen die ein MRT verunmöglichen bietet die CT die nächst tiefere Stufe der anatomischen Abklärung. Auch wenn nur grössere Nerven direkt dargestellt werden können, so kann die Darstellung der ossären und vaskulären Gegebenheiten beziehungsweise Verletzungen Hinweise auf mögliche Nervenverletzungen geben.
Klinische Anwendung Kompressive Neuropathie Die Diagnostik ist primär basierend auf Anamnese, körperlicher Untersuchung und Elektrophysiologie. Die Bildgebung liefert hier zuverlässig ein entsprechendes Korrelat. Eine chronische Kompression führt zu einem angeschwollenen Nerv proximal und manchmal auch distal der Kompressionsstelle, beziehungsweise zu einem abgeflachten und verzogenen Nerv auf Höhe der Kompressionsstelle. Im MRT zeigt der betroffene Nerv auf Höhe der Kompressionsstelle ein erhöhtes Signal in den flüssigkeitssensitiven Sequenzen, verdickte proximale Faszikel und gegebenenfalls ein Ödem oder eine Atrophie in der denervierten Muskulatur. Im Rahmen eines Karpaltunnelsyndroms kann beispielsweise zusätzlich ein verdicktes Sehnenfach oder Ligament als Ursache erkannt werden. Die Bildgebung findet ihren Stellenwert bei rezidivierenden postoperativen Symptomen, atypischen Präsentationen, unklarer initialer Diagnostik oder bei Patienten bei denen eine Elektrophysiologie schmerzbedingt nicht durchgeführt werden kann [4]. Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 63–68
Traumatische Verletzung der peripheren Nerven Periphere Nervenverletzungen können unter anderem durch Stichverletzungen, Kontusionen oder Dehnung verursacht sein und werden nach dem Ausmass der Verletzung eingeteilt (Tab. 1). Ein in den flüssigkeitssensitiven Sequenzen erhöhtes Signal des Nervs weist bereits innerhalb der ersten 24 Stunden nach einer Verletzung auf eine akute Neuropathie hin [5]. Traumatische Verletzungen Sunderland Grad I – III sind an einem erhöhten T2-Signal des betroffenen Nervs ersichtlich. Grad I insbesondere ohne Veränderung der innervierten Muskulatur. Bei einer traumatischen Neuropathie Sunderland Grad IV lässt sich zusätzlich ein Neurom im Nervenverlauf abgrenzen. Ein vollständiger Unterbruch der Nervenkontinuität mit allfälligem Stumpfneurom wird bei Grad V Verletzungen beobachtet. Signalveränderungen eines Nervs beziehungsweise Faszikels, beispielsweise bei einer mechanischen Einklemmung durch ein Hämatom, Knochen, Ganglion oder Aneurysma, zeigen ihr Maximum typischerweise im Bereich der Verletzung (Abb. 3). Verdickungen der Faszikel sind proximal einer Verletzung zu erwarten. Die Bildgebung ergänzt die körperliche Untersuchung und Elektrophysiologie und ermöglicht eine genauere Beurteilung des Ausmasses und der Lokalisation einer Nervenverletzung beziehungsweise der angrenzenden Strukturen. Bei höhergradigen traumatischen Nervenläsionen ist die Bildgebung zur präoperativen Abklärung unumgänglich. Präoperativ kann so der Entscheid zur primären Nervenrekonstruktion oder zu einer Graft-Rekonstruktion inklusive Beurteilung möglicher Grafts, gefällt werden.
Traumatische Verletzung der Nervenplexus Verletzungen des Plexus brachialis gehören zu den häufigsten Nervenverletzungen [4]. MR-morphologisch können eine prä- oder postganglionäre Verletzung unterschieden werden. Weiters sind Dehiszenzen, Verdickungen, © 2020 Hogrefe
L. Grunder et al., Bildgebung des peripheren Nervensystems
Vernarbungen und Neurinome an den betroffenen Nerven sowie ein allfälliges Denervationsödem in der Muskulatur ersichtlich. Eine MR-Neurographie erfolgt jedoch idealerweise frühestens zwei Wochen nach einem Trauma, da sonst angrenzende Hämatome und Ödeme die Bildinterpretation einschränken.
Nicht traumatische Neuropathien Nerventumore Die häufigsten Nerventumore sind das benigne Schwannome und Neurofibrome ausgehend von den SchwannZellen [4]. MR-morphologisch ist ein oft spindelförmiges, scharf berandetes Gewebeplus mit homogener Kontrastmittelanreicherung im Verlauf des Nervs abgrenzbar. Die sehr seltenen malignen peripheren Nervenscheidentumore (MPNST) sind oft bei Diagnose grösser als 5 cm, irregulär begrenzt mit heterogener Binnenstruktur, zystischen Anteilen, peripherer Kontrastmittelanreicherung und einem periläsionalen Ödem. Diese Tumore entstehen typischerweise in grossen peripheren Nerven entweder de novo oder im Rahmen einer Dedifferenzierung eines Neurofibroms oder Schwannoms.
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borchemischen Abklärung. Die Elektrophysiologie und Bildgebung, vorwiegend MRT, haben hier «nur» eine unterstützende Rolle. Das Parsonage-Turner-Syndrom ist eine typische idiopathische Polyneuropathie, es kommt dabei zu einer einseitigen Neuritis des Plexus brachialis. In der MR-Neurographie sind oft entsprechende Signalalterationen und auch eine Kontrastmittelaufnahme im Verlauf des Plexus brachialis abgrenzbar, wobei die proximalen Anteile häufiger als die distalen betroffen sind [6]. Zusätzlich ist auch ein entsprechendes Denervationsödem im Versorgungsgebiet des N. suprascapularis und seltener auch im Versorgungsgebiet des N. axillaris bzw. N. subscapularis abgrenzbar. Eine typische hereditäre Polyneuropahtie stellt die Charcot-Marie-Tooth (CMT) Erkrankung dar. Das bildgeberische Korrelat ist dabei eine symmetrische und deutliche Verdickung und Signalalteration der Nerven im Falle einer demyelinisierenden CMT Typ 1 beziehungsweise einer eher milden Verdickung im Rahmen einer axonalen CMT Typ 2. Eine typische erworbene Polyneuropathie ist die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuro-
Diffuse oder systemische Neuropathien Diese Polyneuropathien können sowohl idiopathisch, hereditär oder erworben auftreten. Die Diagnostik basiert primär auf einer klinischen Untersuchung sowie einer la-
Abbildung 3. Fallbeispiel Halsrippe. A Halsrippe rechts mit Kontakt zur ersten thorakalen Rippe. B T2 hyperintense Signalveränderung des supraclaviculären Plexus brachialis ab Höhe der Kontaktstelle.
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Abbildung 4. Fallbeispiel CIDP. A & B Bilaterale faszikuläre Auftreibungen und T2 hyperintense Signalalteration der Nervenwurzeln des Plexus brachialis und Plexus lumbosacralis. C & D Faszikuläre Auftreibungen und T2 hyperintense Signalalteration der supraclaviculären Anteile des Plexus brachialis, des N. femoralis, N. obturatorius sowie der Nervenwurzeln L5-S2 bds. E & F Keine pathologische Kontrastmittelanreicherung.
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L. Grunder et al., Bildgebung des peripheren Nervensystems
pathie (CIDP), bei der es, ähnlich einer multiplen Sklerose, zu einer Schädigung der Myelinscheiden kommt. Ähnlich der CMT kommt es dabei zu einer teils deutlichen Verdickung und T2-Signalanhebung der Nerven und insbesondere der Nervenplexus der unteren, weniger auch der oberen Extremitäten oft ohne klare Kontrastmittelanreicherung (Abb. 4). Auch im Rahmen einer postaktinischen (Poly-)Neuropathie kommt es im akuten bis subakuten Stadium zu einer Verdickung und T2-Signalanhebung der Nerven mit assoziierten ödematösen Veränderungen der Weichteile im Strahlenfeld. Im chronischen Stadium sind oft neben Mehrverfettungen auch Vernarbungen und teils Kontrakturen der Nerven ersichtlich. Systemische Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Amyloidose können ebenfalls zu einer Polyneuropathie führen. Währen es bei der Diabetes mellitus Polyneuropathie oft zu einer diffusen T2-Signalanhebung des Ischias- und Tibialisnervs oder einer diabetischen Amyotrophie mit bilateral verdickten und T2-Signal angehobenen Nervenwurzeln lumbosakral kommt, führt eine durch Amyloidose bedingte Polyneuropathie typischerweise zu einer diffusen Verdickung der Nerven mit nodulären, gemischten oder deutlichen T2-Signalanhebungen. Lokale Infektionen aber auch Infektionen durch neurotope Pathogene, wie das Mycobacterium leprae, sind an einer mässigen bis deutlichen Verdickung der Nerven mit perineuralem Ödem oder auch intraneuralen Abszessen erkennbar.
Zukunftsaussichten: Was erwartet uns? Die grössten Fortschritte in der Bildgebung der peripheren Nerven sind wie in den letzten Jahren auch weiterhin in der technischen Weiterentwicklung der MRT zu erwarten. Neben immer schnelleren und ausgefeilteren Sequenzen,
die unter anderem auch zu einer Verringerung der auftretenden Artefakte beitragen werden, wird auch an der Entwicklung immer komplexerer Spulensysteme gearbeitet. Diese werden dabei die Vorteile neuer Sequenzen noch verstärken, so dass wir für spezifische Fragestellungen der routinemässigen Beurteilung auch kleinerer peripherer Nerven auf Faszikelebene bzw. der Ganzkörper-Neurographie näher kommen werden.
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Dr. med. Moritz Wurnig Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Universitätsspital Zürich Rämistrasse 100 8091 Zürich moritz.wurnig@usz.ch
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Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 63–68
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Übersichtsarbeit
Magnetresonanztomographie der Leber Diagnostische Möglichkeiten und Neuigkeiten Daniel Stocker und Cäcilia Reiner Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsspital Zürich
Zusammenfassung: Die Magnetresonanztomographie (MRI) der Leber spielt eine wichtige Rolle bei der Detektion und Charakterisierung fokaler und diffuser Lebererkrankungen und hat viele Vorteile gegenüber anderen bildgebenden Verfahren. Mit Hilfe einer MR-Untersuchung der Leber können die meisten benignen und malignen Läsionen detektiert und diagnostiziert werden. Neben der Evaluierung fokaler Leberläsionen haben sich in den letzten Jahren neue MR-Techniken zur nicht-invasiven Quantifizierung von Fett und Eisen in der Leber etabliert. Durch diese technischen Fortschritte wird eine akkurate Diagnose von fokalen als auch diffusen Lebererkrankungen ohne die Notwenigkeit einer Leberbiopsie möglich. Es ist jedoch wichtig, die richtigen Indikationen als auch die Kontraindikationen und Limitationen des MRI zu kennen. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die wichtigsten diagnostischen Möglichkeiten und Limitationen des Leber MRI als auch einen Ausblick auf neuartige Einsatzgebiete. Magnetic resonance imaging of the liver – Diagnostic possibilities and new applications Magnetic resonance imaging (MRI) of the liver plays an important role in the detection and characterization of focal and diffuse liver diseases and has many advantages over other imaging modalities. Liver MRI enables detection and diagnosis of most benign and malignant lesions. In addition to evaluating focal liver lesions, newer MR techniques for non-invasive accurate quantification of fat and iron in the liver have been established in recent years. These advances in technology make it possible to accurately diagnose focal and diffuse liver diseases without the need for a liver biopsy. However, it is important to be aware of the correct indications, contraindications and limitations of liver MRI. The following article provides an overview of the most important diagnostic possibilities and limitations of liver MRI as well as an outlook on new applications.
Einleitung Die Magnetresonanztomographie (MRT oder MRI) ist eine Modalität der radiologischen Schnittbildgebung, die starke Magnetfelder und Radiofrequenzwellen zur Bilderzeugung nutzt. Vereinfacht dargestellt werden Wasserstoffkerne (Protonen) im Körper mit Hilfe eines starken, homogenen äusseren Magnetfeldes entsprechend diesem ausgerichtet. Durch kurze Radiofrequenzimpulse werden die Protonen aus dieser Ausrichtung gelenkt und somit kurzfristig «angeregt». Nach dem Abschalten dieser Radiofrequenzimpulse richten sich die Wasserstoffkerne wieder entlang des äusseren Magnetfeldes aus, wobei ein Signal entsteht, welches detektiert und in Bildinformation umgewandelt werden kann. Dieses Signal ist von der Zusammensetzung des jeweiligen Gewebes und der Art der zugeführten Radiofrequenzimpulse abhängig. Das Leber MRI dient zur Detektion und differenzialdiagnostischen Abklärung von Leberpathologien und kann, je nach Fragestellung, mit oder ohne Gabe von Kontrastmittel durchgeführt werden. Die im klinischen Alltag verwende© 2020 Hogrefe
ten Leber MRI-Protokolle bestehen aus Sequenzen zur Darstellung anatomischer Strukturen (zum Beispiel T1- und T2-gewichtete Sequenzen) und physiologischer Gewebeeigenschaften (zum Beispiel diffusionsgewichtete oder kontrastmittelverstärkte Sequenzen). Seit einigen Jahren stehen neben herkömmlichen MR-Kontrastmitteln auch sogenannte «leberspezifische» Kontrastmittel zur Verfügung, mit deren Hilfe zelluläre Eigenschaften von Leberparenchym oder Lebertumoren dargestellt werden können.
Extrazelluläres und leberspezifisches Kontrastmittel Die meisten Fragestellungen an das Leber MRI erfordern die intravenöse Gabe von gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln. Dazu stehen zwei Typen von Kontrastmitteln zur Verfügung. Extrazelluläres Kontrastmittel verbleibt nach intravenöser Gabe initial innerhalb des Gefässsystems, beTherapeutische Umschau (2020), 77(2), 69–74 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001155
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D. Stocker et al., Magnetresonanztomographie der Leber
Abbildung 1. Kontrastmittelverstärkte Computertomographie (A) und Magnetresonanztomographie der Leber mit extrazellulärem (B) und leberspezifischem Kontrastmittel (C) eines 52-jährigen Patienten mit bekanntem Adenokarzinom des Sigmas. Während in der Computertomographie und Magnetresonanztomographie in der portalvenösen Phase lediglich eine (Pfeilspitze in A) bzw. zwei Lebermetastasen (Pfeilspitzen in B) zu sehen sind, zeigen sich mehrere weitere Lebermetastasen im rechten Leberlappen in der Magnetresonanztomographie mit leberspezifischem Kontrastmittel (Pfeilspitzen in C).
vor es sich im interstitiellen Raum verteilt und passiv über die Nieren mittels glomerulärer Filtration ausgeschieden wird. Es erfolgt keine Aufnahme in das Zellinnere. Durch diese Eigenschaften lässt sich extrazelluläres Kontrastmittel zur Darstellung des Gefässsystems sowie pathologischer, hyperämer Prozesse in der Leber (entzündliche Prozesse, hypervaskuläre Tumore, etc.) nutzen. Leberspezifisches Kontrastmittel verhält sich in der ersten Phase nach intravenöser Verabreichung ähnlich wie extrazelluläres Kontrastmittel. Im Gegensatz zu extrazellulären Kontrastmitteln wird leberspezifisches Kontrastmittel allerdings konsekutiv über Organo-Anion-Transporter (OATP, Englisch «Organic Anion Transporting Polypeptide») und Natrium-Gallen Co-Transportern (NTCP, Englisch «Na+ / Taurocholate Co-transporting Polypeptide») aktiv in Hepatozyten aufgenommen [1, 2] und über «Multidrug Resistance-Associated Protein» (MRP) in das Gallengangsystem ausgeschieden [3]. Dies führt dazu, dass sich Kontrastmittel im normalen Lebergewebe anreichert und dort zu einer Signalverstärkung des Parenchyms führt. Eine ausreichende Kontrastmittelanreicherung der Leber wird bei Patienten mit normaler Leberfunktion nach etwa 10 – 20 Minuten erreicht. Bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion kann eine ausreichende Kontrastierung der Leber oft auch nach mehr als 30 Minuten nicht erzielt werden. Leberspezifisches Kontrastmittel wird nur von gesunden Hepatozyten aufgenommen und bietet einen höheren Kontrast zwischen normalem Lebergewebe (hell) und Leberläsionen, welche keine Hepatozyten enthalten (dunkel) (Abb. 1). Aus diesem Grund eignet es sich besonders gut um lebereigene Tumore als auch Lebermetastasen zu detektieren und hilft auch bei deren Differenzierung.
Indikationen Leber MRI Das MRI der Leber kommt meist als weiterführende Untersuchung nach primär inkonklusivem Ultraschall (US) oder Computertomographie (CT) oder unklaren Befunden zum Einsatz. Wie bei allen medizinischen Tests ist auch bei einem MRI der Leber die richtige und sinnvolle IndiTherapeutische Umschau (2020), 77(2), 69–74
kation entscheidend. Eine schlecht gewählte Indikation kann zu unnötigen Kosten oder inkonklusiven Befunden führen, die oft weitere Abklärungen nach sich ziehen und ein adäquates Patientenmanagement verzögern können. Bei fallspezifischen Unklarheiten zu Nutzen und Eignung eines Leber MRI empfiehlt sich stets eine Rücksprache mit einem Radiologen.
Indikationen • Abklärung unklarer fokaler Leberläsionen Das Leber MRI, insbesondere mit leberspezifischem Kontrastmittel, ist aktuell das sensitivste und spezifischste, einzelne bildgebende Verfahren zur Darstellung und Charakterisierung von Leberläsionen [4]. • Verlaufskontrolle von Leberläsionen • Evaluation des Therapieansprechens von Leberläsionen Das Leber MRI eignet sich gut zur Evaluierung von leberspezifischen Therapieansprechen von Lebertumoren (z. B.: Chemoembolisation, Radioembolisation, etc.). Zur Beurteilung des Tumoransprechens auf Systemtherapie spielt das Leber MRI nur bei geplanter Tumorresektion eine Rolle. Hierbei ist eine besonders genaue Beurteilung der lokalen Situation essentiell. • Evaluation von diffusen chronischen Lebererkrankungen Das Leber MRI kommt bei erfolglosem US oder bei Tumorverdacht bei Patienten mit Leberzirrhose, Hämochromatose oder Steatohepatose zum Einsatz. Ausserdem wird das MRI zur Quantifizierung von Fett- und Eisenablagerung eingesetzt. • Abklärung unklarer Befunde aus anderen bildgebenden Verfahren oder labordiagnostischen Abnormalitäten • Evaluation von Entzündungen der Leber und Gallengänge Das Leber MRI ist unter Zunahme dedizierter Sequenzen wie der Magnetresonanzcholangiopankreatikographie (MRCP), die Methode der Wahl zur nicht-invasiven Beurteilung der intra- und extrahepatischen Gallengänge und bietet Informationen zur Ursache und zu möglichen Komplikationen von Cholangitiden (z. B.: Konkremente, Gallengangsstrikturen, Leberabszess, etc.). Für die Diagnose von akuten Hepatitiden spielt das Leber MRI keine Rolle. © 2020 Hogrefe
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• Abklärung vor Lebertransplantation oder Leberteilresektion Bei Patienten die für eine Lebertransplantation oder eine Leberteilresektion in Frage kommen, kann ein Leber MRI wichtige Informationen zur lokalen Tumorausdehnung, Resektabilität, Gefäss- und Gallengangsanatomie als auch zum Lebervolumen liefern. • Abklärung von kongenitalen Abnormalitäten Kongenitale Leberdefekte betreffen meistens das Gallengangsystem und betreffen nicht selten primär eine pädiatrische Population. Mit Hilfe einer MRI-Untersuchung der Leber können diese nicht-invasiv und ohne Röntgenstrahlung diagnostiziert und verlaufskontrolliert werden.
lich. Das Gallengangsystem ist auch mittels US oder CT darstellbar, jedoch sind kleine Läsionen oder Strikturen oft nicht sichtbar. Die Quantifizierung von intrahepatischen Fett- sowie von Eisenablagerungen in der Leber sind mit einer MRUntersuchung der Leber akkurat und nicht-invasiv möglich [7]. Auch mittels einer CT-Untersuchung der Leber kann Fett und Eisen quantifiziert werden, jedoch sind diese Methoden nicht etabliert und wurden nur limitiert evaluiert. Möglichkeiten zur Fett-Quantifizierung mittels US sind aktuell meist nicht im klinischen Alltag verfügbar und wurden lediglich in einzelnen Studien evaluiert.
Einschränkungen
Nachteile
Unter bestimmten Umständen kann die Tauglichkeit eines Patienten für eine MR-Untersuchung eingeschränkt oder nicht gegeben sein. Dazu zählen Patienten mit nicht MRtauglichen elektronischen, magnetischen oder mechanischen Implantaten, mit metallenen Fremdkörpern, grossflächigen Tätowierungen, Klaustrophobie. In diesen Fällen ist bei Unklarheiten über die MR-Tauglichkeit eines Patienten die Rücksprache mit einem Radiologen empfohlen.
Die Untersuchungsdauer eines Leber MRI ist mit etwa 20 bis 40 Minuten (je nach Protokoll) im Vergleich zum CT (etwa 5 Minuten) oder US (je nach Untersucher und Fragestellung etwa 15 bis 20 Minuten) länger. Obwohl die Kosten für MR-Untersuchungen in den letzten Jahren stetig gesunken sind, ist ein Leber MRI weiterhin teurer als eine vergleichbare CT- oder US-Untersuchung.
Vor- und Nachteile eines Leber MRI gegenüber anderen bildgebenden Verfahren Vorteile Ein Leber MRI liefert eine objektive Möglichkeit zur Darstellung und Diagnose von fokalen und diffusen Leberpathologien ohne Verwendung von Röntgenstrahlung. Während eine CT-Untersuchung eine objektive Alternative zum MRI bietet, werden bei diesem Verfahren Röntgenstrahlen zur Bilderzeugung verwendet. Obwohl die Strahlenbelastung mit modernen CT-Scannern immer weiter abnimmt [5], gilt es, gemäss dem sog. «ALARA»-Prinzip, besonders bei jungen Patienten, die wiederholt eine Bildgebung der Leber benötigen, übermässige Exposition von Röntgenstrahlung zu vermeiden. Ein US der Leber ist ein subjektives bildgebendes Verfahren und die Qualität der Untersuchung ist vom jeweiligen Untersucher und dessen Erfahrung und Expertise abhängig. Ein weiterer Vorteil des Leber MRI ist der höhere Weichteilkontrast im Vergleich zur CT- oder US-Untersuchung. Mehrere Studien haben gezeigt, dass fokale Leberläsionen mittels MRI im Vergleich zu US und CT besser detektiert und charakterisiert werden können, vor allem wenn leberspezifisches Kontrastmittel verwendet wird und es sich um kleine Läsionen handelt [4, 6]. Mit Hilfe der MRCP ist eine detaillierte, nicht-invasive Darstellung und Beurteilung des Gallengangsystems mög© 2020 Hogrefe
Diagnostische Möglichkeiten Detektion und Charakterisierung fokaler Leberläsionen Die MRI-Untersuchung der Leber, insbesondere mit leberspezifischem Kontrastmittel, erlaubt die Detektion und Diagnose benigner und maligner fokaler Leberläsionen mit einer hohen Sensitivität und Spezifität [4, 8]. Im folgenden Abschnitt werden typische MR-Befunde erläutert. Benigne Läsionen Einfache Leberzysten sind die häufigsten benignen Leberläsionen mit einer Prävalenz von bis zu 15 – 18 % in der Normalbevölkerung [9]. Sie können problemlos mittels Leber MRI diagnostiziert werden. In der MRI-Untersuchung stellen sich einfache Leberzysten als scharf abgrenzbare Läsionen mit sehr hellem Signal in den T2-gewichteten Sequenzen dar und zeigen keine Kontrastmittelanreicherung. Typischerweise sind einfache Leberzysten ein Zufallsbefund und äusserst selten mit Komplikationen wie Entzündungen oder Rupturen vergesellschaftet. Hämangiome der Leber, benigne vaskuläre Läsionen, sind die zweithäufigsten Leberläsionen (Prävalenz 0.4 – 20 %) und werden wie einfache Leberzysten meistens inzidentell gefunden [10]. In der MRI-Untersuchung stellen sich Hämangiome der Leber typischerweise als scharf abgrenzbare Läsionen mit hellem Signal in den T2-gewichteten Sequenzen dar und zeigen eine noduläre, periphere Kontrastmittelanreicherung die über die Zeit zentripetal zunimmt (Abb. 2). Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 69–74
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Abbildung 2. Magnetresonanztomographie der Leber mit leberspezifischem Kontrastmittel einer 42-jährigen Patientin. Die Abbildung zeigt eine typische fokale noduläre Hyperplasie (Pfeil A – F) und ein typisches Leberhämangiom (Pfeilspitze A – F) in einer T2-gewichteten Sequenz (A) als auch in T1-gewichteten Sequenzen ohne Kontrastmittel (B) und nach Verabreichung von Kontrastmittel (C, arterielle Phase; D, portalvenöse Phase; E, Spätphase; F, leberspezifische Phase). Die fokale noduläre Hyperplasie (Pfeil) hat in der T2- (A) und T1-gewichteten Sequenz ohne Kontrastmittel (B) eine ähnliche Signalintensität wie das umgebende Leberparenchym. In der arteriellen Phase (C) zeigt diese eine starke Kontrastmittelanreicherung, was bis in die späteren Phasen anhält (D – F). Das Leberhämangiom (Pfeilspitze) zeigt ein helles Signal in den T2-gewichteten Sequenzen (A) und eine noduläre, periphere Kontrastmittelanreicherung, die über die Zeit zentripetal zunimmt (C – E).
Die fokale noduläre Hyperplasie (FNH) ist die dritthäufigste benigne Leberläsion mit einer Prävalenz von 0.4 – 3 % und betrifft vor allem Frauen [10]. In den T1- und T2-gewichteten MRI-Sequenzen weist die FNH typischerweise dieselbe Signalintensität wie das umgebende Lebergewebe auf mit einer T2-hyperintensen zentralen Narbe. Nach Verabreichung von Kontrastmittel zeigt die FNH eine rasche, kräftige Kontrastmittelanreicherung in der arteriellen Phase. Wird leberspezifisches Kontrastmittel verwendet, zeigen diese Läsionen typischerweise eine persistierende Kontrastmittelanreicherung in der hepatospezifischen Phase und können dadurch beispielsweise differentialdiagnostisch von Leberadenomen (typischerweise keine Kontrastmittelanreicherung in der hepatospezifischen Phase) unterschieden werden (Abb. 2). Diese Differenzierung ist insofern wichtig, da Leberadenome im Gegensatz zur FNH ein Entartungs- und / oder Blutungsrisiko haben und somit als «chirurgische» Läsionen angesehen werden. Maligne Leberläsionen Lebermetastasen sind die häufigsten malignen Leberläsionen und kommen häufiger vor als alle primären malignen Lebertumore zusammen [11]. Die Leber ist eine der häufigsten Zielorgane für Metastasen, wobei Kolorektale-, Brust- und Lungenkarzinome für die Mehrzahl von Lebermetastasen verantwortlich sind [11]. In dem MRI hängt die Signalintensität und das Kontrastmittelverhalten der Lebermetastasen vom Primärtumor ab. Während die meisten Lebermetasten hypovaskulär sind, können Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 69–74
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Nierenzellkarzinome oder neuroendokrine Tumore hypervaskuläre Metastasen bilden. Das Leber MRI ist im Vergleich zur US- oder CT-Untersuchung sensitiver für die Detektion vor allem von kleinen Lebermetastasen [12] (Abb. 1). Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist der häufigste primäre maligne Lebertumor und betrifft mehr als doppelt so häufig Männer als Frauen [13]. HCCs entstehen vor allem in Patienten mit Leberzirrhose, am häufigsten verursacht durch chronische Hepatitis B und C Infektionen, Alkoholabusus und nicht-alkoholinduzierte Steatohepatitis (NASH) [13]. HCCs in der Leberzirrhose sind die einzigen Tumore die bei Vorliegen typischer bildgebender Merkmale mittels CT oder MRI alleine diagnostiziert werden können und keine zusätzliche histopathologische Diagnosesicherung benötigen. Diese «klassischen» HCCs zeigen eine arterielle Kontrastmittelanreicherung mit anschliessendem Auswaschen von Kontrastmittel. HCCs können mittels kontrastmittelverstärkten US, CT und MRI diagnostiziert werden, jedoch zeigt das MRI insbesondere bei Verwendung von leberspezifischem Kontrastmittel eine höhere Sensitivität im Vergleich zu den anderen Modalitäten [4]. Das cholangiozelluläre Karzinom ist der zweithäufigste primäre maligne Lebertumor. Etwa 50 % der cholangiozellulären Karzinome sind perihilär lokalisiert, 40 % betreffen die peripheren Gallengänge und 10 % sind intrahepatische Tumore [14]. Je nach Lokalisation des Tumors unterscheiden sich die Befunde in der Bildgebung. Die perihilär und extrahepatisch lokalisierten Karzinome zeigen typischerweise Strikturen der betroffenen Gallengänge, mit fokaler Verdickung und Kontrastmittelaufnahme der Gallengangswand sowie poststenotische Dilatation der peripheren Gallengänge. Intrahepatische cholangiozelluläre Karzinome stellen sich als intrahepatische Raumforderungen mit randständiger Kontrastmittelanreicherung in der arteriellen Phase dar. Die zentralen Anteile des intrahepatischen cholangiozellulären Karzinoms sind meistens stark fibrotisch und zeigen daher keine Kontrastmittelanreicherung in der arteriellen Phase, jedoch eine schrittweise, verzögerte zentripetale Kontrastmittelanreicherung in den späteren Phasen. In vielen Fällen sind die an die Läsion angrenzenden intrahepatischen Gallengänge erweitert und je nach Lokalisation kommt es durch die starke Fibrose zu Einziehung der Leberkapsel. Cholangiozelluläre Karzinome können mittels CT und MRI detektiert und diagnostiziert werden, jedoch ist das MRI mit MRCP zur detaillierten Darstellung des Gallengangsystems die bevorzugte Modalität zur Diagnose und zum Staging von cholangiozellulären Karzinomen.
Detektion und Quantifizierung diffuser Lebererkrankungen Diffuse Lebererkrankungen wie Leberverfettung («Nonalcoholic fatty liver disease», NAFLD od. «alcohol-induced fatty liver disease», AFLD) und Eisenablagerungen in der Leber sind relativ häufige Lebererkrankungen in den west© 2020 Hogrefe
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kurate, nicht-invasive Methode zur Quantifizierung von intrahepatischem Fett bietet [16]. Ein wichtiger Vorteil des MRI gegenüber dem klassischen Goldstandard der Leberbiopsie ist die Fettquantifizierung über das gesamte Lebergewebe, während eine Biopsie auf ein kleines Areal limitiert ist. Die MR-basierte Fettquantifizierung kann zur Diagnose der Leberverfettung, zum Monitoring und zur Verlaufsbeurteilung unter Therapie genutzt werden.
Abbildung 3. Magnetresonanztomographie der Leber mit Quantifizierung des Fettanteils der Leber. Die Abbildung zeigt ein Beispiel eines gesunden Patienten ohne Leberverfettung (A; Fettanteil der Leber 2.7 %) und eines Patienten mit Leberverfettung (B, Fettanteil der Leber 23 %).
lichen Industrieländern. Unbehandelt können diese diffusen Lebererkrankungen zu Leberfibrose und -zirrhose fortschreiten, was zu Leberversagen oder Entwicklung maligner Tumore führen kann. Mit Hilfe einer MRI-Untersuchung können sowohl Fett- und Eisenablagerungen in der Leber detektiert und quantifiziert werden als auch dessen Folgen diagnostiziert werden. Heutzutage bieten alle grossen Hersteller von MR-Geräten kommerzielle MRSequenzen zur simultanen Quantifizierung von Fett- und Eisen in der Leber an. Leberverfettung Die Leberverfettung, insbesondere die NAFLD ist durch die steigende Zahl von Adipositas, Typ 2 Diabetes und metabolischem Syndrom aktuell die häufigste Lebererkrankung in den westlichen Industrieländern [15]. Mit Hilfe spezieller MR-Sequenzen kann die sogenannte «Proton Density Fat Fraction» (PDFF) berechnet werden und so der Fettanteil in der Leber quantifiziert werden. Die PDFF gibt den absoluten Prozentsatz an Fettsignal (0 – 100 %) an und kann ohne grossen technischen Aufwand an modernen MR-Scannern durchgeführt werden (Abb. 3). Eine aktuelle Metaanalyse zeigt, dass diese Methode eine ak-
Eisenablagerungen in der Leber Die Leber ist der grösste Speicher für Eisen im menschlichen Körper. Bei der primären und sekundären Hämochromatose kommt es zur vermehrten Eisenablagerung in der Leber, welche ohne zeitgerechte Therapie zur Leberzirrhose und Entwicklung von malignen primären Lebertumoren führen kann. Eisenablagerungen in der Leber beeinflussen das MR-Signal und können mit verschiedenen MR-Methoden gemessen werden. Die heutzutage am häufigsten verwendete Methode zur Eisenquantifizierung mittels MRI ist die Messung der T2* und R2* Relaxometrie. Diese Methode ermöglicht eine akkurate, nicht-invasive Messung von Eisen in der Leber [17].
Ausblick Magnetresonanz-Elastographie der Leber Der aktuelle Referenzstandard zur Diagnose und Graduierung der Leberfibrose und -zirrhose ist die Leberbiopsie mit anschliessender pathologischer Aufarbeitung. In den letzten Jahren haben sich jedoch zunehmend einfach zu nutzende, ultraschallbasierte Elastographie-Methoden zur nichtinvasiven Beurteilung der Leberfibrose im klinischen Alltag etabliert [18]. Diese ultraschallbasierten Methoden haben jedoch den Nachteil der Untersucherabhängigkeit, eingeschränkter Nutzbarkeit bei adipösen Patienten, limitierter Vergleichbarkeit zwischen unterschiedlichen Ultraschall-Systemen als auch verschiedenen Untersuchern so-
Abbildung 4. Magnetresonanz-Elastographie. Die abgebildeten farbcodierten «Steifigkeits-Karten» zeigen einen Patienten mit normaler Lebersteifigkeit (A), einen Patienten mit erhöhter Lebersteifigkeit bei Leberfibrose Grad 3 (B) und einen Patienten mit stark erhöhter Lebersteifigkeit bei Leberzirrhose (C). Die farbcodierten «Steifigkeits-Karten» geben die jeweilige Lebersteifigkeit des Leberparenchyms in Kilopascal (kPa) von 0 (violett) bis 8 (rot) an.
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wie einen limitierten Messbereich pro Messung, was zur Über- oder Unterschätzung des Fibrosegrades führen kann [18]. Kürzlich wurde die Methode der MagnetresonanzElastographie (MRE) eingeführt und wird heutzutage an vielen akademischen Zentren zur Quantifizierung der Leberfibrose genutzt. Bei der MRE werden durch ein am Patienten platziertes Anregungsgerät akustische Wellen produziert und in das Körperinnere weitergeleitet. Spezielle MR-Sequenzen können durch die akustischen Wellen ausgelöste Verschiebungen von Gewebestrukturen messen. Durch komplexe mathematische Berechnungen können sogenannte farbcodierte «Steifigkeits-Karten» erstellt werden, mit denen die Steifigkeit in verschiedenen Leberarealen evaluiert werden können (Abb. 4). Während einige Studienergebnisse Ultraschall-Elastographie und MRE für die Evaluierung des Fibrosegrades der Leber als gleichwertig befanden, zeigten die meisten Studien die Überlegenheit der MRE [19]. Die Hauptvorteile der MRE sind die Untersucher- und Herstellerunabhängigkeit, hohe Reproduzierbarkeit und dass das Messvolumen fast die gesamte Leber abdeckt. Bei gegebenen notwendigen technischen Voraussetzungen kann die MRE problemlos in eine klinische Routine-MRIUntersuchung zur Klärung anderer Fragestellungen eingebaut werden. Die Misserfolgsrate der Leber MRE ist gering, jedoch kann es bei Patienten mit Eisenablagerungen in der Leber, ausgeprägtem Aszites und hohem Body Mass Index zu Problemen in der Bildakquisition kommen [19].
Schlussfolgerung Die MR-Untersuchung der Leber ist eine sensitive und spezifische Methode zur Detektion und Charakterisierung unterschiedlichster Lebererkrankungen und ist im heutigen klinischen Alltag fest integriert. Bei richtiger Indikation bietet das Leber MRI Vorteile gegenüber anderen bildgebenden Modalitäten wie etwa eine höhere Sensitivität zur Detektion von Leberläsionen oder die Möglichkeit der Fett- und Eisenquantifizierung. Mit fortschreitenden technischen Entwicklungen ergeben sich viele neue Einsatzmöglichkeiten des Leber MRI, die dessen Stellenwert in Zukunft weiter hervorheben werden.
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PD Dr. med. Cäcilia Reiner Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Universitätsspital Zürich Rämistrasse 100 8091 Zürich caecilia.reiner@usz.ch
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Übersichtsarbeit
Lungenrundherde – Ein Überblick Katharina Martini, Matthias Eberhard und Thomas Frauenfelder Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsspital Zürich
Zusammenfassung: Die Computertomographie wird durch ihre schnelle Datenakquisition sowie ihre hohe räumliche Auflösung für vielseitige Fragestellungen eingesetzt. Häufig kommt es dabei zu Zufallsbefunden, wie beispielsweise Lungenrundherden. Die Ursache von Lungenrundherden ist vielfältig: vom harmlosen (postentzündlichen) Granulom, über Ausdruck einer interstitiellen Lungengerüsterkrankung, bis hin zu einem malignen Geschehen. Dies bringt Radiologen und Zuweiser häufig in ein diagnostisches Dilemma: Sind Nachkontrollen oder weitere Abklärungen notwendig? In welchen Abständen soll nachkontrolliert werden? Zur Handhabung von Zufallsbefunden gibt es in der Literatur mehrere Leitlinien, allen voran die «Guidelines der Fleischner Society». In dieser Übersichtsarbeit soll auf die Bildgebung und aktuelle Richtlinien für die weitere Abklärung eingegangen werden. Zudem gibt der Artikel einen kurzen Ausblick zum Lungen-Tumorscreening. Pulmonary nodules – an overview Abstract: Computed tomography (CT) offers fast temporal and high spatial resolution and is increasingly employed for various investigations. Since the 1990s, when multislice computed tomography (CT) technique became commonly available, the detection rate of incidentally detected pulmonary nodules has increased. The aetiology of pulmonary nodules can range from infectious over interstitial lung disease to malignant entities and pose a diagnostic dilemma: Should the incidental finding be dismissed or further investigated? If further investigated which modality and which time frame should be used? Due to the multidisciplinary nature of data required for the complex assessment of an incidental pulmonary nodule, management guidelines are needed in the diagnostic process such as those proposed by the Fleischner Society. The aim of this review is to discuss the different aetiologies pf pulmonary nodules and their potential work-up. Finally, we will also discuss the utility of lung cancer screening.
Einleitung
Bildgebung
Die Computertomographie wird aufgrund ihrer schnellen Durchführbarkeit und durch ihre hohe räumliche Auflösung für vielseitige Fragestellungen eingesetzt. Dabei sind Lungenrundherde häufige Zufallsbefunde. Da Lungenkrebs die häufigste Ursache für die Krebsmortalität in Europa und der ganzen Welt darstellt [1], führt ein inzidenteller Lungenrundherd häufig zu diagnostischer Unsicherheit bei Radiologen, Fragen nach klinischer Relevanz und der Notwendigkeit von Nachkontrollen durch Zuweiser und zu Ängsten bei den betroffenen Patienten. Mehr als 95 % der nachgewiesenen Knoten sind jedoch gutartig und haben eine Vielzahl von Ursachen, darunter Infektionen, granulomatöse Erkrankungen, Hamartome, Rundatelektasen und Lymphknoten [2]. Aufgrund der breiten Ätiologie bedarf es bei der Beurteilung von Lungenrundherden Leitlinien, welche den beurteilenden Radiologen und den zuweisenden Ärzten dabei helfen, die Lungenveränderung richtig einzuschätzen und die entsprechenden Empfehlungen für eine eventuelle Verlaufskontrolle oder weitere Abklärung auszusprechen.
Zur Abklärung und Verlaufskontrolle von Lungenrundherden gibt es verschiedene diagnostische Bildgebungsverfahren, wie das konventionelle Röntgen des Thorax, die Computertomographie (CT), die Magnetresonanztomographie (MRT) und die Positronenemissionstomographie (PET).
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Konventionelles Röntgen Das konventionelle Röntgen bildet seit über 100 Jahren das Rückgrat der bildgebenden Medizin [3]. Das ThoraxRöntgen bleibt aufgrund der breiten Verfügbarkeit, geringen Kosten und schnellen Durchführbarkeit eine der am häufigsten angewandten Methoden [4, 5]. Die konventionelle Radiographie ist ein auf Projektion basierendes Bildgebungsverfahren, d. h. eine dreidimensionale Struktur wird auf ein zweidimensionales Bild projiziert. Trotz der hohen räumlichen Auflösung fehlt es daher häufig an der Möglichkeit, Strukturen gleicher Dichte voneinander unterscheiden zu können oder es kommt zu einer ÜberlageTherapeutische Umschau (2020), 77(2), 75–80 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001156
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Magnetresonanztomographie
Abbildung 1. Bei einer 61-jährige Patientin zeigt sich im konventionellen Röntgen eine fokale Transparenzminderung im Oberlappen links, angrenzend an den Aortenbogen (a). Im CT (b) bestätigt sich der Verdacht auf ein Bronchialkarzinom.
rung verschiedener Strukturen und damit einer Summation dieser Strukturen im 2D Bild [6]. Mit einer Sensitivität von 46 % bis 57 % im Vergleich zum CT [7, 8], stellt das konventionelle Röntgen nicht die geeignete Methode zur Evaluation von Lungenrundherden dar (Abb. 1).
Computertomographie Der Goldstandard zur Abklärung und Beurteilung von Lungenrundherden ist das CT. Mittels CT lassen sich die Hauptmerkmale eines Lungenrundherdes beschreiben: Grösse, Form, Dichte (solide versus sub-solide), Vorhandensein von Verkalkungen und Wachstumsrate in Verlaufsuntersuchungen [9]. Vorteile des CT gegenüber dem Röntgenbild sind die bessere Darstellung von kleinen Lungenrundherden und die überlagerungsfreie Darstellung von Lokalisation und Grösse sowie die dreidimensionale Beurteilbarkeit des Lagebezugs zu angrenzenden anatomischen Strukturen [10]. Voraussetzung für die richtige Klassifizierung von Lungenrundherden ist die Wahl eines geeigneten CT-Protokolls: Die Schichtdicke sollte gering genug gewählt werden, um Änderungen der Knotengrösse und -eigenschaften bewerten zu können. Gleichzeitig sollte versucht werden, die kumulative Strahlenexposition möglichst gering zu halten [2]. Die aktuellen Empfehlungen der Fleischner Society beinhalten zum Beispiel die Verwendung einer Schichtdicke von ≤ 1.5 mm [11]. Essentiell zur Beurteilung eines Lungenrundherdes ist auch der Vergleich mit früheren CT-Scans um Grössenveränderungen frühzeitig erkennen zu können. Verschiedene technische Neuerungen in den letzten Jahren ermöglichten eine stetige Reduktion der angewandten Strahlendosis, zum Beispiel ermöglichen die Anwendung eines Zinnfilters und die iterative Rekonstruktion von Bilddaten (IR) eine erhebliche Dosisreduktion, während gleichzeitig das Verhältnis von Signal-zu-Rauschen stabil gehalten werden kann [12 – 14]. In Phantomstudien konnte schon gezeigt werden, dass sich somit die CT-Strahlendosen der applizierten Strahlendosis bei Röntgenbildern annähern, während trotzdem mit hoher Sensitivität und diagnostischer Sicherheit, Lungenrundherde nachgewiesen werden können [12]. Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 75–80
Die Magnetresonanztomographie spielt in der Diagnostik und bei Verlaufskontrollen von Lungenrundherden, aufgrund ihrer zum CT geringeren räumlichen Auflösung und längeren Akquisitions-Zeiten, eine untergeordnete Rolle. Jedoch ist die MRT aufgrund ihres hohen Weichteilkontrastes besonders dazu geeignet, lokal fortgeschrittene Befunde zu beurteilen: Von allen genannten Techniken ist die MRT am besten in der Lage eine eventuelle Infiltration von Thoraxwand, des Mediastinums, der grossen Gefässe, und des Zwerchfells zu beurteilen [9].
PET 18F-Fluordesoxyglucose (FDG) PET kombiniert mit dem CT ist eine etablierte Methode zur Abklärung von Lungenrundherden, die grösser als 1 cm sind. Aufgrund der Sensitivität von 97 % und Spezifität von 78 % [15], wird in einigen Ländern das PET / CT als Routinebeurteilungstechnik für fokale, potentiell chirurgischen Läsionen empfohlen [16]. Eine wichtige Einschränkung der Methode besteht in einer erhöhten Strahlenbelastung sowie in erhöhten falsch-negativ Befunden bei der Detektion von Adenokarzinomen, Karzinoiden und Knoten kleiner als 1 cm sowie falsch-positiven Befunden bei infektiösen und entzündlichen Rundherden [15, 17].
Definition Der Lungenrundherd ist ein Sammelbegriff für Raumforderungen der Lunge < 3 cm ohne Zuordnung einer spezifischen Dignität. Die deutsche Übersetzung des Glossar der thoraxradiologischen Begriffe der Fleischner Society unterscheidet hier aufgrund der Grösse zwischen Lungenrundherd (≤ 3 cm) und Raumforderung (> 3 cm) [18]. Der Einfachheit halber wird im Folgenden der Begriff Lungenrundherd mit (Lungen-) Knoten gleichgesetzt.
Morphologie des Lungenrundherds Lungenrundherde können aufgrund ihrer Ätiologie in benigne und maligne- und aufgrund ihrer Morphologie in solide, sub-solide, und Milchglas-artig unterschieden werden. Solide Knoten sind runde oder unregelmässige Verdichtungen mit einem mittleren axialen Durchmesser von 0.3 bis 3.0 cm und einer fokalen Dichteanhebung im CT, die durch den Befund ziehende oder angrenzende Bronchialund Gefässstrukturen vollständig verdecken (Abb. 2a). Milchglas-artige Knoten sind runde oder unregelmässige Dichteanhebungen, die durch den Befund ziehende oder angrenzende Gefässstrukturen nicht vollständig verdecken (Abb. 2b) [19]. Bestehen Knoten aus teils soliden und teils © 2020 Hogrefe
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Abbildung 2. Unterschiedliche Charakteristika von Lungenknoten: Solide (a), Milchglas-artig (b) und teilsolide (c).
Milchglas-artigen Bestandteilen, werden sie als «teilsolide» bezeichnet (Abb. 2c) [18]. Milchglas-artige und teilsolide Rundherde werden als subsolide Rundherde zusammengefasst [18]. Weitere Merkmale eines Lungenrundherdes sind die Begrenzung (spikuliert oder glatt begrenzt), Verkalkungen (wie beispielsweise bei Granulomen) oder fett-dichte Anteile (wie beispielsweise bei Hamartomen).
Ätiologie Eine systematische Untersuchung von Screening-CTs ergab, dass bei bis zu 51 % der Screeningteilnehmer ein Lungenknoten nachgewiesen wurde [20]. Mehr als 95 % der nachgewiesenen Knoten sind gutartig und haben eine Vielzahl von Ursachen [2]. Grundsätzlich lassen sich inzidentelle Lungenrundherde wie folgt einteilen (Abb. 3) [9]: 1. Tumore • benigne (z. B. Granulome, Hamartome, Rundatelektasen, Lymphknoten usw.) • maligne − primär (Bronchialkarzinome) − sekundär (Metastasen) 2. Inflammatorische Läsionen • infektiös (runde Pneumonie, Tuberkulose) • nicht-infektiös (rheumatoide Knoten) 3. Andere (z. B. Rundatelektasen) Milchglas-artige Knoten kleiner als 6 mm haben eine hohe Prävalenz, sind häufig transient und stehen normalerweise im Zusammenhang mit Infektionen oder Blutungen. Persistierende Milchglas-artige Knoten bergen ein höheres Malignitätsrisiko [21]. Subsolide Knoten weisen ein hohes Malignitätsrisiko auf. Wenn die feste Komponente jedoch kleiner als 6 mm ist, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sie aggressiv sind, z. B. in situ Adenokarzinome oder minimal invasive Adenokarzinome.
High-Risk vs. Low-Risk Der überwiegende Anteil von Lungenrundherden sind gutartig [20], bei einigen kann man bereits aufgrund ihres benignen Aspektes (Verfettung, Verkalkung) von einer Verlaufsuntersuchung absehen. Studien haben gezeigt, dass aufgrund der Morphologie und Patienten-Demographie auf die Malignität des inzidentellen Lungenherds ge© 2020 Hogrefe
Abbildung 3. Beispiele von Lungenrundherden. A) Hamartom mit hypodensem fett-dichten Anteil und Verkalkung, b) Bronchus-Karzinom, c) kleine Metastase eines Mamma-Karzinoms, d) einschmelzende Kaverne bei Tuberkulose, e) verkalktes postentzündliches Granulom, f) Rundatelektase.
schlossen werden kann [22]: Prädiktoren für Malignität waren höheres Alter, weibliches Geschlecht, Lungenkrebs in der Familienanamnese, Emphysem, grössere Knotengrösse, Lage des Knotens im Oberlappen, niedrigere Knotenzahl und Spikulierung. Auf diesen Grundlagen stehen zum Beispiel Online-Lösungen zur Quantifizierung des Malignitätsrisikos von einzelnen Rundherden zur Verfügung (Brock University cancer prediction equation; https://www.uptodate.com/contents/ calculator-solitary-pulmonary-nodule-malignancy-risk-inadults-brock-university-cancer-prediction-equation), welche sowohl demographische Daten als auch die Morphologie des Lungenrundherds miteinbeziehen. Der Rechner gibt eine Wahrscheinlichkeit an, dass ein inzidenteller Lungenrundherd innerhalb einer Nachbeobachtungszeit von zwei bis vier Jahren als Krebs diagnostiziert wird.
Messungen Messungen zur Beurteilung der Grösse und des Grössenwachstums werden je nach Leitlinien unterschiedlich durchgeführt und führen teilweise zu Konfusion: Während die Fleischner Society die axiale Messung in zwei Ebenen empfiehlt [11], erlaubt die British Thoracic Society (BTS) [23] sowohl Messungen, die mit einer 2D-Messtechnik als auch mit einer 3D-Volumetrie durchgeführt werden. Zu beachten ist jedoch, dass in den BTS-Guidelines bei der 2D-Messung der maximale Durchmesser berücksichtigt wird und nicht, wie bei den Fleischner Guidelines, der Durchschnitt des Kurz- und Langachsendurchmessers. Die zweidimensionale Messung des Knotendurchmessers ist derzeit der am weitesten verbreiteten Ansatz [24], um Grösse und Wachstum während der Verlaufskontrollen zu bestimmen. Volumenmessungen bieten jedoch eine bessere Reproduzierbarkeit als reine axiale Messungen und ermöglichen eine genauere Berechnung der GrössenVerdopplungszeit, da die Auswertung des Lungenrundherdes auf dreidimensionaler Basis, die Morphologie besser wiederspiegelt [25]. Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 75–80
18 – 24 Monatea 2. Follow-up
18 – 24 Monate
Idem
3 Monate, PET / CT oder Biopsie 6 – 12 Monate, wenn multiple 3 – 6 Monate 6 – 12 Monate, wenn multiple 3 – 6 Monate 12 Monatea Kein Follow-up 1.Follow-up
Hoch Gering Hoch Gering Risiko
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Anmerkungen: a) Optional, aber alle relevanten Risikofaktoren berücksichtigen; b) Wenn das Wachstum oder eine solide Komponente wächst oder sich entwickelt, soll eine chir. Resektion in Betracht gezogen werden; c) Wenn die beständige / stabile und solide Komponente 6 mm bleibt oder wächst, ist sie als sehr verdächtig zu behandeln. PET / CT, Biopsie oder Resektion bei soliden Bestandteilen > 8 mm.
Gemäss dem suspektesten Nodulus Jährlich bis zu 5 Jahrenc Wenn stabil, alle 2 Jahre bis zu 5 Jahrenb Wenn stabil, nach 2 und 4 Jahren
3 – 6 Monate 6 – 12 Monate 3 – 6 Monate Kein Follow-up
Part solid Milchglas Multiple Noduli Typ
Einzelner Nodulus
≥ 6 mm < 6 mm 6 – 8 mm Durchmesser
< 6 mm
> 8mm
Sub-solider Nodulus Solider Nodulus
Patient mit inzidentellem Lungenrundherd im CT
Tabelle 1. Empfehlungstabelle der Fleischner-Leitlinie von 2017 zu Lungenrundherden [11]
3 – 6 Monate
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Multiple
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Mehrere Lungenkrebs-Screening-Studien haben deshalb für die Bestimmung der Wachstumsrate eines Lungenrundherds die Volumetrie aufgenommen [17, 26]. Vereinfacht wird die Volumenmessung durch semiautomatische Verfahren, die die Messungen objektivieren und vergleichbar machen können [13, 27]. Manuell durchgeführte Messungen haben häufig den Nachteil, dass sie untersucherabhängig sind und kleine Messungenauigkeiten zu prozentual grossen Abweichungen bei der Grössenbeurteilung führen können [28]. Essenziell für die Beurteilung eines Grössenwachstums von Lungenrundherden ist die Standardisierung der Messmethode.
Verlaufskontrollen Zum Vorgehen bei inzidentell nachgewiesenen Lungenrundherden gibt es in der Literatur mehrere Leitlinien, allen voran die Guidelines der Fleischner Society. Die Fleischner Society ist eine internationale, multidisziplinäre Gesellschaft, die Standards, Richtlinien und Konsenserklärungen zur Diagnose und Behandlung von Krankheiten, die den Thorax betreffen, veröffentlicht. Im Jahr 2017 veröffentlichte die Fleischner Society aktualisierte Leitlinien für das Management von zufällig nachgewiesenen Lungenrundherden in CTs bei Erwachsenen ab 35 Jahren [11]. Nicht anwendbar sind die Leitlinien bei Patienten mit bekanntem Malignom oder Verdacht auf ein Malignom sowie bei immunkompromittierten Patienten. Die aktuellen Leitlinien enthalten Empfehlungen, die auf dem Patientenrisiko, der Anzahl der Rundherde (einzelne vs. multiple) und die Subtypisierung von subsoliden Knoten (Milchglas-artig vs. semi-solid) aufbauen. Zusätzlich werden weitere Risikofaktoren, welche für eine Malignität sprechen, in die Abwägung miteinbezogen. Die Fleischner Guidelines geben aufgrund dieser Kriterien Empfehlungen für die Durchführung von Verlaufskontrollen (Tab. 1) [2, 11]. Sub-solide Knoten mit einem soliden Anteil von mindestens 6 mm erfordern demnach entweder eine engmaschige Nachuntersuchung oder, bei Hochrisikoläsionen, eine weitere Abklärung (PET, Biopsie, chirurgische Entfernung) [17]. Alternativ anwendbar sind die Guidelines der British Thoracic Society (BTS) [23]: Bei Vorliegen von multiplen Lungenrundherden basiert hier die Risikobewertung und die Follow-Up-Strategie auf der Basis des grössten vorliegenden Knotens. Ein Wachstum ist definiert als eine Volumenzunahme von ≥ 25 %. Wenn die Volumenzunahme weniger als 25 % beträgt, wird die Läsion als stabil bezeichnet.
Screening Lungenkrebs ist die häufigste Todesursache bei Krebserkrankungen in Europa und auf der ganzen Welt [1]. Über 50 % der neu diagnostizierten Lungenkrebspatienten sind ehemalige Raucher [29] und die Kombination © 2020 Hogrefe
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aus schlechter Prognose, Zeit zwischen Rauchen und Auftreten des Bronchialkarzinoms und hohem Risiko für die Bevölkerung bedeutet, dass Lungenkrebs in den kommenden Jahren eine erhebliche Krankheitslast darstellen wird [30]. Da die Risikopopulation relativ gut definiert ist und eine Erkrankung im Frühstadium potentiell heilbar ist, ergibt sich die Frage nach dem Nutzen und der Durchführbarkeit eines Screening-Programms. Bei nicht-kleinzelligem Lungenkrebs beträgt die relative Überlebensrate ohne Rückfall 80 %, wenn das Malignom in einem frühen, noch lokalen Stadium entdeckt wird [31, 32]. Mit positiven Ergebnissen aus dem National Lung Screening Trial (NLST), die auf eine verringerte Lungenkrebssterblichkeit bei Risikopersonen hindeuteten [33], stieg das Interesse am Screening in den letzten zehn Jahren stetig an. Bestärkt auch durch die Ergebnisse der niederländisch-belgisch randomisierten Multischicht-CT-Screening-Studie (NELSON) für Lungenkrebs [34], empfehlen bereits diverse Gesellschaften das Lungenkrebs-Screening [35, 36]. CT-Untersuchungen für das Screening und nachfolgende Folgestudien führen zu einer erheblichen Strahlenbelastung für die gescreente Bevölkerung [37]. Der Nutzen des Screenings muss daher gegen potenzielle Risiken wie strahleninduzierten Krebs abgewogen werden. Aus diesem Grund werden in Screening-Programmen nur standardisierte Niedrig-Dosis-CT-Protokolle angewendet [28, 38].
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Übersichtsarbeit
Neue Wege in der Senologischen Bildgebung Andreas Boss, Lysiane Rohrer und Nicole Berger Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsspital Zürich
Zusammenfassung: Die Untersuchung der Brust, insbesondere als Vorsorgeuntersuchung für Brustkrebs, wurde bisher vor allem mittels Mammographie und gelegentlich ergänzendem Ultraschall durchgeführt. Diese Vorsorgeuntersuchungen haben sich etabliert, da eine frühe Diagnose eines Brustkrebses die Heilungschancen erhöht. Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung der Frau (ca. jede 8. Frau ist betroffen). Während als weitere Abklärung sich die MRI Untersuchung, welche eine hohe Sensitivität und Spezifität bietet, bisher durchgesetzt hat, ergaben sich in der jüngsten Vergangenheit neue Untersuchungsmethoden, welche einerseits die Untersuchung für die Frauen angenehmer machen (z. B. keine Kompression des Brustdrüsengewebes, wie dies bei der Mammographie üblich ist) und welche möglicherweise auch diagnostisch ebenbürtig sein könnten. Insbesondere werden in diesem Artikel der automatische Brustultraschall (ABUS) und die Computertomographie der Brust (Mamma-CT) genannt. Zudem könnten in Zukunft Programme mit künstlicher Intelligenz helfen, die Diagnosen zu erhärten bzw. die Treffsicherheit zu erhöhen, damit möglichst keine relevante Läsion übersehen wird. New Trends in Breast Imaging Abstract: The examination of the breast, especially as a screening examination for breast cancer, has so far been carried out primarily by means of mammography and occasionally supplementary ultrasound. These check-ups have become established because early diagnosis of breast cancer increases the chances of recovery. Breast cancer is the most common cancer in women (approximately every 8th woman is affected). While the MRI examination, which offers a high level of sensitivity and specificity, has so far established itself as a further clarification, new examination methods have emerged in the recent past, which on the one hand make the examination more pleasant for women (e. g. no compression of the mammary gland tissue, as is the case with mammography) and which could potentially be diagnostically equivalent. In particular, this article mentions automatic breast ultrasound (ABUS) and computer tomography of the breast (breast CT). In the future, programs with artificial intelligence could also help confirm the diagnoses or increase accuracy so that no relevant lesion is overlooked.
Hintergrund Vorsorge-Mammographie Entsprechend der Statistiken des Schweizerischen Krebsberichts, liegt das Risiko einer Frau in der Schweiz im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs zu erkranken bei 12.7 % [1]. Somit wird ungefähr jede achte Frau irgendwann mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert, wobei das mittlere Erkrankungsalter bei 63 Jahren liegt. Brustkrebs ist damit die häufigste Krebserkrankung bei Frauen und in der Schweiz werden jährlich 1'400 Todesfälle durch Brustkrebs verzeichnet. Durch eine frühe Diagnose verbessern sich die Heilungsaussichten. Je kleiner der Brustkrebs bei der Entdeckung ist und umso weniger axilläre Lymphknoten befallen sind, desto niedriger sind Rezidivwahrscheinlichkeit und Sterblichkeit. Durch ein qualitätskontrolliertes Mammographie-Screening, bei dem Frauen zwischen 50 und 70 Jahren systematisch alle zwei Jahre an einer Screening© 2020 Hogrefe
Mammographie teilnehmen, kann die Sterblichkeit an Brustkrebs gesenkt werden. Nach neuesten Modellrechnungen führt der kombinierte Effekt eines organisierten Mammographie-Screening-Programms und der adjuvanten Therapie zu einer Senkung der Mortalität um 37 % [2]. In der Diskussion, ob die Senkung der Mortalität möglicherweise allein auf die adjuvante Therapie zurückzuführen ist und ein Mammographie-Screening heute keinen relevanten Beitrag leistet, kann die Situation in der Schweiz einen interessanten Beitrag leisten. In der Deutschschweiz sind in vielen Kantonen MammographieScreening-Programme noch nicht eingeführt, wogegen in der Westschweiz seit vielen Jahren entsprechende Programme implementiert sind. Diese Unterschiede sind darauf zurückzuführen, dass die Organisation solcher Programme in der Verantwortung der Kantone liegt. Die Statistiken zeigen nun, dass die Inzidenz an Brustkrebs in der Westschweiz höher liegt, andererseits die Sterblichkeit an Brustkrebs aber niedriger ist [1]. Unter der Annahme, dass die adjuvante Therapie sowohl in der Deutschschweiz Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 81–84 https://doi.org/10.1024/0040-5930/a001157
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als auch in der Westschweiz identisch ist, lässt sich diese Statistik nur dadurch erklären, dass die höhere Anzahl der entdeckten Erkrankungen auf das Screening-Programm zurückzuführen ist, welches durch die frühere Entdeckung zu einer Senkung der Mortalität in der Westschweiz gegenüber der Deutschschweiz geführt hat. Bemerkenswert ist, dass dieser Effekt statistisch klar nachweisbar ist, obwohl in den Kantonen der Deutschschweiz ohne organisiertes Screening-Programm viele Patientinnen die Möglichkeit des opportunistischen Screenings wahrnehmen und so der positive Effekt der in der Westschweiz implementierten organisierten Screening-Programme weniger klar zur Geltung kommt. Neben der genannten Verringerung der Sterblichkeit an Brustkrebs durch Mammographie-Screening gibt es jedoch mehrere bekannte Schwächen der konventionellen Mammographie. Zu diesen Schwächen zählen die geringe Sensitivität der alleinigen konventionellen Mammographie bei dichtem Drüsengewebe, die Qualitätsunterschiede bei der technischen Durchführung der Mammographie, die Schmerzhaftigkeit der Untersuchung durch die notwendige Brustkompression und die hohe Zahl falsch-positiver Befunde durch Überlagerungseffekte sowie die geringe Spezifität von Mikroverkalkungen. Durch die enormen Fortschritte der Brustbildgebung haben sich hier interessante Alternativen zur konventionellen Mammographie ergeben, welche eine personalisierte, auf die Bedürfnisse der Patientin zugeschnittene Bildgebung erlauben.
Künstliche Intelligenz und Brustdichte Die Künstliche Intelligenz (auch Maschinelles Lernen) ist eines der bestimmenden Themen der radiologischen Entwicklung geworden. Insbesondere durch den Einsatz tiefer neuronaler Netze, entstanden in den letzten Jahren zahlreichen Anwendungen, welche durch die Analyse von radiologischen Bildern Abläufe verbessern. Die konventionelle Mammographie ist dazu in idealer Weise geeignet. Durch die Zweidimensionalität der Abbildungstechnik und deren hohen Standardisierungsgrad ist die automatisierte Analyse der mammographischen Bilddaten einfacher und zuverlässiger als die Auswertung komplexerer radiologischer Datensätze, wie etwa der Computer-Tomographie. Eine hervorragende Anwendung für die Künstliche Intelligenz ist die Beurteilung der mammographischen Brustdichte. Bei der Bestimmung der mammographischen Brustdichte wird die Menge und die Verteilung des in der Brust vorhandenen Drüsengewebes durch eine 4-stufige Skala (a – d) nach dem ACR BI-RADS Atlas festgelegt (Abb. 1) [3]. Bei niedriger Brustdichte (Typ a) weist die konventionelle Mammographie eine hohe Sensitivität von 98 % für den Nachweis von Brustkrebs auf, diese fällt jedoch mit zunehmender Brustdichte stark ab Therapeutische Umschau (2020), 77(2), 81–84
A. Boss et al., Senologische Bildgebung
Abbildung 1. Mammographische Brustdichte entsprechend dem ACR BI-RADS Katalog (a – d).
und liegt bei sehr dichtem Drüsengewebe (Typ d) nur noch bei 48 % [4]. Aus diesem Grund wird empfohlen, bei hoher Brustdichte (Typ c und d) noch eine ergänzende Ultraschalluntersuchung der Brust durchzuführen [5]. Bei der ACR BI-RADS Klassifikation handelt es sich jedoch um einen visuellen Score, bei dem es eine hohe Schwankungsbreite und eine geringe Reproduzierbarkeit bei den Radiologen gibt. Bestimmt ein Radiologe dieselbe Mammographie ein zweites Mal, so kommt es in 12,6 – 18,7 % der Fälle zu einer Abweichung der ursprünglich gewählten Dichte [6]. Ein speziell trainiertes, tiefes neuronales Netz erreicht eine höhere Genauigkeit als ein Radiologe mit dem zusätzlichen Vorteil, dass die Reproduzierbarkeit der Entscheidung bei 100 % liegt [7]. Zwischenzeitlich sind mehrere kommerzielle Lösungen erhältlich, welche Künstliche Intelligenz zur Bestimmung der Brustdichte einsetzen. Alternativ zur Künstlichen Intelligenz sind auch quantitative Verfahren zur Bestimmung der mammographischen Brustdichte entwickelt worden, welche auf der Menge des vorhandenen Drüsengewebes beruhen (Anteil Prozent Drüsengewebe). Der Nachtteil solcher Verfahren liegt darin, dass die quantitative Bestimmung der mammographischen Brustdichte im ACR BI-RADS Atlas vor einigen Jahren aufgegeben wurde, da die quantitative Skala stringent auf die Gewebemenge festlegt ist und die Verteilung des Drüsengewebes nicht in Betracht gezogen wird.
ABUS Zur Verbesserung der Sensitivität der Mammographie wird bei dichtem Drüsengewebe eine zusätzliche Ultraschalluntersuchung empfohlen. Der Vorteil der Ultraschalltechnologie ist dabei, dass es sich um eine sichere Methode handelt ohne die Anwendung von Röntgenstrahlen. Sie ist einfach in der Durchführbarkeit, liefert auch bei hoher Brustdichte eine gute Bildqualität und wird von den Patientinnen gut toleriert. In zahlreichen Studien wurde belegt, dass die Detektionsrate bei Patientinnen mit dichter Brust unter Verwendung von Mammographie und Ul© 2020 Hogrefe
A. Boss et al., Senologische Bildgebung
traschall um 13 – 2 8 % über der Detektionsrate bei alleiniger Anwendung der Mammographie liegt [4, 8]. In der Mehrzahl der Fälle konnte durch die Kombination von Ultraschall und Mammographie der Brustkrebs in einem frühen Stadium ohne Befall von axillären Lymphknoten entdeckt werden. Allerdings wurde in diesen Studien auch bemerkt, dass der zusätzliche Ultraschall mit 3 % zu einer etwas erhöhten Anzahl von kurzfristigen Verlaufskontrollen führt. Eine neue Möglichkeit ist die Durchführung einer automatisierten 3D-Ultraschall-Untersuchung der Brust (ABUS: Automated Breast Ultrasound). Die Untersuchungszeit beträgt insgesamt 15 Minuten, wobei sechs 3D Datensätze der Brust akquiriert werden. Die typische Zeit für die Bilddurchsicht und Beurteilung durch den Radiologen beträgt 3 Minuten. Auch für die ABUS Untersuchung konnte gezeigt werden, dass die zusätzliche Anwendung bei Patientinnen mit mammographisch dichter Brust zu einer deutlichen Steigerung der Detektionsrate von Brustkrebs führt [9]. Beispiele für das Aussehen von Läsionen im ABUS sind in den Abbildungen 2 und 3 dargestellt. Der entscheidende Vorteil des ABUS gegenüber der konventionellen Handheld-Ultraschalluntersuchung liegt darin, dass objektive 3D-Datensätze der gesamten Brust erstellt werden, und nicht nur diejenigen Bilder gespeichert wer-
Abbildung 2. Patientin mit invasiv-duktalem Mammakarzinom links zentral. Im ABUS (linkes Bild) zeigt sich eine irregulär begrenzte Läsion mit deutlicher dorsaler Schallauslöschung (Pfeil). In der Mammographie, hier eine cranio-caudale Aufnahme, sieht man eine fokale Verdichtung (Pfeil), welche dem Tumor entspricht.
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den, welche der Radiologe auswählt. Aus diesem Grund kann die ABUS-Untersuchung durch medizinisch-technisches Personal durchgeführt werden, womit die Belastung des Radiologen reduziert wird. Die automatische Speicherung der gesamten 3D-Daten scheint auch insbesondere an Ausbildungsspitälern interessant zu sein, da eine erneute Beurteilung der Daten jederzeit möglich ist.
Mamma-CT Seit Kurzem wurde die erste Brustcomputertomographie mit Spiraltechnik (Mamma-CT) als mögliche Alternative zur Mammographie eingeführt. Diese Untersuchung verwendet die Technologie der Computertomographie, welche bereits in der Bildgebung des Kopfes und des Körpers etabliert ist. Das Mamma-CT verfügt darüber hinaus über eine ausgezeichnete Auflösung um auch die kleinsten Verkalkungen in der Brust abzubilden, welche ein Hinweis auf eine Brustkrebsvorstufe sein können [10]. Bei dieser Methode wird jeweils eine Brust auf einmal ohne Kompression untersucht. Dies ist ein Vorteil im Vergleich zur klassischen Mammographie, da viele Patientinnen bei der Kompression der Brust während der Mammographie starke Schmerzen verspüren. Auch können Patientinnen mit Brustimplantaten im Vergleich zur Mammographie aufgrund der fehlenden Kompression gut untersucht werden. Ein weiterer Vorteil dieser neuen Methode ist, dass die Brust im gesamten Volumen abgebildet wird und das Gewebe in verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Schichtdicken betrachtet werden kann. Dies könnte zu einer verbesserten Diagnostik führen, da bei einer Mammographie jeweils nur zwei Aufnahmen / Ebenen erstellt werden und sich überlagerndes Brustdrüsengewebe suspekte Läsionen maskieren kann. Die verwendete Dosis an Röntgenstrahlung entspricht in etwa einer Mammographie plus einer Zusatzuntersuchung und ist demnach vergleichbar mit der Mammographie. In Zukunft kann auch wie bei der klassischen Computertomographie Kontrastmittel gegeben werden, um allenfalls nochmals die Diagnostik zu verbessern, bzw. die Vaskularisation eines Tumors zu charakterisieren, ähnlich wie in der Magnetresonanztomographie (MRI). Hier könnten zum Beispiel auch Patientinnen profitieren, bei denen aufgrund von Kontraindikationen keine MRI-Untersuchung durchführbar ist [11].
Mamma-Magnetresonanztomographie (MRI) Abbildung 3. Brust-CT einer 51-jährigen Patientin. Im oberen Anteil der Brust zeigt sich eine glatt begrenzte, rundliche Läsion (Kreise), welche sich vom restlichen Brustdrüsengewebe in allen Ebenen abgrenzt. Im Ultraschall zeigte sich als Korrelat eine Zyste. Linkes Bild: Cranio-caudale Rekonstruktion. Mittleres Bild: Sagittale Rekonstruktion. Rechtes Bild: Coronare Rekonstruktion.
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Seit den 1990er Jahren wird neben der konventionellen Mammographie und dem Ultraschall (US) auch die MRI zur Diagnose von Brustkrebs eingesetzt. Die Brust-MRI ist vor allem bei Frauen mit einem hohen Brustkrebsrisiko (z. B. BRCA1 / -2-Mutation) angezeigt oder wird zur BeurTherapeutische Umschau (2020), 77(2), 81–84
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teilung der Ausdehnung eines bekannten Brustkrebses (insbesondere bei multifokalen Tumoren), bei Vorliegen von axillären Metastasen ohne bekannten primären Tumor oder bei unklaren Befunden in der Mammographie oder in der Mammasonographie verwendet. Eine exzellente Indikation der Brust-MRI ist die Unterscheidung von Narbengewebe oder Rezidiv bei unklarem Mammographiebefund in der Nachsorgeuntersuchung. Zusätzlich wird die Untersuchung bei Patientinnen mit Brustprothesen eingesetzt, einerseits zur Beurteilung ob die Implantate intakt sind oder ob sich ein Verdacht auf Brustkrebs zeigt. Zudem können auch MRI-gesteuerte Biopsien durchgeführt werden, falls eine suspekte Läsion in der Mammographie oder Sonographie nicht nachweisbar ist. Die Kontraindikationen sind die gleichen wie bei der MRI im Allgemeinen: Klaustrophobie, Nicht-MRI-kompatibleImplantate (Herzschrittmacher, Neurostimulatoren u. a.), MRI-Kontrastmittelallergie und Niereninsuffizienz. Bei prämenopausalen Patientinnen muss die Untersuchung zwischen dem 7. und 14. Tag nach Beginn der letzten Menstruation durchgeführt werden, da dann das Brustdrüsengewebe am wenigsten aktiv ist und weniger Kontrastmittel aufnimmt und somit die Untersuchung besser von den Radiologen beurteilt werden kann. MRI-Untersuchungen ausserhalb dieses Zeitraumes erhöhen das Risiko für falsch-positive Befunde. Vorteile der MRI sind das Fehlen von Röntgenstrahlung, die dreidimensionale Darstellung und der hohe Weichteilkontrast. Als Nachteile sind Kosten, das verabreichte Gadolinium-haltige Kontrastmittel und die Untersuchungsdauer inklusive Vorbereitungszeit anzuführen. Für die Untersuchung legt sich die Patientin auf den Bauch, wobei jede Brust in einer geeigneten Spule positioniert wird. Der Tisch wird dann so verschoben, so dass sich die Brust in der Mitte des Magnetfeldes befindet. Während der Untersuchung (ca. 30 Minuten) soll sich die Patientin nicht bewegen. Die MRI-Untersuchung hat eine sehr hohe Sensitivität (ca. 95 % [12]) für die Erkennung von bösartigen Veränderungen. Maligne und benigne Läsionen unterscheiden sich in der Begrenzung zum umliegenden Gewebe und ihrer unterschiedlichen Fähigkeit, Kontrastmittel aufzunehmen. Selten kann eine Läsion nicht eindeutig einer gutartigen oder bösartigen Läsion zugeordnet werden, was zu ergänzenden Untersuchungen (z. B. Follow-up Untersuchung, Korrelation mittels gezielter Ultraschalluntersuchung und / oder Biopsie) führen kann.
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Prof. Dr. Dr. Andreas Boss Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie Universitätsspital Zürich Rämistrasse 100 8091 Zürich andreas.boss@usz.ch
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Noah J. Goldstein / Steve J. Martin / Robert B. Cialdini
Yes!
Andere überzeugen – 60 wissenschaftlich gesicherte Geheimrezepte
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Übersetzt von Irmela Erckenbrecht. 2., überarb. und erw. Aufl. 2018. 248 S., Kt € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85853-1 Auch als eBook erhältlich
Basierend auf über 70 Jahren Forschung auf dem Gebiet der Sozialpsychologie eröffnet dieses Buch bemerkenswerte Einblicke, die Ihnen helfen werden, am Arbeitsplatz ebenso wie im häuslichen oder familiären Umfeld deutlich überzeugender aufzutreten.
www.hogrefe.com
Steve J. Martin / Noah J. Goldstein / Robert B. Cialdini
Überzeugen mit einfachen Kniffen Übersetzt von Felix Kurz / Max Henninger. 2015. 282 S., Gb € 29,95 / CHF 39.90 ISBN 978-3-456-85524-0 Auch als eBook erhältlich
Die Autoren zeigen – in 50 kurzen Kapiteln, die auf Fallbeispielen beruhen –, welche kleinen Ursachen beim Überzeugen große Wirkung zeigen. Denn genau darauf kommt es an: mit wenig Einsatz möglichst viel an Veränderung zu erzielen.
Alpage Nava, Wallis, © Christof Schürpf
Wir brauchen einen Tapetenwechsel.
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