Jahrgang 28 / Heft 1 / 2017
Geschäftsführender Herausgeber Lutz Jäncke Herausgeber Thomas Jahn Ilse Kryspin-Exner Stefan Lautenbacher Thomas Münte Martin Peper
Zeitschrift für
Neuropsychologie Journal for Neuropsychology Zwischen Angst und Hoffnung – Wie Eltern die Entscheidungsfindung für einen epilepsiechirurgischen Eingriff bei ihrem Kind erleben – Eine qualitative Studie Behavioral Problems in Preschool Children Stemming from Perinatal Stroke
Wissenschaft vs. Pseudowissenschaft
Siegfried Macho
Wissenschaft und Pseudowissenschaft in der Psychologie 2016. 264 S., 12 Abb., 8 Tab., Kt € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85616-2 Auch als eBook erhältich
Die Psychologie als naturwissenschaftliche Disziplin ist ein reichhaltiger Nährboden für pseudowissenschaftliche Theorien und Praktiken - wie beispielsweise die Aktivitäten bestimmter Sekten (Dianetik der Scientologen), die New Age Therapien (Rebirthing etc.) und zweifelhafte diagnostische Methoden (Graphologie etc.). Vorliegendes Fachbuch stellt sich den Problemstellungen und Fragen, die sich für die Psychologie als wissenschaftliche Disziplin ergeben.
www.hogrefe.com
• Darstellung verschiedener Auffassungen von Wissenschaft. Wie passt die Psychologie als wissenschaftliche Disziplin in diese Schemata? • Was macht eine gute psychologische Erklärung aus? • Untersuchung der Theoriendynamik (Bildung und Verwerfung von psychologischen Theorien und Forschungsprogrammen) • Indikatoren pseudowissenschaftlicher Praktiken • zentrale psychologische Mechanismen des Glaubens an den Erfolg pseudowissenschaftlicher Praktiken.
Zeitschrift für
Neuropsychologie Journal for Neuropsychology
Jahrgang 28 / Heft 1 / 2017
Geschäftsführender Herausgeber Lutz Jäncke Herausgeber Thomas Jahn Ilse Kryspin-Exner Stefan Lautenbacher Thomas Münte Martin Peper
Geschäftsführender Herausgeber
Prof. Dr. Lutz Jäncke, Psychologisches Institut, Lehrstuhl für Neuropsychologie, Universität Zürich, Binzmühlstr. 14, Postfach 25, CH-8050 Zürich, Tel. +49 (0)44 635 74 00, lutz.jaencke@uzh.ch
Herausgeber
Thomas Jahn, München Ilse Kryspin-Exner, Wien Stefan Lautenbacher, Bamberg
Gründungserausgeber
Wolfgang Hartje, Aachen, Professor Emeritus, Bielefeld
Ehemaliger Herausgeber
Detlef-Yves von Cramon, Direktor Emerius Leipzig Renate Drechsler, Tschugg, Zürich Siegfried Gauggel, Aachen Georg Goldenberg, München Wolfgang Hartje, Professor Emeritus Bielefeld Manfred Hermann, Magdeburg, Bremen Hans Markowitsch, Bielefeld Karl-Heinz Mauritz, Berlin
Etienne Perret, Zürich Bruno Preilowski, Tübingen Jürgen Oldigs-Kerber, Frankfurt F. J. Stachowiak, ehemals Leipzig Walter Sturm, Aachen Klaus Willmes, Aachen Eugene Wist, Professor Emeritus Düsseldorf Josef Zihl, München
Beirat
Thomas Beblo, Bielefeld Thomas Benke, Innsbruck Jan Born, Tübingen Christian Büchel, Hamburg Renate Drechsler, Zürich Gereon Fink, Köln Siegfried Gauggel, Aachen Georg Goldenberg, München Onur Günterkün, Bochum Thomas Guthke, Leipzig Hans-Jochen Heinze, Magdeburg Christoph Helmstaedter, Bonn Manfred Hermann, Bremen
Hans-Otto Karnath, Tübingen Josef Kessler, Köln Gernot Lämmler, Berlin Klaus W. Lange, Regensburg Hans Markowitsch, Bielefeld Sandra-Verena Müller, Braunschweig Michael Niedeggen, Berlin Jascha Rüsseler, Bamberg Claus-W. Wallesch Elzach Katja Werheid, Berlin Klaus Willmes, Aachen Wolfram Ziegler, München Josef Zihl, München
Ehemalige Mitglieder des Beirates
Hermann Ackermann, Tübingen Barbara Benz, Bremen Yves von Cramon, Leipzig Irene Daum, Bochum Ulrich M. Fleischmann, Nürnberg Wolfgang Hartje, Bielefeld Walter Huber, Aachen
Marianne Regard, Zürich Frank Rösler, Professor Emeritus, Marburg Andreas Seeber, Dortmund Sergio E. Starkstein, Buenos Aires Martijn van Zomeren, Groningen Klaus von Wild, Münster Walter Sturm, Aachen
Verlag
Hogrefe AG, Länggass-Strasse 76, CH-3000 Bern 9, Tel. +41 (0)31 300 45 00, verlag@hogrefe.ch, www.hogrefe.com
Herstellung
Karolina Andonovska, Tel. +41 (0)31 300 45 75
Anzeigen
Josef Nietlispach, Tel. +41 (0)31 300 45 69, inserate@hogrefe.ch
Satz
punktgenau GmbH, Bühl, Deutschland
Druck
Kraft Premium GmbH, Ettlingen, Deutschland
ISSN
1016-264X (ISSN-L), 1016-264X (Print), 1664-2902 (Online)
Erscheinungsweise
4 Hefte jährlich
Bezugsbedingungen
Jahresabonnement: Institute CHF 393.–/€ 306,–; Private: CHF 158.–/€ 117,– Mitglieder der GNP: im Mitgliedsbeitrag enthalten; Mitglieder der DGNKN 20% Reduktion auf den Normalpreis für Private; Abbestellung spätestens zwölf Wochen vor Ablauf des Abonnements. Einzelheft: CHF 72.50/€ 53,50. Alle Preise zuzüglich Porto und Versandgebühren.
Thomas Münte, Lübeck Martin Peper, Marburg
Die Zeitschrift für Neuropsychologie ist das Organ der (deutschen) Gesellschaft für Neuropsychologie und der Gesellschaft für Neuropsychologie Österreich. Zudem erscheinen Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Neurotraumatologie und Klinische Neuropsychologie. Indexierung
Science Citation Index Expanded (SCIE), Neuroscience Citation Index, Journal Citation Reports/Science Edition, PsycINFO und PsyJOURNALS Impact Factor: 0.371 2015 Journal Citation Reports® Social Sciences Edition (Thomson Reuters, 2016)
Elektronischer Volltext
www.econtent.hogrefe.com/loi/znp
Titelbild
© Milles Studio/Fotolia.com
Zeitschrift für Neuropsychologie 2017, 28 (1)
© 2017 Hogrefe
Inhalt Originalartikel/ Original Articles
Zwischen Angst und Hoffnung – Wie Eltern die Entscheidungsfindung für einen epilepsiechirurgischen Eingriff bei ihrem Kind erleben – Eine qualitative Studie
5
Between Fear and Hope: How Parents Experience the Decision-Making Process About Surgery for Their Child’s Epilepsy – A Qualitative Study Sandra Linke und Claudia Mischke Behavioral Problems in Preschool Children Stemming from Perinatal Stroke
19
Verhaltensstörungen bei Vorschulkindern aufgrund perinataler Schlaganfälle Monika Daseking, Franz Petermann, Madiha Rana, and Julia Sanders Übersichtsartikel
Kognitive Störungen bei Patienten mit Herzerkrankungen – ein Überblick
33
Cognitive Deficits in Patiens with Cardiac Disease – an Overview Maria-Dorothea Heidler „Was misst eigentlich die Blockspanne?“ – Der Goldstandard im Fokus
45
Underlying Cognitive Processes of the Corsi Block-Tapping Task Juliane Weicker, Nicole Hudl und Angelika Thöne-Otto „Alle gegen einen?“ – Der Streit um den Wert von Einzelfallstudien in der kognitiven Neuropsychologie
55
“All Against One?” The Debate on the Value of Single-Case Studies in Cognitive Neuropsychology Tobias Bormann Nachrichten
© 2017 Hogrefe
Verbandsnachrichten der Gesellschaft für Neuropsychologie Österreich (GNPÖ)
69
Zeitschrift für Neuropsychologie 2017, 28 (1)
Warum ist die Traurigkeit sympathisch?
Angelika Schett
Des Menschen Traurigkeit Zwölf Gespräche 2017. 252 S., Gb € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85657-5 Auch als eBook erhältlich
Angelika Schett
Des Menschen Traurigkeit Zwölf Gespräche
www.hogrefe.com
Die ganz normale Traurigkeit – nicht die Depression, nicht die Melancholie, auch nicht die Trauer. Traurigkeit begleitet uns ein Leben lang. Sie braucht keine Therapie. Zwölf Gespräche zum Thema. Warum läuft aktuell die sogenannte Coolness der Traurigkeit den Rang ab? Warum wird Traurigkeit zunehmend medikalisiert? Warum ist Traurigkeit das menschlichste aller Gefühle? Und: Können Tiere traurig sein?
Zwölf Gespräche mit Philosophen, Psychiatern, Kulturwissenschaftlern und Psychoanalytikerinnen rücken aus unterschiedlichen Perspektiven die Traurigkeit ins Zentrum. Auch um ein gutes Wort für sie einzulegen.
Originalartikel
Zwischen Angst und Hoffnung – Wie Eltern die Entscheidungsfindung für einen epilepsiechirurgischen Eingriff bei ihrem Kind erleben – Eine qualitative Studie Sandra Linke1, 2 und Claudia Mischke1 1 2
Berner Fachhochschule, Fachbereich Gesundheit, Bern, Schweiz Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, Schweiz
Zusammenfassung: Epilepsie gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen im Kindesalter. Bei therapieresistenten Epilepsien kann durch Epilepsiechirurgie Anfallsfreiheit erreicht werden. Ziel war es, Erkenntnisse über das Erleben der elterlichen Entscheidungsfindung zum epilepsiechirurgischen Eingriff beim eigenen Kind zu gewinnen. Hierzu wurden neun Einzelinterviews geführt und mittels induktiver Inhaltsanalyse analysiert. Die Ergebnisse spiegeln den prozesshaften Charakter der Entscheidungsfindung wider. Der belastenden Zeit der Auseinandersetzung mit der Option, den Chancen und Risiken einer Operation folgt eine weitere belastende Phase nach der Operationseinwilligung: Das Leben mit der Entscheidung bis zum Operationstermin muss bewältigt werden. Der gesamte Entscheidungsprozess bis zum Operationstag ist für die Befragten geprägt durch Unsicherheit und weist darauf hin, dass in der professionellen Begleitung die individuellen Bedürfnisse der Eltern stärkere Berücksichtigung finden sollten. Schlüsselwörter: Epilepsiechirurgie, Entscheidungsfindung, Eltern, Kind, qualitative Studie
Between Fear and Hope: How Parents Experience the Decision-Making Process About Surgery for Their Child`s Epilepsy – A Qualitative Study Abstract: Epilepsy is one of the most common neurological diseases of childhood. In treatment-resistant epilepsies, freedom from seizure can be achieved through epilepsy surgery. The aim of this study was to gain insight into the experience of parental decision-making for their children’s epilepsy surgery. Nine interviews were conducted and analyzed using inductive content analysis. The results reflect the process-based character of decision-making. The incriminating time of dealing with the option as well as the chances and risks of a surgery follow a further incriminating phase following consent: Living with the decision has to be managed until the surgery date arrives. The entire decision-making process until the day of surgery is characterized by uncertainty and highlights the needs of the parents for professional support which should be taken into consideration. Keywords: Epilepsy surgery, decision-making, parents, child, qualitative study
Einleitung Etwa 50 Millionen Menschen weltweit leiden an einer Epilepsie (World Health Organization, 2012). Die Krankheit gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen im Kindesalter (Borggraefe, Heinen, Peraud & Noachtar, 2009). Durchschnittlich erkranken in den Industrieländern jährlich ca. 50 von 100 000 Kindern an einer Epilepsie (Neubauer, Gross & Hahn, 2008). Als Folgen von epileptischen Anfällen im Kindesalter sind Ent© 2017 Hogrefe
wicklungsverzögerungen im neuropsychologischen und kognitiven Bereich bekannt (Ibrahim et al., 2011). Kinder mit Epilepsie berichten oft über Probleme, die das Selbstwertgefühl, Stigmatisierungen, Diskriminierungen und die Unabhängigkeit betreffen, was sich negativ auf ihre subjektive Lebensqualität auswirken kann (Roth et al., 2011). Zudem erleben Eltern von Kindern mit Epilepsie eine deutlich höhere Stressbelastung im Vergleich zu Eltern gesunder Kinder, dies bezogen auf die Wahrnehmung ihrer Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 5–17 https://doi.org/10.1024/1016-264X/a000196
6
Elternrolle mit der Tendenz, ihr Kind immer schützen zu müssen, auf das Finden einer gemeinsamen Haltung als Partner und auf die besondere Situation und das Verhalten ihres Kindes (Braams et al., 2015). Durch eine antikonvulsive Therapie kann bei ca. 70 % der Epilepsien im Kindesalter eine Remission erreicht werden (Neubauer et al., 2008). Bei therapieresistenten Epilepsien kann, je nach Ätiologie, Anfallsfreiheit bzw. eine Reduktion beeinträchtigender Anfälle durch einen epilepsiechirurgischen Eingriff erreicht werden (Borggraefe et al., 2009). Zu unterscheiden sind die kurative und die palliative Epilepsiechirurgie. Die kurative Form hat eine vollständige Anfallsfreiheit zum Ziel. Bei passender Indikation gilt sie als Therapie der ersten Wahl, ihre Wirksamkeit und Sicherheit sind gut belegt (Kurthen, Grundwald, Huppertz, Bernays & Bertalanffy, 2010). Zwei Drittel aller operierten Kinder bleiben im Langzeitverlauf anfallsfrei, geben eine bessere Lebensqualität an und haben weniger soziale Anpassungsstörungen (Zentner, 2016). Ist keine Anfallsfreiheit zu erwarten, ist das Ziel der palliativen Chirurgie die Reduktion der Anfallsneigung (Kröll-Seger, 2011). Generell können durch eine erfolgreiche Operation negative neuropsychologische und psychosoziale Folgen der Epilepsie beseitigt bzw. eingegrenzt werden (Borggraefe et al., 2009). Bei ca. 5 % aller chirurgischen Eingriffe kommt es zu vorübergehenden Komplikationen wie Liquorfisteln, Meningitis oder intrakraniellen Blutungen. Ca. 11 % der operierten Kinder entwickeln temporäre neurologische Komplikationen wie Gesichtsfeldausfälle, Sprachstörungen und Hirnnervenausfälle. Langfristige Komplikationen sind selten (Zentner, 2016). Abgesehen von der Operation an sich ist auch die Kindernarkose mit Risiken behaftet. Respiratorische Komplikationen stellen dabei die größte Gefahr dar (Benz, 2011). Eine epilepsiechirurgische Operation entscheidet nicht über Leben und Tod eines Kindes, sie gilt vielmehr als elektiver Eingriff, der in der Regel kein akutes Handeln erfordert (Kurthen et al., 2010). Die Fähigkeit des kindlichen Gehirns, neurologische Funktionen nach einer Operation reorganisieren zu können, und die Chance auf eine günstige neurokognitive und psychosoziale Entwicklung (Zentner, 2016) sprechen jedoch für eine Operation in möglichst frühen Lebensjahren. Mit der Möglichkeit der Epilepsiechirurgie konfrontiert zu werden, eröffnet Eltern die Wahl zwischen verschiedenen Behandlungsoptionen für ihr Kind, zwingt sie jedoch auch zu einer Entscheidung, die das weitere Leben des Kindes maßgeblich verändern kann. Gerade die mit der Operation einhergehenden potenziellen Risiken und Folgeschäden sowie die Abwägung der potenziellen Konsequenzen erschweren Eltern die Entscheidung. Dem geZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1),5–17
S. Linke & C. Mischke, Zwischen Angst und Hoffnung
genüber steht die Aussicht auf eine höhere Lebensqualität des Kindes und positiven Auswirkungen auf das familiäre System nach erfolgreichem epilepsiechirurgischen Eingriff (Roth et al., 2011). So kann beispielsweise überbehütendes Verhalten der Eltern durch postoperative Anfallsfreiheit reduziert werden und mehr Freiraum für Eltern und Kinder entstehen (Braams et al., 2015). Als Bezugsperson führen Pflegende unterstützende und beratende Gespräche mit Patienten und ihren Angehörigen, sie stehen häufig über einen langen Zeitraum (mehrere Tage bis Wochen, je nach Anfallsgeschichte auch über Jahre) im engen Kontakt zu den Kindern und deren Familien. Sie fungieren als Auskunftsperson und Vermittler, indem sie die Eltern darin unterstützen, ihre Präferenzen zu klären und diese zu formulieren (Köpke & Meyer, 2010). Um dieser Rolle gerecht zu werden, kann ihnen ein vertiefter Einblick in die Lebenswelt der betroffenen Eltern helfen.
Was ist bisher bekannt? Zum Zeitpunkt der Studiendurchführung war wenig darüber bekannt, wie Eltern mit der Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffs bei ihrem Kind umgehen und den Prozess der Entscheidungsfindung erleben. Erba, Messina, Pupillo und Beghi (2013) untersuchten die Akzeptanz von Eltern gegenüber einem potenziellen epilepsiechirurgischen Eingriff und zeigten, dass diese mit zunehmender Information und Wissen über die Epilepsiechirurgie stieg. Allerdings befragten sie sowohl Eltern, deren Kinder für als auch gar nicht für eine derartige Operation infrage kamen. Nach Abschluss unserer Studie wurden weitere Studien veröffentlicht, die sich ebenfalls mit dem Erleben von Eltern in den unterschiedlichen Phasen von Anfallsbeginn über die Suche nach kompetenten Fachärzten und die prächirurgische Abklärung bis hin zum epilepsiechirurgischen Eingriff beschäftigen. Die qualitative Studie von Pieters, Iwaki, Vickrey, Mathern und Baca (2016) zielt auf das elterliche Erleben auf dem Weg von Anfallsbeginn bis hin zur Überweisung zur prächirurgischen Diagnostik ab. Die Studie identifiziert Faktoren, die Eltern auf diesem Weg unterstützen können. Die Studie von Baca, Pieters, Iwaki, Mathern und Vickrey (2015) untersucht v. a. die von Eltern wahrgenommenen Barrieren bis zur Terminierung der epilepsiechirurgischen Operation. Dies beginnt mit dem Erkennen, dass irgendetwas nicht stimmt (Nicht-vertraut-Sein mit epileptischen Anfällen), der zirkulären belastenden Reise auf der Suche nach Informationen, Ärzten und Hilfen und dem Finden und Erkennen der Option Operation quasi als letzte Chance und Hoffnung. © 2017 Hogrefe
S. Linke & C. Mischke, Zwischen Angst und Hoffnung
Heath, Abdin, Begum und Kearney (2016) explorieren in ihrer Studie die Sichtweisen und Erfahrungen von Eltern und Health Professionals (HP), die eine Entscheidung für eine Operation des Kindes treffen. Demnach scheint die Akzeptanz und Zustimmung zur Operation abhängig zu sein vom Zeitpunkt, an dem Eltern diese Option unterbreitet wird, und der Art und Weise der Einbindung in die Entscheidungsfindung. Faktoren wie die Lebensqualität des Kindes, das Ausbalancieren von Risiken und Chancen beeinflussen, so Heath und Kollegen (2016), ebenfalls die Entscheidungsfindung. Auch äußern die Eltern das Bedürfnis nach ergänzender Information und emotionaler Unterstützung. Das Stresserleben von Eltern von epilepsiechirurgisch behandelten Kindern kurz vor der Operation und 2 Jahre danach im Vergleich zu Eltern von gesunden Kindern steht in der quantitativen Studie von Braams und Kollegen (2015) im Fokus. Die Daten werden mithilfe des ElternBelastungs-Inventars erfasst und zeigen, dass die Eltern der kranken Kinder zu beiden Zeitpunkten deutlich stärker belastet sind.
Ziel der Studie Unklar bleibt trotz dieser Studien, wie Eltern konkret das Treffen der Entscheidung für ihr Kind und den Alltag bzw. die oft 5- bis 12-monatige Zeit zwischen Zustimmung und Operationstermin erleben. In dieser Phase werden sie punktuell, aber auch z. B. im Rahmen von stationären Aufenthalten von Ärzten und Bezugspflegepersonen begleitet, umso wichtiger ist das Wissen um das Erleben von Eltern in dieser Zeit. Entsprechend will die vorliegende Studie hierzu neue Erkenntnisse generieren und stellt den Prozess der Entscheidungsfindung nach der Information über die Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffs bei ihrem Kind unter kurativen Gesichtspunkten sowie das Leben mit der Entscheidung bis zur „Umsetzung“ – der Operation – in den Mittelpunkt. Beantwortet werden soll die Frage, wie Eltern die Zeit von der ersten Konfrontation mit der Option Operation bis hin zum Operationstag erleben.
7
Teilnehmende und Rekrutierung Um die Entscheidungsfindung der Eltern zu erheben, wurden nur Eltern in die Untersuchungsgruppe eingeschlossen, deren Kind zum Operationszeitpunkt 15 Jahre alt und jünger war. Die Altersgrenze wurde festgelegt, da laut der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW, 2008) davon auszugehen ist, dass Kinder unter 15 Jahren die Tragweite der Entscheidung bezüglich einer Hirnoperation nicht vollumfänglich beurteilen können. Diese Eltern stehen somit in der Pflicht, ihre Einwilligung zu geben und sich mit der Entscheidung auseinanderzusetzen. Da die Ziele und Risiken bei palliativen Operationen andere sind als bei kurativen Operationen, wurden nur Eltern eingeschlossen, bei deren Kind eine Epilepsiechirurgie unter kurativen Gesichtspunkten durchgeführt wurde und bei denen eine Chance auf Anfallsfreiheit bei über 50 % lag. Die Operation sollte zum Zeitpunkt der retrospektiven Befragung nicht länger als 3 Jahre zurückliegen, damit ein Erinnerungsbias der Eltern möglichst gering war. Um zu verhindern, dass die Erinnerung an die Entscheidungsfindung nur von erfolgreichen Resultaten beschönigt wird, sollten auch Eltern eingeschlossen werden, bei deren Kind die Operation nicht erfolgreich war. Eltern, deren Kind sich zum Zeitpunkt der Interviewdurchführung in einer prächirurgischen Diagnostik befand oder mehrmals operiert wurde, wurden ausgeschlossen. Weiterhin wurden Eltern ausgeschlossen, die kein Interview in Deutsch führen konnten. In Orientierung an die Studie von Daniel, Kent, Binney und Pagdin, (2005) mit ähnlicher Fragestellung bei anderer Operation wurde davon ausgegangen, dass mit einer Teilnehmerzahl von neun eine gute Datengrundlage erlangt werden konnte. Die Eltern wurden über eine Schweizer Klinik rekrutiert, die auf die Behandlung von Epilepsie spezialisiert ist. Der Zugang wurde durch die ärztliche Leitung des Kinderund Jugendbereichs ermöglicht. Potenzielle Teilnehmende wurden retrospektiv anhand der Krankenakte des Kindes identifiziert und seitens der Klinik angeschrieben. Nach telefonischer Rückmeldung wurde bei Teilnahmebereitschaft ein Interviewtermin vereinbart. Die Interviews fanden je nach Präferenz im häuslichen Umfeld der Eltern oder in der Klink statt, nachdem die schriftliche Einverständniserklärung vorlag. Die Durchführung der Studie wurde von der kantonalen Ethikkommission für unbedenklich erklärt (KEK-StV-Nr. 62 – 2014).
Methode Für die Beantwortung der Forschungsfrage wurde ein qualitatives deskriptives Design gewählt. Dieses ist für eine Beschreibung von wenig bekannten Phänomenen geeignet, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen (LoBiondoWood & Haber, 2005). © 2017 Hogrefe
Datensammlung Um die subjektive Sichtweise des Einzelnen zu erfassen und um potenzielle Beeinflussungen durch den Partner oder die Partnerin zu vermeiden, wurden leitfadengeZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 5–17
8
stützte, semistrukturierte Einzelinterviews geführt. Der Leitfaden wurde im Vorfeld anhand der Erkenntnisse aus der Literaturrecherche erstellt und mit Fragen ergänzt, die sich aus eigenem professionellem Erfahrungswissen entwickelt haben. Sein Aufbau orientierte sich an der prozesshaften Entwicklung von Beginn bis Ende der Entscheidungsfindung (s. Anhang 1). Der Leitfaden wurde in einem Pretest auf seine Verständlichkeit überprüft. Relevante Themen, die sich aus den Interviews ergaben, wurden fortlaufend mit aufgenommen. Am Ende des Interviews konnten die Eltern für sie fehlende Themen ansprechen. Zur späteren Einordnung der Ergebnisse wurden soziodemografische Daten erfasst. Die Datenerhebung wurde ergänzt durch ein Forschungstagebuch, in dem Feldnotizen zu Interviewsituationen und -verläufen festgehalten wurden. Die Interviews wurden in Schweizerdeutsch geführt und in pseudonymisierter Form ins Schriftdeutsche transkribiert.
S. Linke & C. Mischke, Zwischen Angst und Hoffnung
auf einer höheren Abstraktionsebene zu Hauptkategorien zusammengefasst wurden. Die Feldnotizen aus dem Forschungstagebuch flossen ergänzend in die Analyse ein, welche mithilfe der Software MAXQDA 11 erfolgte.
Ergebnisse Teilnehmende Insgesamt erfüllten neun Familien die Teilnahmekriterien (Abb. 1). Drei von neun angeschriebenen Familien lehnten die Teilnahme an der Studie ab, da sie keine zeitlichen Ressourcen hatten oder sie die als belastend erlebte Erfahrung
Von der Ärztin ausgehändigte Liste operierter Kinder
Datenanalyse Um die Essenz der elterlichen Erfahrung erfassen zu können, erfolgte die Datenanalyse mittels induktiver Inhaltsanalyse mit offenem Kodierverfahren nach Elo und Kyngäs (2008). Dabei wurden die Kategorien aus den Daten heraus entwickelt. Der Analyseprozess besteht aus dem Vorbereiten und Organisieren der Daten sowie der Interpretation und Diskussion der Ergebnisse (Elo & Kyngäs, 2008). Als kleinste Analyseeinheit wurde ein Wort und als größte eine zusammenhängende Aussage definiert. Die Organisation der Daten umfasste das offene Kodieren, das Entwickeln von Kodes und die Abstraktion der Kategorien. Das offene Kodieren im ersten Analysezyklus erfolgte mit folgenden Kodingverfahren nach Saldaña (2013): Attribute Koding, deskriptives Koding, In-VivoKoding, Koding erlebter Emotion und Koding von Werten und Überzeugungen. Diese fünf Kodingverfahren schienen geeignet, um Antworten auf die Forschungsfrage zu finden, da hierüber sowohl beschreibende und subjektiv erlebte Verläufe bzw. Wege der Entscheidung identifiziert (deskriptives und In-Vivo-Koding) sowie auch die während dieser Prozesse erlebten Gefühle bzw. Gefühlsschwankungen erfasst werden konnten (Koding erlebter Emotion). Da auch Aussagen zu eigenen Werten und Überzeugungen zentral für die Beantwortung der Forschungsfrage erschienen, wurden auch diese bewusst untersucht. Aussagen zur Anfallsursache, Behandlungschancen und zur Dauer des Entscheidungsprozesses wurden mittels dem Attribute Koding erfasst. Im zweiten Analysezyklus wurde nach Zusammenhängen gesucht. Die Kodes wurden am Ausgangsmaterial rücküberprüft und zu Kategorien zusammengefasst, welche wiederum Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1),5–17
n = 17
Prüfung der Ein-/ Ausschlusskriterien per Akte
Ausschluss n=8
Einschluss n=9
Keine Zustimmung der Familien
Angefragte Familien
n=3
Zustimmung der Familien n=6
Väter
Mütter
n=4
n=6
Abbildung 1. Patienten-Flow-Diagramm.
© 2017 Hogrefe
S. Linke & C. Mischke, Zwischen Angst und Hoffnung
nicht erneut in Erinnerung rufen wollten. Unter den restlichen sechs Familien erklärten sich fünf Mütter und vier Väter (davon drei Elternpaare) für eine Teilnahme bereit. Somit konnten neun Einzelinterviews durchgeführt werden. Eine weitere Mutter nahm an dem Pretest teil. Dieser erwies sich als zielführend für die Forschungsfrage und es mussten keine gravierenden Modifizierungen am Leitfaden vorgenommen werden. Aufgrund seiner reichhaltigen Daten wurde er in die Datenanalyse ergänzend einbezogen. Die Datenerhebung erfolgte von Oktober 2014 bis Januar 2015. Die Interviews dauerten zwischen 40 und 70 Minuten. Die Teilnehmenden waren im Durchschnitt 42 Jahre alt (Spannweite: 35 bis 52 Jahre). Ihre Kinder waren zum Zeitpunkt der Operation zwischen 7 und 15 Jahre alt (davon drei 15 Jahre und drei 10 Jahre und jünger). Da sich die Rekrutierung potenziell infrage kommender Eltern als schwierig gestaltete (zu wenige Operationen in den vergangenen 3 Jahren, zu wenige Betroffene mit Interesse an der Teilnahme), wurde das Kriterium zum zeitlichen Abstand zur Operation im Verlauf der Studie ausgedehnt. Zum Zeitpunkt der Interviewdurchführung lag die Operation somit zwischen 18 und 46 Monaten zurück (Mittelwert: 25.5 Monate). Die unterschiedlichen Anfallstypen zeigten sich klinisch in absenceähnlichen oder komplex-fokalen teilweise gemischt mit einfach-fokalen Anfällen. Zwei Kinder hatten zusätzlich sekundär generalisierte Anfälle. Die Chancen, durch eine Operation Anfallsfreiheit zu erreichen, lagen zwischen 70 und 90 %. Vier Kinder sind seit der Operation anfallsfrei. Bei zwei Kindern konnte keine Anfallsfreiheit erreicht werden, wobei eines davon seither keinen Status epilepticus mehr erlitten hat. Bei fünf Kindern war der Grund der Epilepsie eine Hippocampussklerose, bei einem ein Tumor. Somit wurde bei vier Kindern eine selektive Amygdala-Hippokampektomie, bei einem eine Temporallappenteilresektion und bei einem eine Läsionektomie durchgeführt. Zwischen Anfallsbeginn und Operation lagen im Durchschnitt 4 ½ Jahre (Spannweite: 1 bis 10 Jahre). Der Entscheidungsprozess von dem Angebot einer Operation bis zum Operationstermin dauerte im Mittel 18 Monate, zum einem wegen der Zeit, die die Eltern für ihre Entscheidung benötigten, zum anderen wegen der nötigen Anfallsregistrierung mittels EEG und Terminkoordinationen. Zwischen Bestätigung der Durchführbarkeit der Operation und Operationstermin lagen im Mittel 5 Monate.
9
Charakter der Entscheidungsfindung widerspiegeln: „Der Weg zum ‚Ja‘ – der Prozess des Reifens“, „Die Chance Operation nutzen, um einer ungewissen Zukunft entgegenzuwirken“ und „Leben mit der Entscheidung: Das Gedankenkarussell dreht sich weiter“. Das subjektive Erleben der verschiedenen Phasen der Entscheidung wird beeinflusst von individuell unterschiedlich ausgeprägten Kontext- bzw. Bedingungsfaktoren (Abb. 2). Tabelle 1 zeigt ein Beispiel, wie die Hauptkategorien gebildet wurden.
Der Weg zum „Ja“ – der Prozess des Reifens Die Besonderheit der Operation löst bei Eltern Ängste aus. Einige Eltern vergleichen die Operation am Gehirn mit einer Bein- oder Blinddarmoperation, um hierdurch die Besonderheit, die aus ihrer Sicht enorme Tragweite und damit auch Schwierigkeit der Entscheidung auszudrücken. „Und das andere ist einfach der ganze Eingriff als solches. Dies ist im Gegensatz zu einem Bein ein bisschen heikler. Ist ein bisschen feiner und diffiziler (…) das Risiko ist einfach viel höher“ (I2: 42). Eine Mutter erlebte die Aussage „die OP ist nicht lebenswichtig“ (I9: Memo) von einem Arzt als schockierend verunsichernd. Allein die Voruntersuchungen, die mit tagelangen EEG-Ableitungen, MRIs und invasiven Eingriffen verbunden waren, empfanden die Eltern immer wieder als neue Herausforderungen. Es war eine Zeit der emotiona-
Auf eine Vertrauensbasis bauen können
Die Waage zwischen zu viel und zu wenig Information
Das Alter des Kindes
Ergebnisse Durch die zirkuläre Analyse der Daten mittels offenem Kodieren und Verdichten der Kodes auf einer höheren Abstraktionsebene kristallisierten sich drei Hauptkategorien heraus, die den prozesshaften und z. T. sehr emotionalen © 2017 Hogrefe
= Der Prozess
Der Weg zum „Ja“ – der Prozess des Reifens
Die Chance Operation nutzen, um einer ungewissen Zukunft entgegenzuwirken
Leben mit der Entscheidung: Das Gedankenkarussell dreht sich weiter
Betroffene Eltern als Ressource
Bewältigungsstrategien finden
Zeitlicher Druck zwingt zur Entscheidung
= Beeinflussende Kontextfaktoren
Abbildung 2. Der prozesshafte und emotionale Prozess der Entscheidungsfindung aus Sicht der Eltern.
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 5–17
10
S. Linke & C. Mischke, Zwischen Angst und Hoffnung
Tabelle 1. Beispiel zur Bildung der Hauptkategorien Kodingverfahren und Beispiele für Codings
Zusammenhänge finden: ursprüngliche Unterüberschriften zu den Kategorien
Hauptkategorie
Emotion-Coding: „Und die Verantwortung, wo man hat für das eigene Kind. Ja, wenn es schiefgeht, dann sind wir die Verantwortlichen, wo gesagt haben, ja, wir machen es, oder? Klar weiß man, dass man in den besten Händen ist, aber ähmmm. Ja, jeder Chirurg ist auch ein Mensch und Fehler (lacht leicht) können überall passieren.“
Balance zwischen Vertrauen und Schuldgefühl
„Ja, Angst, dass äh das eine falsche Entscheidung ist und dass L. schlechter geht danach. Dass sie anders ist und dann ist das alles meine Schuld. Weil ich wollte das unbedingt.“
Angst, dass die Entscheidung falsch war
Leben mit der Entscheidung: das Gedankenkarussell dreht sich weiter
len Belastung, die geprägt war von Ängsten, dass bei der Operation Komplikationen auftreten, das Kind eine Behinderung erleidet oder im schlimmsten Fall stirbt: „Also ich habe immer gerade das Krasse gesehen. Tod oder schwerstbehindert“ (I9: 75). Die Auseinandersetzung mit der Operation war häufig ein täglicher Begleiter, die Emotionen zwischen Angst und Hoffnung ambivalent. „Aber ich habe (…) sicher jeden Tag angefangen mit dem. Und es hat mich so belastet (…). Am Morgen aufgestanden, zack operieren, wieso, wann, machen – nicht machen (…) und irgendwie da die Blätter durchgeschaut mit den Risiken und die Bilder (…) und ich habe gesagt, jetzt schaust du es nicht mehr an. Immer wieder trotzdem vorgenommen“ (I5: 72). Manchen Eltern waren die Chancen einer Operation nicht von Anfang an präsent, die Risiken dominierten ihre Gedanken. Sie brauchten Zeit für die Auseinandersetzung mit der Thematik. So stimmten sie zwar den Voruntersuchungen zu, aber damit noch nicht der Operation. „Und dann habe ich gesagt‚ ok, für die Untersuchungen wäre ich dafür, aber Operation nie und nimmer. Also ich bin gegen Operation gewesen. Da noch“ (I9: 21). Für andere Eltern stand die Entscheidung für die Operation schon vor den Voruntersuchungen fest. In diesem Fall erlebten sie die durch die Voruntersuchungen bestätigte Durchführbarkeit der Operation als Erleichterung. „Aber das ist natürlich für uns dann eine Freude gewesen, als er dann gesagt hat, es sei eindeutig, dass das von einem Ort aus kommt. Und das die Operation machbar ist“ (I3: 42). Bei Eltern, die im Vorfeld gegen eine Operation bzw. noch ambivalent waren, führten diese Ergebnisse zu einem Haltungswechsel, da ihnen die Chance auf Anfallsfreiheit auf fundierten Grundlagen vor Augen geführt wurde. „Also von meinen Ängsten her [war ich dagegen], aber (…) als ich mich dann abgefunden habe, (…) es ist eine Möglichkeit, Anfallsfreiheit mit einer Operation [zu erreichen] und alles da gewesen ist. Dann habe ich gesagt: so und jetzt“ (I9: 139). Obwohl das Prozedere der VoruntersuZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1),5–17
chungen für die Eltern eine gefühlte Ewigkeit dauerte, war diese Zeit rückblickend notwendig, um sich mit der Entscheidung wirklich sicher zu sein. „Aber irgendwie haben wir auch diese Zeit gebraucht. Dass (…) diese Idee wirklich fest sitzt. Obwohl man denkt, man ist schon am Anfang bereit, aber man ist nicht bereit. Ich habe es irgendwie mit der Zeit gesehen. Ich habe diese Zeit gebraucht“ (I4: 111).
Die Chance Operation nutzen, um einer ungewissen Zukunft entgegenzuwirken Die Hoffnung, als Eltern etwas tun zu können, das dem Kind langfristig vielleicht besser hilft als die medikamentöse Therapie, bewegte Eltern, sich für die Operation zu entscheiden. Alle Elternteile hatten bis zum Zeitpunkt der ersten Information über die Operationsmöglichkeit eine Phase durchlebt, in der die medikamentöse Behandlung der Epilepsie ihrer Kinder keine stabile Wirksamkeit erreichte bzw. sich als wenig erfolgreich erwies. „Wir sind ja 2 Jahre lang in Behandlung gewesen mit Medikamenten und alles. Und dann, wo das nichts genutzt hat, hieß es schon mal, wir überweisen euch dann und vielleicht Operation“ (I5: 2). Aus diesem Grund wurde der Vorschlag für eine Operation als eine hoffnungsvolle Alternative betrachtet. „Ja, ist eigentlich eine Erleichterung gewesen in dem Sinn, dass wir gehofft haben, dass es nachher aufhört mit diesen Anfällen“ (I8: 2). Durch den Verlauf der Epilepsie und den damit einhergehenden täglichen Herausforderungen fühlten sich einige Eltern stark belastet und beschrieben die Lebensqualität für das Kind und ihre Familie als eingeschränkt. Sie hofften, dem wachsenden Leidensdruck durch eine Operation ein Ende setzen zu können. „Ja, die Hoffnung, dass es vorbei sein wird nachher. Dass (…) man das könnte wie abstreichen. Hinter uns lassen. Erledigen“ (I7: 130). Die Hoffnung auf dieses Leben war so groß, dass einige Eltern trotz Ängsten bereit waren, die Risiken © 2017 Hogrefe
S. Linke & C. Mischke, Zwischen Angst und Hoffnung
der Operation in Kauf zu nehmen. „Vor der Operation ist für mich nur gewesen: Entweder geht es schief, also schlimmer kann es nicht mehr werden. Wenn es dann halt schlimmer kommt mit einer Behinderung oder so, dann ist es so“ (I1: 114). Die Ungewissheit und Angst vor der Zukunft war ein weiterer Grund, sich mit dem Thema zu befassen. Zum einem war es ein Ständiges-in-Sorge-Sein, wann und in welcher Situation der nächste Anfall auftritt. „Es ist immer so wie eine Zeitbombe (…), kann jederzeit wieder etwas sein. Man ist immer irgendwie ein bisschen kribbelig, wenn er allein unterwegs ist“ (I8: 34). Zum anderem war es ungewiss, wie sich die Epilepsie entwickeln wird. „Und was sie [die Ärzte] einfach gesagt haben: entweder medikamentös, aber passt auf, in der Pubertät (...) hat er eventuell Grand Mal, die er ja noch nicht hat, dass er nonstop umfällt, dass es so quasi bis zur Idiotie gehen könnte (I9: 59). Daher stellte die Operation eine Lösungsmöglichkeit dar, dieses Leben in Ungewissheit und Angst zu beenden. „Ich meine, L. geht es ziemlich schlecht, es [die Anfälle] kommt immer wieder, vielleicht ist das [eine Operation] eine gute Möglichkeit“ (I4: 2). Einige Eltern beschrieben die Operation als einzige Chance, um Anfallsfreiheit zu erreichen, da Alternativen wie weitere Medikamente oder eine spezielle Diät geringe Erfolgsaussichten boten. Die Eltern sahen sich in ihrer Elternrolle moralisch dazu verpflichtet, dem Kind die Chance auf Anfallsfreiheit zu geben. Selbst jene Eltern, bei deren Kind keine Anfallsfreiheit erreicht werden konnte, bereuten es rückblickend nicht, diese Chance genutzt zu haben. „Weil das haben wir wirklich gefunden (…), das muss man machen, weil das ist eine verpasste Chance nachher, wenn sie das nicht machen“ (I8: 124). Gleichzeitig waren sie sich aber auch bewusst, dass Fehler passieren können. „Und er ist doch ein Mensch und nicht eine Maschine [der Chirurg]. Auch er kann einen Millimeter abrutschen und dann ist es passiert“ (I5: 84). Diese Ambivalenz zwischen Hoffnung und Angst führte dazu, dass die Eltern, mit dem Sehen der Chancen, ihre eigenen Ängste unterdrückten. „Und dann musste ich meine Ängste zurückstecken (…). Also da konnte ich mit ihm nicht offen sein. Weil das sind meine Ängste gewesen und nicht seine“ (I9: 33). Die Eltern dachten bei ihrer Entscheidung an das Wohl ihres Kindes und wollten ihm ein selbstständiges Leben ohne Anfälle ermöglichen. „Aber wir haben auch immer (…) gedacht, nein, wenn man es nicht macht (…), dann ist sie eingeschränkt. Für die Berufswahl, sie kann nicht Auto fahren später“ (I6: 102).
Leben mit der Entscheidung: Das Gedankenkarussell dreht sich weiter Mit der schriftlichen Einwilligung zur Operation fühlten sich einige Eltern auch mitverantwortlich für das Ge- oder Misslingen der Operation bzw. deren Konsequenzen. Sie © 2017 Hogrefe
11
waren der Ansicht, dass man die Verantwortung nicht weitergeben kann, da sie mit ihrer Zustimmung das Kind zur Operation freigaben. „So wirklich: Ich gebe die Bestätigung, sie dürfen die OP machen, und bin bereit, den A. in die Obhut zu geben für eine OP, aber ich bin auch bereit, was auch rauskommt, für ihn da zu sein“ (I9: 184). Andere Eltern sahen die Verantwortung für die Operation allein bei den Ärzten, da sie keinen Einfluss auf deren Verlauf nehmen konnten. „Aber ich habe es nicht mehr in meinen Händen gehabt. Bis dahin habe ich entschieden und ich war sicher, dass es gut ist, aber dann habe ich das so wie weitergegeben. So kann man leichter damit umgehen“ (I4: 161). Sie machten sich Mut mit dem Wissen, das Beste versucht zu haben, falls die Operation nicht erfolgreich verlief. „Wenn da etwas passiert, sie kommt unter den Zug (…), sie hat einen Radunfall, irgendetwas. Wenn dann etwas ist, machen wir uns ein größeres Gewissen, als wenn bei der OP etwas passiert“ (I0: 44). Die Eltern setzten sich somit mit den Risiken im Verhältnis zu den Chancen auseinander. Als Entscheidungsgrundlage dienten die Chance auf Anfallsfreiheit in Prozent, der Habitualzustand des Kindes und die Gedanken an die Zukunft. „Wir haben die zwei Sachen gehabt. Wie geht es ihr? Was ist in Zukunft? Wie groß sind die Risiken? Die Risiken sind groß. Und dann hat man sich entschieden und gesagt wohl“ (I2: 111). Es war ein Abwägen zwischen dem Nutzen einer Operation und dem Risiko, nichts zu unternehmen. „Wenn man alles schaut, was passieren kann. Aber wir mussten uns einfach immer sagen, nichts zu machen, ist auch ein Risiko. Und dann musste man wirklich abschätzen und schauen“ (I3: 143). Das Leben mit der Entscheidung von der Unterschrift für die Operation bis hin zum Termin wurde oft als qualvolles Warten wahrgenommen. Eltern beschrieben sich in dieser Zeit als Nervenbündel. „Das ist schlimm. Weil wenn man sicher ist, ja, ich will das, dann dieses Warten, das ist schlimm. (…) Das steigt, steigert sich ständig mehr und mehr (…) und hilft gar nichts. Das muss einfach vorbei sein“ (I4: 169). Sie durchlebten verschiedene Szenarien, wie sich die Zukunft nach der Operation gestalten könnte. Das Wechselbad der Gedanken spiegelt ihre emotionale Belastung wider. „Wo ich unterschrieben habe und die 3 Monate noch warten musste, habe ich immer Bilder gesehen. Ich sehe den A nach der OP springen, glücklich, gesund oder ich habe das Begräbnis gesehen oder den Rollstuhl“ (I9: 198).
Kontextfaktoren, die das subjektive Erleben der verschiedenen Phasen der Entscheidung beeinflussen Neben dem Vertrauen zu HPs, dem Alter des Kindes, dem Austausch mit Betroffenen und dem Einsatz von Bewältigungsstrategien, beeinflusste zeitlicher Druck den Entscheidungsprozess. Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 5–17
12
Auf eine Vertrauensbasis bauen können Das Vertrauen in die HPs ist ein wichtiger Aspekt für die Eltern. Das Gefühl bei den „Profis“ in „besten Händen“ (I6: 130) zu sein, half ihnen bei der Entscheidungsfindung. Sie fühlten sich gut betreut durch Erklärungen, Gesten des Mitgefühls und der Tatsache, dass Fragen auch außerhalb von Besprechungsterminen per Mail oder Telefon beantwortet wurden. Auch die Aufklärung darüber, dass eine Operation keine Garantie für Anfallsfreiheit ist, schaffte Vertrauen, da dies, abgesehen von der Aufklärungspflicht des Arztes, Ehrlichkeit ausdrückt. „Und die Risiken haben sie uns auch gesagt. Und auch nicht, dass es eine hundertprozentige Sache ist. Das hat man auch gewusst. Und eben drum haben wir eigentlich das Vertrauen gehabt von Anfang an zu den Leuten“ (I8: 42). Der Chirurg wurde von den Eltern als zentrale Schlüsselperson betrachtet. Es war ihnen wichtig, ihn im Vorfeld kennenzulernen, da er letztlich das Leben des Kindes in der Hand hatte. Aspekte, die ihnen ein gutes Gefühl gaben, waren eine ruhige Art, Erfahrung, Menschlichkeit, ein guter Zugang zum Kind und Sympathie. „Der hat mit offenen Karten gespielt und nicht irgendwie ‚so das machen wir jetzt (…)‘ also nicht ein Arzt, ein Mensch. Ist einfach ein Mensch dort gesessen und hat mit dir geredet (…) Das gibt einem schon viel“ (I5: 130). Diese Vertrauensbasis erlebten aber nicht alle Eltern, insbesondere wenn die Risiken für ihr Empfinden von ärztlicher Seite in den Hintergrund gestellt und bagatellisiert wurden. „Und irgendwie habe ich das Gefühl, die müssen uns informieren. Es besteht [ein] Risiko von wieviel Prozent, blabla du musst das unterschreiben. Aber die wollen nicht zu viel darüber reden“ (I4: 79). Sie erlebten dies als ein Beschönigen der Operation und fühlten sich nicht ernst genommen. „Ja sie tun einfach so ein bisschen mehr zu viel ins Positive. ‚Es wird ja schon gut, ihr müsst jetzt ja nicht Angst haben‘“ (I9: 49). Die Waage zwischen zu viel und zu wenig Information Die meisten Eltern fühlten sich gut über den Ablauf der Operation informiert und fanden den Einsatz von Modellen und Bildern bei der Aufklärung hilfreich. Nur wenige Eltern recherchierten zusätzlich im Internet. Diese fühlten sich in den meisten Fällen verunsichert, da sie auf unterschiedliche Informationen stießen, die nicht unmittelbar ihr Kind betrafen. Manchen waren die Informationen zu wenig detailliert oder es fehlten Informationen, z. B. über die Operationsund Erholungsdauer. Anderen waren die Informationen zu ausführlich und sie wollten gar nicht so viel über Risiken wissen. „Ich würde jetzt nicht so ein Detailwissen wollen. Ich würde es vielleicht nachher wissen wollen und nicht vorher. Weil ich bin dann eine, ich male mir dann alles aus“ (I5: 154). Das Alter des Kindes Die älteren Kinder (15 Jahre) wurden verstärkt in die Entscheidungsfindung einbezogen. „Und wir haben einfach mit der M. auch geschaut. Wir haben sie immer stark einbezoZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1),5–17
S. Linke & C. Mischke, Zwischen Angst und Hoffnung
gen. (...) Es musste für alle stimmen. Und sie musste auch wirklich das Ok geben, weil es hat ja sie betroffen“ (I3: 78). Alle älteren Kinder wollten die Operation, was ein Grund für die Eltern war, dem letztendlich auch zuzustimmen. „Und der A. hat einfach immer gesagt: ‚Hört auf, zu diskutieren, ich will die OP. Weil jetzt steht es Schwarz auf Weiß. Ich kann die OP machen‘„ (I9: 141). Die jüngeren Kinder (10 Jahre und jünger) wurden zwar auf kindgerechte Weise auch mit einbezogen, aber die Entscheidung lag primär bei den Eltern, da die Kinder die Tragweite der Entscheidung nicht verstehen konnten. „Und sie nehmen es anders auf wie wir. Die sehen nicht die Risiken (…), sie sind einfach da und es wird gemacht. Mehr tun sie sich nicht befassen“ (I5: 48). Somit standen die Eltern vor der Herausforderung, sich stellvertretend für das Kind für oder gegen die Operation entscheiden zu müssen. „Wenn ich mir vorgestellt hätte, sie wäre gelähmt und ich hätte ihr Leben kaputt gemacht. (…) Und jetzt kann sie herumrennen (…).Wie entscheiden wir uns? Wir müssen über ihr Leben entscheiden. Sie hat das Recht, für ihr Leben selber zu entscheiden. Ja, aber das kann sie ja nicht in dem Alter. Und darum haben wir das müssen. Müssen! Nicht, ‚ja wir schauen dann noch‘“ (I5: 46). Betroffene Eltern als Ressource Der Kontakt zu betroffenen Eltern, die das Gleiche durchlebt haben, spielte ebenso eine Rolle in der Entscheidungsfindung. Bei manchen wurde dieser durch den Arzt hergestellt, andere Eltern hatten sich zufällig in der Klinik kennengelernt. Sich mit anderen Eltern austauschen zu können, bedeutet für die Eltern eine andere Ebene der Information und Unterstützung, die ein HP oder Außenstehender nicht geben kann. „Also … die anderen, die haben mir das natürlich auch gegeben. Aber sie ist halt jemand gewesen, die das gleiche gehabt hat. Sie hat genau gewusst (…), wie es mir wirklich geht. Jemand denkt, es geht dir schlecht. Aber das Gefühl, das man hat, das zerreißt einen innen (…), man ist ein halber Mensch (…). Und sie hat einfach gewusst, was ich gerade durchmache“ (I5: 112). Es war hilfreich, zu hören, dass andere Eltern auch Angst hatten und wie sie die Operation erlebt haben. „Was mir geholfen hat, auch dem A., man hat die Narbe gesehen. ‚Schauen sie das ist ja nur so (…)‘. Und er hat erzählt ‚ja, er [hat] nur zwei Tage Schmerzen gehabt‘“ (I9: 45). Für einen Elternteil war es wichtig, eine Familie kennenzulernen, bei deren Kind die Operation nicht zur Anfallsfreiheit geführt hat. Dies war hilfreich, um sich mit dem Gedanken einer erfolglosen Operation auseinanderzusetzen. „Also meine Angst hat sicher nicht abgenommen dadurch. (…) Auch wenn ich nur das Positive gehört hätte, ich hätte ja (…) trotzdem Angst gehabt. Und das Negative, da habe ich mich mit befassen können“ (I9: 45). Manche wollten keinen Kontakt mit anderen Eltern oder es gab keine Möglichkeit, auch wenn der Wunsch bestand. © 2017 Hogrefe
S. Linke & C. Mischke, Zwischen Angst und Hoffnung
Bewältigungsstrategien finden Alle Eltern entwickelten Strategien zur emotionalen Entlastung, um den Prozess der Entscheidungsfindung durchzustehen. Für die meisten war es das Reden mit für sie wichtigen Bezugspersonen, die sie in der Familie oder unter engen Freunden fanden. Es gab Eltern, die diese Möglichkeit nicht hatten und sich allein fühlten, da der Partner keinen Halt geben konnte oder das Umfeld keinen Ansprechpartner bot. Der Glaube an Gott oder das Niederschreiben der Emotionen in Form eines Buches waren dann alternative Bewältigungsstrategien. Manche wollten nicht zu viel über die Operation nachdenken oder darüber reden, da es die Situation nicht geändert und Ängste verstärkt hat. „Ist nicht so lustig, denke ich. Und wenn man weiß, was alles passieren kann, wie das im Hirn ist. Aber eben, zu viele Gedanken machen, habe ich das Gefühl gehabt, bringt es dann auch nicht, weil man steigert sich eher in etwas rein“ (I3: 76). Diesen Eltern machte eine positive Grundeinstellung die Entscheidung leichter. Das Angebot psychologischer Unterstützung wurde von niemandem angenommen, da sie es nicht für nötig hielten oder keinen Nutzen darin sahen, um ihre Ängste zu bewältigen. Ein Elternteil war durch das Angebot abgeschreckt und wünschte sich eine emotionale Unterstützung durch die HPs. „Sie haben schon gesagt, ‚ja aber sie können dann ja (…) anfordern [einen Psychologen]‘. ‚Aber in das Ding rein gehe ich nicht freiwillig. Weil, mir geht es schon schlecht. Könnten wir zu ihnen [dem Arzt] kommen?‘“ (I9: 170). Zeitlicher Druck zwingt zur Entscheidung Druck durch das Umfeld oder HPs, sich für die Operation zu entscheiden, haben alle Eltern verneint. Es wurde ihnen zugesichert, jederzeit abbrechen zu können. Es war ein zeitlicher Druck, der die Eltern zu einer Entscheidung drängte. Auf der einen Seite durften die Ergebnisse der Voruntersuchungen nicht älter als 1 Jahr sein. Auf der anderen Seite spielten das Alter des Kindes und in welcher Lebensphase es sich gerade befand eine wichtige Rolle, da Epilepsie zu verminderten Berufschancen und sozialer Ausgrenzung führen kann. „Vor allem, wenn er noch in der Schule ist. Nicht erst nachher in der Lehre. Weil es wird ja immer schwieriger“ (I8: 34).
Diskussion Das Ziel der Studie war es, Erkenntnisse über das Erleben der elterlichen Entscheidungsfindung zu einem epilepsiechirurgischen Eingriff beim eigenen Kind zu gewinnen. Die Ergebnisse spiegeln den emotionalen und prozesshaften Charakter der Entscheidungsfindung wider: Es gab im Vorfeld eine belastende Zeit der Auseinandersetzung mit © 2017 Hogrefe
13
einer möglichen Operation, gefolgt vom Abwägen und Finden von Gründen, dieser letztendlich zuzustimmen. Nach der Einwilligung galt es, das Leben mit der Entscheidung bis zum Operationstermin zu bewältigen. Der gesamte Prozess wurde von beeinflussenden Faktoren auf die Entscheidungsfindung begleitet. Die Eltern erlebten die Entscheidungsfindung als lang andauernden Prozess, der rückblickend nötig war, um eine Entscheidung treffen und trotz Unsicherheit einer Operation zustimmen zu können. Dieses Bedürfnis nach Zeit wird auch von Müttern verbalisiert, die einer Beinverlängerung ihres Kindes zustimmen sollten (Daniel et al., 2005). Der prozesshafte Charakter und der sich in die Länge ziehende Verlauf der Entscheidungsfindung sind in der vorliegenden Studie durch das Prozedere der Voruntersuchungen vorgegeben. Manchen Eltern hilft dies, die Chancen und Risiken einer Operation neu abzuwägen und ihre ursprüngliche Haltung zu überdenken. Sie wechseln von der Ablehnung hin zur Zustimmung zur Operation, nachdem durch die Diagnostik die Machbarkeit der Operation bestätigt wurde. Auch bei Pieters und Kollegen (2016) brauchten die Eltern Zeit, um Emotionen und Informationen zu verarbeiten, Risiken und Chancen gegeneinander abzuwägen und die anfänglichen Ängste vor einer epilepsiechirurgischen Operation zu überwinden. Nachdem medikamentöse Therapien über Jahre wenig erfolgreich waren, erhofften sich die Eltern mit der Möglichkeit einer Operation ein besseres anfallsfreies Leben für das Kind und ihre Familie. Der Aspekt der Hoffnung spielt auch bei den Eltern bei Pieters und Kollegen (2016) und Baca und Kollegen (2015) eine entscheidende Rolle in der Entscheidungsfindung. Neben der Hoffnung, dem Kind durch eine Operation ein normales Leben ermöglichen zu können, ließ die Unberechenbarkeit des nächsten Anfalls, die Eltern in ständig erhöhter Anspannung leben. Der Aussicht, dem durch eine Operation begegnen zu können, stand die Angst vor operationsbedingten neurologischen Folgeschäden entgegen. Diese Ambivalenz der Gefühle beschreiben auch Dewar und Pieters (2015) in einem Review über die Einstellung Betroffener gegenüber Epilepsiechirurgie. Die Eltern lebten bedingt durch die Unberechenbarkeit der Epilepsie, aber auch aufgrund des fraglichen Ergebnisses der Operation in Ungewissheit. Winkler (2000) beschreibt Ungewissheit als natürliches Phänomen im Prozess der Entscheidungsfindung, welches mit Gefühlen der Angst und Hoffnung in Verbindung steht. Wird Ungewissheit mit Gefahr assoziiert, treten Ängste auf. Sehen Betroffene in Ungewissheit jedoch eine Chance und hegen somit Hoffnung, sei es laut Winkler (2000) wichtig, die Ungewissheit zu erhalten, um die Hoffnung nicht zu zerstören. Dies wäre eine mögliche Erklärung dafür, warum es einige Eltern vorzogen, nicht zu viel über die Operation nachzudenken, Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 5–17
14
um ihren Optimismus zu bewahren, während bei anderen die Ängste durch die im Vordergrund stehenden Risiken verstärkt wurden. Baca und Kollegen (2015) beschreiben, das durch die Reflektion über den bisherigen Krankheitsverlauf und die damit einhergehenden Belastungen im Lebensalltag für Kind und Eltern die ursprünglich eher skeptische Haltung und die beängstigende Vorstellung einer OP zur Quelle der Hoffnung wird. Den Eltern der Studie eröffnete sich mit der Option Operation eine Chance auf Anfallsfreiheit für ihr Kind. Sie fühlten sich verpflichtet, dem Kind diese Chance nicht zu verwehren. Dieses Pflichtgefühl fanden Erba und Kollegen (2013) v. a. bei Eltern jüngerer Kinder mit Epilepsie, da diese nicht für sich selbst entscheiden könnten. Diese Tendenz kann hier nicht bestätigt werden. Vielmehr waren die Eltern jüngerer Kinder mit möglichen Schuldgefühlen belastet, falls die Operation zu Schäden führt, da sie die Kinder im Vergleich zu älteren Kindern nicht auf die gleiche Weise in die Entscheidung einbeziehen konnten. Nur wenige Eltern der vorliegenden Studie konnten die Verantwortung für die Konsequenzen der Operation komplett den Ärzten übergeben, sie fühlten sich subjektiv mitverantwortlich für das Ergebnis, für das Ge- oder Misslingen. Ein Grund könnte die bei Ibrahim und Kollegen (2011) erwähnte ethische Komponente sein, was eine chirurgische Entscheidung bei Kindern betrifft. Eltern als stellvertretende Entscheidungsträger junger Kinder müssen anstelle ihrer Kinder eine Entscheidung treffen. Das Problem dabei ist, dass jüngere Kinder nie ihre Behandlungspräferenz deklarieren konnten, auf die sich die Eltern berufen könnten (Ibrahim et al., 2011). Bei einer misslungenen Operation könnte das Verantwortungsgefühl so groß sein, dafür subjektiv die Schuld übernehmen zu müssen. Zu dieser Hypothese konnten keine anderen Ergebnisse gefunden werden, sie scheint jedoch in Anbetracht der psychischen Belastung der Eltern eine große Rolle zu spielen, die in der Beratung und Aufklärung berücksichtigt werden muss. Die Auseinandersetzung mit der Operation erlebten die Eltern als emotionale Belastung, bei der sie das Für und Wider abwägen mussten. Die Besonderheit der Epilepsiechirurgie besteht darin, dass sie elektiv und somit nicht zwingend nötig ist. Bei anderen elektiven Eingriffen, wie eine Operation der Lippenkiefergaumenspalte oder eine Beinverlängerung, nennen Eltern ähnliche Gründe in der Entscheidungsfindung wie in der vorliegenden Studie (Daniel et al., 2005; Nelson, Caress, Glenny & Kirk, 2012). Auch hier zeigt sich ein starkes Verantwortungsgefühl, das Beste für das Kind zu tun. Sie sehen sich verpflichtet, dem Kind ein normales Leben zu ermöglichen und wägen die Konsequenzen ab, wenn sie sich gegen die Operation entscheiden würden. Bei Daniel und Kollegen (2005) mussten die Mütter eine EntscheiZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1),5–17
S. Linke & C. Mischke, Zwischen Angst und Hoffnung
dung treffen, solange das Kind noch im Knochenwachstum war. Dieser zeitliche Druck, der zu einer Entscheidung drängt, bestand auch bei den Eltern dieser Studie. Obwohl die Operation zu einem späteren Zeitpunkt möglich wäre, war für sie die Lebensphase des Kindes entscheidend, da sie ihm eine möglichst uneingeschränkte Zukunft ermöglichen wollten. Die beeinflussenden Faktoren auf die Entscheidungsfindung, Vertrauen in die HPs und Sich-informiert-Fühlen, werden auch in anderen Studien von Eltern erwähnt, die über eine Operation entscheiden müssen (Allen, 2014; Nelson et al., 2012). Auch die Möglichkeit, den Chirurgen im Vorfeld kennenzulernen, und sein Eingehen auf die Eltern werden als wichtig und hilfreich empfunden (Nelson et al., 2012). Einige Eltern der vorliegenden Studie verließen sich vollkommen auf die Informationen der HPs, da sie Vertrauen in deren Erfahrung hatten. Manche wollten nicht zu viel wissen, da es Ängste schürte. Andere waren der Ansicht, dass ihnen Informationen vorenthalten wurden oder die Risiken der Operation zu wenig thematisiert wurden, dies führte zu Misstrauen. Sie wollten alle Aspekte, positive wie negative, hören. Bei Choi und Kollegen (2011) führten inadäquate Informationen über mögliche negative Outcomes der Epilepsiechirurgie bei Betroffenen zu Angst und Entscheidungsverzögerung. Auch diese gaben an, dass es hilfreich sei, von negativen Erfahrungen anderer zu hören. Hierdurch hatten sie die Chance, sich mit einem Scheitern der Operation auseinandersetzen konnten. Winkler (2000) beschreibt diese Informationssuche als Bewältigungsstrategie, wenn die Ungewissheit als Gefahr erlebt wird. Sie beschreibt aber auch die Vermeidung von zu viel Information als Strategie, wenn dieses Wissen als hinderlich oder belastend erlebt wird. Daraus ergibt sich ein Dilemma für die HPs. Sie müssen individuell abwägen, in welchem Maße Information förderlich oder hinderlich ist. Der Austausch mit anderen betroffenen Eltern als weitere wichtige Informationsquelle und die Unterstützung durch das soziale Umfeld empfanden die Eltern hilfreich. Bei Patient(inn)en, die über eine Epilepsiechirurgie entschieden, war besonders der Austausch mit Betroffenen nützlich, die genau die gleiche Anfallsursache hatten (Choi et al., 2011). Dieser Aspekt wurde von den Eltern zwar nicht explizit erwähnt, sollte bei der Vermittlung von Betroffenen jedoch berücksichtigt werden, denn je nach Anfallsursache ergeben sich unterschiedliche Entscheidungsgrundlagen. Eltern in der Studie von Pieters und Kollegen (2016) fühlten sich durch den Kontakt mit Betroffenen in ihrer Entscheidungsfindung unterstützt, da sie so aus ihrer sozialen Isolation ausbrechen konnten und sich verstanden fühlten. Trotz der großen emotionalen Belastung nahm niemand psychologische Unterstützung in Anspruch. Ein © 2017 Hogrefe
S. Linke & C. Mischke, Zwischen Angst und Hoffnung
Elternteil zog die emotionale Unterstützung durch HPs vor. Möglicherweise wurde dieses Angebot mit einer Therapie assoziiert, welche den Eltern unnötig erschien, um eine Entscheidung zu treffen. Allen (2014) betont in einem Review zur elterlichen Entscheidungsfindung bei komplexen Erkrankungen der Kinder die Wichtigkeit der emotionalen Unterstützung durch HPs. Die Eltern erlebten diese, indem ihnen zugehört, Trost und Hoffnung vermittelt und die mit der Entscheidung verbundene Unsicherheit anerkannt wurde (Allen, 2014). Übertragen auf die Eltern der vorliegenden Studie könnten Pflegende eine Schlüsselrolle einnehmen, indem sie die Unsicherheit aufgreifen, Präsenz zeigen, aktiv zuhören und Verständnis für die Eltern demonstrieren, um ihnen Hoffnung zu geben (Miller, 2007). Sie teilen dabei nicht die Entscheidung mit den Eltern, sondern unterstützen sie bei der Bewältigung von Unsicherheit und Angst (Behrens & Langer, 2010).
15
Jedoch konnte dadurch gezeigt werden, welche bedeutende Rolle das Alter des Kindes in der elterlichen Entscheidungsfindung einnimmt. Zur Sicherstellung der Güte der Studie wurden die Kriterien von Elo und Kollegen (2014) genutzt. Um die Vertrauenswürdigkeit zu erhöhen, wurde das methodische Vorgehen ausführlich beschrieben. Der gesamte Analyseprozess wurde mit einer Mentorin und Peers kritisch diskutiert. Die Datenanalyse wurde durch Memos und ein Forschungstagebuch ergänzt, um im Rahmen der Triangulation die Qualität der Ergebnisse zu erhöhen. Die Ergebnisse wurden mit Zitaten untermauert, um Transparenz zu schaffen. Sie wurden mehrmals am Ausgangsmaterial rücküberprüft, den Eltern zur Validierung vorgestellt und reflektiert. Die Eltern konnten sich in den Ergebnissen wiederfinden. Einige verbanden mit einer Studie eine trockene und technische Berichterstattung und waren überrascht über die Menschlichkeit. Dies liegt sicher an der Thematik selbst, beweist aber auch, dass die Emotionalität der Entscheidung wiedergegeben werden konnte.
Limitation Da potenzielle Teilnehmende im Vorfeld durch die ärztliche Leitung bestimmt wurden, kann die Ausselektion von Eltern mit negativen Erfahrungen des Entscheidungsprozesses nicht ausgeschlossen werden. Diese gezielte Stichprobenziehung war jedoch nötig, da nur wenige dieser kleinen Population den Ein- und Ausschlusskriterien entsprachen. Dennoch geben auch die vorliegenden Ergebnisse bereits einen ersten guten Einblick in das Erleben der Entscheidungsfindung von Betroffenen mit überwiegend positiven Erfahrungen. Selbst wenn keine Anfallsfreiheit erreicht werden konnte, werteten diese Eltern die Entscheidung als wahrgenommene Chance und bereuten den Schritt nicht. Es ist denkbar, dass die Eltern sozial erwünschte Antworten gegeben haben, da sie durch die Nachbetreuung auch nach der Operation in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den HPs stehen. Dieses Risiko wurde durch das Schaffen einer vertrauensvollen Gesprächsatmosphäre versucht zu minimieren, auch hatten die Interviewten jederzeit die Möglichkeit, Fragen unbeantwortet zu lassen. Hiervon machte jedoch niemand Gebrauch. Die Durchführung von Einzelinterviews hat dazu beigetragen, dass die Eltern ohne Rücksicht auf das andere Elternteil frei erzählen konnten. Mit der kleinen heterogenen Gruppe, deren Teilnehmende alle von derselben Klinik rekrutiert wurden, lassen sich keine verallgemeinerbaren Aussagen treffen: Die Kinder waren unterschiedlichen Alters, wobei ältere Kinder von den Eltern in die Entscheidung einbezogen wurden, während bei den Jüngeren die Eltern allein entschieden. © 2017 Hogrefe
Schlussfolgerung Mit der Studie wurde erstmals untersucht, wie Eltern die Entscheidungsfindung für einen epilepsiechirurgischen Eingriff bei ihrem Kind erleben. Für alle war es ein emotionaler Prozess, der geprägt war von Ungewissheit. Sie mussten sich mit ihren Ängsten und Hoffnungen auseinandersetzen, die auch weiterbestanden, nachdem die Entscheidung getroffen war. Nach der Zustimmung zur Operation sollte diese daher möglichst schnell durchgeführt werden, um die belastende Wartezeit zu verkürzen. Dennoch scheinen Eltern die relativ lange Zeit zwischen erster Thematisierung bis zur Bestätigung der Operationsmöglichkeit zu benötigen, um sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Dies zeigt sich v. a. bei denjenigen, die sich für die Operation entschieden haben, obwohl sie zu Beginn dagegen waren. Die HPs können die Eltern bei der Entscheidungsfindung unterstützen, indem sie ihnen die Informationen geben, die sie brauchen, sowie den Austausch mit Betroffenen ermöglichen, die das Gleiche durchlebt haben. Hierbei sollte auch das Angebot der Kontaktvermittlung zu Betroffenen, bei denen die Operation nicht erfolgreich war, in Betracht gezogen werden. Der unterschiedliche Wunsch nach Information und Informationsumfang ist ein prägnantes Ergebnis der Studie und verlangt Sensibilität und Bedürfnisorientierung in der individuellen Begleitung der Eltern. Die Tatsache, dass Eltern jüngerer Kinder für ihr Kind entscheiden müssen, was einen zusätzlichen mit Schuldgefühlen behafteten Faktor darstellt, muss in der Beratung Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 5–17
16
berücksichtigt werden. Die Pflegenden haben durch ihre 24-Stunden-Präsenz den engsten Kontakt zu den Eltern. Daher können sie, neben den anderen HPs, eine zentrale Rolle in der Begleitung durch den Entscheidungsprozess einnehmen. Die mit der Entscheidung verbundene Unsicherheit zu verstehen, ist eine Grundvoraussetzung, um die Eltern emotional unterstützen zu können. Die Erkenntnisse dieser Studie liefern hierzu eine wichtige Grundlage und ermöglichen ein vertieftes Verstehen, wie Eltern die Entscheidungsfindung erleben. Zur Validierung der Ergebnisse und Aufdeckung weiterer förderlicher Interventionsmöglichkeiten ebenso wie hinderlicher Aspekte, sollten weitere Studien mit größerer Teilnehmerzahl unterschiedlicher Einrichtungen erfolgen. Dabei wäre der Einbezug von Eltern, die sich gegen eine Operation entschieden haben, wichtig, um auch Einblick in deren Entscheidungsprozess zu erhalten. Weiterhin könnte die Durchführung von Longitudinalstudien einen noch tieferen Einblick in das Erleben der Entscheidungsfindung geben, da durch die retrospektive Befragung die Erinnerung an ein früheres Erleben geschildert wurde, womit die Erinnerungen möglicherweise lückenhaft sein könnten.
Literatur Allen, K. A. (2014). Parental decision-making for medically complex infants and children: An integrated literature review. International Journal of Nursing Studies, 51, 1289 – 1304. Baca, C. B., Pieters, H. C., Iwaki, T. J., Mathern, G. W. & Vickrey, B. G. (2015). „A journey around the world“: Parent narratives of the journey to pediatric resective epilepsy surgery and beyond. Epilepsia, 56(6), 822 – 832. Behrens, J. & Langer, G. (2010). Evidence-based Nursing and Caring. Bern: Huber. Benz, R. (2011). Atemwegskomplikationen in der Kinderanästhesie. Der Anaesthesist, 3, 267 – 278. Borggraefe, I., Heinen, F., Peraud, A. & Noachtar, S. (2009). Epilepsiechirurgie bei Kindern. Hauner Journal, 35, 35 – 41. Abgefragt am 27.05.2014 unter http://www.haunerjournal.de/ prae_1/hj09_1.pdf Braams, O., Meekes, J., Braun, K., Schappin, R., van Rijen, P. C., Hendriks, M. P. H. et al. (2015). Parenting stress does not normalize after child’s epilepsie surgery. Epilepsy & Behavior, 42, 147 – 152. Choi, H., Pargeon, K., Bausell, R., Wong, J., Mendiratta, A. & Bakken, S. (2011). Temporal lobe epilepsy surgery: What do patients want to know? Epilepsy & Behavior, 22, 479 – 482. Daniel, E., Kent, G., Binney, V. & Pagdin J. (2005). Trying to do my best as a mother: Decision-making in families of children undergoing elective surgical treatment for short stature. British Journal of Health Psychology, 10, 101 – 114. Dewar, S. R. & Pieters, H. C. (2015). Perceptions of epilepsy surgery: A systematic review and an explanatory model of decisionmaking. Epilepsy & Behavior, 44, 171 – 178. Elo, S., Kääräinen, M., Kanste, O., Pölkki, T., Utriainen, K. & Kyngäs, H. (2014). Qualitative content analysis: a focus on trustworthiness. Sage Open, 4(1). doi: 10.1177/2158244014522633 Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1),5–17
S. Linke & C. Mischke, Zwischen Angst und Hoffnung
Elo, S. & Kyngäs, H. (2008). The qualitative content analysis process. Journal of Advanced Nursing, 62(1), 107 – 115. Erba, G., Messina, P., Pupillo, E. & Beghi, E. (2013). Acceptance of epilepsy surgery in the pediatric age – What the parents think and what the doctor can do. Epilepsy & Behavior, 29, 112 – 120. Ibrahim, G. M., Fallah, A., Carter Snead, O., Elliott, I., Drake, J. M., Bernstein, M. et al. (2011). Ethical issues in surgical decision making concerning children with medically intractable epilepsy. Epilepsy & Behavior, 22, 154 – 157. Köpke, S. & Meyer, G. (2010). Evidenzbasierte Patienteninformation und informierte, geteilte Entscheidungsfindung: Eine Aufgabe für die Pflege? Pflegezeitschrift, 63(1), 12 – 15. Kröll-Seger, J. (2011). Epilepsien im Kindes- und Jugendalter. ARS MEDICI, 9, 374 – 380. Kurthen, M., Grundwald, T., Huppertz, H., Bernays, R. & Bertalanffy, H. (2010). Epilepsiechirurgie. Wann, wie und mit welchem Ergebnis? ARS MEDICI, 8, 322 – 332. LoBiondo-Wood, G. & Haber, J. (2005). Pflegeforschung. München: Elsevier. Miller, J. F. (2007). Hope: A Construct Central to Nursing. Nursing Forum, 42(1), 12 – 19. Nelson, P. A., Caress, A., Glenny, A. & Kirk, S. A. (2012). Doing the Right Thing: How parents experience and manage decisionmaking for chrildren’s normalising surgeries. Social Science & Medicine, 74, 796 – 804. Neubauer, B. A., Gross, S. & Hahn, A. (2008). Epilepsie im Kindesund Jugendalter. Deutsches Ärzteblatt, 105(17), 319 – 327. Pieters, H. C., Iwaki, T., Vickrey, B. C., Mathern, G. W. & Baca, C. B. (2016). „It was five years of hell“: Parental experiences of navigating and processing the slow and arduous time of pediatric resective epilepsy surgery. Epilepsy & Behavior, 62, 276 – 284. Roth, J., Olasunkanmi, A., MacAllister, W. S., Weil, E., Uy, C. C., Devinsky, O. et al. (2011). Quality of life following epilepsy surgery for children with tuberous sclerosis complex. Epilepsy & Behavior, 20, 561 – 565. Saldaña, J. (2013). The coding manual for qualitative researchers (2nd ed.). London: Sage. SAMW. (2008). Rechtliche Grundlagen im medizinischen Alltag. Basel, Muttenz: Schwabe & Co. AG. Winkler, M. (2000). Ungewissheit. In S. Käppeli (Hrsg.), Pflegekonzepte. Phänomene im Erleben von Krankheiten und Umfeld (Bd. 3, S. 47 – 72). Bern: Huber. World Health Organization. (2008). Epilepsy. Abgefragt am 10.05.2014 unter http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs999/en/ Zentner, J. (2016). Chirurgische Epilepsietherapie. Zeitschrift für Epileptologie, 29, 115 – 129.
Manuskript eingereicht: 24.07.2016 Nach Revision angenommen: 26.02.2017 Interessenkonflikt: Nein
Sandra Linke, MScN Gerontopsychiatrisches Zentrum Hegibachplatz Minervastrasse 145 8032 Zürich Schweiz linkesan@gmail.com
© 2017 Hogrefe
S. Linke & C. Mischke, Zwischen Angst und Hoffnung
17
Anhang 1 Interviewleitfaden Ich möchte Sie bitten, sich daran zurückzuerinnern, als Sie das erste Mal von der Möglichkeit einer Operation gehört haben: Erzählaufforderung: Was ging Ihnen damals durch den Kopf? • Wie ging es Ihnen dabei? Welche Emotionen hat das in Ihnen ausgelöst? • Wer hat diese Option angeboten? (Wie sind Sie auf Zürich gekommen?) • Gab es Verunsicherungen und wenn ja welche? (Was waren Ängste?) • Wie lang ging die Phase von Angebot bis Start der Voruntersuchungen? • Gab es einen Auslöser, warum Sie sich dafür entschieden haben? • Wer war alles in die Entscheidungsfindung involviert? • Wie gut fühlten Sie sich über diese Behandlungsoption informiert, als Sie sich damit auseinandergesetzt hatten? (Internetrecherche, gute Seiten? Information von Ärzten?) Mit wem konnten Sie reden? (Andere Eltern?) Fühlten Sie sich unter Druck gesetzt? • Welche Alternativen wurden Ihnen angeboten und was haben Sie ausprobiert? Nachdem Ihnen diese Option angeboten wurde und Sie zugesagt hatten, folgte wahrscheinlich eine längere Zeit der Abklärung, um zu prüfen, ob ihr Kind zweifellos für eine Operation infrage kommt: Erzählaufforderung: Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Welche Gedanken gingen Ihnen durch den Kopf? Welche Rolle spielte das Alter des Kindes (Schule / Lehre / Mitentscheiden?) • Welche Voruntersuchungen mussten gemacht werden und wie lange dauerte diese Phase? • Was hat Ihnen in dieser Zeit im Prozess der Entscheidungsfindung Kraft gegeben?
• •
© 2017 Hogrefe
• •
Wie fühlten Sie sich durch Ihr Umfeld im Prozess der Entscheidungsfindung unterstützt? (Wer gehört zu Familie, Freunde?) Wie fühlten Sie sich durch das Behandlungsteam (Ärzte / Pflegende) unterstützt (Wurden Sie jemals gefragt, wie es Ihnen emotional geht. Was trägt dazu bei, dass man sich aufgehoben fühlt?) Welche Rolle spielte Vertrauen?
Nach dem alle Vorabklärungen getroffen waren und man Ihnen gesagt hat, dass man Ihr Kind definitiv operieren kann, lag die endgültige Entscheidung für oder gegen eine Operation bei Ihnen: Erzählaufforderung: Wie war das für Sie? • Wie ging es Ihnen mit der Verantwortung für die Entscheidung bzw. wer trug diese? • Was hat Sie bewogen, sich dafür zu entscheiden? (Hoffnung?) Wie groß war die Belastung durch die Anfälle (Frequenz, Schwere?) • Welche Chancen, aber auch Risiken haben Sie gesehen? (Was war Grund der Anfälle? Chance auf Anfallsfreiheit? Schuldgefühl, wenn man nicht handelt und es passiert etwas, aber auch wenn man handelt und es passiert etwas?) • Wie erlebten Sie die Zeit bis zum Operationstermin bezüglich der Entscheidungsfindung? • Wie viel Zeit verging zwischen OK für die OP und dem OP-Termin? • Wie erlebten Sie den Tag der Operation im Hinblick auf Ihre getroffene Entscheidung? (Ruhe / Unsicherheit / Aufregung?) • Wie gut waren Sie darüber aufgeklärt, was nach der OP kommt? (Narbe, DK, Müdigkeit, Schwellung…) • Gibt es rückblickend Wünsche oder Erwartungen, die Sie sich anders vorgestellt hätten? (Bezogen auf die Zeit der Entscheidungsphase) Möchten Sie abschließend noch etwas zu dem Thema sagen? Vielen Dank für Ihre Teilnahme!
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 5–17
BAK Bereichsspezifischer Angstfragebogen für Kinder und Jugendliche Bernd W. Mack / Franz Petermann Einsatzbereich Kinder und Jugendliche von 9 bis 18 Jahren; Selbst- und Elterneinschätzung; Einzel- und Gruppentest.
Test komplett Bestehend aus: Manual, 10 Fragebogen Kinder und Jugendliche (BAK-K), 10 Fragebogen Eltern (BAK-E), 20 Auswertebogen, Auswerteschablone und Box. Best.-Nr. 03 167 01 € 119,00 / CHF 144.00
Verfahren Der BAK ist ein klinischer Fragebogen zur ökonomischen Erfassung von spezifischen Ängsten bei Kindern und Jugendlichen gemäß ICD-10. Es liegen eine Version für Kinder und Jugendliche und eine Version für Eltern vor, die hinsichtlich ihrer Item-Zusammensezung identisch sind und sich lediglich durch die Anleitung unterscheiden. Die Items setzen sich aus insgesamt 56 Situationen bzw. Objekten zusammen, die sieben Subskalen zugeordnet sind: Medizinischer Bereich, Naturgewalten, Kleine Tiere, Trennung /Unbekanntes, Schulbereich, Fehler / Kritik, Unfall / Tod. Die einzelnen Situationen bzw. Objekte werden hinsichtlich ihrer Angst auslösenden Wirkung auf einer 4-stufigen Intensitätsskala eingeschätzt. Neben der Berechnung von Subskalenwerten kann als Maß für eine allgemeine, situationsübergreifende Ängstlichkeit der Gesamtwert verwendet werden. Je nach Fragestellung kann die Auswertung und Interpretation auf Itemebene, multidimensionaler Skalenebene oder global erfolgen. Zuverlässigkeit Die internen Konsistenzen der Konstruktionsstichprobe, der Normierungsstichprobe und weiterer davon unabhängiger Stichproben betragen für die Gesamtskalen Ѓ ö .94 und für die sieben Subskalen Ѓ ö .81. Gültigkeit Insgesamt besteht hinsichtlich der Dimensionalität des BAK eine gute Übereinstimmung mit Ergebnissen, die in der Literatur für vergleichbare Angstlisten zu finden sind. Die Konstruktvalidität wurde durch konfirmatorische Faktorenanalysen gestützt. Weitere Untersuchungsergebnisse geben Hinweise auf die konvergente und divergente Validität. Normen Als Normen werden alters- und geschlechtsspezifische Prozentränge und T-Werte für die Selbsteinschätzung von 9- bis 18-Jährigen und für die Elterneinschätzung von 9- bis 16-Jährigen zur Verfügung gestellt. Bearbeitungsdauer Durchführung: ca. 15 Minuten, Auswertung: ca. 20 Minuten.
www.hogrefe.com
Original Article
Behavioral Problems in Preschool Children Stemming from Perinatal Stroke Monika Daseking1, Franz Petermann2, Madiha Rana1, and Julia Sanders2 1 2
Helmut Schmidt University / University of the Federal Armed Forces Hamburg Centre for Clinical Psychology and Rehabilitation University of Bremen
Abstract: Background: Perinatal stroke results in damage to the maturing brain and often leads to neurological deficits as well as mental and psychosocial impairments. This study identifies mental impairments emerging in preschool aged children following perinatal strokes. Methods: Scores on CBCL / 4-18 and CPM for 63 children following perinatal stroke were evaluated. Results: The study revealed a high incidence of behavioral disorders (39.7 %), especially on the CBCL subscales Social Problems and Attention Problems. Stroke type and involvement of the middle cerebral artery exerted the largest influence. A total of 48.3 % of the children exhibited below-average intelligence, though there was no significant correlation between intelligence and behavioral problems. Conclusion: In addition to cognitive and physical impairments, the psychological consequences of the disease must also be taken into account. Keywords: Perinatal stroke, behavioral disorders, intelligence, social problems, attention problems
Verhaltensstörungen bei Vorschulkindern aufgrund perinataler Schlaganfälle Zusammenfassung: Hintergrund: Perinatale Schlaganfälle führen bei den meisten Neugeborenen zu einer schwerwiegenden Schädigung des reifenden Gehirns und verursachen neben körperlichen und neurologischen Defiziten bei einem Großteil der Kinder Beeinträchtigungen auf psychischer und psychosozialer Ebene. Das Ziel dieser Studie besteht darin, psychische und kognitive Beeinträchtigungen nach perinatalen Hirninfarkten zu ermitteln. Methoden: Für N = 63 Kinder mit perinatalem Schlaganfall wurden die Elternbeurteilungen der Child Behavior Checklist (CBCL / 4-18) und die Intelligenzleistungen in den Coloured Progressive Matrices (CPM) ausgewertet. Ergebnisse: Die Analysen zeigen ein hohes Auftreten von Verhaltensauffälligkeiten (39.7 %). Besonders häufig betroffen sind die CBCL-Subskalen Soziale Probleme und Aufmerksamkeitsprobleme. Den größten Einfluss üben der Schlaganfalltyp (ischämisch, hämorrhagisch, beides) und die Beteiligung der Arteria cerebri media (ACM) aus. Zudem weisen 48.3 % der Kinder eine unterdurchschnittliche Intelligenzleistung auf. Zwischen Intelligenz und Verhaltensproblemen lässt sich jedoch kein signifikanter Zusammenhang feststellen. Schlussfolgerung: Es ist notwendig, neben den kognitiven und körperlichen Beeinträchtigungen auch die psychischen Folgen der Erkrankung zu berücksichtigen. Dabei sollte eine ganzheitliche Förderung gewährleistet werden, die eine auf das Kind zugeschnittene Therapie ermöglicht und die individuellen Ressourcen und Defizite in das Behandlungskonzept integriert. Schlüsselwörter: Perinataler Schlaganfall, Verhaltensstörungen, Intelligenz, soziale Probleme, Aufmerksamkeitsprobleme
Introduction According to the Global Burden of Disease Study, strokes are the second most frequent cause of death globally (Lozano, Naghavi, Foreman et al., 2013) and the third most frequent cause of acquired disabilities (Murray, Vos, Lozano et al., 2013). Cerebral ischemia (occlusion of cerebral arteries or veins) and brain hemorrhages are acute diseases of the brain that can occur not only in adulthood but also in the perinatal period, i. e., from the 20th week of pregnancy to the 28th day after birth (Luo, Chen, Qu et al., 2014; Machado, Pimentel, Pinto, & © 2017 Hogrefe
Nona, 2015), or during early childhood (Neuner, Von Mackensen, Krümpel et al., 2011). The development and increasing use of noninvasive imaging procedures, which make it possible to diagnose strokes in infancy and early childhood, have made an important contribution to this insight (DeVeber, Roach, Riela & Wiznitzer, 2000; Govaert, Smith & Dudink, 2009). With an incidence of 2.6 to 6.4 per 100,000 children between the intrauterine phase and the age of 18, childhood and adolescent strokes are a rare pediatric disease (Neuner et al., 2011), although the risk of ischemic stroke is at its highest during the fetal and newborn phase (NelZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 19–32 https://doi.org/10.1024/1016-264X/a000192
20
son, 2007). The middle cerebral artery is most frequently affected (Machado et al., 2015; Weeke, Groenendaal, Toet et al., 2015). Despite the diagnostic methods currently available, the number of undiagnosed cases is presumed to be high because symptoms in children can differ greatly from those exhibited by adults (Roach, Golomb, Adams et al., 2008): There are often no obvious symptoms peculiar to stroke during the prenatal and perinatal phase (Machado et al., 2015), so that stroke is often diagnosed only by chance at a later date or, more commonly, as a result of hemiparesis, which usually manifests itself between the ages of 4 and 8 months (Lee, Croen, Lindan et al., 2005; Nelson, 2007; Kirton, Shroff, Pontigon & deVeber, 2010). Pediatric stroke can be triggered by a number of complications and diseases. Genetically related and acquired mechanisms and vascular changes are of particular significance (Eltayeb, Askar, Faddan & Kamal, 2015). Perinatal stroke can be caused by maternal risk factors (gestational diabetes, clotting disorders, infections, nicotine consumption), perinatal complications (premature birth, low weight at birth, asphyxia) and genetic factors (Machado et al., 2015; Nelson, 2007; Sinclair, Fox, Ichord et al., 2015). Although it is often impossible to determine the original cause of a perinatal infarction, the placenta is assumed to play a significant role in many cases (Elbers, Viero, MacGregor et al., 2011). Particularly in early childhood, strokes can present with a wide variety of symptoms and involve many potential risks and causes. Cerebral infarctions are likely the result of a combination of many factors. Although specific risk factors can be identified in most patients, no conclusions can be drawn about the causes, and the actual mechanisms often remain unclear. Knowledge about the interaction of risk factors is important for treatment if further strokes are to be prevented (Fuentes, Deotto, Desrocher, deVeber & Westmacott, 2016; Kopyta & Zimny, 2015). Perinatal or early childhood strokes result in damage to the maturing brain. They often cause serious impairments on different levels which usually only become apparent – either in part or fully – at a more advanced stage of development. Typical consequences in up to 70 % of the affected children include motor deficits, epilepsy, cognitive impairments, and behavioral disorders. In many cases, perinatal strokes result in neurological deficits and are the most common cause of cerebral palsy (Machado et al., 2015; Smulska, 2015). Approximately 30 % to 60 % of children affected by stroke develop these disorders (Golomb, Garg, Saha et al., 2008; Mercuri, Barnett, Rutherford et al., 2004). The majority of perinatal infarctions are followed by seizures that, in up to 40 % of those affected, develop into epilepsy that must be treated. The incidence of epilepsy is therefore much higher following cerebral infarction in the perinatal period than in late childhood or adulthood. Children who Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 19–32
M. Daseking et al., Behavior After Perinatal Stroke
have acute seizures during cerebral infarction are at a much higher risk of developing long-term epilepsy (Fox, Glass, Sidney et al., 2013; Laugesaar, Kolk, Tomberg et al., 2007; Lee, Croen, Backstrand et al., 2005).
Psychosocial Implications and Behavioral Disorders after Early Childhood Strokes The stroke as well as the various physical, neurological, cognitive, and psychosocial effects can have a dramatic impact on the lives of children and their families, and can result in a lifelong history of disease (Daseking, Grochowski & Petermann, 2012). Studies have shown that, after a stroke, a large proportion of children develop not only neurological and physical deficits but also a wide range of behavioral disorders (Gomes, Rinehart, Greenham & Anderson, 2014; Harbert, Jett, Appelbaum, Nass & Trauner, 2012). Compared to healthy children, they have greater difficulty regulating their emotions, exhibit executive function deficits and attention deficit disorders (O’Keeffe, Liégeois, Eve et al., 2014), and are faced with a severely impaired quality of life on physical, emotional, academic, social, and cognitive levels (O’Keeffe, Ganesan, King & Murphy, 2012). A study carried out by Russ, Larson, and Halfon (2012) showed that behavioral disorders are much more common among children who have epileptic seizures than among healthy children. The most frequent conditions are developmental disorders (51 %), ADHD (23 %), anxiety disorders (17 %), and depression (8 %). Daseking, Petermann, and Simonis (2008) observed behavioral problems in 49.5 % of the children who had suffered a cerebral infarction. A total of 24 % of the children had attention deficit disorders, and 27 % had social problems. Among these children, 4.5 % exhibited antisocial and 11.7 % aggressive behavior. These findings clearly exceed the general prevalence rates of mental disorders among healthy children. In a study by Eikelmann, Petermann, and Daseking (2008), approximately 43 % of the children with stroke exhibited attention deficits. The risk of developing attention deficit disorders is particularly high following right-hemisphere infarctions. Another study showed that adult patients with ADHD exhibit abnormalities primarily in two areas: the frontal basal ganglia of the right hemisphere, which are responsible for inhibition; and the dorsolateral prefrontal cortex area and the parietal and cerebellum areas, which are responsible for attention (Hart, Radua, Nakao et al, 2013). Injury to the putamen also plays an important role because one of the main tasks of this structure is to regulate movement (Max, Fox, Lancaster et al., 2002). It is important to note that attention processes cannot be allocated to specific regions of the brain and are instead coordinated by several areas (Konrad & Gilsbach, 2007). © 2017 Hogrefe
M. Daseking et al., Behavior After Perinatal Stroke
Because of the high rates of depression following strokes, the term poststroke depression is now used for adults. Many studies have shown that this condition is particularly common after left-hemisphere infarctions (Alajbegovic, Djelilovic-Vranic, Alajbegovic et al., 2014; Park, Im, Oh et al., 2015). To date, little research has been carried out on children in this respect. Studies have shown, however, that children with brain injuries often exhibit deficits in recognizing and expressing feelings (Dennis, Agostino, Taylor et al., 2013; Tonks, Williams, Frampton et al., 2007) as well as in processing social-cognitive information (Ryan, Catroppa, Cooper et al., 2015). These children also frequently exhibit language problems (Kirton & DeVeber, 2013). A noticeable physical disorder such as hemiparesis can result in discrimination and rejection by peers particularly during childhood and adolescence, leading to adjustment problems (Forsman & Eliasson, 2015). All of these factors can result in social exclusion and isolation and are linked to the development of internalizing disorders and other mental disorders. Yet not all children who have suffered a stroke necessarily develop a mental disorder. Individual developmental trajectories vary considerably, and the development of behavioral problems depends on several factors. It is difficult to predict the nature and extent of behavioral disorders following cerebral infarctions (Daseking et al., 2008). Based on the results of their own study focusing on the behavioral problems of children after pre- or perinatal brain damage, Trauner, Nass, and Ballantyne (2001) concluded there was no evidence for clinically significant behavioral and emotional problems. This study looks at the influence of different factors on the development of behavioral disorders after perinatal strokes. Particular attention is paid to the aspects intelligence, sex, premature birth, delivery complications, seizures, the affected hemisphere, the nature of the stroke, and the involvement of the middle cerebral artery (MCA) and basal ganglia.
21
strategies. Families from all over Germany participated on the recommendation of their physicians or on their own initiative. Informed consent from the child’s parents was appropriately obtained for all study participants. Approval was obtained from the Ethics Committee of the University of Bremen. The study included children who had suffered a perinatal stroke, were no older than 72 months at the time of the assessment, and for whom CBCL data were available. The data were collected as part of a diagnosis process lasting up to 4 hours on two successive mornings. In total, 63 children with an average test age of M = 56.8 months (SD = 9.6, min. = 36, max. = 72) were included in the analysis. The study group consisted of 37 girls (58.7 %) and 26 boys (41.3 %). The neurological data were taken from the examination reports of the attending physicians, rehabilitation clinics and therapists, and from the health examination document for children. Incomplete or unreliable data were disregarded. This sample also showed that the number of cases of ischemic stroke (69.8 %) is much higher than the number of cases of hemorrhagic infarction (19.0 %), as was mentioned above. A total of 11.1 % of the children had experienced both brain hemorrhage and ischemia, 66.7 % of the children had had a left-hemisphere stroke, and 27.0 % had had a right-hemisphere stroke. Both hemispheres were affected in 6.3 % of the study group. The left hemisphere was affected more often than the right hemisphere in both boys and girls, although girls showed the highest number of left-hemisphere infarctions. The MCA was affected in 74.6 % of the study group. A noticeable finding was that the basal ganglia are more frequently affected in boys (53.8 %) than in girls (32.4 %). A total of 57.1 % of the sample had experienced complications at birth, and 41.3 % of the study group had experienced an epileptic fit at least once. Boys were affected slightly more frequently than girls (Table 1).
Instruments
Method Sample and Study Design The sample consisted of a population of families who took part in the research project “Childhood and Adolescent Strokes: Neuropsychological and Psychosocial Implications,” which was carried out at the Center for Clinical Psychology and Rehabilitation at the University of Bremen from 2001 to 2014. The project examines the long-term neuropsychological and psychosocial outcome of children and adolescents who have suffered a stroke in order to develop effective diagnostic and therapeutic intervention © 2017 Hogrefe
In order to assess the occurrence of behavioral disorders, the Child Behaviour Checklist (CBCL) developed by Achenbach (1991) was applied. This questionnaire is used worldwide as a method of identifying skills and behavioral problems in children and adolescents. The German version of the CBCL / 4 -18 was developed by the working group German Child Behaviour Checklist (Arbeitsgruppe Deutsche CBCL, 1998) in cooperation with Achenbach. Since the competency scales can only be interpreted from the age of 6 years, this part was not interpreted. On eight syndrome scales (1. Withdrawn, 2. Somatic Complaints, 3. Anxious / Depressed, 4. Social Problems, 5. Thought Problems, 6. Attention Problems, 7. Delinquent Behavior Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 19–32
22
M. Daseking et al., Behavior After Perinatal Stroke
Table 1. Description of the clinical sample, taking sex into account Frequency n = 63
Frequency according to sex %
n = 37
Total
%
n = 26
Female
% Male
Birth complications Caesarean section
31
49.2
21
56.8
10
38.5
Vacuum extraction
4
6.3
1
2.7
3
11.5
Forceps delivery
1
1.6
1
2.7
0
0
26
41.3
14
37.8
12
46.2
Right hemisphere
17
27.0
8
21.6
9
34.6
Left hemisphere
42
66.7
27
73
15
57.7
4
6.3
2
5.4
2
7.7
Hemorrhagic
12
19.0
6
16.2
6
23.1
Ischemic
44
69.8
27
73.0
17
65.4
7
11.1
4
10.8
3
11.5
Involvement of the MCA
47
74.6
27
73
20
76.9
Involvement of the basal ganglia
26
41.3
12
32.4
14
53.8
Seizures Affected hemisphere
Both hemispheres Type of stroke
Both types
and 8. Aggressive Behavior), the CBCL 4-18 covers 120 items with three possible responses: not true (0), somewhat or sometimes true (1), and often true (2). The Internalizing Scale comprises items from the first three scales, and the Externalizing Scale comprises items from the last three symptom scales. A total problem score includes all the items. The calculations in this study took into account all syndrome scales, the internalizing and externalizing problem scores, and the total problem score. The results of the individual syndrome scales were calculated with T-scores. A T-score below 67 indicated normal behavior, a score between 67 and 70 indicated borderline behavior, and a T-score above 70 signified clinical behavior. For the internalizing and externalizing problem scores and for the total score, T-scores between 60 and 63 were also regarded as borderline. A score above 63 indicated clinical behavior. To test general intelligence, Colored Progressive Matrices (CPM; Raven, 2002; German standardization) were used, which allow children between the ages of 3:9 and 11:8 to be assessed without the use of language. This method is suitable for children who do not speak or understand the German language, and for children with physical or mental disabilities. Participants were divided into three Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 19–32
groups: below-average IQ (< 84), average IQ (85 – 115), and above-average IQ (> 115). As a complementary procedure, observations of behavior were made during the assessment procedure systematically. The attributes observed motor restlessness, observed lack of respect for personal boundaries, observed inattentiveness, and observed aggressive behavior were evaluated as overall behavioral problems.
Statistical Methods The SPSS statistical analysis program (SPSS 24) was used to evaluate the data. The t-test was used to compare two independent samples, and the ANOVA was calculated to compare two or more independent samples. The significance level was set at α = 0.05. Because the investigated hypotheses were part of a multiple hypothesis problem on subtest level (i. e., the syndrome scales of the CBCL), appropriate adjustment for multiple testing was required (Bonferroni correction). Effect sizes were calculated for the mean value comparisons of T-scores using Cohens d. By taking the nature of the present data or more specifically the heterogeneity of the present sample into account, © 2017 Hogrefe
M. Daseking et al., Behavior After Perinatal Stroke
23
we calculated the frequency distributions and analyzed the cross tabulations. The chi-square test was used to compare frequencies.
line scores are taken into account, problematic behavior was established in a total of 12 cases (19.0 %) on the Internalizing scale and in as many as 16 cases (25.4 %) on the Externalizing scale.
Results
Mean Value Comparisons and Distribution of Frequencies of the Total Score of the CBCL and Intelligence
Frequency Distribution of Assessments by Parents in the CBCL
Table 3 and Table 4 provide an overview of the behavior assessment (i. e., CBCL total score) and the intelligence score (CPM) of the children considering neurological aspects.
The parents of 15 children (23.8 %) rated the overall behavior of their children (Total Problems Score) as clinically relevant (T-score > 63). If borderline behavior is also factored in (T-score between 60 and 63), behavioral problems were reported for as many as 39.7 % of the children. The scores from the syndrome scales Social Problems and Attention Problems were elevated with mean T-scores of almost 60. Including borderline results, the parents of 11 children (17.5 %) reported social problems and the parents of 9 children (14.3 %) reported attention problems. In the Thought Problems and Aggressive Behavior scales as well, the parents of 9 children assessed the behavior of their children as borderline or clinical (14.3 % in each case). The parents of 7 children (11.1 %) reported withdrawn behavior (Table 2). In this study group, perinatal strokes seem to have the strongest effect on externalizing problems. If the border-
Behavioral Problems Compared to boys (34.6 %), girls (43.2 %) exhibited clinical or borderline scores more frequently in the broadband scores. The subscales and broadband scores revealed no statistically significant differences with regard to sex. Of the children with additional birth complications, 38.9 % exhibited clinical or borderline behavior. Further analyses revealed no significant differences regarding the presence or absence of birth complications. With children who experienced epileptic seizures during birth or later, the scores pertaining to mental problems were higher than those for children who had had no seizures (46.2 % vs. 35.1 %). There is also a connection between clinical or borderline results and the affected hemisphere. Left-hemisphere infarctions appear to have the greatest influence on the development
Table 2. Descriptive statistics and frequency distribution of parental CBCL assessments Scale
M
SD
Clinical (%)
Withdrawn
55.17
7.18
3 (4.8)
Somatic Complaints
54.02
6.47
Anxious / Depressed
52.92
Social Problems
Borderline (%)
Combined borderline and clinical (%)
Normal (%)
4 (6.3)
7 (11.1)
56 (88.9)
/
4 (6.3)
4 (6.3)
59 (93.7)
5.46
/
3 (4.8)
3 (4.8)
60 (95.2)
59.59
7.21
4 (6.3)
7 (11.1)
11 (17.5)
52 (82.5)
Thought Problems
53.70
7.73
3 (4.8)
6 (9.5)
9 (14.3)
54 (85.7)
Attention Problems
59.37
8.28
7 (11.1)
2 (3.2)
9 (14.3)
54 (85.7)
Delinquent Behavior
53.84
5.66
/
4 (6.3)
4 (6.3)
59 (93.7)
Aggressive Behavior
55.83
7.40
4 (6.3)
5 (7.9)
9 (14.3)
54 (85.7)
Internalizing
51.33
9.17
8 (12.7)
4 (6.3)
12 (19.0)
51 (81.0)
Externalizing
53.21
9.20
11 (17.5)
5 (7.9)
16 (25.4)
47 (74.6)
Total Score
57.49
8.27
15 (23.8)
10 (15.9)
25 (39.7)
38 (60.3)
Notes. M: mean value; SD: standard deviation; syndrome scales: normal: T-score < 67; borderline: T-score between 67 and 70; clinical: T-score > 70; combined clinical and borderline: T-score > 67; broad-band scores (Internalizing, Externalizing, Total Score): normal: T-score < 60; borderline: Tscore between 60 and 63; clinical: T-score > 63; combined borderline and clinical: T-score > 60.
© 2017 Hogrefe
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 19–32
24
M. Daseking et al., Behavior After Perinatal Stroke
Table 3. Mean value comparison and frequency distribution of problematic behavior (CBCL total score) for selected clinical variables (N = 63) Mean value comparison
Frequency distribution Normal
n
M
SD
Female
37
57.38
8.48
Male
26
57.65
8.13
Seizures
26
58.38
9.81
No seizures
37
56.86
7.07
Right hemisphere
17
56.29
9.40
Left hemisphere
41
57.88
4
Hemorrhagic Ischemic
Clinical or borderline
T
df
p
n
%
n
%
–.129
61
.898
21
56.8
16
43.2
17
65.4
9
34.6
14
53.8
12
46.2
24
64.9
13
35.1
12
70.6
5
29.4
8.06
24
57.1
18
42.9
60.50
5.92
2
50.0
2
50.0
12
52.33
8.55
9
75.0
3
25.0
44
58.39
7.52
27
61.4
17
38.6
6
60.50
10.69
2
28.6
5
71.4
Involved
47
59.26
7.58
26
55.3
21
44.7
Not involved
16
52.31
8.24
12
75.0
4
25.0
Involved
26
58.50
7.54
13
50.0
13
50.0
Not involved
37
56.78
8.78
25
67.6
12
32.4
χ²
p
Sex .475
.491
.775
.379
1.104
.576
4.446
.217
1.932
.165
1.969
.161
Seizures .715
61
.477
Location
No allocation possible
.447
2
.642
Type of stroke
Both types
2.215
2
.096
Involvement of the MCA 3.095
61
.003
Involvement of the basal ganglia .809
of problematic behavior. A total of 18 (42.9 %) children whose left hemisphere was affected exhibited problematic behavior. Of those in which the right hemisphere was affected, only 5 (29.4 %) exhibited such behavior. With respect to the mean T-values, the additional findings were made. The T-scores of Somatic Complaints and Delinquent Behavior as well as the broadband score Internalizing were slightly higher after right-hemisphere infarctions than after left-hemisphere infarctions. The scores for Thought Problems and Aggressive Behavior and the total score were slightly higher after left-hemisphere infarctions than after right-hemisphere strokes. In most cases, the differences between mean values were slight. As a result, no significant correlations were found between stroke localization and the various scales. In this sample, ischemic strokes – compared to hemorrhages – led to an increased rate of mental problems Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 19–32
61
.422
(38.6 % vs. 25.0 %). Of the children with an infarction that was both ischemic and hemorrhagic, 71.4 % exhibited dysfunctional behavior. The incidence of problematic behavior was also higher if the MCA was involved. Of the children in whom the MCA was affected, 44.7 % exhibited problematic behavior, whereas of the children in whom the MCA was not involved, only 25.0 % exhibited such behavior. The behavior of 50 % of the children in whom the lower structures of the basal ganglia were affected was considered clinical or borderline. Of the children in whom the basal ganglia were not involved, only 32.4 % exhibited problematic behavior. As can be seen from Table 3, perinatal strokes with involvement of the MCA lead to significantly more behavioral problems (T = 3.095, df = 61, p = .003). But none of the other mean value differences for the CBCL total score was statistically significant. In further analyses, the other broadband © 2017 Hogrefe
M. Daseking et al., Behavior After Perinatal Stroke
25
Table 4. Mean value comparison and frequency distribution of intelligence scores (CPM) for selected clinical variables (N = 60) Mean value comparison
Frequency distribution < 85
85–115
> 115
T
df
p
n
%
n
%
n
%
χ²
p
.328
58
.744
18
50.0
17
47.2
1
2.8
.312
.856
11
45.8
13
54.2
0
0.0
10
41.7
14
58.3
0
0.0
1.037
.595
19
52.8
16
44.4
1
2.8
8
50.0
8
50.0
0
0.0
1.607
.807
15.14
18
45.0
21
52.5
1
2.5
80.50
9.15
3
75.0
1
25.0
0
0.0
12
83.50
16.12
7
58.3
5
41.7
0
0.0
4.065
.668
41
88.66
14.72
19
46.3
21
51.2
1
2.5
6
85.17
19.67
3
42.9
4
57.1
0
0.0
Involved
44
86.77
14.53
21
47.7
22
50.0
1
2.3
1.461
.482
Not involved
16
86.94
18.85
8
50.0
8
50.0
0
0.0
13
52.0
12
48.0
0
0.0
.608
.738
16
45.7
18
51.4
1
2.9
n
M
SD
Female
36
87.36
16.10
Male
24
86.00
15.20
Seizures
24
87.71
16.00
No seizures
36
86.22
15.58
Right hemisphere
16
86.06
18.30
Left hemisphere
40
87.75
4
Hemorrhagic Ischemic
Sex
Seizures .358
58
.722
Location
No allocation possible
.408
2
.667
Type of stroke
Both types
1.323
2
.276
Involvement of the MCA -.036
58
.972
Involvement of the basal ganglia Involved
25
83.88
14.21
Not involved
35
88.91
16.45
-1.235
58
.222
scores (Internalizing, Externalizing) and the syndrome scales revealed no statistically significant differences in mean T-scores. Intelligence With an average IQ of M = 86.6 (SD = 15.7), no significant differences in intelligence were found between the various groups (see Table 4). It is nevertheless still possible to interpret the findings. On the whole, the study shows that 29 of the 60 children (48.6 %) exhibited below-average intelligence. Of the 30 study participants with average intelligence, many were in the lower average range. Slightly more girls had below-average IQ scores than boys (50.0 % vs. 45.8 %). The IQ scores of the children without epileptic seizures were slightly poorer than those of the children with epileptic seizures. Whether the MCA was involved or not appears to have had no significant influence on the IQ © 2017 Hogrefe
scores of the children in this study group. Among the children in whom the basal ganglia were affected, the number of cases in the below-average IQ category is particularly striking: 52.0 % of the study group. Of the children in whom this area was not affected, only 45.7 % had a belowaverage IQ score (Table 4). No significant correlations were found between intelligence and behavior with the highest correlation between nonverbal intelligence and the Internalizing scale of r = .21 (p = .097).
Type of Stroke The Attention Problems scale shows that there are significant differences depending on the type of stroke. Children who had an ischemic stroke exhibited higher TZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 19–32
26
M. Daseking et al., Behavior After Perinatal Stroke
scores than children who had had a hemorrhagic stroke. The highest scores were exhibited by children who had experienced both an ischemic and a hemorrhagic stroke. The mean values of the test results, however, are still within the normal range. Although the other results are not significant, there are differences. The scales Withdrawn, Social Problems, Thought Problems, and Aggressive Behavior and the broadband scores Internalizing, Externalizing, and Total Score show that the greatest deviations lie with ischemic infarctions. On the whole, scores were higher in all categories if the stroke was ischemic rather than hemorrhagic. When both types of strokes had occurred, the results were similar to or higher than the scores for ischemic strokes. It must be noted that in this study group only seven children experienced both types of stroke (Table 5).
Involvement of the MCA In the Withdrawn, Attention Problems, and Aggressive Behavior scales as well as in Total Score, there are significant results regarding the involvement of the MCA. Children whose MCA was involved exhibited much higher T-scores in these areas. The Attention Problems scale in particular and Total Score show noticeable differences in mean values. Although the differences between the groups of the other scores are not significant, higher T-scores are observed throughout when the MCA was affected. The scales Social Problems, Thought Problems, and the broadband score Internalizing in particular show major differences depending on whether the MCA was involved (Table 6).
Behavioral Disorders Observed During the Study Occurrence of Epileptic Seizures There were also no statistically significant correlations between the occurrence of epileptic seizures and the mean T-scores of the various scales. The results, however, must still be interpreted. The Attention Problems scale in particular (61.5 vs. 57.8) and the Social Problems scale (61.0 vs. 58.6) show higher T-scores if the children had suffered epileptic seizures. The broad-band scale Internalizing has a slightly increased T-score if the child had had seizures in the past (52.2 vs. 50.7).
Whenever problematic behavior such as motor restlessness, inattention, lack of respect for personal boundaries, or aggressive behavior was observed during the assessment procedure, this was reflected across all scales in higher T-scores. Significant scores were recorded on the Social Problems and Attention Problems syndrome scales and on the Total Score scale. When we evaluated the individual observation categories, we found statistically significant differences between observed motoric restlessness and the Social Problems sca-
Table 5. Mean value comparisons of T-scores of the CBCL in relation to stroke type Scale
Ischemic (n = 44)
Hemorrhagic (n = 12)
Both (n = 7)
M
SD
M
SD
M
SD
p
adj. α
Withdrawn
55.98
7.21
52.17
7.30
55.29
6.26
.152
ns
Somatic Complaints
53.95
6.32
52.75
7.72
56.57
5.13
.297
ns
Anxious / Depressed
53.05
5.17
52.00
7.10
53.71
4.65
.741
ns
Social Problems
60.25
7.73
56.50
6.08
60.71
4.19
.259
ns
Thought Problems
54.57
8.29
50.42
5.12
53.86
7.08
.339
ns
Delinquent Behavior
54.30
5.89
52.42
5.89
53.43
3.55
.429
ns
Aggressive Behavior
56.02
7.50
52.42
4.27
60.43
8.96
.140
ns
Attention Problems
59.89
7.91
54.25
6.09
64.86
10.14
.028
–
Internalizing
52.16
8.82
46.92
10.79
53.71
6.90
.169
–
Externalizing
53.57
9.43
49.75
7.20
56.86
10.04
.287
–
Total Score
58.39
7.52
52.33
8.55
60.71
9.78
.091
–
Notes. M = mean, SD = standard deviation, p = significance, ns = not significant. p < .05; adj. α = .007. Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 19–32
© 2017 Hogrefe
M. Daseking et al., Behavior After Perinatal Stroke
27
Table 6. Mean value comparisons of the T-scores from the CBCL depending on the involvement of the MCA Scale
Affected (n = 47)
Not affected (n = 16)
M
SD
M
SD
Difference
p
d
Withdrawn
56.36
7.40
51.69
5.26
4.67
.018
–0.67
Somatic Complaints
54.02
6.11
54.00
7.65
0.02
.986
0.00
Anxious / Depressed
53.43
5.56
51.44
5.01
1.99
.514
–0.37
Social Problems
60.45
7.43
57.06
6.05
3.39
.125
–0.48
Thought Problems
54.85
8.30
50.31
4.38
4.54
.053
–0.60
Attention Problems
60.89
8.52
54.87
5.68
6.02
.015
–0.76
Delinquent Behaviour
54.04
5.68
53.25
5.73
0.79
.588
–0.14
Aggressive Behaviour
56.96
7.89
52.50
4.40
4.46
.045
–0.62
Internalising
52.74
8.87
47.19
9.05
5.55
.075
–0.62
Externalising
54.30
9.59
50.00
7.26
4.30
.181
–0.47
Total Score
59.26
7.58
52.31
8.24
6.95
.017
–0.90
Notes. M = mean; SD = standard deviation; p = significance; p < .05; d = effect size Cohens d
le (p=.035) from the CBCL. Statistically significant differences were also observed between lack of attention observed during the study and the CBCL syndrome scales Social Problems (p = .026) and Attention Problems (p = .001) and the Externalizing (p = .030) and Total Score (p = .030) scales. With regard to observed aggressive behavior, statistically significant results were observed on the Social Problems, Attention Problems, and Aggressive Behavior Syndrome scales and on the Externalizing and Total Score scales. These results shows that there is a clear correlation between parental assessments of problematic behavior in children and the behavioral disorders observed in this study.
Discussion Perinatal strokes can lead to an increased incidence of behavioral disorders in preschool children. Based on parental assessments, 39.7 % of the children in this study group exhibited borderline or clinical behavior. Regarding the prevalence of mental disorders in childhood, the average is estimated to be 7.1 % (Wichstrom, Berg-Nielsen, Angold et al., 2012). Results show that behavioral disorders occur much more frequently in children with stroke than in the general population. Based on parental assessments, the Attention Problems (M = 59.3) and Social Problems (M = 59.5) scales reveal the highest T-scores in the CBCL and appear to be the ones most affected by the consequences of a stroke. Parental assessments corresponded to the observations we made © 2017 Hogrefe
during the test. Significant correlations were established between observed behavioral disorders and the subscales Social Problems (α = .002), Attention Problems (α = .005), and Total Score (α = .016). Attention disorders are a common consequence of brain damage and affect many cognitive functions. The prevalence of attention problems varies depending on method and sample. Most studies look at the prevalence of attention problems in combination with hyperactivity. Globally, prevalence is estimated to be 5.29 %, but when only children are taken into account, a range of about 5 % to 10 % is presumed (Polanczyk, de Lima, Horta et al., 2007). In a study by Schmidtendorf, Christmann, and Heinrichs (2012), the prevalence of attention problems without hyperactivity in 6- to 16-yearolds is 11.5 %. In the present study, the attention skills of 17.5 % of the children were rated as borderline or clinical. Attention problems are therefore much more common in children who have had a stroke than in healthy children. In a study carried out by Max, Mathews, Manes et al. (2003), as many as 46 % of the children with stroke fulfilled the diagnosis criteria for ADHS. The finding of the present study (17.5 %) is indeed lower, but it is possible that symptoms appear only fully at a later time, in most cases when the child starts school. Attention is an important basic neuropsychological ability for all intellectual endeavors and thus for the incorporation of information and for learning processes. Impaired attention skills can lead to severe learning deficits and further psychosocial consequences (Mahapatra, 2015). It is important to support such children and to provide them with strategies to reduce and compensate for these deficits. Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 19–32
28
Besides attention problems, Social Problems exhibited the highest T-scores. In the CBCL, this subscale primarily covers the tendency to be rejected by peers and to exhibit immature and adult-dependent behavior (Deutsche Arbeitsgruppe CBCL, 1998). Social problems can develop as a direct result of the disease or of the entire course of the disease and as a result of ADHS, which frequently accompanies it. Wåhlstedt, Thorell, and Bohlin (2008) showed that early symptoms of ADHS are an indicator of poor social skills in preschool children. The acquisition of social and emotional skills is an important task and, in early years, serves to prevent mental disorders. Bornstein, Hahn, and Haynes (2010) also observed that children with low social competency tend to have more behavioral problems. The promotion of social skills is therefore especially important. The MCA is frequently affected in perinatal brain infarctions. Our study shows that the incidence of strokes involving the MCA is high (74.6 %). This appears to have a major influence on the development of behavioral disorders. If the MCA is affected, problems are significantly more frequent in the mean T-scores of the subscales Withdrawn (51.69 vs. 56.36, α = .018), Attention Problems (54.87 vs. 60.89, α = .015) and Aggressive Behavior (52.50 vs. 56.96, α = .045) and in Total Score (52.31 vs. 59.26, α = .017). The middle cerebral artery is one of the three main arterial blood vessels of the brain and part of the main blood supply of the brain. It therefore supplies blood to many lateral brain areas as well as to deeper structures below the cerebral cortex such as the basal ganglia. As a result, a middle cerebral artery stroke can have serious and far-reaching consequences on various levels and can cause motor, cognitive, and mental impairments (Daseking et al., 2011; Machado et al., 2015; Weeke et al., 2015). Stroke type also seems to have a significant influence on behavioral disorder. In children who had had ischemic stroke, higher T-scores were observed at the subscale level. O´Keefe et al. (2014) also observed considerable deficits regarding emotional skills, behavior, and attention after ischemic stroke. In the current sample, a significant difference was observed with respect to attention problems, and the mean T-score was highest in cases where the children had had both an ischemic and hemorrhagic infarction. No significant correlations were established between the intelligence scores and the neurological characteristics of the stroke. IQ scores were nevertheless notably affected by the consequences of a brain infarction. A total of 48.3 % of the children exhibited below-average test scores. Many of the children with an average IQ were at the lower end of the average range. In addition to the consequences of the stroke, low intelligence increases the risk of developing behavioral disorders and mental disorders (Koenen, Moffitt, Roberts et al., 2009). This must be considered in treatZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 19–32
M. Daseking et al., Behavior After Perinatal Stroke
ment planning and appropriate measures must be taken to counter deficits. In the present study group, strokes appeared to have a greater influence on externalizing disorders than on internalizing disorders. Compared to the other scales, the Anxious / Depressed scale was given the most normal rating by parents. It should be noted that parents are quicker to notice externalizing and disruptive behavior than they are to notice symptoms of depression. Such symptoms often remain undetected for a long time as affected children seldom behave in a disruptive manner. In many cases, such symptoms are less noticeable on the surface and, since they often include withdrawn behavior, they are more difficult to detect than symptoms of externalizing disorders in children. What is more, depression can be hidden by other symptoms, such as externalizing disorders (Groen & Petermann, 2011). The age of the study participants must also be taken into account. Depressive disorders often appear at a later stage of development, most notably at the beginning of puberty, while externalizing disorders can often appear at an early age (Klasen, Petermann, Meyrose et al., 2016). It is important not to ignore premorbid behavioral disorders. The risk of developing mental disorders is particularly high if certain behavioral disorders existed before the infarction (Eikelmann et al., 2008). Regarding the results, it must be taken into account that the next major development task – school enrolment – is yet to come. Banich et al. (1990) established that children with stroke can fall behind other children of the same age when they start school, and that serious deficits can develop after this point in time. This can result in an increased incidence of behavioral disorders that can become chronic and continue into adulthood. In such cases, existing mental problems have an impact on experiences in later life. They can impair the development of age-appropriate social, cognitive, and emotional skills. Affected individuals experience more conflicts in social relations, which can damage their self-esteem and self-efficacy, aggravate symptoms in general, and lead to secondary problems. For this reason as well, it is necessary not only to treat cognitive abilities and physical impairments, but also to attend to mental disorders in accordance with the child’s needs and to provide the necessary support. The sooner help – including preventive help – is sought, the more successful an intervention can be.
Limitations The analyses of behavior problems are based exclusively on parental ratings and can, as a consequence, be distorted. This problem was countered to a certain degree, however, by the use of behavioral observation during the test © 2017 Hogrefe
M. Daseking et al., Behavior After Perinatal Stroke
situation. There is no guarantee that these results can be generalized because they are based on the data of a clinical population. The sample size is small, and there are thus not enough cases for each variable. Additionally, there is a lack of a comparison or control group, which limits the generalizability of the results.
Acknowledgment This research was supported by the Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, Gütersloh, Germany.
References Alajbegovic, A., Djelilovic-Vranic, J., Alajbegovic, S., Nakicevic, A., Todorovic, L., & Tiric-Campara, M. (2014). Poststroke depression. Medical Archives, 68, 47 – 50. Arbeitsgruppe Deutsche Child Behaviour Checklist. (1998). Elternfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen; deutsche Bearbeitung der Child Behaviour Checklist (CBCL / 4-18). Einführung und Anleitung zur Handauswertung mit deutschen Normen (bearbeitet von M. Döpfner, J. Plück, S. Bölte, K. Lenz, P. Melchers & K. Heim). (2nd. ed.) [Parent questionnaire on the behavior of children and adolescents]. Köln: Arbeitsgruppe Kinder-, Jugend- und Familiendiagnostik (KJFD). Aschenbach, T. (1991). Manual of the Child Behavior Checklist / 4-18. Burlington, VT: University of Vermont, Department of Psychiatry. Bornstein, M. H., Hahn, C.-S., & Haynes, O. M. (2010). Social competence, externalizing, and internalizing behavioral adjustment from early childhood through early adolescence: Developmental cascades. Development and Psychopathology, 22, 717 – 735. Daseking, M., Grochowski, K., & Petermann, F. (2012). Psychosoziale Belastungen nach Schlaganfall bei Kindern und Jugendlichen [Psychosocial burdens after stroke in children and adolescents]. Aktuelle Neurologie, 39, 18 – 24. Daseking, M., Petermann, F., & Simonis, A. (2008). Psychische Auffälligkeiten und psychosoziale Folgen nach Schlaganfällen im Kindesalter [Behavioral disorders and psychosocial outcome after stroke in children]. Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie, 76, 1 – 10. Daseking, M., Schlagheck, W., & Petermann, F. (2011). Perinatale und frühkindliche Schlaganfälle. Kognitive Entwicklung im Kindergartenalter [Cognitive development in preschool-aged children with early stroke]. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 59, 37 – 46. Dennis, M., Agostino, A., Taylor, H. G., Bigler, E. D., Rubin, K., Vannatta, K. et al. (2013). Emotional expression and socially modulated emotive communication in children with traumatic brain Injury. Journal of the International Neuropsychological Society, 19, 34 – 43. DeVeber, G., Roach, E. S., Riela, A. R., & Wiznitzer, M. (2000). Stroke in children: Recognition, treatment, and future directions. Seminars in Pediatric Neurology, 7, 309 – 317. Eikelmann, A., Petermann, F., & Daseking, M. (2008). Aufmerksamkeitsstörungen nach Schlaganfällen im Kindesalter [Attention deficit disorders after stroke in childhood]. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 36, 419 – 426.
© 2017 Hogrefe
29
Elbers, J. Viero, S., MacGregor, D., DeVeber, G., & Moore, A. M. (2011). Placental pathology in neonatal stroke. Pediatrics, 127, e722 – e729. Eltayeb, A. A., Askar, G. A., Faddan, N. H. A., & Kamal, T. M. (2015). Prothrombotic risk factors and antithrombotic therapy in children with ischemic stroke. Therapeutic Advances in Neurological Disorders, 10, 1 – 11. Forsman, L., & Eliasson, A.-C. (2015). Strengths and challenges faced by school-aged children with unilateral CP described by the five to fifteen parental questionnaire. Developmental Neurorehabilitation, 10, 1 – 9. Fox, C. K., Glass, H. C., Sidney, S., Lowenstein, D. h., & Fullerton, H. J. (2013). Acute seizures predict epilepsy after childhood stroke. Annals of Neurology, 74, 249 – 256. Fuentes, A., Deotto, A., Desrocher, M., deVeber, G., & Westmacott, R. (2016). Determinants of cognitive outcomes of perinatal and childhood stroke: A review. Child Neuropsychology, 22, 1 – 38. Golomb, M. R., Garg, B. P., Saha, C., Azzouz, F., & Williams, L. S. (2008). Cerebral palsy after perinatal arterial ischemic stroke. Journal of Child Neurology, 23, 279 – 286. Gomes, A., Rinehart, N., Greenham, M., & Anderson, V. (2014). A critical review of psychosocial outcomes following childhood stroke (1995-2012). Developmental Neuropsychology, 39, 9 – 24. Govaert, P., Smith, L., & Dudink, J. (2009). Diagnostic management of neonatal stroke. Seminars in Fetal & Neonatal Medicine, 14, 323 – 328. Groen, G., & Petermann, F. (2011). Depressive Kinder und Jugendliche [Depressive disorder in childhood and adolescents, 2nd ed.] (2. Aufl.). Göttingen: Hogrefe. Harbert, M. J., Jett, M., Appelbaum, M., Nass, R., & Trauner, D. A. (2012). Perinatal risk factors and later social, thought, and attention problems after perinatal stroke. Stroke Research and Treatment, 2012, 1 – 5. Hart, H., Radua, J., Nakao, T., Mataix-Cols, D., & Rubia, K. (2013). Meta-analysis of functional magnetic resonance imaging studies of inhibition and attention in attention-deficit / hyperactivity disorder. JAMA Psychiatry, 70, 185 – 198. Kirton, A., & DeVeber, G. (2013). Life after perinatal stroke. Stroke, 44, 3265 – 3271. Kirton, A., Shroff, M., Pontigon, A. M., & deVeber, G. (2010). Risk factors and presentations of periventricular venous infarction vs arterial presumed perinatal ischemic stroke. Archives of Neurology, 67, 842 – 848. Klasen, F., Petermann, F., Meyrose, A.-K., Barkmann, C., Otto, C., Haller, A.-C. et al. (2016). Verlauf psychischer Auffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen [Trajectories of mental health problems in children and adolescents: Results of the BELLE cohort study]. Kindheit und Entwicklung, 25, 10 – 20 Koenen, K. C., Moffitt, T. E., Roberts, A. L., Martin, L. T., Kubzansky, L., Harrington, H. L., Poulton, R., & Caspi, A. (2009). Childhood IQ and adult mental disorders: A test of the cognitive reserve hypothesis. American Journal of Psychiatry, 166, 50 – 57. Konrad, K., & Gilsbach S. (2007). Aufmerksamkeitsstörungen im Kindesalter. Erkenntnisse funktioneller Magnetresonanztomographie [Attentional dysfunction in childhood. Findings from functional neuroimaging]. Kindheit und Entwicklung, 16, 7 – 15. Kopyta, I., & Zimny, M. (2015). Significant risk factors in the etiology of arterial ischemic stroke in children. Oruen CNS Journal, 1, 6 – 10. Laugesaar, R., Kolk, A., Tomberg, T., Metsvaht, T., Lintrop, M., Varendi, H., & Tavlik, T. (2007). Acutely and retrospectively diagnosed perinatal stroke: A population-based study. Stroke, 38, 2234 – 2240. Lee, J., Croen, L. A., Backstrand, K. H., Yoshida, C. K., Henning, L. H., Lindan, C. et al. (2005). Maternal and infant characteristics associated with perinatal arterial stroke in the infant. JAMA, 293, 723 – 729. Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 19–32
30
Lee, J., Croen, L. A., Lindan, C., Nash, K. B., Yoshida, C. K., Ferriero, D. M. et al. (2005). Predictors of outcome in perinatal arterial stroke: A population-based study. Annals of Neurology, 58, 303 – 308. Lozano, R., Naghavi, M., Foreman, K. et al. (2013). Global and regional mortality from 235 causes of death for 20 age groups in 1990 and 2010: A systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2010. The Lancet, 380, 2095 – 2128. Luo, L., Chen, D., Qu, Y., Wu, J., Li, X., & Mu, D. (2014). Association between hypoxia and perinatal arterial ischemic stroke: A meta-analysis. PLOS ONE, 9, 1 – 12. Machado V., Pimentel, S., Pinto, F., & Nona, J. (2015). Perinatal ischemic stroke: A five-year retrospective study in a level-III maternity. Einstein, 13, 65 – 71. Mahapatra, S. (2015). Attention in relation to coding and planning in reading. Journal of Education and Practice, 6, 43 – 51. Max, J. E., Fox, P., Lancaster, J. L., Kochunov, P., Mathews, K., Manes, F. F. et al. (2002). Putamen lesions and the development of attention-deficit / hyperactivity symptomatology. Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychiatry, 41, 563 – 571. Max, J. E., Mathews, K., Manes, F. F., Robertson, B. A. M., Fox, P. T., Lancaster, J. L. et al. (2003). Attention deficit hyperactivity disorder and neurocognitive correlates after childhood stroke. Journal of the International Neuropsychological Society, 9, 815 – 829. Mercuri, E., Barnett, A., Rutherford, M., Guzzetta, A., Haataja, L., Cioni, G. et al. (2004). Neonatal cerebral infarction and neuromotor outcome at school age. Pediatrics, 113, 95 – 100. Murray, C. J. L., Vos, T., Lozano, R. et al. (2013). Disability-adjusted life-years (DALYs) for 291 diseases and injuries in 21 regions, 1990 – 2010: A systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2010. The Lancet, 380, 2197 – 2223. Nelson, K. B. (2007). Perinatal ischemic stroke. Stroke, 38, 742 – 745. Neuner, B., Von Mackensen, S., Krümpel, A., Manner, D., Friefeld, S., Nixdorf, S., Frühwald, M., deVeber, G., & Nowak-Göttl, U. (2011). Health-related quality of life in children and adolescents with stroke, self-reports, and parent / proxies reports: Cross-sectional investigation. American Neurological Association, 70, 70 – 78. O’Keeffe, F., Ganesan, V., King, J., & Murphy, T. (2012). Quality-of-life and psychosocial outcome following childhood arterial ischemic stroke. Brain Injury, 26, 1072 – 1083. O’Keeffe, F., Liégeois, F., Eve, M., Ganesan, V., King, J., & Murphy, T. (2014). Neuropsychological and neurobehavioral outcome following childhood arterial ischemic stroke: Attention deficits, emotional dysregulation, and executive dysfunction. Child Neuropsychology, 20, 557 – 582. Park, G.-Y., Im, S., Oh, C. H., Lee S.-J., & Pae, C.-U. (2015). The association between the severity of poststroke depression and clinical outcomes after first-onset stroke in Korean patients. General Hospital Psychiatry, 37, 245 – 250. Polanczyk, G., de Lima, M. S., Horta, B. L., Biedermann, J., & Rohde, L. A. (2007). The worldwide prevalence of ADHD: A systematic review and metaregression analysis. The American Journal of Psychiatry, 164, 942 – 948. Roach, E. S., Golomb, M. R., Adams, R., Biller, J., Daniels, S., deVeber, G., Ferriero, D., Jones, B. V., Kirkham, F. J., Scott, R. M., & Smith, E. R. (2008). Management of stroke in infants and children: A scientific statement from a special writing group of the Ameri-
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 19–32
M. Daseking et al., Behavior After Perinatal Stroke
can Heart Association Stroke Council and the Council on Cardiovascular Disease in the Young. Stroke, 39, 2644 – 2691. Russ, S. A., Larson, K., & Halfon, N. (2012). A national profile of childhood epilepsy and seizure disorder. Pediatrics, 129, 256 – 264. Ryan, N. P., Catroppa, C., Cooper, J. M., Beare, R., Ditchfield, M., Coleman, L. et al., (2015). The emergence of age-dependent social cognitive deficits after generalized insult to the developing brain: A longitudinal prospective analysis using susceptibilityweighted imaging. Human Brain Mapping, 36, 1677 – 1691. Schmidtendorf, S., Christmann, N., & Heinrichs, N. (2012). Leistungen von Kindern mit einer Störung der Aufmerksamkeit im HAWIK-IV [The performance of children with AD(H)D according to the HAWIK-IV]. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, 40, 191 – 199. Sinclair, A. J., Fox, C. K., Ichord, R. N., Almond, C. S., Bernard, T. J., Beslow, L. A. et al. (2015). Stroke in children with cardiac disease: Report from the International Pediatric Stroke Study Group Symposium. Pediatric Neurology, 52, 5 – 15. Smulska, N. (2015). P206 – 2993: Outcome after pediatric stroke. Investigation genes polymorphism. European Journal of Paediatric Neurology, 19, S151 – S152. Trauner, D. A., Nass, R., & Ballantyne, A. (2001). Behavioral profiles of children and adolescents after pre- or perinatal unilateral brain damage. Brain, 124, 995 – 1002. Tonks, J., Williams, W. H., Frampton, I., Yates, P., & Slater, A. (2007). Reading emotions after child brain injury: a comparison between children with brain injury and non-injured controls. Brain Injury, 21, 731 – 739. Wåhlstedt, C., Thorell, L. B., & Bohlin, G. (2008). ADHD symptoms and executive function impairment: Early predictors of later behavioral problems. Developmental Neuropsychology, 33, 160 – 178. Weeke, L. C., Groenendaal, F., Toet, M. C., Benders, M. J. N. L., Nievelstein, R. A. J., van Rooij, L. G. M., & De Vries, L. S. (2015). The etiology of neonatal seizures and the diagnostic contribution of neonatal cerebral magnetic resonance imaging. Developmental Medicine & Child Neurology, 57, 248 – 256. Wichstrom, L., Berg-Nielsen, T. S., Angold, A., Egger, H. L., Solheim, E., & Sveen, T. H. (2012). Prevalence of psychiatric disorders in preschoolers. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 53, 695 – 705.
Submitted: 27 November 2016 Accepted after revision: 28 November 2016 There are no conflicts of interest existing.
PD Dr. Monika Daseking Pädagogische Psychologie Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg Holstenhofweg 85 22043 Hamburg Germany dasekinm@hsu-hh.de
© 2017 Hogrefe
M. Daseking et al., Behavior After Perinatal Stroke
31
CME-Questions 1. Question: Compared to people of older age, strokes in children or adolescents are very uncommon. Which of the following age groups from 0 to 18 years is most susceptible to strokes? a. Adolescents above 14 years of age b. Children between 1 and 5 years of age c. Children between 6 and 13 years of age d. Pre- and perinatal e. Between the end of the first month of life and the end of the first year of life
2. Question: Which statement does not apply to strokes in children and adolescents? a. After a stroke during infancy or adolescence, the same impairments as in adults can be observed. b. Impairments of executive functions or the attentiveness are considered to be among the most common consequences. c. After a stroke during infancy or adolescence, behavioural problems are common. d. Many children and adolescents develop hemiplegia after a stroke. e. After an infarct in early childhood, epileptic seizures can occur.
4. Question: Which of the following is not a reason parents of children who experienced a stroke in preschool age describe externalizing behavioural problems more often than internalizing behavioural problems. a. In preschool age, symptoms of internalizing behavioural problems are not as distinctly noticeable. b. Internalizing behavioural problems do not occur in children who suffered from a pre- or perinatal stroke. c. The symptomatology of internalizing behavioural problems (e. g. depression) may be concealed by other behaviours (e. g. aggressive behaviour). d. Parents are more likely to describe apparent, i. e. externalizing, behaviour. e. Internalizing behavioural problems are often linked to a retreating behaviour and are therefore less easily observed.
5. Question: In which areas of the CBCL do children who suffered from strokes exhibit the most noticeable problems based on the estimate of their parents? a. Physical discomfort and social withdrawal b. Anxious / depressive and social withdrawal c. Attention deficits and social problems d. Aggressive behaviour and dissocial behaviour e. Attention deficits and aggressive behaviour
3. Question: The development of intelligence after preand perinatal strokes … a. is unobtrusive. b. is significantly related to variables such as the kind of stroke or the occurrence of epileptic seizures. c. shows a strong and significant correlation to the occurrence of behavioural problems. d. shows that almost 50 % of affected children are below average during preschool age e. is no predictor for the further development of behavioural problems.
© 2017 Hogrefe
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 19–32
32
M. Daseking et al., Behavior After Perinatal Stroke
Um Ihr CME-Zertifikat zu erhalten (min. 3 richtige Antworten), schicken Sie bitte den ausgefüllten Fragebogen mit einem frankierten Rückumschlag bis zum 27.06.2017 an die nebenstehende Adresse. Später eintreffende Antworten können nicht mehr berücksichtigt werden.
Herr Prof. Dr. Lutz Jäncke Universität Zürich, Institut für Psychologie Abteilung Neuropsychologie Binzmühlestrasse 14 Postfach 25 CH-8050 Zürich
Fortbildungszertifikat Die Ärztekammer Niedersachsen erkennt hiermit 1 Fortbildungspunkte an. Stempel
Behavioral Problems in Preschool Children Stemming from Perinatal Stroke Die Antworten bitte deutlich ankreuzen! 1
Zeitschrift für Neuropsychologie 1 / 2017
2
3
4
5
a b c d e
Ich versichere, alle Fragen ohne fremde Hilfe beantwortet zu haben.
Name Berufsbezeichnung, Titel Straße, Nr. PLZ, Ort Datum
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 19–32
Unterschrift
© 2017 Hogrefe
Aktuelle Sachbücher und Ratgeber Claudia Clos
Allan Guggenbühl
Gesund im Job
Die vergessene Klugheit
So stärken Sie Ihre körperliche und psychische Gesundheit am Arbeitsplatz 2016. 208 S., 21 Abb., 2 Tab., Kt € 19,95 / CHF 26.90 ISBN 978-3-456-85578-3 Auch als eBook erhältlich
Mit Fokus auf die Ressourcenaktivierung gibt Claudia Clos in diesem kompakten Ratgeber praktische und konkrete Tipps, wie Berufstätige ihren Arbeitsalltag bewusst aktiv gestalten können, um zu mehr körperlicher und psychischer Gesundheit am Arbeitsplatz zu gelangen.
2016. 272 S., Gb € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85239-3 Auch als eBook erhältlich
Trotz Ausbildung und Renommee leiden wir in gewissen Situationen unter einer eklatanten Denkschwäche. Allan Guggenbühl geht im vorliegenden Buch den Handlungen auf den Grund, die aus nüchterner Perspektive nicht nachvollziehbar sind – und unsere Intelligenz, Kompetenzen und unseren Ausbildungsgrad in Frage stellen.
Lutz Jäncke
Marti Olsen Laney
Ist das Hirn vernünftig?
Die Macht der Introvertierten
Erkenntnisse eines Neuropsychologen
Der andere Weg zu Glück und Erfolg
2., unveränd. Aufl. 2016. 328 S., 26 Abb., 1 Tab., Kt € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85653-7 Auch als eBook erhältlich
Übersetzt von Karsten Petersen. 2., unveränd. Aufl. 2016. 304 S., Gb € 24,95 / CHF 32.50 ISBN 978-3-456-85602-5
Anhand aufschlussreicher Experimente und neuester Forschungsergebnisse, aber auch mit vielen Beispielen aus seiner Praxis als weltbekannter Forscher kann Lutz Jäncke anschaulich darstellen, welch unglaublich beeindruckendes Denkorgan unser Hirn darstellt – auch wenn es keine reine “Vernunftsmaschine” ist.
www.hogrefe.com
Wie Normen uns am Denken hindern
Marti Olsen Laney ist Psychologin und Expertin für Introversion. In diesem Ratgeber klärt sie darüber auf, was es heißt introvertiert zu sein, und zeigt mit vielen praktischen Tipps für alle Lebenslagen, wie Sie als introvertierter Mensch erfolgreicher und glücklicher leben können.
NAB Neuropsychological Assessment Battery Franz Petermann / Lutz Jäncke / Hans-Christian Waldmann Unter Mitarbeit von Mona Bornschlegl Deutschsprachige Adaptation der Neuropsychological Assessment Battery (NAB) von Robert A. Stern und Travis White Test komplett Bestehend aus: 6 Modulen und Video-Tutorial-DVD* Best.-Nr. 03 203 01 € 1890,00 / CHF 2305.00 Modul Screening Best.-Nr. 03 203 02 € 484,00 / CHF 590.00 Modul Aufmerksamkeit Best.-Nr. 03 203 03 € 342,00 / CHF 417.00
Die NAB ist eine umfangreiche Testbatterie für die neuropsychologische Diagnostik. Sie findet primär in der klinischen Neuropsychologie bei Erwachsenen Verwendung. In der Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten ist die NAB erprobt für den Einsatz in den Reha-Phasen B, C und D und kann auch bei spezifischen Fragestellungen in der klinischen Psychologie und Psychiatrie eingesetzt werden. Ebenso eignet sich die NAB als Messinstrument in der Fahreignungsdiagnostik, der Forschung zur kognitiven Entwicklung im Erwachsenenalter sowie bei gerontopsychologischen Fragestellungen.
Alle Aufgaben der deutschsprachigen NAB wurden gemeinsam auf Basis einer Stichprobe von N = 880 Erwachsenen standardisiert.
Zwei parallele Testformen der NAB ermöglichen Verlaufskontrollen (Eingangs- und Abschluss-Diagnostik).
Jedes der sechs NAB-Module kann unabhängig von den anderen Modulen angewendet werden.
www.hogrefe.com
Die NAB besteht aus sechs Modulen. Das Modul Screening erlaubt dem Untersucher zunächst eine effiziente Planung der tiefergehenden Diagnostik mit den Hauptmodulen der NAB. Die fünf Hauptmodule decken unterschiedliche Bereiche der psychologischen Diagnostik ab: ŋ Aufmerksamkeit ŋ Sprache ŋ Gedächtnis ŋ Wahrnehmung ŋ Exekutive Funktionen
Modul Sprache Best.-Nr. 03 203 04 € 326,00 / CHF 398.00 Modul Wahrnehmung Best.-Nr. 03 203 05 € 330,00 / CHF 403.00 Modul Gedächtnis Best.-Nr. 03 203 06 € 384,00 / CHF 469.00 Modul Exekutive Funktionen Best.-Nr. 03 203 07 € 238,00 / CHF 290.00 Elektronische Auswertung Best.-Nr. H5 283 70 € 198,00 / CHF 240.00 Elektronische Auswertung Screening Best.-Nr. H5 283 80 € 78,00 / CHF 95.00
* Einführungsangebot (gültig bis September 2017): Bei Kauf eines Test komplett erhalten Sie die elektronischen Auswertungsprogramme kostenlos.
Übersichtsartikel
Kognitive Störungen bei Patienten mit Herzerkrankungen – ein Überblick Maria-Dorothea Heidler1,2 1 2
Professur für Rehabilitationswissenschaften, Universität Potsdam Brandenburg Klinik, Bernau
Zusammenfassung: Patienten mit Herzerkrankung leiden unter zahlreichen kognitiven Defiziten, die mit steigendem Alter und der Schwere der kardialen Erkrankung zunehmen. Die Genese kognitiver Defizite und ihre Wechselwirkung mit Herzerkrankungen ist multifaktoriell, potenziell sind sie jedoch durch eine adäquate medizinische Behandlung der Herzerkrankung modifizierbar. Oft haben neuropsychologische Störungen wie beeinträchtigte Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- oder Exekutivfunktionen nachhaltige Auswirkungen auf die Lebensqualität und auf das Outcome kardiologischer Rehabilitationsmaßnahmen und können Herzerkrankungen verschlimmern (bspw. durch die Aufrechterhaltung eines ungesunden Lebensstils oder unzureichende Medikamentenadhärenz). Ein routinemäßig angewandtes neuropsychologisches Screening könnte helfen, kognitiv beeinträchtigte Patienten zu identifizieren, um medizinische und rehabilitative Maßnahmen optimieren zu können. Schlüsselwörter: Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit, Herzrhythmusstörung, Herzoperation
Cognitive Deficits in Patiens with Cardiac Disease – an Overview Summary: Cognitive deficits in patients with cardiac disease are common and independent of the type of heart disease present. They increase with severity of the cardiac illness and the patient’s age. The genesis of cognitive impairments and their interactions with cardiac disease is multifactorial, though cognitive deficits are potentially reversible if they receive adequate medical treatment. Yet cognitive impairments like attention deficits, memory disorders, or impairment of executive functions can lower quality of life and the outcome of cardiac rehabilitation programs. They can even aggravate cardiac disease, for example, because of an unhealthy lifestyle or insufficient medication adherence. Routinely applied neuropsychological cognitive screening could help to identify affected patients to adapt medical and rehabilitative treatment. Keywords: Heart failure, coronary heart disease, cardiac arrhythmia, heart surgery
Einleitung In den letzten drei Dekaden gab es zahlreiche Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen verschiedenen Herzerkrankungen und kognitiven Beeinträchtigungen. Generell haben kardiologische Patienten relativ zur Gesamtbevölkerung ein 1.96-fach erhöhtes Risiko für kognitive Defizite (Cacciatore et al., 1998) – v. a. in den Bereichen Aufmerksamkeit, Gedächtnis (verbale und figurale Rekognition sowie Reproduktion), Exekutivfunktionen (Problemlösefähigkeit, Handlungsplanung, Flexibilität) und psychomotorische Reaktionsgeschwindigkeit (Almeida & Flicker, 2001; Bennett & Sauvé, 2003). Vogels, Scheltens, Schroeder-Tanka und Weinstein (2007) ermittelten in einem systematischen Review eine Prävalenz kognitiver Beeinträchtigungen bei herzinsuffizienten Patienten zwischen 25 bis 74 % – in Abhängigkeit vom Studiendesign, den untersuchten Patienten, dem Schweregrad der Herzerkrankung, dem Alter, der Stichprobengröße und der Sensitivität der verwendeten Testverfahren (Dardiotis et al., 2012). © 2017 Hogrefe
Im Folgenden soll ein Überblick darüber gegeben werden, welche kognitiven Defizite bei verschiedenen Herzerkrankungen vorkommen, welche Wechselbeziehungen zwischen kardiovaskulären und neuropsychologischen Störungen bestehen und welche Konsequenzen dies für die neuropsychologische Diagnostik und Therapie hat.
Kurzanatomie des Herzens Die Herzmuskulatur schlägt täglich über 100 000mal und bewegt dabei rund sieben Tonnen Blut. Ein normales Herz kann innerhalb einer Minute in Abhängigkeit von der Belastung 6 bis 20 l Blut durch einen Kreislauf schicken, der auseinandergefaltet (samt Kapillaren) geschätzte 100 000 km beträgt. Das Herz besteht aus zwei Hälften, wobei jede einen Vorhof (Atrium) und eine Kammer (Ventrikel) umfasst. Die linke Herzhälfte versorgt den Körperkreislauf (innere Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 33–44 https://doi.org/10.1024/1016-264X/a000193
34
Organe, Haut und Muskeln), die rechte den Lungenkreislauf (Lungendurchblutung und Sauerstoffanreicherung des Blutes). Das Herz selbst wird durch die Koronararterien (auch: Herzkranzgefäße) mit Blut versorgt. Der Herzrhythmus entsteht durch einen körpereigenen Schrittmacher – den Sinusknoten, der von spezialisierten Herzmuskelzellen gebildet wird. Diese bilden ein Leben lang spontan rhythmische Aktionspotenziale (Sinusrhythmus). Die elektrischen Impulse werden zu den Vorhöfen und von dort zu den Ventrikeln weitergeleitet, wo sie die Herzmuskelzellen erregen (Rüegg, 2013). Die Hohlmuskeln beider Kammern ziehen sich zusammen (Systole), danach erschlaffen sie (Diastole). Zirkulatorisches und nervales System bilden eine integrierte und sich symbiotisch entwickelnde neurovaskuläre Einheit. Der Begriff Neurokardiologie verweist auf diesen engen Zusammenhang zwischen Physiologie und Pathophysiologie des nervalen und kardiovaskulären Systems (Goldstein, 2012). Funktionell hängen Herz und Gefäße vom Nervensystem hinsichtlich Rhythmus, Rate und Aufrechterhaltung des vaskulären Tonus ab; das Nervensystem ist wiederum im Hinblick auf seine Versorgung auf das kardiovaskuläre System angewiesen: So benötigt das Gehirn für seine Durchblutung rund 20 % des kardialen Auswurfs und Sauerstoffangebots (Lazar & Festa, 2009).
Herzinsuffizienz Die Herzinsuffizienz (HI) ist ein komplexes klinisches Syndrom mit unterschiedlicher Ätiologie. In den Industrienationen sind von HI rund 1 bis 2 % der Erwachsenen betroffen, mit einer steigenden Prävalenz von 6 bis 10 % bei den über 65-Jährigen und mehr als 10 % bei den über 70-Jährigen (Mosterd & Hoes, 2007). Bei HI führt eine abnorme Herzfunktion dazu, dass trotz ausreichendem venösen Blutangebot und adäquatem Füllungsdruck das vom Organismus benötigte Herzzeitvolumen nicht adäquat zur Versorgung der metabolisch aktiven Gewebe mit Sauerstoff erreicht werden kann (Wonisch, 2009b). Leitsymptom ist eine eingeschränkte Belastbarkeit und die HI kann klinische Endstrecke verschiedener Grunderkrankungen sein (Albus & Haass, 2014). Häufige Ursachen sind koronare Herzkrankheit, Herzmuskelerkrankungen, Herzrhythmusstörungen, Herzklappenfehler oder arterielle Hypertonie, bei der das Herz dauerhaft stärker pumpen muss. Die HI wird eingeteilt in akute vs. chronische HI, kompensierte vs. dekompensierte HI sowie hinsichtlich der betroffenen Herzhälften in Linksherzinsuffizienz (LHI) vs. Rechtsherzinsuffizienz (RHI) vs. globale Herzinsuffizienz (von Borstel, 2015). Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 33–44
M.-D. Heidler, Kognition und Herz
Linksherzinsuffizienz, Ejektionsfraktion und Kognition Bei LHI werden eine diastolische und eine systolische Insuffizienz unterschieden. Bei der diastolischen Insuffizienz (Diastole: Entspannung der Herzkammer) ist die Blutfüllung der Herzkammern unzureichend. Meist ist der linke Ventrikel krankhaft vergrößert und kann nicht mehr ausreichend gefüllt werden, sodass weniger Blut und damit weniger Sauerstoff in den Körperkreislauf gelangt. Bei der systolischen Insuffizienz (Systole: Zusammenziehung der Herzkammer) ist die kardiale Pumpleistung reduziert. Studien zeigen, dass v. a. eine systolische LHI zu neuropsychologischen Defiziten führt (Bratzke-Bauer, Pozehl, Paul & Johnson, 2013). Hierbei spielt auch die sogenannte Ejektionsfraktion (EF) eine bedeutsame Rolle, die bei 50 % der Patienten mit systolischer linksventrikulärer Dysfunktion reduziert ist (Muth, Gensichen & Butzlaff, 2006). Die EF bezeichnet den Prozentsatz des Blutvolumens, der von der Herzkammer während einer Herzaktion ausgeworfen wird in Bezug auf das Gesamtvolumen dieser Herzkammer. Normalerweise liegt die EF zwischen 60 bis 70 %, da bei einer Herzaktion die Herzkammer nicht vollständig entleert wird, sondern 30 bis 40 % des Blutvolumens dort verbleiben. Eine EF > 55 % gilt als physiologisch, von einer hochgradigen Einschränkung der EF spricht man ab einer Auswurfleistung < 35 %. Zahlreiche Studien untersuchten in den letzten Jahren den Zusammenhang zwischen reduzierter EF und Kognition: Bereits bei einer EF < 45 % zeigten Patienten mit HI (n = 50) signifikant schlechtere Leistungen in allen neuropsychologischen Domänen als 30 geriatrische Kontrollen mit einer EF von 65 % (Almeida & Tamai, 2000). Auch in anderen Studien erwies sich eine reduzierte EF als signifikanter Prädiktor für die kognitive Leistungsfähigkeit von HI-Patienten (Festa et al., 2011; Hoth, Poppas, Moser, Paul & Cohen, 2008; van den Hurk et al., 2011). Vor allem eine EF < 30 % scheint in engem Zusammenhang mit kognitiven Defiziten zu stehen (Zuccalà et al., 1997; Festa et al., 2011). Beschrieben werden reduzierte Aufmerksamkeitsleistungen (v. a. von Daueraufmerksamkeit und Vigilanz), gestörte Exekutivfunktionen (Hoth et al., 2008; Jefferson et al., 2007; Jerskey et al., 2009) sowie Beeinträchtigungen unmittelbarer und verzögerter verbaler sowie visueller Gedächtnisleistungen (Bratzke-Bauer et al., 2013; Festa et al., 2011). Zwei Bildgebungsstudien zeigten eine zu diesen Befunden passende Atrophie im medialen Temporallappen bei Patienten mit systolischer Dysfunktion (Vogels, Oosterman et al., 2007; Woo, Kumar, Macey, Fonarow & Harper, 2009). Da die EF gleichzeitig die Schwere der HI widerspiegelt, könnte die hohe Prävalenz kognitiver Defizite bei reduzierter EF aber auch mit der generellen Erkrankungsschwere assoziiert sein. Dies erklärt, warum auch unabhängig von © 2017 Hogrefe
M.-D. Heidler, Kognition und Herz
der EF kognitive Defizite ein Problem vieler Patienten mit HI sind (Cannon, McMurray & Quinn, 2015).
Art der kognitiven Defizite bei HI Eine aktuelle Clusteranalyse von Miller und Kollegen (2012) konnte drei distinkte kognitive Profile bei älteren Patienten mit HI identifizieren (n = 140, Altersdurchschnitt 69 Jahre, 36 % weiblich), die sich auch hinsichtlich demografischer und klinischer Eigenschaften unterscheiden: kognitiv intakte HI-Patienten mit einem prämorbid hohen Grad an Intelligenz und Bildung, Gedächtnisdefizite bei solchen HI-Patienten, die deutlich älter sind als in den beiden anderen Clustern und möglicherweise ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz aufweisen, HI-Patienten mit globalen kognitiven Beeinträchtigungen, wobei v. a. Aufmerksamkeit, Exekutivfunktionen und Benennleistungen betroffen sind, was dem Profil einer gemischten Demenz aus Alzheimer- plus vaskulärer Pathologie nahekommt. Diese Patientengruppe hat den geringsten Grad an kardiovaskulärer Fitness, was für einen höheren Schweregrad der HI spricht, welcher wiederum ein höheres Risiko für kognitive Beeinträchtigungen ist. Zahlreiche Studien wiesen in den letzten Jahren bei HIPatienten kognitive Defizite nach, die sich in eine dieser drei Gruppen einordnen lassen, v. a. beeinträchtigte Exekutivfunktionen (vornehmlich exekutive Kontrollprozesse wie Planen, Inhibition, Handlungssteuerung), Arbeitsgedächtnisstörungen, eine reduzierte psychomotorische Geschwindigkeit, verminderte Gedächtnisleistungen inklusive Problemen im prospektiven Gedächtnis sowie diverse Aufmerksamkeitsdefizite (Almeida & Flicker, 2001; Beer et al., 2009; Bennett & Sauvé, 2003; Habota et al., 2015; Lenski, Böhm & Kindermann, 2013; Pressler et al., 2010). Auch hinsichtlich der Art der kognitiven Defizite spielt die Schwere der HI eine Rolle: Bei noch leichter HI überwiegen beeinträchtigte Aufmerksamkeits- und Exekutivfunktionen, mit zunehmendem Schweregrad kommen Gedächtnisdefizite hinzu. Die im frühen Stadium der HI häufig beeinträchtigten Exekutivfunktionen könnten dabei ihrerseits zur Progression der HI beitragen, da sie bedeutsam sind für die Kontrolle der Symptome und für ein adäquates Medikamentenregime (van den Hurk et al., 2011).
Ursachen kognitiver Defizite bei HI
35
maßnahmen führen jedoch durchaus zu einer Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit, was den Schluss nahelegt, dass neuropsychologische Defizite bei HI potenziell reversibel sind (Lenski et al., 2013; van den Hurk et al., 2011). In den letzten Jahren wurden zahlreiche potenzielle Mechanismen identifiziert, durch die eine HI zu kognitiven Defiziten führen könnte (vgl. Abb. 1). Diskutiert werden kardiale Faktoren, diverse organische Ursachen (Anämie, Schlafapnoe mit resultierender Tagesschläfrigkeit, Schlafstörungen), hormonelle Faktoren, zerebrovaskuläre Beeinträchtigungen, Entzündungsreaktionen sowie psychosoziale Faktoren wie Depression oder Stress (Almeida & Flicker, 2001; Cormican & Williams, 2005; Deswal et al., 2001; Javaheri et al., 1995; Lenski et al., 2013; Sila, 2007). Als häufigste Ursache werden chronische zerebrale Minderdurchblutung und zerebrale Mikroembolien durch Thrombusbildung in der linken Herzkammer diskutiert, die wahrscheinlich einen synergistischen pathologischen Effekt haben (Cannon et al., 2015; Dobson & Chaudhry, 2012; Roman, 2004). Alves und Kollegen (2005) zeigten, dass der zerebrale Blutfluss bei HI dabei in spezifischen Hirnregionen reduziert ist: bilateral im Präcuneus (medialer Anteil des Parietallappens), im rechten lateralen temporo-parietalen Kortex sowie im posterioren Gyrus cinguli. Besonders vulnerabel für Minderdurchblutung ist die weiße subkortikale Substanz, die umso ausgeprägter verändert ist, je stärker der Vorhof (als Zeichen der Schwere und Chronizität einer diastolischen kardialen Dysfunktion) vergrößert ist (Oh et al., 2012). Besonders betroffen
Alter
Kardioembolische Hirninfarkte
Depression
Sozioökonomischer Status
Medikamentennebenwirkugen
Kognitive Defizite bei HI
Stoffwechselerkrankungen
Zerebrale Minderdurchblutung
Erkrankungsschwere Entzündung
Der genaue Zusammenhang zwischen HI und kognitiver Beeinträchtigung ist noch unklar. Herztransplantationen, kardiale Resynchronisationstherapien, Implantation von Linksherzunterstützungssystemen und andere Therapie© 2017 Hogrefe
Prämorbide Intelligenz
Schlafapnoe
Abbildung 1. Einige Faktoren, die zur Entwicklung kognitiver Defizite bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz (HI) beitragen könnten (nach Lenski et al., 2013).
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 33–44
36
sind die Basalganglien und der Hippokampus, sodass Funktionskreise unterbrochen werden, die sehr bedeutsam für Gedächtnis-, Aufmerksamkeits- und Exekutivfunktionen sind, da sie den Präfrontalkortex mit den Basalganglien, dem Thalamus und dem limbischen System verbinden (van den Heuvel et al., 2006). Zudem sind strukturelle Veränderungen in zahlreichen Hirnarealen nachweisbar, die für autonome Funktionen zuständig sind – bspw. im Hypothalamus sowie in Regionen, die den Hypothalamus regulieren. Neben der Insula und dem Zingulum, die auch an der Entstehung depressiver Symptome beteiligt sind (Vogels, Oosterman et al., 2007; Woo et al., 2009; Woo, Macey, Fonarow, Hamilton & Harper, 2003), ist dies v. a. der ventrale mediale Präfrontalkortex, der u. a. gemeinsam mit tiefen Kleinhirnkernen für die Kontrolle des autonomen Nervensystems (NS) zuständig ist. Bei HI kommt es zur Dysregulation des autonomen NS, v. a. zu einer erhöhten neurohormonalen und sympathischen Aktivierung bei gleichzeitiger Verminderung der parasympathischen Aktivierung. Die Folge ist ein Zustand, der den Herzmuskel schädigt und dazu führt, dass das Herz nicht mehr genug Blut und Sauerstoff in die Körperorgane und das Gewebe transportieren kann. An einem bestimmten Punkt, der nicht genau definiert werden kann und an dem die HI fortschreitet, wird wahrscheinlich die zerebrale Durchblutung gestört (Bauer, Johnson & Pozehl, 2011).
Koronare Herzkrankheit Die koronare Herzkrankheit (KHK, auch: ischämische Herzkrankheit) ist eine Arteriosklerose der Koronararterien, die zu einer Herzkranzgefäßverengung und in weiterer Folge zu einem Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot und -bedarf im Herzmuskel führt. Symptome treten oft erst bei einer Einengung der Koronararterien von 75 % auf oder als akutes Koronarsyndrom. Hierunter werden alle akuten ischämischen Herzerkrankungen subsumiert (Wonisch, 2009a); Leitsymptom ist die Angina pectoris (Albus & Haass, 2014). Einen Monat nach akutem Koronarsyndrom zeigen 30 % der Patienten eine dezente LKB (= leichte kognitive Beeinträchtigung) und 26 % eine moderate / schwere LKB (Gharacholou et al., 2011). Generell ist die KHK v. a. mit der nichtamnestischen LKB-Variante assoziiert (die in eine nichtdegenerative / vaskuläre Demenz münden kann), nicht jedoch mit der amnestischen, die häufig Vorstadium einer Alzheimer-Demenz ist (Roberts et al., 2010). Auch 6 Monate nach dem Akutereignis sind noch bei rund 30 % der Patienten kognitive Defizite v. a. im Bereich der Exekutivfunktionen nachweisbar, die jedoch primär mit funktionalen und weniger mit strukturellen Veränderungen in kogniZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 33–44
M.-D. Heidler, Kognition und Herz
tiven Netzwerken einherzugehen scheinen (Bernard et al., 2015). Bei älteren KHK-Patienten werden allerdings auch zahlreiche strukturelle Veränderungen beschrieben – bspw. haben diese im Vergleich zu kognitiv unauffälligen Kontrollen einen Volumenverlust sowohl an weißer als auch an grauer Substanz im prä- und postzentralen Kortex, im rechten Temporallappen, im linken mittleren Gyrus temporalis, im rechten Präcuneus, im posterioren Zingulum sowie im linken medialen Frontallappen. Diese Strukturen sind assoziiert mit Antriebsfunktionen, Arbeitsgedächtnisprozessen, Aufmerksamkeitsressourcenallokation,Reaktionsgeschwindigkeit und episodischen Gedächtnisfunktionen (Almeida et al., 2008; Santiago et al., 2015), die v. a. bei älteren KHKPatienten defizitär sind (Silbert, Scott, Evered, Lewis & Maruff, 2007). Daneben ist die KHK mit wahrscheinlich 75 % die häufigste Ursache eines plötzlich abgewendeten Herztodes, der zur hypoxischen Enzephalopathie (auch: Postreanimationsenzephalopathie) führen kann (Hamann et al., 2012).
Herzrhythmusstörungen Herzrhythmusstörungen (HRST) sind Abweichungen vom normalen Sinusrhythmus des Herzens infolge von Störungen der Erregungsbildung oder Erregungsleitung im Herzmuskel, wofür zahlreiche Herzerkrankungen (KHK, Herzfehler etc.) verursachend sein können (Albus & Haass, 2014). Die Symptome reichen von unbemerkten Extrasystolen (= zusätzliche Pumpaktionen der Herzmuskulatur) bis hin zum Kammerflimmern mit Herz-Kreislauf-Stillstand. Patienten mit HRST haben ein hohes Risiko für die Entwicklung kognitiver Defizite, wobei die Beziehung zwischen Kognition und Herzrhythmus bidirektional ist: HRST können die Förderleistung des Herzens verringern und über eine Reduktion der Hirndurchblutung v. a. in Arealen gestörter zerebraler Autoregulation fokalneurologische Defizite verstärken und zu einer allgemeinen psychosomatischen Belastbarkeitsminderung führen (van Schayck, 2004). Andersherum ist das ZNS bedeutsam für die Kontrolle des Herzrhythmus, sodass ein enger Zusammenhang zwischen bio-behavioralen Faktoren, Herzrhythmus und plötzlichem Herztod besteht. So ist bspw. eine Störung der zirkadianen Blutdruckvariabilität nach einem Hirninfarkt mit Beteiligung des Inselkortex bei bis zu einem Drittel der Patienten noch über die Akutphase hinaus problematisch. Das Risiko eines plötzlichen Herztods nach Schlaganfall ist dabei unabhängig vom allgemeinen klinischen Zustand bis zu 30 Tage erhöht. In der Akutphase sind besonders Patienten mit rechtshemisphärischer Inselkortexläsion durch kardiale Komplikationen gefährdet. Prognostisch erleiden diese Patienten signifikant häufiger erneute Hirn- oder Herzinfarkte (van Schayck, 2004). © 2017 Hogrefe
M.-D. Heidler, Kognition und Herz
37
Vorhofflimmern Vorhofflimmern (VHF = ein unkontrolliertes Zucken der Herzvorhöfe) ist die häufigste Herzrhythmusstörung und betrifft rund 10 % der über 80-Jährigen (Naccarelli, Varker, Lin & Schulman, 2009). Die Einteilung erfolgt klinisch u. a. nach der Episodendauer in paroxysmales VHF (≤ 48 Stunden), persistierendes VHF (> 7 Tage), langanhaltend persistierendes VHF (> 1 Jahr) und permanentes VHF (Samol & Kirchhof, 2011). In den letzten Jahren wurden zahlreiche Studien durchgeführt mit dem Ziel, einen möglichen Zusammenhang zwischen VHF und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Demenz aufzudecken. Die Datenlage ist bislang widersprüchlich: Einige Studien zeigten keinen Zusammenhang (Mead & Keir, 2001; Park, Hildreth, Thomson & O’Connell, 2007; Piguet et al., 2003; Rastas et al., 2007), was auf das Alter, das Geschlecht und die Effektivität der Antikoagulation zurückgeführt werden könnte (Gorelick et al., 2011). Allerdings wurden hier insgesamt weniger als 700 Patienten untersucht und die Follow-up-Zeiten waren relativ kurz. Andere Studien (Bunch et al., 2010; Dublin et al., 2011; Elias et al., 2006; Miyasaka et al., 2007; Ott et al., 1997) zeigen hingegen einen Zusammenhang zwischen VHF und einem erhöhten Demenzrisiko (insbesondere für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz, aber auch für andere Demenzformen unabhängig von Schlaganfällen), allerdings ist die Art dieses Zusammenhangs noch unklar. Zum einen ist VHF assoziiert mit einer erhöhten Herzfrequenzvariabilität, die zur zerebralen Minderdurchblutung führen kann (Goette & Braun-Dullaeus, 2008; Lavy et al., 1980). Daneben führt VHF zu einer inkompletten Entleerung des Vorhofs, was die Bildung von Thromben im linken Herzrohr begünstigt. Dies erhöht das Risiko für zerebrale Mikroinfarkte und thromboembolische Schlaganfälle, welche das Risiko für eine vaskuläre Demenz ansteigen lassen (Sonnen et al., 2007; Wolf, D’Agostino, Belanger & Kannel,
1991). Allerdings zeigten einige Studien, dass der Zusammenhang zwischen VHF und kognitiven Defiziten relativ unabhängig von kardiovaskulären Risikofaktoren oder vorbestehenden Schlaganfällen ist (Marzona et al., 2012; O’Connell, Gray, French & Roberston, 1998). In einer Untersuchung von Ball, Carrington und Stewart (2013) hatten 65 % der Patienten (n = 260, Altersdurchschnitt 72) mit chronischem VHF ohne vorherige Anzeichen einer Demenz eine LKB (erhoben mittels MoCA). Die einfache Abfolge von repetitiven Mikroemboli und kognitiver Verschlechterung bis hin zur vaskulären Demenz reicht demnach nicht aus, um den Zusammenhang zwischen VHF und kognitiven Defiziten vollständig zu erklären. Allerdings könnten zerebrale Mikroinfarkte mit anderen neuropathologischen Faktoren interagieren (z. B. neuritischen Plaques oder Neurofibrillen), die bei Älteren oft koexistieren und zu einer Verminderung der kognitiven Reserve führen können, was den Beginn einer Demenz beschleunigen kann (vgl. Abb. 2). Amyloid-Fibrillen kommen sowohl bei Patienten mit Alzheimer-Demenz als auch bei einer Untergruppe von Patienten mit VHF vor, allerdings unterscheiden sich die Fibrillen-Proteine, sodass unklar ist, ob VHF und Alzheimer-Demenz hinsichtlich der Amyloidgenese tatsächlich auf denselben Pathomechanismen beruhen (Goette & Braun-Dullaeus, 2008). Bildgebungsstudien führten in den letzten Jahren ebenfalls zu widersprüchlichen Ergebnissen: Knecht und Kollegen (2008) konnten zeigen, dass beeinträchtigte Lernund Gedächtnisfunktionen bei Patienten mit sowohl paroxysmalem als auch persistierendem VHF assoziiert sind mit einer hippokampalen Atrophie, jedoch keine generalisierte Hirnatrophie und Anzeichen von Läsionen der weißen Substanz (als Zeichen von Mikroangiopathie) bestehen. Diesem Befund nach scheinen bei Patienten mit VHF also spezifische Veränderungen der zerebralen Morphologie zu bestehen, was gegen die These kognitiver Störungen durch multiple subklinische thromboembolische
Zelluläre Konjugate/Emboli
Vorhofflimmern
Kognitive Verschlechterung Vaskuläre Demenz
Unregelmäßiger Blutfluss
Amyloidentstehung
Kognitive Verschlechterung Alzheimer-Demenz
Abbildung 2. Vermuteter Zusammenhang zwischen Vorhofflimmern, kognitiver Verschlechterung und Demenz (nach Goette et al., 2008).
© 2017 Hogrefe
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 33–44
38
Hirninfarkte spricht, da solche Läsionen alle Areale diffus betreffen müssten. Im Gegensatz dazu fanden Stefansdottir und Kollegen (2013) bei Patienten mit VHF ohne vorbestehende Schlaganfälle ein deutlich reduziertes globales Hirnvolumen im Vergleich zu Kontrollen ohne VHF (p < .001), wobei die Assoziation bei persistierendem / permanentem VHF deutlich stärker war als bei paroxysmalem VHF. Patienten mit VHF zeigten ein deutlich verringertes Volumen an weißer und grauer Substanz. Letztlich lässt der Zusammenhang zwischen Hirnatrophie, niedrigem Blutdruck und VHF eine hämodynamische Ursache vermuten (Raiha, Tarvonen, Kurki, Rajala & Sourander, 1993). Diskrete Hirnveränderungen könnten wiederum den autonomen Input zum Herzen beeinflussen, die kardiale Erregungsleitung verändern und zu VHF führen. Möglicherweise liegen VHF und verschiedenen Formen von Demenz auch die gleichen Risikofaktoren oder ähnliche pathophysiologische Mechanismen (z. B. Entzündungen) zugrunde (Dublin et al., 2011).
Kognitive Defizite nach Herzoperationen In Deutschland werden jährlich rund 100 000 Patienten am Herzen operiert. Zu den Operationsfolgen gehören ischämische Schlaganfälle, postoperatives Delir (POD) und eine Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit, die als POCD (= Postoperative Cognitive Dysfunction) bezeichnet wird. Während das POD durch Bewusstseinsstörungen, Desorientierung sowie gravierende Gedächtnisund Aufmerksamkeitsstörungen gekennzeichnet ist, betrifft die POCD vorrangig die deklarativen (v. a. verbalen) Gedächtnisleistungen sowie Exekutivfunktionen, Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und Aufmerksamkeitsleistungen (ohne Desorientierung oder Bewusstseinsstörung). Diese Defizite sind oft subtil, zeigen meist keine Progression (Raja, Blumenthal & Doraiswamy, 2004), können aber über Monate oder Jahre bestehen bleiben (Schwarz, Schönburg, Kastaun, Gerriets & Kaps, 2011).
Prävalenz von POCD und POD Die Vorkommenshäufigkeit der POCD ist abhängig vom Alter, vom postoperativen Untersuchungszeitpunkt und von der Art des Eingriffs (Haseneder, Kochs & Jungwirth, 2012). In einem Review von Sun, Lindsay, Monsein, Hill und Corso (2012) wird eine Prävalenz von 14 bis 48 % angegeben, wobei auch 6 Wochen postoperativ noch bei 30 % und 6 Monate postoperativ bei 25 % der Patienten Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 33–44
M.-D. Heidler, Kognition und Herz
kognitive Beeinträchtigungen nachgewiesen werden konnten. Eine noch höhere Prävalenz zeigten Newman und Kollegen (2001): Nach Bypass-OP bestanden bei 53 % der Patienten direkt nach Entlassung aus dem Krankenhaus kognitive Defizite, nach einem halben Jahr noch bei 24 % und erstaunlicherweise bei 42 % der Patienten auch noch nach 5 Jahren. Ein hohes Alter, ein niedriger Bildungsgrad sowie vorbestehende und postoperative kognitive Defizite hatten dabei einen hohen prädiktiven Wert für ein schlechtes kognitives Langzeitoutcome nach 5 Jahren. Aufgrund einer fehlenden Kontrollgruppe ohne Bypass-OP ist jedoch schwer zu eruieren, ob nicht andere Gründe (kognitives Altern, Alzheimer-Demenz, eine Progression der zugrunde liegenden zerebrovaskulären Erkrankung etc.) für die kognitive Verschlechterung nach 5 Jahren verantwortlich sein könnte (Selnes & McKhann, 2005). Andere Studien zeigten nämlich keine gravierenden kognitiven Langzeiteffekte: Bei Selnes und Kollegen (2003) bestanden jeweils 3 und 12 Monate nach BypassOP keine Unterschiede zwischen Herz-OP-Patienten (n = 140) und Kontrollen (n = 120), was dafür spricht, dass die POCD meist transient und reversibel ist. Auch ein postoperatives Delir ist häufig: Saczynski und Kollegen (2012) zeigten, dass fast die Hälfte (46 %) der Patienten (n = 2 25, ≥ 60 Jahre) nach einem herzchirurgischen Eingriff unter einem POD litt, welches auch 6 Monate nach dem Eingriff noch Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit hatte (gemessen mit der Mini-Mental State Examination). Ein Risikofaktor für sowohl POD als auch POCD sind vorbestehende kognitive Defizite (Millar, Asbury & Murray, 2001), die ebenfalls eine hohe Prävalenz aufweisen: So zeigten zahlreiche Studien an Patienten mit KHK, an denen eine Koronarangiografie oder Herzoperation durchgeführt werden sollte, dass diese bereits vor dem Eingriff kognitive Defizite aufwiesen im Vergleich zu gesunden Kontrollen – v. a. in den Bereichen Exekutivfunktionen, verbales Lernen und psychomotorische Geschwindigkeit (Silbert et al., 2007; Vingerhoets, Van Nooten & Jannes, 1997). Durchschnittlich einer von drei Patienten (25 bis 35 %) zeigte bereits vor einer Bypass-OP kognitive Scores, die zwei Standardabweichungen unter der Norm lagen (Evered et al., 2009; Hudetz, Patterson & Pagel, 2012; Silbert et al., 2007). Bei postmenopausalen Frauen lag die Prävalenz sogar bei 45 % (Hogue et al., 2006). Vermutet wird u. a., dass dieselbe vaskuläre Pathologie sowohl die Koronararterien als auch zerebrale Arterien schädigt.
Ursachen von POCD und POD Langzeitstudien zeigen, dass v. a. solche herzchirurgischen Operationen ein Risikofaktor für kognitive Defizite sind, bei denen die Patienten maschinell beatmet werden müs© 2017 Hogrefe
M.-D. Heidler, Kognition und Herz
sen (McKhann, Borowicz, Goldsborough, Enger & Selnes, 1997; Newman et al., 2001). POCD wird nach Bypass-OP, Herzklappen-OP oder Kombinationseingriffen (Aortenklappe / Bypass) beschrieben, wobei das neurologische Risiko bei Kombinationseingriffen höher ist als bei isolierten Eingriffen (Schwarz et al., 2011). Patienten nach Klappenersatz-OP sind signifikant stärker und signifikant länger von kognitiven Defiziten betroffen als Patienten nach Bypass-OP (Walzer, Wallesch, Starkstein & Herrmann, 1998). Vermutet wird derzeit eine multifaktorielle Genese aus patienten- und operationsbezogenen Faktoren (Stroobant & Vingerhoets, 2009). Als Faktoren während der OP könnten der arterielle Druck, die Länge der OP und die Art der Anästhesie eine Rolle spielen (Haddock, Poston & Taylor, 2003). Nach Anästhesie ist die Expression von Proteinen verändert – u. a. von solchen, die für synaptische Plastizität und damit bspw. für Gedächtnisbildung wichtig sind. Allerdings zeigen etliche Studien, dass es kaum Unterschiede in der Vorkommenshäufigkeit von POCD nach Allgemeinoder Lokalanästhesie gibt, sodass eine Vollnarkose nicht alleinige Ursache sein kann (Haseneder et al., 2012). Als weitere ätiologische Faktoren für POD und POCD werden die durch einen chirurgischen Reiz hervorgerufene Neuroinflammation sowie mikroembolisch verursachte Infarkte angenommen. Solche zerebralen Läsionen sind oftmals winzig, singulär oder multipel in verschiedenen Hirnarea-
39
len lokalisiert und betreffen v. a. das Posteriorstromgebiet (Schwarz et al., 2011). Auch Minderdurchblutung könnte eine Rolle spielen, letztlich ist aber unklar, in welchem Ausmaß diese vorkommen muss; vermutlich führt der verminderte Blutfluss während der OP zu einer reduzierten Auswaschung von embolischem Material (Selnes & McKhann, 2005): Studien mit transkranialem Doppler-Monitoring zeigten einen regelrechten Erguss von kleinen Partikelund Luftemboli während kardialer und zerebrovaskulärer Manipulationen (Sun et al., 2012). Die Pathogenese von POCD und POD beinhaltet demnach komplexe Interaktionen zwischen kardialen Funktionen, vaskulärer Dysfunktion und Faktoren der Herz-OP selbst.
Konsequenzen für die neuropsychologische Diagnostik und Therapie Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die beschriebenen kognitiven Störungen bei herzerkrankten Patienten (für eine Übersicht vgl. Tab. 1) negativ auf die Lebensqualität und auch auf den Erfolg einer kardiologischen Rehabilitation auswirken werden, die neben Sporttherapie, Physiotherapie und medizinischer Versorgung v. a. psychoedukative
Tabelle 1. Zusammenfassende Darstellung neuropsychologischer Beeinträchtigungen bei verschiedenen Herzerkrankungen und nach Herzoperationen Kardiale Erkrankung
Aktuelle neuropsychologische Befunde
Herzerkrankungen allgemein
Herzerkrankte haben ein 1.96-fach erhöhtes Risiko für kognitive Defizite (Cacciatore et al., 1998); primär betroffen sind Aufmerksamkeit, Gedächtnisleistungen (verbale und figurale Rekognition sowie Reproduktion), Exekutivfunktionen (Problemlösefähigkeit, Handlungsplanung, Flexibilität) und psychomotorische Reaktionsgeschwindigkeit (Almeida & Flicker, 2001; Bennett & Sauvé, 2003)
Herzinsuffizienz (HI)
v. a. eine systolische Linksherzinsuffizienz führt zu kognitiven Defiziten (Bratzke-Bauer et al., 2013); eine Ejektionsfraktion < 30 % steht in Zusammenhang mit reduzierten Aufmerksamkeitsleistungen (v. a. von Daueraufmerksamkeit und Vigilanz), beeinträchtigten Exekutivfunktionen (Hoth et al., 2008; Jefferson et al., 2007; Jerskey et al., 2009) und gestörten unmittelbaren sowie verzögerten verbalen und visuellen Gedächtnisleistungen (Festa et al., 2011); die Art der kognitiven Defizite hängt von der Schwere der HI ab: bei leichter HI bestehen beeinträchtigte Aufmerksamkeits- und Exekutivfunktionen, mit zunehmendem Schweregrad außerdem Gedächtnisdefizite (Miller et al., 2012)
Koronare Herzkrankheit (KHK)
ist assoziiert mit der nichtamnestischen Variante der LKB (Roberts et al., 2010); häufig beeinträchtigt sind Antriebsfunktionen, Arbeitsgedächtnisprozesse, Aufmerksamkeitsressourcenallokation, Reaktionsgeschwindigkeit und episodische Gedächtnisleistungen (Almeida et al., 2008; Santiago et al., 2015)
Herzrhythmusstörung: Vorhofflimmern (VHF)
vermutet wird ein Zusammenhang zwischen VHF und erhöhtem Demenzrisiko, insbesondere für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz, aber auch anderer Demenzformen unabhängig von Schlaganfällen (Bunch et al., 2010; Dublin et al., 2011; Elias et al., 2006; Miyasaka et al., 2007)
Diverse Herzoperationen
Operationsfolgen sind ischämische Schlaganfälle, postoperatives Delir (POD) und postoperative kognitive Dysfunktion (POCD); bei POD: Bewusstseinsstörungen, Desorientierung sowie gravierende Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen (Saczynski et al., 2012); bei POCD: deklarative (v. a. verbale) Gedächtnisdefizite, beeinträchtigte Exekutivfunktionen, reduzierte Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit sowie Aufmerksamkeitsstörungen; die Defizite bei POCD sind oft subtil und ohne Progression (Raja et al., 2004), können aber über Monate oder Jahre persistieren (Schwarz et al., 2011)
© 2017 Hogrefe
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 33–44
40
M.-D. Heidler, Kognition und Herz
Maßnahmen beinhaltet. So ist u. a. die konsequente Sekundärprävention ein wesentlicher Bestandteil kardiologischer Rehabilitation, welche adäquate Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- und Exekutivfunktionen voraussetzt (Karoff & Knittel, 2007). Gestörte Exekutivfunktionen (Kakos et al., 2010) können hier bspw. zu Schwierigkeiten bei der regelmäßigen Medikamenteneinnahme, beim Erkennen von individuellen krankheitsmodulierenden Faktoren, beim Lernen und Ausführen von Überwachungsfunktionen (z. B. selbstständigen Blutdruckmessungen), bei Reaktionen auf die Symptome einer Herzinsuffizienz (Lee et al., 2013) oder bei der Umsetzung von Veränderungen des Lebensstils führen. Eine systematische neuropsychologische Testung von Patienten mit diversen kardiologischen Erkrankungen wäre somit sehr hilfreich – einerseits um Patienten mit kognitiven Defiziten früh identifizieren und eine neuropsychologische sowie medikamentöse Therapie rasch etablieren zu können, andererseits um andere begünstigende Faktoren für kognitive Beeinträchtigungen (z. B. eine Depression) erkennen und behandeln zu können (Polidori, Mariani, Mecocci & Nelles, 2006). Zumindest für die Erfassung komorbider psychischer Störungen wie Depression und Angst wird in den deutschen Leitlinien ein routinemäßiges, validiertes psychodiagnostisches Screening zu Beginn der kardiologischen Rehabilitation bei allen KHK-Patienten empfohlen (Reese, Spieser & Mittag, 2012), bspw. mittels HADS (Hospital Anxiety and Depression Scale) oder der Kurzform des PHQ
(Patient Health Questionnaire). Hinsichtlich der Erfassung kognitiver Störungen gibt es bislang keine einheitlichen Empfehlungen. Zwar schlugen Murkin, Newman, Stump und Blumenthal bereits 1995 eine neuropsychologische Testbatterie für Patienten nach herzchirurgischen Eingriffen vor, die für den deutschen Sprachraum von Zauner, Gaßner, Haider und Wallner (2004) adaptiert und ergänzt wurde (vgl. Tab. 2). Diese ist jedoch sehr umfangreich und zeitunökonomisch in der klinischen Anwendung (Bauer et al., 2011). Zudem fehlt bislang noch ein Konsens über die einzusetzenden Verfahren, die Definition abweichender Werte und die optimalen Testzeitpunkte. Aber auch Screeningverfahren, die zeitökonomischer sind, werden derzeit nicht routinemäßig eingesetzt. Als guter Siebtest für kognitive Leistungen hat sich das Montreal Cognitive Assessment (MoCA) erwiesen, mit welchem zahlreiche kognitive Domänen erfasst werden können (Nasreddine et al., 2005). In der initialen Evaluation hatte ein Score ≤ 26 eine Sensitivität von 90 % und eine Spezifität von 78 % für LKB in einer geriatrischen Patientenstichprobe, die auch gesunde Kontrollen, LKB- und AlzheimerPatienten enthielt. Harkness, Demers, Heckman und McKelvie (2011) evaluierten das MoCA an einer kleinen Stichprobe älterer Patienten mit HI und zeigten, dass 70 % der Patienten den Kriterien einer LKB entsprachen. Vergleichende Studien zeigten eine gleiche Sensitivität wie die Mini-Mental State Examination (Hawkinks et al., 2014) bzw. sogar eine deutlich bessere als diese (Cameron, Worrall-Carter, Page, Stewart & Ski, 2012).
Tabelle 2. Möglichkeiten einer neuropsychologischen Diagnostik und Verlaufskontrolle kognitiver Leistungen und psychischer Komorbiditäten bei kardiologischen Patienten (nach Zauner et al., 2004) Erhobene Funktionen/ kognitive Leistungen
Messzeitpunkt 1: präoperativ
Messzeitpunkt 2: 3 Monate postoperativ bzw. zu Rehabilitationsbeginn
Messzeitpunkt 3: Verlaufs-Follow-up bzw. zu Rehabilitationsende
Kognitives Screening
K-NEK
–
–
Selektive Aufmerksamkeit/ Exekutivfunktionen
Trail Making Test
Trail Making Test
–
Psychomotorik
Grooved Pegboard
Grooved Pegboard
–
Konzentration
Cognitrone Figurensatz
Cognitrone Figurensatz
Cognitrone Figurensatz
Reaktive Belastbarkeit
Wiener Determinationstest
Wiener Determinationstest
Wiener Determinationstest
Verbales Gedächtnis
Verbaler Lern- und Gedächtnistest
Verbaler Lern- und Gedächtnistest
Verbaler Lern- und Gedächtnistest
Alltagsgedächtnis
Rivermead Behavioural Memory Test
Rivermead Behavioural Memory Test
Rivermead Behavioural Memory Test
Denkleistung
Culture Fair Test
Culture Fair Test
Culture Fair Test
Lebensqualität
SF-36
SF-36
SF-36
Emotionale Befindlichkeit
HADS-D
HADS-D
HADS-D
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 33–44
© 2017 Hogrefe
M.-D. Heidler, Kognition und Herz
Neben der Diagnostik kognitiver Defizite könnten Neuropsychologen zudem die Kognition herzkranker Patienten verbessern und dazu beitragen, dass diese mehr von psychoedukativen Maßnahmen profitieren können (Gunstad et al., 2005). Eine erste Effektivitätsstudie mit einem computergestützten neuropsychologischen Trainingsprogramm zeigte deutliche Besserungen der Patienten in den Bereichen Gedächtnis (Listenlernen und verzögerter Abruf), Arbeitsgedächtnis, psychomotorische Geschwindigkeit, Exekutivfunktionen und in instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens (Pressler et al., 2011). Eine neuropsychologische Regelversorgung kardiologischer Rehabilitanden findet derzeit jedoch noch nicht statt.
Zusammenfassung und Ausblick Kognitive Defizite sind ein häufiges Problem herzerkrankter Patienten, wobei das Ausmaß neuropsychologischer Beeinträchtigungen mit der Schwere der Herzerkrankung korreliert (Zuccalà et al., 1997). Eine Generalisierung von Untersuchungsergebnissen (z. B. hinsichtlich Prävalenz und Art der kognitiven Defizite) wird allerdings erschwert durch die Heterogenität der untersuchten Patienten sowie das häufige Fehlen von Kontrollgruppen (Almeida & Flicker, 2001). Letztlich kann aber bereits eine subklinische Verringerung der Herzleistung mit einer reduzierten kognitiven Leistungsfähigkeit und psychomotorischen Verlangsamung in Verbindung gebracht werden (Jefferson et al., 2007; Jefferson et al., 2010). Vor allem eine chronisch reduzierte systemische Durchblutung könnte dabei zu einer progredienten Schädigung der weißen Substanz mit resultierenden kognitiven Defiziten und schließlich zur Demenz führen (Gruhn et al., 2001). Hierfür wurde bereits 1977 der Terminus kardiogene bzw. zirkulatorische Demenz geprägt, ausgehend von der Annahme, dass ältere Herzerkrankte im Rahmen verschiedener kardialer Erkrankungen anfällig für zerebrale Minderdurchblutung sind (Barclay, Weiss, Mattis, Bond & Blass, 1988). Vice versa erhöhen kognitive Störungen ihrerseits das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (z. B. einen Schlaganfall), die sich wiederum negativ auf das kognitive Leistungsvermögen auswirken (O’Donnell et al., 2012). Was zuerst da war (kognitive Defizite oder Herzerkrankung), ist oft schwer zu eruieren, da sie sich gegenseitig bedingen (Cannon et al., 2015). Letztlich sind die pathophysiologischen Interaktionen verschiedener metabolischer und kardiovaskulärer Erkrankungen mit kognitiven Leistungen sehr komplex, sodass klare kausale Zusammenhänge schwer herzustellen sind. Da zudem sämtliche Risikofaktoren für kognitive Defizite (Bluthochdruck, zu niedrige oder zu hohe Cholesterinwerte, Arteriosklerose, periphere vaskuläre Erkrankungen, KHK, VHF, © 2017 Hogrefe
41
LHI etc.) bei vielen Patienten gleichzeitig bestehen, ist eine isolierte Betrachtung einzelner Faktoren sowieso nahezu unmöglich (Stroobant & Vingerhoets, 2009). Doch obwohl herzerkrankte Patienten ein höheres Risiko für die Entwicklung kognitiver Defizite als Herzgesunde gleichen Alters haben, sind diese durch eine Behandlung der Herzerkrankung (Pharmakotherapie, Herzoperationen oder Herztransplantationen) und eine neuropsychologische Therapie durchaus modifizierbar (Debette et al., 2007; Hajduk, Kiefe, Person, Gore & Saczynski, 2013). Diese potenzielle Reversibilität ist ein bedeutsamer Punkt im Hinblick auf eine „neurovaskuläre Neuropsychologie“: Da kardiologische Rehabilitation zu großen Teilen auf Psychoedukation beruht, die ein intaktes zerebrales Integrationsvermögen voraussetzt, sollte eine routinemäßige neuropsychologische Testung (bspw. mittels eines zeitökonomischen sensitiven Screeninginstruments wie dem MoCA) zu Rehabilitationsbeginn Standard sein. Damit könnte sichergestellt werden, dass die kognitiven Voraussetzungen für Schulungsmaßnahmen gegeben sind (Boll-Klatt, 2014); zudem könnte, falls erforderlich, eine neuropsychologische Therapie initiiert werden, damit die Patienten von rehabilitativen Maßnahmen optimal profitieren können.
Literatur Albus, C. & Haass, M. (2014). Grundzüge kardialer Erkrankungen. In C. Herrmann-Lingen, C. Albus & G. Titscher (Hrsg.), Psychokardiologie. Ein Praxisleitfaden für Ärzte und Psychologen (2. Aufl., S. 5 – 48). Köln: Deutscher Ärzte-Verlag. Almeida, O. P. & Flicker, L. (2001). The mind of a failing heart: a systematic review of the association between congestive heart failure and cognitive functioning. Internal Medicine Journal, 31, 290 – 295. Almeida, O. P., Garrido, G. J., Beer, C., Lautenschlager, N. T., Arnolda, L., Lenzo, N. P. et al. (2008). Coronary heart disease is associated with regional grey matter volume loss: implications for cognitive function and behaviour. Internal Medicine Journal, 38, 599 – 606. Almeida, O. P. & Tamai, S. (2000). Congestive heart failure and cognitive functioning amongst older adults. Arquivos de Neuropsiquiatria, 59, 324 – 329. Alves, T. C., Rays, J., Fraguas, R., Wajngarten, M., Menegetti, J. C., Prando, S. et al. (2005). Localized cerebral blood flow reductions in patients with heart failure: A study using Tc-HMPAO SPECT. Journal of Neuroimaging, 15, 150 – 156. Ball, J., Carrington, M. J. & Stewart, S. (2013). Mild cognitive impairment in high-risk patients with chronic atrial fibrillation: a forgotten component of clinical management? Heart, 99, 542 – 547. Barclay, L. L., Weiss, E. M., Mattis, S., Bond, O. & Blass, J. P. (1988). Unrecognized cognitive impairment in cardiac rehabilitation patients. Journal of the American Geriatrics Society, 36, 22 – 28. Bauer, L. C., Johnson, J. K. & Pozehl, B. J. (2011). Cognition in heart failure: an overview of the concepts and their measures. Journal of the American Academy of Nurse Practitioners, 23, 577 – 585. Beer, C., Ebenezer, E., Fenner, S., Lautenschlager, N. T., Arnolda, L., Flicker, L. et al. (2009). Contributors to cognitive impairment in congestive heart failure: a pilot case-control study. Internal Medicine Journal, 39, 600 – 605. Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 33–44
42
Bennett, S. J. & Sauvé, M. J. (2003). Cognitive deficits in patients with heart failure: a review of the literature. The Journal of Cardiovascular Nursing, 18, 219 – 242. Bernard, C., Catheline, G., Dilharreguy, B., Couffinhal, T., Ledure, S., Lassalle-Lagadec, S. et al. (2015). Cerebral changes and cognitive impairment after ischemic heart disease: a multimodal MRI study. Brain Imaging and Behavior, doi 10.1007 / s11682-015-9483-4. Boll-Klatt, A. (2014). Psychokardiologie in der kardiologischen Rehabilitation. In C. Herrmann-Lingen, C. Albus & G. Titscher (Hrsg.), Psychokardiologie. Ein Praxisleitfaden für Ärzte und Psychologen (2. Aufl., S. 261 – 283). Köln: Deutscher Ärzte-Verlag. Bratzke-Bauer, L. C., Pozehl, B. J., Paul, S. M. & Johnson, J. K. (2013). Neuropsychological patterns differ by type of left ventricle dysfunction in heart failure. Archives of Clinical Neuropsychology, 28, 114 – 124. Bunch, T. J., Weiss, J. P., Crandall, B. G., May, H. T., Bair, T. L., Osborn, J. S. et al. (2010). Atrial fibrillation is independently associated with senile, vascular, and Alzheimer’s dementia. Heart Rhythm, 7, 433 – 437. Cacciatore, F., Abete, P., Ferrara. N., Calabrese, C., Napoli, C., Maggi, S. et al. (1998). Congestive heart failure and cognitive impairment in an older population. Journal of the American Geriatrics Society, 46, 1343 – 1348. Cameron, J., Worrall-Carter, L., Page, K., Stewart, S. & Ski, C. F. (2012). Screening for mild cognitive impairment in patients with heart failure: Montreal Cognitive Assessment versus Mini Mental State Exam. Cardiovascular Nursing, 12, 252 – 260. Cannon, J. A., McMurray, J. J. V. & Quinn, T. J. (2015). ‘Hearts and minds’: association, causation and implication of cognitive impairment in heart failure. Alzheimer’s Research & Therapy, 7, 22. Cormican, L. J. & Williams, A. (2005). Sleep disordered breathing and its treatment in congestive heart failure. Heart, 9, 1265 – 1270. Dardiotis, E., Giamouzis, G., Masstrogiannis, D., Vogiatzi, C., Skoularigis, J., Triposkiadis, F. et al. (2012). Cognitive impairment in heart failure. Cardiology Research and Practice, Article ID 595821. Debette, S., Bauters, C., Leys, D., Lamblin, N., Pasquier, F. & de Groote, P. (2007). Prevalence and determinants of cognitive impairment in chronic heart failure patients. Congestive Heart Failure, 4, 205 – 208. Deswal, A., Petersen, N. J., Feldman, A. M., Young, J. B., White, B. G. & Mann, D. L. (2001). Cytokines and cytokine receptors in advanced heart failure: an analysis of the cytokine database from the VESnarinone Trial (VEST). Circulation, 103, 2055 – 2059. Dobson, J. A. & Chaudhry, S. I. (2012). Geriatric conditions in heart failure. Current Cardiovascular Risk Reports, 6, 404 – 410. Dublin, S., Anderson, M. L., Haneuse, S. J., Heckbert, S. R., Crane, P. K., Breitner, J. C. et al. (2011). Atrial fibrillation and risk of dementia: a prospective cohort study. Journal of the American Geriatrics Society, 59, 1369 – 1375. Elias, M. F., Sullivan, L. M., Elias, P. K., Vasan, R. S., D’Agostino, R. B., Sr., Seshadri, S. et al. (2006). Atrial fibrillation is associated with lower cognitive performance in the Framingham offspring men. Journal of Stroke and Cerebrovascular Diseases, 15, 214 – 222. Evered, L. A., Silbert, B. S., Scott, D. A., Maruff, P., Laughton, K. M., Volitakis, I. et al. (2009). Plasma amyloid beta42 and amyloid beta40 levels are associated with early cognitive dysfunction after cardiac surgery. Annals of Thoracic Surgery, 88, 1426 – 1432. Festa, J. R., Jia, X., Cheung, K., Marchidann, A., Schmidt, M., Shapiro, P. A. et al. (2011). Association of low ejection fraction with impaired verbal memory in older patients with heart failure. Archives of Neurology, 68, 1021 – 1026. Gharacholou, S. M., Reid, K. J., Arnold, S. V., Spertus, J., Rich, M. W., Pellikka, P. A. et al. (2011). Cognitive impairment and outcomes in older adult survivors of acute myocardial infarction: findings from the TRIUMPH Registry. American Heart Journal, 162, 860 – 869. Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 33–44
M.-D. Heidler, Kognition und Herz
Goette, A. & Braun-Dullaeus, R. C. (2008). Atrial fibrillation is associated with impaired cognitive function and hippocampal atrophy: silent cerebral ischaemia vs. Alzheimer’s disease. European Heart Journal, 29, 2067 – 2069. Goldstein, D. S. (2012). Neurocardiology: therapeutic implications for cardiovascular disease. Cardiovascular Therapeutics, 30, e89 – e106. Gorelick, P. B., Scuteri, A., Black, S. E., DeCarli C., Greenberg, S. M., Iadecola, C. et al. (2011). Vascular contributions to cognitive impairment and dementia: a statement for healthcare professionals from the American Heart Association / American Stroke Association. Stroke, 42, 2672 – 2713. Gruhn, N., Larsen, F. S., Boesgaard, S., Knudsen, G. M., Mortensen, S. A., Thomsen, G. et al. (2001). Cerebral blood flow in patients with chronic heart failure before and after heart transplantation. Stroke, 32, 2530 – 2533. Gunstad, J., MacGregor, K. L., Paul, R. H., Poppas, A., Jefferson, A. L., Todaro, J. F. et al. (2005). Cardiac rehabilitation improves cognitive performance in older adults with cardiovascular disease. Journal of Cardiopulmonary Rehabilitation, 25, 173 – 176. Habota, T., McLennan, S. N., Cameron, J., Henry, J., Ski, C. F., Thompson, D. R. et al. (2015). Prospective memory impairment in chronic heart failure. Journal of the International Neuropsychological Society, 21, 183 – 192. Haddock, C. K., Poston, W. S. C. & Taylor, J. E. (2003). Neurocognitive sequelae following coronary artery bypass graft. Behavior Modification, 27, 68 – 82. Hajduk, A. M., Kiefe, C. I., Person, S. D., Gore, J. G. & Saczynski, J. S. (2013). Cognitive change in heart failure: a systematic review. Circulation. Cardiovascular Quality and Outcomes, 6, 451 – 460. Hamann, G. F., Bender, A., Voller, B., Bühler, R., von Scheidt, W. & Hansen, H. C. (2012). Hypoxische Enzephalopathie (HE). Aktuelle Neurologie, 39, 309 – 321. Harkness, K., Demers, C., Heckman, G. A. & McKelvie, R. S. (2011). Screening for cognitive deficits using the Montreal Cognitive Assessment tool in outpatients ≥ 65 years of age with heart failure. American Journal of Cardiology, 107, 1203 – 1207. Haseneder, R., Kochs, E. & Jungwirth, B. (2012). Postoperative kognitive Dysfunktion. Mögliche neuronale Mechanismen und praktische Konsequenzen für den klinischen Alltag. Der Anaesthesist, 61, 437 – 443. Hawkins, M. A. W., Gathright, E. C., Gunstad, J., Dolansky, M. A., Redle, J. D., Josephson, R. et al. (2014). The MoCA and MMSE as screeners for cognitive impairment in heart failure population: a study with comprehensive neuropsychological testing. Heart and Lung, 43, 462-468. Hogue, C. W., Hershey, T., Dixon, D., Fucetola, R., Nassief, A., Freedland, K. E. et al. (2006). Preexisting cognitive impairment in women before cardiac surgery and its relationship with C-reactive protein concentrations. Anesthesia and Analgesia, 102, 1602 – 1608. Hoth, K., Poppas, A., Moser, D. J., Paul, R. H. & Cohen, R. A. (2008). Cardiac dysfunction and cognition in older adults with heart failure. Cognitive and Behavioral Neurology, 21, 65 – 72. Hudetz, J. A., Patterson, K. M. & Pagel, P. S. (2012). Comparison of preexisting cognitive impairment, amnesic mild cognitive impairment, and multiple domain mild cognitive impairment in men scheduled for coronary artery surgery. European Journal of Anaesthesiology, 29, 320 – 325. Javaheri, S., Parker, T. J., Wexler, L., Michaels, S. E., Stanberry, E., Nishyama, H. et al. (1995). Occult sleep-disordered breathing in stable congestive heart failure. Annals of Internal Medicine, 122, 487 – 492. Jefferson, A. L., Himali, J. J., Beiser, A. S., Au, R., Massaro, J. M., Seshadri, S. et al. (2010). Cardiac index is associated with brain aging: the Framingham Heart Study. Circulation, 122, 690 – 697. © 2017 Hogrefe
M.-D. Heidler, Kognition und Herz
Jefferson, A. L., Tate, D. F., Poppas, A., Brickman, A. M., Paul, R. H., Gunstad, J. et al. (2007). Lower cardiac output is associated with greater white matter hyperintensities in older adults with cardiovascular disease. Journal of the American Geriatrics Society, 55, 1044 – 1048. Jerskey, B. A., Cohen, R. A., Jefferson, A. L., Hoth, K. F., Haley, A. P., Gunstad, J. et al. (2009). Sustained attention is associated with left ventricular ejection fraction in older adults with heart disease. Journal of the International Neuropsychological Society, 15, 137 – 141. Kakos, L. S., Szabo, A. J., Gunstad, J., Stanek, K. M., Waechter, D., Hughes, J. et al. (2010). Reduced executive functioning is associated with poorer outcome in cardiac rehabilitation. Preventive Cardiology, 13, 100 – 103. Karoff, M. & Knittel, J. (2007). Allgemeiner Aufbau und Inhalte der kardiologischen Rehabilitation. In B. Rauch, M. Middeke, G. Bönner, M. Karoff & K. Held (Hrsg.), Kardiologische Rehabilitation. Standards für die Praxis nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e. V. (DGPR) (S. 23 – 24). Stuttgart: Thieme. Knecht, S., Oelschläger, C., Duning, T., Lohmann, H., Albers, J., Stehling, C. et al. (2008). Atrial fibrillation in stroke-free patients is associated with memory impairment and hippocampal atrophy. European Heart Journal, 29, 2125 – 2132. Lavy, S., Stern, S., Melamed, E., Cooper, G., Keren, A. & Levy, P. (1980). Effect of chronic atrial fibrillation on regional cerebral blood flow. Stroke, 11, 35 – 38. Lazar, R. M. & Festa, J. R. (2009). Neurovascular Geography and Mapping the Consequences of Its Injury. In J. R. Festa & R. M. Lazar (Eds.), Neurovascular Neuropsychology (pp. 7 – 17). New York: Springer. Lee, C. S., Gelow, J. M., Bidwell, J. T., Mudd, J. O., Green, J. K., Jurgens, C. Y. et al. (2013). Blunted responses to heart failure symptoms in adults with mild cognitive dysfunction. Journal of Cardiovascular Nursing, 28, 534 – 540. Lenski, D., Böhm, M. & Kindermann, I. (2013). Kognition und Herzinsuffizienz. Auch die neuropsychologische Hirnleistung sinkt. Neurotransmitter, 24, 44 – 48. Marzona, I., O’Donnell, M., Teo, K., Gao, P., Anderson, C., Bosch, J. et al. (2012). Increased risk of cognitive and functional decline in patients with atrial fibrillation: results of the ONTARGET and TRANSCEND studies. Canadian Medical Association Journal, 184, E329-E336. McKhann, G. M., Borowicz, L. M., Goldsborough, M. A., Enger, C. & Selnes, O. A. (1997). Depression and cognitive decline after coronary artery bypass grafting. Lancet, 349, 1282 – 1284. Mead, G. E. & Keir, S. (2001). Association between cognitive impairment and atrial fibrillation: a systematic review. Journal of Stroke and Cerebrovascular Diseases, 10, 35 – 43. Millar, K., Asbury, A. J. & Murray G. D. (2001). Pre-existing cognitive impairment as a factor influencing outcome after cardiac surgery. British Journal of Anaesthesia, 86, 63 – 67. Miller, L. A., Spitznagel, M. B., Alosco, M. L., Cohen, R. A., Raz, N., Sweet, L. H. et al. (2012). Cognitive profiles in heart failure: a cluster analytic approach. Journal of Clinical and Experimental Neuropychology, 34, 509 – 520. Miyasaka, Y., Barnes, M. E., Petersen, R. C., Cha, S. S., Bailey, K. R., Gersh, B. J. et al. (2007). Risk of dementia in stroke-free patients diagnosed with atrial fibrillation: data from a community-based cohort. European Heart Journal, 28, 1962 – 1967. Mosterd, A. & Hoes, A. W. (2007). Clinical epidemiology of heart failure. Heart, 93, 1137 – 1146. Murkin, J. M., Newman, S. P., Stump, D. A. & Blumenthal, J. A. (1995). Statement of consensus on assessment of neurobehavioural outcomes after cardiac surgery. The Annals of Thoracic Surgery, 59, 1289 – 1295. © 2017 Hogrefe
43
Muth, C., Gensichen, J. & Butzlaff, M. (2006). DEGAM Leitlinie Nr. 9. Herzinsuffizienz. Düsseldorf: omikron publishing. Naccarelli, G. V., Varker, H., Lin, J. & Schulman, K. L. (2009). Increasing prevalence of atrial fibrillation and flutter in the United States. American Journal of Cardiology, 104, 1534 – 1539. Nasreddine, Z. S., Phillips, N. A., Bédirian, V., Charbonneau, S., Whitehead, V., Collin, I. et al. (2005). The Montreal Cognitive Assessment, MoCA: a brief screening tool for mild cognitive impairment. Journal of the American Geriatric Society, 53, 695 – 699. Newman, M. F., Kirchner, J. L., Phillips-Bute, B., Gaver, V., Grocott, H., Jones, R. H. et al. (2001). Longitudinal assessment of neurocognitive function after coronary-artery bypass surgery. New England Journal of Medicine, 344, 395 – 402. O’Connell, J. E., Gray, C. S., French, J. M. & Robertson, I. H. (1998). Atrial fibrillation and cognitive function: case-control study. Journal of Neurology, Neurosurgery, and Psychiatry, 65, 386 – 389. O’Donnell, M., Teo, K., Gao, P., Anderson, C., Sleight, P., Dans, A. et al. (2012). Cognitive impairment and risk of cardiovascular events and mortality. European Heart Journal, 33, 1777 – 1786. Oh, J. E., Shin, J. W., Sohn, E. H., Jung, J. O., Jeong, S. H., Kim, J. M. et al. (2012). Effect of cardiac function on cognition and brain structural changes in dementia. Journal of Clinical Neurology, 8, 123 – 129. Ott, A., Breteler, M. M., de Bruyne, M. C., van Harskamp, F., Grobbee, D. E. & Hofman, A. (1997). Atrial fibrillation and dementia in a population-based study. The Rotterdam Study. Stroke, 28, 316 – 321. Park, H., Hildreth, A., Thomson, R. & O’Connell, J. (2007). Non-valvular atrial fibrillation and cognitive decline: a longitudinal cohort study. Age and Ageing, 36, 157 – 163. Piguet, O., Grayson, D. A., Creasey, H., Bennett, H. P., Brooks, W. S., Waite, L. M. et al. (2003). Vascular risk factors, cognition and dementia incidence over 6 years in the Sydney Older Persons Study. Neuroepidemiology, 22, 165 – 171. Polidori, M. C., Mariani, E., Mecocci, P. & Nelles, G. (2006). Congestive heart failure and Alzheimer’s disease. Neurological Research, 28, 588 – 594. Pressler, S. J., Subramanian, U., Kareken, D., Perkins, S. M., GradusPizlo, I., Sauvé, M. J. et al. (2010). Cognitive deficits in chronic heart failure. Nursing Research, 59, 127-139. Pressler, S. J., Therrien, B., Riley, P. L., Chou, C. C., Ronis, D. L., Koelling, T. M. et al. (2011). Nurse-enhanced memory intervention in heart failure: the MEMOIR study. Journal of Cardiac Failure, 17, 832 – 843. Raiha, I., Tarvonen, S., Kurki, T., Rajala, T. & Sourander, L. (1993). Relationship between vascular factors and white matter low attenuation of the brain. Acta Neurologica Scandinavica, 87, 286 – 289. Raja, P. V., Blumenthal, J. A. & Doraiswamy, P. M. (2004). Cognitive deficits following coronary artery bypass grafting: prevalence, prognosis, and therapeutic strategies. CNS Spectrums, 9, 763 – 772. Rastas, S., Verkkoniemi, A., Polvikoski, T., Juva, K., Niinistö, L., Mattila, K. et al. (2007). Atrial fibrillation, stroke, and cognition: a longitudinal population-based study of people aged 85 and older. Stroke, 38, 1454 – 1460. Reese, C., Spieser, A. & Mittag, O. (2012). Psychologische Interventionen in der Rehabilitation von Patienten mit koronarer Herzerkrankung: Zusammenfassung der Evidenz und der Empfehlungen aus systematischen Übersichtsarbeiten und Leitlinien. Die Rehabilitation, 51, 405 – 414. Roberts, R. O., Knopman, D. S., Geda, Y. E., Cha, R. H., Roger, V. L. & Petersen, R. C. (2010). Coronary heart disease is associated with non-amnestic mild cognitive impairment. Neurobiology of Aging, 31, 1894 – 1902. Roman, G. C. (2004). Brain hypoperfusion: a critical factor in vascular dementia. Neurology Research, 26, 454 – 458. Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 33–44
44
Rüegg, J. C. (2013). Die Herz-Hirn-Connection. Wie Emotionen, Denken und Stress unser Herz beeinflussen. Stuttgart: Schattauer. Saczynski, J. S., Marcantonio, E. R., Quach, L., Fong, T. G., Gross, A., Inouye, S. K. et al. (2012). Cognitive trajectories after postoperative delirium. New England Journal of Medicine, 367, 30 – 39. Samol, A. & Kirchhof, P. (2011). Moderne Diagnostik und Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern. Aktuelle Neurologie, 38, 58 – 67. Santiago, C., Herrmann, N., Swardfager, W., Saleem, M., Oh, P. I., Black, S. E. et al. (2015). White matter microstructural integrity is associated with executive function and processing speed in older adults with coronary artery disease. American Journal of Geriatric Psychiatry, 23, 754 – 763. Schwarz, N., Schönburg, M., Kastaun, S., Gerriets, T. & Kaps, M. (2011). Kognitive Störungen nach kardiochirurgischen Eingriffen. Der Nervenarzt, 82, 190 – 197. Selnes, O. A., Grega, M. A., Borowicz, L. M., Jr., Royall, R. M., McKhann, G. M. & Baumgartner, W. A. (2003). Cognitive changes with coronary artery disease: a prospective study of coronary artery bypass graft patients and nonsurgical controls. Annals of Thoracic Surgery, 75, 1377 – 1384. Selnes, O. A. & McKhann, G. M. (2005). Neurocognitive complications after coronary artery bypass surgery. Annals of Neurology, 57, 615 – 621. Sila, C. A. (2007). Cognitive impairment in chronic heart failure. Cleveland Clinic Journal of Medicine 74, S132 – S137. Silbert, B. S., Scott, D. A., Evered, L. A., Lewis, M. S. & Maruff, P. T. (2007). Preexisting cognitive impairment in patients scheduled for elective coronary artery bypass graft surgery. Anesthesia and Analgesia, 104, 1023 – 1028. Sonnen, J. A., Larson, E. B., Crane, P. K., Haneuse, S., Li, G., Schellenberg, G. D. et al. (2007). Pathological correlates of dementia in a longitudinal, population-based sample of aging. Annals of Neurology, 62, 406 – 413. Stefansdottir, H., Arnar, D. O., Aspelund, T., Sigurdsson, S., Jonsdottir, M. K., Hjaltason, H. et al. (2013). Atrial fibrillation is associated with reduced brain volume and cognitive function independent of cerebral infarcts. Stroke, 44, 1020 – 1025. Stroobant, N. & Vingerhoets, G. (2009). Pre-existing cognitive impairment in candidates for cardiac surgery: an overview. Heart, 95, 1820 – 1825. Sun, X., Lindsay, J., Monsein, L. H., Hill, P. C. & Corso, P. J. (2012). Silent brain injury after cardiac surgery: a review. Journal of the American College of Cardiology, 60, 791 – 797. van den Heuvel, D. M., ten Dam, V. H., de Craen, A. J., AdmiraalBehloul, F., Olofsen, H., Bollen, E. L. et al. (2006). Increase in periventricular white matter hyperintensities parallels decline in mental processing speed in a non-demented elderly population. Journal of Neurology, Neurosurgery, and Psychiatry, 77, 149 – 153. van den Hurk, K., Reijmer, Y. D., van den Berg, E., Alssema, M., Nijpels, G., Kostense, P. J. et al. (2011). Heart failure and cognitive function in the general population: the Hoorn Study. European Journal of Heart Failure, 13, 1362 – 1369. van Schayck, R. (2004). Behandlung von vegetativen Störungen. In G. Nelles (Hrsg.), Neurologische Rehabilitation (S. 141 – 188). Stuttgart: Thieme. Vingerhoets, G., Van Nooten, G. & Jannes, C. (1997). Neuropsychological impairment in candidates for cardiac surgery. Journal of the International Neuropsychological Society, 3, 480 – 484.
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 33–44
M.-D. Heidler, Kognition und Herz
Vogels, R. L. C., Oosterman, J. M., van Harten, B., Gouw, A. A. Schroeder-Tanka, J. M., Scheltens, P. et al. (2007). Neuroimaging and correlates of cognitive function among patients with heart failure. Dementia & Geriatric Cognitive Disorders, 24, 418 – 423. Vogels, R. L. C., Scheltens, P., Schroeder-Tanka, J. M. & Weinstein, H. C. (2007). Cognitive impairment in heart failure: A systematic review of the literature. European Journal of Heart Failure, 9, 440 – 449. von Borstel, J. H. (2015). Herzrasen kann man nicht mähen. Alles über unser wichtigstes Organ. Berlin: Ullstein. Walzer, T. A., Wallesch, C. W., Starkstein, S. E. & Herrmann, M. (1998). Neuropsychologische Defizite in der frühen postoperativen Phase nach kardiochirurgischen Eingriffen – Ein Vergleich zwischen Patienten mit Klappenersatz- und Bypass-Operationen. Zeitschrift für Neuropsychologie, 9, 123 – 132. Wolf, P. A., D’Agostino, R. B., Belanger, A. J. & Kannel, W. B. (1991). Probability of stroke: a risk profile from the Framingham Study. Stroke, 22, 312 – 318. Wonisch, M. (2009a). Arteriosklerotische Herzerkrankungen. In R. Pokan, W. Benzer, H. Gabriel, P. Hofmann, E. Kunschitz, K. Mayr et al. (Hrsg.), Kompendium der kardiologischen Prävention und Rehabilitation (S. 39 – 47). Wien: Springer. Wonisch, M. (2009b). Herzinsuffizienz. In R. Pokan, W. Benzer, H. Gabriel, P. Hofmann, E. Kunschitz, K. Mayr et al. (Hrsg.), Kompendium der kardiologischen Prävention und Rehabilitation (S. 49 – 52). Wien: Springer. Woo, M. A., Kumar, R., Macey, P. M., Fonarow, G. C. & Harper, R. M. (2009). Brain injury in autonomic, emotional, and cognitive regulatory areas in patients with heart failure. Journal of Cardiac Failure, 15, 214 – 223. Woo, M. A., Macey, P. M., Fonarow, G. C., Hamilton, M. A. & Harper, R. M. (2003). Regional brain gray matter loss in heart failure. Journal of Applied Physiology, 95, 677 – 684. Zauner, H., Gaßner, A., Haider, C. & Wallner, K. (2004). Diagnostik kognitiver Beeinträchtigung in der Rehabilitation bei schwerer koronarer Herzerkrankung. Journal für Kardiologie, 11, 469 – 473. Zuccalà, G., Cattel, C., Manes-Gravina, E., Di Niro, M. G., Cocchi, A. & Bernabei, R. (1997). Left ventricular dysfunction: a clue to cognitive impairment in older patients with heart failure. Journal of Neurology, Neurosurgery, and Psychiatry, 63, 509 – 512.
Manuskript eingereicht: 18.09.2016 Nach Revision angenommen: 28.12.2016 Interessenkonflikt: Nein
Dr. Maria-Dorothea Heidler Professur für Rehabilitationswissenschaften Universität Potsdam Am Neuen Palais 10, Haus 12 14469 Potsdam Deutschland mheidler@uni-potsdam.de heidler@brandenburgklinik.de
© 2017 Hogrefe
FAIR-2 Frankfurter Aufmerksamkeits-Inventar 2 2., überarbeitete, ergänzte und normenaktualisierte Auflage H. Moosbrugger / J. Oehlschlägel Das FAIR-2 ist die zweite Auflage eines vielfach bewährten Verfahrens zur Erfassung interindividueller Unterschiede in Aufmerksamkeitsleistung und Konzentrationsfähigkeit. Es eignet sich für Personen im Alter zwischen 9 und 85 Jahren und kann in allen Praxisbereichen der Psychologie sowie in der Pädagogik, Psychiatrie, Pädiatrie, Gerontologie, Sportwissenschaft u. a. eingesetzt werden. Das FAIR-2 ist ein Paper-Pencil-Test und erfordert die genaue und schnelle Diskrimination visuell ähnlicher Zeichen unter gleichzeitiger Ausblendung aufgabenirrelevanter Information. Es sind zwei parallele Testformen A und B enthalten.
Die aktualisierten Normen basieren auf Stichproben mit einem Gesamtumfang von N = 2993. Als zeitökonomische Alternative für die Auswertung ist ein Testauswerteprogramm verfügbar. Test komplett bestehend aus: Manual, 10 Testheften Form A, 10 Testheften Form B, 16 Auswerteschablonen und Box Bestellnummer 03 171 01 € 125,00/CHF 154.00 zusätzlich erhältlich: Testauswerteprogramm Bestellnummer 50 941 02 € 210,00 / CHF 271.00
FAKT-II Frankfurter Adaptiver Konzentrationsleistungs-Test II Grundlegend neu bearbeitete und neu normierte 2. Auflage des FAKT H. Moosbrugger / F. Goldhammer Der FAKT-II ist die grundlegend neu bearbeitete und neu normierte Realisierung eines seit 1997 bewährten computerbasierten Konzepts zur adaptiven Messung der individuellen Konzentrationsfähigkeit. Zur Bestimmung der Konzentrationsfähigkeit werden die Aspekte Konzentrations-Leistung, Konzentrations-Genauigkeit und Konzentrations-Homogenität erfasst. Die Auswertung des Tests erfolgt automatisch und wird entweder auf dem Bildschirm oder auf dem Drucker ausgegeben. Die Testergebnisse können für den wissenschaftlichen Einsatz expor-
www.hogrefe.com
tiert und mit Statistik-Programmen weiterverarbeitet werden. Die aktualisierten Normen basieren auf einer neuen Normierungsstichprobe von N = 859 Probanden beiderlei Geschlechts zwischen 16 und 55 Jahren. HTS 5* Testkit inkl. Manual und 50 Nutzungen Bestellnummer H5 149 01 € 580,00/CHF 748.00 * HTS 5 benötigt eine HTS 5-Edition oder eine entsprechende HTS 5-Jahreslizenz. Mehr Informationen zu HTS 5 erhalten Sie bei Ihrer Testzentrale.
Die Balance zwischen online und offline
Isabel Willemse
Onlinesucht Ein Ratgeber für Eltern, Betroffene und ihr Umfeld 2016. 160 S., 11 Abb., 7 Tab., Kt € 19,95 / CHF 26.90 ISBN 978-3-456-85542-4 Auch als eBook erhältlich
Smartphones, Tablets und Laptops sind zu unseren ständigen Begleitern geworden, wir verbringen unsere Freizeit in Sozialen Netzwerken wie Instagram oder Facebook, mit dem Verschicken von Bildern oder Textnachrichten und mit Videogames. Ein Großteil der Jugendlichen und Erwachsenen beweist einen kompetenten und vernünftigen Umgang mit diesen Gadgets und kann sich problemlos zwischen digitaler und analoger Welt hin und her bewegen. Aber es gibt auch einen kleinen Teil, dem das nicht gelingt. Wenn die exzessive Mediennutzung negative Auswirkungen hat auf das Sozialleben und Hobbys, den Beruf oder die Ausbildung und allenfalls auch die Gesundheit, dann könnte es sich um eine Onlinesucht
www.hogrefe.com
handeln. Hierbei handelt es sich um eine sehr neue Diagnose, die noch nicht in den offiziellen Diagnoseinstrumenten vorhanden ist. Nichtsdestotrotz wird sie von Eltern, Betroffenen und ihrem Umfeld erkannt und in der Beratungspraxis regelmäßig angetroffen. Der Ratgeber wird in einem theoretischen Teil eine allgemeine Einführung in die Mediennutzung geben, aber vor allem das Störungsbild genau beschreiben. Hierzu gehören die Diagnosekriterien, Verbreitung, Ursachen und auch Begleiterkrankungen. Der praktische Teil enthält viele konkrete Vorschläge für Bezugspersonen und Betroffene im Umgang mit Onlinesucht.
Übersichtsartikel
„Was misst eigentlich die Blockspanne?“ – Der Goldstandard im Fokus Juliane Weicker1,2, Nicole Hudl3 und Angelika Thöne-Otto1 1 2 3
Universität Leipzig, Tagesklinik für Kognitive Neurologie, Leipzig Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Leipzig Max Planck International Research Network on Aging, Rostock
Zusammenfassung: Die Blockspanne ist eines der verbreitetsten Testverfahren in der klinischen Neuropsychologie, auch bekannt als Corsi- / Block-Tapping-Test. Das Verfahren gilt als Goldstandard zur Messung des räumlichen Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnisses (Baddeley, 2003). Trotz der häufigen Anwendung im klinischen Alltag fand die Erforschung zugrunde liegender kognitiver Prozesse erstaunlich wenig Beachtung. Dieser Übersichtsartikel vermittelt den aktuellen Forschungsstand durch Beschreibung der wichtigsten Studien, die anhand von Befragungen, Blickbewegungen oder Parallelaufgaben untersuchten, was die Blockspannenaufgabe tatsächlich misst. Dabei wird deutlich, dass nicht nur nonverbale räumliche Aspekte erfasst werden, sondern, insbesondere unter hohen Anforderungen, zusätzlich verbale und exekutive Ressourcen rekrutiert werden. Es wird diskutiert, inwieweit Zahlen- und Blockspannen als Analoga gelten können und ob die Darbietung der Blockspanne rückwärts im Vergleich zur Vorwärtsvariante einen diagnostischen Mehrwert bietet. Schlüsselwörter: Blockspanne, Corsi, räumliches Arbeitsgedächtnis, Zahlenspanne, Review
Underlying Cognitive Processes of the Corsi Block-Tapping Task Abstract: The Corsi Block-Tapping Task represents the gold standard of neuropsychological assessment of visuospatial short-term and working memory. Despite its frequent application in clinical practice, very little is known about the underlying cognitive processes involved. The present review describes the historical development of the task, its heterogeneity, and moderators that affect performance. We present existing research based on studies using interviews, eye-tracking, or dual-task paradigms and investigate what the Block-Tapping Task actually measures. The results support the assumption that not only visuo-spatial memory is being assessed, but also verbal and executive components, especially in light of higher demands. We discuss whether the spatial span can be regarded as analogous to the digit span and provide information on differential processes with respect to forward and backward performance. Keywords: Corsi, Block-Tapping Task, visuospatial working memory, digit span, review
Historische Entwicklung Die Entwicklung der Blockspanne geht zurück auf Philip Michael Corsi, der 1972 seine Dissertation zum Thema „Human memory and the medial temporal region of the brain” unter Supervision von Brenda Milner schrieb. Milner gilt mit ihren Arbeiten zur Erforschung von Konsolidierungsprozessen von Gedächtnisinhalten als eine der Begründerinnen der klinischen Neuropsychologie. Besonders einflussreich waren ihre Studien mit dem Patienten Henry Gustav Molaison, in der Literatur bekannt als H. M. (Milner, 1965, 1971; Milner, Corkin & Teuber, 1968; Scoville & Milner, 1957). Dieser litt nach bilateraler temporaler Lobektomie, bei dem große Teile beider Hippokampi entfernt wurden, an einer schweren anterograden Amnesie und war somit unfähig, neues Wissen zu erwerben. Um die funktionelle Organisation des Gehirns und die Auswir© 2017 Hogrefe
kungen von chirurgischen Läsionen auf die kognitive Leistungsfähigkeit besser zu verstehen, führte Corsi Studien mit Epilepsiepatienten nach Resektion des medialen Temporallappens durch (Corsi, 1972). Er untersuchte u. a. 39 Patienten mit linksseitigen und 39 Patienten mit rechtsseitigen Schädigungen anhand jeweils zwei verbaler und zwei nonverbaler Lern- und Gedächtnistests. Die Blockspannenaufgabe führte er hierbei als nonverbale visuell-räumliche Alternative zur bereits etablierten verbalen Zahlenspanne ein (Hebb, 1961). Die ursprüngliche Aufgabe der Patienten bestand darin, von neun fixierten Blöcken auf einem Brett exakt die Reihenfolge anzutippen, die ein Versuchsleiter unmittelbar zuvor zeigte (s. Abb. 1). Ermittelt wurde zum einen die Merkspanne, also die maximale Anzahl korrekt erinnerter Items, und zum anderen das implizite Lernverhalten bei wiederkehrenden Durchgängen mit identischen Reihenfolgen. Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 45–54 https://doi.org/10.1024/1016-264X/a000194
46
J. Weicker et al., „Was misst eigentlich die Blockspanne?” – Der Goldstandard im Fokus
Abbildung 1. Die originale Blockspanne nach Corsi (Nachdruck aus der Dissertation von Corsi, 1972).
Während sich die unmittelbaren Merkspannen zwischen den Patientengruppen nicht unterschieden, zeigten Patienten mit Läsionen des rechten Temporallappens deutliche Einbußen beim Erlernen wiederkehrender Sequenzen. Umgekehrt hatten Patienten nach Entfernung des linken Temporallappens Schwierigkeiten, verbale Informationen längerfristig aufzunehmen. Das Ausmaß dieser modalitätsspezifischen Auswirkungen war zudem abhängig von der Läsionsgröße: Je umfangreicher die Läsionen im Temporallappen waren, desto auffälliger zeigten sich die jeweiligen kognitiven Einbußen. Corsis Studienergebnisse trugen maßgeblich dazu bei, die Lateralisierung des Gehirns sowie die zentrale Rolle des Hippokampus in der Konsolidierung von Gedächtnisinhalten zu erforschen (vgl. Squire & Knowloton, 2000). Zudem legte er mit der Einführung der Blockspanne den Grundstein für eines der verbreitetsten Testverfahren in der klinischen Neuropsychologie, heute auch bekannt als Corsioder Block-Tapping-Test. Die Blockspanne hat im Laufe der Jahrzehnte eine vielfache Bestätigung ihrer Validität erfahren und gilt als Goldstandard zur Messung des räumlichen Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnisses (Baddeley, 2003). Als ein System der kurzfristigen Speicherung und Bereitstellung von Informationen zur weiteren Verarbeitung (Baddeley, 2003; Cowan, 1995) stellt das Arbeitsgedächtnis eine Schlüsselrolle zur Funktionsfähigkeit vieler höherer Funktionen dar, darunter Sprachverständnis (Daneman & Merikle, 1996), Problemlösen (Shah & Miyake, 1999) und Intelligenzleistungen (Kyllonen & Christal, 1990). Arbeitsgedächtnisdefizite, wie sie häufig nach Hirnerkrankungen auftreten, haben tiefgreifende Konsequenzen für die Funktionsfähigkeit im Alltag (Cicerone et al., 2011). Im klinischen Kontext wurde die Blockspanne zur Diagnostik von einer Reihe neurologischer Patienten mit sehr unterschiedlichen Ätiologien verwendet, darunter Epilepsie (Wisniewski, Wendling, Manning & SteinZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 45–54
hoff, 2012), Schädel-Hirn-Trauma (Ruff, Evans & Marshall, 1986; Woods, Wyma, Herron & Yund, 2016), Schlaganfall (Kessels, van Zandvoort, Postma, Kappelle & de Haan, 2000; Kessels, de Haan, Kappelle & Postma, 2002; Nys, van Zandvoort, van der Worp, Kappelle & de Haan, 2006; van Asselen et al., 2006), psychiatrischen Störungen (Salamé, Danion, Peretti & Cuervo, 1998), Parkinson (Kemps, Szmalec, Vandierendonck & Crevits, 2005; Stoffers, Berendse, Deijen & Wolters, 2003), Korsakow-Syndrom (Haxby, Lundgren & Morley, 1983) und Demenz (Carlesimo, Fadda, Lorusso & Caltagirone, 1994; Millet et al., 2009; Pasquier, Grymonprez, Lebert & Van der Linden, 2001). Durch die formlose Veröffentlichung des Verfahrens im Rahmen der Dissertation wurde kein standardisiertes Vorgehen definiert, weshalb sich eine breite Variabilität der Aufgabe etablierte. Die verschiedenen Testvarianten unterscheiden sich vorrangig hinsichtlich Layout (Größe des Blockspannenbretts sowie Farbe, Anzahl, Größe und Anordnung der Blöcke), Durchführung (Zeigeprozedur und -geschwindigkeit, Anzahl der Trials, Länge und Reihenfolge der Sequenzen, Start- und Abbruchkriterium) und Auswertung (für ein ausführliches Review siehe Berch, Krikorian & Huha, 1998). Die gängigen Blockspannenaufgaben in Deutschland sind Bestandteil von Testbatterien basierend auf den Arbeiten von Wechsler (WMS-R, Wechsler, 1987; WMS-III, Wechsler, 1997b). Trotz der vielfachen Anwendung im klinischen Kontext fand die Erforschung zugrunde liegender kognitiver Prozesse erstaunlich wenig Beachtung, ebenso wurde kaum hinterfragt, welchen Einfluss die Heterogenität der Aufgabe auf die Interpretation der Leistungsfähigkeit haben könnte. Woods und Kollegen verglichen kürzlich publizierte Studienergebnisse zur Anwendung der Blockspanne und fanden erhebliche Differenzen in den ermittelten Maximalspannen sowie den geschätzten tatsächlichen Spannen (Woods, Wyma, Herron & William, 2015). Diese Heterogenität in der Methodik erschwert nicht nur die Interpretation und den Vergleich von Studienergebnissen, sondern auch das Verständnis zugrunde liegender kognitiver Prozesse.
Moderatoren der Aufgabenschwierigkeit Die Schwierigkeit einer Aufgabe kann trotz gleicher Itemanzahl deutlich variieren, da die erzielte Leistung von den Eigenschaften der Aufgabe, ihrer Darbietungsform und interindividuellen Merkmalen abhängig ist. Die wichtigsten Moderatoren der Aufgabenschwierigkeit werden im Folgenden kurz vorgestellt. © 2017 Hogrefe
J. Weicker et al., „Was misst eigentlich die Blockspanne?” – Der Goldstandard im Fokus
Eigenschaften der Aufgabe. Die Präsentation einzelner Items nacheinander forciert eine sequenzielle Verarbeitung der Stimuli. Damit unterscheidet sich die Blockspannenaufgabe maßgeblich von anderen räumlichen Gedächtnisverfahren, die auf einem Abruf simultan dargebotener Informationen basieren (bspw. der Visual-Pattern-Test; Della Sala, Gray, Baddeley & Wilson, 1997). Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren sowie klinische Läsionsstudien konnten diese unterschiedlichen Verarbeitungsprozesse für simultan-räumliche und sequenziell-räumliche Informationen (mit zusätzlichen Anforderungen an das Merken einer Reihenfolge) nachweisen (Smith & Jonides, 1995, 1998; Smith et al., 1995). Eine Untersuchung mit variierter Darbietung der Blockspannenaufgabe zeigte, dass eine längere Präsentationsdauer der Items sowie eine größere Zeitspanne zur Vorbereitung des Abrufs die Performanz erhöht (Fischer, 2001). Interessanterweise beeinflussen aber auch die absolute Pfadlänge, also die physische Entfernung der zu merkenden Blöcke, sowie das Kreuzen der imaginären Verbindungen zwischen den Items und deren Winkel die Aufgabenschwierigkeit (Busch, Farrell, Lisdahl-Medina & Krikorian, 2005; Orsini, Simonetta & Marmorato, 2004; Parmentier, Andrés, Elford & Jones, 2006; Parmentier, Elford & Mayberry, 2005; Parmentier & Andrés, 2006; Smirni, Villardita & Zappala, 1983; für eine beispielhafte Illustration siehe Abb. 2). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die präsentierten Sequenzen weniger als seriell-geordnete Positionen, sondern eher als Verbindungen oder Pfad gemerkt werden. Die zeitliche Anordnung von Informationen ist somit ein wichtiger strukturgebender Bestandteil des Kurzzeitgedächtnisses, komplexere Eigenschaften wie Vertrautheit, Ähnlichkeit und Distanz werden durch die Aufgabe jedoch ebenso aktiviert. Eine systematische Untersuchung der einzelnen Komponenten mit einem experimentellen Design gestaltete sich bislang schwierig (Woods et al., 2015). Woods und Kollegen fanden beispielsweise nur einen geringen Einfluss von Pfad-
47
länge und -kreuzungen, da diese jeweils komplex mit der durch die Verbindungen erzeugten Gesamtgestalt interagierten: So konnte ein Pfad zwar sehr lang sein, aber eine besser zu merkende Form bilden, sodass die Länge des Pfades nur noch eine untergeordnete Rolle spielte. Das Bilden solcher Gruppierungen oder Gestalten ist bei sequenzieller Präsentation der Items schwieriger als bei simultaner Darbietung. Dennoch konnten Untersuchungen anhand der Blockspannenaufgabe zeigen, dass strukturierte Pfade mit symmetrischen oder wiederholten Teilstücken sowie Items mit größerer räumlichen Nähe zu einer deutlich erhöhten Performanz führen (De Lillo, 2004; Kemps, 2001). Die Abbildung der räumlichen Komponente durch die Zuordnung von einzelnen Positionen im Raum wird somit von zusätzlichen nichträumlichen Merkmalen beeinflusst. Ob die Items in steigendem Schwierigkeitsgrad dargeboten werden oder einem anderen Schema folgen (z. B. mit schwerstem Item beginnend), erzeugt jeweils einen erleichternden und einen erschwerenden Effekt: Einerseits tritt im Verlauf ein Übungseffekt ein, die Probanden entwickeln beispielsweise erfolgreiche Strategien. Mit steigender Darbietungsdauer kommt es aber auch zu Interferenzen aufgrund des ähnlichen Aufgabenmaterials. Bislang gibt es keine Belege für eine unterschiedliche Performanz aufgrund der dargebotenen Itemreihenfolge (Cornoldi & Mammarella, 2008; Fischer, 2001). Darbietungsform. Neben der Standardpräsentation der Items auf einem Blockspannenbrett werden zunehmend computerbasierte Verfahren eingesetzt. Die Leistung in herkömmlichen Tests übersteigt dabei oft Merkspannen, die durch Computerverfahren erhoben werden (Claessen, van der Ham, & van Zandvoort, 2015). Des Weiteren zeigen sich vereinzelt Interaktionen mit der geforderten Abrufreihenfolge: Während bei Standardpräsentation der Items ein Vorteil der Blockspanne vorwärts gegenüber rückwärts gefunden wurde, verschwand dieser bei compu-
Abbildung 2. Beispielhafte Illustration für unterschiedliche Eigenschaften von Pfaden. Die Grafik verdeutlicht unterschiedliche Schwierigkeitsgrade der Blockspannenaufgabe bei gleicher Anordnung der Blöcke und gleicher Anzahl zu merkender Items. Die Markierung* kennzeichnet jeweils den Beginn des Pfades. Pfad A ist am leichtesten zu lösen: die Blöcke liegen dicht beieinander, die Winkel sind groß und es gibt keine Kreuzungen. Pfad B ist aufgrund der spitzeren Winkel und einem gekreuztem Weg etwas schwieriger. Pfad C stellt mit weit auseinanderliegenden Blöcken und fünf Kreuzungen die höchste Schwierigkeitsstufe dar.
© 2017 Hogrefe
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 45–54
48
J. Weicker et al., „Was misst eigentlich die Blockspanne?” – Der Goldstandard im Fokus
terisierter Darbietung (Claessen et al., 2015; aber siehe Brunetti, Del Gatto & Delugo, 2014). Als Erklärungsansatz wurde die Aktivierung von Spiegelneuronen, wie sie aus der Motorikforschung bekannt sind, herangezogen (Iacoboni, 2009): Bereits während wir Handlungen beobachten, werden Neurone in unserem eigenen Motorikareal aktiviert und damit die Ausführung bereits voraktiviert („Priming“). Die identische Reihenfolge von beobachteter und eigener Handlung, wie es beim Bearbeiten der Blockspanne vorwärts der Fall ist, führt nach dieser Theorie zu einer leichten Reduktion der Beanspruchung des Gedächtnisses und somit zu einer besseren finalen Leistung. Bei umgekehrter Reihenfolge greifen diese Erleichterungseffekte nicht und erzeugen womöglich sogar Interferenzen, sodass die Leistung in der Blockspanne rückwärts eine höhere Anstrengung benötigt. Unter computerisierter Darbietung verschwindet die motorische Komponente, sodass hier keine Erleichterungseffekte auftreten und beide Spannen vergleichbar schwierig sind. Eine besondere Darbietungsform der Blockspannenaufgabe stellten Piccardi und Kollegen mit einem lebensgroßen, begehbaren Corsi-Test vor. Das Ablaufen der zu merkenden auf den Boden gezeichneten Felder führte zu einem schnelleren Lernen und einer größeren Merkspanne im Vergleich zur Standardversion (Piccardi et al., 2008). Die Autoren sehen ihr Verfahren weniger als einen Test zum Lernen räumlich getrennter Items, sondern im Sinne der Pfadtheorie eher zum Erlernen eines Weges im Raum. Interindividuelle Merkmale. Die Leistung in der Blockspannenaufgabe nimmt, analog zur Kapazität des Arbeitsgedächtnisses, linear mit steigendem Lebensalter ab und zwar tendenziell stärker als bei der Zahlenspanne (Glisky, 2007; Wilde, Strauss & Tulsky, 2004; Woods et al., 2015). Unter Betrachtung allgemeiner Arbeitsgedächtnisleistungen zeigt sich ein deutlicherer Effekt des Alterns auf exekutive als auf reine Speicherprozesse (Payer et al., 2006) und tendenziell mehr auf die visuelle im Vergleich zur räumlichen Komponente (Beigneux, Plaie & Isingrini, 2007). Geschlechtsspezifische Unterschiede treten eher selten und vermutlich nur innerhalb eines bestimmten Lebensabschnitts auf (Pagulayan, Bush, Medina, Bartok & Krikorian, 2006). Ein Einfluss des Bildungsniveaus wird dagegen von den meisten Studien belegt (Fournet et al., 2012; Kessels, van den Berg, Ruis & Brands, 2008; Monaco, Costa, Caltagirone & Carlesimo, 2013; aber siehe Woods et al., 2015). Interindividuelle kognitive Fähigkeiten, auch unabhängig von Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnisleistungen, spielen hingegen eine bedeutsame Rolle. So korreliert beispielsweise die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit positiv mit der Leistung in Arbeitsgedächtnisaufgaben (für ein aktuelles Review siehe Hurlstone, Hitch & Baddeley, 2014). Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 45–54
Strategien der Aufgabenbearbeitung Eine Methode, um herauszufinden, wie die Blockspannenaufgabe tatsächlich gelöst wird, ist die direkte Befragung von Teilnehmern. Ridgeway legte dazu N = 20 gesunden Erwachsenen computerisierte Aufgaben vor, die in Spannenlänge und räumlicher Anordnung variierten (Ridgeway, 2006). Nach jedem Trial wurden die Teilnehmer befragt, welche der folgenden Strategien sie zur Aufgabenlösung angewandt hatten: 1) Rehearsal während des Enkodierens (sukzessive innerliche Wiederholung des Pfades), 2) Zählen während des Enkodierens („1, 2, 3, …“), 3) Strategisches Zusammenfassen einzelner Pfadabschnitte während des Enkodierens (z. B. „Dreieck plus Linie“), 4) Visualisierung der Verbindungen zwischen den Items als ganzheitliche Form (z. B. Gestalt eines Dreiecks), oder 5) Rehearsal zwischen Enkodierung und Abruf (jegliche Verbalisierung oder Visualisierung der Lösung). Die Ergebnisse zeigten, dass die Probanden keine konstante Strategie verfolgten, sondern diese häufig wechselten. Welche Strategie letztendlich zum Einsatz kam, war abhängig von verschiedenen Faktoren wie Pfadlänge, Gestalt, usw. So nahm die Häufigkeit, einen Pfad zu visualisieren, mit dessen Länge ab, das strategische Zusammenfassen einzelner Pfadabschnitte nahm hingegen mit größerer Itemanzahl zu. Insgesamt zeigten Probanden, die Items zu einzelnen Abschnitten oder Formen zusammenfassten, eine bessere Leistung als Probanden, die dies nicht taten. Eine erfolgreiche Aufgabenbearbeitung stellt demnach nicht nur hohe Anforderungen an Gedächtnisprozesse, sondern auch an eine flexible und in Abhängigkeit von den Anforderungen günstige Strategiewahl. Des Weiteren fiel auf, dass die Hälfte der Probanden die Items zählte und Merkprozesse verbalisierte. Dieses Verhalten wurde unabhängig vom Schwierigkeitsgrad beobachtet. Patt und Kollegen (2014) näherten sich der Herangehensweise bei der Blockspanne ebenfalls durch eine direkte Befragung der Probanden, zogen aber die Beobachtung natürlicher Blickbewegungen mittels Eye-Tracking als Informationsquelle hinzu. Ähnlich wie bei Ridgeway (2006) gab der Großteil der 25 befragten gesunden Erwachsenen an, aus den Items Formen gebildet zu haben. Verbalisiert und gezählt hatte hier nur ein Viertel der Probanden. Die Analyse der Blickbewegungen zeigte, dass beim Enkodieren und Behalten eine diffuse Strategie gewählt wurde, bei der die Probanden tendenziell zentral in die Bildschirmmitte blickten. Die Items wurden also nicht einzeln seriell enkodiert, sondern möglichst als Ganzes erfasst. Dazu war anscheinend kein offensichtlicher Blickwechsel notwendig, sondern es fand eine verdeckte Aufmerksamkeitsverschiebung statt, da nur 40 % der Items direkt angeschaut wurden. Beim Abruf wurden hingegen die Items seriell lokalisiert und zu 80 % direkt © 2017 Hogrefe
J. Weicker et al., „Was misst eigentlich die Blockspanne?” – Der Goldstandard im Fokus
betrachtet, ähnlich einem Anklicken mit der Maus oder dem Tippen eines Fingers. Aus den vorgestellten Untersuchungen lässt sich schlussfolgern, dass höhere Kognitionen mit stimulusspezifischen Eigenschaften interagieren. Die Leistung in der Blockspannenaufgabe hängt demnach nicht allein vom visuellen Kurzzeitgedächtnis ab, sondern auch von der Fähigkeit zur verdeckten Aufmerksamkeitsverschiebung, der Integration von Items durch strategisches Zusammenfassen einzelner Pfadabschnitte oder Gestalten, der flexiblen Anwendung von Strategien und Strategiewechseln sowie der Rekrutierung unterstützender exekutiver und verbaler Ressourcen bei der Aufgabenbearbeitung.
Der Einfluss von Parallelaufgaben Um den Einfluss der verschiedenen vorgestellten kognitiven Komponenten systematisch zu untersuchen, ließen Vandierendonck und Kollegen Probanden jeweils verschiedene Parallelaufgaben während der computerbasierten Darbietung der Blockspannenaufgabe durchführen (Vandierendonck, Kemps, Fastame & Szmalec, 2004). Jede Parallelaufgabe beanspruchte eine Komponente des Arbeitsgedächtnisses: a) Matrix-Tapping die räumliche Komponente (kontinuierliches Drücken der vier Ecken des Nummernblocks auf einer Tastatur gegen den Uhrzeigersinn), b) artikulatorische Unterdrückung die verbale Komponente (kontinuierliches Aussprechen des Wortes „das“), und c) Generierung von zufälligen Intervallen die exekutive Komponente (Drücken der Taste „0“ in jeweils unterschiedlichen Intervallen). Als Kontrollbedingung für die motorische Ausführung der Parallelaufgaben wurde zusätzlich eine Parallelaufgabe durchgeführt, bei der fixe Zeitintervalle generiert werden sollen (Drücken der Taste „0“ jeweils ein Mal pro Sekunde). Die Ergebnisse zeigten, dass Matrix-Tapping die Leistungen in der Blockspanne vorwärts und rückwärts beeinträchtigte, während die artikulatorische Unterdrückung nur einen Einfluss auf die Version rückwärts und zwar ausschließlich auf längere Sequenzen hatte. Das Generieren zufälliger Intervalle führte immer zu reduzierten Leistungen, am stärksten war der Effekt jedoch auch hier bei längeren Sequenzen. Die Kontrollaufgabe hatte wie erwartet keinen Einfluss auf die Leistung. Die Autoren schlussfolgerten aus ihren Untersuchungen, dass das Merken der Pfade in der Blockspannenaufgabe hauptsächlich durch das räumliche System kodiert wird, bei höheren Anforderungen jedoch zusätzlich exekutive und verbale Bestandteile rekrutiert werden. Um die Anforderungen der beteiligten kognitiven Prozesse zu differenzieren, führten Higo und Kollegen systematische Untersuchungen mit verschiedenen Parallelaufgaben durch (Higo, Minamoto, Ikeda & Osaka, 2014). Sie © 2017 Hogrefe
49
analysierten jedoch nicht nur die Gesamtleistung, sondern berücksichtigten auch die Art der produzierten Fehler, da das Erinnern der Items sowohl eine korrekte serielle Reihenfolge als auch deren räumliche Position erfordert und beide Faktoren somit miteinander konfundiert sind (Berch et al., 1998). Wie bei Vandierendonck und Kollegen (2004) wurden folgende Parallelbedingungen gewählt: a) MatrixTapping zur Beanspruchung der räumlichen Komponente, b) serielle artikulatorische Unterdrückung zur Beanspruchung der verbalen Komponente, und c) keine Zweitaufgabe. Im Einklang mit den Vorbefunden beeinträchtigte Matrix-Tapping sowohl die Gesamtleistung als auch die Produktion von Positions- und Reihenfolge-Fehlern. Artikulatorische Unterdrückung beeinflusste ausschließlich die Leistung der Blockspannenaufgabe rückwärts im höchsten Schwierigkeitsgrad, was nicht anhand der Gesamtperformanz, sondern anhand vermehrt falscher Reihenfolgen der sieben zu merkenden Items ersichtlich wurde. Um zu untersuchen, ob der verbale Anteil auf Strategien zur räumlichen Kodierung der Items („oben links, unten rechts, …“) zurückgeht, wurde in einem zweiten Experiment ausschließlich die Blockspanne im höchsten Schwierigkeitsgrad erneut untersucht. Neu war, dass die Anordnung der Blöcke diesmal von Trial zu Trial variiert wurde. Eine verbale Kodierung der Positionen sollte damit erschwert werden und artikulatorische Unterdrückung somit keinen Einfluss mehr haben. Die Auswertung der Ergebnisse zeigte entgegen der Hypothese unter beiden Parallelaufgaben Leistungseinbußen, diesmal sogar sowohl bei der Blockspanne vorwärts als auch rückwärts. Ursache der reduzierten Performanz war auch hier eine erhöhte Anzahl von Reihenfolge-Fehlern. Die unerwarteten Ergebnisse werden mit einem insgesamt erhöhten Schwierigkeitsgrad sowie einer verstärkten sequenziellen Repräsentation durch das kontinuierlich veränderte Design erklärt (vgl. Ridgeway, 2006, die ebenfalls eine unterstützende serielle verbale Kodierung beobachtete). Zusammenfassend legten auch die Untersuchungen mit Parallelaufgaben nahe, dass die Bearbeitung der Blockspannenaufgabe maßgeblich auf einer räumlichen Verarbeitung basiert, bei hohen Anforderungen (große Itemzahl, Reproduktion in umgekehrter Reihenfolge) jedoch zusätzlich exekutive und auch verbale Ressourcen rekrutiert werden (vgl. Vecchi & Richardson, 2001).
Blockspanne als Analogon zur Zahlenspanne? Historisch wurde die Blockspanne als nonverbales Äquivalent zur Zahlenspanne eingeführt (Corsi, 1972). Tatsächlich finden Studien zwischen Zahlen- und Blockspannen Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 45–54
50
J. Weicker et al., „Was misst eigentlich die Blockspanne?” – Der Goldstandard im Fokus
überwiegend moderate Korrelationen (Orsini, 1994; Tulsky & Price, 2003; Wilde & Strauss, 2002; aber siehe Kessels et al., 2008). Die Zahlenspanne vorwärts erfordert das Speichern verbaler Informationen und der Abruf rückwärts wird meist ausgeführt, indem die Informationen in der originalen Sequenz aufrechterhalten und dann Zahl für Zahl in umgekehrter Reihenfolge wiedergegeben werden, was eine hohe exekutive Kontrolle erfordert (Thomas, Milner & Haberlandt, 2003). Zwischen beiden Bedingungen besteht ein gut dokumentierter Unterschied, Speicherfunktion und exekutive Kontrolle sind im verbalen Arbeitsgedächtnis somit voneinander getrennte Funktionen (Gardener, 1981; Kessels et al., 2008; Wilde & Strauss, 2002). Hinsichtlich der Blockspanne wird gemeinhin postuliert, dass die Blockspanne vorwärts visuellräumliche Kurzzeitgedächtnisleistungen misst, während die Blockspanne rückwärts zusätzlich exekutive Anforderungen stellt (Hester, Kinsella & Ong, 2004). Unter der Annahme, dass bei der Umkehrung der Reihenfolge eine aktive Manipulation erfolgt und diese das Arbeitsgedächtnis beansprucht, sollte die Ausführung der Blockspannenaufgabe rückwärts anstrengender und schwieriger sein (Baddeley, 1986; Lichtenberger, Kaufman & Lai, 2002). Eine Vielzahl an Studien fand jedoch keinen Unterschied in der Gesamtperformanz zwischen der Blockspanne vorwärts und rückwärts (Berch et al., 1998; Higo et al., 2014; Kessels et al., 2008; Mammarella & Carnoldi, 2005; Wilde & Strauss, 2002; aber siehe Helmstaedter, Kemper & Elger, 1996). Zudem ist eine schlechte Performanz in der Blockspanne rückwärts meist auch mit niedrigerem Abschneiden in der Blockspanne vorwärts assoziiert (Kessels et al., 2008; Wilde et al., 2004). Bei der Durchführung der Blockspannen sind die Blöcke immer optisch präsent, die Sequenzierung der Items in vorwärts oder rückwärts spielt im komplexen räumlichen System vermutlich eher eine untergeordnete Rolle (De Lillo, 2004; Kemps, 2001; Patt et al., 2014; Ridgeway, 2006). Dafür spricht auch, dass Positionsmarker (Primacy- und Recency-Effekte) wesentlich schwächer ausgeprägt sind als bei Zahlenspannen (Woods et al., 2015). Eine Untersuchung der Faktorenstruktur von Block- und Zahlenspannen des WAIS-III (Wechsler Adult Intelligence Scale; Wechsler, 1997a) brachte ein Modell hervor, das zwischen verbalen und räumlichen Aspekten trennte, aber keinen weiteren dissoziierenden Faktor innerhalb der Blockspannen hatte (Kessels et al., 2008). Die Architektur des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses unterscheidet sich somit grundlegend von der verbalen Modalität. Hier können gespeicherte Informationen zugleich verarbeitet werden, Speicherfunktion und Exekutivfunktion sind in diesem System kaum zu trennende Komponenten und können sowohl Anforderungen der Blockspannenaufgabe vorwärts als auch rückwärts erfüllen (Cornoldi & Mammarella, 2008). UnZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 45–54
terstützung für dieses Modell liefern zahlreiche bildgebende Untersuchungen und Läsionsstudien mit Patienten, die zeigen, dass Blockspanne vorwärts und rückwärts ähnliche neuronale Aktivitäten hervorrufen (für einen aktuellen Überblick der neuronalen Korrelate von Arbeitsgedächtnisprozessen siehe D’Esposito & Postle, 2015, und Eriksson, Vogel, Lansner, Bergström & Nyberg, 2015). Die Blockspanne stellt somit kein nonverbales Äquivalent zur Zahlenspanne dar.
Blockspanne vorwärts vs. rückwärts Eine häufige klinische Beobachtung ist, dass die Performanz in der Blockspanne rückwärts ähnlich oder sogar höher ist als vorwärts. Empirisch wurde diese Einschätzung durch die Analyse intraindividueller Leistungen bestätigt (Kessels et al., 2008; Wilde & Strauss, 2002; Wilde et al., 2004). Der Prozentsatz von Probanden, die mehr Items rückwärts als vorwärts korrekt generierten, lag bei etwa einem Drittel – ein Phänomen, das bei der Zahlenspanne äußerst selten auftritt (Wilde et al., 2004). Wilde und Kollegen (2004) untersuchten anhand der Daten aus dem WAIS-III / WMS-III-Manual, ob größere Diskrepanzen zwischen einzelnen Subtests bei klinischen Stichproben auftraten. Auch hier fand sich eine weite Übereinstimmung der Leistungsfähigkeit: Schnitt eine Gruppe in einem Maß schlecht ab, so tat sie das auch bei der entsprechend umgekehrten Reihenfolge. So unterschieden sich lediglich 15 % der untersuchten Patienten hinsichtlich Zahlenspanne vorwärts und rückwärts (Ätiologie: Schizophrenie, Huntington, Schädel-Hirn-Trauma). Bei der Blockspanne gab es 10 % auffällige Unterschiede (Ätiologie: Alzheimer Krankheit, Lobektomie des linken Temporallappens). Einige Wissenschaftler schlussfolgerten aus der Zusammenschau der Befunde, dass die Blockspanne vorwärts ein gutes Verfahren zur Erhebung des visuellräumlichen Kurzzeitgedächtnisses sei, die Blockspanne rückwärts darüber hinaus keinen Mehrwert an Informationen liefere (Claessen et al., 2015; Kessels et al., 2008; Wilde & Strauss, 2002; Wilde et al., 2004). Zudem befanden Wilde und Kollegen (2004), dass die Blockspanne rückwärts daher kein klinisch sensitives Maß für die Identifizierung von Arbeitsgedächtnisdefiziten darstelle. Die bereits vorgestellten Studien mit Parallelaufgaben legen indes nahe, dass sich die geforderten Funktionen je Variante durchaus unterscheiden. So wurde die Leistung in der Blockspanne vorwärts nicht durch artikulatorische Unterdrückung beeinträchtigt, die Rückwärtsvariante durchaus (Higo et al., 2014; Vandierendonck et al., 2004). Bei Higo und Kollegen (2014) fanden sich u. a. Sequenzierungsfehler, was die Autoren annehmen ließ, dass die seri© 2017 Hogrefe
J. Weicker et al., „Was misst eigentlich die Blockspanne?” – Der Goldstandard im Fokus
elle Verarbeitung der Items der kritische Faktor sei, der die beiden Bedingungen voneinander unterscheidet. Vandierendonck und Kollegen (2004) stellten zudem fest, dass die Probanden initial längere Merkspannen vorwärts als rückwärts hatten, dieser Unterschied mit der Übung jedoch immer geringer wurde. Gezielte Trainingsstudien legen ebenfalls unterschiedliche Funktionsmechanismen nahe. So zeigte sich nach einem metakognitiven Strategietraining die Leistung in der Blockspanne rückwärts signifikant verbessert, die Blockspanne vorwärts jedoch nicht (Caviola, Mammarella, Cornoldi & Lugangelli, 2009). Eine Metaanalyse zur Wirksamkeit von Arbeitsgedächtnistrainings identifizierte die Blockspanne rückwärts von allen erhobenen Arbeitsgedächtnismaßen als am sensitivsten für Veränderungsprozesse (Weicker, Villringer & Thöne-Otto, 2016). Cornoldi und Mammarella näherten sich dem Phänomen Blockspanne, indem sie Personen mit geringen räumlichen Fähigkeiten multimodal untersuchten. Zunächst untersuchten sie Kinder mit visuell-räumlichen Störungen sowie gesunde Kontrollen (Mammarella & Cornoldi, 2005). Die Stichproben unterschieden sich nicht in ihren Leistungen bei den Zahlenspannen und der Blockspanne vorwärts, die beeinträchtigten Kinder zeigten jedoch einen Leistungseinbruch in der Blockspanne rückwärts. Da die Zahlenspanne rückwärts, die hohe Anforderungen an exekutive Funktionen stellt, gut bewältigt wurde, musste der Leistungseinbruch also auf andere Defizite zurückzuführen sein. In einer Folgestudie wurden von einer Originalstichprobe von über 400 jungen Erwachsenen jeweils n = 20 Personen mit sehr starken und sehr schwachen Leistungen in einer mentalen Rotationsaufgabe ausgewählt (Cornoldi & Mammarella, 2008). Erstaunlicherweise zeigten sich auch im Vergleich dieser Extremgruppen isolierte Schwierigkeiten bei der Blockspanne rückwärts, die anderen Spannenmaße unterschieden sich nicht zwischen den Gruppen. Die Ergebnisse der beiden Studien erklärten die Annahme, dass die Reihenfolge in der Reproduktion durchaus unterschiedliche kognitive Prozesse anspricht. Die Autoren gehen davon aus, dass die Blockspanne rückwärts spezifische räumliche Fähigkeiten verlangt sowie mehr simultane und weniger sequenzielle Anforderungen zur Aufgabenbearbeitung erfordert. Diese These steht der von Higo und Kollegen vorgeschlagenen konträr gegenüber. Vermutlich interagieren interindividuelle Merkmale mit dem Aufgabenmaterial. Eine Erklärung wäre, dass unterstützende verbale Ressourcen und Strategien bei der Blockspannenaufgabe vorwärts erfolgreich eingesetzt wurden, diese aber in der Variante rückwärts nicht mehr griffen. Auch eine domänenspezifisch reduzierte exekutive Kontrolle ist denkbar (vgl. Cornoldi & Mammarella, 2008). Kürzlich veröffentlichte Analysen des Antwortverhaltens legen nahe, dass die Formulierung © 2017 Hogrefe
51
der Lösung bei der Blockspannenaufgabe vorwärts bereits während der Enkodierung stattfindet, die Blockspanne rückwärts jedoch erst nach Ende der Präsentation aller Items generiert wird (Brunetti et al., 2014). Hierbei wurden verzögerte Reaktionszeiten als Zeichen einer stärkeren Beanspruchung der zentralen Exekutive interpretiert. Zusammenfassend sind sich Blockspanne vorwärts und rückwärts in der Beanspruchung kognitiver Prozesse ähnlicher und differenzieren weniger zwischen Speicher- und Verarbeitungsprozessen als beispielsweise Zahlenspannen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Bedingungen funktionell gleichzusetzen sind. Auch wenn sich Empfehlungen auf Basis der aktuellen Forschungslage diesbezüglich noch unzureichend gestalten, ist sowohl der Einsatz der Blockspanne vorwärts als auch rückwärts gerechtfertigt und Patientenstudien geben Hinweise auf einen sinnvollen diagnostischen Mehrwert (vgl. Cornoldi & Mammarella, 2008; Mammarella et al., 2006).
Zusammenfassung und klinische Implikationen Die vorliegende Arbeit widmete sich den zugrunde liegenden kognitiven Prozessen der Blockspannenaufgabe. Trotz der häufigen Verwendung in der klinischen Praxis gibt es bislang erstaunlich wenige Studien, die das Verfahren gezielt untersuchten. Die Literaturanalyse zeigte, dass eine große Heterogenität besteht, die sowohl die Interpretation als auch Vergleichbarkeit von Studienergebnissen erschwert. Sofern eine standardisierte Durchführung verfügbar ist, sollten sich Anwender unbedingt an die Vorgaben halten, da selbst kleine Veränderungen (beispielsweise in der versehentlichen Auswahl falscher Blöcke oder Verzögerungen in der Präsentationsrate) Einfluss auf den Schwierigkeitsgrad haben. Eine maßgebliche Aufgabe für die Forschung der nächsten Jahre wird ein besseres Verständnis der Interaktion von stimulusspezifischen Eigenschaften mit höheren kognitiven Funktionen sein. Die dargelegten Studien zeigten, dass eine erfolgreiche Bearbeitung nicht nur von einem guten visuell-räumlichen Kurzzeitgedächtnis abhängig ist, sondern auch von der Fähigkeit zur verdeckten Aufmerksamkeitsverschiebung, dem strategischen Zusammenfassen einzelner Pfadabschnitte und dem Bilden von Gestalten sowie der flexiblen Auswahl und Anwendung profitabler Strategien. Unter Hinzunahme von Parallelaufgaben wurde deutlich, dass die Blockspanne kein rein nonverbales Verfahren ist, da insbesondere bei höheren Schwierigkeitsgraden unterstützende verbale und exekutive Ressourcen zur Aufgabenbearbeitung hinzugezogen wurden. Klar wurde auch, Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 45–54
52
J. Weicker et al., „Was misst eigentlich die Blockspanne?” – Der Goldstandard im Fokus
dass die Blockspanne aufgrund ihrer unterschiedlichen Architektur nicht als paralleles Testverfahren zur Zahlenspanne gelten kann. Das Wissen um die Komplexität des Verfahrens wird im klinischen Alltag dazu beitragen, individuelle Defizite und Ressourcen besser zu erkennen und therapeutische Ziele entsprechend anzupassen. Wahrscheinlich ist es gerade die Vielschichtigkeit der erforderlichen kognitiven Ressourcen bei höherer Itemschwierigkeit, die die Blockspanne rückwärts zu einem sensitiven Indikator für den Trainingserfolg von Arbeitsgedächtnistrainings macht (vgl. Weicker et al., 2016).
Literatur Baddeley, A. D. (1986). Working Memory. New York: Oxford University Press. Baddeley, A. D. (2003). Working memory: looking back and looking forward. Nature Reviews Neuroscience, 4, 829 – 839. Beigneux, K., Plaie, T. & Isingrini, M. (2007). Aging effect on visual and spatial components of working memory. International Journal of Aging and Human Development, 65(4), 301 – 314. Berch, D. B., Krikorian, R. & Huha, E. M. (1998). The Corsi blocktapping task: Methodical and theoretical considerations. Brain and Cognition, 38(3), 317 – 338. Brunetti, R., Del Gatto, C. & Delugo, F. (2014). eCorsi: implementation and testing of the Corsi block-tapping task for digital tablets. Frontiers in Psychology, 5, 939. Busch, R. M., Farrell, K., Lisdahl-Medina, K. & Krikorian, R. (2005). Corsi Block-tapping task performance as a function of path configuration. Journal of Clinical & Experimental Neuropsychology, 27(1), 127 – 134. Carlesimo, G. A., Fadda, L., Lorusso, S. & Caltagirone, C. (1994). Verbal and spatial memory spans in Alzheimer’s and multi-infarct dementia. Acta Neurologica Scandinavica, 89, 132 – 138. Caviola, S., Mammarella, I. C., Cornoldi, C. & Lugangelli, D. (2009). A metacognitive visuospatial working memory training for children. International Electronic Journal of Elementary Education, 2, 122 – 136. Cicerone, K. D., Langenbahn, D. M., Braden, C., Malec, J. F., Kalmar, K., Fraas, M. et al. (2011). Evidence-based cognitive rehabilitation: Updated review of the literature from 2003 through 2008. Archives of Physical Medicine and Rehabilitation, 92, 519 – 530. Claessen, M. H. G., van der Ham, I. J. M. & van Zandvoort, M. J. E. (2015). Computerization of the standard Corsi block-tapping task affects its underlying cognitive concepts: A pilot study. Applied Neuropsychology: Adult, 22(3), 180 – 188. Cornoldi, C. & Mammarella, I. C. (2008). A comparison of backward and forward spatial spans. Quarterly Journal of Experimental Psychology, 61(5), 674 – 682. Corsi, P. M. (1972). Human memory and the medial temporal region of the brain. Dissertation Abstracts International, 34, 891. Cowan, N. (1995). Attention and Memory: An Integrated Framework. New York: Oxford University Press. D’Esposito, M. & Postle, B. R. (2015). The cognitive neuroscience of working memory. Annual Review of Psychology, 66, 115 – 42. Daneman, M. & Merikle, P. M. (1996). Working memory and language comprehension: A meta-analysis. Psychonomic Bulletin & Review, 3, 422 – 433. De Lillo, C. (2004). Imposing structure on a Corsi-type task: evidence for hierarchical organisation based on spatial proximity in serial-spatial memory. Brain and Cognition, 55(3), 415 – 426. Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 45–54
Della Sala, S., Gray, C., Baddeley, A. D. & Wilson, L. (1997). Visual Pattern Test: a test of short-term visual recall. Bury St Edmunds, UK: Thames Valley Test Company. Eriksson, J., Vogel, e. K., Lansner, A., Bergström, F. & Nyberg, L. (2015). Neurocognitive Architecture of Working Memory. Neuron, 88(7), 33 – 46. Fischer, M. H. (2001). Probing spatial working memory with the Corsi blocks task. Brain and Cognition, 45, 143 – 154. Fournet, N., Roulin, J. L., Vallet, F., Beaudoin, M., Agrigoroaei, S., Paignon, A. et al. (2012). Evaluating short-term and working memory in older adults: French normative data. Aging and Mental Health, 16(7), 922 – 930. Gardner, R. A. (1981). Digits forward and backward as two separate tests: Normative data on 1 567 school children. Journal of Clinical Child Psychology, 10, 131 – 135. Glisky, E. L. (2007). Changes in cognitive function in human aging. In D. R. Riddle (Ed.). Brain aging: models, methods, and mechanisms (Chap. 1.). Boca Raton (FL): CRC Press / Taylor & Francis. Haxby, J. V., Lundgren, S. L. & Morley, G. K. (1983). Short-term retention of verbal, visual shape and visuospatial location information in normal and amnesic subjects. Neuropsychologia, 21(1), 25 – 33. Hebb, D. O. (1961). Distinctive features of learning in the higher animal. In J. F. Delafresnaye (Ed.), Brain mechanisms and learning (pp. 37 – 46). New York, NY: Oxford University Press. Helmstaedter, C., Kemper, B. & Elger, C. E. (1996). Neuropsychological aspects of frontal lobe epilepsy. Neuropsychologia, 34, 399 – 406. Hester, R. L., Kinsella, G. J. & Ong, B. (2004). Effect of age on forward and backward span tasks. Journal of International Neuropsychological Society, 10, 475 – 481. Higo, K., Minamoto, T., Ikeda, T. & Osaka, M. (2014). Robust order representation is required for backward recall in the Corsi blocks task. Frontiers in Psychology, 5, 1285. Hurlstone, M. J., Hitch, G. J. & Baddeley, A. D. (2014). Memory for serial order across domains: An overview of the literature and directions for future research. Psychological Bulletin, 140(2), 339 – 373. Iacoboni, M. (2009). Imitation, empathy and mirror neurons. Annual Review of Psychology, 60, 653 – 670. Kemps, E. (2001). Complexity effect of visuo-spatial working memory: Implication for the role of long term memory. Memory, 9(1), 13 – 27. Kemps, E., Szmalec, A., Vandierendonck, A. & Crevits, L. (2005). Visuo-spatial processing in Parkinson’s Disease: evidence for diminished visuo-spatial sketch pad and central executive resources. Parkinsonism & Related Disorders, 11(3), 181 – 186. Kessels, R. P., de Haan, E. H., Kappelle, L. J. & Postma, A. (2002). Selective impairments in spatial memory after ischaemic stroke. Journal of Clinical and Experimental Neuropsychology, 24(1), 115 – 129. Kessels, R. P., van den Berg, E., Ruis, C. & Brands, A. M. (2008). The backward span of the Corsi block-tapping task and its association with the WAIS-III digit span. Assessment, 15(4), 426 – 434. Kessels, R. P., van Zandvoort, M. J. E., Postma, A., Kappelle, L. J. & de Haan, E. H. F. (2000). The Corsi Block-Tapping Task: Standardization and normative data. Applied Neuropsychology, 7, 252 – 258. Kyllonen, P. C. & Christal, R. E. (1990). Reasoning ability is (little more than) working-memory capacity. Intelligence, 14, 389 – 433. Lichtenberger, E. O., Kaufman, A. S. & Lai, Z. C. (2002). Essentials of WMS-III assessment. New York: Wiley. Mammarella, I. C. & Cornoldi, C. (2005). Sequence and space: The critical role of a backward spatial span in the working memory deficit of visuospatial learning disabled children. Cognitive Neuropsychology, 22(8), 1055 – 1068. © 2017 Hogrefe
J. Weicker et al., „Was misst eigentlich die Blockspanne?” – Der Goldstandard im Fokus
Mammarella, I. C., Cornoldi, C., Pazzaglia, F., Toso, C., Grimoldi, M. & Vio, C. (2006). Evidence for a double dissociation between spatial-simultaneous and spatial-sequential working memory in visuospatial (nonverbal) learning disabled children. Brain and Cognition, 62, 58 – 67. Millet, X., Raoux, N., Le Carret, N., Bouisson, J., Dartigues, J. F. & Amieva, H. (2009). Gender-related differences in visuo-spatial memory persist in Alzheimer’s disease. Archives of Clinical Neuropsychology, 24(8), 783 – 789. Milner, B. (1965). Memory disturbances after bilateral hippocampus lesions. In P. Milner & S. Glickman (Eds.). Cognitive processes and the brain (pp. 104 – 105). Princeton, NJ: D. Van Nostrand Co. Inc. Milner, B. (1971). Interhemispheric differences in the localization of psychological processes in man. British Medical Bulletin, 27, 272 – 277. Milner, B., Corkin, S. & Teuber, H.-L. (1968). Further analysis of the hippocampal amnestic syndrome: 14-year follow-up study of H. M. Neuropsychologia, 6, 317 – 338. Monaco, M., Costa, A., Caltagirone, C. & Carlesimo, G. A. (2013). Forward and backward span for verbal and visuo-spatial data: Standardization and normative data from an Italian adult population. Neurological Science, 34(5), 749 – 754. Nys, G. M. S., van Zandvoort, M. J. E., van der Worp, H. B., Kappelle, L. J. & de Haan, E. H. F. (2006). Neuropsychological and neuroanatomical correlates of perseverative responses in subacute stroke. Brain, 129, 2148 – 2157. Orsini, A. (1994). Corsi’s block-tapping test: Standardization and concurrent validity with WISC-R for children aged 11 – 16. Perceptual and Motor Skills, 79, 1547 – 1554. Orsini, A., Simonetta, S. & Marmorato, M. S. (2004). Corsi’s Blocktapping test: Some characteristics of the spatial path which influence memory. Perceptual and Motor Skills, 98(2), 382 – 388. Pagulayan, K. F., Bush, R. M., Medina, K. L., Bartok, J. A. & Krikorian, R. (2006). Developmental normative data for the Corsi blocktapping task. Journal of Clinical and Experimental Neuropsychology, 28, 1043 – 1052. Parmentier, F. B. & Andrés, P. (2006). The impact of path crossing on visuo-spatial serial memory: encoding or rehearsal effect? Quarterly Journal of Experimental Psychology, 59(11), 1867 – 1874. Parmentier, F. B., Andrés, P., Elford, G. & Jones, D. M. (2006). Organization of visuo-spatial serial memory: interaction of temporal order with spatial and temporal grouping. Psychological Research, 70(3), 200 – 217. Parmentier, F. B., Elford, G. & Mayberry, M. (2005). Transitional information in spatial serial memory: path characteristics affect recall performance. Journal of Experimental Psychology. Learning, Memory, and Cognition, 31(3), 412 – 427. Pasquier, F., Grymonprez, L., Lebert, F. & Van der Linden, M. (2001). Memory impairment differs in frontotemporal dementia and Alzheimer’s disease. Neurocase, 7, 161 – 171. Patt, V. M., Thomas, M. L., Minassian, A., Geyer, M., Brown, G. G. & Perry, W. (2014). Disentangling working memory processes during spatial span assessment: a modeling analysis of preferred eye movement strategies. Journal of Clinical and Experimental Neuropsychology, 36(2), 186 – 204. Payer, D., Marshuetz, C., Sutton, B., Hebrank, A., Welsh, R. C. & Park, D. C. (2006). Decreased neural specialization in old adults on a working memory task. Neuroreport, 17(5), 487 – 491. Piccardi, L., Iaria, G., Ricci, M., Bianchini, F., Zompanti, L. & Guariglia, C. (2008). Walking in the Corsi test: Which type of memory do you need? Neuroscience Letters, 432(2), 127 – 131. Ridgeway, D. (2006). Strategic grouping in the spatial span memory task. Memory, 14(8), 990 – 1000. © 2017 Hogrefe
53
Ruff, R. M., Evans, R. & Marshall, L. F. (1986). Impaired verbal and figural fluency after head injury. Archives of Clinical Neuropsychology, 1, 87 – 101. Salamé, P., Danion, J. M., Peretti, S. & Cuervo, C. (1998). The state of functioning of working memory in schizophrenia. Schizophrenia Research, 30, 11 – 29. Scoville, W. B. & Milner, B. (1957). Loss of recent memory after bilateral hippocampal lesions. Journal of Neurosurgery and Psychiatry, 20(1), 11 – 21. Shah, P. & Miyake, A. (1999). Models of working memory: An introduction. In: A. Miyake & P. Shah (Eds.). Models of working memory: Mechanism of active maintenance and executive control (pp. 1 – 27). New York, NY: Cambridge University Press. Smirni, P., Villardita, C. & Zappala, G. (1983). Influence of different paths on spatial memory performance in the Block-Tapping Test. Journal of Clinical Neuropsychology, 111, 67 – 71. Smith, E. E. & Jonides, J. (1995). Working memory in humans: Neuropsychological evidence. In M. S. Gazzaniga (Ed.). The Cognitive Neurosciences (pp. 1009 – 1020). Cambridge, MA: MIT Press. Smith, E. E. & Jonides, J. (1998). Working memory: a view from neuroimaging. Cognitive Psychology, 33, 5 – 42. Smith, E. E., Jonides, J., Koeppe, R. A., Awh, E., Schumacher, E. H. & Minoshima, S. (1995). Spatial vs. object working memory: PET investigations. Journal of Cognitive Neuroscience, 7, 337 – 356. Squire, L. R. & Knowloton, B. L. (2000). The medial temporal lobe, the hippocampus, and the memory systems of the brain. In M. S. Gazzaniga (Ed.). The new cognitive neurosciences (2nd ed.) (pp. 765 – 779). Cambridge, MA: MIT Press. Stoffers, D., Berendse, H. W., Deijen, J. B. & Wolters, E. C. (2003). Deficits on Corsi’s Block-Tapping Task in early stage Parkinson’s disease. Parkinsonism and Related Disorders, 10, 107 – 111. Thomas, J. G., Milner, H. R. & Haberlandt, K. F. (2003). Forward and backward recall: different response time patterns, same retrieval order. Psychological Science, 14, 169 – 174. Tulsky, D. S. & Price, L. R. (2003). The joint WAIS-III and WMS-III factor structure: Development and cross-validation of a six-factor model of cognitive functioning. Psychological Assessment, 15, 149 – 162. van Asselen, M., Kessels, R. P., Neggers, S. F., Kappelle, L. J., Frijns, C. J. & Postma, A. (2006). Brain areas involved in spatial working memory. Neuropsychologia, 44(7), 1185 – 1194. Vandierendonck, A., Kemps, E., Fastame, M. C. & Szmalec, A. (2004). Working memory components of the Corsi blocks task. British Journal of Psychology, 95, 57 – 79. Vecchi, T. & Richardson, J. T. (2001). Measures of visuospatial shortterm memory: the Knox Cube Imitation Test and the Corsi Blocks Test compared. Brain and Cognition, 46(1 – 2), 291 – 295. Wechsler, D. (1987). Wechsler Memory Scale – Revised. San Antonio, TX: The Psychological Corporation. Wechsler, D. (1997a). Wechsler Adult Intelligence Scale – Third Edition. San Antonio, TX: The Psychological Corporation. Wechsler, D. (1997b). Wechsler Memory Scale – Third Edition. San Antonio, TX: The Psychological Corporation. Weicker, J., Villringer, A. & Thöne-Otto, A. (2016). Can impaired working memory functioning be improved by training? A meta-analysis with a special focus on brain injured patients. Neuropsychology, 30(2), 190 – 212. Wilde, N. & Strauss, E. (2002). Functional equivalence of WAISIII / WMS-III digit and spatial span, under forward and backward recall conditions. Clinical Neuropsychologist, 16, 322 – 330. Wilde, N. J., Strauss, E. & Tulsky, D. S. (2004). Memory span on the Wechsler Scales. Journal of Clinical and Experimental Neuropsychology, 26(4), 539 – 549. Wisniewski, I., Wendling, A. S., Manning, L. & Steinhoff, B. J. (2012). Visuo-spatial memory tests in right temporal lobe epilepsy foci: clinical validity. Epilepsy & Behavior, 23(3), 254 – 260. Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 45–54
54
J. Weicker et al., „Was misst eigentlich die Blockspanne?” – Der Goldstandard im Fokus
Woods, D. L., Wyma, J. M., Herron, T. J. & William, Y. (2015). An improved spatial span test of visuospatial memory. Memory, doi: 10.1080/09658211.2015.1076849 Woods, D. L., Wyma, J. M., Herron, T. J. & Y und, E. W. (2016). The effects of repeat testing, malingering, and traumatic brain injury on computerized measures of visuospatial memory span. Frontiers in Human Neuroscience, 9, 690.
Manuskript eingereicht: 27.07.2016 Nach Revision angenommen: 28.12.2016 Interessenkonflikt: Nein
Juliane Weicker Tagesklinik für Kognitive Neurologie Universitätsklinikum Leipzig Liebigstr. 16 04103 Leipzig Deutschland weicker@uniklinik-leipzig.de
Anzeige
Hendrik Niemann / Wolfgang Hartje
Fahreignung bei neurologischen Erkrankungen
Hendrik Niemann Wolfgang Hartje
Fortschritte der Neuropsychologie
Fahreignung bei neurologischen Erkrankungen (Reihe: „Fortschritte der Neuropsychologie“, Band 16). 2016, VII/98 Seiten, € 22,95 / CHF 29.90 (Im Reihenabonnement € 15,95 / CHF 21.50) ISBN 978-3-8017-2644-7 Auch als eBook erhältlich
Der Band beschreibt die Grundlagen der neuropsychologischen Untersuchung und Begutachtung der Fahreignung von Patienten mit zerebralen Schädigungen oder Erkrankungen. Bei der Darlegung der rechtlichen Grundlagen wird speziell auf die Legitimation und den besonderen Stellenwert
der klinischen Fahreignungsbeurteilung eingegangen, die sich aus der ärztlichen/psychologischen Aufklärungspflicht einerseits und Schweigepflicht andererseits ergeben. Bei der Darstellung der als verkehrsrelevant geltenden Leistungsmängel wird deutlich, dass nicht die Diagnose eines bestimmten Krankheitsbildes entscheidend ist, sondern die Feststellung der Art und Schwere der im Einzelfall vorliegenden Funktionsstörungen. Für die praktische Aufgabe der neuropsychologischen Fahreignungsbegutachtung wird das schrittweise Vorgehen bei der Untersuchung und Beurteilung der Fahreignung, der Aufklärung der Patienten und Beratung über Möglichkeiten zur Wiederherstellung der Fahreignung als Leitfaden beschrieben.
www.hogrefe.com
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 45–54
© 2017 Hogrefe
M-KIT Modularer Kurzintelligenztest M. Dantlgraber ŋ (UIDVVXQJ GHU *UXQGLQWHOOLJHQ] I¾U DQVSUXFKV YROOH 6WXGLHQ XQG %HUXIVOHKUJ¦QJH ŋ 0RGXODU HLQVHW]EDU Ł UHLQH 7HVW]HLW MH QDFK 0RGXO DE 0LQXWHQ ŋ 0RGHUQVWHV 2QOLQH 7HVWHQ PLW +76 ŋ *XW YHUVW¦QGOLFKH (UJHEQLVEHULFKWH ŋ EHUGXUFKVFKQLWWOLFKH =XVDPPHQK¦QJH LQ GHU 3UD[LV PLW 6FKXO XQG $ELWXUQRWHQ VRZLH /HLVWXQJVEHXUWHLOXQJHQ GXUFK 9RUJHVHW]WH Der Modulare Kurzintelligenztest (M-KIT) ist ein ökonomisches, (gender-) faires, universell und flexibel anwendbares Verfahren zur Erfassung fluider Intelligenz, das durch hohe Validität und hohe Akzeptanzratings besticht. Intelligenz wird dabei weitgehend unabhängig von Faktoren wie erworbenem Schulwissen, spezifischen Berufskenntnissen und ähnlichem erfasst.
Test komplett bestehend aus: Manual, Aufgabenheften 1 – 6 (Wortfolgen, Bildteile, Zahlenvergleiche, Kurztexte, Kartenstapel, Ungleichungen), je 5 Antwortbogen 1 – 6 (Wortfolgen, Bildteile, Zahlenvergleiche, Kurztexte, Kartenstapel, Ungleichungen), 5 Auswertebogen, 5 Präsentiermappen, Auswerteschablonen 1 – 3 (Wortfolgen & Kurztexte / Bildteile & Kartenstapel / Zahlenvergleiche & Ungleichungen), Gesamtübersicht und Box Bestellnummer 03 202 01 € 244,00 / CHF 281.00 M-KIT HTS 5 Diese Version benötigt Administrationssoftware bzw. eine Jahreslizenz für das Hogrefe TestSystem (HTS). Für alle Informationen zu HTS und zur detaillierten Produktepalette M-KIT HTS 5 wenden Sie sich bitte an Ihre Testzentrale.
www.hogrefe.com
Der M-KIT ist so konzipiert, dass er in fünf eigenständigen Modulen eingesetzt werden kann. Hierfür wurden sechs neuartige Aufgabenformate entwickelt; zwei verbal (Modul V, verbal), zwei figural-bildhaft (Modul F, figural-bildhaft) und zwei numerisch (Modul N, numerisch) geprägte. Von diesen betont jeweils ein Aufgabenformat die fluid-schlussfolgernde Kernkomponente stärker (Modul K, kernfokussiert) und eines den verbalen, figural-bildhaften bzw. numerischen Aspekt (Modul A, ausbalanciert). Werden alle Aufgabenformate eingesetzt, lässt sich zusätzlich ein Gesamttestergebnis ableiten.
Wartesituationen professionell managen
German Quernheim
Warten, aber richtig! Praxishandbuch zum Management wartender Patienten 2017. 320 S., 34 Abb., 17 Tab., Kt € 29,95 / CHF 39.90 ISBN 978-3-456-85516-5 Auch als eBook erhältlich
German Quernheim
Warten, aber richtig! Praxishandbuch zum Management wartender Patienten
www.hogrefe.com
Wie erleben Patienten Warten, welche Folgen zeitigt es für sie, wie können Mitarbeiter im Gesundheitswesen wartende und sich langweilende Patienten unterstützen? Das Praxisbuch beschreibt für Gesundheitsberufe, wie sie mit wartenden Patienten professionell umgehen können. Dabei stehen Wartesituationen sowohl in der Klinik mit Ambulanz, Notaufnahme und den Stationen als auch in Praxen von Ärzten und Therapeuten im Zentrum. Der Autor veranschaulicht Klinikvorständen und Praxisinhabern, welche existenzielle Bedeutung geschulte Mitarbeitende für die Ergebnisqualität haben.
Das Buch gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil beschreibt der Autor neben den pflegewissenschaftlichen und medizinischen Effekten auch die sozio-psychologischen und ökonomischen Auswirkungen des Wartens. Im zweiten Teil zeigt er Mitarbeitenden im Gesundheitswesen vielfältige Möglichkeiten, wie sie Wartesituationen positiv beeinflussen und professionell managen können. Somit erweitert er deren Handlungsspektrum und fördert die Zufriedenheit von wartenden Patienten und ihren Angehörigen. Im dritten Teil konkretisiert der Autor den Veränderungsprozess hin zu einem professionellen Wartemanagement an Beispielen aus Kliniken und Praxen.
Übersichtsartikel
„Alle gegen einen?“ – Der Streit um den Wert von Einzelfallstudien in der kognitiven Neuropsychologie Tobias Bormann Klinik für Neurologie, Universitätsklinik Freiburg
Zusammenfassung: Welche Relevanz besitzt eine einzelne widersprüchliche empirische Beobachtung für Modelle, deren Vorhersagen ansonsten von Dutzenden, wenn nicht Hunderten von empirischen Beobachtungen bestätigt worden sind? Reicht die Beobachtung eines Patienten aus, um ein kognitives Modell zu falsifizieren, dessen Vorhersagen in einer Studie mit 100 Datensätzen bestätigt wurden? Diese Diskussion wird derzeit mit großer Vehemenz in der kognitiven Neuropsychologie geführt, nachdem prominente Neuropsychologen den Einzelfallansatz neuerdings kritisch beurteilen und stattdessen Fallserien propagieren. Die unterschiedlichen methodischen Ansätze sind verknüpft mit konkurrierenden kognitiven Modellen der Sprachverarbeitung. Der vorliegende Beitrag stellt die Debatte, die für die Zukunft der kognitiven Neuropsychologie von großer Bedeutung ist, mit ihren Protagonisten, Modellen und zentralen empirischen Befunden dar. Schlüsselwörter: Kognitive Neuropsychologie, Aphasie, Methodik, Fallstudien, Fallserien, Dissoziationen
“All Against One?” The Debate on the Value of Single-Case Studies in Cognitive Neuropsychology Abstract: Does an observed dissociation in a single patient suffice to rule out a cognitive model that has been confirmed in multiple studies including hundreds of observations? This matter is currently being discussed in the field of cognitive neuropsychology, where prominent researchers have recently questioned the value of single-case studies. Instead, these researchers advocate the case-series approach as the preferred method. The debate concerning the preferred approach to studying patients is linked to two competing models of word processing. The present article summarizes the central points of the debate along with its most prominent protagonists and empirical findings. Keywords: Cognitive neuropsychology, aphasia, single-case approach, case-series approach, dissociations
Einleitung „Wer die neuesten Controversen auf dem Gebiete der Lehre von den aphasischen Störungen liest, kann leicht die Ansicht gewinnen, dass über den Weg, welchen die Erforschung dieser Fragen einzuschlagen hat, eine Differenz zwischen unsern hervorragendsten Autoren auf diesem Gebiete besteht, dass nicht einmal über die fundamentale Frage der Methode eine Einigung erzielt wurde.“ (Lichtheim, 1885, S. 204)
Welchen Stellenwert haben Einzelfallstudien heute noch in der neuropsychologischen Forschung? Genügt die Beobachtung eines abweichenden Patienten, eines „schwarzen Schwans“, um ein kognitives Modell zu falsifizieren, dessen Vorhersagen in einer Studie mit 100 Datensätzen bestätigt wurden? Diese Diskussion wurde in der Gründungs© 2017 Hogrefe
phase der kognitiven Neuropsychologie (kN) bis in die 1990er-Jahre geführt und ist in den letzten Jahren erneut aufgekommen, nachdem prominente Protagonisten den Wert von Einzelfallstudien infrage gestellt haben. Dies hat zu einer teils scharfen Debatte geführt, die hier dargestellt werden soll. Dabei sollen beide Positionen gewürdigt werden. Nach einer Einführung in die Methodik der traditionellen, am Einzelfall und an Dissoziationen orientierten kognitiven Neuropsychologie werden neuere Entwicklungen zusammengefasst, die zu einer stärkeren Betonung von Fallserien und Assoziationen geführt haben. Der Streit hat sich v. a. an Defiziten beim lauten Lesen von Wörtern entzündet, einem Bereich, der seit jeher viel Aufmerksamkeit seitens kognitiver Neuropsychologen erfahren hat. Er betrifft jedoch auch andere Bereiche der Wort- und Pseudowortverarbeitung einschließlich des Objektbenennens, Schreibens, Nachsprechens und der Morphologie. Die traditionelle kN mit ihrer Betonung auf Dissoziationen in Einzelfällen vertritt dabei eher ein Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 55–67 https://doi.org/10.1024/1016-264X/a000195
56
komplexeres, am Logogenmodell angelehntes kognitives Modell, während andere Vertreter der Disziplin neuerdings Fallserien und die Dokumentation von Assoziationen propagieren, anhand derer sie die Vorhersagen konnektionistischer Modelle prüfen.
Die traditionelle kognitive Neuropsychologie Entwicklung Vorläufer der kognitiven Neuropsychologie der Sprache können in Wernicke, Lichtheim und Bastian gesehen werden, die aufgrund von Daten neurologischer Patienten Modelle über die normale Sprachverarbeitung (im Gehirn) entwickelten (Caramazza & Coltheart, 2006). Zwar machten die Autoren in vielen Fällen Vorschläge zur Lokalisation der diskutierten „Sprachzentren“, die Theorien waren aber in vielen Fällen auch kognitive Modelle, von denen Lichtheims Schema sicherlich eines der bekanntesten ist (Lichtheim, 1885). In seiner Einführung des Modells lässt Lichtheim (1885) die neuronalen Korrelate der Sprachzentren zunächst unberücksichtigt und versucht, aphasische Symptome anhand von Läsionen in den Zentren bzw. die Unterbrechungen von Verbindungen zu erklären. In der Folge diskutierte u. a. Sigmund Freud die Plausibilität von Wernickes und Lichtheims Idee über Leitungsaphasie allein auf Basis der vorhergesagten und bei Patienten beobachteten Symptome (vgl. De Bleser, Cubelli & Luzzatti, 1993). Die Blütezeit der kognitiven Neuropsychologie begann in den 1970er-Jahren mit wegweisenden Studien, in denen die Leistungen neuropsychologischer Patienten, meist im Rahmen von Fallstudien, vor dem Hintergrund eines Modells normaler kognitiver Funktionen interpretiert wurden. Shallice und Warrington (1970) untersuchten einen Patienten mit selektiver Einschränkung des verbalen Kurzzeitgedächtnisses, aber erhaltenem längerfristigen Lernen und argumentierten gegen ein Gedächtnismodell, in dem Informationen notwendigerweise im Kurzzeitgedächtnis gehalten werden müssen, um ins Langzeitgedächtnis überführt werden zu können. Marshall und Newcombe (1973) beschrieben die Leistungen und Fehler von Patienten mit Lesestörungen in einem Modell ungestörten Lesens und postulierten zwei unabhängige Routen für das Lesen bekannter und unbekannter Wörter, die selektiv beeinträchtigt sein können. Warrington (1975) wiederum berichtete von einem Patienten mit einer demenziellen Entwicklung, damals mit der Verdachtsdiagnose eines Morbus Alzheimer, dessen Defizite sich als progredienter Abbau des semantischen Langzeitgedächtnisses bei besser erhalZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 55–67
T. Bormann, Fallstudien in der Neuropsychologie
tenen episodischen Gedächtnisleistungen interpretieren ließen. Rückblickend stellt Warringtons Fallbericht die erste detaillierte neuropsychologische Beschreibung einer semantischen Demenz in neuerer Zeit dar. Warrington und Shallice (1984) dokumentierten bei vier Patienten mit chronischer Herpes-Simplex-Infektion kategoriespezifische semantische Defizite, bei denen das Wissen über natürlich vorkommende Objekte (Tiere, Pflanzen) herausragend beeinträchtigt war. Im selben Jahr erfolgte auch die Gründung der Zeitschrift „Cognitive Neuropsychology“. Die Veröffentlichung einiger wichtiger Monografien fiel ebenfalls in die 1980er-Jahre: Fodors „Modularity of Mind“ (Fodor, 1983), Shallices (1988) und Ellis und Youngs (1988) Monografien „From Neuropsychology to Mental Structure“ und „Human Cognitive Neuropsychology“ sowie die beiden Sammelbände über „Deep Dyslexia“ (Coltheart, Patterson & Marshall, 1980) und „Surface Dyslexia“ (Patterson, Marshall & Coltheart, 1985).
Annahmen Von zahlreichen ihrer Vertreterinnen und Vertretern wird die kognitive Neuropsychologie der kognitiven Psychologie zugeordnet (Coltheart, 2001, 2010; Ellis & Young, 1988; Shallice, 1988), von anderen in neuerer Zeit als Teilgebiet der kognitiven Neurowissenschaften (Patterson & Plaut, 2009; Rosenbaum, Gilboa & Moscovitch, 2014). Ziel der kognitiven Neuropsychologie als Teilgebiet der kognitiven Psychologie und Kognitionswissenschaft ist die Entwicklung und Prüfung von Modellen komplexer kognitiver Prozesse anhand von Verhaltensdaten neuropsychologischer Patienten, die dann beispielsweise als Box-and-Arrow-Modelle dargestellt, aber auch als Computerprogramme implementiert werden. Die kognitive Neuropsychologie geht von vier Grundannahmen aus, die von Caramazza (1986; vgl. Coltheart, 2001) explizit gemacht und von Shallice (2015) jüngst neu diskutiert wurden: 1) Modularität, 2) Subtraktivität, 3) Transparenz, 4) Universalität. Kurz gefasst geht man davon aus, dass der menschliche Geist zumindest in Teilen modular organisiert ist, sodass mentale Operationen in einer Domäne unabhängig von Prozessen in anderen Domänen ausgeführt werden können, und dass Hirnschädigungen nicht zu einem Ausfall sämtlicher geistiger Funktionen führen, sondern selektiv einzelne Bereiche betreffen können (Modularität). Die Schädigung beeinträchtigt dabei die Arbeit eines oder mehrere Module, ohne dass jedoch grundsätzlich neue Module oder Operationen entstehen (Subtraktivität), d. h., das Verhalten eines Patienten reflektiert das vollständige System minus einer oder mehrerer Schädigungen. Durch geeignete Aufgaben und Beobachtungen der Patienten lässt sich grundsätzlich erschließen, © 2017 Hogrefe
T. Bormann, Fallstudien in der Neuropsychologie
welche Module, ggf. in welcher Weise, beschädigt sind (Transparenz). Zuletzt setzt die kN über alle Personen hinweg eine – zumindest in groben Zügen – vergleichbare kognitive Architektur voraus (Universalität).
Methodik Einig war und ist man sich in der kN in der Ablehnung traditioneller Gruppenstudien, bei denen über die Patientengruppe hinweg gemittelt wird. Zweitens steht man dem Konzept von Syndromen kritisch gegenüber, weil die Symptome nicht immer gemeinsam auftreten müssen und sich Syndrome nicht so zuverlässig einer Läsion zuordnen lassen, wie ursprünglich erwartet (vgl. Schwartz, 1984). Die kN bedient sich in der Regel der kognitiven Einzelfallstudien. In Teilen ist dies pragmatischen Überlegungen geschuldet, weil einzelne neuropsychologische Defizite so selten sind, dass keine Aussicht darauf besteht, eine Gruppe von ähnlichen Patienten zu finden. Nach Caramazza (1986, p. 54) können hingegen aus Gruppenstudien prinzipiell keine Rückschlüsse auf die normale Funktion getätigt werden: Die Aggregation von Daten sei nur gerechtfertigt, wenn für alle Studienteilnehmer sichergestellt sei, dass eine in allen relevanten Aspekten vergleichbare Läsion vorliege. Dies jedoch sicherzustellen, ist nur anhand des beobachtbaren Verhaltens möglich, also a posteriori, aber nicht auf unabhängigem Wege, und bedeutet, dass jeder Studienteilnehmer detailliert individuell untersucht werden muss, womit man letztlich eine Serie von Einzelfallstudien durchführt. Methodisch fokussiert sich die kN auf die Dokumentation doppelter Dissoziationen, d. h. gegenläufiger Leistungsunterschiede bei mindestens zwei Patienten (Shallice 1988). Eine einfache Dissoziation liegt vor, wenn eine Aufgabe deutlich besser bearbeitet wird als eine andere. Die bessere Leistung kann im Spektrum gesunder Normalpersonen liegen, subnormal, aber signifikant besser sein als die andere Aufgabe, oder es handelt sich lediglich um einen Trend (Shallice, 1988). Die einfache Dissoziation ist in den meisten Fällen nicht sicher zu interpretieren, weil a priori unklar sein kann, welche der beiden Aufgaben schwieriger ist, und weil eine allgemeine, unspezifische Leistungsminderung bei einer Patientin oder einem Patienten die schwierigere Aufgabe lediglich stärker betreffen kann. Nehmen wir die Beispiele erworbener Störungen des Lesens, bei denen das Lesen von Wörtern mit untypischer Aussprache beeinträchtigt sein kann (Oberflächendyslexie) oder das Lesen von Pseudowörtern (phonologische Dyslexie): Die Beobachtung einer deutlichen Störung allein des Pseudowortlesens ist noch kein Beleg für eine unabhängige, nichtlexikalische Leseroute, weil Pseudowörter per se schwieriger sein könnten. Um© 2017 Hogrefe
57
gekehrt wäre auch die alleinige Beobachtung eines Defizits beim Lesen von Ausnahmewörtern noch kein Beleg für die Schädigung einer unabhängigen lexikalischen Leseroute, weil Ausnahmewörter wegen ihrer ungewöhnlichen Aussprache vermutlich schwieriger sind als andere Wortgruppen. Eine graduelle Schädigung einer einzigen existierenden Leseroute könnte also eine Gruppe von Stimuli besonders betreffen. Erst die Beobachtung einer doppelten Dissoziation, also der Tatsache, dass Betroffene mit vergleichbarem Werdegang infolge einer Hirnschädigung nur mit einer der Wortarten Probleme haben, erlaubt den Rückschluss auf die parallele und teilweise unabhängige Organisation zweier Leserouten. In einigen Fällen ist jedoch eine schon einfache Dissoziation aussagekräftig: Cubelli (1991) berichtete bei einem Betroffenen infolge eines Schlaganfalls ein selektives Defizit mit dem Schreiben von Vokalen. Das Zielwort „Bologna“ beispielsweise setzte er als „B_L_GN_“ um. Seyboth, Blanken, Ehmann, Schwartz und Bormann (2011) berichteten bei einem Probanden mit Aphasie ein selektives Defizit für den Zugriff auf das maskuline Genus, während der Zugriff auf das feminine oder neutrale Genus signifikant besser gelang. Hier scheint die Erklärung unplausibel, dass Vokale oder das maskuline Genus a priori schwieriger sind als Konsonanten bzw. das neutrale oder feminine Genus. Umgekehrt: Wäre beispielsweise das maskuline Genus per se schwieriger zu verarbeiten als die anderen beiden Genera, müssten wiederum syntaktische Defizite bei aphasischen Probanden häufiger zu Beeinträchtigungen der Verarbeitung des maskulinen Genus führen. Tatsächlich haben viele Menschen mit Aphasie syntaktische Probleme, aber eine ähnliche selektive Dissoziation ist bislang nur von den genannten Autoren berichtet worden. Assoziationen von Symptomen und folglich auch Syndrome werden in der traditionellen kN als unzuverlässig und wenig informativ betrachtet, da sie nicht notwendigerweise auf eine Störung desselben Moduls hinweisen. Möglich ist, dass Läsionen räumlich eng benachbarte, aber funktionell unabhängige Module betreffen und deswegen zwei verschiedene Defizite auf Verhaltensebene auftreten. Für die vier Symptome des Gerstmann-Syndroms (FingerAgnosie, Akalkulie, Agraphie und Rechts-Links-Verwechslung) beispielsweise dokumentierten Wingard und Kollegen (2002) niedrige Korrelationen und schlossen daraus, dass es die Nähe der kortikalen Areale sei, die das häufige gemeinsame Auftreten verursache, aber nicht ein zugrunde liegender gestörter kognitiver Prozess. Schließlich existiert in der kN eine Diskussion über den Wert von Fehleranalysen, der manche Autoren zunächst kritisch gegenüberstanden (Shallice, 1988), während andere sie als weitere Datenquelle ansahen, die nicht nur ergänzenden, informativen Wert habe, sondern Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 55–67
58
T. Bormann, Fallstudien in der Neuropsychologie
die Modellbildung direkt beeinflussen könne (Caramazza, Miceli & Villa, 1986; vgl. Shallice, Rumiati & Zadini, 2000). Besonders im Bereich des Lesens, aber auch des Schreibens sind Berichte über die beobachteten Fehler ein wesentlicher Bestandteil der Fallbeschreibung. Semantische Fehler beim Lesen sind das Kardinalsymptom einer Tiefendyslexie, während sogenannte phonologisch plausible Lesefehler ein Hinweis auf eine Oberflächendyslexie sind („blood“ wird bspw. so gelesen, dass es sich mit „food“ oder „good“ reimt).
im semantischen Wissen oder beim Zugriff auf das Ausgangslexikon hin. Dagegen ist die Oberflächendyslexie durch eine Schädigung der lexikalischen und lexikalischsemantischen Route gekennzeichnet, sodass zwar Pseudowörter vergleichsweise sicher gelesen werden können, es jedoch bei Wörtern mit ungewöhnlicher Aussprache zu Regularisierungsfehlern kommt. Ausnahmewörter werden phonologisch plausibel gelesen, besonders seltene Ausnahmewörter sind betroffen, was zu einer Häufigkeits-Regularitäts-Interaktion führt.
Das resultierende Drei-Routen-Modell des Lesens
Die „Krise“
Das Standardmodell der Wortverarbeitung in der traditionellen kN ist das Logogenmodell mit seinen Varianten. Das Modell sieht ein zentrales kognitives System vor, das u. a. Weltwissen und Wortbedeutung, also semantisches, aber auch anderes, beispielsweise syntaktisches Wissen, repräsentiert und insgesamt wenig erforscht ist. Darum gruppieren sich vier unabhängige Lexika für die Rezeption und die Produktion von Laut- und Schriftsprache sowie den Eingangslexika vorgeschaltete Analysen und den Ausgangslexika nachgeschaltete Arbeitsspeicher. In diesem Modell wird die Wort- und Pseudowortverarbeitung entlang der Routen mit ihren Modulen und Verbindungen gedacht. Für das Lesen bekannter Wörter werden das visuelle Eingangslexikon, die Wortbedeutung und das phonologische Ausgangslexikon aktiviert (lexikalisch-semantische Route) sowie eine Verbindung vom Eingangs- zum Ausgangslexikon unter Umgehung der Semantik (lexikalischnichtsemantische Route). Für das laute Lesen bislang unbekannter Wörter (Pseudowörter, Nichtwörter) existiert eine nichtlexikalische Route, die Grapheme in Phoneme umwandelt. Eine ähnliche Vorstellung findet sich auch für das Nachsprechen, bei dem es möglich ist, Pseudowörter über eine nichtlexikalische Route nachzusprechen, Wörter aber auch vermittels ihrer Bedeutung. Für den Bereich des Lesens und Schreibens stellt das Logogenmodell eine Variante von sogenannten Drei-Routen-Modellen dar, in dem die Symptome einer Dyslexie eingeordnet werden können (Coltheart et al., 1980; Coltheart, 2001; Patterson et al., 1985). Eine phonologische Dyslexie besteht aus einem herausragenden Defizit beim Lesen von Pseudowörtern und reflektiert eine Schädigung nichtlexikalischer Graphem-Phonem-Umwandlung. Eine Tiefendyslexie besteht ebenfalls aus einer gravierenden Schädigung des Pseudowortlesens, die semantischen Lesefehler deuten aber auf eine zusätzliche Schädigung Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 55–67
Verschiedene Autoren haben in den letzten Jahren eine Krise der kognitiven Neuropsychologie konstatiert. Patterson und Plaut (2009) bemerkten, dass in den Jahren 2005 bis 2009 nicht ein einziger Artikel im Journal „Cognitive Science“ neuropsychologische Daten enthielt, dass also das Interesse an neuropsychologischen Daten innerhalb der Kognitionswissenschaft gering sei. Die kognitive Neuropsychologie habe, so die Autoren, insgesamt wenig Erfolg gehabt, zu erklären, wie das Gehirn kognitive Prozesse ausführe. Für den vermeintlichen Niedergang werden unterschiedliche Ursachen angenommen: die Eingrenzung auf wenige Themenbereiche, v. a. die Wortverarbeitung (Harley, 2004), die Bevorzugung von Einzelfallstudien (Patterson & Plaut, 2009) oder das weitgehende Desinteresse an bildgebenden Verfahren und anatomischen Daten (Coltheart, 2006a, Harley, 2004; Shallice, 2015). Für die Neurologie und die klinischen Neurowissenschaften allgemein konstatieren Krakauer und Hillis (2014) ein verringertes Interesse an detaillierten Verhaltensdaten aufgrund des Trends in der Forschung zur Untersuchung größerer Patientenkollektive mit kleineren Testbatterien und eine größere Rolle der Bildgebung bei der klinischneurologischen Diagnosestellung. Della Sala und Crawford (2006) stellten fest, dass neuropsychologische Fachzeitschriften grundsätzlich niedrigere Impact-Faktoren erreichten als neurowissenschaftliche, während sie bei einem anderen Qualitätsmaß, der Cited Half Life besser abschnitten. Der Fokus auf den Impact-Factor und dessen Zwei-Jahres-Fenster benachteilige eine langsamer wachsende Disziplin wie die Neuropsychologie. In der Folge führt dies bei der strategischen Ausrichtung von Fachzeitschriften zu einer stärkeren Konzentration auf neuroanatomische Daten und Bildgebungsstudien.
© 2017 Hogrefe
T. Bormann, Fallstudien in der Neuropsychologie
Gegen die traditionelle kognitive Neuropsychologie: Computermodelle und semantische Demenz In den letzten Jahren haben verschiedene Autoren für alternative Modelle der Sprachverarbeitung und damit verbundene alternative methodische Ansätze, namentlich den Fallserienansatz, geworben. In Teilen stellen diese neuen Entwicklungen eine radikale Abkehr von etablierten Modellen und dem traditionellen kognitiven Einzelfallansatz dar. Zwei parallele Entwicklungen können hier ausgemacht werden: auf Modellebene das Aufkommen von implementierten Computermodellen im Paradigma des Konnektionismus oder des Parallel Distributed Processing (PDP), auf klinisch-neuropsychologischer Ebene die Erforschung eines demenziellen Syndroms, der semantischen Demenz (SD). Auf theoretischer Ebene versprechen die implementierten konnektionistischen Modelle radikal sparsamere Modelle, eine größere biologische Plausibilität sowie die Modellierung des Erwerbs kognitiver Repräsentationen. Auf klinischer Ebene ist es mit dem Syndrom der semantischen Demenz, einer Erkrankung aus dem Spektrum der Frontotemporalen Lobaratrophien mit einem fortschreitenden Zerfall semantischen Wissens, möglich geworden, größere Patientenkollektive mit qualitativ einheitlichen Defiziten zu untersuchen.
Konnektionistische Modelle Konnektionistische oder PDP-Modelle (von Parallel Distributed Processing) sind Computermodelle zur Simulation kognitiver Prozesse, die in den letzten Jahren eine weite Verbreitung gefunden haben und relativ erfolgreich das Lernen bestimmter statistischer Muster modellieren. Ausschlaggebend waren zunächst zwei Sammelbände über den PDP-Ansatz, die Modelle zu zahlreichen erwähnten Bereichen menschlicher Kognition enthielten (McClelland, Rumelhart, and the PDP Research Group, 1986; Rumelhart, McClelland, and the PDP Research Group, 1986). Im Jahr 1989 erschien dann ein wegweisendes Modell lauten Lesens, das Triangle Model von Seidenberg und McClelland (1989), das trotz seiner erheblichen Mängel bahnbrechend war. Das Modell besteht aus orthografischen und phonologischen Repräsentationen, die interaktiv und mittels einer sogenannten hidden layer miteinander verbunden sind. Grundsätzlich sind für das Wortverstehen auch semantische Repräsentationen vorgesehen, welche allerdings nicht implementiert wurden. Das Modell lernte anhand eines Trainingskorpus die Aussprache von Wörtern. © 2017 Hogrefe
59
Dem Modell gelang nach einem umfangreichen Training das Lesen von regulären und irregulären sowie Pseudowörtern entlang der orthografisch-phonologischen Route. Es konnte zudem eine Entscheidung über den Status als Wort oder Nichtwort eines gegebenen Inputs treffen. Zahlreiche Aspekte dieses Modells waren neu und vielversprechend: Das Modell verzichtete auf unabhängige lexikalische Repräsentationen und beschränkte sich auf einen Input aus Buchstaben-Triplets und einen phonologischen Output. Das Modell verzichtete zudem weitgehend auf vorab festgelegte Annahmen bzgl. seiner kognitiven Architektur. Diese bildete sich eigenständig im Laufe eines Trainings heraus. Nach Abschluss des Trainings war das Modell in der Lage, bekannte wie unbekannte Wörter mittels einer einzigen Route zu lesen. Wie oben am Beispiel der doppelten Dissoziation schon diskutiert galten Pseudowörter und irreguläre Wörter als notwendigerweise durch mindestens zwei verschiedene Leserouten zu verarbeiten: Pseudowörter müssten mittels einer nichtlexikalischen Graphem-Phonem-Route verarbeitet werden, während Wörter mit irregulärer Aussprache zwangsläufig einer lexikalischen Vermittlung bedürfen. Im Rahmen des Triangle Model genügte hingegen eine einzige Route für beide Stimuli. Trotz des Verzichts auf ein unabhängiges Lexikon, einem der Hauptforschungsbereiche früher neuropsychologischer Studien und des Logogenmodells, war das Triangle Model in der Lage, lexikalische Entscheidungen zu treffen, die auf Aktivationsmustern in den orthografischen Inputund phonologische Outputrepräsentationen, alternativ theoretisch auch auf Aktivation von semantischen Einheiten, basierten. Unmittelbar im Anschluss formulierte sich zwar fundamentale Kritik an zentralen Annahmen und dem Verhalten des Modells. Besner und Kollegen (1990) etwa wiesen darauf hin, dass das Modell von Seidenberg und McClelland (1989) letztlich zwar einzelne Pseudowörter korrekt aussprechen, keinesfalls jedoch mit den Leistungen gesunder Probanden konkurrieren konnte. Parallel zu dieser kritischen Evaluation des Modells stellten Patterson, Seidenberg und McClelland (1989) jedoch Überlegungen an, wie sich Symptome der Dyslexien im Triangle Model einordnen lassen könnten, versuchten also früh den Brückenschlag zu Leistungsdissoziationen bei neuropsychologischen Patienten. Wichtig war für diese Autoren einerseits die Beobachtung, dass Patienten mit Oberflächendyslexie in der Regel ausgeprägte Probleme beim Benennen von Bildern haben, die letztlich auf ein semantisches Defizit hinweisen, und andererseits die Tatsache, dass Patienten mit phonologischer Dyslexie in der Regel auch Probleme bei anderen phonologischen Aufgaben haben. Patterson und Mitarbeiter (1989) schlossen daraus, dass die beiden DyslexieforZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 55–67
60
men somit keine reinen Lesestörungen, sondern übergreifendere, fundamentalere Defizite seien, die sich u. a., aber eben nicht nur, beim Lesen von Wörtern manifestieren: Eine Oberflächendyslexie wäre eine Folge eines semantischen, die phonologische Dyslexie der Ausdruck eines phonologischen Defizits. Änderungen am ursprünglichen Triangle Model sowie die Anwendung auf neuropsychologische Schädigungen mündeten 1996 in einer Neufassung des Triangle Model (Plaut, McClelland, Seidenberg & Patterson, 1996). Die Schwächen des ersten Triangle Model wurden in spezifischen Annahmen über die Natur des Inputs (Buchstabentriplets) sowie Details des Trainingsprozesses gesehen, während der Ansatz weiterhin als vielversprechend betrachtet wurde. Neben Phänomenen gesunder Leser wurden nun auch pathologische Leistungen dyslektischer Patienten simuliert, indem dem Netzwerkmodell virtuelle Läsionen zugefügt wurden. Das laute Lesen ist nach wie vor ein zentraler Forschungsgegenstand, heute existieren jedoch verschiedene PDP-Modelle für verschiedene Bereiche, in denen es generell um das Lernen quasiregulärer Beziehungen zwischen Input und Output geht (Seidenberg, 2012). Quasiregulär bedeutet, dass für einen Großteil des Mappings eindeutige Zuordnungen bestehen, dass aber auch Ausnahmen existieren (Seidenberg, 2012). Im Bereich des Lesens und Schreibens betreffen diese Ausnahmen beispielsweise Fremd- und Lehnwörter (Revue, Blamage), im Bereich der Grammatik die unregelmäßigen Vergangenheitsformen von Verben (laden – lud), im Bereich der Semantik typische und untypische Vertreter einer semantischen Kategorie (Spatz vs. Vogel Strauß; vgl. Rumelhart, 1990; Rogers et al., 2004). Je nach Domäne unterscheiden sich die Modelle in ihrer Architektur und ihrem Input und Output, zugrunde liegen aber ähnliche Vorstellungen über die Repräsentation der Information, Aktivationsdynamik und Veränderungen durch Erfahrung (Lernen). Kognitive Operationen werden in diesen Modellen von kleinen, neuronenähnlichen Verarbeitungseinheiten ausgeführt. Diese Einheiten haben einen Aktivationszustand und geben diese Aktivation über Verbindungen mit anderen Verarbeitungseinheiten weiter. Die Modelle simulieren kognitive Prozesse, indem sie zu einem Eingangssignal (Input) ein entsprechendes Ausgangssignal generieren, meistens mittels der erwähnten Zwischenschichten (hidden layers). Die Struktur ist vor Beginn eines umfangreichen Trainings wenig spezifiziert, das Training an einem Set von Stimuli führt in der Regel zu Veränderungen in den Gewichten und so zur Repräsentation sprachlichen Wissens. Im Anschluss wird ein Modell üblicherweise an einem neuen Set von Stimuli überprüft. Bei der Simulation des Lesens zum Beispiel besteht der Input aus Buchstaben oder visuellen Merkmalen und Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 55–67
T. Bormann, Fallstudien in der Neuropsychologie
der Output aus der Aktivation semantischer oder phonologischer Einheiten, die entweder das Lesesinnverständnis oder die Aussprache gedruckter Wörter abbilden. Ähnliche Modelle sind auf das Lernen der Vergangenheitsformen regelmäßiger und unregelmäßiger Verben oder das Lernen semantischer Repräsentationen angewandt worden. Modellübergreifend sprechen viele Autoren vom Primary-Systems-Ansatz. Der Ansatz sieht die Verknappung theoretischer Modelle menschlicher Sprachverarbeitung vor, indem das sprachliche Wissen in drei primären Systemen oder Netzwerken repräsentiert ist. Statt wie im Rahmen des Logogenmodells und der Einzelfallstudien mit ihrem Fokus auf Dissoziationen auf die immer weitere Aufgliederung kognitiver Prozesse in Submodule zu zielen, vertritt der Primary-Systems-Ansatz die These, dass sich aphasische, dyslektische und dysgraphische Defizite als Schädigungen in den drei primären Netzwerken verstehen lassen. Diese primären Systeme sind Netzwerke, die semantisches, phonologisches und orthografisch-visuelles Wissen repräsentieren. Im Primary-Systems-Ansatz wird auf zentrale traditionelle Annahmen der kognitiven Neuropsychologie und Kognitionswissenschaft verzichtet: Es werden keine unabhängigen lexikalischen Repräsentationen angenommen. Zweitens wird die verbreitete Annahme abgelehnt, dass beispielsweise die regelmäßige Vergangenheitsform mittels Regeln generiert wird, während Ausnahmen lexikalisch gespeichert sind (Pinker & Ullman, 2002). Wann immer es um die Verarbeitung seltener untypischer Stimuli geht, ist das semantische System entscheidend involviert (Patterson et al., 2006), weil hier individuelle Entitäten und Konzepte repräsentiert sind, während die anderen beiden Netzwerke die regulären und damit die Mehrzahl der Input-Output-Mappings lernen. Auf anatomischer Ebene gilt der vordere Temporallappen als Korrelat der zentralen semantischen Knoten, weil er eng verknüpft ist mit primär sensorischen und motorischen Arealen, gleichzeitig aber nah an den für das Lernen relevanten Strukturen in den Hippokampi und den Amygdalae (Patterson, Nestor & Rogers, 2007) liegt. Der Temporalpol ist die Struktur, die bei semantischer Demenz vornehmlich betroffen ist.
Neuropsychologische Fallserien Aus der oben beschriebenen Modellfamilie ergibt sich die Vorhersage, dass es bei Schädigungen des semantischen Wissens zu Problemen bei der Verarbeitung untypischer Stimuli kommen sollte, besonders der seltenen untypischen Stimuli. Je ausgeprägter das semantische © 2017 Hogrefe
T. Bormann, Fallstudien in der Neuropsychologie
Defizit ist, desto größer sollten die Schwierigkeiten auch in nichtsemantischen Aufgaben sein. Im Rahmen von Einzelfallstudien lassen sich diese Vorhersagen allerdings kaum prüfen, stattdessen bedarf es eines größeren Patientenkollektivs mit qualitativ ähnlichen Symptomen, die dann im Rahmen einer sogenannten Fallserie untersucht werden. Eine solche Fallserie umfasst eine möglichst große Gruppe von Patienten, die alle mit einem festen Satz Aufgaben untersucht werden (Schwartz & Dell, 2010). Im Unterschied zu früheren Gruppenstudien bleibt die individuelle Leistung eines Probanden zu jedem Zeitpunkt erhalten und sichtbar und geht nicht durch Mittelung der Daten in Maßen der zentralen Tendenz unter. Eine gewisse Heterogenität des Kollektivs ist erwünscht und für die Aussagekraft der Studie wichtig. Eine Fallserie erlaubt wegen der einheitlichen Tests und größeren Probandengruppe stärker als Einzelfallstudien die Auswertung von Korrelationen sowie die theoretische Deutung von beobachteten Assoziationen. Für die Vorhersagen zu den Folgen semantischer Beeinträchtigungen erwiesen sich die Fortschritte bei der Erforschung des Syndroms der semantischen Demenz als entscheidend. Parallel zu der Entwicklung ihrer PDPModelle begann daher die Gruppe um Patterson, Seidenberg, McClelland und Lambon Ralph mit der Untersuchung größerer Gruppen von Patienten mit semantischer Demenz, für die in Cambridge früh ein klinisches Zentrum eingerichtet wurde. Die semantische Demenz ist eine Erkrankung aus dem Spektrum der frontotemporalen Lobäratrophien, die durch einen fortschreitenden Zerfall semantischen Wissens, korreliert mit relativ selektiver Atrophie des Temporalpols gekennzeichnet ist. Alternative Bezeichnungen sind „temporale Variante der FTD“ und „primär progrediente flüssige Aphasie“. Die Erkrankung wurde erstmals 1904 von Arnold Pick beschrieben (Spatt, 2003); Warrington veröffentlichte 1975 eine detaillierte neuropsychologische Untersuchung und wies den selektiven Abbau des semantischen Langzeitgedächtnisses nach. Der Name „semantische Demenz“ geht auf Snowden, Goulding und Neary (1989) zurück; eine Auflistung der typischen Symptome, einschließlich der Oberflächendyslexie und -dysgraphie, stammt von Hodges, Patterson, Oxbury und Funnell (1992). Wichtigste klinische Zeichen sind früh einsetzende Wortfindungsstörungen und semantische Fehler in der Spontansprache und beim Benennen von Objekten, während das episodische Gedächtnis initial weitgehend unbeeinträchtigt ist und auch andere Aspekte der Sprache wie Phonologie, Morphologie und Grammatik unbeeinträchtigt wirken. Dies betrifft jedoch nicht den Umgang mit Ausnahmen, wie unten zu sehen sein wird. Die Gruppe aus Cambridge hat in den letzten Jahren zahlreiche Fallserien von Patientinnen mit semantischer © 2017 Hogrefe
61
Demenz veröffentlicht, bei denen sie bei nichtsemantischen Aufgaben, etwa dem Bilden der Vergangenheitsformen von Verben oder dem Lesen von Wörtern, Schwierigkeiten der Patienten dokumentierten, insbesondere mit seltenen Ausnahmestimuli, entsprechend den Vorhersagen ihres Modells. Stellvertretend sollen zwei Studien diskutiert werden: Woollams, Ralph, Plaut und Patterson (2007) untersuchten die Oberflächendyslexie von 51 Patientinnen und Patienten mit semantischer Demenz in Hinblick auf die Einflüsse der Worthäufigkeit und Regularität, das Auftreten phonologisch plausibler Fehler sowie die Korrelation der Oberflächendyslexie mit dem Ausmaß des semantischen Defizits. Da von einzelnen Patienten mehrere Untersuchungen im Abstand mehrerer Monate vorlagen, standen 100 Beobachtungen zur Auswertung bereit. Entsprechend den Vorhersagen ihres Modells beobachteten die Autoren bei den Patientinnen und Patienten ein Defizit beim Lesen von seltenen Ausnahmewörtern, also die für Oberflächendyslexie typische Interaktion aus Worthäufigkeit und Ausspracheregularität. Der Grad der Oberflächendyslexie korrelierte zudem eng mit den erhaltenen semantischen Fähigkeiten, die mittels zweier unabhängiger Tests erfasst wurden. In einer Regressionsanalyse erklärte der Faktor der semantischen Fähigkeiten knapp die Hälfte der Varianz beim Lesen von seltenen Ausnahmewörtern. Die Autoren argumentierten, dass die beobachtete Assoziation von semantischen Defiziten und Oberflächendyslexie von „traditionellen“ Drei-Routen-Modellen wie dem Logogenmodell nicht vorhergesagt werde, aber im Primary-Systems-Ansatz eine plausible Erklärung finde. In einer anderen Studie untersuchten Patterson und Kollegen (2006) 14 Patienten mit semantischer Demenz mit sechs verschiedenen Aufgaben: Lesen von Wörtern, lexikalische Entscheidung, Schreiben nach Diktat, Objektentscheidung, verzögertes Kopieren von Tierzeichnungen und die Flexion von Verben. Im traditionellen Sinne sind diese Aufgaben nichtsemantisch, weil sie das Lesen, Schreiben, Zeichnen oder die Morphologie prüfen. Basierend auf ihren PDP-Modellen erwarteten die Autoren Schwierigkeiten der Patienten bei untypischen Items mit seltenem Vorkommen, d. h. die erwähnte Frequenz-Regularitäts-Interaktion. Das erwartete Muster zeigte sich bei allen Probanden und allen Aufgaben: Alle Probanden schnitten in allen Aufgaben schlechter ab als gesunde Personen und zeigten besondere Schwierigkeiten mit den seltenen, untypischen Stimuli. Die Mehrzahl der Fehler bestand aus plausiblen Umsetzungen: Die Patienten produzierten phonologisch plausible Fehler beim Lesen und entsprechende Fehler beim Diktatschreiben, Übergeneralisierungen bei unregelmäßig flektierten Verben, sie entschieden sich bei der Objektentscheidung häufiger für Abbildungen mit falschen, aber typischen Merkmalen Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 55–67
62
T. Bormann, Fallstudien in der Neuropsychologie
(bspw. einen Elefanten mit kleinen Ohren, weil die meisten Tiere eher kleine Ohren haben) und bei der lexikalischen Entscheidung für Pseudohomophone, die inkorrekt, aber typisch geschrieben waren („nome“ statt „gnome“ für engl. „Gnom“). Zudem stellten die Patienten Tiere beim verzögerten Abzeichnen ohne ihre einzigartigen Merkmale dar, ein Dromedar etwa ohne seinen Höcker, während beispielsweise einer Ente vier Beine gezeichnet wurden (vgl. auch Patterson et al., 2007). Die Autoren erfassten gleichzeitig die semantischen Leistungen jedes Patienten mittels unabhängiger Tests und fanden signifikante Korrelationen zwischen der Integrität des semantischen Gedächtnisses und den sechs einzelnen Aufgaben: Je stärker das semantische Wissen betroffen war, desto schlechter waren die Leistungen in den einzelnen Aufgaben. Schließlich rechneten die Autoren eine Faktorenanalyse über alle sieben Maße (das Abschneiden in den sechs Aufgaben und den semantischen Score) und erhielten einen einzelnen Faktor, der 87 % der Varianz erklärte. Patterson und Kollegen (2006) betonen, dass die durchgeführten Aufgaben gänzlich unterschiedliche Fähigkeiten prüften und es daher unplausibel sei, die systematischen Beeinträchtigungen allein auf die zufällige Nachbarschaft der zugrunde liegenden neuronalen Regionen zu schieben, wie es Wingard und Kollegen (2002) für das Gerstmann-Syndrom getan hatten. Diese beiden Studien sind nur Beispiele für eine Vielzahl ähnlicher Fallserien mit SD-Patienten, die grundsätzlich eine Korrelation zwischen dem Erhalt des semantischen Gedächtnisses und dem Lesen sowie anderen, vermeintlich nichtsemantischen Aufgaben erbrachten. Wie dargestellt spielte die Erklärung der auftretenden Oberflächendyslexie immer eine herausragende Rolle, der Primary-Systems-Ansatz erstreckt sich jedoch auch auf so disparate Bereiche wie die Repräsentation semantischen Wissens, den lexikalischen Zugriff in der Sprachproduktion oder das Nachsprechen von Sequenzen in Kurzzeitgedächtnisaufgaben.
tomkonstellationen extrem selten sind (Caramazza & Coltheart, 2006; Shallice, 1988). Einzelfallstudien und Fallserien können dementsprechend als sich ergänzende methodische Ansätze in der kognitiven Neuropsychologie betrachten werden (Rapp, 2011; Shallice, 2015). Im Bereich der Wortverarbeitung werden aber die gefundenen Assoziationen in größeren Patientenkollektiven als Beleg für ein kognitives Modell ohne unabhängige mentale Lexika gewertet, während eine Reihe von Einzelfallstudien Modelle mit unabhängigen Lexika stützen. Diese beiden alternativen Modellfamilien sind miteinander unvereinbar, entsprechend scharf wird die Debatte um die Aussagekraft der Einzelfälle zwischen den beiden Fraktionen geführt: Patterson und Plaut (2009) beispielsweise attestieren der kN wegen ihrer Ausrichtung auf den Einzelfall einen traurigen Zustand und insgesamt wenig Erfolg, den Zusammenhang aus neuronalen und kognitiven Prozessen zu beleuchten. Lambon Ralph, Patterson und Plaut (2011) hinterfragen letztlich schon im Titel ihres Diskussionsbeitrags „Finite case series or infinite single-case studies?“ den Einzelfallansatz. Coltheart, Tree und Saunders (2010) wiederum zeigen sich „entgeistert“ („flabbergasted“, p. 272) über den wissenschaftlichen Ansatz der PDP-Vertreter und fragen, „what’s the point?“. Der Streit entzündet sich, wie dargestellt, an der Relevanz der den PDP-Modellen widersprechenden Einzelfälle. Der Primary-Systems-Ansatz macht einige starke Vorhersagen: 1. Ein semantisches Defizit beeinträchtigt zwangsläufig das Lesen von Ausnahmewörtern. 2. Im Bereich der gesamten Sprachverarbeitung gibt es keine unabhängigen Lexika. Eine lexikalische Entscheidungsaufgabe als prototypischer Test für die Integrität lexikalischen Wissens basiert in diesem Modell auf anderen Repräsentationen. 3. Ein semantisches Defizit beeinträchtigt das Flektieren unregelmäßiger Verben. 4. Eine phonologische Dyslexie geht zwangsläufig mit einem allgemeinen phonologischen Defizit einher.
Kritische abweichende Einzelfallstudien
Zu jeder dieser Vorhersagen finden sich mittlerweile Einzelfallstudien, die den Vorhersagen widersprechen und eine kritische Dissoziation berichten, die folgende Auswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Blazely, Coltheart und Casey (2005) berichteten von zwei Patientinnen mit semantischer Demenz, die aufgrund ihres ausgeprägten semantischen Defizits Benennstörungen hatten. Nur eine Patientin zeigte allerdings die laut dem Primary-Systems-Ansatz zwangsläufig assoziierte Oberflächendyslexie. Die andere Patientin las auch seltene Ausnahmewörter normal. Ähnliche Fälle waren bereits früher berichtet worden. So hatte beispielsweise
Die teils sehr selbstbewusst geäußerte Bewerbung des PDP- und Fallserienansatzes hat in der Folge zu einem massiven, teils auch erbittert und polemisch ausgetragenen Methodenstreit geführt. Grundsätzlich versuchen natürlich alle kognitiven Neuropsychologen, eine möglichst große Zahl von Patienten in ihre Studie einzuschließen. Die Beschränkung auf Einzelfälle ist in den meisten Fällen pragmatisch begründet, weil bestimmte SympZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 55–67
© 2017 Hogrefe
T. Bormann, Fallstudien in der Neuropsychologie
die Patientin WLP (Schwartz, Saffran & Marin, 1980) trotz ihres semantischen Defizits keine Probleme mit Ausnahmewörtern, und drei vergleichbare Beobachtungen fanden sich auch bei Woollams und Kollegen (2007). Bormann und Weiller (2012) prüften die Fähigkeit einer Patientin mit Wortbedeutungstaubheit, auditive lexikalische Entscheidungen zu treffen. Die Probandin, Frau B., hatte ein gravierendes Problem, gesprochene Wörter zu verstehen. In der Regel gab sie an, das Wort nicht verstanden zu haben, und sie konnte in der Folge keinerlei Angaben zur Bedeutung des Wortes machen. Dies stand in deutlichem Kontrast zum erhaltenen Verständnis, wenn das Wort schriftlich präsentiert wurde. In diesem Fall konnte sie u. a. lückenlose Definitionen der Bedeutung geben. Trotz ihres ausgeprägten Defizits, vonseiten der auditiven Verarbeitung auf die Bedeutung zuzugreifen, war Frau B. bei der auditiven lexikalischen Entscheidung unbeeinträchtigt. Auch in schwierigen Fällen sehr plausibler Pseudowörter und sehr seltener Wörter, die laut Plaut (1997) eine Beteiligung des semantischen Netzwerks erfordern, fällte Frau B. eine sichere Entscheidung. Bormann und Weiller argumentierten, dass Frau B. ihre lexikalische Entscheidung wegen ihrer Worttaubheit nicht auf semantische Information gründen konnte, sondern auf lexikalische Repräsentationen. Im Bereich der phonologischen Dyslexie existieren Berichte von Patienten, deren phonologische Leistungen unabhängig vom Pseudowortlesen unbeeinträchtigt waren (Caccappolo-van Vliet, Miozzo & Stern, 2004; Nickels, Biedermann, Coltheart, Saunders & Tree, 2008). Die erwartete Assoziation aus beeinträchtigtem Pseudowortlesen und beeinträchtigten Leistungen in phonologischen Aufgaben findet sich also nicht bei allen Betroffenen, was die Erklärung einer phonologischen Dyslexie als allgemeines phonologisches Defizit infrage stellt. Widersprechende Fallberichte für den Bereich der Morphologie finden sich bei Miozzo (2003) sowie Tyler und Kollegen (2004). Auch mit einigen früher beschriebenen Dissoziationen sind die Annahmen des Primary-Systems-Ansatzes unvereinbar: Caramazza und Hillis (1990) belegten bei einzelnen Patienten, dass semantische Fehler beim Benennen von Bildern nicht zwangsläufig auf eine semantische Störung zurückgehen, sondern beim Zugriff auf modalitätsspezifische Lexika entstehen können (vgl. Rapp, Benzing & Caramazza, 1997). Dies ist im Primary-Systems-Ansatz schwierig zu erklären, da hier nur das semantische Netzwerk als Ursache für semantische Fehler infrage kommt. Zudem finden sich in der Literatur Fallberichte von unterschiedlichen dyslektischen und dysgraphischen Symptomen bei ein und demselben Patienten (Marshall, 1987), was mit der Annahme einer Läsion in einem der drei primären Netzwerke nicht vereinbar ist. © 2017 Hogrefe
63
Reaktion der PDP-Vertreter Nicht überraschend akzeptieren die Vertreter des Primary-Systems-Ansatzes die präsentierten Einzelfälle nicht als Beleg gegen ihre Position und betrachten ihre Modelle weiterhin als gültig. Ihre Argumente richten sich dabei teilweise gegen die Methodik der angeführten Einzelfallstudien, aber auch gegen einige grundlegende Annahmen der kN und des Einzelfallansatzes. Bezürlich der Aufgaben werfen die PDP-Vertreter dem Einzelfallansatz vor, dass die Aufgaben und das verwendete Material in der Regel zwischen den Studien nicht vergleichbar sei und dass es bei der Zusammenstellung von Aufgaben zu systematischen Verzerrungen kommen könne. Die Vergleichbarkeit sei also bei Einzelfallstudien fraglich oder zumindest nicht im selben Maße gegeben wie bei Fallserien. So sei beispielsweise das Material für die lexikalische Selektion in der Studie von Blazely und Kollegen (2005) teilweise untypisch, wodurch sich Pseudowörter besser identifizieren ließen. Die guten Leistungen beim lexikalischen Entscheiden seien also ein Artefakt und bedingt durch das teilweise zu transparente Material. Tyler und Kollegen (2004) hatten bei vier Patienten mit semantischer Demenz normale Leistungen bei der Flexion 22 unregelmäßiger Verben dokumentiert. Trotz eines semantischen Defizits konnten die Patienten auch für unregelmäßige Verben die Vergangenheitsform bilden. Nach Ansicht von Patterson und Kollegen (2006) ist dies aber eine keineswegs ausreichende Stimulusmenge: Zur selben Zeit hätten sie nämlich teilweise dieselben Patienten mit einem größeren Satz an Stimuli getestet und wären zu hypothesenkonformen Ergebnissen gelangt, also signifikanten Defiziten bei der Bildung der unregelmäßigen Vergangenheit. Bezüglich abweichender Patienten wurde zudem darauf verwiesen, dass manche über die Zeit hinweg durchaus die vorhergesagte Assoziation zeigten (Woollams et al., 2007). Wie dargestellt war die Patientin WLP von Schwartz und Kollegen (1980) trotz ihres semantischen Defizits in der Lage, Ausnahmewörter korrekt zu lesen, zeigte also nicht die vorhergesagte Oberflächendyslexie, die mit einem semantischen Defizit assoziiert sein sollte. Diese Beobachtung war ursprünglich als Beleg für eine dritte, letztlich lexikalisch-nichtsemantische Leseroute interpretiert worden. Auch im großen Kollektiv von Woollams und Kollegen (2007) gab es mindestens drei Probandinnen, die nicht die vorhergesagte Assoziation zeigten und trotz semantischer Defizite Ausnahmewörter lesen konnten. Die Autoren konnten die Probandinnen allerdings wiederholt untersuchen, und im Verlauf von einem knappen Jahr verschlechterte sich das Lesen von Ausnahmewörtern hin zum typischen Muster einer Oberflächendyslexie. Das Gleiche war offenbar auch für Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 55–67
64
die Probandin WLP beobachtet worden. Problematisch bei der Einzelfalluntersuchung könne also auch sein, dass es sich um eine Momentaufnahme handele und die Dissoziation über die Zeit hinweg instabil sei. Die berichteten vermeintlichen Ausnahmepatienten hätten im Verlauf letztlich die gleiche Assoziation gezeigt wie die Mehrheit der Patientinnen. Als weiteres Argument spekulierten schließlich unter anderem Plaut und Kollegen (1996; vgl. Plaut, 1997), dass bei einzelnen Patienten eine untypische Organisation der kognitiven Architektur bestanden haben könnte. In Bezug auf das Lesen könnten sich Personen beispielsweise in ihrer früheren Nutzung der semantischen und phonologischen Leserouten unterschieden haben. Plaut und Kollegen (1996) stellen damit Caramazzas (1986) zentrale Annahme einer zwischen Individuen vergleichbaren kognitiven Architektur infrage, geben aber zu, dass zur Untermauerung eines solchen Arguments unabhängige Belege nötig seien (vgl. Lambon Ralph et al., 2011; Rapp, 2011). Von Vertretern der Einzelfallforschung wird die Annahme prämorbider Unterschiede hingegen als höchst problematisch, weil zirkulär, und nicht falsifizierbar betrachtet (Coltheart, 2006b; Rapp, Folk & Tainturier, 2001). Shallice (2015) diskutiert allerdings eine Beobachtung in der Studie von Woollams und Kollegen (2007) als möglichen Beleg für interindividuelle Unterschiede. Von 27 der 51 eingeschlossenen Patienten lagen Verlaufsdaten vor, bei denen Woollams und Kollegen (2007) die Verschlechterung beim Lesen von seltenen Ausnahmewörtern gegen die semantischen Testergebnisse abtrug. 24 der 27 Probandinnen zeigten einen vergleichbaren Abbau mit einem vergleichbaren Gefälle, obwohl das Ausgangsniveau bei den 27 Probanden sehr unterschiedlich war. Dieses unterschiedliche Ausgangsniveau beim Lesen seltener Ausnahmewörter könnte laut Shallice (2015) eine unterschiedliche Gewichtung der semantischen und phonologischen Leserouten reflektieren, die Dissoziationen im Einzelfall erklären könnten. Schließlich verweisen Patterson und Kollegen (2006) darauf, dass die Zusammenhänge in der Psychologie grundsätzlich stochastisch seien und um die Regressionslinie streuten. Es müsse aus diesem Grund gelegentlich Patienten geben, die allein aufgrund dieser statistischen Variation beim Lesen oder anderen Aufgaben besser abschnitten als erwartet. Coltheart (2006b) wendet hierzu jedoch ein, dass erstens in der Regel mehrere Tests erhaltene Leistungen demonstrierten und nicht nur ein einzelner und dass zweitens dann auch Patienten beobachtet werden müssten, die signifikant schlechtere Leistungen zeigten, nicht nur eine Abweichung zugunsten besserer Leistungen.
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 55–67
T. Bormann, Fallstudien in der Neuropsychologie
Kognitive Neuropsychologie – quo vadis? In der kognitiven Neuropsychologie der Sprache tobt eine erbitterte Auseinandersetzung um die Gültigkeit zweier Modellfamilien und, damit verbunden, das angemessene methodische Vorgehen bei der Untersuchung von neuropsychologischen Patientinnen und Patienten. Man kann insofern von einem Scheideweg sprechen, an dem die Disziplin sich befindet, da die grundlegende Methodik, die kognitive Einzelfallstudie, in ihrem Wert infrage gestellt worden ist, am deutlichsten von kognitiven Neuropsychologinnen und Neuropsychologen, die früher selbst Einzelfälle veröffentlicht haben. Vertreterinnen und Vertreter des Primary-Systems-Ansatzes können die Schlussfolgerungen aus Einzelfallstudien unter Verweis auf mögliche idiosynkratische Eigenschaften der Studienteilnehmer jederzeit ablehnen. Fallserien blieben andererseits großen, spezialisierten Zentren vorbehalten, die allein Aussicht haben, eine ausreichende Gruppe von Patienten zusammenzubekommen. Nicht alle Autoren sehen allerdings die Zukunft der einzelfallbasierten kN so pessimistisch. Coltheart (2006b, 2010) vertritt selbstbewusst die Einzelfallforschung und ihren Fokus auf Dissoziationen. Shallice (2015) setzt sich differenziert mit den Schwächen des Einzelfallansatzes auseinander, sieht die Probleme jedoch nicht grundsätzlich auf Einzelfälle beschränkt, sondern auch für Fallserien gültig und hält sie grundsätzlich für lösbar. Rosenbaum und Kollegen (2014) kommen für die Gedächtnispsychologie zum Schluss, dass Einzelfallstudien weiterhin die Forschung prägen. Die Diskussion sollte hier möglichst neutral dargestellt werden. Attraktiv am Primary-Systems-Ansatz ist einerseits die theoretische Sparsamkeit durch den Versuch, Modelle auf wenige primäre Systeme zu reduzieren, andererseits das parallele Vorgehen aus empirischen klinischen Untersuchungen und Implementation von Computermodellen. Nicht zuletzt wirken die bestätigten Vorhersagen anhand großer Patientenkollektive überzeugend. Andererseits birgt die theoretische Verknappung die Gefahr, den empirischen Daten nicht gerecht zu werden. Das Triangle Model des Lesens vereinfacht den Prozess des Lesens auf wenige Netzwerke, während die kognitive Psychologie zahlreiche weitere Ebenen der visuellen Verarbeitung herausgearbeitet hat, die beispielsweise im Rahmen peripherer Alexien selektiv beeinträchtigt sein können. So interpretiert der Primary-Systems-Ansatz beispielsweise die reine Alexie (Alexie ohne Agraphie) als visuelles Defizit; hier sind jedoch Defizite auf verschiedenen Verarbeitungsebenen dokumentiert worden, die im Primary-Systems-Ansatz keinen Niederschlag finden (können). © 2017 Hogrefe
T. Bormann, Fallstudien in der Neuropsychologie
Darüber hinaus kann man auch auf theoretischer Ebene fragen, ob das Versprechen der Sparsamkeit der Modelle und Modellannahmen sowie ihre größere neurobiologische Plausibilität (Patterson & Plaut, 2009; Seidenberg, 2012) tatsächlich eingelöst wird. Um die Fülle der dokumentierten Dissoziationen bei neuropsychologischen Patientinnen zu erklären, sind erstens zahlreiche unterschiedliche Schädigungsmechanismen diskutiert worden, teilweise kombiniert mit unterschiedlichen Erholungsmechanismen, die Zweifel wecken, ob man die zugrunde liegenden Modelle noch als theoretisch sparsam betrachten kann. Zudem sind zumindest einige der implementierten Schädigungsmechanismen aus neurologischer Sicht unplausibel (Shallice, 2015). Dass widersprechende Einzelfälle ihren Weg in die Literatur finden müssen, scheint nicht infrage zu stehen, denn nur dann kann sich überhaupt eine kritische Masse an problematischen Beobachtungen sammeln. Wie schon in der Diskussion um den Einzelfallansatz in den 1980er-Jahren gehen die wenigsten Vertreter der traditionellen kN davon aus, dass ein einzelner abweichender Fall sofort ein Modell falsifiziert (vgl. jedoch Coltheart, 2004). Je mehr gut dokumentierte inkompatible Einzelfälle jedoch berichtet werden, desto kritischer ist ein Modell zu bewerten. Methodische Standards können dabei eingehalten werden: Prämorbide Leistungen lassen sich in vielen Fällen erschließen, in manchen Fällen, wie beispielsweise der auditiven Wortverarbeitung, die von uns untersucht worden ist (Bormann & Weiller, 2012), ist fraglich, wie gravierend prämorbide Unterschiede überhaupt sein können, wenn man bedenkt, dass Menschen mit normaler Entwicklung allesamt Sprache sehr effizient zu gebrauchen lernen und unsere Teilnehmerin einen normalen Schulabschluss und Beruf hatte. Bezüglich des Materials muss auf eine ausreichende und in ihren Eigenschaften repräsentative Menge an Stimuli geachtet werden, die überdies denen früherer Studien entsprechen sollten. Durch mehrmalige Beobachtungen lässt sich zudem der Einwand bloßer statistischer Varianz entkräften. Unabhängig von der Gültigkeit der verschiedenen Modelle und des Fallserien- oder Einzelfallansatzes ist der Reiz kognitiv-neuropsychologischer Studien offensichtlich: Neuropsychologische Patienten erlauben die Untersuchung kognitiver Leistungen unter Ausschaltung interagierender Systeme. In einigen Bereichen ergänzen sie somit Studien an gesunden Probanden, in anderen Bereichen, etwa der Organisation semantischen Wissens in Kategorien, stellen neuropsychologische Patienten hingegen die weitgehend einzige Quelle für empirische Daten dar. Immer wieder werden zudem neue und unerwartete Dissoziationen beobachtet, die implizieren, dass das © 2017 Hogrefe
65
Gehirn verschiedene Informationen und Prozesse unterschiedlich repräsentiert. Die eingangs erwähnten kategoriespezifischen Defizite gehörten dazu (Warrington & Shallice, 1984), aber auch die berichtete selektive Schädigung beim Schreiben von Vokalen, die nahelegt, dass in der Orthografie die Kategorien Vokale und Konsonanten unterschieden werden (Cubelli, 1991). Die Liste ließe sich beliebig ergänzen. Vergleichbar spannende und theoretisch relevante Dissoziationen finden aber nur kognitiv geschulte Kliniker, während sich eine neurologische oder neuropsychologische Diagnose in den genannten Fällen vermutlich auf „flüssige Aphasie bei Zustand nach HSVE-Encephalitis“ oder „Dysgraphie nach Ischämie“ beschränkt hätte. Als Bindeglied zwischen neuropsychologischen Symptomen und kognitiven Modellen ermöglicht allein die kN die Interpretation manifester Fehlleistungen vor dem Hintergrund eines Modells. Auch wenn spezifische oder fortgeschrittene Fragestellungen im klinischen Alltag zweitrangig sind, spielt die Interpretation eines Symptoms auf kognitiver Ebene eine wichtige Rolle und beeinflusst die Planung von Therapien. Bedeutungsbezogene Fehler beim Benennen von Bildern („Löwe“ als Reaktion zum Bild eines Tigers) ist möglicherweise Ausdruck eines semantischen Defizits und einer Läsion oder Atrophie des linken Temporalpols. Ein defizitorientiertes Training lässt sich aber aus der kognitiven Beschreibung leichter ableiten als aus der detaillierten Beschreibung der Läsion oder aus der bloßen Nennung des neurologischen Syndroms. Die kognitive Neuropsychologie, die bei der Darstellung der Auffälligkeiten eines Patienten ein kognitives Modell mitdenkt, bleibt damit auch in der klinischen Praxis wichtig. Es ist wichtig, dass klinisch tätige Kolleginnen und Kollegen ihr Wissen um die betroffenen kognitiven Operationen selbstbewusst in ihre Arbeit einbringen. Die kognitiven Neurowissenschaften mit ihrem Fokus auf funktionelle Bildgebungs- und Läsionsstudien benötigen kognitive Modelle als Grundlage zur Interpretation von Aktivierungsmustern, während aus verschiedenen Gründen Bildgebungsstudien nicht oder nur in Ausnahmefällen kognitive Theorien beeinflusst haben (Coltheart, 2006a; Fodor, 1999; Henson, 2005; Shallice, 2015). Das Interesse an kognitiven Modellen ist in den Neurowissenschaften also mehr denn je vorhanden.
Danksagung Ich danke Gerhard Blanken und Margret Seyboth für zahlreiche hilfreiche Kommentare zu früheren Fassungen des Manuskripts. Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 55–67
66
Literatur Besner, D., Twilley, L., McCann, R. S. & Seergobin, K. (1990). On the association between connectionism and data: Are a few words necessary?. Psychological Review, 97, 432 – 446. Blazely, A. M., Coltheart, M. & Casey, B. J. (2005). Semantic impairment with and without surface dyslexia: Implications for models of reading. Cognitive Neuropsychology, 22(6), 695 – 717. Bormann, T. & Weiller, C. (2012). „Are there lexicons?“ A study of lexical and semantic processing in word-meaning deafness suggests „yes“. Cortex, 48(3), 294 – 307. Caccappolo-van Vliet, E., Miozzo, M. & Stern, Y. (2004). Phonological dyslexia: a test case for reading models. Psychological Science, 15, 583 – 590. Caramazza, A. (1986). On drawing inferences about the structure of normal cognitive systems from the analysis of patterns of impaired performance: The case for single-patient studies. Brain and Cognition, 3, 41 – 66. Caramazza, A. & Coltheart, M. (2006). Cognitive neuropsychology twenty years on. Cognitive Neuropsychology, 23(1), 3 – 12. Caramazza, A. & Hillis, A. E. (1990). Where do semantic errors come from? Cortex, 26, 95 – 122. Caramazza, A., Miceli, G. & Villa, G. (1986). The role of the (output) phonological buffer in reading, writing, and repetition. Cognitive Neuropsychology, 3(1), 37 – 76. Coltheart, M. (2001). Assumptions and methods in cognitive neuropsychology. In B. Rapp (Ed.), Handbook of Cognitive Neuropsychology: What Deficits Reveal about the Human Mind (pp. 3 – 21). Hove: Psychology Press. Coltheart, M. (2004). Are there lexicons? Quarterly Journal of Experimental Psychology, 57 A(7), 1153 – 1171. Coltheart, M. (2006a). What has functional neuroimaging told us about the mind (so far)? Cortex, 42, 323 – 331. Coltheart, M. (2006b). Acquired dyslexias and the computational modelling of reading. Cognitive Neuropsychology, 23(1), 96 – 107. Coltheart, M. (2010). Lessons from Cognitive Neuropsychology for Cognitive Science: a reply to Patterson and Plaut (2009). Topics in Cognitive Science, 2, 3 – 11. Coltheart, M., Patterson, K. & Marshall, J. C. (Eds.). (1980). Deep Dyslexia. London: Routledge & Kegan Paul. Coltheart, M., Tree, J. J. & Saunders, S. J. (2010). Postscript: Reading in semantic dementia – A response to Woollams, Lambon Ralph, Plaut, and Patterson. Psychological Review, 117, 271 – 272. Cubelli, R. (1991). A selective deficit for writing vowels in acquired dysgraphia. Nature, 353(6341), 258 – 260. De Bleser, R., Cubelli, R. & Luzzatti, C. (1993). Conduction aphasia, misrepresentations, and word representations. Brain and Language, 45(4), 475 – 494. Della Sala, S. & Crawford, J. R. (2006). Impact factor as we know it handicaps neuropsychology and neuropsychologists. Cortex, 42(1), 1 – 2. Ellis, A. W. & Young, A. W. (1988). Human Cognitive Neuropsychology. Hove: Psychology Press. Fodor, J. A. (1983). The Modularity of Mind. Cambridge: MIT Press. Fodor, J. A. (1999). Diary. London Review of Books, 21(19), 68 – 69. Harley, T.A. (2004). Does cognitive neuropsychology have a future?. Cognitive Neuropsychology, 21(1), 3 – 16. Henson, R. (2005). What can functional neuroimaging tell the experimental psychologist? Quarterly Journal of Experimental Psychology Section A, 58, 193 – 233. Hodges, J. R., Patterson, K., Oxbury, S. & Funnell, E. (1992). Semantic dementia. Progressive fluent aphasia with temporal lobe atrophy. Brain, 115, 1783 – 1806. Krakauer, J. C. & Hillis, A. E. (2014). The future of stroke treatment: Bringing evaluation of behavior back to stroke neurology. JAMA Neurology, 71(12), 1473 – 1474.
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 55–67
T. Bormann, Fallstudien in der Neuropsychologie
Lambon Ralph, M. A., Patterson, K. & Plaut, D. C. (2011). Finite case series or infinite single-case studies? Comments on „Case series investigations in cognitive neuropsychology“ by Schwartz and Dell (2010). Cognitive Neuropsychology, 28(7), 466 – 474. Lichtheim, L. (1885). Über Aphasie. Deutsches Archiv für Klinische Medizin, 36, 204 – 268. Marshall, J. C. (1987). Routes and representations in the processing of written language. In E. Keller & M. Gopnik (Eds.), Motor and sensory processes of language. Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum Associates. Marshall, J. C. & Newcombe, F. (1973). Patterns of paralexia: A psycholinguistic approach. Journal of Psycholinguistic Research, 2, 175 – 199. McClelland, J. L., Rumelhart, D. E. & the PDP Research Group (Eds.). (1986). Parallel distributed processing: Explorations in the microstructure of cognition. Volume 2: Psychological and biological models. Cambridge, MA: MIT Press. Miozzo, M. (2003). On the processing of regular and irregular forms of verbs and nouns: Evidence from neuropsychology. Cognition, 87(2), 101 – 127. Nickels, L., Biedermann, B., Coltheart, M., Saunders, S. & Tree, J. J. (2008). Computational modelling of phonological dyslexia: How does the DRC model fare? Cognitive Neuropsychology, 25(2), 165 – 193. Patterson, K., Lambon Ralph, M., Jefferies, E., Woolams, A., Jones, R., Hodges, J. R. et al. (2006). „Presemantic“ cognition in Semantic Dementia: six deficits in search of an explanation. Journal of Cognitive Neuroscience, 18(2), 169 – 183. Patterson, K., Marshall, J. C. & Coltheart, M. (1985). Surface Dyslexia: Neuropsychological and Cognitive Studies of Phonological Reading. London: Lawrence Erlbaum Associates. Patterson, K., Nestor, P. J. & Rogers, T. T. (2007). Where do you know what you know? The representation of semantic knowledge in the human brain. Nature Reviews Neuroscience, 8(12), 976 – 987. Patterson, K. & Plaut, D. C. (2009). „Shallow draughts intoxicate the brain“: lessons from Cognitive Science for Cognitive Neuropsychology. Topics in Cognitive Science, 1, 39 – 58. Patterson, K., Seidenberg, M. S. & McClelland, J. L. (1989). Connections and disconnections: Acquired dyslexia in a computational model of reading processes. In R. G. M. Morris (Ed.), Parallel distributed processing: Implications for psychology and neuroscience (pp. 131 – 181). London: Oxford University Press. Pinker, S. & Ullman, M. T. (2002). The past and future of the past tense. Trends in Cognitive Sciences, 6(11), 456 – 463. Plaut, D. C. (1997). Structure and function in the lexical system: insights from distributed models of word reading and lexical decision. Language and Cognitive Processes, 12(5 / 6), 765 – 805. Plaut, D. C., McClelland, J. L., Seidenberg, M. S. & Patterson, K. (1996). Understanding normal and impaired word reading: Computational principles in quasi-regular domains. Psychological Review, 103, 56 – 115. Rapp, B. (2011). Case series in cognitive neuropsychology: Promise, perils, and proper perspective. Cognitive Neuropsychology, 28(7), 435 – 444. Rapp, B., Benzing, L. & Caramazza, A. (1997). The autonomy of lexical orthography. Cognitive Neuropsychology, 14(1), 71 – 104. Rapp, B., Folk, J. & Tainturier, M.-J. (2001). Word reading. In B. Rapp (Ed.), Handbook of Cognitive Neuropsychology. What Deficits Reveal about the Human Mind (pp. 233 – 262). Hove: Psychology Press. Rogers, T. T., Lambon Ralph, M. A., Garrard, P., Bozeat, S., McClelland, J. L., Hodges, J. R. et al. (2004). Structure and detoriation of semantic memory: a neuropsychological and computational approach. Psychological Review, 111(1), 205 – 235. © 2017 Hogrefe
T. Bormann, Fallstudien in der Neuropsychologie
Rosenbaum, R. S., Gilboa, A. & Moscovitch, M. (2014). Case studies continue to illuminate the cognitive neuroscience of memory. Annals of the New York Academy of Sciences, 1316, 105 – 133. Rumelhart, D. E. (1990). Brain style computation: learning and generalization. In S. F. Zornetzer, J. L. Davis & C. Lau (Eds.). An Introduction to Neural and Electronic Networks (pp. 405 – 420). New York: Academic Press. Rumelhart, D. E., McClelland, J. L. & The PDP Research Group. (Eds.). (1986). Parallel distributed processing: Explorations in the microstructure of cognition, Vol. 1: Foundations. Cambridge, MA: MIT Press. Schwartz, M. F. (1984). What the classical aphasic syndromes can’t do for us and why. Brain and Language, 21(1), 3 – 8. Schwartz, M. F. & Dell, G. S. (2010). Case series investigations in cognitive neuropsychology. Cognitive Neuropsychology, 27(6), 477 – 494. Schwartz, M. F., Saffran, E. M. & Marin, O. S. M. (1980). Fractionating the reading process in dementia: Evidence for word-specific print-to-sound associations. In M. Coltheart, K. Patterson & J. C. Marshall (Eds.), Deep Dyslexia (pp. 259 – 269). London: Routledge & Kegan Paul. Seidenberg, M. S. (2012). Computational models of reading: connectionist and dual-route approaches. In M. Spivey, K. McRae & M. Joanisse (Eds.), Cambridge Handbook of Psycholinguistics (pp. 186 – 203). New York: Cambridge University Press. Seidenberg, M. S. & McClelland, J. L. (1989). A distributed, developmental model of word recognition and naming. Psychological Review, 96(4), 523 – 568. Seyboth, M., Blanken, G., Ehmann, D. Schwartz, F. & Bormann, T. (2011). Selective impairment of masculine gender processing: evidence from a German aphasic. Cognitive Neuropsychology, 28, 564 – 588. Shallice, T. (1988). From Neuropsychology to Mental Structure. Cambridge, UK: Cambridge University Press. Shallice, T. (2015). Cognitive neuropsychology and its vicissitudes: The fate of Caramazza’s axioms. Cognitive Neuropsychology, 32(7), 385 – 411. Shallice, T., Rumiati, R. I. & Zadini, A. (2000). The selective impairment of the phonological buffer. Cognitive Neuropsychology, 17(6), 517 – 546.
© 2017 Hogrefe
67
Shallice, T. & Warrington, e. K. (1970). Independent functioning of verbal memory stores: A neuropsychological study. Quarterly Journal of Experimental Psychology, 22, 261 – 273. Snowden, J. S., Goulding, P. J. & Neary, D. (1989). Semantic dementia: a form of circumscribed cerebral atrophy. Behavioral Neurology, 2, 167 – 182. Spatt, J. (2003). Arnold Pick’s concept of dementia. Cortex, 39(3), 525 – 531. Tyler, L. K., Stamatakis, E. A., Jones, R., Bright, P., Acres, K. & Marslen-Wilson, W. D. (2004). Deficits for semantics and the irregular past tense: A causal relationship? Journal of Cognitive Neuroscience, 16, 1 – 14. Warrington, e. K. (1975). The selective impairment of semantic memory. Quarterly Journal of Experimental Psychology, 27(4), 635 – 657. Warrington, e. K. & Shallice, T. (1984). Category specific semantic impairments. Brain, 107(3), 829 – 853. Wingard, E. M., Barrett, A. M., Crucian, G. P., Doty, L. & Heilman, K.M. (2002). The Gerstmann syndrome in Alzheimer’s disease. Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry, 72(3), 403 – 405. Woollams, A. M., Ralph, M. A. L., Plaut, D. C. & Patterson, K. (2007). SD-squared: on the association between semantic dementia and surface dyslexia. Psychological Review, 114(2), 316.
Manuskript eingereicht: 05.12.2016 Nach Revision angenommen: 22.02.2017 Interessenkonflikt: Nein
Dr. rer. nat. Tobias Bormann, Dipl.-Psych. Klinik für Neurologie Universitätsklinik Freiburg Breisacher Str. 64 79106 Freiburg Deutschland tobias.bormann@uniklinik-freiburg.de
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 55–67
Mit acht Kliniken und zwei Heimen, rund 1.700 Betten und circa 3.000 Beschäftigten sind wir eines der größten Klinikunternehmen in der Region. Wir stehen für ein qualitativ hochwertiges Versorgungsspektrum in den Bereichen Psychiatrie, Neurologie und Geriatrische Rehabilitation.
Umfassend und aktuell – das komplette Wissen der Psychologie
Wir suchen für das Zentrum für Neurologie und Neurologische Rehabilitation am Klinikum am Europakanal Erlangen zum nächstmöglichen Zeitpunkt Sie als
Neuropsychologin / Neuropsychologen Das Zentrum für Neurologie und neurologische Rehabilitation (ZNR) besteht aus insgesamt 145 Betten. Diese umfassen die Bereiche Akutneurologie, Frührehabilitation mit Intensivstation und die weiterführende Rehabilitation der Phasen C und D.
Ihre Aufgaben X Sie führen selbstständig neuropsychologische Diagnostik und Therapie bei Patienten nach cerebralen Schädigungen durch. X Sie betreuen und beraten Patienten des ZNR und stehen dabei auch in engem Kontakt mit deren Angehörigen. X Sie behandeln und beraten Patienten des Erlanger Rückenschmerzzentrums im Umgang mit chronischen Schmerzen. X Sie arbeiten innerhalb eines multiprofessionellen Teams am gemeinsamen Therapieziel mit den Patienten.
Ihr Profil X Sie verfügen über eine Approbation zur / zum Klinischen Neuropsychologin/-en (GNP). X Alternativ befinden Sie sich gerade in der Ausbildung zur / zum Psychologischen Psychotherapeutin/-en oder sind bereits im Besitz der Approbation und sind bereit, die Ausbildung zur / zum Klinischen Neuropsychologin/-en zu absolvieren. X Persönlich zeichnen Sie sich durch ein hohes Maß an Selbstständigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Einfühlungsvermögen aus.
Unser Angebot X Es erwartet Sie ein interessantes und verantwortungsvolles Aufgabengebiet innerhalb eines freundlichen, motivierten multiprofessionellen Teams nahe einer der bevorzugten Wirtschaftsregionen Deutschlands. X Ihre bedarfsspezifischen Fort- und Weiterbildungen werden durch die Bezirkskliniken Mittelfranken unterstützt und gefördert. X Eine attraktive Vergütung nach dem TVöD-K mit allen im öffentlichen Dienst üblichen Sozialleistungen ist für uns selbstverständlich. X Wir bieten Ihnen zudem ein breites Angebot an gesundheitsfördernden und familienfreundlichen Leistungen sowie umfangreiche Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Für Rückfragen steht Ihnen die Therapieleitung, Frau Bettina Schmidt-Burkhardt, gerne telefonisch (Tel.: 09131 753-2874) oder per E-Mail (bettina.schmidt-burkhardt@bezirksklinikenmfr.de) zur Verfügung.
Konnten wir Ihr Interesse wecken? Dann lassen Sie uns doch bitte Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen über unser Stellenportal (https://jobs.bezirkskliniken-mfr.de/) zukommen – wir freuen uns darauf!
www.bezirkskliniken-mfr.de
Markus Antonius Wirtz (Hrsg.)
Dorsch – Lexikon der Psychologie Unter Mitarbeit von Janina Strohmer. 18., überarb. Aufl. 2016. 1952 S., Gb € 74,95 / CHF 95.00 ISBN 978-3-456-85643-8
Der DORSCH in der 18. Auflage: mit über 2000 aktualisierten und überarbeiteten Stichwörtern – inklusive Dorsch Lexikon Online [www.hogrefe.com/dorsch]. Der Dorsch ist das Standardwerk, das eine umfassende Orientierung über Grundlagen, Konzepte und Begriffe der Psychologie ermöglicht. Das Lexikon der Psychologie wendet sich an Studierende der Psychologie sowie der Bezugsdisziplinen (z. B. Psychiatrie, Bildungs-, Gesundheits-, Neuro-, Rechtsund Wirtschaftswissenschaften), Wissenschaftler und praktizierende Fachpersonen dieser und verwandter Fächer sowie an interessierte Laien.
www.hogrefe.com
Nachrichten
Verbandsnachrichten der Gesellschaft für Neuropsychologie Österreich (GNPÖ) Intern Im Zeitraum 01 / 07 / 2016 bis 21 / 12 / 2016 erhielten folgende Kolleginnen / en das Zertifikat über die Weiterbildung in Klinischer Neuropsychologie gemäß der Kriterien zur Spezialisierung lt. § 29 PG 2013: Mag. Sophie Gagl Mag. Michael Goth Mag. Katharina Hemetsberger Mag. Marlene Hofer Mag. Daniela Kogler Mag. Lisa Steger, PhD. Mag. Carmen Ungar
Ehrenmitgliedschaft für Mag. Elisabeth Baumgartner Es ist uns eine Freude und Ehre, unserer langjährigen Vorstandskollegin und lieben Freundin die Ehrenmitgliedschaft der GNPÖ zum Abschied aus dem Vorstand zu überreichen. Als Gründungsmitglied hatte unsere Elisabeth die Funktion der Schriftführerin und führte das GNPÖ-Sekretariat seit 1999 in besonders umsichtiger
© 2017 Hogrefe
Weise. Ihre besonderen Stärken zeigten sich vor allem im Organisieren der „Zettelwirtschaft“, als auch im Behalten des Überblickes, wenn es hoch her ging. Wir werden Ihre liebevolle und detaillierte Herangehensweise sehr vermissen und wünschen für den GNPÖ-Ruhestand die beste Gesundheit und viel Familienzeit! Wir danken dir Elisabeth für dein Engagement und deine Fürsorge!
Nachlese: GNPÖ Jahrestreffen 2016 Am 1. Oktober 2016 fand das 18. Jahrestreffen zum Thema „Klinische Neuropsychologie im österreichischen Gesundheitswesen und ihr internationaler Stellenwert“ statt. Die Vorträge haben einen Bogen zwischen den (neuen) gesetzlichen Bestimmungen in Österreich, den Auswirkungen auf die wissenschaftlichen und praktischen Tätigkeiten im Bereich der Klinischen Neuropsychologie, hin zu aktuellen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten und internationalen Entwicklungen, gespannt. Mit dem Programm ist es gelungen die Anwesenden über diese aktuellen Entwicklungen zu informieren und aufzuzeigen, welche Bedeutungen diese für den beruflichen Alltag haben. Mag. Dr. Christoph Kabas berichtete über die Spezialisierungen auf europäischer Ebene, hier vorwiegend die Vorzüge von EuroPsy. Mag. Dr. Thomas Bodner, MSc konnte detailliert beschreiben, welche Vorzüge das neue GNPÖ Curriculum in Übereinstimmung mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen hat. Der Tätigkeitsvorbehalt für Klinische Psychologie und seinen Implikationen auf die Klinische Neuropsychologie konnten von Mag. Dr. Thomas Pletschko, Bakk. in besonderer Weise veranschaulicht werden. Assoz. Prof. Dr. Guilherme Wood stellte sich als neues Mitglied des wissenschaftlichen Beirates vor und berichtete über seine aktuelle Forschung. Schließlich konnten die internationalen Entwicklung der Klinischen Neuropsychologie und deren Bedeutung für die österreichische Kollegenschaft von Mag. Dr. Sandra M. Lettner skizziert werden. Die Aktualität der ausgewählten Themen zeigt sich in den angeregten und zum Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 69–74
70
Nachrichten
werden die 4 Fallvorstellungsseminare als Teil der Weiterbildung „Klinische Neuropsychologie“ beibehalten. Auch die Supervisionsstunden (50 Einheiten (E), davon mind. 20 E in Einzelsupervision) bleiben unverändert Teil der Weiterbildung. Die theoretische Weiterbildung beträgt wie auch zuvor 144 E. Es besteht ab Jänner 2017 auch die Möglichkeit, den Theorieteil in Form einer geschlossenen Seminarreihe zu absolvieren (nähere Details hierzu sind auf der Homepage zu finden).
Nachlese: Grenzen überwinden – voneinander lernen Diskutanten: PhDr. Dr. Cornel Binder-Kriegelstein, Vizepräsident des BÖP, Mag. Dr. Christoph Kabas, Vorstandsmitglied des BÖP und Vortragender
Teil heißen Diskussionen rund um die Umsetzung des Psychologengesetzes 2013. Wir danken den Diskutanten sehr herzlich, dass sie sich dieser Herausforderung gestellt haben!
Anpassung des GNPÖWeiterbildungscurriculums an die Vorgaben des Psychologengesetzes 2013 Das PG2013 hat nicht nur Neuerungen in verschiedenen Bereichen wie Dokumentation, Aufklärung, Ausbildung, etc. mit sich gebracht, sondern mit der Einführung der Neuropsychologie als ersten Spezialisierungsbereich auch notwendige Anpassungen des GNPÖ Curriculums. Gemäß PG2013 wurde das GNPÖ Curriculum an die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst. Für das GNPÖ-Weiterbildungscurriculum „Klinische Neuropsychologie“ sind für den Erwerb praktischer Kenntnisse zwei Jahre (d. h. 3760 Stunden) Praxis in den interdisziplinären Fachweiterbildungsstellen mit neuropsychologischem Schwerpunkt erforderlich. Da nun ohnehin für alle in Weiterbildung befindlichen Kolleginnen / en 2 Jahre Praxis zu absolvieren sind, wurde auf die Beibehaltung der Differenzierung der Fachweiterbildungsinstitutionen in Typ A und B verzichtet. Auch das für die in vormals Typ-B Einrichtungen verbundene Fachgespräch entfällt u. a. aus diesem Grund. Bei den bisherigen Weiterbildungscurricula hat sich die Durchführung der 4 Fallvorstellungsseminare (2 Gutachten und 2 Befunde mit Behandlungsverläufen) nicht nur als notwendige Qualitätssicherungsmaßnahme bewährt, sondern auch als wertvolle Rückmeldung an die in Weiterbildung befindlichen Kolleginnen / en erwiesen. Daher Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 69–74
Von 20. – 2 2. Oktober 2016 fand die Dreiländertagung für Neuropsychologie in Würzburg statt. Deutschland, Schweiz und Österreich nahmen mit insgesamt 400 Kolleginnen / -en teil. Die österreichischen Kolleginnen / -en stellten eine sehr präsente Gruppe dar. Die Grußworte der Präsidentinnen / -en der drei Länder, Österreich vertreten durch die Vizepräsidentin Gisela Pusswald, eröffneten die Tagung am Freitag. Neben einem Hauptvortrag, gehalten von Werner Sattler zur Geschichte und jetzigen Situation der Klinischen Neuropsychologie in Österreich, waren österreichische Kolleginnen / -en bei Symposien über Fahreignung (Claudia List und Harald Bliem), Diskussionen zu unterschiedlichen Weiterbildungsmodalitäten in den drei Ländern (Wilhelm Strubreither), im Workshop zur Klinischen Neuropsychologie bei Kindern und Jugendlichen (Thomas Pletschko und Karoline Proksch) als auch bei der Pressekonferenz (Gisela Pusswald, Wilhelm Strubreither) tätig. Der rege fachliche Austausch in den Pausen, die Suche nach Möglichkeiten der besseren Vernetzung der Nachbarländer neben den vielfältigen fachlichen Inputs machten diese erste gemeinsame Tagung zu einem besonderen Event.
Giselher Guttmann Preis 2016 Die Gewinnerin mit dem Namenspatron des Preises: Im Rahmen der GNPÖ Jahrestagung, die 2016 als Dreiländertagung der jeweiligen Fachgesellschaften aus Österreich, Deutschland und der Schweiz stattfand, wurde am 21.10.2016 bereits zum vierten Mal der Giselher Guttmann Preis verliehen. Der Preis wird jährlich an junge Kolleginnen / -en vergeben, deren Arbeit maßgeblich zum Erkenntnisgewinn im Bereich der Klinischen Neuropsychologie beiträgt. Sämtliche Einreichungen wurden dem wissenschaftlichen Beirat der GNPÖ zur Bewertung vorgelegt. Der Giselher Guttmann Preis 2016 erging an Mag. Birgit Rauchbauer für ihre Arbeit zum Thema „Distinct neu© 2017 Hogrefe
Nachrichten
ral processes are engaged in the modulation of mimicry by social group-membership and emotional expressions“. Wir gratulieren sehr herzlich! Der mit 500 Euro dotierte Preis wurde vom Past-Präsidenten und Ehrenmitglied der GNPÖ Prof. Dr. Wilhelm Strubreither überreicht. Nachfolgend das Abstract der preisgekrönten Arbeit.
Rauchbauer, B.: Distinct neural processes are engaged in the modulation of mimicry by social group-membership and emotional expressions People often spontaneously engage in copying each other’s postures and mannerisms, a phenomenon referred to as behavioral mimicry. Social psychology experiments indicate that mimicry denotes an implicit affiliative signal flexibly regulated in response to social requirements. Yet, the mediating processes and neural underpinnings of such regulation are largely unexplored. The present functional magnetic resonance imaging (fMRI) study examined mimicry regulation by combining an automatic imitation task with facial stimuli, varied on two social-affective dimensions: emotional expression (angry vs happy) and ethnic group membership (in- vs out-group). Behavioral data revealed increased mimicry when happy and when out-group faces were shown. Imaging results revealed that mimicry regulation in response to happy faces was associated with increased activation in the right temporo-parietal junction (TPJ), right dorsal premotor cortex (dPMC), and right superior parietal lobule (SPL). Mimicry regulation in response to out-group faces was related to increased activation in the left ventral premotor cortex (vPMC) and inferior parietal lobule (IPL), bilateral anterior insula, and mid-cingulate cortex (MCC). We suggest that mimicry in response to happy and to out-group faces is driven by distinct affiliative goals, and that mimicry regulation to attain these goals is mediated by distinct neuro-cognitive processes. Higher mimicry in response to happy faces seems to denote reciprocation of an affiliative signal. Higher mimicry in response to out-group faces, reflects an appeasement attempt towards an interaction partner perceived as threatening (an interpretation supported by implicit measures showing that out-group members are more strongly associated with threat). Our findings show that subtle social cues can result in the implicit regulation of mimicry. This regulation serves to achieve distinct affiliative goals, is mediated by different regulatory processes, and relies on distinct parts of an overarching network of task-related brain areas. Our findings shed new light on the neural mechanisms underlying the interplay between implicit action control and social cognition. © 2017 Hogrefe
71
National Festliche Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung zwischen BÖP und GNPÖ Am 1. Oktober 2016 unterzeichneten die Vizepräsidentin der GNPÖ, Mag. Dr. Gisela Pusswald und der Vizepräsident des Berufsverbandes Österreichischer Psychologinnen und Psychologen, PhDr. Dr. Cornel Binder-Krieglstein im Rahmen des GNPÖ Jahrestreffens 2016, in einem feierlichen Akt die Kooperationsvereinbarung zwischen den beiden Verbänden. Während die GNPÖ Trägerin der neuropsychologischen Weiterbildung für Klinische Psychologinnen / - en in Österreich ist und die Förderung und Verbreitung der Neuropsychologie als interdisziplinäre Wissenschaft in experimentellen, angewandten und klinischen Tätigkeitsbereichen zum Gegenstand hat, ist der Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen (BÖP), gegründet im Jahr 1953, die berufliche Interessensvertretung der Psychologinnen / - en in Österreich. Mit der Unterzeichnung der Kooperation wurden die bisherigen Regelungen schriftlich bestätigt. Der BÖP beauftragte die GNPÖ mit der inhaltlichen Ausarbeitung der Spezialisierung Klinische Neuropsychologie lt. PG2013 und benannte Fachexpertinnen / - en für den Psychologenbeirat. Die Vertretung berufspolitischer Ziele wie die psychologische Behandlung im ASVG zu implementieren, um dadurch die Basis für eine finanzielle Abgeltung durch die Krankenkassen zu schaffen, soll gemeinsam erfolgen. Zudem wird die Zusammenarbeit in Agenden mit dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger festgehalten. Das gemeinsame Auftreten in den Kollektivvertragsverhandlungen für die Kur- und Rehabilitationsbetriebe wurde zur Unterstützung der dort tätigen Kolleginnen / - en vereinbart. Die organisatorische Zusammenarbeit soll sich in der gemeinsamen Zertifizierung, der Anerkennung der GNPÖ als Fachvertretung, der Zusammenarbeit von Fach- und thematischen Arbeitsgruppen, gemeinsames Auftreten bei Veranstaltungen, das gemeinsame Ausrichten der INS 2020 in Wien, die Entsendung eines Fachvertreters in den wissenschaftlichen Beirat des BÖP, die Entsendung von Fachvertreterinnen / - er der GNPÖ in internationale Gremien, wie zum Beispiel EFPA oder IUPSyS und letztlich in der Anerkennung der GNPÖ als alleinige theoretische Weiterbildungsinstitution zeigen. Wir freuen uns mit dem BÖP einen verlässlichen Partner an unserer Seite zu haben!
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 69–74
72
Nachrichten
Wien als INS-Meeting Austragungsort 2020 Wien wird Austragungsort des Mid-Year Meetings der International Neuropsychological Society im Jahr 2020 sein. Davor finden die Meetings in New Orleans & Cape Town (2017), Washington & Prag (2018) und New York (2019) statt. Die GNPÖ wird vor allem für das wissenschaftliche Programm der Tagung vom 1. Bis 4. Juli 2020 verantwortlich sein. Nähere Informationen finden sich unter: http://www.the-ins.org/future-ins-meetings
Berufspolitik Spezialisierung im Bereich „Klinische Neuropsychologie“ gem. PG 2013 Kolleginnen / en, die das GNPÖ-Weiterbildungscurriculum „Klinische Neuropsychologie“ absolviert haben, können sich weiterhin in die Liste der GNPÖ auf der Homepage eintragen lassen. Diese Eintragung auf der GNPÖ-Homepage erfolgt unabhängig von einer Eintragung in der Liste des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen im Sinne der Spezialisierung „Klinische Neuropsychologie“ gemäß § 29 Abs. 5 Psychologengesetz 2013. Für Absolventinnen / en, die sich in die Liste des BMGF eintragen lassen möchten, wurden mit der Änderung des GNPÖ Curriculums nun die Voraussetzungen geschaffen, sich gem. PG2013 eintragen lassen zu können. Gemäß PG2013, § 29 Abs. 5 ist eine Spezialisierung nach Absolvierung eines theoretischen Weiterbildungscurriculums und mehrjähriger schwerpunktspezifischer beruflicher Tätigkeit möglich. Diese Eintragung der Spezialisierung „Klinische Neuropsychologie“ in die Liste des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen (BMGF) ist also möglich, aber derzeit nicht zwingend erforderlich. Die Kriterien für die Eintragung in die Liste des BMGF lt. PG 2013 sind im Gesetz nur vage beschrieben. Klar ist jedoch, dass Klinische Psychologinnen / - en auch weiterhin alle Fachkenntnisse anwenden dürfen, welche sie nachweislich erlernt haben. Der Gesetzgeber hat die Spezialisierungen ins Psychologengesetz formuliert, um die Kolleginnen / - en für Patientinnen / - en und Klientinnen / - en gesondert auszuweisen, welche über zusätzliche Fachkenntnisse in einem Bereich verfügen. Bislang konnten erste Erfahrungen bezüglich des Eintragungsprozesses beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen gesammelt werden. Die GNPÖ hat Expertinnen / en in den Psychologenbeirat, der lt. PG2013 eine beratende Funktion für die Ministerin hat, entsandt. Entscheidungsträger ist jedoch das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen. Die Vertreterinnen / -er der Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 69–74
Prof. Dr. Wilhelm Strubreither, Mag. Dr. Gisela Pusswald, PhDr. Dr. Cornel Binder-Krieglstein, Mag. Dr. Sandra M. Lettner
GNPÖ haben sich in Gesprächen mit dem BMGF eingebracht und ihre fachliche Expertise zur Verfügung gestellt. Ziel der GNPÖ war es in Gesprächen die Qualität der Weiterbildung in Klinischer Neuropsychologie hervorzuheben, das Berufsfeld in all seinen Facetten zu beschreiben und für die GNPÖ-Mitglieder zu erreichen, dass die Vorlage des GNPÖ-Zertifikates zum Qualitätsnachweiß ausreichend ist. Sobald von Seiten des Bundesministeriums nähere Informationen zum Eintragungsprocedere vorliegen, werden diese zeitnah an unsere Mitglieder weitergegeben. Weiters ist auf die korrekte Schreibweise des Berufstitels zu achten, die seit dem Inkrafttreten des PG2013 vorgeschrieben ist. Sofern die Listeneintragungen beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen bereits erfolgt sind, sind nach dem Namen der Berufstitel und der Spezialisierungsbereich anzuführen, Mag. Max Mustermann, Klinischer Psychologe (Klinische Neuropsychologie). Davon abweichende Bezeichnungen können mit Verwaltungsstrafen geahndet werden. Diese im PG2013 verankerte Sanktionsmöglichkeit ist in erster Linie für zuwiderhandelnde Personen, welche nicht dem Berufsstand der Klinischen Psychologinnen / -en, Gesundheitspsychologinnen / -en oder Psychologinnen / -en angehören, und die Begrifflichkeiten fälschlicherweise für sich in Anspruch nehmen, formuliert worden. Von Seiten der Fachgesellschaft – GNPÖ – haben wir unser Möglichstes dazu beitragen, die Position der Klinischen Neuropsychologie zu vertreten und die beste Lösung für unsere Mitglieder herauszuholen. Wie sind auch weiterhin bemüht die GNPÖ-Mitglieder mit wichtigen Informationen auf dem Laufenden zu halten. Auch ist es uns ein besonderes Bedürfnis, die Anliegen unserer Mitglieder an die Gesetzgeber rückzumelden. Wir freuen uns, dass unser Zertifikat in Kooperation mit dem BÖP „Klinische Neuropsychologie“ weiterhin die © 2017 Hogrefe
Nachrichten
sehr gute Weiterbildungsqualität unserer Kolleginnen / en wiederspiegelt und zu einem österreichischen Markenzeichen im Gesundheitssystem geworden ist!
International Nachlese zur zweiten FESN Summer School Von 29. August bis 1. September 2016 veranstaltet die Federation of European Societies of Neuropsychology (FESN) die 2nd FESN Summer School zum Thema „Science at the Ward“ in Berlin. Es nahmen insgesamt etwa 40 Studierende verschiedener Nationalitäten teil, darunter auch eine Kollegin aus Österreich (Lisa Steger, PhD, von der Kinderklinik der Medizinischen Universität Innsbruck). Die Kollegin wurde vom wissenschaftlichen Beirat vorgeschlagen und vom GNPÖ Vorstand bestätigt, sodass diese in den Genuss der Summer School 2016 kam. Ihr Erfahrungsbericht ist im Folgenden nachzulesen: Im Rahmen der Teilnahme an der 2. Summer School 2016 der Federation of the European Societies of Neuropsychology (FESN) von 29. August bis 1. September 2016 in Berlin konnte die Chance wahrgenommen werden, gemeinsam mit anderen Teilnehmerinnen / -ern aus den verschiedensten europäischen Ländern Vorträge auf fachlich höchstem Niveau zum Thema „Science at the Ward“ beizuwohnen. Am ersten Tag gab es die Möglichkeit zum Kennenlernen – sowohl der Veranstalter bzw. Organisatoren der Federation of the European Societies of Neuropsychology, wie auch der Teilnehmerinnen / -er untereinander. Nach einleitenden Begrüßungsworten von Prof. Della Sala und unseres Gastgebers von der Freien Universität Berlin, Prof. Niedeggen, startete bereits die erste Runde fachlichen Inputs. Die Vorträge von Prof. Cipolotti (Edinburgh) und Prof. Cappa (Padua) zeigten schon zu Beginn die Themenbreite der Summer School: Frau Prof. Cipolotti stellte ausführlich und auf interessante Weise ihren Bereich der neuropsychologischen Diagnostik an der Klinik in London dar. Prof. Cappa griff in seinem Vortrag das Berufsfeld der Klinischen Neuropsychologie aus seiner Sicht eines Neurologen auf und stellte die bereits vorhanden, aber auch durchaus noch ausbaufähigen Überschneidungspunkte und Kooperationsmöglichkeiten der Klinischen Neuropsychologie mit den medizinischen Fachgruppen zur Diskussion. Der zweite Tag stand im Zeichen verschiedener Störungsbilder und ihrer Diagnostik: Abklärung von frontalen Störungen durch Prof. MacPherson und der motorischen Defizite von Prof. Vingerhoets. Prof. Niedeggen stellte die höheren visuellen Funktionen vor und Prof. Jehkonen besprach die Themen Neglekt und Anosognosie. Nach den Vorträgen gab es immer wieder die Möglichkeit zur Dis© 2017 Hogrefe
73
kussion innerhalb des Plenums und zum Stellen von Fragen an die Referenten. Den Abschluss der Einheit am Dienstag machte ein Vortrag zum Thema Publizieren, gestaltet von Prof. Della Sala, Prof. Chambers und Prof. Vingerhoets. Besprochen wurden hier unter anderem das Einreichen von Publikationen, Standard des Peer-Reviewing und des Pre-Registration-Reports, bei dem bereits vor Beginn einer Studie die freiwillige Einreichung zur Peer-Review angeboten wird, um für Publikationen auch schon im laufenden Forschungsprozess den höchstmöglichen Standard gewährleisten zu können. Anschließend konnte der Abend dazu genutzt werden, die vielen Themen im kollegialen und kulinarischen Austausch weiter zu vertiefen. Am Mittwoch stand die Statistik im Fokus der Summer School. Hierfür fand am Vormittag eine Einführung in die Programmiersprache R statt. Prof. Allerhand schaffte es auch Neulingen auf diesem Gebiet die Anwendungsmöglichkeiten von R schrittweise näher zu bringen und machte somit Lust, dieses Programm auch im klinischen Alltag zu nutzen. Am Nachmittag wurde intensiv über den Paradigmen-Shift innerhalb der Statistik hin zum Ansatz von Bayes diskutiert. Prof. Dienes führte in die Thematik ein und zeigte mit Hilfe von konkreten Forschungsbeispielen die Verwendung dieser Theorie auf. Der Donnerstag wurde am Vormittag für weitere Einführung in die Themengebiete Relevanz klinischer Neuroanatomie in der klinischen Praxis von Prof. Thiebaut de Schotten, methodologische Fortschritte durch Prof. Lohmann und funktionelle Konnektivität durch Prof. Tettamanti genutzt. Am Nachmittag fassten die Schlussworte von Prof. Niedereggen und Prof. Della Sala eine konstruktive Summer School 2016 zusammen. Für die Teilnehmerinnen / -er ging damit ein erfolgreicher Austausch nicht nur über eine Vielzahl fachlicher Themen im Bereich der Neuropsychologie, sondern auch untereinander mit Kolleginnen / -en aus unterschiedlichen europäischen Ländern zu einem gelungenen Ende.
Council Meeting der FESN in Wien Am 12. Oktober 2016 fand in Wien das Council Meeting der Federation of the European Societies of Neuropsychology statt. Sandra Lettner nahm als Vertreterin der GNPÖ als österreichische Delegierte im Council teil, Thomas Bodner war als Treasurer der FESN ebenfalls anwesend. Inhaltlich ging es v. a. um die Ergebnisse FESN Survey, bei der 17 nationale neuropsychologische Fachgesellschaften teilnahmen. Wesentliche Erkenntnisse der Umfrage waren, dass es auch weiterhin wissenschaftliche Konferenzen im 2-Jahres-Rhythmus geben soll, welche sowohl die angewandten klinischen Aspekte der Neuropsychologie neben der wissenschaftlichen Ausrichtung miteinbeziehen solZeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 69–74
74
len. Ziel soll auch die Entwicklung von Guidelines für die klinisch-neuropsychologische Arbeit sein. Zudem wurde das Memorandum of Understanding zwischen FESN und INS präsentiert sowie die neue Homepage vorgestellt, deren Konzeptionierung Sandra Lettner als webmaster der FESN übernommen hat. Besuchen Sie die Homepage und sehen Sie selbst: http://www.fesn.eu
Nachrichten
Neuropsychology. Diese gelebte nationale und internationale Vernetzung mit Querassoziationen erlaubt uns als österreichische Vertreterinnen / - er, schnellstmöglich an Informationen zu kommen, welche die Weiterentwicklungen der Psychologie in Österreich bedeutsam sind. Nur so sind wir in der Lage die Kolleginnen / - en bestmöglich zu vertreten. Wir machen das aus Freude am Fachgebiet und aus Begeisterung für die psychologische Community!
Nationale und internationale Kooperationen der GNPÖ Über die GNPÖ Die GNPÖ kümmert sich um ihre Anliegen innerhalb der Berufsgruppe und vertritt sie auf berufspolitischer Ebene in Österreich. Die GNPÖ ist ein nicht auf Gewinn ausgerichteter Verein, der national und international tätig ist. Als Gründungsmitglied der Federation of the European Societies of Neuropsychology (FESN) arbeiten wir auch mit nationalen europäischen Organisationen im Bereich Neuroscience sowie deren Vertreterinnen / n zusammen. Besuchen Sie unsere Homepage www.gnpoe.at. Hier finden Sie Informationen zu Fortbildungen, Tagungen, Akkreditierungsrichtlinien sowohl für Einrichtungen als auch zur / m Klinischen Neuropsychologin / en, den Arbeitsgruppen, unserem Serviceangebot und über uns.
Auf nationaler Ebene ist die GNPÖ ein fixer Kooperationspartner des Berufsverbandes Österreichischer Psychologinnen und Psychologen (BÖP). Während der BÖP seinerseits Mitglied in der European Federation of Psychologist´s Associations (EFPA) ist, ist die GNPÖ Gründungsmitglied der Federation of European Societies of Neuropsychology (FESN). Die FESN ist ihrerseits assoziiertes Mitglied der EFPA und entsendet eine Delegierte für die Klinische Neuropsychologie in die EFPA Gremien wie zum Beispiel der Task Force on Clinical
Zeitschrift für Neuropsychologie (2017), 28 (1), 69–74
Autorinnen und Autoren Mag. Dr. Sandra M. Lettner, Präsidentin Mag. Dr. Thomas Pletschko, Bakk., stv. Schriftführer
GNPÖ-Sekretariat Praxisgemeinschaft Salvatorgasse 3 / 29 1010 Wien Österreich info@gnpoe.at http://www.gnpoe.at
© 2017 Hogrefe
Günter Neumann $QQD .DWKDULQD 6FKDDGW -RDFKLP 1HX Georg Kerkhoff
Sehstörungen nach Hirnschädigung
Günter Neumann/ Anna-Katharina Schaadt / Joachim Neu / Georg Kerkhoff
Georg Kerkhoff / Günter Neuman / Joachim Neu
Sehstörungen nach Hirnschädigung
Ratgeber Neglect
Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige
Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige
Leben in einer halbierten Welt Georg Kerkhoff · Günter Neumann Joachim Neu
Ratgeber Neglect Leben in einer halbierten Welt
9783801718503.indd 1
25.02.2008 10:53:33
2015, 83 Seiten, Kleinformat, € 14,95 / CHF 19.90 ISBN 978-3-8017-2724-6 Auch als eBook erhältlich
2008, 92 Seiten, Kleinformat, € 12,95 / CHF 18.90 ISBN 978-3-8017-1850-3
Der Ratgeber erklärt in verständlicher Form für Betroffene und Angehörige die verschiedensten Arten von zerebralen Sehstörungen, deren Ursachen, Symptome, Krankheitsverlauf und Behandlungsmöglichkeiten.
Der Ratgeber richtet sich an Patienten, Angehörige und Therapeuten und stellt in allgemein verständlicher Form das neurologische Krankheitsbild der halbseitigen Vernachlässigung (Neglect) dar.
Jürgen Raithel · Andreas Widmer
Deviantes Verkehrsverhalten Grundlagen, Diagnostik und verkehrspsychologische Therapie
Jürgen Raithel / Andreas Widmer
Deviantes Verkehrsverhalten Grundlagen, Diagnostik und verkehrspsychologische Therapie
Dieter Schellig · Renate Drechsler Dörthe Heinemann · Walter Sturm (Hrsg.)
Handbuch neuropsychologischer Testverfahren Aufmerksamkeit, Gedächtnis und exekutive Funktionen
Dieter Schellig / Renate Drechsler / Dörthe Heinemann / Walter Sturm (Hrsg.)
Handbuch neuropsychologischer Testverfahren Band 1: Aufmerksamkeit, Gedächtnis und exekutive Funktionen
2012, 120 Seiten, € 24,95 / CHF 35.50 ISBN 978-3-8017-2353-8 Auch als eBook erhältlich
2009, 1.135 Seiten, geb., € 129,00 / CHF 174.00 ISBN 978-3-8017-1857-2
Deviantes Verkehrsverhalten, also schwerwiegende Verkehrsverstöße sowie mehrmaliges regelverletzendes Verhalten im Straßenverkehr, gefährdet neben dem eigenen Leben vor allem jenes unschuldiger Verkehrsteilnehmer. Alleine in Deutschland kommt es jährlich zu rund 180.000 Entzügen der Fahrerlaubnis.
Dieses Kompendium vermittelt einen systematischen Überblick über die im deutschsprachigen Raum verwendeten Verfahren, nimmt eine Einbettung in neuropsychologische Theorien vor und wagt eine kritische Bewertung.
www.hogrefe.com
schuhfried.de
WIENER TESTSYSTEM
Das Demenz Test-Set Früherkennung durch psychologische Diagnostik
WOBT – Wiener Objektbenennungstest als Teil des Test-Sets CFD. Autor: T. Jahn
v
Das Test-Set geht neue Wege im digitalen Testen und in der Demenzdiagnostik: i Sprachbezogene Tests wie beispielsweise WOBT i Neue Testparadigmen i Testleitergestützte Instruktion i Altersnormierung 50 bis 90+ Jahre i Touchscreen-Bedienung optimiert für die Altersgruppe 50+ i Audioaufnahmen zur zuverlässigen Erfassung verbaler Antworten i Erweiterte Auswertungsoptionen insbesondere für Verlaufsmessungen
SCHUHFRIED GmbH, Hyrtlstraße 45, 2340 Mödling, Österreich Telefon +43 22 36 42315-40 E-Mail info@schuhfried.de
aus Deutschland: Telefon +49 69 899 14033
Lesen Sie mehr zur Auswahl der kognitiven Dimensionen anhand der aktuellen Diagnoserichtlinien (DSM -5) unter www.schuhfried.de/demenz-test-set
Jetz t kennenle rnen: Das Test- Set C FD – Kognitive Funk tionen Dem
enz!