Jahrgang 32 / Heft 3 / 2018
Zeitschrift für
Pädagogische Psychologie German Journal of Educational Psychology
Herausgeber Andreas Knapp Detlef H. Rost Assoziierter Herausgeber Samuel Greiff Beirat Roland Brünken, Martin Brunner, Joachim C. Brunstein, Susanne R. Buch, Oliver Dickhäuser, Roland Grabner, Michael Grosche, Hans Gruber, Regina Jucks, Detlev Leutner, Jens Möller, Jan Retelsdorf, Tina Seufert, Jörn Sparfeldt, Birgit Spinath, Nadine Spörer, Robin Stark, Ricarda Steinmayr, Elsbeth Stern, Ulrich Trautwein
Kupper / Rohrmann
EMO-KJ
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Zeitschrift für
Pädagogische Psychologie German Journal of Educational Psychology
Jahrgang 32 / Heft 3 / 2018
Herausgeber Andreas Knapp Detlef H. Rost Assoziierter Herausgeber Samuel Greiff
Herausgeber
Prof. Dr. Andreas Knapp, Santa Rosa, California, GJEP@gmx.us Prof. Dr. Detlef H. Rost, Faculty of Psychology, South West University, Chongqing (CN) & Fachbereich Psychologie, Philipps-Universität Marburg
Assoziierter Herausgeber
Prof. Dr. Samuel Greiff, Maison des Sciences Humaines, Université du Luxembourg
Redaktionsassistenz
Patrick Franzen, Institute of Cognitive Science and Assessment, Universität Luxemburg, patrick.franzen@uni.lu
Beirat
Roland Brünken, Saarbrücken
Jens Möller, Kiel
Martin Brunner, Berlin
Jan Retelsdorf, Kiel
Joachim C. Brunstein, Gießen
Tina Seufert, Ulm
Susanne R. Buch, Wuppertal
Jörn Sparfeldt, Saarbrücken
Oliver Dickhäuser, Mannheim
Birgit Spinath, Heidelberg
Roland Grabner, Graz
Nadine Spörer, Potsdam
Michael Grosche, Wuppertal
Robin Stark, Saarbrücken
Hans Gruber, Regensburg
Ricarda Steinmayr, Dortmund
Regina Jucks, Münster
Elsbeth Stern, Zürich
Detlev Leutner, Essen
Ulrich Trautwein, Tübingen
Verlag
Hogrefe AG, Länggass-Str. 76, 3012 Bern, Tel. +41 (0) 31 300 45 00, verlag@hogrefe.ch, www.hogrefe.ch
Herstellung
Fabian Hofmann, Tel. +41 (0) 31 300 45 37
Anzeigen
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Satz & Druck
AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu)
ISSN
ISSN-L 1010-0652, ISSN 1010-0652 (Print), ISSN 1664-2910 (online)
Erscheinungsweise
vierteljährlich
Indexierung
Social Sciences Citation Index, Social Scisearch, Current Contents/Social and Behavioral Sciences, PSYNDEX, PsycLIT, Contents Pages in Education, Sociological Abstracts, Linguistics and Language Behavior Abstracts, Child Development Abstracts and Bibliography, Psyc INFO, PsyJOURNALS, IBZ, IBR, Europ. Reference List for the Humanities (ERIH) und Scopus Impact Factor: 0.722 5-Year Impact Factor: 1.093 2015 Journal Citation Reports®, 2016 release, a Thomson Reuters product.
Bezugsbedingungen
Jahresabonnement Institute: CHF 393.– / € 306,– Private: CHF 158.– / € 117,– Einzelheft: CHF 72.50 / € 53,50 Porto und Versandgebühren Schweiz: CHF 14.– Europa: € 13,– Übrige Länder: CHF 26.– Unverbindliche Preisempfehlung Abbestellungen spätestens zwölf Wochen vor Ablauf des Abonnements.
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Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3)
© 2018 Hogrefe
Inhalt Kurzbeitrag
Freude am Denken als Schlüssel zum Erfolg? Die Bedeutung von Need for Cognition für subjektives Erleben und Leistung im Studium
145
The joy of thinking as the key to success? The importance of Need for Cognition for subjective experience and achievement in academic studies Julia Grass, Nancy John und Anja Strobel Originalarbeiten
Elterliche Geschlechterrollenvorstellungen, familiärer Hintergrund und Schulleistungen
155
Parental gender beliefs, family characteristics and school achievement Josefine Lühe, Michael Becker und Kai Maaz Selbstwertprofile und ihre Korrelate im Lern- und Leistungskontext: Eine latente Profilanalyse
171
Self-esteem profiles and their correlates in the context of learning and achievement: A latent profile analysis Henrike Kärchner und Malte Schwinger Buchbesprechungen
Rost, D. H., Sparfeldt, J. R. & Buch, S. R. (Hrsg.). (2018). Handwörterbuch Pädagogische Psychologie.
187
Laura Ackermann
© 2018 Hogrefe
Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3)
Patienten besser verstehen und betreuen Tanja Sappok / Sabine Zepperitz / Brian Fergus Barrett / Anton Došen
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Kurzbeitrag
Freude am Denken als Schlüssel zum Erfolg? Die Bedeutung von Need for Cognition für subjektives Erleben und Leistung im Studium Julia Grass1, Nancy John2 und Anja Strobel1 Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik, Institut für Psychologie, Technische Universität Chemnitz, Chemnitz Pädagogische Psychologie in Gesundheitsberufen, Fakultät für soziale Arbeit, Gesundheit und Musik, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, Senftenberg
1 2
Zusammenfassung: Need for Cognition (NFC) beschreibt interindividuelle Unterschiede in der Freude an und der Beschäftigung mit anspruchsvollen kognitiven Aufgaben. Bisherige Forschung im akademischen Kontext untersuchte NFC vorrangig im Zusammenhang mit kogni tiven und leistungsbezogenen Variablen. In dieser Studie wurde hingegen die Bedeutung von NFC für Erfolg im Studium insbesondere für subjektives Erleben untersucht. Für ein besseres Verständnis wurde die vermittelnde Rolle der regulativen Merkmale Selbstkontrollkapazität, Strategien der Emotionsregulation und Copingverhalten geprüft. Untersucht wurden Lehramtsstudierende (N = 167) als Gruppe, die bereits im Studium eine erhöhte Beanspruchung zeigt. Erwartungskonform hing NFC mit fast allen regulativen Merkmalen zusammen. Bezogen auf Studienerfolg wurden die Annahmen nur teilweise bestätigt: NFC war mit besseren Studienleistungen und einer höheren subjektiven Leistungs fähigkeit assoziiert. Dabei wurde die Vorhersage wahrgenommener Leistungsfähigkeit über regulative Merkmale vermittelt. Zukünftige Studien sollten untersuchen, weshalb in dieser Stichprobe nur ein Teil der Erlebensaspekte mit NFC zusammenhingen und die Ergebnisse für Studierende anderer Fächer prüfen. Schlüsselwörter: Need for Cognition, Lehramtsstudium, Burnout, Studienzufriedenheit, Selbstregulation The joy of thinking as the key to success? The importance of Need for Cognition for subjective experience and achievement in academic studies Abstract: Need for Cognition (NFC) describes interindividual differences in the enjoyment of and engagement in cognitively demanding tasks. Previous research examined primarily relations of NFC to cognitive and performance-related variables. The current study investigated the relevance of NFC for affective indicators of study-related success. Additionally, we tested the mediating role of regulative variables, that is, selfcontrol capacity, strategies of emotion regulation, and coping behavior. The sample consisted of teacher students (N = 167), a group that has been shown to experience increased stress levels already in their studies. NFC was associated with almost all regulative variables. Concerning study success, higher NFC went along with better study performance and increased self-evaluated efficacy. NFC predicted subjective accomplishment via some regulative variables. Future studies should examine also students of different subjects and try to figure out why only some subjective indicators of success were associated with NFC in the current sample. Keywords: Need for Cognition, teacher training, burnout, study satisfaction, self regulation
Need for Cognition (NFC) ist ein Persönlichkeitsmerkmal an der Schnittstelle von Kognition und Motivation, das als Investment-Trait beschreibt, unter welchen Bedingungen Individuen Ressourcen in ihre intellektuelle Entwicklung investieren (von Stumm & Ackerman, 2013). Dabei handelt es sich um relativ stabile Unterschiede in der Freude am Denken und der Bereitschaft zu aufwändiger kognitiver Verarbeitung (Cacioppo, Petty, Feinstein & Jarvis, 1996). Personen mit höheren NFC© 2018 Hogrefe
Ausprägungen neigen zu tieferer und breiterer Informationsverarbeitung (Cacioppo et al., 1996), haben ein höheres Fähigkeitsselbstkonzept (Luong et al., 2017) sowie ein ausgeprägteres wissenschaftliches Interesse (Bless, Wänke, Bohner, Fellhauer & Schwarz, 1994) und zeigen bessere akademische Leistungen (r ≈ .20; vgl. meta- analytische Befunde; von Stumm & Ackerman, 2013). Bisherige Studien zeigen zudem, dass NFC positiv mit höherer Studien- (Grass, Strobel & Strobel, 2017) Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 145–154 https://doi.org/10.1024/1010-0652/a000222
146
und Lebenszufriedenheit (Coutinho & Woolery, 2004), mit geringerem Stresserleben auf dem College (Epstein, Pacini, Denes-Raj & Heier, 1996) und mit geringerer Depressivität (z. B. Epstein et al., 1996) zusammenhängt. Insgesamt weisen diese Studien darauf hin, dass Personen mit höherer NFC-Ausprägung emotional anpassungsfähiger sind und sich besser fühlen (siehe auch Bertrams & Dickhäuser, 2012). Im Studienkontext wurden solche potentiell positiven Effekte auf das Wohlbefinden und subjektive, eher affek tive Indikatoren von Studienerfolg bisher nur sehr vereinzelt und hinsichtlich weniger Indikatoren betrachtet (vgl. Grass et al., 2017). Die Einschränkung der intensiveren und systematischeren Betrachtung klassischer Leistungsindikatoren im Vergleich zu Aspekten des subjektiven Erlebens trifft nicht nur auf die NFC-Forschung zu (Rindermann & Oubaid, 1999). Für NFC ist sie jedoch besonders relevant, da NFC nicht nur kognitives Engagement, sondern auch das Denken begleitende Emotionen abbildet (Furnham & Thorne, 2013) und Personen mit höherer NFC-Ausprägung nicht nur mehr Aufwand in die Aufgabenbewältigung investieren, sondern auch mehr Freude daran haben. Demzufolge sollte größeres intrinsisches Engagement hinsichtlich kognitiver Anstrengung nicht nur zu besserer Leistung, sondern auch zu positiveren Emotionen bei der Erledigung studien bezogener Aufgaben führen, was erste Befunde belegen (Grass et al., 2017). Neben der breiteren Betrachtung von Zusammenhängen zwischen NFC und subjektiven Indikatoren von Studienerfolg fehlt in der bisherigen Forschung eine um fassendere Untersuchung von Mechanismen, die den berichteten direkten Zusammenhängen zwischen NFC und subjektiven Erfolgsindikatoren zugrunde liegen. Diesen Fragen widmet sich die vorliegende Studie.
NFC und Selbstregulation Selbstregulation sollte per Definition Einfluss auf individuelle Anpassungsleistungen haben. Die theoretische Konzeption von NFC legt wiederum Bezüge zu selbstregulativen Merkmalen nahe: Da Personen mit höherer NFC-Ausprägung bereit zu kognitivem Engagement sind, sollten sie kognitiven Aufwand gegenüber anderen Impulsen priorisieren. Die Überwindung oder Veränderung spontaner Reaktionen kann wiederum als ein Kernmerkmal der Selbstkontrolle definiert werden (Bertrams & Dickhäuser, 2009b). Einzelne Studien zur individuellen Selbstkontrollkapazität belegen, dass Personen mit höherer NFC-Ausprägung weniger impulsiv agieren (Bertrams & Dickhäuser, 2009a, 2012). Über diesen Z usammenhang Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 145–154
J. Grass et al., Need for Cognition und Erfolg im Studium
mit Selbstkontrolle wurden auch Assoziationen von NFC mit Depressivität (Bertrams & Dickhäuser, 2012) und Schulleistung (Bertrams & Dickhäuser, 2009a) mediiert. Als Mediatorvariablen zwischen NFC und Studienerleben kommen weiterhin Strategien der Emotionsregulation und Copingverhalten infrage. Zwei häufig untersuchte Emotionsregulationsstrategien sind die kognitive Neubewertung der emotionalen Bedeutung einer Situation und die verhaltensbezogene Unterdrückung des emotionalen Erlebens; kognitive Neubewertung ist positiv, Unterdrückung negativ mit Wohlbefinden assoziiert (Gross & John, 2003). NFC wurde bereits in Zusammenhang mit einem konstruktiven Umgang mit Ereignissen gebracht (Epstein et al., 1996). Personen mit einer höheren Ausprägung haben eine realistischere Sicht auf anstehende Probleme und bewältigen diese effektiver (Epstein et al., 1996). Darauf deutet auch ein aktueller Befund, der die Rolle von NFC für die Verarbeitung positiver Lebensereignisse und deren Zusammenhang zu positiver Emotionalität belegt (Strobel, Anacker & Strobel, 2017). Zudem ist höheres NFC mit einer stärkeren T endenz zu spontaner Perspektivübernahme assoziiert (Strobel, Grass, Pohling & Strobel, 2017), was im Sinne einer Perspektivenvielfalt kognitive Neubewer tung fördern sollte. Basierend darauf lässt sich ein positiver Zusammenhang von NFC mit kognitiver Neubewertung und ein negativer mit der Unterdrückungsstrategie annehmen. Analog zu Unterdrückung und Neubewertung korrelieren aktive Copingstrategien positiv mit Wohlbefinden, passive Strategien negativ (Gustems-Carnicer & Calderón, 2013). Aktives, problemorientiertes Coping beschreibt Verhalten zur Veränderung des stressauslösenden Ereignisses; passives, emotionsorientiertes Coping Verhalten zur Vermeidung des Stressauslösers (Skinner, Edge, Altman & Sherwood, 2003). Die mit höherem NFC einhergehende intensivere kognitive Auseinandersetzung sollte Unterdrückungsstrategien und Vermeidungsverhalten entgegenwirken, aktive Problembewältigung fördern und es ermöglichen, schwierige Situationen als Herausforderungen anzunehmen. Einen ersten Beleg hierfür liefert eine Studie, die Zusammenhänge von NFC mit aktivem Coping und damit einhergehend positivere Emotionen nach Renteneintritt zeigt (Bye & Pushkar, 2009). Strategien der Emotionsregulation und Coping stile stellen insbesondere als Mediatorvariablen für die Vorhersage von Studienerleben vielversprechende Variablen dar, weil sie sich unmittelbar auf den Umgang mit emotionalen Herausforderungen beziehen. Darüber hinaus zeigen Befunde zur Selbstkontrolle, dass die erfolgreiche Bewältigung von Belastungen auch leistungsbezogene Implikationen haben kann (Bertrams & Dickhäuser, 2009a). © 2018 Hogrefe
J. Grass et al., Need for Cognition und Erfolg im Studium
Aktuelle Studie Zusammenfassend ergab die bisherige Forschung vielfach Belege für Zusammenhänge von NFC mit Studienleistungen sowie erste Befunde zur Bedeutsamkeit von NFC für subjektives Erleben (z. B. Grass et al., 2017) und die Bewältigung emotionaler Herausforderungen (z. B. Bertrams & Dickhäuser, 2012). Eine auf mehreren Indikatoren basierende, differenziertere Untersuchung der Zusammenhänge von NFC mit vor allem subjektiven Indikatoren von Studienerfolg steht noch aus und kann dazu beitragen, die Relevanz von NFC im Studienkontext ganzheitlicher zu klären. Die aktuelle Studie untersuchte deshalb Zusammenhänge von NFC mit Studienzufriedenheit und Burnout als subjektive Erfolgsindikatoren und betrachtete darüber hinaus potentielle Mediatorvariablen, um ein vertieftes Verständnis der direkten Zusammenhänge zu erhalten. Zur Replikation früherer Befunde wurde der Zusammenhang von NFC und Studienleistung betrachtet. Burnout bezeichnet ein arbeitsbezogenes Erschöpfungs syndrom, das bereits bei Studierenden auftreten kann (Schaufeli, Martinez, Pinto, Salanova & Bakker, 2002). Basierend auf früheren Befunden (z. B. Bertrams & Dickhäuser, 2012; Grass et al., 2017) wurde ein positiver Zusammenhang von NFC mit Studienzufriedenheit und ein negativer Zusammenhang mit Burnout erwartet. Um Hinweise zum Verständnis möglicher Zusammenhänge von NFC und subjektivem Erleben im Studium zu erhalten, wurde in einem zweiten Schritt die Rolle regulativer Merkmale als Mediationsvariablen geprüft. Basierend auf theoretischen Überlegungen und Belegen für Zusammenhänge
147
mit NFC wurden Selbstkontrolle (z. B. Bertrams & Dickhäuser, 2012), Copingverhalten (Bye & Pushkar, 2009) und Regulationsstrategien einbezogen. Während einzelne Studien bereits Zusammenhänge von NFC mit Selbstkon trolle und aktivem Coping belegen, wurden Zusammenhänge mit kognitiver Neubewertung und mit eher vermeidenden Regulations- und Copingstrategien vor allem theoretisch hergeleitet. Eine Zusammenfassung der theoretischen Annahmen ist in Abbildung 1 dargestellt. Die Zielgruppe der aktuellen Studie waren Lehramtsstudierende. Ähnlich wie für andere Studien- und Berufsgruppen, die durch Leistungsdruck im Studium oder die Arbeit im klinischen und sozialen Kontext erhöhten Belastungen ausgesetzt sind (z. B. PsychologInnen, Reichl, Wach, Brünken & Karlbach, 2014), ist auch für Lehramtsstudierende der Umgang mit Belastungen besonders relevant zur Bewältigung studien- und berufsbezogener Anforderungen (z. B. Künsting, Lipowsky & Billich-Knapp, 2012). Studien mit Lehramtsstudierenden berichten zudem von erhöhter psychischer Beanspruchung und von Verhaltens- und Erlebensweisen, die mit erhöhter Beanspruchung und / oder erhöhtem Burnoutrisiko einhergehen (z. B. Roloff Henoch, Klusmann, Lüdtke & Trautwein, 2015; Reichl et al., 2014; Römer, Appel, Drews & Rauin, 2012). So wies in einer Studie etwa die Hälfte der Lehramtsstudierenden bereits im ersten Studienjahr riskante Verhaltensmuster auf (Reichl et al., 2014). Der Umgang mit Belastungen kann auch deshalb als wichtiges Forschungsfeld angesehen werden, weil das Beanspruchungserleben im Studium prädiktiv für die Anforderungsbewältigung im späteren Lehrerberuf ist (Rauin, 2007). Diese Befunde weisen insgesamt auf eine besondere
Abbildung 1. Modell zur Vorhersage von Studienerfolg durch Need for Cognition und regulative Merkmale. Angenommene Zusammenhänge durch + (positiv) und − (negativ) veranschaulicht; gleichgerichtete Zusammenhänge der Mediatoren mit Need for Cognition und Erfolgsindikatoren. © 2018 Hogrefe
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Relevanz des Umgangs mit Belastungen für die Bewältigung einer Lehramtslaufbahn hin. Lehramtsstudierende bieten sich also besonders an, um die Rolle von Persönlichkeit (in diesem Fall: NFC) für subjektives Erleben und die Folgen von Beanspruchung zu untersuchen.
Methode Stichprobe Die Untersuchung richtete sich an Lehramtsstudierende in Sachsen. 284 Personen willigten zur Teilnahme an der Studie ein1. Davon lagen für 174 Personen mindestens zu einer abhängigen Variable vollständige Daten vor (Ausschöpfungsquote = 61 %). Sieben Personen wurden ausgeschlossen, da sie angaben, kein Lehramt bzw. in einem anderen Bundesland zu studieren oder unehrlich gewesen zu sein. Die finale Stichprobe bestand aus 167 Studierenden (145 Frauen, 20 Männer; MAlter ± SD = 25.15 ± 5.76 Jahre, Range = 19 – 44 Jahre). 51.5 % studierten Lehramt an Grundschulen, 24.6 % an Gymnasien, 9.6 % an Mittelschulen und je 6.7 % Lehramt für Sonderpädagogik oder höheres Lehramt an berufsbildenden Schulen. Die mittlere Studienzeit betrug 5.13 Fachsemester (SD = 2.63, Range = 1 – 12), der Mittelwert der Abiturnote war 2.03 (SD = 0.49, Range = 1.0 – 3.5).
Ablauf Die Datenerhebung erfolgte über eine anonyme Onlineumfrage (EFS-Survey, Version: 10.9; Questback GmbH, 2016). Nach einer anfänglichen Studieninformation erfolgte die Einwilligung zur freiwilligen Teilnahme2. Alle Teilnehmenden konnten eine Rückmeldung zu den Studienergebnissen erhalten und an einer Gutscheinverlosung teilnehmen.
Instrumente Die Reliabilitäten der eingesetzten Inventare finden sich in Tabelle 1. NFC wurde mit der Kurzskala von Bless et al. (1994) erfasst. Sie umfasst 16 Items, wie „In erster Linie denke ich, weil ich es muss“ (invertiert), die auf einer 7-stufigen Skala
J. Grass et al., Need for Cognition und Erfolg im Studium
von –3 (völlig unzutreffend) bis +3 (völlig zutreffend) einzuschätzen waren. Den Gesamtwert bildete die Summe aller Antworten. Studienleistung wurde über die selbstberichtete aktuelle Durchschnittsnote aller Studienmodule erfasst. Studienzufriedenheit wurde mit der Kurzform des Fragebogens von Westermann, Heise, Spies und Trautwein (1996) gemessen. Sie erfasst mit je drei Items die drei Dimensionen: Zufriedenheit mit den Studieninhalten, mit den Studienbedingungen und mit der Bewältigung von Studienbelastungen. Für Studienbelastungen wurde ein Item von den Berechnungen ausgeschlossen, da es nicht der originalen Kurzversion der Skala entsprach. Entsprechend dem originalen Vorgehen (Westermann et al., 1996) wurde jedes Item auf einer 11-stufigen Skala in Zehnerschritten von 0 (Die Aussage trifft überhaupt nicht zu) bis 100 (Die Aussage trifft vollständig zu) eingeschätzt. Pro Dimension wurde der Mittelwert der Itemantworten gebildet. Die Dimensionen interkorrelierten mit rs = .20 – .36. Studienspezifische Beanspruchungsfolgen wurden mit der deutschen Studierendenversion des Maslach Burnout Inventory (Gumz, Erices, Brähler & Zenger, 2013) erfasst. Sie erfasst mit 15 Items die Dimensionen Emotionale Erschöpfung, Zynismus und Effizienz. Dabei beschreibt Zynismus die kognitive und emotionale Distanzierung im Arbeitsprozess und Effizienz die wahrgenommene Leistungsfähigkeit einer Person (Gumz et al., 2013). Alle Items waren auf einer 7-stufigen Skala von 0 (nie) bis 6 (täglich) hinsichtlich ihrer Häufigkeit einzuschätzen. Pro Dimension wurde der Mittelwert aller Itemantworten gebildet. Die Effizienz-Items wurden rekodiert (Ineffizienz), sodass für jede Burnoutdimension hohe Werte auch eine hohe Burnoutausprägung bedeuten. Die Interkorrelationen der Dimensionen (rs = .25 – .58) waren vergleichbar zu Gumz et al. (2013). Selbstkontrollkapazität wurde über die deutsche 13-ItemForm der Self-Control Scale (Bertrams & Dickhäuser, 2009b) erfasst. Die Antworten erfolgten auf einer 5-stufigen Skala von 1 (völlig unzutreffend) bis 5 (trifft ganz genau zu) und wurden zu einem Gesamtwert gemittelt. Strategien der Emotionsregulation wurden mit der deutschen 10-Item-Version (Abler & Kessler, 2009) des Emotion Regulation Questionnaire (Gross & John, 2003) erfasst, wobei sechs Items Neubewertung und vier Items Unterdrückung abbilden. Die Items waren auf einer 7-stufigen Skala von 1 (stimmt überhaupt nicht) bis 7 (stimmt vollkommen) einzuschätzen. Pro Dimension wurde der Mittelwert gebildet.
Die Rekrutierung fand vor allem an der Technischen Universität Chemnitz statt, dort waren im Wintersemester 2016 / 17 377 Studierende im Lehramt eingeschrieben. An den anderen sächsischen Universitäten wurde in einzelnen Lehrveranstaltungen geworben und Flyer verteilt, die Menge an tatsächlich erreichten Lehramtsstudierenden ist für diese Universitäten schwierig zu schätzen, da dort beispielsweise kein offizieller Mailverteiler genutzt werden konnte. 2 Eine Prüfung des Vorhabens durch die lokale Ethikkommission ergab keine Begutachtungsrelevanz aus ethischer Sicht (Aktenzeichen: V-116-BM-AS-Persönlichkeit-14012016). 1
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J. Grass et al., Need for Cognition und Erfolg im Studium
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Tabelle 1. Deskriptive Statistiken M
SD
Need for Cognition
14.23
12.27
Selbstkontrollkapazität
3.22
0.65
Max
Möglicher Range
n
α
−26.00
42.00
–48 – 48
167
.84
1.62
4.77
1 – 5
167
.84
1 – 7
167
Min
Emotionsregulation Neubewertung
4.43
1.13
1.00
7.00
.82
Unterdrückung
3.29
1.19
1.00
6.50
.78
Coping
1 – 4
167
aktiv
2.70
0.47
1.00
4.00
.61a
passiv
2.16
0.49
1.00
4.00
.52a
2.10
0.49
1.10
4.20
Durchschnittsnote Studium Studienzufriedenheit Inhalte
74.63
17.74
16.67
1 – 5
151
0 – 100
167
100.00
–
.84
Bedingungen
37.86
26.28
0.00
100.00
.85
Belastungen
64.46
27.18
0.00
100.00
.80
Erschöpfung
2.36
1.28
0.00
6.00
.87
Zynismus
1.95
1.55
0.00
5.25
.86
Ineffizienz
1.93
0.89
0.00
4.17
.78
Burnout
0 – 6
166
Anmerkungen: N = 167. Verschiedene Stichprobengrößen aufgrund von freiwilliger Itembeantwortung und paarweisem Fallausschluss. a vergleichbar zu Böhm-Kasper et al. (2000).
Copingverhalten wurde mit acht Items eines Lehrerfragebogens aus dem Erfurter Belastungsinventar (Böhm-Kasper, Bos, Jaeckel & Weishaupt, 2000) erfasst. Für passives Coping wurden die vier Items des Coping-Typs 1 (z. B. „… die belastende Situation ignorieren“), für aktives Coping die vier Items des Coping-Typs 3 (z. B. „… die belastende Situation verändern“) angepasst: Im Itemstamm wurden „schulische Belastungen“ durch „Studienbelastungen“ ersetzt, lehrerspezifische Verhaltensweisen wurden entfernt. Die Antworten erfolgten auf einer 4-stufigen Skala von 1 (nie) bis 4 (sehr oft) und wurden pro Subskala gemittelt. Weitere Variablen. Es wurden demografische Angaben und die Abiturnote erfragt3.
Statistische Analyse Alle statistischen Analysen wurden mit RStudio (Version 3.2.9; RStudio Team, 2015) durchgeführt. Da nicht alle Variablen normalverteilt waren (Shapiro-Wilk-Tests, p < .05), wurden Spearman-Rangkorrelationen berechnet (R-Paket psych, Version 1.5.1; Revelle, 2015). Mediationen für Zusammenhänge von NFC mit Studienerfolgskriterien wurden mit multiplen Mediationsanalysen geprüft (R-Paket
lavaan, Version 0.5 – 19; Rosseel, 2012). Zur Absicherung der Ergebnisse wurden Konfidenzintervalle für standardisierte Pfadkoeffizienten mittels Bootstrapping berechnet. Datensätze mit fehlenden Daten wurden berücksichtigt, sofern für mindestens einen Erfolgsindikator vollständige Daten vorlagen. Die wenigen fehlenden Daten (n ≤ 16) wurden paarweise ausgeschlossen.
Ergebnisse Zusammenhänge mit Studienerfolg Die deskriptiven Statistiken der Variablen sind in Tabelle 1 dargestellt. Tabelle 2 zeigt die Zusammenhänge von NFC mit Erfolgsindikatoren und regulativen Merkmalen. Bezogen auf die Studienerfolgsindikatoren korrelierte NFC erwartungsgemäß mit der aktuellen Durchschnittsnote (rs = –.20, p = .014), darüber hinaus auch negativ mit wahrgenommener Ineffizienz (rs = –.32, p < .001). Es fand sich kein Zusammenhang zu den Aspekten der Studienzufriedenheit. Bezogen auf die regulativen Merkmale zeigte NFC positive niedrige bis mittlere Zusammenhänge mit
Weitere Variablen wurden im Rahmen einer Abschlussarbeit erfasst, deren Fokus nicht die Untersuchung von NFC betraf.
3
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J. Grass et al., Need for Cognition und Erfolg im Studium
Tabelle 2. Zusammenhänge von Need for Cognition mit Erfolgsindikatoren und regulativen Merkmalen Studienzufriedenheit NFC NFC
Studienleistung
a
Inhalte
Burnout
Bedingungen Belastungen
Erschöpfung
Zynismus
Ineffizienz
–
−.20*
.13
−.01
−.02
−.14
−.14
−.32
.22**
−.29
.14
.07
.00
−.14
−.13
-.33
Neubewertung
.15*
−.01
.24**
−.04
−.20*
−.05
−.33
Unterdrückung
.06
.15
−.20**
.00
−.20**
.17*
.30
.06
.07
−.23**
−.23**
−.18*
−.16*
−.18*
.16*
.31
Selbstkontrollkapazität Regulation
.17*
.25**
.21**
Coping aktiv passiv
.24** −.19*
−.06 .27
−.39 .33
Anmerkungen: n = 151 – 167. Spearman-Rangkorrelationen; NFC = Need for Cognition. a entsprechend des deutschen Notensystems entsprechen niedrigere Werte besseren Leistungen. * p < .05. ** p < .01. fett p < .001.
aktivem Coping (rs = .24, p = .002), Selbstkontrollkapazität (rs = .22, p = .005) sowie kognitiver Neubewertung (rs = .15, p = .048). Passives Coping korrelierte hingegen gering negativ mit NFC (rs = –.19, p = .012).
Mediationsanalysen Um die Assoziationen von NFC mit Studienleistung und -erleben genauer zu untersuchen, wurden für die Erfolgsindikatoren, die mit NFC korrelierten (p < .05), multiple Mediationen entsprechend des in Abbildung 1 dargestellten Modells geprüft (Abbildungen 2 und 3). Für die Studienleistung war weder ein einzelner indirekter Effekt noch der indirekte Gesamteffekt signifikant. Der standardisierte indirekte Gesamteffekt auf die Studienleistung betrug −.07 [−.156, .011]. Die Assoziation von NFC mit der Burnout-Dimension Ineffizienz wurde über die Emotionsregulationsstrategie Neubewertung (β = −.05 [−.108, −.005]) sowie aktives (β = −.07, [−.140, −.023]) und passives Coping (β = −.06, [−.116, −.016]) vermittelt. Der standardisierte indirekte Gesamteffekt betrug −.18 [−.303, −.084]. Der Zusammenhang von NFC mit wahrgenommener In effizienz ließ sich also vermittelt über regulative Merkmale erklären.
Diskussion Basierend auf ersten Befunden zu Zusammenhängen von NFC mit Lebens- und Studienzufriedenheit (Coutinho & Woolery, 2004; Grass et al., 2017) zielte die aktuelle Studie auf ein besseres Verständnis von NFC und studienbezogenem Erleben unter Berücksichtigung der vermittelnden Rolle regulativer Merkmale. Als Stichprobe wurden Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 145–154
Lehramtsstudierende untersucht, da für diese Gruppe von erhöhtem Beanspruchungserleben im Studium berichtet wird (z. B. Römer et al., 2012) und damit potentiell protektive Effekte von Persönlichkeitsmerkmalen wie NFC besonders relevant für den Umgang mit Studienbelastungen sein sollten. Betrachtet wurden Studienzufriedenheit und Burnout als Indikatoren aus subjektiver Sicht, während die Studienleistung als klassisches Erfolgsmaß ergänzend erfasst wurde. Die Untersuchung der Rolle von NFC wurde um Selbstkontrollkapazität, Regulationsstrategien und Copingstile als vermittelnde Variablen ergänzt. Zusammenhänge von NFC mit regulativen Merkmalen. Entsprechend der Annahmen fanden sich Zusammenhänge von NFC mit den regulativen Merkmalen: Höheres NFC ging, vergleichbar zu Bye und Pushkar (2009), mit der Tendenz einher, Probleme eher aktiv zu bewältigen und die Auseinandersetzung damit weniger zu vermeiden (aktives Coping). Die aktuelle Studie ergänzt diese Befunde um den komplementären negativen Zusammenhang mit passivem Coping. Ein höheres Maß an NFC geht also nicht nur mit der Zunahme annähernder Verhaltensweisen, sondern auch mit der Abnahme vermeidender Verhaltensweisen bei der Problembewältigung einher. Eine verhaltensnahe Erklärung kann sein, dass Personen mit höherer NFC-Ausprägung verschiedenste Informationen bei der Beurteilung einer Situation berücksichtigen und sich dadurch anders mit Belastungen auseinandersetzen sowie dazu tendieren, ein Problem aktiv anzugehen statt es auszublenden. Dies ist auch im Einklang mit einem weiteren Befund der Studie, dass Personen mit höherer NFCAusprägung Situationen eher in einer emotional förderlichen Weise interpretieren, möglicherweise, indem sie auch emotional aversive Situationen als herausfordernd ansehen und dadurch wiederum aktiver an deren Bewältigung arbeiten, wie es bereits Strobel et al. (2017) angenommen haben. Überraschend war der Befund, dass NFC © 2018 Hogrefe
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Abbildung 2. Multiples Mediationsmodell für Studienleistung, kontrolliert für Alter und Abiturnote. N = 151. SK = Selbstkontroll-Kapazität. Standardisierte Regressionskoeffizienten, Pearson-Korrelationskoeffizient in Klammern. * 95 %-Konfidenzintervall von ß bzw. r enthält nicht 0 (basierend auf 2000 Bootstrap-Stichproben).
nicht mit einer Abnahme von Unterdrückung einherging, obwohl diese konzeptuell nah an passivem Coping ist (Gross & John, 2003). Eine Erklärung könnte sein, dass die Vermeidung (kognitiv) herausfordernder Situationen (passives Coping) offensichtlich einen stärkeren Bezug zu NFC hat, während der Ausdruck von Emotionen (Unterdrückung) weniger Bezug zu kognitivem Aufwand oder Unterschieden in der Informationsverarbeitung aufweist. Unsere Ergebnisse bestätigen den positiven Zusammenhang von NFC und Selbstkontrollkapazität mit einer leicht geringeren Zusammenhangshöhe als in Befunden früherer Studien (Bertrams & Dickhäuser, 2009a, 2012). Insgesamt weisen diese Ergebnisse auf die Bedeutsamkeit von NFC insbesondere für Tendenzen zur aktiven Bewältigung emotional herausfordernder Situationen hin. Zusammenhänge zu Indikatoren des Studienerfolgs. Die Zusammenhänge von NFC mit den Erfolgsindikatoren entsprachen nur in Teilen den theoretischen Annahmen: Während der Zusammenhang von NFC mit der Studiennote (rs = −.20) vergleichbar mit Ergebnissen aus früheren Studien war (Grass et al., 2017; von Stumm & Ackerman, 2013), waren die Ergebnisse für die subjektiven Erfolgsindikatoren teilweise unerwartet. NFC hing am stärksten mit wahrgenommener Ineffizienz zusammen (rs = −.32), das heißt, Personen mit höherer NFC-Ausprägung erlebten sich in moderatem Ausmaß als leistungsfähiger. Kein Zusammenhang fand sich für die Burnoutaspekte Zynismus und emotionale Erschöpfung. Entgegen früherer Befunde (Coutinho & Woolery, 2004; Grass et al., 2017) ergaben sich mit keiner Dimension der Studienzufriedenheit bedeutsame Zusammenhänge. Diese Ergebnisse könnten damit zusammenhängen, dass die Anforderungen im Lehramtsstudium von denen anderer Studiengänge abweichen und damit auch der Vorhersagewert prädiktiver Merkmale variieren kann. So fand Blömeke (2009) am Beispiel von Studierenden des Fachs Mathematik als Dip lom- bzw. Lehramtsstudium, dass sich Befunde aus anderen Studiengängen nicht ohne Weiteres auf die Lehramtsausbildung übertragen lassen. Aufgrund der aktuellen © 2018 Hogrefe
Studienlage bedürfen fundierte Schlussfolgerungen aber weiterer Untersuchungen an ähnlichen Stichproben. Das Zusammenwirken von NFC und regulativen Merkmalen. In den multiplen Mediationsanalysen zeigte sich ein indirekter Effekt über die regulativen Merkmale auf die Burnoutdimension Ineffizienz. Dabei vermittelten kognitive Neubewertung sowie aktives und passives Coping den Zusammenhang von NFC mit subjektiv wahrgenommener Ineffizienz. Die Tendenz, bei höherer NFC-Ausprägung eher einen aktiven als einen vermeidenden Bewältigungsstil zu zeigen sowie emotional aversive Situationen umzubewerten, war also entscheidend für die Assoziation von NFC mit subjektiver Ineffizienz. Das bestätigte frühere Belege für Assoziationen von NFC mit regulativen Merkmalen (aktives Coping, Selbstkontrollkapazität) und erweiterte diese auf passives Coping und Strategien der Emotionsregulation: NFC hängt nicht nur positiv mit der (selbstberichteten) Selbstkontrollkapazität und aktivem Coping zusammen, sondern auch damit, Situationen adaptiv neuzubewerten und weniger problemvermeidend zu agieren. Die Vorhersage der Studienleistung durch NFC wurde nicht durch regulative Merkmale mediiert. Das war überraschend und widerspricht einem früheren Befund, der diesen Effekt für Selbstkontrollkapazität bei der Vorher sage von Schulleistungen berichtete (Bertrams & Dickhäuser, 2009a). Da der Zusammenhang von Selbstkontrolle mit NFC in der aktuellen Studie geringer war, könnte eine Ursache für den Befund auch in Besonderheiten der Stichprobe liegen, dies bedarf jedoch weiterer Klärung. Insgesamt bestätigen die Ergebnisse zur Burnoutdimension Ineffizienz die Annahme, dass NFC wichtige Implika tionen für den Umgang mit emotional herausfordernden Situationen hat und bei höherer NFC-Ausprägung auch ein aktiverer Umgang mit und eine ganzheitlichere Sicht auf nicht nur kognitiv, sondern auch affektiv herausfordernde Situationen zu erwarten ist. Die Zusammenhänge mit Copingstilen und Neubewertung vermittelten die Vorhersage subjektiv erlebter Ineffizienz im Studium durch NFC. Demzufolge hängt NFC auch auf einer verhaltensnäheren Ebene Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 145–154
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Abbildung 3. Multiples Mediationsmodell für Ineffizienz, kontrolliert für Alter und Abiturnote. N = 167. SK = Selbstkontroll-Kapazität. Standardisierte Regressionskoeffizienten, Pearson-Korrelationskoeffizient in Klammern. * 95 %-Konfidenzintervall von ß bzw. r enthält nicht 0 (basierend auf 2000 Bootstrap-Stichproben).
mit der Bewältigung belastender Situationen zusammen, was wiederum zur Vorhersage subjektiv erlebter Effizienz beiträgt. Die aktuellen Ergebnisse müssen jedoch als erste Hinweise gesehen werden und bedürfen weiterer empirischer Untersuchungen, insbesondere um die Bedeutung von NFC für subjektives Erleben eindeutiger zu klären. Limitationen und Ausblick. Einzelne Studien verwiesen bereits auf Unterschiede zwischen Studierenden des Gymnasiallehramts und anderen Lehramtsfächern wie ein höheres Interesse an forschenden Tätigkeiten (z. B. Neugebauer, 2013). Zudem bestehen Unterschiede in den konkreten fachlichen Anforderungen und pädagogischdidaktischen Inhalten, beispielsweise weil die zukünftigen Schülerinnen und Schüler verschiedenen Altersgruppen angehören. Demzufolge könnte die teilweise Widerlegung angenommener Zusammenhänge durch Besonderheiten der aktuellen Stichprobe verursacht sein, die in ihrer Zusammensetzung gemischt und bezogen auf Lehramts fächer und Studienfortschritt ungleich verteilt war (z. B. Alter und der hohe Anteil des Grundschullehramts). Als Schlussfolgerung sollten zukünftige Studien systematisch auch zwischen Lehramtsfächern differenzieren und generell neben der Untersuchung allgemein gültiger Zusammenhänge auch die Differenzierung zwischen Studiengängen in Betracht ziehen4. Eine weitere methodische Einschränkung ist die Datenerhebung im Querschnitt und per Selbstauskunft. Da die Befragungsteilnahme anonym erfolgte und keinerlei potenziell negative Konsequenzen persönlicher Angaben zu erwarten waren (wie z. B. in Auswahlsituationen) sollten die Effekte sozial erwünschten Antwortverhaltens sehr gering sein. Als Kritikpunkt kann die Selbstauskunft am stärksten bei der subjektiven An gabe der Durchschnittsnote gesehen werden, da hier Ver zerrungen aufgrund von Erinnerungs- oder Schätzfehlern nicht ausgeschlossen werden können. Zudem basiert die
Note individuell auf verschiedenen Leistungen infolge verschiedener Studienabläufe, unterschiedlicher Fachsemester und Fächerkombinationen. Der erwartungskonforme Zusammenhang mit NFC relativiert diesen Kritikpunkt allerdings. Weiterhin ergab sich eine geringe interne Konsistenz für die Copingskalen, die jedoch vergleichbar zu früheren Befunden ist (Böhm-Kasper et al., 2000) und im Zusammenhang mit der geringen Itemanzahl pro Dimension gesehen werden muss.
Zusammenfassung Zusammenfassend erweitern unsere Ergebnisse frühere Studien zu NFC und subjektivem Erleben sowie Leistungen im Studium, indem sie die Relevanz von NFC für die Burnoutdimension Ineffizienz und Studiennoten belegen sowie Zusammenhänge mit verschiedenen regulativen Merkmalen abbilden. Die aktuelle Studie replizierte nicht nur einen Zusammenhang von NFC mit Selbstkontrolle, sondern ergab auch eine Assoziation mit Copingverhalten und der Strategie kognitiver Neubewertung. Insgesamt unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung von NFC für individuelles Erleben im Studium zusätzlich zu seiner Relevanz für Leistungsindikatoren, wenngleich Zusammenhänge mit Studienzufriedenheit in dieser Studie nicht gezeigt werden konnten. Eine höhere Ausprägung von NFC könnte diesen Ergebnissen zufolge gerade bei Personen mit erhöhter subjektiver Beanspruchung, wie Lehramtsstudierenden, zur Bewältigung emotionaler Anforderungen beitragen, um der Entwicklung von Burnout entgegenzuwirken und auf adaptive Weise mit Stress im Studium umzugehen. Damit kann es z. B. für Beratungsstellen ein
Eine rein exploratorische Analyse der Gymnasiallehramt-Studierenden der vorliegenden Stichprobe (n = 41) zeigte, dass dort das Zusammenhangsmuster von den hier berichteten Zusammenhängen in der Gesamtstichprobe deutlich abwich und teilweise abweichende Zusammenhänge von NFC zu den regulativen Merkmalen (z.B. Selbstkontrolle, rs = .42, p < .01) und Kriterien (z.B. Ineffizienz, rs = −46, p < .01) existierten.
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interessantes Merkmal sein, weil gerade bei Personen mit niedrigerer NFC-Ausprägung die Sichtweise auf emotionale Herausforderungen ein wichtiger Ansatzpunkt sein kann. Die aktuellen Befunde eröffnen zudem Erklärungsmöglichkeiten zu Zusammenhängen von NFC mit Folgen subjektiver Beanspruchung und sollten weitere Untersuchungen anregen, die das Zusammenwirken affektiver Variablen mit NFC stärker kausal und unter Nutzung längsschnittlicher Analysen untersuchen.
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Manuskript eingereicht: 28. August 2017 Mansukript nach Revision angenommen: 27. März 2018 Interessenkonflikt: keiner
Julia Grass Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik Technische Universität Chemnitz 09107 Chemnitz julia.grass@psychologie.tu-chemnitz.de
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Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 145–154
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Originalarbeit
Elterliche Geschlechterrollen vorstellungen, familiärer Hintergrund und Schulleistungen Josefine Lühe1, Michael Becker1,2 und Kai Maaz1 Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), Abteilung Struktur und Steuerung des Bildungswesens Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN), Abteilung Erziehungswissenschaft und Pädagogische Psychologie
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Zusammenfassung: Geschlechterunterschiede in Schulleistungen stellen einen vielfach berichteten Befund dar. In Anlehnung an das Erwartungs-Wert-Modell (Eccles et al., 1983; Eccles, 2015) kann davon ausgegangen werden, dass die Geschlechterrollenvorstellungen der Eltern ihr Erziehungsverhalten beeinflussen. Vor diesem Hintergrund wird der Zusammenhang zwischen den elterlichen Geschlechterrollenvorstellungen und den Mathematik- und Deutschleistungen ihres Grundschulkindes (N = 5240) untersucht. Darüber hinaus wird analysiert, in welchem Zusammenhang die elterlichen Geschlechterrollenvorstellungen mit familiären Hintergrundmerkmalen stehen. Die Ergebnisse aus Regressionsanalysen zeigen, dass ein höherer sozioökonomischer Status mit egalitäreren Einstellungen einhergeht, während ein Migrationshintergrund (türkisch, osteuropäisch, andere Herkunftsländer) mit traditionelleren Einstellungen assoziiert ist. Traditionelle Geschlechter rollenvorstellungen stehen für Jungen und Mädchen gleichermaßen in einem negativen Zusammenhang mit ihren Deutsch- und Mathematik leistungen. Dieser Effekt bleibt auch unter Kontrolle familiärer Hintergrundmerkmale statistisch signifikant. Schlüsselwörter: Geschlechterunterschiede, soziale Herkunft, Migrationshintergrund, Lesekompetenz, Mathematikkompetenz
Parental gender beliefs, family characteristics and school achievement Abstract: There is a large body of research documenting gender differences in school achievement. According to Eccles' (1983; 2015) expectancy-value theory it may be assumed that parental gender beliefs affect their parenting. Therefore, we investigate the association between parents' gender beliefs and their child's achievement in German and math (N = 5.240). Moreover, we investigate the association between parental gender beliefs and other family background characteristics. Regression analyses show that a higher socioeconomic status is related to more egalitarian gender beliefs, whereas an immigrant background (Turky, Eastern Europe, other countries) is associated with more traditional beliefs. Traditional gender beliefs are negatively related to boys and girls achievement in German and math. This effect remains stable when family background characteristics are controlled for. Keywords: gender differences, social origin, immigrant background, reading achievement, mathematical achievement
Geschlechterunterschiede im Bildungserfolg, insbesondere in Schulleistungen, wurden mehrfach sowohl national als auch international berichtet. Dabei zeigen Schul vergleichsstudien für den sprachlichen Bereich relativ konsistent Vorteile der Mädchen (Böhme & Roppelt, 2012; Bos et al., 2003; Lehmann & Nikolova, 2005; Mullis, Martin, Gonzalez & Kennedy, 2003; Valtin, Badel, Löffler, Meyer-Scherpers & Voss, 2003). Bezüglich der Mathematik kompetenzen deutet die Mehrzahl der Untersuchungen für Deutschland darauf hin, dass Jungen im Durchschnitt höhere Kompetenzwerte erzielen (Böhme & Roppelt, 2012; Pietsch & Krauthausen, 2006; © 2018 Hogrefe
Walther, Geiser, Langeheine & Lobemeier, 2003). Einige Studien finden jedoch auch einen Vorteil der Mädchen bzw. keine geschlechtsbezogenen Unterschiede (Kuhl & Hannover, 2012; Tiedemann & Faber, 1994). Die Variabilität geschlechtsspezifischer Leistungsunterschiede in Mathematik zeigt sich auch im internationalen Vergleich (Else-Quest, Hyde & Linn, 2010; Mullis, Martin & Foy, 2008). Zudem weisen verschiedene Untersuchungen darauf hin, dass Geschlechterdisparitäten sowohl im sprachlichen Bereich als auch in Mathematik mit der sozialen Herkunft variieren (Gottburgsen & Gross, 2012; Lühe, Becker, Neumann & Maaz, 2016, Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 155–169 https://doi.org/10.1024/1010-0652/a000223
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J. Lühe et al., Elterliche Geschlechterrollenvorstellungen, familiärer Hintergrund und Schulleistungen
Abbildung 1. Der Einfluss der elterlichen GRV auf die Leistungen des Kindes. Eigene Darstellung nach Eccles (1993, S. 150)
2017; Mensah & Kiernan, 2010). Im vorliegenden Artikel stehen die elterlichen Geschlechterrollenvorstellungen (GRV) als eine mögliche Ursache für diese Variabilität geschlechts spezifischer Leistungsunterschiede im Fokus. Dem Erwartungs-Wert-Modell (Eccles et al., 1983; Eccles, 1993) folgend kann angenommen werden, dass sich die elterlichen GRV auf die Gestaltung von Lern- und Entwicklungskontexten und darüber auf die Kompetenzentwicklung ihres Kindes auswirken sowie in der Konsequenz zur Entstehung geschlechtsspezifischer Leistungsunterschiede beitragen können. Dabei kommt dem Elternhaus mit seinen Einstellungen und Erwartungen im Grundschulalter eine besondere Bedeutung zu, da Mütter und Väter in diesem Alter vergleichsweise stark beeinflussen können, welche Interesse und Aktivitäten ihr Kind verfolgt (Eccles, 1993).Vor diesem Hintergrund wird im vorliegenden Artikel untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen den elterlichen GRV und den Mathematik- und Deutschleistungen ihres Grundschul kindes besteht und ob dieser in diesen unterschiedlich geschlechtlich konnotierten Domänen für Jungen und Mädchen jeweils unterschiedlich ausfällt. In Vorbereitung auf dieses Forschungsanliegen wird analysiert, in welcher Beziehung die familiären Hintergrundmerkmale des sozioökonomischen Status (SES) sowie des Migrationshintergrundes mit den elterlichen GRV stehen. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 155–169
Geschlechterrollenvorstellungen und Schulleistungen Theoretischer Hintergrund Das Erwartungs-Wert-Modell (Eccles et al., 1983) stellt einen Ansatz dar, in dem schulische Anstrengungen und Leistungen unter Einbezug sowohl individueller Merkmale des Schülers bzw. der Schülerin (z. B. Geschlechtszugehörigkeit) als auch des sozialen Umfelds mit seinen Einstellungen und Erwartungen (z. B. GRV) erklärt werden. Hinsichtlich des sozialen Umfeldes des Kindes ist sowohl theoretisch als auch empirisch gut belegt, dass das Elternhaus den bedeutsamsten Sozialisations- und Entwicklungskontext für den Bildungserfolg von Kindern darstellt. Vor diesem Hintergrund liegt der Fokus der vorliegenden Untersuchung und Ausführungen auf dem Einfluss der Eltern, wenngleich weitere Einflussfaktoren wie bspw. der der Peers nicht in Abrede gestellt werden sollen. Geschlechtsspezifische Leistungsunterschiede können dem Erwartungs-Wert-Modell folgend auf geschlechtsspezifische Sozialisationserfahrungen und -bedingungen im Elternhaus zurückgeführt werden. Abbildung 1 stellt die von Eccles (1993) aufgeführten elterlichen Einflüsse auf die Kompetenzentwicklung von Jungen und Mädchen genauer dar. © 2018 Hogrefe
J. Lühe et al., Elterliche Geschlechterrollenvorstellungen, familiärer Hintergrund und Schulleistungen
So kann das Geschlecht des Kindes die elterlichen Vorstellungen und Erwartungen in Bezug auf die Interessen, Fähigkeiten und Entwicklungsziele ihres Sohnes bzw. ihrer Tochter beeinflussen (z. B. Leistungserwartungen und -einschätzungen, Bewertung der Wichtigkeit spezifischer Kompetenzen). Damit in Zusammenhang stehend können auch mit der Kompetenzentwicklung assoziierte Ver haltensweisen der Eltern mit dem Geschlecht des Kindes variieren (z. B. die Förderung von Interessen durch die Bereitstellung von Lern- und Anregungsmöglichkeiten, Erfolgs- und Misserfolgsattribution, Funktion als Rollenvorbild). Im Zusammenspiel kann dies dazu führen, dass Mädchen und Jungen unterschiedlichen Lern- und Entwicklungsumwelten ausgesetzt sind, was sich schließlich in Geschlechterdisparitäten in der Kompetenzentwicklung niederschlagen kann. Das in Abbildung 1 dargestellte Modell nach Eccles (1993) verdeutlicht jedoch, dass die obig beschriebenen elterlichen Vorstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen nicht in allen Familien gleichermaßen geschlechtsspezifisch ausfallen müssen: Vielmehr wird der Effekt, den die Geschlechtszugehörigkeit des Kindes auf diese hat durch die elterlichen GRV beeinflusst. Damit spielen die GRV der Eltern eine wichtige Rolle in der Ausgestaltung des Lern- und Entwicklungskontextes. Die GRV beinhalten „sozial geteilte Verhaltungserwartungen, die sich auf Individuen aufgrund ihres sozial zugeschriebenen Geschlechts richten“ (Eckes, 2010, S. 178) – so zum Beispiel auch Vorstellungen darüber, welche Ziele und Erwartungen jeweils für Jungen und Mädchen angemessen sind (Eccles, 2015, S. 119). In Abhängigkeit davon, ob die elterlichen GRV traditioneller oder egalitärer ausfallen, können die von Eccles (1993) dargelegten elterlichen Vorstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen damit in der Konsequenz mehr oder weniger stark geschlechtsspezifisch ausfallen. So können beispielsweise einige Eltern hohe mathematischen Kompetenzen insbesondere für ihre Söhne als wichtig erachten und diese durch die Bereitstellung spezifischer Materialien besonders fördern, wohingegen in anderen Familien mathematische Fähigkeiten unabhängig vom Geschlecht des Kindes als sehr wichtig erachtet und gefördert werden. Damit kann die Ausprägung der elterlichen GRV schließlich beeinflussen, ob und in welchem Umfang geschlechtsspezifische Leistungsdisparitäten entstehen.
Geschlechtsspezifische Sozialisations praktiken und Geschlechterrollen vorstellungen als Ursache für Geschlechterunterschiede Im folgenden Abschnitt werden zunächst empirische Befunde dargestellt, die auf die Existenz gesellschaftlich geteil© 2018 Hogrefe
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ter GRV im elterlichen Erziehungsverhalten hinweisen. Dieses Vorgehen ermöglicht eine Kontextualisierung der darauffolgend vorgestellten Befunde zum Zusammenhang zwischen den berichteten elterlichen GRV und geschlechtsspezifischen Leistungsunterschieden. Verschiedene Studien zeigen, dass die Vorstellungen und Erwartungen die Eltern für ihre Töchter oder Söhne haben, mit gesellschaftlich geteilten Geschlechterstereotypen korrespondieren, denen zu folge bspw. Mathematik als „Jungenfach“ gilt, wohingegen Deutsch als „Mädchenfach“ wahrgenommen wird (Hannover & Kessels, 2002; Steffens & Jelenec, 2011). Auch bezüglich der Reaktion auf die erzielten Leistungen zeigt sich, dass Eltern geschlechtsspezifische Erfolgs- und Misserfolgsattributionen aufweisen: So führen sie die mathematischen Erfolge ihrer Söhne eher auf Fähigkeit und Begabung, die ihrer Töchter hingegen auf Fleiß und Anstrengung zurück (Eccles Parsons, Adler & Kaczala, 1982; Räty, Vänskä, Kasanen & Kärkkäinen, 2002; Yee & Eccles, 1988). Darüber hinaus spiegeln die elterlichen Leistungseinschätzungen nicht immer die tatsächlichen Leistungen wider, sondern sind ebenso geschlechtsspezifisch verzerrt (Räty et al., 2002; Yee & Eccles, 1988). Domänenvergleichenden Untersuchungen von Simpkins, Fredricks und Eccles (2015) zufolge trifft dies insbesondere auf Musik und Sport und in geringerem Umfang auch auf Lesen und Mathematik zu. Die elterliche Leistungseinschätzung steht wiederum in engem Zusammenhang mit dem Selbst konzept des Kindes (Eccles Parsons et al., 1982) und ist somit relevant für die Leistungsentwicklung. Darüber hinaus scheint die Bedeutung, die Eltern verschiedenen Freizeitbeschäftigungen beimessen, mit dem Geschlecht des Kindes zu variieren (Eccles, 2015; Simpkins et al., 2015): Während sie sich von ihren Töchtern häufiger vorlesen lassen, sie öfter für den Musikunterricht anmelden und zur Mitarbeit im Haushalt anregen, machen mit ihren Söhnen öfter Sport und unterstützen deren handwerkliche Tätigkeiten sowie Computernutzung. Dies schlägt sich schließlich auch in der Bereitstellung von Spielzeugen nieder. Während Mädchen mehr Kinderbücher besitzen als Jungen (Valtin, Wagner & Schwippert, 2005, S. 2 14) und öfter mit ihren Eltern eine Bibliothek besuchen (Simpkins et al., 2015, S. 33), verfügen letztere öfter über naturwissenschaftliche Lernspiele (Jacobs & Bleeker, 2004) sowie Sportausrüstung (Simpkins et al., 2015, S. 31). Während diese Studien zeigen, inwiefern sich gesellschaftlich geteilte kulturelle GRV im Erziehungsverhalten widerspiegeln, bestehen darüber hinaus Untersuchungen, in denen die berichteten elterlichen GRV berücksichtigt wurden. In Hinblick auf die Leistungen zeigten Befunde von Tiedemann (2000) sowie Jacobs (1991) keinen Effekt der elterlichen GRV auf die Mathematiknote ihres Kindes. ErZeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 155–169
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gebnisse von Rauch, Bergann und Stanat (2014) zeigten anhand der PISA-Daten einen Effekt der elterlichen GRV auf die Leseleistung für 15-Jährige, wobei die Leistungen von Jungen und Mädchen gleichermaßen von egalitären GRV ihrer Eltern profitieren. Darüber hinaus besteht eine Reihe an Studien, in denen der Zusammenhang mit weiteren – zum Teil indirekt leistungsrelevanten Variablen – untersucht wurde. Da die Befundlage zum Zusammenhang zwischen den elterlichen GRV und den Schulleistungen ihres Kindes relativ dünn ausfällt, werden auch diese Befunde im Folgenden überblicksartig berichtet, um einen Eindruck von den mit den GRV einhergehenden Zusammenhängen zu erhalten. Salikutluk und Heyne (2014) untersuchten, inwiefern sich der Zusammenhang zwischen den elterlichen GRV (operationalisiert als berichtete GRV sowie als Erwerbstätigkeit der Mutter) und den Bildungsaspirationen, die sie für ihr Kind haben, mit dem Geschlecht des Kindes variiert. Für deutsche Jugendliche zeigten sich dabei keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Aspirationshöhe in Abhängigkeit von den GRV oder der Müttererwerbstätigkeit. Darüber hinaus wurden in einigen Untersuchungen Hinweise darauf gefunden, dass das Geschlecht des Kindes nicht für alle Eltern gleichermaßen eine Rolle spielt, sondern vor allem unter traditionell eingestellten Eltern zu geschlechtsspezifischen Sozialisationspraktiken führt. Demnach überschätzen Mütter mit traditionellen GRV die Leistungen ihrer Söhne bzw. Töchter in geschlechtskongruenten Domänen, wohingegen Mütter mit egalitären GRV keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in ihrer Leistungseinschätzung zeigen (Eccles, Jacobs & Harold, 1990; Jacobs, 1991; Jacobs & Eccles, 1992; Tiedemann, 2000). Diese (geschlechtsspezifisch verzerrten) Leistungseinschätzungen konnten in diesen Analysen wiederum in Zusammenhang mit dem fachspezifischen Selbstkonzept des Kindes gebracht werden.
Geschlechterrollenvorstellungen und familiärer Hintergrund Mit den berichteten Befunden zu geschlechtsspezifischen Sozialisationspraktiken und der Wirkung der elterlichen GRV bestehen Hinweise darauf, dass der Umfang, in dem Jungen und Mädchen geschlechtsspezifischen Erfahrungswelten ausgesetzt sind, von den GRV ihrer Eltern abhängen kann. Diese wiederum sind jedoch, zieht man Bourdieu (1982) sowie auch das Modell von Eccles (1993) heran, eng mit der sozialen Herkunft verbunden. Demnach defi-
niert sich eine soziale Klasse „wesentlich auch durch Stellung und Wert, welche sie den beiden Geschlechtern […] einräumt“, weshalb es „ebenso viele Spielarten der Verwirklichung von Weiblichkeit gibt wie Klassen und Klassenfraktionen“ (Bourdieu, 1982, S. 185) gibt. Individuelle Vorstellungen von „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ sind damit immer mit der Position im sozialen Raum und mit den damit einhergehenden Lebensstilen und Weltbildern verwoben (Koppetsch, 2001). Dieser Zusammenhang konnte in verschiedenen Studien belegt werden. Demnach weisen höher gebildete Personen liberalere Einstellungen in Bezug auf die Rolle der Frau auf (Bolzendahl & Myers, 2004; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2014). Während in der oberen Mittelschicht angenommen wird, dass Männer und Frauen grundsätzlich gleiche Anlagen und Fähigkeiten haben, kommt es im traditionellen Arbeiter- und Handwerkermilieu zu einer Naturalisierung von Geschlechterdifferenzen (Koppetsch, 2001). Des Weiteren können GRV auch mit den kulturellen Normen und Werten variieren. So zeigt sich, dass ein türkischer Migrationshintergrund mit traditionelleren GRV einhergeht (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2014; Salikutluk & Heyne, 2014)1. Dies trifft auch unter Kontrolle weiterer Hintergrundvariablen wie Bildung, Beschäftigungsstatus oder Religiosität zu (Diehl & Koenig, 2011). Zudem schließen diese Ergebnisse an die Befunde von Studien an, die zeigen, dass in muslimisch geprägten Ländern im Durchschnitt traditionellere GRV berichtet werden (Alexander & Welzel, 2011; Inglehart & Norris, 2003). Als ursächlich dafür werden auf der einen Seite kulturelle Charakteristika (Werte im Islam) und auf der anderen Seite strukturelle Charakteristika (wirtschaftliche und politische Machtbeziehungen) gesehen (für einen Überblick siehe: Alexander & Welzel, 2011). Auch für in Deutschland lebende Personen mit osteuropäischem Migrationshintergrund bestehen Hinweise darauf, dass diese traditionellere GRV berichten als Personen ohne Migrationshintergrund (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2014, S. 63)1. In Anschluss daran zeigen sich auch in postsozialistischen Ländern konservativere Einstellungen zu den Geschlechterbeziehungen als in Westeuropa (Fodor & Balogh, 2010, S. 2 93). Für die Einbettung dieser Befunde kann das Heranziehen einer h istorisch-politischen Perspektive hilfreich sein. Geschlechtergleichheit war in den sozialistischen Staaten Osteuropas zwar Teil des sozialistischen Ideals (Gast, 1973, S. 2 7 ff.; Rueschemeyer, 2001), jedoch lag trotz der Arbeitsmarktintegration der Frauen die alleinige Zuständigkeit für Haushalt und Kinder bei ihnen (Klenner & Leiber, 2009, S. 12).
Es muss darauf hingewiesen werden, dass in den Befunden des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (2014) keine Ergebnisse der Überprüfung der statistischen Signifikanz berichtet werden, weshalb diese Befunde lediglich als Tendenz gedeutet werden sollten.
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Die vorliegende Studie Sowohl aufgrund theoretischer Erwägungen als auch anhand empirischer Befunde besteht Grund zur Annahme, dass sich die elterlichen GRV – über verschiedene Mechanismen wie z. B. eine geschlechtsspezifische oder geschlechtsunabhängige Interessen- und Kompetenzförderung – auf die Leistungen ihres Sohnes bzw. ihrer Tochter auswirken können. So könnten bspw. Eltern mit traditionellen GRV die Fähigkeiten und Interessen ihres Sohnes in Mathematik fördern, wohingegen sie ihre Tochter stärker zu Interessen und hohen Leistungen im sprachlichen Bereich animieren könnten. Damit können die elterlichen GRV mit geschlechtsspezifischen Leistungsunterschieden in Zusammenhang gebracht werden. Darüber hinaus kann angenommen werden, dass die elterlichen GRV mit familiären Hintergrundmerkmalen konfundiert sind. Anhand eines für Deutschland repräsentativen Datensatzes analysieren wir in Hinblick auf die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen elterlichen GRV und den Leistungen ihres Kindes zunächst, in welchem Zusammenhang die soziale Herkunft und ein Migrationshintergrund mit den GRV stehen. Dabei gehen wir aufgrund der berichteten Befunde und des theoretischen Hintergrundes davon aus, dass ein niedriger SES mit traditionelleren Einstellungen einhergeht, ebenso wie ein türkischer oder osteuropäischer Migrationshintergrund. Ob die Effekte von SES und Migrationshintergrund unabhängig voneinander bestehen, wird explorativ untersucht. Daran anschließend wird zweitens analysiert, in welchem Zusammenhang die GRV der Eltern mit den Schulleistungen ihres Kindes stehen und ob dieser für Jungen und Mädchen jeweils unterschiedlich ausfällt, wobei mit Mathematik und Deutsch zwei unterschiedlich geschlechtsspezifisch konnotierte Domänen untersucht werden. Wir erwarten, dass die Größe der geschlechtsspezifischen Leistungsunterschiede mit den elterlichen GRV variiert und unter traditionell eingestellten Eltern stärker ausfällt, da auf Grundlage des theoretischen Hintergrundes sowie der berichteten Befunde angenommen werden kann, dass diese geschlechtsspezifischere Erziehungspraktiken aufweisen. Schließlich wird auch überprüft, ob sich eine Kontrolle des mit den elter lichen GRV konfundierten familiären Hintergrundes auf die Ergebnismuster auswirkt. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass die zur Erklärung des Zusammenhanges zwischen den elterlichen GRV und den Schulleistungen ihres Kindes im theoretischen Teil herangezogenen Mechanismen nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind. Vielmehr werden in den folgenden Analysen ausschließlich die in Abbildung 1 grau hinterlegten Merkmale (Geschlechtszugehörigkeit des Kindes, SES, Migrationshintergrund, GRV der Eltern, Fachleistungen des Kindes) untersucht. © 2018 Hogrefe
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Dabei weisen die Analysen drei Spezifika auf. Erstens werden sowohl die durch die Eltern berichteten GRV als auch mit der mütterlichen Erwerbstätigkeit ein Indikator für die gelebten GRV in die Analysen einbezogen. Dabei werden die berichteten GRV umfassend operationalisiert. In der Mehrzahl der bestehenden Untersuchungen wurden die GRV über ein einzelnes Item (Eccles et al., 1990; Jacobs, 1991; Jacobs & Eccles, 1992; Tiedemann, 2000) bzw. drei Items (Jacobs & Eccles, 1992) erfasst, wobei die Überzeugung zu fachspezifischen Unterschieden in der natürlichen Begabung von Jungen und Mädchen in der jeweils untersuchten Leistungsdomäne erfragt wurden. Im Gegensatz dazu werden die GRV in der vorliegenden Studie über mehrere Items abgebildet, die zu einer Skala zusammengefasst werden. Die Items der Skala beziehen sich zudem nicht auf die untersuchten Schulleistungs domänen selbst, sondern thematisieren generalisierte GRV, etwa über die generelle Bedeutung von Schule für Jungen und Mädchen oder Einstellungen zur Teilung von Erwerbs- und Hausarbeit zwischen Männern und Frauen. Zweitens wird nicht der Zusammenhang zwischen den GRV der Eltern und ihren Leistungseinschätzungen (Eccles et al., 1990; Jacobs, 1991; Jacobs & Eccles, 1992), sondern der vergleichsweise seltener analysierte Zusammenhang zwischen den elterlichen GRV und den Schulleistungen des Kindes untersucht. Drittens erweitert die vorliegende Studie die Befunde von Eccles et al. (1990), Jacobs (1991), Jacobs und Eccles (1992) sowie Tiedemann (2000) um die Berücksichtigung des SES, des Migrationshintergrundes sowie auch des Herkunftslandes, welche stark mit den GRV konfundiert sind. Einzig in den Analysen von Rauch et al. (2014) wurden die elterlichen GRV umfassend über mehrere Items erfasst, deren Zusammenhang mit der Leseleistung untersucht und auch der SES und Migrationshintergrund berücksichtigt. Die vorliegende Studie stellt in dieser Hinsicht eine Erweiterung der Untersuchung von Rauch et al. (2014) um verschiedene Aspekte dar: Es w erden zwei unterschiedlich geschlechtlich konnotierte Leistungsdomänen untersucht, Personen mit osteuropäischem Migrationshintergrund betrachtet sowie jüngere Kinder untersucht.
Datensatz, Variablen und Methode Daten Die Datengrundlage der Analysen bildet eine Studie, welche Leistungstests, einen durch die Kinder auszufüllenden Fragebogen sowie eine Eltern- und Lehrerbefragung beinhaltete. Die Untersuchungspopulation der Studie stellten diejenigen Schülerinnen und Schüler dar, die im Schuljahr Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 155–169
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2006/07 eine vierte Klasse auf einer Regelschule besuchten und in einem Bundesland lebten, in dem der Übergang auf eine weiterführende Schulform nach Klasse 4 erfolgte (vgl. Autor et al. 2010)2. Es wurde ein oversampling hinsichtlich Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund vorgenommen. Dazu wurden in ausgewählten Bundesländern weitere Schulen gezogen, die überwiegend von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund besucht wurden (Autor et al. 2010). Die Befragung fand im Klassenverband statt. Die Elternfragebögen wurden in deutscher Sprache vorgegeben, bei Bedarf jedoch auch in Türkisch oder Russisch vorgelegt. Sie wurden häufiger durch die Mutter als durch den Vater des Kindes ausgefüllt (60,4 % vs. 11 %), in einigen Fällen erfolgte die Beantwortung der Fragen jedoch auch durch beide Elternteile gemeinsam (28,6 %). Insgesamt liegen von 5 242 Kindern und deren Eltern Angaben vor. Aufgrund fehlender Informationen zum Geschlecht des Kindes reduzierte sich die in den Analysen verwendete Fallzahl auf N = 5 240 Schülerinnen und Schüler. Obwohl der Zeitpunkt der Datenerhebung zehn Jahre zurückliegt, so eignet sich der Datensatz auch heute zur Beantwortung der Fragestellungen der vorliegenden Untersuchung. Bezüglich der GRV weist die Literatur darauf hin, dass diese seit den 1970er Jahren zunehmend liberaler ausfallen, sich seit Mitte der 1990er Jahre jedoch auf einem relativ konstanten Niveau bewegen (Cotter, Hermsen & Vanneman, 2011; Thornton & Young-De Marco, 2001). Vor diesem Hintergrund kann angenommen werden, dass sich die GRV seit dem Erhebungszeitpunkt nicht sehr stark verändert haben. Des Weiteren haben sich die im Zentrum der ersten Forschungsfrage stehenden Prädiktoren der GRV im zeitlichen Verlauf als stabil erwiesen (Bolzendahl & Myers, 2004). Insgesamt betrachtet bildet der den Analysen zu Grunde liegende Datensatz mit den elterlichen GRV, den Leistungsdaten der Schülerinnen und Schüler sowie dem Oversampling von Kindern mit Migrationshintergrund damit eine sehr gute Basis für die Bearbeitung der Fragestellungen.
Variablen Abhängige Variablen. Traditionelle GRV Entsprechend der Forschungsfragen wurden die traditionellen GRV sowohl als abhängige als auch als unabhängige Variable in die Analysen aufgenommen. Bei den traditionellen GRV handelt es sich um die berichteten GRV. Mittels der Instruktion „Jeder sieht die Rolle von Männern und
Frauen bzw. Jungen und Mädchen unterschiedlich. Inwieweit treffen die folgenden Aussagen Ihrer Meinung nach zu?“ wurde zu sieben Items die Zustimmung bzw. Ablehnung auf einer Skala von 1 „trifft völlig zu“ bis 4 „trifft überhaupt nicht zu“ erfragt. Für die Analysen wurden alle Items so (re-)kodiert, dass hohe Werte auf der Skala für traditionelle GRV stehen. Die Items beziehen sich sowohl auf die Einstellung zur Verteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zwischen Mann und Frau (Bsp.: „Auch wenn eine Frau arbeitet, sollte der Mann der „Haupt-Brotverdiener“ sein und die Frau für den Haushalt sorgen“; „Für eine Frau ist es wichtiger, ihrem Mann bei seiner Karriere zu helfen als selbst Karriere zu machen“) als auch auf geschlechtsspezifische Unterschiede unter Kindern („Im Durchschnitt sind Mädchen so klug wie Jungen“; „Es ist für Jungen wichtiger, in der Schule gut zu sein“; „Mädchen sollten dieselben Freiheiten haben wie Jungen“) und wurden in ähnlicher Formulierung auch in den vergangenen Jahren in der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) eingesetzt. Die Items der Skala der berichteten GRV sind rechtsschief verteilt, d. h., dass die befragten Eltern im Durschnitt häufiger egalitärere Einstellungen berichteten. Eine in SPSS durchgeführte Faktorenanalyse der sieben Items ergab eine zweifaktorielle Lösung, wobei alle negativ formulierten Items auf einen und alle positiv formulierten Items auf einen anderen Faktor luden. Eine in Mplus gerechnete konfirmatorische Faktorenanalyse (mit Methodenfaktor) bestätigte, dass die in der explorativen Faktorenanalyse gezeigte zweifaktorielle Struktur auf die unterschiedliche Itempolung und die damit einhergehende Methodenvarianz zurückzuführen war.3 Vor diesem Hintergrund wurden die sieben Items dennoch zu einer Skala zusammengefasst. Die Reliabilität dieser Skala ist als akzeptabel einzuschätzen (Cronbachs α = 0.73). Leistungstests Die Leistungstests wurden am Ende des vierten Schuljahres durchgeführt. Der Mathematiktest umfasste 179 Items. Ausgehend von den Lehrplanvorgaben wurden die Inhaltsbereiche Arithmetik (52 %), Geometrie / Messen (34 %) sowie Daten (15 %) abgefragt. (Autor et al. 2010). Die Reliabilität des Mathematik-Leistungstests in Deutschland kann als zufriedenstellend eingestuft werden (Cronbachs α = .83) (Bonsen, Lintorf, Bos & Frey, 2008). Der Deutschleistungstest fand im Rahmen der Norm ierung von Testaufgaben für die Bildungsstandards in Deutsch und Mathematik im Primarbereich (BiSta) statt. Er umfasste 446 Items aus den Kompetenzbereichen Lesen, Hören, Sprachgebrauch und Rechtschreibung. Die
Dementsprechend sind Schülerinnen und Schüler aus den Bundesländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern nicht Teil der Untersuchungspopulation. 3 Der Modellfit des so spezifizierten Modells erwies sich als gut (RMSEA = 0.048; CFI = 0.992, TLI = 0.983). 2
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J. Lühe et al., Elterliche Geschlechterrollenvorstellungen, familiärer Hintergrund und Schulleistungen
WLE-Reliabilität des Tests ist zufriedenstellend (r = .81) (Autor er al. 2010). Sowohl im Mathematik- als auch im Deutschtest mussten die Schülerinnen und Schüler nicht jeweils alle A ufgaben, sondern lediglich Aufgaben aus zwei bis drei Kompetenz bereichen bearbeiten (Multi-Matrix-Sampling). Obwohl die Items jeweils unterschiedlichen Subdomänen angehörten, ließ sich ein eindimensionales Rasch-Modell je Leistungsdomäne anpassen. Die Werte wurden analog zum Vorgehen in der TIMS-Studie auf die Metrik M = 150 und SD = 10 standardisiert (Autor et al. 2010). Unabhängige Variablen. Traditionelle GRV Die traditionellen GRV werden entsprechend der Fragestellung auch als unabhängige Variable in die Analysen aufgenommen. Darüber hinaus werden die gelebten GRV mittels der Angaben zur Erwerbstätigkeit der Mutter als unabhängige Variable in die Untersuchung der zweiten Fragestellung einbezogen (0 = nicht erwerbstätige Mutter, 1 = erwerbstätige Mutter) (vergleiche zu diesem Vorgehen Salikutluk & Heyne, 2014). Die Erwerbstätigkeit der Mutter wird unter Kontrolle des SES als unabhängige Variable verwendet, um die Robustheit der auf Grundlage der berichteten GRV gewonnen Ergebnisse zu überprüfen. Geschlecht Die Information über das Geschlecht der Schülerinnen und Schüler wurde den durch die Lehrkräfte ausgefüllten Schülerteilnahmelisten entnommen (0 = Junge, 1 = Mädchen). Soziale Herkunft (HISEI) Die soziale Herkunft der Familie wurde über den sozioökonomischen Status (ISEI) erfasst (Ganzeboom, De Graaf, Paul M. & Treiman, 1992). Die ISEI-Skala kombiniert Informationen über den Beruf, das Einkommen und die Bildung. Hohe Werte auf der ISEI-Skala stehen für einen hohen sozioökonomischen Status. Für die Analysen wurde jeweils der höchste Wert des Haushaltes (HISEI) herangezogen und als z-standardisierte Variable verwendet. Migrationshintergrund und Herkunftsland. Zur Erfassung des Migrationshintergrundes wurden zwei Variablen verwendet. Für die Mehrzahl der Analysen wird die dummy-kodierte Variable Migrationshintergrund (MGH) verwendet, wobei als Kinder mit MGH solche Kinder klassifiziert wurden, bei denen mindestens ein Elternteil im Ausland geboren wurde (0 = kein MGH, 1 = MGH). Darüber hinaus wird jedoch auch nach Herkunftsgruppen unterschieden, wobei zwischen Kindern mit türkischem, osteuropäischem und anderem Migrationshintergrund der Familie differenziert werden kann. In die osteuropäische Herkunftsgruppe zählen Polen sowie Länder der ehemaligen Sowjetunion sowie des ehemaligen Jugoslawiens. Zur Er© 2018 Hogrefe
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stellung dieser Variable wurde das Geburtsland der Eltern herangezogen. In Anlehnung an Gresch (2012) wurde dabei wie folgt vorgegangen: Wurde ein Elternteil in Deutschland und ein Elternteil im Ausland geboren, wurde das Herkunftsland des im Ausland geborenen Elternteils zugewiesen. Wiesen Mutter und Vater unterschiedliche ausländische Herkunftsländer auf, wurde Gresch (2012) folgend das Herkunftsland der Mutter zugewiesen.
Analysen Der Frage nach dem Zusammenhang zwischen den elterlichen GRV und familiären Hintergrundmerkmalen wurde mittels Korrelationsanalysen (Tabelle 2), Mittelwertvergleichen (Tabelle 3) und multivariaten Regressionsanalysen (Tabelle 4) nachgegangen. Zur Untersuchung der Fragen zur Wirkung der elterlichen GRV auf die Schulleistungen des Kindes wurden multivariate Regressionsmodelle für die Mathematikleistung (Tabelle 5) sowie die Deutschleistung (Tabelle 6) durchgeführt. Diese enthielten jeweils neben den Basiseffekten von Geschlechtszugehörigkeit (Modell 1) und den traditionellen GRV (Modell 2) den Interaktionseffekt Mädchen x traditionelle GRV (Modell 3) um zu analysieren, ob und inwiefern sich traditionelle GRV der Eltern für Jungen und Mädchen domänenspezifisch unterschiedlich auswirken. Darüber hinaus wurde mit der mütterlichen Erwerbstätigkeit der Effekt eines alternativen Indikators der GRV überprüft, wobei in diesem Modell für den SES kontrolliert wurde, um die ökonomische Notwendigkeit einer Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen (Modell 4). Analog zu den traditionellen GRV wurde daran anschließend auch der Interaktionseffekt Mädchen × mütterliche Erwerbstätigkeit überprüft (Modell 5). In den folgenden Modellen wurden schließlich die traditionellen GRV und die mütterliche Erwerbstätigkeit gemeinsam in die Analysen aufgenommen und gleichzeitig überprüft, ob sich die Kontrolle der mit den GRV und der Erwerbstätigkeit konfundierten Hintergrundmerkmale auf die Ergebnismuster auswirkt. Über den SES hinaus wurden dafür in Modell 6 die Herkunftsländer und in Modell 7 der Migrationshintergrund kontrolliert. Aufgrund der Form der Stichprobenziehung variierten die Ziehungswahrscheinlichkeiten (bspw. mit Anzahl der Züge, vgl. Becker et al., 2010), was mit entsprechenden Gewichten in allen Analysen berücksichtigt wurde. Alle in diesem Artikel berichteten Modelle wurden in Mplus 7.11 mit der Analyseoption Type = Complex gerechnet, wodurch die mit der Stichprobenziehung von Schülerinnen und Schülern innerhalb von Aggregaten (Schulklassen) einhergehende hierarchische Datenstruktur für die Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 155–169
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J. Lühe et al., Elterliche Geschlechterrollenvorstellungen, familiärer Hintergrund und Schulleistungen
Tabelle 1. Zusammensetzung der Stichprobe Anteil bzw. Durchschnitt Mädchen (%)
49,4
Mathematikleistung (M)
150,10
Deutschleistung (M)
150,08
GRV Eltern (M)
1,56
HISEI (M)
Ergebnisse
48,81
Türkische Herkunft (%)
8,50
Osteuropäische Herkunft (%)
10,60
Andere Herkunft (%)
11,30
Migrationshintergrund (%)
30,20
geführt, um alle möglichen Interaktionen im Imputationsprozess zuzulassen. Insgesamt wurden 25 vollständige Datensätze pro Gruppe generiert. Die Ergebnisse wurden nach den Formeln von Rubin (1987) integriert.
Familiärer Hintergrund und Geschlechterrollenvorstellungen
Anmerkung: N = 5240.
Schätzung korrekter Standardfehler berücksichtigt werden kann (Muthén & Muthén, 1998 – 2012). In allen Analysen wurde der in Mplus implementierte MLR-Schätzer (maximum likelihood estimation with robust standard errors) verwendet, welcher unter Verwendung der Analyse option Type = Complex als robust gegenüber der Verletzung von Annahmen der Normalverteilung von Beobachtungen gilt (Muthén & Muthén, 1998 – 2012) und sich damit auch insbesondere für die GRV eignet.
Umgang mit fehlenden Werten Bei einem Anteil fehlender Werte von mehr als fünf Prozent wird empfohlen, kein listwise oder pairwise deletion der Fälle mit fehlenden Werten vorzunehmen, sondern modell- oder imputationsbasierte Verfahren zu verwenden (Lüdtke, Robitzsch, Trautwein & Köller, 2007). Um den mit fehlenden Werte einhergehenden Problemen (Lüdtke et al., 2007) zu begegnen, wurden multiple Imputationen vorgenommen. Mit Hilfe des R-Paketes mice (van Buuren & Groothuis-Oudshoorn, 2011) wurden zwei nach Geschlechtszugehörigkeit getrennte Imputationen durch-
Die Beschreibung der Stichprobe wird in Tabelle 1 angegeben, in Tabelle 2 finden sich darüber hinaus die Korrela tionen der Analysevariablen. Bezüglich der ersten Forschungsfrage nach der Beziehung zwischen den traditionellen GRV der Eltern mit ihrem sozioökonomischem Status bzw. Migrationshintergrund zeigten sich statistisch bedeutsame Zusammenhänge. Traditionelle elterliche GRV standen in einem negativen Zusammenhang mit dem SES (r = −0.25), jedoch in einem positiven Zusammenhang mit einem Migrationshintergrund (r = 0.24). Die differenziertere Betrachtung der traditionellen GRV nach Herkunftsländern in Tabelle 3 zeigte, dass deutsche Eltern am wenigsten traditionell eingestellt waren (M = 1.48, SE = 0.01). Eltern sowohl türkischer (M = 1.74; SE = 0.03), osteuropäischer (M = 1.73, SE = 0.03) als auch anderer Herkunft (M = 1.71; SE = 0.03) wiesen traditionellere Einstellungen auf, wobei dieser Unterschied für jedes dieser Herkunftsländer im Vergleich zu deutschen Eltern statistisch bedeutsam ausfiel (p < 0.05), jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen Eltern der jeweils verschiedenen Herkunftsländer bestanden (Tabelle 4). Die zur Überprüfung der Unabhängigkeit der Wirkung der verschiedenen familiären Hintergrundmerkmale durchgeführten Regressionsanalysen (Tabelle 5) zeigten, dass sich die im Vergleich zu deutschen Eltern traditionelleren GRV von Eltern aller nicht-deutschen Herkunftsländer auch unter Kontrolle des SES als statistisch signifikant erwiesen
Tabelle 2. Korrelationsmatrix (1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(1) Mathematikleistung (2) Deutschleistung
0.58***
(3) Geschlecht
−0.08***
0.10***
(4) traditionelle GRV
−0.20***
−0.19***
−0.03*
(5) Erwerbstätigkeit Mutter
0.11***
0.13***
−0.03
−0.14***
(6) SES
0.35***
0.31***
−0.01
−0.25***
0.10***
−0.20***
−0.17***
0.01
0.24***
−0.15***
(7) Migrationshintergrund
−0.23***
Anmerkungen: N = 5240. * p < 0.05, ** p < 0.01, *** p < 0.001.
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Tabelle 3. Mittelwerte und Standardfehler der GRV nach Herkunftsland M
SE
Deutschland
1.48
0.01
Türkei
1.74
0.03
Osteuropa
1.73
0.03
anderes Land
1.71
0.03
Anmerkungen: N = 5240.
(p < 0.001) (Modell 2). Insgesamt berichteten die Eltern von Kindern, bei denen mindestens ein Elternteil im Ausland geboren wurde, traditionellere GRV als Eltern ohne Migrationshintergrund (Modell 3).
Traditionelle Geschlechterrollen vorstellungen und Schulleistungen Zur Überprüfung der zweiten Forschungsfrage nach dem Zusammenhang zwischen den elterlichen GRV und den Leistungen ihres Kindes zeigte sich zunächst ein signifikanter negativer Zusammenhang zwischen traditionellen elterlichen GRV und den Schulleistungen in beiden Domänen (Mathematik: r = − 0.08; Deutsch: r = 0.10) (Tabelle 2). Zur weiteren Überprüfung wurden Regressions modelle für die Mathematik- und die Deutschleistung spezifiziert (Tabellen 6 und 7). Der Haupteffekt für das Geschlecht war in allen sieben Modellen statistisch signifikant, wobei Jungen bessere Mathematik- und Mädchen bessere Deutschleistungen erzielten. Der Haupteffekt der traditionellen elterlichen GRV zeigte sich ebenfalls in allen Modellen und in beiden Leistungsbereichen als signifikant. Traditionelle GRV der Eltern waren demnach mit schlechteren Schulleistungen assoziiert. Ein zusätzlicher Interaktionseffekt zwischen traditionellen GRV und dem Geschlecht des Kindes (Modell 3) war weder in der Mathematik- noch in der Deutschleistung statistisch signifikant. Somit gingen traditionelle GRV der Eltern bei Jungen und Mädchen gleichermaßen mit schlechteren Leistungen in Mathematik bzw. Deutsch einher. In die gleiche Richtung deuteten die Befunde der Überprüfung
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des Effektes der mütterlichen Erwerbstätigkeit als alternativem Indikator für die GRV. Unter Kontrolle des SES zeigte sich ein positiver Zusammenhang zwischen der mütterlichen Erwerbstätigkeit und den Schulleistungen des Kindes (Modell 4), der in keinem der beiden untersuchten Leistungsbereiche mit dem Geschlecht des Kindes variierte (Modell 5). Bezüglich des bereits diskutierten Zusammenhanges der elterlichen GRV mit weiteren familiären Hintergrundmerkmalen zeigte sich für beide Leistungsdomänen, dass der negative Zusammenhang mit den traditionellen GRV und der positive Zusammenhang mit der mütterlichen Erwerbstätigkeit auch unter Berücksichtigung des SES und der Herkunftsländer (Modell 6) bzw. des Migrationshintergrundes (Modell 7) in einem statistisch signifikanten Zusammenhang mit den Leistungen des Kindes standen. Weiterführende explorative Analysen zeigten darüber hinaus, dass keine statistisch bedeutsame Interaktion zwischen dem SES und den elterlichen GRV bestand (ohne Tabelle). Um die Robustheit der Befunde zu überprüfen, wurden darüber hinaus weiterführende Analysen durchgeführt. Für die in den Tabellen 6 und 7 dargestellten Modelle wurde berücksichtigt, ob der Elternfragebogen von der Mutter des Kindes, vom Vater oder von beiden Elternteilen gemeinsam ausgefüllt wurde und ob eine Interaktion zwischen dieser Variable sowie dem Geschlecht des Kindes bestand. Die in Tabelle 6 und 7 dargestellten Befunde erwiesen sich bei Aufnahme dieser zusätzlichen Kontrollvariable als robust und es lag keine statistisch signifikante Interaktion vor (ohne Tabelle).
Tabelle 5. Vorhersage traditioneller GRV 1 −0.12***
SES
z
(0.01)
2 −0.10*** (0.01)
Migrationshintergrund
3 −0.10*** (0.01) 0.19*** (0.02)
Türkei
0.18*** (0.04)
Osteuropa
0.20*** (0.03)
Tabelle 4. Unterschiede in den GRV zwischen Herkunftsländern D
T
Intercept *
Osteuropa (O)
*
–
anderes Land (A)
*
–
Anmerkungen: * p < 0.05 (Bonferroni-Korrektur). N = 5240
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0.20*** (0.03)
O
Deutschland (D) Türkei (T)
Anderes Land
R2 –
1.55***
1.50***
1.50***
(0.01)
(0.01)
(0.01)
0.06
0.10
0.10
Anmerkungen: Unstandardisierte Regressionskoeffizienten, Standardfehler in Klammern. z z-standardisierte Variable. N = 5240. z z-standardisierte Variable. * p < 0.05, ** p < 0.01, *** p < 0.001.
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J. Lühe et al., Elterliche Geschlechterrollenvorstellungen, familiärer Hintergrund und Schulleistungen
Diskussion und Fazit In diesem Beitrag wurde der Frage nachgegangen, in welchem Zusammenhang die elterlichen GRV mit den Schulleistungen ihres Kindes stehen. Zur Vorbereitung dieser Fragestellung wurde zunächst der Zusammenhang zwischen GRV und weiteren familiären Hintergrundmerkmalen analysiert. Darauf aufbauend wurde untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen den elterlichen GRV und den Mathematik- und Deutschleistungen ihres Kindes besteht und ob dieser in den jeweils unterschiedlich geschlechtlich konnotierten Domänen für Jungen und Mädchen unterschiedlich ausfällt. Die empirischen Befunde weisen hypothesenkonform darauf hin, dass ein höherer SES mit egalitäreren GRV in Zusammenhang steht. Ein Migrationshintergrund ging hingegen mit traditionelleren GRV einher, wobei dies auf Eltern der untersuchten Herkunftsgruppen (Türkei, Osteuropa, andere Herkunft) und auch unter Kontrolle des
SES zutraf. Auch wenn mit dem SES sowie dem Migrationshintergrund zwei bedeutsame Einflussfaktoren auf die GRV untersucht wurden, so sollte bei der Interpretation dieser Befunde berücksichtigt werden, dass die Ausprägung der GRV darüber hinaus mit weiteren Merkmalen assoziiert ist. Dazu zählen auf individueller Ebene beispielsweise das Geschlecht, die Konfession, die Religiosität sowie die Geburtskohorte – diesbezüglich berichten Frauen, konfessionslose und weniger religiöse Personen sowie jüngere Geburtskohorten im Durchschnitt egalitärere GRV (Bolzendahl & Myers, 2004; Brewster & Padavic, 2000; Cotter et al., 2011; Helbig & Schneider, 2014). Auf der gesellschaftlichen Makroebene sind die kulturellen Leitbilder und Werte sowie auch die wohlfahrtsstaatliche Politik mit den GRV in Zusammenhang zu bringen (Pfau-Effinger, 2000). So weisen in Deutschland Personen aus den neuen Bundesländern auch heute noch egalitärere GRV auf als Personen aus den alten Bundesländern (Wenzel, 2010).
Tabelle 6. Vorhersage der Mathematikleistung Mädchen
1
2
3
4
5
6
7
8
–1.46***
–1.60***
–1.60***
–1.47***
–1.35**
–1.32**
–1.43***
–1.43***
(0.28)
(0.52)
(0.28)
(0.28) –2.02***
traditionelle GRV
z
0.16 Int. trad. GRV x Mädchen
(0.28) –1.84***
(0.27) –1.12***
(0.23)
(0.22)
–0.38
–0.23
(0.30)
(0.29)
Erwerbstätigkeit Mutter
(0.28) –0.99*** (0.15)
(0.15)
1.48***
0.83*
0.95**
(0.35)
(0.51)
(0.34)
(0.34)
2.83***
2.90***
(0.18)
(0.18)
-0.06 (0.70)
SES z
3.10***
3.35***
3.35***
(0.18)
(0.18)
(0.18)
Türkei
–4.71***
Osteuropa
Anderes Herkunftsland
(0.66)
–0.55
(0.56)
–1.78**
(0.61)
Migrationshintergrund
R2
–0.89***
1.45***
Int. Erwerbst. Mutter x Mädchen
Intercept
(0.28)
–2.11*** (0.48)
150.77***
150.83***
150.82***
150.78***
149.83***
149.81***
150.91***
150.81***
(0.30)
(0.28)
(0.28)
(0.25)
(0.35)
(0.42)
(0.38)
(0.38)
0.01
0.05
0.05
0.14
0.14
0.14
0.17
0.16
Anmerkungen: Unstandardisierte Regressionskoeffizienten, Standardfehler in Klammern. z z-standardisierte Variable. N = 5240. z z-standardisierte Variable. * p < 0.05, ** p < 0.01, *** p < 0.001.
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Bezüglich der zweiten Fragestellung zur Wirkung der elterlichen GRV auf die Leistungen wurde zunächst deutlich, dass traditionelle GRV der Eltern – sowohl in Form der berichteten als auch der gelebten GRV – in Mathematik und in Deutsch in einem negativen Zusammenhang mit den Leistungen ihres Kindes stehen. Dabei zeigte sich dieser negative Zusammenhang zwischen traditionellen GRV der Eltern und Leistungen in beiden Domänen sowohl für Jungen als auch für Mädchen gleichermaßen – entgegen der formulierten Hypothese bestand also keine domänenspezifische Variation der Wirkung der elterlichen Rollenvorstellungen mit dem Geschlecht. Darüber hinaus erwies sich der negative Zusammenhang zwischen den elterlichen GRV und den Leistungen ihres Kindes, der für die Leseleistung 15-Jähriger auch von Rauch et al. (2014) gezeigt wurde, auch unter Berücksichtigung familiärer Hintergrundmerkmale als stabil. Der sich für Jungen und
165
Mädchen gleichermaßen zeigende negative Zusammenhang zwischen den traditionellen GRV ihrer Eltern und ihrer Mathematik- und Deutschleistung reiht sich zwar in den Befund von Rauch et al. (2014) ein, erscheint jedoch vor dem Hintergrund der theoretischen Überlegungen sowie der empirischen Befunde – zum Beispiel zu der mit den GRV der Eltern variierenden Geschlechtsspezifizität der Einschätzungen der Leistungen ihres Kindes – erklärungsbedürftig. Eine mögliche Ursache dafür, dass Kinder traditionell eingestellter Eltern unabhängig von ihrer Geschlechtszugehörigkeit schlechtere Leistungen erzielen, könnte in dem mit traditionellen GRV assoziiertem Erziehungsstil liegen. So konnten Ittel, Kuhl und Hess (2006) zeigen, dass traditionelle GRV mit einem autoritären Erziehungsstil in Zusammenhang stehen. Ein autoritärer Erziehungsstil ist durch ein hohes Maß an Kontrolle und wenig emotionale Wärme gekennzeichnet (Baumrind, 1971;
Tabelle 7. Vorhersage der Deutschleistung Mädchen
1
2
3
4
5
6
7
8
2.03***
1.91***
1.91***
2.03***
2.15***
1.56**
2.08***
2.08***
(0.33)
(0.32)
(0.32)
(0.32)
(0.33)
(0.54)
(0.32)
(0.32)
−1.86***
traditionelle GRVz
(0.19) Int. trad. GRV x Mädchen
−1.85***
−1.12***
(0.27)
(0.26)
−0.02
0.12
(0.33)
(0.32)
Erwerbstätigkeit Mutter
−0.89***
−0.89***
(0.19)
(0.20)
2.03***
1.56**
1.50***
1.60***
(0.41)
(0.56)
(0.39)
(0.39)
2.56***
2.64***
(0.22)
(0.22)
Int. Erwerbst. Mutter x Mädchen
0.95 (0.74)
SESz
2.83***
3.03***
3.03***
(0.22)
(0.21)
(0.21)
Türkei
−3.94*** (0.80)
Osteuropa
−1.13 + (0.64)
Anderes Herkunftsland
−0.73 (0.64)
Migrationshintergrund
−1.71***
Intercept
R2
(0.53)
148.99***
149.04***
149.04***
149.01***
147.68***
147.98***
148.58***
148.50***
(0.34)
(0.32)
(0.32)
(0.29)
(0.50)
(0.45)
(0.45)
(0.45)
0.01
0.05
0.05
0.11
0.03
0.12
0.14
0.13
Anmerkungen: Unstandardisierte Regressionskoeffizienten, Standardfehler in Klammern. z z-standardisierte Variable. N = 5240. z z-standardisierte Variable. * p < 0.05,** p < 0.01, *** p < 0.001 + p > .05.
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Maccoby & Martin, 1983). Als Indikatoren für einen autoritären Erziehungsstil können beispielsweise die Forderung von Gehorsam und Unterordnung oder das Aussprechen von Verboten ohne sachliche Erklärungen sein (Lamborn, Mounts, Steinberg & Dornbusch, 1991). Ein solcher Erziehungsstil konnte wiederum mit geringem Schulerfolg in Zusammenhang gebracht werden (Ettrich, Krause & Hofer, 1996; Lamborn et al., 1991; Simons & Conger, 2016; Steinberg, Lamborn, Darling, Mounts & Dornbusch, 1994). Dies kann unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass ein autoritärer Erziehungsstil die Selbstständigkeit des Kindes und damit den Prozess der Internalisierung leistungsbezogener Werte sowie der Entwicklung einer intrinsischen motivationalen Orientierung behindert (Wild & Wild, 1997, S. 62) und sich negativ auf das Selbstkonzept des Kindes auswirkt (Lamborn et al., 1991; Steinberg et al., 1994). Bezüglich der Interpretation der hier vorgestellten Befunde und deren Einbettung in den Forschungsstand ist erstens zu betonen, dass die traditionellen GRV in der vorliegenden Arbeit – anders als im Großteil der bereits bestehenden Analysen (z. B. Jacobs, 1991; Tiedemann, 2000) – über Items erfasst wurden, die sich nicht auf die Erfassung der Einschätzung der natürlichen Begabung von Jungen und Mädchen in den untersuchten Leistungsbereichen beziehen, sondern generalisierte GRV erfragen. Es konnte gezeigt werden, dass die Leistung des Kindes mit diesen generalisierteren GRV der Eltern in Zusammenhang steht, der Effekt der GRV jedoch nicht mit der Geschlechtszugehörigkeit des Kindes variiert. Um die Robustheit der auf Grundlage der berichteten GRV gewonnenen Befunde zu überprüfen, wurde in Anlehnung an Salikutluk und Heyne (2014) die Müttererwerbstätigkeit als alternativer Indikator für die GRV herangezogen. Die mütterliche Erwerbstätigkeit scheint zur Überprüfung der Robustheit der Befunde geeignet, da angenommen werden kann, dass die Angabe der Erwerbstätigkeit in geringerem Ausmaß durch eine Tendenz zu sozial erwünschtem Antwortverhalten beeinflusst ist, als die Beantwortung der die berichteten GRV erfassenden Items. Damit stellt die mütterliche Erwerbstätigkeit im Vergleich zu den berichteten GRV einen objektiveren Indikator der GRV dar. Jedoch muss bei der Interpretation des Effektes der Müttererwerbstätigkeit berücksichtigt werden, dass die (Nicht-)Erwerbstätigkeit auch durch eine Vielzahl weiterer Faktoren beeinflusst sein kann, die nicht mit den GRV in Zusammenhang stehen und nicht durch die Kontrolle des SES berücksichtigt werden können. Diesbezüglich sind sowohl strukturelle Faktoren (z. B. Kinderbetreuungssituation) oder individuellen Gegebenheiten (z. B. Krankheit) in denkbar. Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die Analysen auf querschnittlichen Daten basieren, weshalb Fragen Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 155–169
über die Kausalität der Beziehung zwischen elterlichen GRV und der Leistung ihres Kindes offen bleiben. Schließlich muss angemerkt werden, dass es auf der Grundlage des verwendeten Datenmaterials nicht möglich war, die im theoretischen Teil dargelegten Mechanismen, wie beispielsweise den Zusammenhang zwischen der Ausprägung der elterlichen GRV und der Geschlechtsspezifizität der elterlichen Einstellungen (z. B. zur natürlichen Begabung von Jungen und Mädchen in den untersuchten Leistungsbereichen) sowie des elterlichen Erziehungsverhaltens (z. B. die Bereitstellung von Spielzeugen) zu überprüfen. Über diese methodischen Aspekte hinaus ist herauszustellen, dass das im Fokus der Analysen stehende Elternhaus einen bedeutsamen und sowohl theoretisch als auch empirisch gut belegten Sozialisations- und Entwicklungskontext für den Bildungserfolg von Kindern darstellt. Insgesamt betrachtet stellt das Elternhaus jedoch nur e inen Ausschnitt der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen dar: Die sozialisierenden Einflüsse der Familie stehen in einem Wechselverhältnis mit weiteren Sozialisations einflüssen, die die Sozialisationseffekte des Elternhauses verstärken, behindern oder auch ausgleichen können (Ecarius 2011, S. 101). So konnten weitere Untersuchungen auch einen Einfluss der Stereotype der Lehrkraft (Lorenz, Gentrup, Kristen, Stanat & Kogan, 2016) oder der in der Schulklasse vorherrschenden Männlichkeitsnormen feststellen (Salikutluk & Heyne, 2017). Weitere Forschungsarbeiten könnten über die GRV der Eltern hinaus auch die GRV der Schülerinnen und Schüler selbst analysieren. Eine Metaanalyse deutet darauf hin, dass ein enger Zusammenhang zwischen den GRV der Eltern und denen ihres Kindes besteht (Tenenbaum & Leaper, 2002). Darüber hinaus sprechen Befunde für einen negativen Zusammenhang zwischen traditionellen GRV von Jugendlichen und ihren Schulleistungen bzw. ihrem Notendurchschnitt (Hadjar, Grünwald-Huber, Gysin, Lupatsch & Braun, 2012; Rauch et al., 2014). Vor diesem Hintergrund könnten künftige Forschungsarbeiten nicht nur die GRV selbst, sondern auch die Mechanismen, die zu den schlechteren Schulleistungen traditionell eingestellter Schülerinnen und Schüler führen, untersuchen und somit zu einem besseren Verständnis der Genese geschlechtsspezifischer Ungleichheiten im Bildungssystem beitragen. Insgesamt konnten die Analysen einen über den familiären Hintergrund hinausgehenden negativen Zusammenhang zwischen traditionellen elterlichen GRV und Mathematik- und Deutschleistungen ihrer Söhne und Töchter zeigen. In Bezug auf die pädagogische Praxis weist die Studie damit darauf hin, dass die Mathematik- und Deutschleistungen aller Kinder unabhängig von ihrer Geschlechtszugehörigkeit von der Förderung egalitärer GRV profitieren könnten. © 2018 Hogrefe
J. Lühe et al., Elterliche Geschlechterrollenvorstellungen, familiärer Hintergrund und Schulleistungen
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Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 155–169
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Originalarbeit
Selbstwertprofile und ihre Korrelate im Lern- und Leistungskontext: Eine latente Profilanalyse Henrike Kärchner und Malte Schwinger Universität Marburg Fachbereich Psychologie Pädagogische Psychologie
Zusammenfassung: Der Selbstwert ist eines der am häufigsten untersuchten Konstrukte der Psychologie. Lange verfolgte die Forschung zum Selbstwert einen variablenzentrierten Ansatz, mit dem lediglich die einzelnen Selbstwertfacetten betrachtet wurden. In der vorliegenden Arbeit werden erstmalig verschiedene Kombinationen von Selbstwerthöhe, -stabilität und -kontingenz untersucht und deren Korrelate im Lern- und Leistungskontext analysiert. In latenten Profilanalysen konnten in drei Online-Studien (ngesamt = 2 499) neben dem Profil des „optimalen Selbstwerts“ (Kernis, 2003) vier weitere Selbstwertprofile identifiziert werden. Diese Selbstwertprofile gehen mit unterschiedlichen Konsequenzen einher. So weist etwa das Profil „optimaler Selbstwert“ die günstigsten Ergebnismuster auf, was sich beispielhaft in einer häufigen Nutzung tiefenorientierter Lernstrategien niederschlägt. Insgesamt legen die Befunde nahe, dass eine mehrdimensionale Betrachtung des Selbstwerts präzisere Verhaltensvorhersagen ermöglicht. Implikationen für die weitere Forschung und Praxis werden diskutiert. Schlüsselwörter: Selbstwert, Selbstwertregulation, Lernstrategien, Lebenszufriedenheit, latente Profilanalyse Self-esteem profiles and their correlates in the context of learning and achievement: A latent profile analysis Abstract: Self-esteem is among the most frequently examined constructs in psychology. For a long time, research on self-esteem followed a variable-centered approach, considering mostly the individual facets of self-esteem to be relevant. In this article, we investigate different combinations of self-esteem level, stability, and contingency as well as their relations with learning and performance. Across three online-studies (ntotal = 2 499), latent profile analyses revealed four self-esteem profiles beside the profile of “optimal self-esteem” (Kernis, 2003). These profiles are associated with different consequences. For example, the profile “optimal self-esteem” yields the most favorable results pattern, such as the use of deep processing strategies. Overall, our findings suggest that a multidimensional view of self-esteem allows for more precise predictions of learning-related behaviors. Implications for future research and practice are discussed. Keywords: self-esteem, self-esteem regulation, learning strategies, life satisfaction, latent profile analysis
Zahlreiche Untersuchungen aus unterschiedlichen Disziplinen der Psychologie weisen auf die Bedeutsamkeit des allgemeinen Selbstwerts hin (z. B. Baumeister, Campbell, Krueger & Vohs, 2003). Sowohl seine Struktur als auch verschiedene Determinanten und Folgen wurden in den letzten Jahrzehnten erforscht (z. B. Leary & Tangney, 2011). In den vergangenen Jahren unterlag der Selbstwert vermehrt einer mehrdimensionalen Betrachtung. So rückten neben der Selbstwerthöhe die Stabilität und die Kontingenz als weitere bedeutsame Facetten verstärkt in den Fokus (Crocker & Park, 2004; Kernis, 2003). Aktuell gibt es insbesondere im Lern- und Leistungs bereich kaum Studien, die den Selbstwert mit all seinen Facetten und den jeweiligen Konsequenzen simultan in einer Untersuchung betrachten. Kernis (2003) integriert in seinem theoretischen und mehrdimensionalen Ansatz alle drei Selbstwertfacetten zu einem „optimalen Selbstwert“. © 2018 Hogrefe
Durch die bislang überwiegende Betrachtung lediglich einzelner Selbstwertfacetten in empirischen Untersuchungen ist derzeit unklar, inwiefern theoretische Überlegungen zum optimalen Selbstwert empirisch gestützt werden können, d. h. inwiefern sich Personen in den Ausprägungen von Selbstwerthöhe, -stabilität und -kontingenz ähneln und sich somit verschiedenen Selbstwertprofilen zuordnen lassen. Zudem existieren bislang nur wenige Erkenntnisse darüber, welche Kombinationen der Selbstwertfacetten als besonders günstig in Bezug auf pädagogisch-psychologisch relevante Outcomes, wie z. B. selbstregulatorische Lernstrategien, Lebenszufriedenheit oder Leistung, zu betrachten sind. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, in drei großen Stichproben von Studierenden anhand latenter Profilanalysen unterscheidbare Muster in den Ausprägungen von Selbstwerthöhe, -stabilität und -kontingenz zu identifizieren. Darüber hinaus ist von Interesse, welche der Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 171–186 https://doi.org/10.1024/1010-0652/a000224
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H. Kärchner und M. Schwinger, Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext
identifizierten Profile mit positiven oder negativen Konsequenzen im Lern- und Leistungsbereich assoziiert sind.
Selbstwerthöhe, -stabilität und -kontingenz: Konzeptualisierungen und Befunde Der allgemeine Selbstwert kann in Anlehnung an Rosenberg (1965) als eine affektive, globale und zeitlich stabile Einstellung einer Person gegenüber sich selbst definiert werden. Ein hoch ausgeprägter Selbstwert galt traditionell als uneingeschränkt positiv und wurde häufig mit positiven Folgen wie Zufriedenheit (Diener & Diener, 1995) und akademischem Erfolg (Bowles, 1999), ein niedriger Selbstwert dagegen u. a. mit Depressionen (Murell, Meeks & Walker, 1991) und sozialen Problemen (DeWit et al., 2000) assoziiert. Jedoch zeigte sich, dass ein hoher Selbstwert nicht zwingend zu positiven und ein niedriger Selbstwert nicht notwendigerweise zu negativen Konsequenzen führt. In ihrem Übersichtsartikel schilderten Baumeister und Kolleg*innen (2003) insgesamt eine heterogene Befundlage der Zusammenhänge zwischen Selbstwert und verschiedenen Outcomes wie Schulleistung, Intelligenz, Aggression und sozialen Beziehungen. Aufgrund der Widersprüchlichkeit der Befunde zur Selbstwerthöhe rückten die Selbstwertstabilität und die Selbstwertkontingenz als weitere bedeutsame Facetten des Selbstwerts verstärkt in den Fokus (Crocker & Park, 2004; Kernis, 2003). Inwiefern die Bewertung der eigenen Person subjektiv wahrgenommenen zeitlichen Schwankungen unterliegt, definiert in der vorliegenden Arbeit die Selbstwertstabilität (vgl. Baumeister, 1993; Campbell et al., 1996; Schöne & Stiensmeier-Pelster, 2016). Mit zeitlicher Stabilität ist hier nicht die Unterschiedlichkeit der gemessenen Selbst werthöhe zu zwei oder mehr Messzeitpunkten mit anschließender Berechnung der intraindividuellen Standard abweichung gemeint. Problematisch ist, dass derartige Abweichungsmaße bei verschiedenen Personen identisch sein können, obwohl sie auf fundamental unterschiedlichen Schwankungsmustern basieren und daher auch psychologisch unterschiedliche Bedeutungen haben können. So weisen etwa Personen mit beständig leicht fluktuierendem Selbstwert ähnliche intraindividuelle Standardabweichungen auf wie Personen mit seltenen aber dafür großen Selbstwertschwankungen (vgl. Schöne & Stiensmeier- Pelster, 2016). Als Entgegnung auf dieses Problem wird in der vorliegenden Arbeit die Selbstwertstabilität über deren subjektive Wahrnehmung operationalisiert, d. h. es geht darum, inwiefern eine Person ihren Selbstwert als über die Zeit stabil oder instabil erlebt. Verschiedene StuZeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 171–186
dien haben den interaktiven Einfluss von Selbstwerthöhe und -stabilität auf diverse Outcomes untersucht. So berichteten Sowislo und Orth (2013), dass ein instabiler Selbstwert depressive Symptome verstärkt. Darüber hinaus erwies sich die Stabilität des Selbstwerts in einer Reihe von Untersuchungen als Moderator des Zusammenhangs zwischen Selbstwerthöhe und unterschiedlichen Indikatoren psychischer Anpassung wie etwa Angst, Depressionen und Wohlbefinden (z. B. Kernis, Grannemann & Mathis, 1991; Zeigler-Hill & W allace, 2012). Die verfügbaren Befunde deuten darauf hin, dass Personen mit instabilem hohem Selbstwert teilweise ähnliche psychische Fehlanpassungen zeigen wie Personen mit stabilem niedrigem Selbstwert (Zeigler-Hill & Wallace, 2012), was die Notwendigkeit der gemeinsamen Betrachtung von Selbstwerthöhe und -stabilität bekräftigt. Bislang mangelt es jedoch an Studien, die den Zusammenhang dieser beiden Selbstwertfacetten mit dem Lern- und Leistungsverhalten von Studierenden in den Blick nehmen. Die Selbstwertkontingenz beschreibt nach Crocker und Park (2004) die subjektive Einschätzung von Personen darüber, wie sie sein oder sich verhalten müssen, um als wertvolle Personen zu gelten. Für Kernis (2003) stellt die Kontingenz des Selbstwerts ein globales Konstrukt dar, wonach die Ausprägung des Selbstwerts subjektiv von äußeren Faktoren wie z. B. Anerkennung durch Bezugspersonen abhängt. Ein global kontingenter Selbstwert geht u. a. mit einem geringeren Wohlbefinden und einer geringeren Lebenszufriedenheit einher (Kernis, Lakey & Heppner, 2008). Im Gegensatz zu Kernis (2003) betrachten Crocker und Kolleg*innen die Selbstwertkontingenz als bereichsspezifisches Konstrukt (z. B. Crocker, Luhtanen, Cooper & Bouvrette, 2003; Crocker & Park, 2004), welches individuelle Überzeugungen über die Abhängigkeit des Selbstwerts vom Erfolg oder Misserfolg in einer oder mehreren selbstwertrelevanten Domänen widerspiegelt. Dabei hängt der Selbstwert von intraindividuell verschiedenen Domänen wieakademischer Kompetenz, Wettbewerb, Attraktivität, Anerkennung durch andere, familiärer Unterstützung und Tugendhaftigkeit ab, welche jede Person für ihren Selbstwert unterschiedlich gewichten kann. Die Bereichsspezifität der Selbstwertkontingenz ermöglicht es, differenzierte Aussagen über die potentiellen Konsequenzen eines Erfolgs oder Misserfolgs in den jeweiligen Kontingenz domänen zu treffen (Crocker & Park, 2004). Bereichs spezifische Selbstwertkontingenzen erwiesen sich in verschiedenen Studien als Prädiktoren für depressive Symptome (u. a. Schwinger, Schöne & Otterpohl, 2017; Crocker et al., 2003). In einer Stichprobe von Studierenden konnte das Ausmaß akademischer und fi nanzieller Probleme anhand verschiedener bereichsspezifischer Kontingenzen (unter Kontrolle der Selbstwerthöhe) vorher gesagt werden (Crocker & Luhtanen, 2003). © 2018 Hogrefe
H. Kärchner und M. Schwinger, Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext
Selbstwertstabilität und Selbstwertkontingenz hängen konzeptuell zusammen. So dürften viele Personen ihren Selbstwert als instabil wahrnehmen, da sie ihr Selbstwertgefühl vom Erreichen bestimmter interner und / oder externer Standards abhängig machen und dabei nicht durchgängig erfolgreich sind. Passend zu dieser konzeptionellen Überlappung zeigen sich auch empirisch moderate bis hohe Korrelationen zwischen beiden Konstrukten (z. B. Schöne & Stiensmeier-Pelster, 2016). Dennoch halten es viele Forscher*innen für sinnvoll, zwischen der Stabilität und der Kontingenz des Selbstwerts zu unterscheiden, da divergierende Ausprägungen durchaus auftreten können und dann auch differenzielle Effekte nach sich ziehen sollten. Kernis (2003) weist diesbezüglich darauf hin, dass ein kontingenter Selbstwert stabil sein kann, solange relevante Standards und Erwartungen kontinuierlich erfüllt werden. Umgekehrt kann eine Person ihren Selbstwert auch dann als subjektiv instabil ansehen, wenn ihre Selbstwertkontingenzen relativ gering ausgeprägt sind (Zeigler-Hill & Wallace, 2012). Darüber hinaus scheinen sich Personen über ihre Kontingenzen bewusster im Klaren zu sein als über ihre Selbstwertstabilität (Kernis, 2003).
Korrelate der verschiedenen Selbstwertfacetten im Lernund Leistungsbereich Eine bedeutsame Rolle spielen die verschiedenen Selbstwertkomponenten bei der Bewältigung von Lern- und Leistungssituationen wie z. B. dem Halten eines Vortrags im Studium. Studierende mit niedrigem Selbstwert dürften ihr Lernverhalten diesbezüglich umso stärker an oberflächlichen und selbstwertschützenden Lernstrategien ausrichten, je instabiler und kontingenter sie ihren Selbstwert wahrnehmen. Im Gegensatz hierzu sollten Studierende mit hohem Selbstwert umso eher tiefenorientierte Lernstrategien nutzen je stabiler und inkontingenter sie ihren Selbstwert einschätzen. Im Folgenden werden verschiedene pädagogisch-psychologisch relevante Outcomes b etrachtet, welche theoretisch bedeutsam durch Selbstwerthöhe, -stabilität und -kontingenz beeinflusst werden können.
Selbstwertregulationsstrategien Im universitären Alltag gibt es Situationen und Ereignisse (z. B. Prüfungen), die von manchen Studierenden als selbstwertbedrohlich interpretiert werden und häufig zu aversiven Reaktionen wie Stress und Prüfungsangst führen. Eine häufig genutzte Strategie zum Schutz des eigenen Selbst© 2018 Hogrefe
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werts stellt in diesem Zusammenhang das sogenannte SelfHandicapping dar (Schwinger & Stiensmeier-Pelster, 2012). Hierbei sucht sich der / die Lernende im Vorfeld ein „Handicap“, um im Falle eines Misserfolgs eine Begründung für sein / ihr Scheitern zu haben (z. B. wenig Schlaf vor der Klausur). Erhält der / die Lernende tatsächlich eine schlechte Note in der Klausur, schützt er / sie seinen / ihren Selbstwert, indem er / sie sein / ihr Scheitern nicht auf sich selbst (z. B. eigene Intelligenz) sondern auf sein / ihr Handicap (z. B. den unzureichenden Schlaf) im Vorfeld der Klausur zurückführt (vgl. Schwinger & Stiensmeier-Pelster, 2012). Interessanterweise führt einmaliges, situationsspezifisches Self-Handicapping nicht notwendigerweise zu negativen Konsequenzen, sondern geht vielmehr häufig mit einer Stabilisierung des bedrohten Selbstwerts (Rhodewalt & Hill, 1995) sowie durchschnittlichen Leistungen (z. B. Harris & Snyder, 1986) einher. Habituelles, wiederholtes Self-Handicapping ist dagegen eindeutig mit negativen Folgen wie schlechteren akademischen Leistungen (Schwinger, Wirthwein, Lemmer & Steinmayr, 2014; Martin et al., 2001; Zuckerman et al., 1998) oder geringerem psychischen Wohlbefinden (Zuckerman & Tsai, 2005) assoziiert. Als Begründung hierfür vermuten verschiedene Forscher*innen eine Art „Teufelskreis“: Die Angst zu Versagen hat zu einmaligem Self-Handicapping geführt, welches den Selbstwert kurzfristig stabilisiert hat. Jedoch hat sich durch dieses Vorgehen die Ausgangslage bzw. die geringe Erfolgserwartung vor der nächsten Bewertungssituation nicht verändert, was erneute Versagensangst und in der Folge erneutes SelfHandicapping auslöst. Zusätzlich problematisch ist hierbei, dass die Generierung von Handicaps sowohl viel Zeit als auch einen großen Teil an kognitiven und personellen Ressourcen benötigt, weshalb diese für die Auswahl von adaptiven Lernstrategien und weiteren zielförderlichen Lernprozessen nicht mehr zur Verfügung stehen (Schwinger & Stiensmeier-Pelster, 2010). Darüber hinaus können auch die Handicaps selbst (z. B. Prokrastination) leistungsmindernd wirken. Insgesamt stellt Self-Handicapping daher eine maladaptive Selbstwertregulationsstrategie dar. Eine weitere häufig angewendete Strategie ist das Vermeiden von selbstwertbedrohlichen Situationen (Schwinger & Stiensmeier-Pelster, 2012). So wird zum Beispiel das Schreiben von Prüfungen oder das Halten von Vorträgen vermieden, um so das Risiko eines möglichen Misserfolgs möglichst gering zu halten. Das Vermeiden von potentiell selbstwertbedrohlichen Situationen führt kurzfristig zur Angstreduktion und Entspannungsgefühlen und lässt diese Strategie zunächst für den / die Betroffene(n) attraktiv erscheinen (vgl. Thierfelder, 2011). Insbesondere Personen mit einem instabilen niedrigen Selbstwert versuchen dauer hafte negative Selbstwertgefühle durch solche Situationen zu vermeiden (vgl. Baumeister, 1993). Diese vermeintliche Erfolgsstrategie kann langfristig allerdings zu einer VerZeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 171–186
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H. Kärchner und M. Schwinger, Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext
stärkung des Vermeidungsverhaltens und damit zu einer Reduzierung der Selbstwertwirksamkeitserwartungen bezüglich derBewältigung solcher Situationenführen. Darüber hinaus reduziert Vermeidungsverhalten nach Thompson (2004) langfristig die intrinsische Motivation sowie die Leistungsfähigkeit der betreffenden Personen. Im Gegensatz zu den eher maladaptiven Selbstwert regulationsstrategien wie Self-Handicapping und Ver meiden stellt die Selbstbestätigung (engl. self-affirmation) eine adaptive Form des Selbstwertschutzes dar (Tandler, Schwinger, Kaminski & Stiensmeier-Pelster, 2014). Selbstbestätigungen können in Form von Selbstverbalisationen („Ich kann das! Ich habe viel für die Prüfung gelernt.“) oder durch die Interaktion mit anderen (z. B. mit Freunden treffen, die dieselben Interessen haben) erfolgen (Cohen, & Sherman, 2014). Im Allgemeinen gehen solche Selbstbestätigungen mit positiven Gefühlen sowie physischem und psychischem Wohlbefinden einher, da sie zur Reduzierung von negativen G efühlen in Folge selbstwertbedrohlicher Situationen beitragen (Howell, 2017). Sherman und Cohen (2006) weisen darauf hin, dass Personen mit einem hohen Selbstwert im Vergleich zu Personen mit einem niedrigen Selbstwert über größere Selbstbestätigungsressourcen verfügen.
Selbstregulierte Lernstrategien Studierende unterscheiden sich in dem Ausmaß, inwieweit sie in der Lage sind den komplexen Prozess des Wissenserwerbs im Studium selbstständig zu gestalten und das erlernte Wissen abzurufen. Bei diesem selbstregulierten Lernen überwachen, kontrollieren und regulieren die Studierenden ihre Kognitionen und motivationalen Einstellungen und passen ihr Verhalten an ihre eigenen Ziele und Umweltgegebenheiten an. In Bezug auf die konkreten Lernstrategien, die beim selbstregulierten Lernen eingesetzt werden können, differenzieren Wild und Schiefele (1994) zwischen kognitiven, metakognitiven und ressourcenorientierten Strategien mit ihren jeweiligen Subskalen. Kognitive Lernstrategien werden eingesetzt, um die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen zu beeinflussen. Elaborationsstrategien beinhalten das Verbinden und Behalten von neuen Informationen, welche in bereits bestehende Wissensstrukturen integriert werden (z. B. Paraphrasieren, Informationen mit persönlichen Erlebnissen verbinden, Beispiele ausdenken). Beim Organisieren als weiterer kognitiver Lernstrategie versucht der / die Lernende die gewonnenen Informationen so zu strukturieren und vorzubereiten, dass diese leichter auf zunehmen sind (z. B. Erstellen von Diagrammen oder Mind-Maps). Um die Konsolidierung von neuem Wissen zu erleichtern, werden häufig Wiederholungsstrategien Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 171–186
eingesetzt, bei denen Lerninhalte zyklisch repetiert werden (z. B. Vokabel lernen). In Abgrenzung zu den kognitiven Lernstrategien steht bei metakognitiven Strategien die Kontrolle von Lernschritten (Planung, Regulierung und Überwachung) im Vordergrund. Die Bereitschaft von Studierenden sich anzustrengen um den Lernprozess zu unterstützen, wird der Anstrengungsbereitschaft als ressourcenbezogene Lernstrategie zugeordnet. Wenngleich noch weitere ressourcenbezogene Lernstrategien in der Literatur beschrieben werden (z. B. Zeitmanagement, Nutzung von Informationsquellen; vgl. Wild & Schiefele, 1994), wird in dieser Untersuchung aus zwei Gründen auf die Anstrengungsbereitschaft fokussiert. Zum einen zeigten sich für diese Lernstrategie mit die höchsten Zusammenhänge mit akademischen Leistungen (z. B. Pintrich et al., 1993. Zum anderen wurden in einer kürzlich erschienenen Studie b edeutsame Zusammenhänge zwischen der Anstrengungsbereitschaft und der Selbstwertkontingenz von Studierenden berichtet (Opelt & Schwinger, 2017). Neben der Quantität kann zusätzlich die Qualität der ausgewählten Lernstrategie betrachtet werden. Hierbei wird häufig zwischen oberflächlichen und Tiefenverarbeitungsstrategien unterschieden (vgl. Mandl & Friedrich, 2006; Wild, Schiefele, 1994). Der Zusammenhang zwischen Lernstrategien und den verschiedenen Selbstwertfacetten wurde bislang selten empirisch untersucht. Die wenigen existierenden Studien liefern jedoch Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Selbstwerthöhe und dem Einsatz kognitiver Lernstrategien. Personen mit einem hohen Selbstwert bevorzugen demnach eher Tiefenverarbeitungsstrategien wie z. B. Elaborieren, während Personen mit einem niedrigen Selbstwert eher oberflächliche Verarbeitungsstrategien wie z. B. Wiederholen bevorzugen (Schmeck & Meier, 1984; Soufi, Damirchi, Sedghi & Sabayan, 2014).
Lebenszufriedenheit Das allgemeine Wohlbefinden beschreibt ein mehrdimensionales Konstrukt, welches affektive (z. B. Freude), kognitive (z. B. Lebenszufriedenheit) und physiologische Komponenten (z. B. psychosomatische Auffälligkeiten) umfasst (Bullinger, 2009; Diener, Emmons, Larsen & Griffin, 1985). Die Herstellung eines hinreichenden lernbezogenen Wohlbefindens ist wiederholt als Ziel schulischer und universitärer Förderungen formuliert worden (z. B. Hascher & Edlinger, 2009). Darüber hinaus konnte in zahlreichen Studien gezeigt werden, dass die verschiedenen Indikatoren des allgemeinen Wohlbefindens eine positive Rückkopplung mit positiven Aspekten im Lern- und Leistungskontext aufweisen (z. B. hohe Selbst- und Sozialkompetenzen, Freude am Lernen, Anstrengungsbereitschaft © 2018 Hogrefe
H. Kärchner und M. Schwinger, Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext
etc.; siehe z. B. Hascher, 2004; Hascher & Edlinger, 2009; Schwab, 2014). Wenngleich sich der überwiegende Teil dieser Befunde auf den schulischen Kontext bezieht, kann davon ausgegangen werden, dass sich die grundlegenden Zusammenhänge auch im Kontext des universitären Studiums zeigen. In der vorliegenden Arbeit fokussieren wir auf die Lebenszufriedenheit als kognitive Facette des Wohlbefindens. Pavot, Diener und Suh (1998) definieren die Lebenszufriedenheit als globale und kognitive Bewertung der retrospektiven und aktuellen Zufriedenheit mit dem eigenen Leben. In verschiedenen Studien erwies sich die Höhe des allgemeinen Selbstwerts als bedeutsame Determinante der Lebenszufriedenheit (z. B. Diener & Diener, 1995). Allerdings liegen kaum Studien vor, die neben der Höhe auch die Stabilität und Kontingenz des Selbstwerts sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit in einer Studie betrachten. Dabei können die Stabilität des Selbstwerts und die Abhängigkeit des Selbstwerts von externen Einflüssen sowohl einen positiven als auch einen negativen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit haben. So wäre beispielsweise denkbar, dass zeitliche Schwankungen des Selbstwerts als eher belastend empfunden werden und sich somit negativ auf die Lebenszufriedenheit auswirken.
Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext Während die allgemeine Relevanz der jeweiligen Selbstwertfacetten in zahlreichen Untersuchungen belegt werden konnte, mangelt es bislang an Studien im akademischen Kontext, in denen Höhe, Stabilität und Kontingenz gemeinsam betrachtet werden. Nach der theoretischen Konzeption von Kernis (2003) ist ein optimaler Selbstwert möglichst hoch, stabil und wenig kontingent. Kernis betont diesbezüglich, dass ein hoher Selbstwert nicht mit dem optimalen Selbstwert gleichzusetzen sei. Personen mit einem hohen, aber instabilen Selbstwert können durch externe Einflüsse (z. B. Misserfolg in einer Klausur) in einem ähnlichen Ausmaß selbstwertbedrohliche Situationen inklusive negativer Konsequenzen erleben wie Personen mit einem niedrigen Selbstwert (vgl. Kernis, 2003, 2005; Kernis, Lakey & Heppner, 2008). Diese Annahmen werden durch die heterogenen Befunde verschiedener Studien, die nur eine Facette des Selbstwerts berücksichtigen, gestützt. Insgesamt fordern Autoren und Autorinnen wie Kernis (2003) oder Crocker und Kolleg*innen(2003) die mehrdimensionale Betrachtung des Selbstwerts, um präzisere Verhaltensvorhersagen treffen zu können. In Bezug auf die Frage, wie sich die drei Selbstwertkomponen© 2018 Hogrefe
175
ten zu verschiedenen Selbstwertprofilen verbinden lassen, erscheint es schwierig, theoretische Vorannahmen hinsichtlich der Prävalenz bestimmter Selbstwertprofile zu treffen (eine Ausnahme bildet das hinreichend explizierte Profil „optimaler Selbstwert“; vgl. Kernis, 2003). Die im Folgenden dargestellten drei empirischen Studien stellen somit explorative Untersuchungen dar, deren Ergebnisse dann weiterführenden theoretischen Überlegungen dienen sollen. Aus methodischer Sicht kann zunächst von acht sinnvoll unterscheidbaren Profilen ausgegangen werden, sofern man Höhe, Stabilität und Kontingenz in hoch und niedrig unterteilt. Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, anhand latenter Profilanalysen die wichtigsten dieser verschiedenen denkbaren Profile zu identifizieren und hinsichtlich ihrer Bedeutsamkeit für den akademischen Kontext zu analysieren. Von besonderem Interesse sind neben der Prävalenz der Profile somit auch Überlegungen zu ihren Korrelaten im Lern- und Leistungskontext. Auf Basis der verfügbaren Literatur werden Personen mit einem „optimalen Selbstwert“ vermutlich eher adap tive Selbstwertregulationsstrategien (z. B. Selbstbestätigung) einsetzen, Tiefenverarbeitungsstrategien (z. B. Elaboration) beim Lernen verwenden, bessere Leistungen zeigen und insgesamt eine hohe Lebenszufriedenheit berichten. Darüber hinaus sind die Auswirkungen der verschiedenen Kombinationen von Höhe, Stabilität und Kontingenz auf das individuelle Erleben und Verhalten von Studierenden im Lern- und Leistungskontext kaum zu prognostizieren, weshalb auch in dieser Frage ein explorativer Ansatz verfolgt wird.
Studie 1 Stichprobe Die Befragung wurde mittels eines Online-Fragebogens mit dem Titel „Selbstregulation im Studium“ durchgeführt. Die Rekrutierung der Stichprobe erfolgte durch die Weiterleitung des Links von Studierenden an Personen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis, durch Aushänge an der Universität ANONYMISIERT sowie durch die Weiterleitung des Links an Forscherkolleg*innen an anderen Fakultäten und Universitäten. Als Anreiz zur Studienteilnahme wurden Versuchspersonenstunden bescheinigt und Amazon-Gutscheine verlost. Durch die entsprechende Einstellung in Unipark mussten die Probanden alle Items pro Fragebogenseite beantworten bevor sie mit der nächsten Seite weitermachen konnten. Der Fragebogenlink wurde von 1 972 Personen angeklickt, wobei 303 (15.3 %) die Bearbeitung vorzeitig abbrachen. Diese Personen wurden von weiteren Analysen ausgeschlossen, so Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 171–186
176
H. Kärchner und M. Schwinger, Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext
dass keine fehlenden Werte im Datensatz verblieben1. In die Datenauswertung gingen somit insgesamt 1 669 Studierende (1 2 22 weiblich, Alter: M = 24.18, SD = 6.37) ein. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer*innen (> 90 %) studierte an der Universität ANONYMISIERT und war entweder im Fach Psychologie oder den Erziehungswissenschaften eingeschrieben. Ungefähr 50 % befanden sich in den ersten vier Semestern ihres Studiums, während die übrigen 35 % im fünften bis neunten Fachsemester studierten. Eine detaillierte Aufstellung hinsichtlich Studienfach und Fachsemester kann dem Elektronischen Supplement (ESM) 1 entnommen werden.
Messinstrumente Selbstwert Die Selbstwerthöhe wurde mit der revidierten Fassung der deutschsprachigen Rosenberg-Skala zum Selbstwertgefühl (von Collani & Herzberg, 2003) erhoben. Mit einer vierstufigen Skala mit 10 Items von 1 (trifft gar nicht zu) bis 5 (trifft voll und ganz zu) wurde das globale Selbstwertgefühl erfasst (Beispielitem: „Alles in allem bin ich mit mir selbst zufrieden.“). Die Skala zur Erfassung der Selbstwertstabilität stellt eine Modifikation der Items von Rosenberg (1965), Campbell et al. (1996) und Schwinger (2008) dar. Ein Beispielitem der insgesamt 5 Items lautet: „Meine Einschätzungen über mich selbst verändern sich über die Zeit kaum.“ (Antwortformat: trifft gar nicht zu [1] bis trifft voll und ganz zu [5]). Zur Erfassung der Selbstwertkontingenz wurde die deutsche Adaptation der Contingencies of SelfWorth Scale (CSWS, Schwinger et al. (2017); Crocker et al., 2003) verwendet. Auf einer fünfstufigen Skala mit ins gesamt 30 Items wurden die bereichsspezifischen Selbstwertkontingenzen für sechs Domänen (akademi sche Kompetenz, Wettbewerb, Attraktivität, Anerkennung durch andere, familiäre Unterstützung und Tugendhaftigkeit) erfasst. Ein Beispielitem für die Domäne Wettbewerb lautet: „Zu wissen, dass ich bei einer Aufgabe besser bin als andere, steigert mein Selbstwertgefühl.“ In den statistischen Analysen wurden die sechs Kontingenzdomänen zu einem Gesamtwert aggregiert. Strategien zur Selbstwertregulation Self-Handicapping wurde mit der deutschsprachigen Adaptation der 6 Items umfassenden Academic Self-Handicapping Scale erhoben (ASHS-D; Schwinger & StiensmeierPelster (2012); Beispielitem: „Manche Studierende gehen 1
am Abend vor einer Klausur noch lange aus. Das können sie dann als Grund angeben, wenn sie in einer Klausur nicht gut abschneiden. Wie sehr trifft das auf Sie zu?“). Als alternative Strategien zur Regulation des Selbstwerts wurden Vermeiden (Bsp.: „Ich gehe gar nicht erst hin, wenn ich mich schlecht vorbereitet fühle.“) und Selbstbestätigung (Bsp.: „Ich erinnere mich daran, dass ich schon viele schwierige Situationen gemeistert habe.“) mit jeweils 5 Items erfasst (Schwinger & Stiensmeier-Pelster, 2012). Alle Items zur Selbstwertregulation waren auf einer Ratingskala von 1 (trifft gar nicht zu) bis 5 (trifft voll und ganz zu) zu beantworten. Alle verwendeten Skalen in der vorliegenden Studie wiesen gute bis sehr gute interne Konsistenzen auf (siehe ESM 2).
Latente Profilanalysen Zur Identifikation von Subgruppen („latenten Klassen“) mit ähnlichen Selbstwert-Profilen wurden latente Profilanalysen (LPA) in Mplus 7.4 (Muthén & Muthén, 1998 – 2015) durchgeführt. Die Klassifizierung der latenten Klassen erfolgte auf Basis der beobachtbaren Antwortmuster der Personen über die drei Skalen Selbstwerthöhe, -stabilität und -kontingenz hinweg (Marsh, Lüdtke, Trautwein & Morin, 2009; Nylund, Asparouhov & Muthén, 2007). Hierbei wurden sowohl die Zugehörigkeit für jede Person zur jeweiligen Klasse als auch die Größen der jeweiligen Klassen als Modellparameter berechnet. Bei der Modellspezifikation wurden die in Mplus empfohlenen Voreinstellungen über nommen, so dass (a) die Mittelwerte und Varianzen der Klassenindikatoren (d. h. die drei Selbstwertskalen) frei geschätzt wurden, (b) die Varianzen der Klassenindikatoren zwischen den Klassen konstant gehalten wurden und (c) die Kovarianzen zwischen den Indikatoren innerhalb der Klassen auf 0 fixiert wurden. In jeder der drei referierten Studien wurden die ermittelten Profile mit verschiedenen Korrelaten in Beziehung gesetzt, in Studie 1 sind dies die Selbstwertregulationsstrategien. In der Literatur werden verschiedene Wege diskutiert, wie man die Effekte von latenten Klassen auf solche „distal outcomes“ valide schätzen kann. Die klassenspezifischen Mittelwerte einer distalen Outcome-Variablen können entweder durch einen einstufigen (1-step approach) oder einen schrittweisen Ansatz (3-step approach) bestimmt werden. Beim 1-step approach wird der distale Outcome als zusätzlicher Indikator in das LPA-Modell eingearbeitet und dann wie gewohnt geschätzt. Dieser Ansatz
Der listenweise Fallausschluss wird im Umgang mit fehlenden Werten eher nicht empfohlen. Dieses Vorgehen wurde in den drei Studien der vorliegenden Arbeit jedoch deshalb gewählt, da der BLRT, ein wichtiger Fitindex zur Bestimmung der latenten Klassenanzahl, in Mplus nur für vollständige Datensätze zur Verfügung steht. Ergänzende Re-Analysen aller drei Datensätze unter Berücksichtigung der ausgeschlossenen Fälle wiesen zudem auf keine bedeutsame Veränderung bei der Interpretation der Befunde hin.
Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 171–186
© 2018 Hogrefe
H. Kärchner und M. Schwinger, Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext
hat jedoch einige Nachteile. Das Hauptproblem besteht darin, dass ziemlich starke Annahmen über die Verteilung des distalen Outcomes innerhalb der latenten Klassen getroffen werden müssen. Bei Verletzung dieser Annahmen könnte das ursprüngliche LPA-Modell vollständig verzerrt werden. Ein verwandtes Problem besteht in der Analyse mehrerer distaler Outcomes, die entweder gleichzeitig betrachtet werden könnten, was starke Annahmen über ihre gemeinsame Verteilung erfordert, oder eine nach der an-
177
deren, was bedeutet, dass sich die LPA-Lösung pro distalem Outcome ändern könnte. Wegen dieser und ähnlicher Probleme bevorzugen Forscher*innen oft den 3-step approach, bei dem man zuerst das LPA-Modell ohne die distalen Outcomes aufbaut, dann die Klassenzugehörigkeiten bestimmt und anschließend die Beziehung zwischen den Klassenzugehörigkeiten und den distalen Outcomes untersucht, beispielsweise durch eine einfache Varianzanalyse. Ein bekannter Nachteil dieses Ansatzes besteht
Tabelle 1. Studien 1 bis 3: Fitindizes für die Modellgüte der latenten Klassenlösungen Modell
AIC
BIC
ssaBIC
VLMRT
LMR
BLRT
Entropy
LK-2
16980.133
17099.373
17029.482
.001
.001
.000
.711
LK-3
17143.861
17219.741
17175.265
.001
.001
.000
.728
Studie 1
LK-4
17070.212
17167.772
17110.588
.043
.048
.000
.752
LK-5
16980.133
17099.373
17029.482
.001
.001
.000
.711
LK-6
16943.633
17084.553
17001.955
.064
.069
.000
.736
LK-7
16909.898
17072.497
16977.192
.130
.137
.000
.751
LK-8
16868.943
17053.222
16945.209
.364
.372
.000
.729
4663.654
4707.623
4675.876
.001
.001
.000
.790
Studie 2 LK-2 LK-3
4615.910
4677.467
4633.020
.084
.091
.000
.722
LK-4
4580.631
4659.776
4602.631
.007
.009
.000
.794
LK-5
4541.349
4638.082
4568.238
.001
.001
.000
.781
LK-6
4615.910
4677.467
4633.020
.084
.091
.000
.722
LK-7
4514.862
4646.770
4551.528
.390
.396
.000
.840
LK-8
4502.695
4652.191
4544.250
.119
.127
.000
.838
Studie 3 (CSES, Kernis) LK-2
1787.354
1821.735
1790.041
.000
.001
.000
.777
LK-3
1733.677
1781.810
1737.439
.001
.001
.000
.799
LK-4
1727.160
1789.046
1731.996
.311
.327
.000
.727
LK-5
1723.143
1798.781
1729.054
.398
.411
.085
.741
LK-6
1708.262
1797.652
1715.248
.103
.115
.000
.786
LK-7
1704.715
1807.858
1712.776
.238
.251
.267
.796
LK-8
1705.903
1822.798
1715.038
.658
.669
1.000
.799
Studie 3 (CSWS, Crocker) LK-2
1825.726
1860.107
1828.413
.000
.000
.000
.781
LK-3
1789.391
1837.524
1793.153
.112
.130
.000
.788
LK-4
1773.351
1835.236
1778.187
.245
.262
.000
.863
LK-5
1761.770
1837.408
1767.681
.045
.051
.013
.871
LK-6
1758.440
1847.830
1765.426
.380
.397
.267
.862
LK-7
1754.984
1858.127
1763.045
.646
.656
.267
.862
LK-8
1754.383
1871.278
1763.518
.233
.234
1.000
.805
Anmerkungen: LK = latente Klassen; AIC = Akaike Information Criterion; BIC = Bayesian Information Criterion; ssaBIC = Sample size adjusted BIC; VLMRT = p-Wert des Vuong-Lo-Mendel-Rubin-Tests; LMR = p-Wert des Lo-Mendell-Rubin-Adjusted-Likelihood-Ratio-Test; BLRT = p-Wert des Bootstrap-LikelihoodRatio-Differenzen-Test.
© 2018 Hogrefe
Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 171–186
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H. Kärchner und M. Schwinger, Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext
Tabelle 2. Studie 1: z-standardisierte Mittelwerte aller Skalen in den latenten Profilgruppen Latente Klassen
n
%
Höhe M (SE)
Stabilität M (SE)
Kontingenz M (SE)
Self-Handicap. M (SE)
Vermeidung M (SE)
Selbstbestätigung M (SE)
niedrig-instabilkontingent
212
12.69 %
−1.47** (0.09)
−1.20** (0.07)
1.72** (0.30)
−0.22b (0.06)
−0.53c (0.07)
−0.82a (0.08)
instabilkontingent
401
24.01 %
−0.29** (0.08)
−0.95** (0.06)
1.06** (0.19)
−0.15b (0.05)
−0.09 b (0.05)
−0.01b (0.05)
niedrig
92
5.54 %
−1.57** (0.15)
−0.17** (0.11)
−0.05** (0.46)
−0.67c (0.11)
−0.95d (0.12)
0.99 a (0.13)
durchschnittlich
492
29.50 %
0.25** (0.08)
−0.22** (0.09)
−0.27** (0.19)
−0.04b (0.04)
−0.01b (0.04)
−0.12b (0.05)
optimal
472
28.26 %
0.97** (0.04)
−1.09** (0.05)
−1.33** (0.23)
−1.28 (0.03)
−0.51 (0.03)
−0.43c (0.05)
a
a
Anmerkungen: * p < .05, ** p < .01. Profile mit unterschiedlichen hochgestellten Buchstaben unterscheiden sich signifikant in der Ausprägung des jeweiligen Merkmals (p < .05).
Selbstwertprofile - Studie 1 2.00
niedrig vs. hoch
1.50 1.00 0.50 0.00 -0.50 -1.00 -1.50 -2.00
niedrig-instabil-kontingent
instabil-kontingent
Selbstwerthöhe (M)
niedrig
durchschnittlich
Selbstwertstabilität (M)
optimal
Selbstwertkontingenz (M)
Selbstwertprofile - Studie 2 2.00
niedirg vs. hoch
1.50 1.00 0.50 0.00 -0.50 -1.00 -1.50 -2.00
niedrig-instabil-kontingent
instabil-kontingent
Selbstwerthöhe (M)
niedrig
durchschnittlich
Selbstwertstabilität (M)
optimal
Selbstwertkontingenz (M)
Selbstwertprofile (CSWS) - Studie 3 2.00
niedrig vs. hoch
1.50 1.00 0.50 0.00 -0.50 -1.00 -1.50 -2.00
niedrig-instabil-kontingent
Selbstwerthöhe (M)
durchschnittlich
Selbstwertstabilität (M)
optimal
Selbstwertkontingenz (M) - bereichspezifisch
Selbstwertprofile (CSES) - Studie 3 2.00
niedrig vs. hoch
1.50 1.00 0.50 0.00 -0.50 -1.00 -1.50 -2.00
niedrig-instabil-kontingent
Selbstwerthöhe (M)
durchschnittlich
Selbstwertstabilität (M)
optimal
Selbstwertkontingenz (M) - allgemein
Abbildung 1. Studien 1 bis 3: Empirische Ausprägungskombinationen der Selbstwertprofile. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 171–186
© 2018 Hogrefe
H. Kärchner und M. Schwinger, Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext
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Korrelate der Selbstwertprofile - Studie 1 1.00
Mittelwert
0.50 0.00 -0.50 -1.00 -1.50
niedrig-instabil-kontingent
instabil-kontingent
Self-Handicapping
niedrig
Vermeidung
durchschnittlich
optimal
Selbstbestätigung
Korrelate der Selbstwertprofile - Studie 2 1.00
Mittelwert
0.50 0.00 -0.50 -1.00 -1.50
niedrig-instabil-kontingent
instabil-kontingent
niedrig
durchschnittlich
optimal
Self-Handicapping
Vermeiden
Selbstbestätigung
Organisieren
Elaborieren
Metakognitive Strategien
Wiederholen
Anstrengungsbereitschaft
Korrelate der Selbstwertprofile - Studie 3 3.50
Mittelwert
3.00 2.50 2.00 1.50 1.00
niedrig-instabil-kontingent
durchschnittlich
Lebenszufriedenheit (CSWS-Lösung)
optimal
Lebenszufriedenheit (CSES-Lösung)
Abbildung 2. Studien 1 bis 3: Auswirkungen der Profile – 5-Klassenlösung.
wiederum darin, dass die im dritten Schritt erhaltenen Parameterschätzungen fehlerhaft sein können aufgrund der messfehlerbehafteten Klassenzuweisungen in Schritt 1. In letzter Zeit wurden verschiedene Lösungen zur Verringerung dieses potentiellen Bias vorgeschlagen, wobei sich eine optimierte Version der sog. BCH-Methode (Bakk & Vermunt, 2016; benannt nach Bolck, Croon, & Hagenaars, 2004), bei der eine um die inversen Klassifizierungsfehlerwahrscheinlichkeiten gewichtete ANOVA berechnet wird, als bislang valideste Schätzmethode erwiesen hat (Bakk & Vermunt, 2016; Dziak et al., 2016). In der vorliegenden Arbeit wurde die BCH-Methode verwendet und somit die jeweiligen Korrelate (in Studie 1 die Selbstwertregulationsstrategien) lediglich als „auxiliary variables“ in das LPA-Modell aufgenommen (vgl. Marsh et al., 2009). Zur endgültigen Bestimmung der Klassenanzahl werden bei LPAs verschiedene Indikatoren herangezogen. Da diese Indikatoren jedoch nicht immer deckungsgleiche Infor© 2018 Hogrefe
mationen hinsichtlich der Klassenanzahl liefern, besteht die Aufgabe des praktischen Anwenders darin, die unterschiedlichen Informationen entsprechend zu gewichten, um zu einer finalen Lösung zu gelangen. In den drei vorliegenden Studien wurde jeweils eine derartige Gewichtung der im Folgenden beschriebenen Indikatoren vorgenommen. Zunächst werden die verschiedenen Klassenlösungen anhand statistischer Informationskriterien wie Akaike Information Criterion (AIC), Bayesian Information Criterion (BIC) und sample size-adjusted BIC (ssaBIC) miteinander verglichen (Nylund et al., 2007). Die Klassenlösung mit dem jeweils geringsten Wert aller drei Kriterien sollte ausgewählt werden. Hierbei weisen Nylund et al. (2007) da rauf hin, dass sich BIC und ssaBic im Vergleich zum AIC als bessere Indikatoren für die Festlegung der Anzahl latenter Klassen erwiesen haben. Neben den Informationskriterien existieren verschiedene statistische Tests zur Modellauswahl: Lo-Mendell-Rubin likelihood ratio test of model fit Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 171–186
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H. Kärchner und M. Schwinger, Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext
(LMR; Lo, Mendell, & Rubin, 2001), Vuong-Lo-MendellRubin likelihood ratio test (VLMRT) und parametric bootstrapped LRT (BLRT; McLachlan & Peel, 2000). Dabei ist die Klassenlösung zu bevorzugen, bei der die jeweiligen p-Werte der Tests signifikant sind. In der Simulationsstudie von Nylund et al. (2007) erwies sich der BLRT als das treffsicherste Maß zur korrekten Bestimmung der Klassenanzahl. Darüber hinaus sollte eine Klassenlösung mit hoher Entropie ausgewählt werden, da diese eine hohe Reliabilität bei der Zuordnung der Personen zu den latenten Klassen indiziert (Klonsky & Olino, 2008). Neben diesen statistischen Indikatoren sollte bei der finalen Entscheidung für die beste Klassenlösung zusätzlich die inhaltliche Interpretierbarkeit der jeweiligen Profile berücksichtigt werden (vgl. Marsh et al., 2009; Lubke & Muthén, 2005).
Ergebnisse Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Fitindizes der verschiedenen Klassenlösungen. Die Werte von AIC, BIC und ssaBIC nahmen bis zur 5-Klassenlösung deutlich ab, blieben von der 5- zur 6-Klassenlösung jedoch relativ stabil. Zudem wiesen der VLMRT und LMR darauf hin, dass die Extraktion einer sechsten latenten Klasse keinen signifikanten Mehrwert lieferte. Da die 5-Klassenlösung darüber hinaus am sinnvollsten inhaltlich interpretiert werden konnte, wurde sie als finale Lösung festgelegt. Die z-standardisierten Mittelwerte der Selbstwertskalen in den jeweiligen Profilgruppen werden in Tabelle 2 dargestellt und in Abbildung 1 graphisch veranschaulicht.
Ungefähr 30 % der Studierenden ließen sich einem Profil mit hohem, stabilem, inkontingentem Selbstwert zuordnen. Dieses Muster entspricht dem von Kernis (2003) definierten „optimalen Selbstwert“ und wird daher in der Folge auch so bezeichnet (vgl. Abbildung 1). Ein diesem Profil komplett entgegen gesetztes Selbstwertmuster („niedriginstabil-kontingent“) konnte bei knapp 12 % der Studierenden festgestellt werden. Bei knapp 30 % der Studierenden wurde ein eher unauffälliges, „durchschnittliches“ Selbstwertprofil beobachtet. Eine ebenfalls relativ große Anzahl von Personen (24 %) wies ein Profil mit „instabil-kontingentem“ Selbstwert auf, wobei hier alle drei Selbstwertfacetten nicht besonders extrem ausgeprägt waren. Das fünfte Profil konnte einer eher kleinen Gruppe von Studierenden (5.5 %) zugeordnet werden und war insbesondere durch einen „niedrigen“ Selbstwert charakterisiert, wobei Stabilität und Kontingenz durchschnittliche Werte aufwiesen. Hinsichtlich der Korrelate der Selbstwertprofile zeigte sich, dass die Studierenden mit den Profilen „optimaler Selbstwert“ und „durchschnittlicher Selbstwert“ signifikant seltener die maladaptiven Strategien Self-Handicapping und Vermeiden nutzen als alle übrigen Studierenden (vgl. Tabelle 2 und Abbildung 2). Studierende des Profils „optimaler Selbstwert“ verwenden darüber hinaus die adaptive Strategie Selbstbestätigung signifikant häufiger als alle anderen Profilgruppen. Studierende des Profils „niedrig-instabil-kontingenter Selbstwert“ vermeiden im Vergleich zu Studierenden des Profils „instabil-kontingenter Selbstwert“ häufiger selbstwertbedrohliche Situationen. Im Vergleich mit den anderen Profilen aus Studie 1 wies das Profil „niedriger Selbstwert“ mit das maladaptivste
Tabelle 3. Studie 2: z-standardisierte Mittelwerte aller Skalen in den latenten Profilgruppen Latente Klassen
n
%
Höhe M (SE)
Stabilität M (SE)
Kontingenz M (SE)
Self-Handicap. M (SE)
niedrig-instabil-kontingent
66
10.80 %
–1.39** (.18)
–1.48** (.11)
–1.02** (.13)
–0.62b (.14)
0.57b (.18)
instabil-kontingent
204
34.05 % –0.25** (.08)
–0.72** (.08)
0.40** (.07)
–0.03a (.05)
–0.05a (.08)
–0.02c (.07)
niedrig
28
4.70 %
–1.86** (.13)
–0.10** (.15)
0.42** (.24)
–0.49 b (.15)
–0.65b (.26)
–0.90 a (.19)
durchschnittlich
232
38.70 %
–0.50** (.07)
–0.60** (.08)
–0.39** (.08)
–0.12 (.04)
–0.13 (.06)
–0.17a,b,c (.06)
optimal
70
11.64 %
1.14** (.10)
–1.43** (.13)
–1.02** (.20)
–0.29 a (.09)
–0.24a (.06)
–0.18a,c (.13)
Latente Klassen
Organisieren M (SE)
Elaborieren M (SE)
niedrig-instabil-kontingent
–0.10 a (.12)
–0.16 a (.13)
–0.35a (.09)
–0.05a,b (.14)
–0.26 a (.12)
instabil-kontingent
–0.08a (.06)
–0.09 a (.06)
–0.04b (.05)
–0.04a,b (.06)
–0.06 a,b (.06)
niedrig
–0.28a (.21)
–0.27a (.17)
–0.28a,b (.14)
–0.07b (.17)
–0.23a,b (.15)
durchschnittlich
–0.02 (.06)
–0.01 (.06)
–0.01 (.05)
–0.02
–0.02a,b (.05)
optimal
–0.48b (.12)
–0.54b (.12)
–0.33c (.10)
–0.12a (.14)
a
a
a
Metakognitive Strategien M (SE)
b
Vermeidung Selbstbestätigung M (SE) M (SE)
a
–0.57a,b (.14)
Wiederholen Anstrengungsbereitschaft M (SE) M (SE)
a,b
(.06)
0.20 b (.11)
Anmerkungen: * p < .05, ** p < .01. Profile mit unterschiedlichen hochgestellten Buchstaben unterscheiden sich signifikant in der Ausprägung des jeweiligen Merkmals (p < .05).
Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 171–186
© 2018 Hogrefe
H. Kärchner und M. Schwinger, Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext
Muster auf: Studierende dieses Profils suchen sich am häufigsten ein Handicap im Vorfeld von potentiell selbstwertbedrohlichen Situationen, bestätigen sich am wenigsten selbst und vermeiden selbstwertbedrohliche Situationen am häufigsten.
Studie 2 In Studie 2 wurden drei Ziele verfolgt. Zum einen sollte untersucht werden, inwiefern sich die in Studie 1 identifizierten Selbstwertprofile replizieren ließen. Zweitens sollte geprüft werden, ob sich Struktur und Adaptivität der Selbstwertprofile durch die Verwendung eines anderen Maßes zur Erfassung der Selbstwertkontingenz verändern würden. Drittens sollte die Bandbreite pädagogischpsychologischer Korrelate erweitert werden, was in Studie 2 durch die Analyse kognitiver und metakognitiver Lernstrategien realisiert wurde.
Stichprobe Bei dieser Untersuchung handelte es sich wie in Studie 1 um eine Online-Umfrage. Zur Rekrutierung der P robanden wurden Aushänge und Flyer an zwei nordrhein-west fälischen Universitäten verteilt, Postings in diversen Internetforen mit psychologischen Schwerpunkten erstellt und die Fachschaften einiger deutscher Universitäten angeschrieben. Außerdem wurden Mails an ErstsemesterStudierende im Fach Psychologie an der Universität ANONYMISIERT verschickt. Als Dank für die Teilnahme wurden unter den Teilnehmenden 10 Amazon-Gutscheine im Wert von jeweils 20 €, eine Nintendo-Wii und ein Designer Polo Shirt verlost. An der Studie nahmen insgesamt 848 Studierende aus dem gesamten Bundesgebiet teil, von denen 600 (71 %) alle Fragen vollständig beantworteten. Es wurde ein listenweiser Fallausschluss der nicht voll ständigen Datensätze vorgenommen (vgl. Fußnote 1). Der durchgeführte MCAR-Test nach Little zur Überprüfung der ausgeschlossenen Fälle wurde nicht signifikant (χ2 = 634.85, df = 573, p > .05). Somit gingen in dieser Studie insgesamt 600 Studierende (476 weiblich, 123 männlich, 1 ohne Geschlechtsangabe, Alter: M = 23.85, SD = 5.15) in die Datenauswertung ein. Die Mehrheit der Probanden (60.2 %) war im Fach Psychologie eingeschrieben, während die restlichen Teilnehmer*innen einer Vielzahl anderer Studiengänge (z. B. Mathematik, Sportwissenschaften, Rechtswissenschaften etc.) zuzuordnen waren. 48.1 % studierten im e rsten bis vierten, die übrigen in höheren Fachsemestern (siehe ESM 1 für detailliertere Informationen hinsichtlich Studienfach und Fachsemester). © 2018 Hogrefe
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Messinstrumente und Analysen Selbstwerthöhe und -stabilität wurden wie in Studie 1 erhoben. Zur Erfassung der globalen Selbstwertkontingenz wurde die deutsche Version der Contingent Self- esteem Scale (CSES; Paradise & Kernis (1999); Schwinger (2008)) eingesetzt. Die Studierenden beantworteten hierbei 15 Items (Bsp.: „Für meinen Selbstwert ist es wichtig, wie attraktiv ich körperlich bin.“) auf einer Ratingskala von stimmt gar nicht (1) bis stimmt genau (5). Die CSES unterscheidet sich von den in Studie 1 eingesetzten CSWS im Wesentlichen in zwei Punkten. Zum einen wurde sie ausschließlich zur Erfassung der globalen, nicht bereichsspezifischen Selbstwertkontingenz konstruiert. Zum anderen werden in den Items der CSES ausschließlich externale Kontingenz-Domänen thematisiert. Eine solche externale Domäne wäre z. B. die Anerkennung von signifikanten Anderen. Die CSWS enthalten zusätzlich zu den externalen Domänen auch noch Items zu internalen Bereichen, wie etwa die individuelle Tugendhaftigkeit, von denen der eigene Selbstwert a bhängig gemacht werden kann. Die Strategien zur Selbstwertregulation (SelfHandicapping, Vermeiden und Selbstbestätigung) wurden analog zu Studie 1 erfasst. Als interne Ressource wurde die Anstrengungsbereitschaft durch die gleichnamige Subskala aus dem Inventar zur Erfassung von Lernstrategien im Studium (LIST; Wild & Schiefele, 1994) erhoben. Sowohl die metakognitive Strategie als auch die kognitiven Lernstrategien Wiederholen, Elaboration und Organisation wurden mit den jeweiligen Subskalen aus dem LIST erfasst. Die Beantwortung der insgesamt 39 Items erfolgte auf einer Ratingskala von 1 (sehr selten) bis 5 (sehr oft). Mit Ausnahme der Skala Selbstbestätigung wiesen alle verwendeten Skalen in Studie 2 gute bis sehr gute interne Konsistenzen auf (siehe ESM 2). Die latenten Profilanalysen wurden nach dem gleichen Schema wie in Studie 1 durchgeführt. Als „auxiliary variables“ wurden in Studie 2 erneut die Strategien zur Selbstwertregulation sowie zusätzlich die oben genannten (meta-)kognitiven Lernstrategien in das Modell aufgenommen.
Ergebnisse Die Werte von AIC, BIC und ssaBIC nahmen kontinuierlich bis zur 5-Klassenlösung ab. Der Anstieg im BIC von der 5- zur 6-Klassenlösung spricht deutlich für die Lösung mit der geringeren Klassenanzahl (Nylund et al., 2007). Da VLMRT und LMR eine Lösung mit 2 oder 5 Klassen nahe legten und da analog zu Studie 1 die 5-Klassenlösung inhaltlich am sinnvollsten interpretiert werden konnte, wurden erneut 5 Klassen als finale Lösung extrahiert. Die Mittelwerte der Selbstwertskalen in den fünf ermittelten Klassen sind Tabelle 3 und Abbildung 1 zu entnehmen. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 171–186
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H. Kärchner und M. Schwinger, Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext
Es konnten erneut Gruppen von Studierenden mit einem „optimalen Selbstwert“ (ca. 12 %), „durchschnittlichen Selbstwert“ (ca. 38 %), „niedrigen Selbstwert“ (ca. 5 %), „instabil-kontingentem Selbstwert“ (ca. 34 %) und „niedrig-instabil-kontingentem Selbstwert“ (ca. 11 %) identifiziert werden. Die Profillösung in Studie 2 wies somit eine sehr hohe Vergleichbarkeit mit der aus Studie 1 auf, wobei lediglich zwei kleinere Unterschiede erkennbar waren. Zum einen war das Profil „durchschnittlicher Selbstwert“ tendenziell positiver ausgeprägt, d. h. mit leicht höheren Werten in Selbstwerthöhe, -stabilität und -kontingenz als in Studie 1. Hiermit zusammenhängend zeigte sich als zweiter Unterschied zur ersten Studie eine leicht veränderte Häufigkeitsverteilung der Studierenden auf die verschiedenen Profilgruppen. Insbesondere dem gerade beschriebenen, durchschnittlichen Selbstwertprofil wurden deutlich mehr Studierende zugeordnet als in Studie 1. Gleichzeitig fiel die Anzahl an Studierenden mit einem optimalen Selbstwert deutlich geringer aus. Somit scheint durch die oben beschriebene, leicht positivere Konnotation des durchschnittlichen Profils eine substantielle Menge an Probanden in diese Gruppe, und nicht wie in Studie 1 die Gruppe „optimaler Selbstwert“, eingeschlossen worden zu sein. Studierende der Profile „optimaler Selbstwert“ und „durchschnittlicher Selbstwert“ verwendeten ähnlich wie in Studie 1 im Vergleich zu den Studierenden der Profile „niedrig-instabil-kontingenter Selbstwert“ und „instabilkontingenter Selbstwert“ die eher maladaptiven Regulationsstrategien Self-Handicapping und Vermeiden selten, die adaptive Strategie Selbstbestätigung dagegen häufiger (siehe Tabelle 3 und Abbildung 2). Studierende des Profils „niedriger Selbstwert“ vermeiden im Vergleich zu den
Studierenden der anderen Profile am häufigsten potenziell selbstwertbedrohliche Situationen und bestätigen sich wiederum am seltensten selbst. Die Unterschiede in der Verwendung der kognitiven Lernstrategien fielen zwischen allen Profilen generell eher gering aus. Insgesamt zeigte sich die Tendenz, dass Studierende der Profile „optimaler Selbstwert“ und „durchschnittlicher Selbstwert“ im Vergleich zu den Studierenden der anderen Profile eher tiefenorientierte Strategien verwenden und eine hohe Anstrengungsbereitschaft aufweisen.
Studie 3 In Studie 3 sollten die identifizierten Selbstwertprofile ein weiteres Mal repliziert werden. Zudem wurde untersucht, ob sich die Zusammensetzungen und Auswirkungen der latenten Profile verändern, wenn als Indikatoren für die Selbstwertkontingenz sowohl die Werte der CSWS (Crocker et al., 2003) als auch der CSES (Paradise & Kernis, 1999) verwendet werden. Ein weiteres Ziel von Studie 3 bestand darin, die Zusammenhänge der latenten Selbstwertprofile zur subjektiven Lebenszufriedenheit der Studierenden zu ermitteln.
Stichprobe Die Rekrutierung der Versuchspersonen erfolgte über Aushänge in der Universität ANONYMISIERT und über die Weiterleitung von Links zu dieser Umfrage bei Facebook.
Tabelle 4. Studie 3: z-standardisierte Mittelwerte aller Skalen in den latenten Profilgruppen Latente Klassen
n
%
Höhe M (SE)
Stabilität M (SE)
Kontingenz CSWS M (SE)
Lebenszufriedenheit M (SE)
niedrig-instabil-kontingent
43
18.44 %
–1.56** (.16)
–1.14** (.11)
–0.39** (.22)
2.05a (.10)
durchschnittlich
86
37.58 %
–0.15** (.17)
–0.47** (.10)
–0.09** (.12)
2.64b (.07)
optimal
101
43.98 %
–0.78** (.08)
0.88** (.13)
–0.24** (.12)
3.04b,c (.07)
Anmerkungen: * p < .05, ** p < .01. Profile mit unterschiedlichen hochgestellten Buchstaben unterscheiden sich signifikant in der Ausprägung des jeweiligen Merkmals (p < .05).
Tabelle 5. Studie 3: z-standardisierte Mittelwerte aller Skalen in den latenten Profilgruppen Latente Klassen
n
%
Höhe M (SE)
Stabilität M (SE)
Kontingenz CSE M (SE)
Lebenszufriedenheit M (SE)
niedrig-instabil-kontingent
45
19.63 %
–1.49** (.14)
1.16** (.09)
–0.74** (.12)
2.04a (.09)
durchschnittlich
89
38.48 %
–0.08** (.11)
0.43** (.10)
–1.10 (.10)
2.71b (.07)
optimal
96
41.89 %
–0.77** (.06)
0.94** (.08)
–0.41** (.12)
3.02c (.07)
Anmerkungen: * p < .05, ** p < .01. Profile mit unterschiedlichen hochgestellten Buchstaben unterscheiden sich signifikant in der Ausprägung des jeweiligen Merkmals (p < .05).
Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 171–186
© 2018 Hogrefe
H. Kärchner und M. Schwinger, Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext
Als Anreiz wurden neben der Vergabe von Versuchspersonenstunden unter den Teilnehmenden 10 Amazon-Gutscheine im Wert von jeweils 20 € verlost. An der Studie nahmen insgesamt 335 Studierende aus 8 nord- und westdeutschen Universitäten teil, von denen 230 (69 %) alle Fragen vollständig beantworteten. Es wurde ein listenweiser Fallausschluss der nicht vollständigen Datensätze vorgenommen (vgl. Fußnote 1). Der durchgeführte MCARTest nach Little zur Überprüfung der ausgeschlossenen Fälle wurde nicht signifikant (χ2 = 160.74, df = 145, p = .18). Somit wurden schließlich 230 Studierende (162 weiblich, 68 männlich, Alter: M = 26.69, SD = 6.31) in den Analysen einbezogen. Fünfundachtzig Prozent der Studierenden befanden sich in den ersten vier Semestern ihres Studiums. Fünfundsechzig Prozent der Teilnehmer*innen gaben an, Psychologie zu studieren, während die übrigen 35 % über diverse andere Studienfächer wie z. B. Jura, Wirtschaftswissenschaften oder Medizin verteilt waren (vgl. ESM 1 für Informationen zu Studienfach und Fachsemester).
Messinstrumente und Analysen Zur Erfassung der Selbstwerthöhe und Selbstwertstabilität wurden dieselben Skalen wie in Studie 1 und 2 eingesetzt. Die Selbstwertkontingenz wurde sowohl global durch die deutsche Adaption der CSES (vgl. Studie 2) als auch bereichsspezifisch anhand der deutschen Version der CSWS (vgl. Studie 1) erfasst. Auf einer vierstufigen Skala von 1 (trifft überhaupt nicht zu) bis 4 (trifft völlig zu) beantworteten die Studierenden 4 Items zur temporalen Lebenszufriedenheit (Trautwein, 2004; Bsp.: „Ich bin mit meinem gegenwärtigen Leben zufrieden.“). In Studie 3 wiesen alle verwendeten Skalen gute bis sehr gute interne Konsistenzen auf (siehe ESM 2). Die latenten Profilanalysen wurden analog zu den beiden vorherigen Studien durchgeführt. Allerdings wurden zwei verschiedene Modelle berechnet, eines auf Basis der CSES, das andere auf Basis der CSWS. Als „auxiliary variable“ wurde in Studie 3 lediglich die Lebenszufriedenheit in das jeweilige Modell aufgenommen.
Ergebnisse Bei den LPAs, in denen die CSES von Kernis als Kontingenzmaß verwendet wurde, wiesen sowohl der BIC als auch die Werte von VLMRT und LMR auf ein Modell mit 3 latenten Klassen als beste Lösung hin. Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Studien lieferten Lösungen mit mehr Klassen keine sinnvoller interpretierbaren Ergebnisse, insbesondere da diesen zusätzlichen Profilgruppen nur wenige Personen zugeordnet werden konnten (n < 5). Aller© 2018 Hogrefe
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dings entsprachen die drei extrahierten Klassen eindeutig den zuvor ebenfalls identifizierten Profilen „niedrig- instabil-kontingenter Selbstwert“ (ca. 19 %), „durchschnitt licher Selbstwert“ (ca. 39 %) und „optimaler Selbstwert“ (ca. 42 %). In Bezug auf die Lebenszufriedenheit unterschieden sich alle drei Gruppen signifikant voneinander, wobei die Studierenden mit optimalem Selbstwert die höchste und diejenigen mit niedrig-instabil-kontingentem Selbstwert die geringste Lebenszufriedenheit berichteten (vgl. Tabelle 4 und Abbildungen 1 und 2). Bei den LPAs, in denen die CSWS von Crocker als Kontingenzmaß verwendet wurde, zeigten sich nahezu identische Ergebnisse. Auch hier wiesen die verschiedenen Fitindizes auf eine Lösung mit 3 Klassen hin und die Extraktion zusätzlicher Profilgruppen war ebenfalls aufgrund der zu geringen Personenzahl pro weiterer latenter Klasse nicht angezeigt. Die drei extrahierten Klassen entsprachen wiederum den Profilen „niedrig-instabil-kontingenter Selbstwert“ (ca. 18 %), „durchschnittlicher Selbstwert“ (ca. 38 %) und „optimaler Selbstwert“ (ca. 44 %). Die Lebens zufriedenheit fiel bei Personen mit optimalem Selbstwert am höchsten und bei Personen mit niedrig- instabil-kontingentem Selbstwert am geringsten aus (vgl. Tabelle 5 und Abbildungen 1 und 2).
Diskussion Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Selbstwertprofile von Studierenden mittels latenter Profilanalysen zu identifizieren und die Zusammenhänge dieser Profile mit einer Reihe wichtiger pädagogisch-psychologischer OutcomeVariablen zu untersuchen. Anhand der LPAs konnten in den Studien 1 und 2 fünf inhaltlich interpretierbare Selbst wertprofile extrahiert werden, die sich sowohl in den drei Selbstwertfacetten als auch hinsichtlich ihrer Zusammenhänge mit Selbstwertregulationsstrategien, selbstregulierten Lernstrategien und der Anstrengungsbereitschaft von Studierenden unterschieden. In Bezug auf die Prävalenz möglicher Selbstwertkombinationen legen diese Befunde nahe, dass Profile mit starken Diskrepanzen zwischen Selbstwertstabilität und Selbstwertkontingenz selten bis gar nicht bei Studierenden beobachtet werden. Ob diese Profile generell nicht existieren oder nur in unseren Studien nicht identifiziert werden konnten, kann in der vorliegenden Arbeit nicht abschließend beantwortet werden. Allerdings stehen diese Befunde in Einklang mit den häufig berichteten moderat positiven Korrelationen zwischen Selbstwertstabilität und -kontingenz (z. B. Schöne & Stiensmeier-Pelster, 2016), was einen Gleichklang oder höchstens eine kleine Diskrepanz erwartbar erscheinen lässt. In Studie 3 ließen sich drei von fünf SelbstwertprofiZeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 171–186
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H. Kärchner und M. Schwinger, Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext
len erneut replizieren, wobei die zuvor eher gering be setzten latenten Klassen nicht erneut extrahiert werden konnten. Eine mögliche Erklärung für die geringere Klassenanzahl in Studie 3 könnte in der kleineren Stichprobe liegen. Wenngleich für typische LPA-Szenarien eine Stichprobengröße von N = 225 empfohlen wird, um eine statistische Power von 0.80 zu erreichen (z. B. Nylund et al., 2007), scheinen die deutlich größeren Stichproben in den ersten beiden Studien die Identifikation etwas seltener Selbstwertprofile eher ermöglicht zu haben als in Studie 3. Interessanterweise waren die Resultate der dritten Studie jedoch nahezu unabhängig von dem jeweils verwendeten Maß zur Messung der Selbstwertkontingenz. In Kombination mit den vergleichbaren Profilmustern der Studien 1 und 2, in denen jeweils nur eines der beiden Instrumente eingesetzt wurde, legen diese Ergebnisse nahe, dass die Entscheidung für die Nutzung eines bestimmten Selbstwertkontingenzmaßes keinen wesentlichen Einfluss auf Anzahl und Ausprägung der latenten Selbstwertprofile hat. Darüber hinaus geben die größtenteils gelungenen Replikationen Anlass zu der Annahme, dass die hier berichteten Lösungen eine valide und repräsentative An näherung an die Art und Verteilung der „wahren“ Selbstwertprofile von Studierenden darstellen. Der Großteil der Studierenden ließ sich erfreulicherweise mutmaßlich adaptiven Selbstwertprofilen wie z. B. „optimaler Selbstwert“ zuordnen. Die Profile „niedrig-instabilkontingenter Selbstwert“, „durchschnittlicher Selbstwert“ und „optimaler Selbstwert“ bildeten sich studienüber greifend ab und wiesen stets das gleiche Ergebnismuster in Bezug auf die verschiedenen lernrelevanten Korrelate auf. Dabei ging das Profil „optimaler Selbstwert“ erwartungs gemäß mit den günstigsten Ergebnissen einher, beispielsweise bzgl. der häufigeren Nutzung tiefenorientierter Lernstrategien. Unsere Befunde stehen damit im Einklang mit den theoretischen Überlegungen von Kernis (2003, 2005). Nach Kernis (2003) geht ein hoher, stabiler und nicht kontingenter Selbstwert mit positiven Selbstwertgefühlen einher. Diese positiven Gefühle gegenüber der eigenen Person ermöglichen eine aktive und erfolgreiche Bewältigung von Lernsituationen und Herausforderungen im Lernkontext. Das Profil „niedriger Selbstwert“ zeigte das negativste Assoziationsmuster wie etwa die häufigste Verwendung von maladaptiven Selbstwertregulationsstrategien. Interessanterweise schnitten Studierende mit diesem Profil insgesamt sogar schlechter ab als Studierende der Profile „niedrig- instabil-kontingenter Selbstwert“ und „instabil-kontingenter Selbstwert“. Möglicherweise bietet die erhöhte Kon tingenz auch Chancen, da sie zumindest eine größere Aktivierung der Person in Bezug auf bedeutsame Ziele wie z. B. Klausuren im Studium begünstigen kann. Die Ab hängig keit des Selbstwerts kann Menschen dazu moti vieren sich anzustrengen, um Ziele in selbstwertrelevanten Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 171–186
Bereichen zu erreichen. Entsprechend hat sich empirisch gezeigt, dass Personen mit einer hoch ausgeprägten Selbstwertkontingenz mehr Anstrengung und Zeit hinsichtlich selbstwertrelevanter Bereiche investieren (Crocker et al., 2003). Zusammenfassend unterstreichen die Ergebnisse die Relevanz der kombinierten Verwendung der Selbstwertfacetten und unterstützen die Forderung von Kernis (2003) sowie Crocker und Kolleg*innen (2003) nach einer mehrdimensionalen Betrachtung des Selbstwerts, um präzisiere Verhaltensvorsagen treffen zu können. Außerdem legen die hier referierten Befunde nahe, dass die mehr dimensionale Betrachtung des Selbstwerts der Komplexität der Realität eher gerecht wird und zu dessen besserem Verständnis beiträgt. Für die pädagogisch-psychologische Praxis bedeutet dies, dass nicht die reine Erhöhung des Selbstwerts in verschiedenen Trainingsprogrammen im Fokus stehen sollte, s ondern dass Interventionen unter Berücksichtigung von Selbstwertstabilität und Selbstwertkontingenz durchgeführt werden sollten. Eine wichtige Einschränkung der vorliegenden Arbeit betrifft die Generalisierbarkeit der Befunde. Es wurden lediglich Studierende deutscher Universitäten untersucht, sodass die Ergebnisse nicht auf andere Personengruppen (z. B. Schüler*innen) und / oder Studierende anderer Länder übertragen werden können. Da die Mehrzahl der hier untersuchten Studierenden in den Fächern Psychologie und Erziehungswissenschaften eingeschrieben waren, kann aufgrund der Tatsache, dass die Themen Selbstwert und Lernstrategien in diesen Fächern zu den gängigen Lehrinhalten zählen, zudem die Unvoreingenommenheit dieser Probanden nicht mit Sicherheit angenommen werden. Eine Replikation der referierten Befunde mit Studierenden (oder alternativen Personengruppen), die über keine derart relevanten Vorkenntnisse verfügen, würde die hier gezogenen Schlussfolgerungen stützen. Des Weiteren können Selbstselektionseffekte nicht ausgeschlossen werden, die bei Online-Studien ein häufig berichtetes Problem darstellen (z. B. Bethlehem, 2010). Zwar wiesen die Studienankündigungen nur unspezifische Bezüge zum Thema Selbstwert auf und auch die Mittelwerte und Standardabweichungen der erhobenen Selbstwertskalen waren mit denen traditioneller Erhebungen vergleichbar. Dennoch ist es möglich, dass Studierende mit einem geringen Selbstwert in der Stichprobe unterrepräsentiert waren. Zukünftige Studien sollten dies berücksichtigen und zudem längsschnittlich oder experimentell angelegt werden, um die in der vorliegenden Arbeit aufgrund theoretischer Plausibilität unterstellte Kausalrichtung des Selbstwerts auf das Lernverhalten empirisch stützen zu können. Zusätzlich könnten weitere relevante OutcomeVariablen im Lern- und Leistungskontext, wie z. B. Noten als wichtiges Leistungsmaß, berücksichtigt werden (vgl. Baumeister et. al., 2003). © 2018 Hogrefe
H. Kärchner und M. Schwinger, Selbstwertprofile im Lern- und Leistungskontext
Elektronische Supplemente (ESM) ESM 1. Zusammensetzungen der Stichproben der Studien 1 bis 3 ESM 2. Reliabilitäten und deskriptive Statistiken der Studien 1 bis 3
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Prof. Dr. Malte Schwinger Philipps-Universität Marburg Fachbereich Psychologie, AG Kinderund Jugendpsychologie, AE Pädagogische Psychologie Gutenbergstraße 18 35032 Marburg Tel: +49 6421 28 23453 malte.schwinger@uni-marburg.de.
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Buchbesprechung Rost, D. H., Sparfeldt, J. R. & Buch, S. R. (Hrsg.). (2018). Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. Weinheim: Beltz. 954 Seiten, 59.00 €, ISBN 978-3-621-28297-0 Die erste Auflage vom Handwörterbuch Pädagogische Psychologie erschien 1998. Seitdem ist das Buch ein er folgreicher „Klassiker“ der pädagogisch-psychologischen Fachliteratur und hat sich als Standard-Nachschlagewerk sowohl für Studentinnen / Studenten der Pädagogik und Psychologie, als auch für Wissenschaftler / Wissenschaft lerinnen, aber ebenso für in der Praxis Tätige (wie Schulpsychologinnen / Schulpsychologen oder Lehrkräfte) fest etabliert. So wurde das Handwörterbuch in den Jahren 2003, 2006 und 2010 auch schon dreimal von Detlef H. Rost überarbeitet und aktualisiert, um es stets auf dem neusten Stand der Wissenschaft zu halten. Für die aktuelle Neuauflage – mittlerweile ist es also bereits die fünfte – standen Detlef H. Rost (Philipps-Universität Marburg und Southwest University Chongqing) mit Jörn R. Sparfeldt (Universität des Saarlandes) und Susanne R. Buch (Universität Wuppertal) erstmals zwei kompetente Mitheraus geber zur Seite. Die im März 2018 erschienene Ausgabe enthält 105 Stichwörter von insgesamt 150 Autoren. Zentrale Themen sind etwa „Entwicklung, Lernen, Erziehung“ (Sabine S. Weinert & Franz E. Weinert, ca. 13 zweispaltige Druckseiten), „Pädagogisch-psychologische Diagnostik“ (Detlev Leutner & Stephan Kröner, ca. 10 Seiten), „Determinanten der Schulleistung“ (Christian Brühwiller & Andreas Helmke, ca. 14 Seiten) „Schulreife und Schulfähigkeit“ (Gisela Kammermeyer & Sabine Martschinke, ca. 11 Seiten) oder „Sozialisation“ (Klaus Hurrelmann, Michel Erhart & Ulrike RavensSieberer, ca. 11 Seiten), um nur einige herauszugreifen. Auch einige neue Themen k amen in der 5. Auflage hinzu, so zum Beispiel „Inklusion“ (Michael Grosche & Miriam Vock, ca. 9 Seiten), „Emotionen im Lern- und Leistungskontext“ (Anne C. Frenzel & Thomas Götz, ca. 10 Seiten), „Neurowissenschaftliche Lehr-Lern-Forschung“ (Roland H. Grabner, ca. 10 Seiten), „Erwartungswidrige Schulleistungen“ (Jörn R. Sparfeldt & Susanne R. Ruch, ca. 11 Seiten), oder „Stress in der Schule“ (Arnold Lohaus, ca. 9 Seiten). Trotzdem ist der Umfang des Handwörterbuches im Vergleich zur Vorgängerversion nicht angestiegen. Waren es zuvor 1033, so sind es jetzt 954 großformatige Seiten. Das Handwörterbuch Pädagogische Psychologie bleibt damit nach wie vor ein besonders umfassendes und gleichzeitig © 2018 Hogrefe
gut handhabbares Kompendium, welches das Gesamtgebiet der Pädagogischen Psychologie bestmöglich abdeckt. Neben dem Seitenumfang konnte auch die Gesamtanzahl der Stichwortkapitel trotz Aufnahme neuer Themen von 115 auf 105 leicht gesenkt werden. Verwandte Einzel kapitel der Vorgängerauflage (wie zum Beispiel „Zensuren“ und „verbale Schulleistungsbeurteilung“) werden nun in etwas umfangreicheren Gemeinschaftskapiteln zusammengefasst. Dies hat den Vorteil, dass ein Hin- und Herspringen zwischen kleineren Einzelkapiteln entfällt, was den Lesefluss erleichtert. Außerdem entfallen in der Neuauflage einige Stichwörter, welche die Pädagogische Psychologie eher im weiteren Sinne berühren. So sind beispielsweise die früheren Kapitel zu prosozialem Verhalten, Gesundheitsverhalten, oder Temperament nicht mehr zu finden. Die vormaligen Beiträge zu Familienthemen (Familienpsychologie, Familieninteraktion, Familienerziehung, Elternhaus und Schule) werden sicherlich auch aufgrund ihrer großen Schnittmenge in der aktuellen Auflage unter dem übergeordneten Stichwort „Eltern und Familie“ (Elke Wild & Jelena Hollmann, ca. 11 Seiten) zusammengefasst. Auf Kapitel zur allgemeinen Forschungsmethodik (z. B. Metaanalyse) wird mehr noch als in den vorherigen Auflagen verzichtet. Als rein methodisches Stichwort bleibt nur das Kapitel „Mehrebenenanalyse“ erhalten (Oliver Lüdtke & Olaf Köller, ca. 5 Seiten), da dieses Verfahren für die pädagogisch-psychologische Forschung besonders bedeutsam ist (Umgang mit Klumpenstichproben: Schüler sitzen in Klassen, und Klassen befinden sich in Schulen usw.). Da Detlef H. Rost mit „Interpretation und Bewertung pädagogisch-psycho logischer Studien“ (Rost, 2013) jedoch bereits ein hervorragend anschauliches und verständliches Buch zu methodischen Fragestellungen der Pädagogischen Psychologie verfasst hat, können an methodischen Themen stärker Interessierte diese dort vertiefen. Angesichts der Bedeutung methodischen Grundlagenwissens hätte eine umfangreichere Aufnahme dieser Inhalte dem Handwörterbuch sicherlich trotzdem gutgetan – allein schon deshalb, weil Leserinnen und Leser so einmal mehr von Rosts Fähigkeit, auch komplexere Sachverhalte pointiert-prägnant begreiflich machen zu können, profitieren würden. Aus ökonomischer Sicht ginge eine verstärkte AufZeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 187–188 https://doi.org/10.1024/1010-0652/a000225
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nahme methodischer Themen in das Handwörterbuch Pädagogische Psychologie allerdings auch mit einer beträchtlichen Umfangserweiterung und einem wahrscheinlich deutlich höheren Verkaufspreis einher. Beides würde den Rahmen eines „Handbuches“ sprengen. Methodische Aspekte empirischer Forschung bleiben in der Neuauflage des Handwörterbuchs trotzdem nicht vollkommen außen vor. So werden in den einzelnen Kapiteln oft für den entsprechenden Themenbereich relevante empirische Studien mit Hilfe von Exkurs-„Kästen“ aufgegriffen. In diesen Exkursen werden die Studien – einem einheitlichen Gliederungsprinzip folgend (Stichprobe und Vorgehen, Auswertung, Ergebnis, Kommentar) – dargestellt sowie kurz bewertet. In vielen Beträgen der Neuauflage wird der differenzierten und kritischen Diskussion des Stands der Forschung und dessen Limitationen sogar ein eigener Abschnitt eingeräumt. Weiterhin sind im Vergleich zur Vorgängerauflage noch umfangreichere Lektüreverweise aufgeführt. Hier zahlt es sich einmal mehr aus, dass für alle Stichwortkapitel gezielt (mehrere) ausgewiesene Experten / Expertinnen mit umfangreichen Kenntnissen im jeweiligen Themenbereich als Autoren / Autorinnen gewonnen wurden. Sie geben in jedem Kapitel anhand einführender, weiterführender und zitierter Quellen einen fundierten Überblick über die relevante (Forschungs-) Literatur zum jeweiligen Thema. Interessierte Leserinnen / Leser können sich so schnell und gezielt zu spezifischen Inhalten tiefgreifender informieren. Die vielen Querverweise zwischen den einzelnen Buchkapiteln helfen dabei zusätzlich. Es spricht für die Konzeption des Handwörterbuchs, dass bei diesem hohen wissenschaftlich-empirischen Niveau der Beiträge dennoch der Fokus der aktuellen Auflage auf praktisch relevanten und anwendungsnahen Themen der Pädagogischen Psychologie liegt. Und das ist sogar noch etwas stärker als in den Vorgängerauflagen der Fall, wie unter anderem die Neuaufnahme der Kapitel „Berufsfelder der Pädagogischen Psychologie“ (Birgit S pinath, ca. 7 Seiten), „Lernen mit elektronischen Medien“ (Detlev Leutner & Roland Brünken, ca. 6 Seiten), „Prokrastination“ (Carola Grunschel & Stefan Fries, ca. 8 Seiten), oder „Prädiktoren von Studien- und Berufserfolg“ (Heinz Schuler & Johannes Schult, ca. 8 Seiten) zeigt. Im zuletzt genannten Kapitel werden innerhalb von 8 Seiten wichtige Vorhersagevariablen für Erfolg in Studium und Beruf vorgestellt. Deren Güte sowie Grenzen werden dabei diskutiert und konsequent mit empirischen Daten untermauert. Der Dynamik pädagogisch-psychologischer Erkenntnisse tragen die Autoren ebenfalls Rechnung, indem sie immer wieder darauf eingehen, wie sich die Befundlage zur Prognosegüte von zum Beispiel Schul- oder Studiennoten im Laufe der vergangenen Jahrzehnte mitunter auch verändert hat. Selbst wenn Zeitschrift für Pädagogische Psychologie (2018), 32 (3), 187–188
nicht alle Ausführungen in diesem Beitrag beim ersten Lesen vollkommen neu oder überraschend sein werden („Schulnoten und Leistungstests bleiben somit weiterhin die zentralen Prognoseinstrumente [für Studienerfolg]“, S. 648), so sind sie doch nicht minder wichtig. Die Lektüre des Kapitels ist folglich nicht nur aus der Perspektive von Psychologinnen / Psychologen bzw. Pädagogen / Pädagoginnen im Rahmen beruflicher Laufbahnberatung lohnenswert. Auch studentische Leserinnen / Leser können vor dem Hintergrund eigener beruflicher Entscheidungen sicherlich davon profitieren. Ein weiteres Beispiel für die gelungene Verbindung von wissenschaftlicher Fundiertheit und Praxisbezug im Handwörterbuch Pädagogische Psychologie ist das (schon in der Vorgängerauflage enthaltene) Stichwortkapitel „Hausaufgaben“ (Christoph Mischo & Ludwig Haag, ca. 9 Seiten). In diesem Beitrag werden zunächst die praktischen Ziele und Funktionen von Hausaufgaben dargestellt, bisherige Studien zur Wirkung von Hausaufgaben kompakt aufgeführt, interpretationsrelevante methodische Schwierigkeiten bei solchen Untersuchungen diskutiert (was genau betrachtet man z. B. überhaupt als „Hausaufgaben“?) und Implikationen zur möglichst optimalen Gestaltung der Hausaufgabenvergabe (zumindest aus bisheriger wissenschaftlicher Sicht) abgeleitet. Besser auf den Punkt gebracht hätte das in der bisherigen pädagogischen Psychologie – zu Unrecht – wenig beachtete, aber definitiv relevanten Thema kaum aufbereitet werden können. Wie mit diesen Ausführungen schon angedeutet, bekräftigt das Handwörterbuch Pädagogische Psychologie somit auch in der fünften Auflage seinen Ruf, nicht nur für wissenschaftlich interessierte Psychologinnen / Psychologen sowie Studenten / Studentinnen der Psychologie und Erziehungswissenschaft, sondern auch für praktisch orientierte Pädagoginnen / Pädagogen, Erzieher / Erzieherinnen oder Lehrkräfte das effiziente, informative und in sich schlüssige Nachschlagewerk der Wahl zu sein. Der Preis mit 59 € ist angesichts des Umfangs und der Qualität angemessen: Immerhin bekommt man für dieses Geld den Sachverstand von 150 Experten in einem Band konzentriert.
Literatur Rost, D. H. (2013). Interpretation und Bewertung pädagogischpsychologischer Studie. Eine Einführung (3. Aufl.). Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Laura Ackermann Institut für Psychologie TU Chemnitz Wilhelm-Raabe-Str. 43 D-09107 Chemnitz laura.ackermann@psychologie.tu-chemnitz.de © 2018 Hogrefe
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