Monatliche Gesamtausgabe Nr. 07-2022

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-8Damit würde dann die Bundesnetzagentur in Absprache mit den regionalen Versorgern über die Zuteilung von Gas entscheiden.

klar sei, wie sich die Lage im Herbst und Winter entwickeln werde, so Müller. „Es ist nicht möglich, hier Vorhersagen zu treffen.“

In einer Gasmangellage gilt die europäische SOS-Verordnung, die für geschützte Kunden die Versorgung garantiert, also vor allem private Haushalte, Pflegeheime, Krankenhäuser, Kasernen etc.

Man werde sich vom Ziel der Aufrechterhaltung der unmittelbaren Versorgung der Bevölkerung leiten lassen. Eine Klassifizierung besonders schützenswerter Branchen und Food-Produkte entlang von NACECodes, wie sie einzelne EU-Staaten bereits vorgenommen haben, ist in Deutschland bislang nicht vorgesehen.

In einer solchen Gasmangellage wäre die Bundesnetzagentur gezwungen, sehr zeitnah Rationierungsentscheidungen zu treffen. Diese würden dann auch die Industrie treffen. Die Bundesnetzagentur hat am 17. Mai 2022 ein Dokument veröffentlicht, in dem sie sich erstmals zu den Kriterien der Verteilung im Notfall äußert und das nun weiterentwickelt werden soll.

Es kann derzeit lediglich davon ausgegangen werden, dass der Tierschutz bei der Zuteilung von Gas ein Kriterium sein wird, um – analog zur Covid-Krise – Zuspitzungen in der Milch-, Fleisch- und Geflügelwirtschaft zu vermeiden.

Darin spielt die 10 MWh-Grenze eine wichtige Rolle: Derzeit werden die 2.500 größten industriellen Kunden in Deutschland auf einer IT-Plattform erfasst. Über die Plattform soll dann die Zuteilung von Gas an die Unternehmen interaktiv und digital gewährleistet werden.

Jede Gaskürzung oder Gasabschaltung für ein Unternehmen sei „entschädigungsfähig und entschädigungspflichtig“, betonte Müller, der auf die Bundesregierung wie auch auf die Gerichte in dieser Frage ein erhebliches Arbeitspensum zukommen sieht.

Die Plattform werde aber erst im Herbst fertiggestellt sein, so dass derzeit bei einer Mangellage Großkunden ebenso wie mittelständische Betriebe „ratierlich und prozentual Gas reduzieren“ müssten. Es gebe derzeit „keine Möglichkeit für die Bundesnetzagentur, individuell zu entscheiden“.

Details zu möglichen Entschädigungen wurden auf Nachfrage nicht genannt, auch nicht zu der Frage, wie der Entschädigungsanspruch bei einem Brennstoffwechsel, etwa von Gas zu Öl, zu bewerten ist.

Für alle Betriebe erfolge im Notfall eine prozentuale pauschale Kürzung. Nur kleine Betriebe und Handwerksbetriebe, vor allem solche in Wohngegenden, seien vor einer Rationierung geschützt, da wegen deren Nähe zu privaten Haushalten aus technischen Gründen eine Kürzung nicht in Frage komme. Die Bundesnetzagentur bringt klar zum Ausdruck, dass aufgrund fehlender Daten derzeit keine detaillierte Abschaltreihenfolge nach Branchen festgelegt werden kann. Es fehlten viele Parameter und das Ausmaß der Unsicherheit sei derart hoch, dass die Behörde hier unmöglich eine Entscheidung treffen könne, betonte Müller. Der Chef der Bundesnetzagentur machte auch deutlich, dass bisher von Pharma über Verpackung, Glas, Keramik und Logistik bis hin zu Lebensmitteln „jeder Wirtschaftszweig sehr glaubwürdig darlegen“ konnte, weshalb in seinem Bereich keine Kürzung von Gas möglich sei. Jedoch müsse im Notfall zwingend eine Entscheidung über Kürzungen getroffen werden, auch wenn dies sehr schmerzhaft sei. Auf Nachfrage machte der Behördenchef deutlich, dass eine generelle Priorisierung der Lebensmittelindustrie bei der Zuteilung von Gas nicht in Frage komme. Die Bundesnetzagentur könne nicht der gesamten Ernährungswirtschaft eine Garantie geben, da völlig un-

In dem Verbändegespräch wurde aber einmal mehr deutlich, dass sich die Wirtschaft auch auf geografisch sehr unterschiedliche Kürzungen einstellen muss, da die Versorgungslage in Industriezentren anders zu beurteilen sei als in strukturschwachen Regionen. Müller erläuterte, in Deutschland werde das NordSüd-Gefälle bei der künftigen Gasversorgung eine wichtige Rolle spielen. In der neuen Gas-Geographie würden vermehrt Lieferungen aus Norwegen, Belgien und den Niederlanden im Norden und Westen der Republik anlanden, gleichzeitig würden Häfen an der Nord- und Ostsee im Eiltempo für den Empfang von LNG/Flüssiggas ertüchtigt. Die Beschaffung von Flüssiggas auf dem Weltmarkt sei nicht das eigentliche Problem, da es genug Ressourcen gebe; die Schwierigkeit liege darin, die LNGSchiffe zu löschen, da es noch keine Terminals in Deutschland gibt. An deren Genehmigung und Bau werde mit Hochdruck gearbeitet. Nicht nur die Beschaffung von Gas sei aufwändig, sondern vor allem auch die Verteilung innerhalb Deutschlands. Es komme letztlich auch immer darauf an, an welche Gasleitungen das einzelne Unternehmen angeschlossen sei und wie diese versorgt werde. Um eine Gasmangellage so lange wie möglich hinauszuzögern oder gar zu vermeiden, setze die Politik weiter auf die Themen Beschaffung, Nutzung alternativer Energien und Energiesparen, da in zwölf Wochen bereits wieder die Heizsaison beginnt.


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