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Moderne Hexerei

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Im «Alchemist» brodelt es immer wieder. Im Bild ist eine Stichfl amme, die mit Zimt ausgelöst wurde.

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Ruth Marending

BILDER

zVg

Es ist keine Molekularküche im Spiel, auch wenn es so aussieht. Der «Alchemist» in Basel hält, was sein Name verspricht: ein gastronomisches Erlebnis voller chemischer Reaktionen.

Blick in den «Alchemist» an der Basler Schifflände: eine Mischung aus Labor und Eventgastronomie.

Wer den «Alchemist» in Basel betritt, taucht in eine besondere Welt ein. Der grosszügige Gastraum mit integrierter Bar ist ganz in Anthrazit gehalten. Gleich beim Eingang blubbert eine grosse Skulptur. Die Installation mit Reagenzgläsern ahmt eine chemische Reaktion nach. Entlang der Wände und der offenen Küche reihen sich Apothekergläser. Jene entlang der Küchenzeile sind mit getrockneten Küchenkräutern gefüllt, jene an der Wand mit Heilkräutern. Das Ganze hat eine mystische Ambiance.

Gleich zu Beginn wird der Gast mit einer ausführlichen Erklärung zum Konzept begrüsst: «Bei uns ist Teilen angesagt. Wir haben keine klassische Speisekarte, alle Gerichte sind auf dem Tischset aufgeführt und können einzeln bestellt werden. Und ja, wir haben keine Markenprodukte, sondern stellen alles selber her, auch die Getränke», so die Bedienung. Alle Gerichte, also jede Gemüse-, Fleisch- oder andere Bestellung, kommen einzeln in kleinen Schalen, die in die Mitte des Tisches gestellt werden. Wie die Gerichte geteilt werden, entscheidet jeder Gast individuell.

Ein gut durchdachtes Konzept

Die Idee für das Sharing-Konzept im «Alchemist» trägt Mark Santo Tomas schon seit Jahren im Kopf. «Als ich es endlich umsetzte, erinnerte sich mein Umfeld daran, dass ich bereits in meinem ersten Lehrjahr als Chemielaborant von diesem

Gut zu wissen:

Die Liegenschaft an der Basler Schifflände, wo sich der «Alchemist» befindet, ist stadtbekannt als Restaurant Lällekönig. Lange Zeit logierte hier die Churrasco-Kette. Drei Jahre stand das Haus leer, bevor der «Alchemist» einzog. Als es um die Namensfindung für das neue Lokal ging, wäre es nahe gelegen, sich auf den eingebürgerten Namen Lällekönig zu berufen. Bewusst hat sich Mark Thomas dagegen entschieden: «Das ist für mich ein No-Go, so wie wenn im Restaurant Sonne Pizza serviert wird. Das ist keine Einheit, macht keinen Sinn und widerspiegelt nicht die Idee des Konzeptes.»

Konzept geredet habe», so der 49-Jährige mit philippinischen Wurzeln. Sein Faible für die Gastronomie kam schon damals nicht von ungefähr: «Ich wollte immer eine Kochausbildung machen, aber meine Eltern, selber in der Forschung tätig, fanden keinen Gefallen daran.» So entschied sich der in Liestal/BL Aufgewachsene, den Spuren seiner Eltern zu folgen und erst im zweiten Bildungsweg die SHL Schweizerische Hotelfachschule Luzern zu absolvieren. Mit dem «Alchemist» hat er seine beiden Ausbildungen unter →

ZURÜCK ZU DEN WURZELN

Der Lällekönig, der dem ursprünglichen Restaurant seinen Namen gegeben hat, ist ein überlebensgrosser Kopf aus bemaltem Kupferblech mit einer Krone. Das Original war am Basler Rheintor bei der Mittleren Brücke angebracht und streckte so den Ankömmlingen die Zunge heraus. Er hatte einen Mechanismus, der ihn viermal pro Minute die Augen rollen und die Zunge herausstrecken liess, was ihm auch seinen Namen gab: «Lälli» ist ein baseldeutsches Wort für Zunge. Mit der Zeit wurde der Lällekönig so etwas wie ein Stadtwahrzeichen. Doch nicht an diese Ära wollte Mark Thomas mit seinem Konzept anknüpfen, sondern an die frühere Bestimmung der Liegenschaft. Denn einst war an dieser Adresse eine Apotheke zu Hause. Und jetzt zieht mit dem Restaurant Alchemist eine faszinierende Aura aus Labor und Apotheke ein.

Als Alchemie wurde ab dem 1./2. Jahrhundert die Lehre von den Eigenschaften der Stoff e und ihren Reaktionen bezeichnet. Sie ist ein alter Zweig der Naturphilosophie und wurde im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts von der modernen Chemie und der Pharmakologie begriffl ich abgetrennt. Das Spektrum der Alchemisten reichte von praktischen frühen Chemikern, Herstellern von Schiesspulver und Pharmazeuten bis zu frühen Vorstellungen über den Aufbau der Materie, wozu auch die Umwandlung (Transmutation) von Metallen und anderen Elementen gehörte und weiterem mehr. Die Flaschen hinter der Bar sind keine Markenprodukte, sondern selber kreierte Spirituosen.

Bis 1930 war im Eckhaus Basler Eisengasse und Schiffl ände eine Apotheke ansässig. einen Hut gebracht und etwas Neuartiges geschaff en. «Bei uns ist alles ein wenig anders», so Santo Tomas.

Das Lokal umfasst Café, Bar, Lounge und ein Restaurant mit off ener Küche und bietet rund 60 Sitzplätze. Auf dem Tischset sind die Gerichte einzeln aufgeführt. Dort gibt es nicht die übliche Einteilung in Vorspeise, Hauptspeise und Dessert, sondern nach der Art der Zubereitung. Die Rubriken heissen: Geerntet, Gesiedet, Geräuchert, Gebacken, Geschmort, Gedämpft, Frittiert, Sautiert, Pochiert, Püriert, Blanchiert und Grilliert. Und bei jeder Kategorie sind nur zwei bis drei Gerichte aufgeführt, die als einzelne Portionen in Schälchen serviert werden. Da gibt es etwa unter Gesiedet eine Liebstöckl-Randen-Suppe für zehn Franken oder unter Geschmort für 17 Franken das Gericht Karotte, Kurkuma, das mit Kichererbsen, Dörrfrüchten, Kokosmilch und Mandeln verfeinert wird. Unter Grilliert gibt es für 18 Franken ein Flanksteak vom Rind mit Gojibeere, geräuchertem Salz und Roteibe. Nicht nur für den Gast, sondern auch für die Küche ist das Konzept neu. «Bei uns gibt es nicht wie sonst üblich Tellergerichte, sondern wir kochen die Gerichte jeden Tag in grösseren Portionen und füllen danach für den Service die Schälchen einzeln ab», erklärt Küchenchef Khaled El Ashkar.

Riesenpinzette statt Messer und Wein im Messbecher

Beim Table Top sieht der Gast: Da ist etwas komplett anders. Zwar gibt es Gabel und Löff el, hingegen kein Messer. Dafür liegt auf dem Besteckblock eine grosse Pinzette, die zum Aufpicken der Speisen dient. Ein Blick in die Getränkekarte, hier Labor-

Im «Alchemist» wird Wasser mit und ohne CO2 gratis serviert. Die Philosophie dahinter: So bestellt der Gast ein teureres Zusatzgetränk.

journal genannt, off enbart weitere Überraschungen. Es gibt keine Rubrik Softgetränke, Weine oder Spirituosen. Es gibt die Kategorien Getrocknet, Extrahiert, Filtriert oder Mazeriert, Digeriert und weitere mehr. Ein Beispiel: Bestellt der Gast einen hausgemachten Sirup, dann bekommt er eine 25 Milliliter grosse Portion zum Selbermischen – selbstverständlich in einer Laborblase serviert. Wird ein Panache geordert, kommt auch dieses Bestellung, einzeln im gläsernen Laborgeschirr an den Tisch zum Selbermixen. Im Laborjournal klingt das so: «Fusioniere dein Bier mit Sirup deiner Wahl: Kräutermischung, Prei-

Im «Alchemist» kommt viel Trockeneis zum Einsatz. selbeer und Minze, Limette oder Cola und Limette. Wobei auch bei Cola nicht auf bekannte Marken zurückgegriff en, sondern eine eigene Mischung kredenzt wird.

Zuständig für den Getränkebereich ist Oliver Moser, der in der Barszene vor allem durch seine Barwerkstatt in Thun/BE bekannt ist. Ursprünglich war geplant, dass er im «Alchemist» nur die Startphase begleitet und das Konzept für den Getränkebereich umsetzt, dann aber fand er Gefallen am Betrieb. «Ich stehe nun seit 20 Jahren hinter dem Tresen. Hier aber kann ich viel selber kreieren, pröbeln und tüfteln, das gefällt mir sehr.» So sehr, dass er den Wohnort nach Basel verlegt und eine Festanstellung im «Alchemist» angenommen hat, wo er auch seine Barfachschule integrieren konnte. Im hauseigenen Labor tüftelt er immer wieder an neuen Getränkerezepten. Zwar hat er keine Brennlizenz, doch er verfeinert die Grundspirituosen zu Eigenkreationen. Schliesslich gilt es, den Gästen immer wieder Neues zu bieten: «Wir wechseln in jedem Quartal die Speisekarte und passen die Getränkeauswahl an. Deshalb braucht es immer wieder neue Ideen für Cocktails, die wir bei unseren Mehrgangmenüs mit Cocktailbegleitung servieren», so Moser. •

KONTAKT

Der Alchemist Schiffl ände 1 4051 Basel Tel. 061 561 88 68 alchemistbasel.ch

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