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Kellereien setzen Wein in Szene

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Gabriel Tinguely

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zVg

Wo Zitronenbäume auf schneebedeckte Gipfel treffen, liegt die Heimat spannender Weine. Südtiroler Winzer haben mit gemeinsamer Arbeit und visionären Ideen Anziehungspunkte für Weinliebhaber geschaffen.

Zwischen Bern und Bozen liegen je nach Route 530 Kilometer. Im besten Fall dauert die Fahrt mit dem Auto sechseinhalb Stunden. Bahnreisende sind acht Stunden unterwegs – etwas viel, selbst für einen verlängerten Wochenendausflug. Doch das Südtirol ist immer eine Reise wert. Denn der deutschsprachige Norden Italiens bietet charmante Hotels, eine hochstehende Gastronomie und beste Weine aus mehr oder weniger bekannten Rebsorten. Zu letzteren gehören Gewürztraminer, Vernatsch, Lagrein und Rosenmuskateller.

Die meistangebaute Rebsorte ist mit 11,9 Prozent jedoch Grauburgunder/Pinot Grigio. Dann folgen die blaue Sorte Vernatsch mit 11,4 Prozent sowie Gewürztraminer, Weissburgunder und Chardonnay mit einem Anteil von je etwas mehr als zehn Prozent. Blauburgunder und Lagrein belegen jeweils knapp neun Prozent der Rebfläche, Sauvignon Blanc acht Prozent. Mit 0,1 Prozent ist der Rosenmuskateller eine rare Spezialität.

Zu etwas mehr als 20 Rebsorten kommen die Vielseitigkeit des Terroirs, kontrastreiche Klimabedingungen sowie der Erfahrungsschatz und Innovationswillen der Weingüter (dws.bz), der freien Weinbauern (fws.it) und der Genossenschaftskellereien (kellereiverband.it).

Seit der Gründung der ersten Genossenschaften im Jahr 1893 spielen die Kellereien eine tragende Rolle. Deren Mitglieder besitzen im Durchschnitt nur einen Hektar Reben – zu wenig für eine eigene Infrastruktur und Vermarktung. Immerhin verarbeiten die Kellereien die

Gut zu wissen:

Das Weindorf Tramin ist stolz auf die Sorte Gewürztraminer. Dass die Sorte aus dem Südtirol stammt, ist nicht belegt. Erstmals tauchte Gewürztraminer in einem deutschen Dokument aus dem Jahr 1827 auf. Dass Wein aus Tramin gute Preise erzielte, belegte ein Dokument aus Bozen bereits 1242. Heute zählt der trockene, hoch aromatische, nach Rosen und Litschi duftende Weisswein zu den gefragtesten Weinen Südtirols. Auf elf Prozent der gesamten Rebfläche wird Gewürztraminer angebaut, der in Tramin eine üppige Textur aufweist und im Eisacktal etwas schlanker daherkommt. Die Weine begleiten ein Essen vom Aperitif bis zum Dessert. Sie passen zu Fisch und Meeresfrüchten, zur modernen Gemüseküche und zur asiatischen Küche.

Ernte von 3185 der insgesamt 5500 Hektaren Rebfläche des Südtirols. Trotz des Potenzials bester Lagen wurde lange Zeit Masse statt Klasse produziert. Dann legte die Einführung der DOC-Bezeichnungen «Kalterer See» im Jahr 1970 und «Südtirol» im Jahr 1975 den Grundstein für strenge Regeln und Qualitätskontrollen. Heute stehen 98,8 Prozent der gesamten Rebfläche Südtirols unter DOC-Schutz.

Zudem bewirkte die gute Ausbildung der jungen Generation zu Beginn der 1980er-Jahre einen Paradigmenwechsel. So war Hartmuth Spitaler, Direktor der Kellerei Girlan, ein Pionier. Er gab dem hellroten Vernatsch vom Kalterer See und St. Magdalena, der als Literwein verkauft wurde, ein neues Image. Auch Luis Raifer, Agrarwissenschaftler und Geschäfts-

Im neuen Hauptgebäude der Kellerei Kaltern treff en sich Winzer und Besucher in der Vinothek auf ein Glas Wein. In der Dämmerung leuchten auf der rostigen Fassade Rebblätter.

führer der Kellerei Schreckbichl, war eine treibende Kraft hinter der Südtiroler Qualitätsoff ensive.

Die Qualitätsoffensive geht weiter

Alle Kellereien bieten eine breite Palette an Weiss- und Rotweinen an. Dennoch hat sich jede auch spezialisiert. Das junge Team der Kellerei Kurtasch setzt auf nachhaltige Produktion und Lagenweine, die ihr Terroir bestmöglich widerspiegeln. An der Spitze stehen die Freienfeld-Weine Cabernet Sauvignon und Chardonnay aus den besten und ältesten Reblagen.

Weissburgunder ist die Leitsorte der Kellerei St. Pauls in Eppan. Der «Plötzner» ist im Südtirol und ganz Italien ein Bestseller. Der Weissburgunder Sanctissimus aus einem der ältesten Weinberge Südtirols ist das Glanzstück der Kellerei. Am linken Ufer des Flusses Etsch ist das Terroir geprägt von Porphyr. Dieses purpurfarbene Vulkangestein mit Quarzeinschlüssen bietet den idealen Grund für weisse Sorten. Weissburgunder und Chardonnay der Linie Rarity der Kellerei Terlan reifen mindestens zehn Jahre auf den Feinhefen und sind für die Ewigkeit gemacht. Zeugnis davon gibt das mit über 100 000 Flaschen bestückte Weinarchiv. Ein Raritätenkeller, der verschiedene Jahrgänge von 1955 bis heute birgt. Einzelne Flaschen reichen sogar bis ins Gründungsjahr 1893 zurück. Auf der gegenüberliegenden Etschseite dominiert Kalkstein. Dort hat sich die Kellerei Andrian auf Rotweine aus Vernatsch, Lagrein und Pinot Noir spezialisiert.

Der Kellermeister von St. MichaelEppan, Hans Terzer, ist für seine eleganten und vielschichtigen Weissweine weltbekannt. Sanct Valentin ist die bekannteste Linie und umfasst neun Weine. Als «Mister Sauvignon» hat Hans Terzer zudem die Geschichte dieser Rebsorte Sauvignon Blanc mitgeschrieben.

In Bozen liegt auf der westlichen Stadtseite die Zone Gries. Dort befi ndet sich der neue Sitz der Kellerei Bozen. Gries ist die Heimat des Lagrein. Hier fi ndet die Sorte ideale Bedingungen vor. Alte Rebbestände, beinahe 100 Jahre alt, werden für die Lagrein Riserva Taber verwendet. In Summe produziert die Kellerei Bozen fünf Lagrein-Weine. Ein weiterer Schwerpunkt bilden die Vernatsch-Weine. Die Reben dafür stehen in der Zone St. Magdalena im Osten der Stadt Bozen.

Etwas abseits, durch eine Schlucht vom Haupttal der Etsch getrennt, liegt das Eisacktal. Rund um Brixen sorgen Bergwinde für ein kühleres Mikroklima. →

 Zu den vielen Meilensteinen in der Geschichte der Kellerei Tramin gehört auch der Umbau der Produktionsräume und der Vinothek. Deren Struktur erinnert an Ranken der Rebe.

In der extravaganten Vinothek präsentiert das ambitionierte und innovative junge Team der Kellerei Kurtatsch charaktervolle Weine.

Riesling, Sylvaner, Kerner und Gewürztraminer fallen deshalb etwas schlanker aus. Nebst der Arbeit an der Qualität der Weine, die von allen Mitgliedern getragen werden, investierten die Kellereien in neueste Technologien und hochmoderne Ausstattungen. Traditionelle Lokale und avantgardistische Neubauten bieten Flächen für Wein-Events und dienen ebenso als Anziehungspunkt für Architektur- und Designliebhaber.

Der Weg in die Zukunft

Am 17. Februar 2020 wurde die Südtirol Wein Agenda 2030 angenommen. Dann kam Corona und wirbelte alles gehörig durcheinander. Jetzt nimmt die Agenda wieder Fahrt auf. Sie soll der Nachhaltigkeit in allen Facetten gerecht werden und beleuchtet die ökologischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen und technologischen Seiten der Weinwirtschaft. Fünf aufeinander wirkende Aktionsfelder beinhaltet die Agenda: Boden, Reben, Wein, Menschen und Land. So soll in der Bodenpflege die Stickstoff-Düngung durch organische Dünger und Gründüngung ersetzt werden. Der Pflanzenschutz soll geregelt, die Artenvielfalt ausgebaut und Rückstände an Trauben und im Wein verhindert werden. Bei der Arbeit im Keller gilt es, den CO₂-Fussabdruck zu ermitteln und dann zu reduzieren. Die Anstrengungen der 5000 Weinbauern-Familien sollen sich lohnen. Nicht zuletzt gilt es, die Landschaft in ihrer Form zu erhalten. Dies sind nur einige Beispiele der 16 Ziele der Agenda.

Spricht man mit Vertretern der Kellereien, erfährt man, dass diese bei der Südtirol Wein Agenda 2030 an vorderster Front mitarbeiten werden. •

KONTAKT

Südtirol Wein suedtirolwein.com

DIESE GENOSSENSCHAFTEN HABEN DIE NASE VORN

Kellerei Terlan (seit 1893) 190 Hektaren Rebland werden von 143 Mitgliedern bewirtschaftet. Am rechten Ufer der Etsch gelegen, prägt Porphyr das Terroir. Die Kellerei ist bekannt für ausdrucksstarke Weissweine und ihr einzigartiges WeinArchiv. cantinaterlano.com

Kellerei Andrian (seit 1893) Mit 80 Hektaren und 60 Familien ist «Andrian» die kleine Schwester der Kellerei Terlan. Am linken EtschUfer dominiert Kalkstein. Mit «Tor di Lupo» wurde in den 1980erJahren der erste in Barriques gereifte Lagrein lanciert. kellereiandrian.com Kellerei Kurtatsch (seit 1900) 190 Mitglieder pflegen die 190 Hektaren Reben. Zwischen 200 und 900 Meter über Meer findet jede Rebsorte ihren optimalen Standort. Der Cabernet Sauvignon Riserva Freienfeld setzt seit über 30 Jahren Massstäbe. kellereikurtatsch.it

Kellerei Meran (seit 1901) 2010 fusionierte die Kellerei Meran mit der Burggräfler Kellerei. 250 Hektaren werden von 360 Mitgliedern gepflegt. Bekannteste Weine sind die Weissburgunder «V Years» und «Tyrol» aus der Linie Weinberge & Raritäten. kellereimeran.it Nals Margreid (seit 1932) 1985 schlossen sich die Kellereien Nals und Margreid zusammen. 160 Hektaren gehören 138 Familien. Mit dem Pinot Bianco Sirmian schreiben sie Weingeschichte. Die MonopolLage reift in grossen Fässern und Stahltanks. nalsmargreid.com

Schreckbichl (seit 1960) 300 Hektaren, 300 Familien, 14 Rebsorten und mehr als 30 Weine sind beeindruckende Zahlen. Mit der Linie Lafóa leistete Luis Raifer in den 1980erJahren Pionierarbeit und begann mit der Südtiroler Qualitätsoffensive. colterenzio.it

Kellerei Tramin (seit 1898) 270 Hektaren Reben verteilen sich auf 160 Mitglieder. Der trocken ausgebaute Nussbaumer Gewürztraminer gilt als Sinnbild für Weine aus dieser aromatischen Sorte. Der Spätlese «Epokale» verlieh Parker 100/100 Punkte. cantinatramin.it St. Michael Eppan (seit 1907) Die Kellerei keltert Trauben von 385 Hektaren Reben verteilt auf 320 Winzer. Aus der Linie Sanct Valentin ist der Sauvignon Blanc der bekannteste Wein. Er wurde vom «Gambero Rosso» 18mal mit drei Gläsern ausgezeichnet. stmichael.it Kellerei Eisacktal (seit 1961) Im Tal von Bozen zum Brennerpass pflegen 135 Familien 150 Hektaren Reben. Warme Tage und kühle Nächte sorgen für aromatische Weine. Hauptsorten sind Sylvaner und Kerner. Die Linie Aristos besitzt grosses Reifepotenzial. eisacktalerkellerei.it

Kellerei Kaltern (seit 1900) 445 Hektaren Reben teilen sich 590 Winzer. Die heimische Sorte Vernatsch mit der Ursprungsbezeichnung Kalterersee Classico Superiore wird in höchster Qualität produziert. Fünf Weine zählt die Premiumlinie Quintessenz. kellereikaltern.com Kellerei Girlan (seit 1923) 230 Hektaren Rebland teilen sich 200 Familien. Mit einem Anteil von 40 Hektaren ist Pinot Noir die wichtigste Rebsorte und die Riserva Flora einer der top Weine. Spannend und trinkig ist auch der Gschleier Vernatsch alte Reben. girlan.it Kellerei Bozen (seit 2001) Entstand aus dem Zusammenschluss der Kellereien Gries (1908) und St. Magdalena (1930). 350 Hektaren Reben gehören 225 Winzern. Der Fokus liegt bei Vernatschund LagreinWeinen wie der Riserva Traber aus alten Reben. kellereibozen.com

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