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Ein Gespräch mit Ute Buschmann Truffer
Ute Buschmann Truffer: Von der Medizin zur Unternehmensführung
Sie ist ursprünglich Fachärztin für Neurochirurgie, hat das Executive MBA-Programm an der Universität St. Gallen absolviert, leitet heute ein Spital in der Zentralschweiz und ist Mitglied des Verwaltungsrats der St.Galler Spitalverbunde: Ute Buschmann Truffer hat sich von der Medizinerin zur Führungsperson entwickelt. Ihr Credo: «Führen mit Kopf, Herz und Leidenschaft».
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Autor Roger Tinner; Bild Sandro Breu
Geboren in Dortmund, kam Ute Buschmann im Jahr 2000 schon unmittelbar nach dem erfolgreichen Abschluss des Medizinstudiums in Lübeck als Assistenzärztin an die Klinik für Neurochirurgie am Kantonsspital St. Gallen . Hier erwarb sie den Facharzttitel und wirkte ab 2005 als Qualitätsbeauftragte, ab 2007 dann fürs ganze Kantonsspital. 2008 wechselte sie als Risikomanagerin zum «LUKS», wie das Luzerner Kantonsspital genannt wird.
Regelmässige Karriere-Schritte
Seit 14 Jahren ist sie im selben Unternehmen tätig, hat jedoch regelmässig Karriereschritte zu grösseren Führungsaufgaben machen können: 2011 wurde sie Leiterin Qualitätsund Riskmanagement, Geschäftsführerin der Rettungsmedizin und schliesslich übernahm sie 2020 die Leitung des LUKS-Standorts Wolhusen und wurde Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung der LUKS-Gruppe, die neu als AG/ Holding organisiert ist und einen Umsatz von über einer Milliarde generiert. Seit 2021 ist sie Mitglied des Verwaltungsrats der St.Galler Spitalverbunde.
Ausschlaggebend für den Entscheid, den Executive MBA in St. Gallen zu absolvieren, waren Empfehlungen, der gute Ruf der Hochschule und weil ihr das Modulsystem mit der Möglichkeit, den Rhythmus der Module selbst zu bestimmen, entgegenkam. Den Weg ins Spitalmanagement hatte sie allerdings schon vorher eingeschlagen. In der Rückschau sagt sie: «Nach dem Wechsel ins Management habe ich meine Weiterbildungen gezielt auf die neuen Funktionen ausgerichtet, und der EMBA HSG war eine wichtige Grundlage dafür, Führungsverantwortung zu übernehmen.» In ihrer heutigen Funktion besonders gut brauchen kann sie Studieninhalte zu Corporate Governance, Unternehmensstrategie, Organisationsentwicklung und Leadership.
Andauernd in Veränderung
Der Wunsch, Ärztin zu werden, festigte sich bei Ute Buschmann in der Oberstufe am Gymnasium. Sie habe eine klare Präferenz für Naturwissenschaften gehabt, sagt sie: «Aber ein Leben im Labor konnte ich mir nicht vorstellen.» Der Umgang mit Menschen sei ihr immer schon wichtig gewesen, und heute sieht sie Menschen und die Komplexität einer Spitalorganisation auch wie einen Organismus. «Mit Freude an Herausforderung und Beharrlichkeit» sei sie zu ihrer heutigen Aufgabe gekommen, betont sie. Und tatsächlich war das auch in Bezug auf die EMBA-Ausbildung wichtig: Beim Start war sie nämlich schwanger, arbeitete 100 Prozent und baute zusammen mit ihrem Mann grade ein Haus. Nach der Geburt fuhr ihr als Architekt selbständig tätiger Mann jeweils mit zu den Unterrichts-Blöcken in St. Gallen und wohnte im Alumni-Haus, so dass sie ihre Tochter auch an den Ausbildungstagen stillen konnte.
Das Spannendste in ihrer heutigen Funktion ist für sie, «dass praktisch nichts mehr statisch ist». Zwar sehnten sich die Mitarbeitenden mitunter nach Kontinuität aber: «Mit allen aktuellen Entwicklungen befinden wir uns in einem andauernden Veränderungsprozess. Da ist es herausfordernd, alle an Bord zu halten.» Dabei kommt die ganz grosse Herausforderung auf das öffentliche Gesundheitswesen erst noch zu, wenn nämlich die zunehmend älter werdende Bevölkerung auf weniger nachkommende Fachkräfte trifft. Und wenn sich ändernde gesellschaftliche Vorstellungen von Arbeit und Freizeit auf die Notwendigkeit treffen, dass ein Rund-um-die- Uhr-Betrieb mit entsprechenden Präsenzzeiten sicherzustellen ist. Dazu sagt sie: «Wir müssen uns noch viel radikaler mit den zukünftigen Bedürfnissen der Mitarbeitenden auseinandersetzen.» Schwieriger zu beeinflussen seien jedoch die anhaltende Tendenz zur Überregulation auf Bundesebene bei gleichzeitiger Unterfinanzierung von Entwicklungen (z.B. «ambulant vor stationär»). Wenn hier der Bogen überspannt werde, wirke sich das, so Buschmann, «negativ auf die Agilität, Innovationsfähigkeit und Attraktivität des Spitalwesens» aus. Und schliesslich steige die Gefahr, dass durch den Kostendruck falsche Anreize gesetzt würden.
Pandemie-Situation: Belastend und beflügelnd
Ute Buschmann, die ihren EMBA mit einer Arbeit zum Thema «Eignerstrategien für Spitäler als Teil der Hospital Governance» (zusammen mit Salome Krummenacher) abschloss, hat ihre heutige Führungsfunktion nur wenige Wochen vor Ausbruch der Pandemie übernommen und dann «in wenigen Monaten so viel gelernt wie sonst wohl in Jahren». Das sei für sie eine persönlich sehr anstrengende Phase gewesen, weil die Spitalorganisation ein hohes Engagement erfordert habe, ohne Homeoffice oder mehr Zeit für die Familie – im Gegenteil. Dennoch nimmt sie viel Positives aus dieser Zeit mit: «Nebst den grossen Belastungen war es immer wieder auch sehr beflügelnd zu sehen, was man erreichen kann, wenn sich alle gemeinsam auf ein Ziel fokussieren und Eigeninteressen in den Hintergrund treten müssen.»
Dass sich die strategische Führung von Spitälern in den letzten 15 Jahren stark verändert hat, darüber hat sie sich nicht nur in ihrer Abschlussarbeit beschäftigt: Als Mitglied des Verwaltungsrats der St.Galler Spitalverbunde wirkt die 48-Jährige heute auch auf dieser Ebene mit: Die in den letzten Jahren national zugenommene Eigenständigkeit der Spitalbetriebe hat aus ihrer Sicht die Kompetenzanforderungen fundamental verändert: Statt Spitäler zu verwalten, sind sie heute in einer verschärften Konkurrenzsituation auch zu privaten Anbietern als Unternehmen zu führen. Dabei ist für Ute Buschmann klar: Die Verwaltungsräte sind zum einen der Politik gegenüber und den Kantonen als Eignern gegenüber verantwortlich, gleichzeitig sind sie verpflichtet, ein Spital mit unternehmerischem Blick zu führen. Das gemeinsame Ziel ist eine «gute, aber auch bezahlbare Patientenversorgung». Die in politischen Diskussion populäre These, dass optimale finanzielle Führung und Management heute Vorrang gegenüber dem Wohl der Patient:innen hätten, teilt sie überhaupt nicht: «Eine Klinik professionell zu führen wirkt sich nicht nur wirtschaftlich, sondern ganz sicher auch positiv auf die Qualität und Sicherheit der Behandlung für die Patientinnen und Patienten aus und sichert auch die Nachwuchsförderung.»
Die Vision, die Schweizer Spitallandschaft auf einer «grünen Wiese» neu zu bauen, würde eine fundamentale Neukonzeption des gesundheitspolitischen Systems bedingen und ist für sie aufgrund des in der Schweiz mit vielen Vorzügen gelebten Föderalismus keine Option: «Ich bin totale Realistin. Mich beschäftigt daher mehr die Frage, wie man das optimiert, was man heute vorfindet mit Blick über die Kantonsgrenzen hinaus.» Und genau dafür hat sie ihr eigenes Credo: «Führen mit Kopf, Herz und Leidenschaft».