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Interview mit Square-Intendant Philippe Narval
Square-Intendant: Kuratieren, moderieren und intelligent vernetzen
Philippe Narval ist der Intendant des Square, das vor bald vier Monaten eröffnet wurde. In einer Mittagspause in der vollen HSG-Mensa zieht er im Gespräch mit «alma» eine erste Bilanz dieser intensiven Zeit und erzählt von seiner Aufgabe: Statt wie ein Intendant im Kulturbereich auf sein eigenes, fixes Programm zu setzen, will er mit seinem Team kuratieren, moderieren und intelligent vernetzen.
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Interview Roger Tinner Bild Salome Bänziger
Knapp drei Monate sind seit der Eröffnung des Square vergangen. Wie sieht dein Kurzfazit in drei Sätzen aus?
Die gute Nachricht ist: Das Gefährt ist gestartet und bewegt sich. Oder anders gesagt: Die Segel sind gehisst, das volle Potenzial ist jedoch sicher noch nicht ausgeschöpft. Der Aufbau der sozialen Architektur eines solchen Vorhabens dauert mindestens so lange wie die Bauzeit.
Du bist in einer Phase als Intendant dazugekommen, als strategisch und konzeptionell wohl die meisten Entscheide schon getroffen waren. Wie hast du das erlebt?
Mit dem Titel Intendant habe ich mich zu Beginn nicht wohlgefühlt, weil ich die Bezeichnung übertrieben fand. Das habe ich bei den Anstellungsgesprächen auch betont. Inzwischen kann ich den Ansatz verstehen. Bei uns geht es wie in der Kultur letztlich um Kulturtechniken: Die Kulturtechnik des intelligenten Vernetzens, des Kooperierens und des Ressourcen-Verbindens. Es kommt also nicht ein Intendant mit einem fixen Programm. Er hat in unserem Verständnis eine kuratorische, moderierende und intelligent vernetzende Aufgabe. Und mein Auftrag ist es letztlich, meine Position als Intendant überflüssig zu machen.
Und warum bist du trotz deiner kritischen Überlegungen dann doch Intendant geworden?
Am Europäischen Forum Alpbach, dessen Generalsekretär ich 9 Jahre war, habe ich jedes Jahr mit über 700 Stipendiat:innen aus 100 Nationen zu tun gehabt, und ich wollte weiter mit jungen Leuten arbeiten. Dem entspricht die Grundkonzeption des Square: die Potenziale der Uni entwickeln, die Studierenden und studentischen Vereine samt ihrem Wissen und ihren Ideen integrieren. Das ist eine tolle Aufgabe. Und mich interessiert auch das Community Building: Ein Gemeinschaftsgefühl in Zeiten wie diesen zu schaffen, das ist enorm wichtig. Und wir haben dafür mit dem Square ein Gebäude wie einen Massanzug.
Die Eröffnung war fulminant, die Resonanz in Medien und Öffentlichkeit sehr gross, sozusagen ein «Traumstart» – hast du das persönlich auch so erlebt?
Ja, das habe ich auch so erlebt! Allerdings ist es ähnlich wie bei persönlichen Beziehungen: Die Phase der Verliebtheit geht vorbei, die Realität ist harte Arbeit. Es braucht Zeit, so ein Haus partizipativ und kollaborativ zum Erfolg zu bringen. Ich vergleiche das mit einem Garten, der zu Beginn noch brachliegt. Hier können wir Blumen säen und dann mit Geduld deren Wachsen begleiten und uns hoffentlich später an den Blüten freuen. Jeden Tag begreifen mehr Leute, was die HSG hier Einmaliges geschaffen bzw. dank der Spender:innen erhalten hat.
Das Square ist ein offenes Haus – was ist die Idee dahinter?
Wir wollen, dass Stadt und Uni, aktuelle Studierende und Alumni, Studieninhalte und Praxis hier zusammenwachsen und sichtbar gemacht werden können. So planen wir, mit dem Marketinginstitut und studentischen Vereinen hier ein Experimentierfeld für den Detailhandel der Zukunft einzurichten. Etwas ausprobieren, auch in ungewohnten Kombinationen, z.B. mit dem Quartierverein, Unternehmen aus der Region oder mit gemeinnützigen Institutionen, ist für uns Programm, und ich sehe das auch als klaren Auftrag.
Und dann, die ersten Tage und Wochen, die ersten «Personalities in Residence», die internen Veranstaltungen und Events mit externen Gästen, war das nicht eine unheimliche «Pace»? Kann es in diesem Tempo überhaupt weitergehen?
Das stimmt: Die Vorbereitungen bis zur Eröffnung und die ersten Tage und Wochen waren für alle extrem fordernd. Wir haben ja alle völlig neu und ohne eingespielte oder vorgegebene Prozesse und Abläufe begonnen. Und von Tag 1 an war das Haus voll mit Leuten – das hat viel Kraft gekostet. Wenn man all das, was in unserem Haus geschieht und organisiert wird, steuern wollte, ginge man wohl zugrunde.
Das Square bringt Menschen aus verschiedenen «Bubbles» live zusammen, gibt viel Spielraum und wenig Regeln (aus Sicht eines Aussenstehenden): Ist das die Erfolgsformel für zeitgemässes «Learning»?
Weiterentwickeln und zur Blüte bringen können wir das Square am Ende nur dann, wenn wir Zusammenarbeit und Mitverantwortung weiterhin zulassen und einfordern. Wir setzen klare Werthaltungen voraus und setzen Rahmenbedingungen. Gleichzeitig wollen wir viele Menschen für die Entwicklung begeistern, so dass sich das Team in vielem auch zurücknehmen kann – eben weil wir auf das Engagement so vieler zählen können.
Sich auf andere Meinungen und Haltungen einzulassen, gehört wohl auch zum Square-Konzept. Wie haben du und dein Team die vorwiegend studentische Kritik in Sachen Öffnungszeiten und Platz zum «stillen» Lernen wahrgenommen?
Solche Dinge kann man nicht planen oder antizipieren. Insgesamt war das jedoch ein produktiver Konflikt, in dem in der Diskussion geschärft wurde, wofür wir stehen und wofür die Bibliothek als Ort des «stillen Lernens» steht. Vielleicht hat der früher verwendete Begriff «Learning Center» hier Erwartungen geweckt, die nicht unserem Konzept entsprechen. Es gibt jedenfalls auch Studierende, die sagen: «Ich kann in der Bibliothek nicht gut lernen, das Square ist meine Heimat.» Und wir haben einen Teil der Wünsche aufnehmen können: Während der Lernphasen werden wir nun auch am Samstag wieder öffnen.
Und was gab es für Feedbacks aus dem Kreis der Alumnae und Alumni?
Wir nehmen HSG Alumni als sehr starke und positive Kraft wahr und hatten vor Kurzem den HSG-Beirat im Haus. Dass sich so stark engagierte Persönlichkeiten die Zeit nehmen, einen Nachmittag lang ehrenamtlich für die Uni zu arbeiten, ist einmalig. Und diese Givingback-Kultur hat die grosszügige Ästhetik des Square erst ermöglicht. Nun suchen wir noch eine Möglichkeit, die Verbindung zu den Ehemaligen symbolisch und konkret zugleich zu verstärken: zum Beispiel mit einem Arbeitsplatz, der nur für Alumnae und Alumni freigehalten wird.
Mit Blick auf die Zukunft: Was sind eure grössten Herausforderungen und Ziele?
Wer sich keine Ziele setzen kann, kann auch keine erreichen. Auch als Innovationsort müssen wir uns messen und messen lassen – und einen Drittel des Budgets in Zukunft selbst erwirtschaften. Das ist die Vorgabe der HSG Stiftung. Zum zweiten: Wir haben beim intendantischen Teil des Angebots noch eine zu kleine studentische Teilnahme, da müssen wir das Angebot besser ausrichten. Hier gilt es auch einen Weg zu finden, curriculare Innovationen wieder in die HSG-Lehre einzugliedern. Und schliesslich braucht es mittelfristig auch einen digitalen Outreach, nicht nur in der Kommunikation, sondern inhaltlich. Auch diesen (virtuellen) Garten sollten wir bewirtschaften.