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Manuela Just – Volkswirtin, Schafhirtin und Bäuerin

Sie hat einen HSG-Master in Volkswirtschaft, ist diplomierte Wirtschaftspädagogin und führt heute – nach der Ausbildung zur Schafhirtin und Landwirtin – mit ihrem Partner einen Bauernhof in Berg am Irchel: Manuela Just hat keine klassische Karriere gemacht, aber Sinn in ihrem Beruf gefunden.

Autor: Roger Tinner Bild: Dieter Seeger

Bis und mit Universität sieht ihr Werdegang ganz klassisch aus: Aufgewachsen im St.Galler Rheintal, hatte Manuela Just keinen besonderen Berufswunsch und ging nach dem Wirtschaftsgymnasium an die HSG und studierte dort – «weil ich gerne rechne» – Volkswirtschaft und belegte Wirtschaftspädagogik im Wahlfach, ohne dass sie sich damals vorstellen konnte, irgendwann mal zu unterrichten. Auch beim ersten Job nach dem Studium im Corporate Development bei der Helvetia Versicherung, der ihr aufgrund ihrer studentischen Mitarbeit am selben Ort angeboten wurde, musste sie sich nicht damit auseinandersetzen, «was ich beruflich in meinem Leben machen wollte.»

Erste bewusste Job-Entscheidung

Während einer Ausbildung zum Outdoor Guide kam sie mehr und mehr in Kontakt mit der Natur und hat gemerkt, «dass mich die Versicherungswelt gar nicht interessiert und so habe ich dort aufgehört». Schmunzelnd ergänzt sie: «Zuerst unter dem Vorwand, einen Master in Environmental Economics anzuhängen – man muss ja wissen was man will.» Stattdessen machte sie ein Praktikum als Rangerin: «Das war die erste bewusste Entscheidung für einen Job, die aus dem Herzen kam.» Nach dem Praktikum arbeitete sie Teilzeit als Rangerin und ausserdem als Tierschutzlehrerin, wo sie «richtig viel Freude bei der Arbeit mit Schulklassen und anderen Gruppen» hatte, und bildete sich zur systemischen Erlebnispädagogin weiter. Und von hier kam sie «über den Wolf» auf die Schafe (Freiwillige WWF-Hirtenhilfe) und über die Schafhirtenausbildung zur Landwirtschaft: «Als ich das Stallpraktikum gemacht habe, da wusste ich, dass ich Landwirtin werden möchte», und so schloss sie die Lehre als Landwirtin EFZ mit Schwerpunkt biologischer Landbau ab.

Obwohl ich jeden Abend total müde ins Bett sank, gab es nichts, was ich lieber getan hätte.

Mit 30 und abgeschlossenem VWL-Studium begann sie also die Lehre, arbeitete 55 Stunden in der Woche zu einem Lohn von 1 600 Franken minus 990 Franken für Kost und Logis. «Das war schon herausfordernd», sagt sie heute, aber: «Obwohl ich jeden Abend total müde ins Bett sank, gab es nichts, was ich lieber getan hätte. Im Rhythmus der Tiere leben, jeden Tag draussen sein, mit den Händen arbeiten und am Ende vom Tag physisch zu sehen, was ich gemacht hatte – das erfüllte mich sehr.» Während dieser Zeit trieb sie die Frage um, wie sie als Frau später einen Betrieb gestalten würde, weil die Höfe männlich geprägt und die Arbeit auf die physischen Kräfte eines Mannes ausgerichtet war.

Lehrerin, Bäuerin, Mutter

Mittlerweile kann sie ihre Ausbildung als Volkswirtschafterin und Wirtschaftspädagogin wieder mehr einsetzen, ist sie doch an der Biodynamischen Ausbildung Schweiz in der Schulleitung. Und seit Anfang dieses Jahres hat sie zusammen mit ihrem Partner den BungertHof gepachtet, einen Betrieb in Berg am Irchel, der «sehr weiblich geprägt» sei: Sehr vielfältig und mit Strukturen, die viel Handarbeit nötig machen, mit kleinen Heuballen und leichten Werkzeugen, die nicht so viel physische Kraft brauchen.

HSG-Volkswirtschafterin, Wirtschaftspädagogin, Schafhirtin, Bäuerin und noch viel mehr: Manuela Just hat als 40-Jährige schon mehr Berufe gehabt als andere in einem ganzen Leben.

«Manchmal fühlt es sich so an, als ob die Aufgaben zu mir gekommen wären», antwortet sie auf die Frage, wie sie zur heutigen Aufgabe gekommen sei. Nach zwei vergeblichen Bewerbungen für Höfe ging sie mit ihrem Partner und dem damals 2-jährigen Sohn als Wanderziegenhirtin auf die Alp. Kurz vorher erreichte sie ein Anruf, dass ein Hof in Berg am Irchel mit Milchschafen, vielen Obstbäumen und Umweltbildung Pächter:innen suche. Für sie wie die Verpächterin sei dann ziemlich schnell klar gewesen, «dass wir das zusammen machen». Auf dem Hof ist es ausserdem Tradition, dass Menschen mitarbeiten, die Boden unter den Füssen brauchen, dass Umweltbildung stattfindet und dass er biologisch geführt wird. Das alles finanzierte bisher die Besitzerin, nun ist es Aufgabe von Manuela Just und ihrem Partner, den Hof rentabel zu machen.

«Alles, was ich tue, ist wichtig»

Angesprochen auf ihren ungewöhnlichen Berufs- und Lebensweg, hat sei eine einfache Erklärung: «Ich habe nach einer Tätigkeit gesucht, die für mich Sinn macht. In der Landwirtschaft und besonders auf der Alp wird alles essenziell. Leben und Tod sind nahe beieinander. Alles, was ich tue, ist wichtig und hat einen direkten sichtbaren Einfluss. Wenn ich kein Holz spalte, kann ich kein Feuer zum Kochen machen. Passe ich nicht gut auf die Schafe auf, muss ich sie nachher suchen oder sie gehen an eine Stelle, die für sie gefährlich ist. Mache ich keinen guten Nachtpferch, hat es Einfluss auf die Sicherheit der Schafe vor dem Wolf.»

So fühlte sich der Verzicht für sie mehr wie ein Geschenk an. Und ausserdem liebe sie das Zusammensein mit den Schafen! Dass sie heute auf dem Hof wieder führt und leitet, ist für sie nicht so weit weg von der Arbeit als Schäferin: «Das Schafhüten hat auch mit Führung und Leitung zu tun. Die Hütehunde und die Herde zeigen mir schnell, wenn ich nicht klar bin.» Nun ist sie auf dem Hof in einem Startup-Prozess, koordiniert mit ihrem Partner ein Team von bis zu zehn Leuten und kann viel gestalten.

Weiterhin Träume

Ihr nächster Traum ist es, eine Bauernhofschule zu gründen, wo die Kinder so lange wie möglich auf dem Bauernhof in die Schule gehen können: «Optimalerweise schon für meinen Sohn, der übernächstes Jahr in den Kindergarten kommt», erklärt sie und beginnt im kommenden März schon mal mit einer Bauernhofspielgruppe. Und verbindet den persönlichen Wunsch auch mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten: «Das ist eine Möglichkeit, meinen Sohn bei mir zu haben und gleichzeitig ein weiteres Einkommen für den Hof zu generieren.» Die Vernetzung mit der HSG und anderen Alumnae und Alumni ist ihr ebenfalls wichtig. Sie erinnert sich besonders gut an ihre damalige Zeit auf dem Campus: «Ich habe es geliebt, da zu käfelen und mit Mitstudent:innen zu philosophieren.» Als Rangerin hatte sie mal vergeblich versucht, das Women’s Chapter in den Tierpark zu holen. «Vielleicht klappt es ja jetzt, auf dem Hof», sagt sie, und man ist fast versucht zu kommentieren: «Deine Träume sind ja bisher immer in Erfüllung gegangen.»

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