SURPRISE ME ONCE AGAIN
a collection of foamy memories
DOKUMENTATION der gestalterischen Bachelorarbeit
XS Schmuck FS 2023
Hochschule Luzern D&K
Christiane Stock
Libellenstraße 20
6004 Luzern
+41 76 8046107
stock.christiane@gmx.de
a collection of foamy memories
DOKUMENTATION der gestalterischen Bachelorarbeit
XS Schmuck FS 2023
Hochschule Luzern D&K
Christiane Stock
Libellenstraße 20
6004 Luzern
+41 76 8046107
stock.christiane@gmx.de
Als Goldschmiedin habe ich mich bislang vorrangig mit dem Inhalt von Schmuckverpackungen und nicht der Verpackung selbst auseinandergesetzt. Die erste Idee, die ich für meine künstlerische Arbeit hatte, war ein Schmuckautomat. Ich stellte mir einen alten Süßigkeitenautomaten vor, in dem Schmuckstücke (von mir/von anderen Schmuckkünstler*innen) für jeden erschwinglich zugänglich sein würden. Nicht nur als Kind, auch heute machen mich solche Automaten glücklich. Mit nur wenig Geld kann man sich eine kleine Freude bereiten. Was erwartet mich?
Nach einigen Überlegungen über Inhalt, Aussehen, Form und Relevanz eines solchen Automaten, die mich zu keiner geeigneten Lösung brachten, stellte sich schnell heraus, dass es mir vielmehr um die Emotion der „Überraschung“ uns das Verpacken an sich ging. Wer kennt ihn nicht, den Moment, wenn etwas Überraschendes gelingt und wir für einen kurzen Moment
Glück und Freude empfinden. Ich möchte mit meiner Arbeit Menschen ansprechen, deren Neugier beim Anblick eines verschlossenen/verpackten Objekts geweckt wird und versuchen, Verpackung und Schmuck einander nah zu bringen. Das Innere ist nicht sichtbar und wird nur durch bestimmte Handlungen erkennbar und anschließend tragbar. Das Auspacken soll ein wichtiger Prozess sein. Ich möchte mit positiver Überraschung und (Mehr)werten spielen, die durch Verpackung und Verpacktem kommuniziert werden. Die Überthemen
„Überraschung“ und „Neugier“ dienen mir als Leitfaden für meine Experimente. Ich setze mich mit der Fragestellung auseinander, wann und wie Erwartungen durch das Aussehen von Objekten entstehen und wie eine Verpackung selbst zum Inhalt werden kann.
In meiner schriftlichen Bachelorarbeit habe ich mich ausgiebig mit der japanischen Verpackungskunst auseinandergesetzt. Das Furoshiki Tuch gehört schon lange zur japanischen Kultur und wird vielseitig als Verpackung eingesetzt. Ich habe einige Knot- und Falttechniken ausprobiert und überlegt, wie ich eine Form langfristig festhalten kann. Ich wendete Versteifungsmittel auf unterschiedliche Stoffe an und beobachtete, wie sich die Rückstellkraft des Stoffes veränderte. Den vollgesogenen Stoff legte ich im nassen Zustand über kleine Patisserieformen, die ich auf dem Flohmarkt fand. Die Idee hinter den Versuchen war, dass ein Schmuckstück im Stoff abgeformt und versteift wird und anschließend wieder so zusammengelegt werden kann, dass es bei der Entfaltung (siehe Fotos auf den Seiten 18-19) wieder in seine Ursprungsform zurückfindet.
Mir gefiel die Leichtigkeit, die der Stoff mit dem Abbild der Form kreierte. Leider fand ich keine Lösung, wie der Stoff dauerhauft zusammenknüllt/gefaltet sein konnte, ohne dass sich diese Falten wiederrum hinterher auf dem entfalteten Material zeigen würden. Selbst Techniken wie Plissee o.ä. können nicht dauerhaft zusammengelegt werden, ohne dass diese Faltenbildung später wieder sichtbar ist.
Nach meinen Experimenten mit Stoff widmete ich mich einer kurzen Versuchsreihe dem Falten von Japanpapier. Das Finden eines geeigneten Materials für Verpackung und Schmuck stand weiterhin im Vordergrund.
Schnell merkte ich, dass mich die Falttechniken zusehr an Origami erinnerten und ich hatte nicht vor, in diese Richtung zu gehen. Trotzdem war es spannend, unterschiedliche Haptiken von Papieren zu testen. Auf den zwei folgenden Seiten sieht man
„Washi Pansion“ Japanpapier, dass in seiner Haptik sehr weich und sanft ist. Das an Blumen oder Sterne erinnernde gefaltete Papierelement basiert auf dem Quadrat und seiner universellen Symbolik.
Nachdem meine Experimentierphase mit den von mir gewählten Verpackungsmaterialien, Stoff, Papier, Garn noch zu keinem für mich zufriedenstellenden Ergebnis führte, hatte ich das Bedürfnis in mein gewohntes Material, das Metall, zurückzukehren. Ich formte ein Stück Holz, das von meinem letzten Semesterprojekt übrig blieb und einen Prasiolith im Sand ab und goss altes Gusssilber durch das Holz. Ich wollte dem Ansatz nachgehen, die Verpackung selbst (das Holz) zum Teil des Stücks zu machen. Allerdings widerstrebten mir die beiden harten Materialien in Bezug auf die Vorstellung, ausschließlich Verpackungsmaterial für meine späteren Schmuckstücke zu verwenden.
Tatsächlich waren es Ohrstöpsel aus Memory Foam, die mich auf die Idee brachten, mit Schaumstoff zu experimentieren. Vor allem gefiel mir die Assoziation zum Schmuckkontext, dass Schaumstoff selbst in Schmuckverpackungen offtmsals als Inlay genutzt wird. Meist ist er durch eine zusätzliche Beschichtung einfach nicht sichtbar. Ich besuchte die Schaumstofffirma Abena, in der Nähe der Hochschule, und fuhr mit viel Restmaterial, das die Produktion nicht mehr benötigt, zurück. Ich war überzeugt davon, das richtige Material gefunden zu haben, das in der Lage war, den nötigen Überraschungseffekt auszulösen. Und so entschied ich, die Herausforderung anzunehmen, aus dem recht gruseligen Abfallmaterial Schmuck herzustellen. Memory Foam findet im Vergleich zu anderen Schäumen immer wieder in seine ursprüngliche Form zurück. Dadurch, dass er sich immer wieder an seine Urprungsform „erinnert“, war für mich gewährleistet, dass der Überraschungseffekt zumindest materiell funktionierte.
In der Prozessphase habe ich vor allem untersucht, wie die unterschiedlichen Schaumstoffe auf Druck, Färbung und Lasereinwirkung reagieren. Schwierigkeiten ergaben sich zum einen beim Einfärben des Schaumstoffes. Die synthetischen Farben gefielen mir zu Anfang nicht und auch durch verschiedene Mischverhältnisse und Zugabe von XS Pulver zum helleren Einfärben bekam der Schaumstoff eher eine fade Färbung, die mir nicht eindrücklich genug war. So probierte ich verschiedenste Farbpulver aus und musste bei den meisten feststellen, dass die Farbe sich entweder nicht in den Schaumstoff einsog oder nicht langfristig haften blieb, sodass sie auf Haut und Kleidung abfärbte. Die Lösung fand ich am Ende durch Zugabe von Cellulose und dem Mischen von synthetischen und natürlichem Farbpulver. Das nächste Problem, das mich störte, waren die zu verbrannten Kanten durch das Lasern des Schaumstoffs. Mit Messer und Cutter ergaben sich bei einer Materialstärke von über 20mm keine schönen Schnittkanten. Daher musste ich auch beim Laser lange untersuchen, welche Einstellungen beim weißen, gelben und pinken Schaumstoff die richtigen zum Schneiden und Gravieren waren. Ich spielte weiterhin auf die Optik von Schmuck und Steinen an, die ich auf den Schaumstoff laserte. Ich hatte das Gefühl , das Material in einen edlen Kontext setzen zu müssen und die Steinschliffe trafen sich gut mit der weichen Haptik des Schaumstoffs.
Hier sind die drei Schaumstoffe (ungefärbt) zu sehen, die mich bei meiner Umsetzung während der nächsten Wochen begleitet haben. Von links nach rechts gesehen ist der weiße Schaumstoff der weichste und der pinke der härteste. Der weiße Schaumstoff lässt sich am meisten zusammendrücken, die Rückstellkraft zeigt sich allerdings schneller als bei den anderen beiden. In Bezug auf den Effekt, hat der pinkfarbene das beste „Überraschungsergebnis“ erzielt, weil er sich langsam wieder auseinanderzieht. Auf Seite 42- 43 ist eine Bildabfolge zu erkennen, wie der Schaumstoff aus der Kupferform
„wächst“. Es dauerte circa 20 Sekunden, bis die Broschenform wieder vollständig ausgeformt war.
Die Idee hinter diesen Zeichnungen war, dass die Brosche, die auf Seite 40 zu sehen ist auf den Schaumstoff aufgelasert wird und das Element, dass einen Tropfenstein zeigt, ausgelasert wird und ein Loch für die Verpackung entsteht. Die Verpackung, die ich aus Silber fertigte, ist auf Seote 46 zu sehen. Beim Öffnen der kleinen Dose quillt der Schaumstoff heraus, die Verpackung lässt sich wieder schließen und die Brosche kann über das Replacement des Steins (Verpackung), gestülpt werden.
Das Konzept steht fest. Ich kreiere mit dem Schaumstoff Schmuckobjekte, die zur spielerischen Interaktion einladen. Aus etwas Kleinem entsteht etwas Großes, Unerwartetes. Durch eine Verpackung wird der Schaumstoff zusammengehalten und erst durch den Vorgang des Öffnens wird der Effekt und das hervorspringende Objekt sichtbar. Verpackung und Schmuck bleiben damit verbunden. Die Verpackung dient nicht allein zur Verhüllung sondern auch zum Zusammendrücken des Schaumstoffs.
Es entstehen drei Objektgruppen, die sich inhaltlich im klassichen Schmuckkontext bewegen. Steinschliffe finden sich als Gravur in allen Objekten wieder und stehen in Ambivalenz zur weichen Haptik des Schaumstoffs.
Schlussendlich habe ich mich dazu entschieden, die Verpackungen einer Objektgruppe, aus der der Schaumstoff „herauswächst“ nicht aus Silber zu fertigen. Dort hat mir zwar der Gedanke gefallen, dass die Verpackung selbst aus Edelmetall gewesen wäre und der Inhalt aus Verpackungsmaterial, nämlich dem Schaumstoff. Letztendlich kam es mir naheliegender vor, das gesamte Stück, das aus Inhalt und Verpackung besteht, aus reinem Verpackungsmaterial (Karton) zu fertigen und die Form des Schaumstoffs plastischer und aus mehreren Stücken zu nähen.
Der Überraschungseffekt ist, so erhoffe ich es mir zumindest, bei allen drei Objektgruppen auf unterschiedliche Art gegeben
Die Verpackung ist von Anfang an mit in das Stück einbezogen. Die Stücke sind kleine Geschenke für die Träger*innen und sollen einmalig überraschen und mehrmals faszinieren.
Auf den nächsten Seiten werden die finalen Stücke noch nicht präsentiert (Überraschungskonzept).
Es werden Einblicke in die finale Realisation gegeben.
Wer kennt nicht das kurzlebige Glück, dass entsteht, wenn eine Überraschung gelingt? In meiner Arbeit wird verdichtet - inhaltlich und physisch. Ich arbeite mit Schaumstoff, einem omnipräsenten Verpackungsmaterial, dessen Eigenschaften ich recherchiert habe, um daraus handwerklich versiert kleine und größere Wunder zu zaubern. Die Kollektion Surprise me once again fordert auf zur spielerischen Interaktion.
Das Ziel meiner Bachelorarbeit war es, Schmuckstücke zu entewerfen, die sich im Spannungsfeld zwischen Erwartung und Überraschung bewegen. Eine Verpackung schafft Raum für Spekulation, Fantasie und Vorfreude. Sie weckt Emotionen und beschert einen unerwarteten Effekt aus Erlebnis und Verwunderung - sie manifestiert Verführung und Versprechen zugleich. Ich habe das Zwischenspiel um Fom, Inhalt, Material und Oberfläche des Schaumstoffs untersucht und musste feststellen, dass das Material letztendlich doch sehr herausfordernd war. Vor allem, weil mir die ersten Versuche im Stoff so gut gefielen, habe ich mich am Ende schwer getan, mich ausschließlich dem Schaumstoff zu widmen. Ich habe aber die Entscheidung getroffen, genau dieses Material zu verwenden, weil es für mich nach wie vor den besten Effekt hervorbringt und ich den unmittelbaren Moment der Entspannung und Enthüllung ohne jegliche Spuren des Zusammenhaltens nur mit dem Schaumstoff kreieren kann. Zwischendurch kam ich immer wieder an den Punkt, wo ich mir dachte, dass ich die Transformation von Abfall- und Verpackungsmaterial zu Schmuck nicht schaffe. Die Formen, die nun entstanden sind, dienen als Referenz an Schmuck und der Schaumstoff verweist auf den Prozess. Durch das Spiel mit Inhalt und Form, entsteht die Überraschung.
meine Mitstudierenden
Lea Tschanz
Nicole Eugster
Benedict Haener
Jenny Christen
Josephine Meylan
Tobias Bieri
Kaja Saxer
Fabian Lafitte
für die schönen drei Jahre mit euch
meine Eltern und Großeltern
für die seelische und finanzielle Unterstützung aus der Ferne
Laura Klebig & Nico Riegert
für die Geduld und die Korrektur jeglicher Arbeiten
Raisa Durandi & Pawel Streit
für die wunderbaren Fotos
meine Dozierenden
Christoph Zellweger
Salome Bruggisser
Monica Gaspar
Ilona Schwippel
Thai Hua
für die Begleitung durch das Studium und die Bachelorarbeit
die Dozierenden aus der Textilwerkstatt
für die guten Ratschläge
die Mitarbeitenden von ABENA
für die unzähligen Schaumstoffreste