Hydra #10 "Kritik des Schimpfens"

Page 1

JETZT % MIT 27,3

R MIESSH EN-

Hydra Kritik des Schimpfens [Hrsg.]

W T! SCHAF

1 Ute B. Science


„Die Satire ist die schlechteste aller Wissenschaften, aber die beste, die wir haben.“ Winston Churchill

Gedruckt auf schimpfresistentem Papier. Deutsche Reichsbibliothek – CIP Einheitsaufbahrung Der Datenteil für diese Publikation ist verflucht nochmal unauffindbar! HYDRA-Bibliothek Nr. 10 Alle Rechte vorbehalten. HYDRA ist ein eingetragener Begriff im satirischen Buch des Lebens und darf gegen Entgelt aus diesem entwendet werden. HerausgeberInnen: Curt Cuisine & Helga Rind 1. Auflage, November 2011 ISBN 978-3-85450-278-4 © 2011 Verlag Der Apfel

2


Curt Cuisine & Helga Rind [Hrsg.]

Kritik des Schimpfens Satirisch-theoretische Verortungen, Untersuchungen & Befunde im malediktologischen Sprachgebrauch der Moderne

3


4


„Dieser alte Hurenbock, der an den Hämorrhoiden seiner verfickten Mama herumlutscht, ich hab gleich gesehen, was für ein falscher Hund das war, Augen wie ein blasser, gelangweilter Affe, und ich sagte mir gleich, dieser alte Sack wird sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, mich anzupinkeln, widerlicher Sohn einer durchgefickten alten Sau.“ Roberto Bolaño, Die wilden Detektive „Da lag er nun, dieser zierbengel, dieser salontiroler, dieser stadtfrack, dieser reithosenbesudler, dieser roßapfelschnüffler, dieser furzkistengandhi ...“ H. C. Artmann, How much, Schatzi „... und schreiben Mist, den epigonalen, stinkenden, kopf- und geistlosen österreichischen Schriftstellermist, in welchem die Dummheit dieser Leute zum Himmel stinkt ...“ Thomas Bernhard, Alte Meister „Ich bin wie Sie, mein Herr, ein Gott mit einem stinkenden Arschloch.“ George Tabori, Betrachtungen über das Feigenblatt „Schimpfen tun nur Schimpansen.“ Wolfgang Neuss

5


Inhalt Über Nutzen und Notwendigkeit einer Insultologie von Curt Cuisine

8

Die Zukunft des Schimpfens von Sophie Lapierre & Curt Cuisine

10

Zur Kulturgeschichte des Schimpfens von Konrad Gregor

14

Malediktologische Milieus im Zeitalter der Post-Postmoderne von Stefan Kalnoky & Konrad Gregor

24

Bezugssystem Wissenschaft von Sebastian Klug & Konrad Gregor

32

Allgemeine Differenzierung malediktologischer Expression unter Rücksichtnahme ihres prozesshaften Charakters von Heinz Novak

34

Leseerholseite von Heinz Novak

48

Gängige Schimpffloskeln und ihre etymologische Herkunft von Helga Rind & Konrad Gregor

54

Vom inspirativen Einfluss der Umwelt auf die beschimpfte Außenwelt von Ben Gaspar

60

„Arschfuck“: Die deutsch-englische Komplizenschaft des Schimpfens von Stefan Kalnoky & Maximilian Zirkowitsch

66

Sex und Insult – Erkenntnisse aus der Schimpfsexualforschung von Justus Ramm

76

Der kategorische Reziprokwert des Terminus „Schwuchtel“ unter Berücksichtigung seiner inversen Idiomatik von Sebastian Klug

80

Zur Rolle der Mutter in Schimpf & Schande von Maximilian Zirkowitsch

84

6


Das Äußerste zeichnen – Radikalinsulte in visueller Umsetzung. Anmerkungen zur cartoonistischen Schimpfkultur von Konrad Gregor & Sebastian Klug

84

Irrwege der Insulttherapie – eine kritische Bestandsaufnahme von Sebastian Hübier-Hubre

90

Schimpfen in Zahlen von Heinz Novak

92

Die „Scheißgurke“ – Schimpfen und Mobiltelefonie von Alice Gruber & Eva Kiel

94

*fiepfiepfiep* – Der gemeine Insult im Tierreich von Sebastian Klug

100

„Arschloch, Grindsau, Systemapokalyptiker“ – von der semantischpragmatischen Wortspeisung deutschen Schimpfduktums von Helga Rind

106

Ein euphemistisches Pejorativum am Lokus oder: Ein Frankfurter gibt seinen Senf ab von Dominique Nikolas E.

110

Lautloses Schimpfen von Konrad Gregor

114

Profane Insultologie und Gottes Arschkraft – ein malediktologischer Disput von Helga Rind & Andreas Puff

116

Macht Schimpfen Macht? – eine Kontroverse von Justus Ramm & Curt Cuisine

124

Versehentlicher Beitrag von Matrattel

130

Anhang: Schimpfen im Realfall: Ein Bußgeldkatalog

132

Literaturempfehlungen

134

AutorInnenverzeichnis

136

7


Einsultung

Über Nutzen und Notwendigkeit einer Insultologie von Curt Cuisine

Vom Tellerrand zu Talleyrand ist es nur ein Katzensprung.

Verfickt nochmal gute Anlässe, die Zunge zu entzügeln.

Jetzt kommt der Elefant! Und klar, er stürzt sich in den Porzellanladen.

8

Wer schimpft, denkt meist nicht weiter als bis zum Tellerrand. Der wiederum wird oft verwechselt mit Charles-Maurice de TalleyrandPérigord, einem französischen Diplomaten aus der Zeit des Wiener Kongresses, was aber in diesem Fall auf dasselbe hinaus läuft: Beschimpfung und Diplomatie schließen einander offenkundig aus. Wer es in seinem Leben gemütlich und wohlfeil haben will, arrangiert sich, eckt nirgendwo an und zügelt seine Zunge. Geht aber leider nicht immer. Und auch nicht immer öfter. Wissenschaftlich erwiesene Tatsache ist: Beschimpfungswürdigere Zeiten und Umstände hat die Welt noch nicht erlebt. Nie zuvor wütete die Seuche des Schönredens und Schönfärbens ärger als in unseren Tagen. Unnötige oder unsinnige Produkte werden alltäglich zum non plus ultra des Erstrebenswerten hochstilisiert. Politische Versäumnisse und Unzulänglichkeiten werden ebenso täglich zu einem Nachrichteneinheitsbrei verpressemitteilt. Und nicht minder hartnäckig wird kapitalistisches Großverbrechertum zu einem hochstaplerischen Erfolgsmärchen zurechtgelogen. Mit einem Wort: Noch nie wurde uns so viel Scheiße als Gold angedreht! Zugleich versteht sich die Kulturgeschichte der Menschheit als Prozess voranschreitender Zivilisierung, worunter auch eine Verfeinerung der Sitten und Umgangsformen verstanden wird. Doch gilt es hier eine Demarkationslinie zu ziehen: Diese Verfeinerung beschränkt sich in existenzieller Hinsicht darauf, dass man endlich davon ablassen möge, seinem Gegenüber den Schädel einzuschlagen. Konflikte sollen stattdessen in kommunikativer, rhetorisch kompetenter Weise ausgetragen werden. Das Diktat aber, das den Alltagsdiskurs in einen sachlich argumentativen, womöglich gar höflichen Rahmen einzuschwören versucht, negiert die lebensweltlichen Verhältnisse heutzutage, ja, trampelt darauf herum wie der sprichwörtliche Elefant im wohlstandsgefälligen Porzellanladen.


Einsultung

Wo 334,2 Milliarden Euro jährlich dafür verwendet werden, um mittels PR- und marketingtechnischer Blendwerke das gegenwärtige Inferno der Ungerechtigkeit als wohlfeiles Konsumparadies darzustellen, kann nicht mehr von chancengleicher Diskursteilnahme gesprochen werden. Wer der allgegenwärtigen Schönfärberei und Werbungsflut, die aus allen Medienrohren trompetet, zu widersprechen versucht, findet sich schnell wieder als einsamer Student am Platz des himmlischen Friedens – und wird von der geldgepanzerten Übermacht der Diskursschönfärber gnadenlos überrollt.

Die Trompeten von Medione!

Darum muss sich zeitgemäßer Widerspruch mitnichten in das harmlose Kleidchen der Sachlichkeit und des Argumentativen hüllen, sondern kann, darf und muss sich eine Sprache (er)finden, die dem Zorn und der Frustration Rechnung trägt. Die umso lauter, schärfer und unnachgiebiger retourniert, was unentwegt aus abertausenden PR-Mülleimern quillt. Rücksichtloses, enthemmtes, zorngebadetes Fluchen und Zetern ist ein legitimer Akt der Konterkommunikation. Es darf, kann, ja, es muss heutzutage mehr denn je geschimpft werden.

Ohoho! Das Wort „Konterkommunikation“ wird gewählt!

Vor diesem Hintergrund ist es ein Gebot der Stunde, sich dem bislang kaum erforschten Gebiet des Schimpfens wissenschaftlich anzunähern. Sich etwa anzusehen, welchen Weg das Schimpfen durch die Geschichte des Abendlandes genommen hat, welche Beziehung das Schimpfen zur Machtausübung unterhält, wie die Umwelt auf den Schimpfprozess einwirkt, welche Schimpfformen in welchen Milieus bevorzugt werden oder auch, was es mit dem Begriff des „Schimpfäthers“ auf sich hat.

Themenbeispiele einer fundamentalen Malediktologie.

Mit diesem Sammelband soll darum nichts weniger als ein Grundstock zur einer allgemeinen Malediktologie gelegt werden und eine völlige neue Forschungsdisziplin aus der, der ... jetzt fällt mir dieses Scheißwort verfickt nochmal nicht ein! Wie auch immer. Ja, Sie werden hier durch den Kakao gezogen. Aber nein, nicht in der Weise, dass die Artikel in diesem Sammelband nichts weiter als grober Unfug sind. Es ist auch sehr viel Weisheit darunter. Mit der man gut und gerne das eine oder andere Assistentenzimmer ausmalen könnte.

9


Trends

Die Zukunft des Schimpfens Von Sophie Lapierre & Curt Cuisine

Die MTZF und ihr aussagekräftigstes Instrumentarium.

Die Notwendigkeit einer positiven Prognose.

Evolutionäres Denken ist in der modernen Trend- und Zukunftsforschung (MTZF) das Alpha und Viagra, gilt es doch zeitgeschichtliche Veränderungen aus jeder erdenklichen Perspektive zu betrachten (vgl. Horx, 2008). Das Ergebnis derart perspektivisch variantenreicher Beobachtung (PVB) ist eine dynamische Kurve, die uns zeigt, dass es kein noch so komplexes Phänomen gibt, welches wir nicht durch gekonnte Simplifizierung auf eine kümmerliche Linie reduzieren können. So lässt sich etwa bedenkenlos feststellen, dass jede allgemeine und spezielle Entwicklung in dieser Welt einer „aufgerichteten Kurve“ (AK) mit A-B-C Sektor entspricht (Abb.1). Diese Kurve ist das wichtigste Werkzeug des Trendforschers, denn keine studienauftraggebende Institution weltweit ist bereit, eine nicht hoffnungsfroh stimmende Prognose zu akzeptieren. Entscheidend ist einzig die Frage, in welchem Sektor sich das zu prognostizierende Phänomen befindet. Ist es etwa ein käuflich erwerbbares Produkt, z.B. vorgewärmte Stringtangas für Frauen ab 40, so wäre eine entsprechende Investition bzw. absatzintensivierende Strategie nur dann lohnenswert, wenn wir uns im Sektor A, allerhöchsten im Anfangsstadium des Sektors B befinden. Alles darüber hinaus sind verschleuderte Milliarden.

Die AK mit A-B-C Sektor. Nur für den Fall, dass Sie Abbildungslegenden ignorieren, was neuerdings ein Trend sein soll.

Abb. 1: Aufgerichtete Kurve (AK) mit A-B-C Sektor

10


Trends

Diese kurze Beweisführung sollte keinerlei Zweifel an der bahnbrechenden Seriosität der MTZF lassen. Widmen wir uns nun der Frage nach der Zukunft des Schimpfens. Selbstverständlich kann die MTZF durch artgerechte Anwendung der PVB-Methode auch hier konkrete Ergebnisse liefern. Ausgangspunkt ist das Schimpfulus-Response-Modell, welches auf zuverlässigen Feldstudien (vgl. Dürer, 1489) beruht und eindeutig belegt, dass auch für das Schimpfen die Grundgesetze menschlicher Kommunikation gelten: Was in das eine Ohr eindringt, kommt beim anderen Ohr meist wieder heraus.

S

I/O

Bahnbrechendster Trend in der Trendforschung: Sie gilt neuerdings als seriös.

R

Abb. 2: Das Schimpfulus-Response-Modell1; Der Schimpfstimulus (S) dringt in den Organismus (O), trifft dort auf eine intervenierende Variable (I), z.B. Gehörschwund, und löst hernach eine Reaktion (R), z.B. eine Ohrfeige, aus.

Nun zur Studie selbst: Per Zufallsauswahl wurden Versuchspersonen aus dem oberösterreichischen Fucking ausgewählt und teilnehmend beobachtet bzw. interviewt2. Konkret wurde das Schimpfverhalten im März 2011 mit selbigem im April 2011 verglichen, und aus diesem Datenvergleich eine eindeutige Prognose für die nächsten Jahre gewonnen. Es zeigte sich, dass die Fuckinger in der ersten Untersuchungsperiode primär zu traditionellen Beschimpfungen wie „Aschantineger“3 oder „Kanöforön“4 neigten. Allerdings fanden auch moderne Formen der personenbezogenen Attribuitierung bzw. cliquenrituellen Abgrenzung ihren Niederschlag im Fuckinger Schimpfvokabular. Floskeln wie „Du genetischer Restabfall“, „Du tiefgeschissenes Kübelkind“, „Du dümmliches Schwein“, „Du arschiger Arsch“, „Du

Fucking ist repräsentativ für die GÖP.

März 2011: Traditionelle Beschimpfungsformen vorherrschend.

1 wird hier eingefügt, da Schaubilder neuerdings total im Trend liegen; 2 Tatsächlich ist es reine Koinzidenz, warum ausgerechnet die Fuckinger so repräsentativ für die österreichische Gesamtpopulation sind, aber ... so ist es eben (bzw. vgl. den Beitrag „Arschfuckinger“ auf Seite 60 in diesem Band). 3 übersetzbar in etwa als „Nussschokoladen-Nikolo, eingehüllt in knisterndes, bunt bedrucktes Staniolpapier“; 4 übersetzbar als Kanalforelle (und nicht als ungarische Bezeichnung für „Ich habe keinen Föhn“);

11


Trends

Gesichtsgrätsche“ oder „Hast Du Scheiße im Kreislauf?!“ waren keine Seltenheit, insbesondere wenn das wissenschaftliche Studienpersonal die Fuckinger direkt ansprach.

April 2011: Ein radikaler Schritt in die Zukunft wurde auf insulterischem Terrain gewagt.

Akronyme werden nicht in Griechenland, sondern im Internet gebaut.

Das Ergebnis von einer Minute Recherchearbeit.

Ein wesentlich anderes Bild zeigte sich in der zweiten Untersuchungsperiode. Inflektive, also Verben ohne Infinitivendung, wurden nun von jedem zweiten Fuckinger (51,3 %) mündlich und schriftlich verwendet. Diese ursprünglich aus Comics stammende Lautäußerung lässt sich in folgendes Schriftbild umwandeln: *quietsch*, *bremssss*, *röchelknatter* oder eben *beschimpf*. Dokumentierte Beispiele der Fuckinger Inflektivenkultur sind: *oaschwisch*, *durchfick*, *rotzbrems* oder das sehr häufig gegenüber den fachkundigen InterviewerInnen verwendete *scheißengeh*. Ein zahlenmäßig geringer Anteil der Fuckinger5 bediente sich verschiedener Akronyme aus dem Netzjargon, die offenkundig durch das Internet in die Hirne der Fuckinger gelangt sind. Beispiele Fuckinger Netzakronyme sind: „DU DAU“ („Du Dümmster Anzunehmender User“), „YAFUBAR“ („You are Fucked Up Beyond All Recognition“ bzw. „Du bist total im Arsch“), „HDF“ („Halt Deine Fresse!“), „RTFM“ („Read The Fucking Manual“ bzw. „Lies die Klospülungsbedienungsanleitung“) oder der orthographische Ausreißer6 „fnoob“ („Fuck Newbie“ bzw. „Verfickter Neuling“). Ein noch geringerer Anteil der Fuckinger entpuppte sich als Skriptkiddies. Diese bedienen sich der sogenannten Leetspeak, also dem Ersetzen von Buchstaben durch ähnlich aussehende Ziffern. Etwa bekamen die InterviewerInnen unverständliche Botschaften wie „U5uxX“, „A55h01e“ oder „1d1O7“ zu hören. Erst durch minutiöse Recherche konnte herausgefunden werden, dass „U5uxX“ für „You suck“ („Du saugst“), „A55h01e“ für „Asshole“ („Hohler Aasgeier“) und „1d1O7“ für „Idiot“ („Politiker“) steht. Völlig ratlos stand das Forschungsteam allerdings vor folgendem Satz: “Hör auf zu bratzen, du score-whore-gimp, sonst flame ich dich, bis du ein fucking glitch bist.” Eine vorläufige Übersetzung dieser offenbar aus dem Sportschützenmilieu stammenden Formulierung lautet: “Word, Alder!” Diese Übersetzung gilt jedoch als ungesichert. 5 In Körpermaße umgerechnet handelt es sich jedoch um den Großteil des Dorfes. 6 Seine Mutter hat bereits angerufen. Danke, dass sie unsere Sorge um den kleinen fnoob teilen.

12


Trends

Verallgemeinernd lässt sich konkretisieren: Was das Schimpfen betrifft, sind die Fuckinger einmal mehr ihrer Zeit weit voraus. Und zeigen uns damit, dass wir es mit einem eindeutigen Trend in Richtung eines qualitätsvolleren, allerdings auch edv-technischeren Sprachgebrauchs innerhalb der zeitgenössischen Schimpfkultur zu tun7 haben. Diese eindeutig aufwärts strebende Tendenz (selbstverständlich in Form einer klaren AK mit A-B-C Sektor) verspricht insbesondere für Verlage (kultivierte Schimpflexika) und Germanistik-StudienabgängerInnen (als Curse-Advisors z.B. für Computerspiele, Versoftungen etc.) blendende Absatzchancen8. Ja, man kann es nicht genug betonen: Schimpfen ist der Absatzmarkt der Zukunft, der in vielen Branchen für klingelnde Kassen sorgen wird. Eine Prognose, die im Übrigen einmal mehr die Wirkmächtigkeit der AK deutlich vor Augen führt.

Ein weiterer Triumph der AK. 47 lukrative Anwendungsgebiete für diese Prognosemethodik finden Sie auf unserer Website. Das ist jedoch keine Werbung. Auf keinen Fall.

Literatur Dürer, Albrecht (1489). Feldhase und Feldstudie. Ein Malbuch für wissenschaftliche Autodidakten. Nürnberg: Guttenberg Horx, Maximilian (2008). Meine gesammelten Fehlprognosen. Ein untalentierter Zukunftsforscher sieht keine Zukunft mehr und rechnet ab. Wien: ZFH

Trendforschung würde so etwas nie tun.

Selbst wenn es ein Trend wäre.

Tast, Phan (2009). Wann können Kühe endlich fliegen? Macht und Ohnmacht der Prognoseforschung. Wien: Präcox

7 Anders übrigens, als mancher Artikel in diesem Sammelband behauptet, liegt der „Vogel“ keineswegs im Schimpftrend, er ist vielmehr ein Relikt gefiederter Zeiten. 8 Ähnliches gilt auch für den Bereich des atomkraftfreien Schimpfens, für HonoNa gut, ertappt. rarforderungen in beleidigender Höhe, für den Verkauf vorgewärmter Bettdecken u.v.m. Auf der Website unseres Instituts (www.mtzf.com) sind sämtliche moderne Trends des Schimpfens inkl. detaillierter Zielgruppenanalysen abrufbar. Für unerhebliche € 10.000 pro Studie.

13


Anthrosultie

Zur Kulturgeschichte des Schimpfens von Konrad Gregor

Keine Fakten, massig Kollegenneid: der Anthropologe hat es nicht leicht.

Der sich mit dem Insult befassende Kulturanthropologe hat es nicht leicht, wird ihm doch die Relevanz seines Faches oft genug von nörgelnden Wissenschaftskollegen madig gemacht (vgl. Schweininger, 2002, S. 12-935ff). Richtig in die Bredouille kommt der schimpfinteressierte Anthropologe jedoch, wenn es um den Blick in die Vergangenheit geht. Denn die Insultologie ist vergleichsweise jung, es fehlen darum einwandfreie Fakten. Was aber tun, wenn die historische Verbürgtheit zu wünschen übrig lässt? Sollen wir uns etwa in eine Zeitmaschine setzen, um uns die Hardfacts aus dem Arsch zu zaubern? Aber selbst das würde nicht nützen, denn Zeitmaschinen sind wissenschaftlich kaum zulässige Erkenntnisinstrumentarien, zumal sie bislang in kaum ausgereiften Prototypen vorliegen1. Der einzige Ausweg ist also, sich mit theoretischer Finesse und wissenschaftlichem Gespür daran zu machen, historische Unumstößlichkeiten anhand profunder Indizienketten zu restaurieren.

1. Die Urzeit des Schimpfens

Primärerkennungsmerkmale, allgemein anerkannt.

Wenig wissen wir von der Urzeit des Schimpfens. Immerhin aber wissen wir, dass der Neandertaler ein aufrecht gehender Zweibeiner mit allen allgemein anerkannten menschlichen Primärmerkmalen war (vgl. Pavian, 1905, S. U4). Der Neandertaler dachte, lachte und fluchte wie wir. Dies wissen wir wiederum, weil Grind (1995) hiebund fluchfest belegte, dass es zwei unumstößliche Universalien des Schimpfens gibt. „Erstens: Schimpfen ist ein Ausdruck der Verachtung, bezieht sich stets auf zutiefst Verachtetes. Zweitens: Schimpfen ist dennoch nicht allerletzter Ausdruck der Verachtung, sondern 1 Ich verweise darauf, dass mein Kollege Barney Serious am MIT Massachusetts an einem fortgeschrittenen Zeitmaschinenmodell arbeitet. Lediglich einige Konstruktionsfehler am Reaktorkern haben eine Inbetriebnahme bislang verhindert.

14


Anthrosultie

vorletzter Ausdruck“2 (ebd., S. 27x2). Es haftet dem Schimpferischen stets ein Moment des Spielerischen an. Es geht nicht um Leben und Tod, sondern um das Aufblasen heißer Luft am Rande des Abgrunds, nach dem Motto: Diesen einen Ballon noch! Diese Verknüpfung von Wut und Spiel erklärt auch, warum Scham und Selbstverachtung stets mit von der unflätigen Partie sind. Eine Verachtung, die nicht in Erschlagung des Gegners oder spontaner Selbstentzündung, sondern in einem Anfall von Wortflatulenzen mündet, ist Ausdruck physiologischer Ohnmacht. Man scheut die Gewalt bzw. letzte Konsequenz und wird stattdessen ausfällig. Darum wissen wir, dass der Neandertaler nur so und nicht anders schimpfen konnte. Indes, der Neandertaler war laut Knoch (2008) ein primitives Wesen, um nicht zu sagen ein unkultivierter, hirnloser Trottel. Außer Keulenschwingen, Feuer schwurbeln und Mammuts abnagen war wenig mit ihm anzufangen. Klar, er bimste auch seine Gefährtin, die Neandertalerin, Abb. 1: Die typisch flache Kopfform kräftig durch. Aber der Punkt ist des Neandergrunzers bezeugt das laut Knoch der: Der Neandertaler Fehlen diverser Gehirnteile konnte nicht fluchen, weil er keine ausgeprägte Sprache besaß. Für ihn hießen alle Dinge nur „Grunz!“, weswegen auch sein primärer Schimpf so lautete: „Grunz!“ Alles, was der Neandertaler verachtete, nannte er „Grunz!“ Ebenso aber grunzte er beim Poppen, Feuermachen und Mammutknochenchips abknabbern. So indifferent war der Urzeitmensch.

Schimpfen ist stets vorletzte Konsequenz!

Schimpfen und Artikulation bildeten beim Neandertaler noch eine genuine Einheit, man könnte darum auch vom Neandergrunzer sprechen.

2. Die ägyptische „Hoch“kultur Interessant wird es in der Historie des Schimpfens erst in der Zeit der ersten Hochkulturen, etwa bei den Ägyptern. Diese verfügten schon über eine rudimentäre Sprache, die nichts weiter als der verzweifelte Versuch war, ihr primitives Schriftbild, die sogenannten 2 Dieser letzte, fassungslose Ausdruck wäre z.B. „belämmertes Schweigen“ respektive „Herzinfarkt aufgrund innerer Verachtungsexplosion“, wie die medizinisch korrekte Diagnose hierzu lautet (bzw. wäre im fremdaggressivem Fall natürlich der tätliche Angriff die letzte Konsequenz).

15


Anthrosultie

Die Eule, das harmloseste und dennoch häufigste frühägyptische Schimpfwort.

Nur Untergrundliteratur aus Ägypten bekannt.

Hieroglyphen, in akustische Form zu bringen (vgl. Holler, 1966). Die Ägypter sprachen stets bildlich und kannten deswegen auch keine Rechtschreibfehler. Dabei fluchten sie trotzdem gerne und oft. Immer wieder etwa taucht in den Hieroglyphen das Bild einer Eule auf. Diese steht für das häufigste Schimpfwort der Ägypter. In unseren heutigen Sprachgebrauch übersetzt: „Der Pharao hat einen Vogel!“ Oder: „Zum Kuckuck noch mal!“ Interessant ist hierbei: Die Ägypter waren bekanntlich Extremmonarchisten, der Pharao war ein gottgleicher Regent. Zensur stand an der Tagesordnung. Die Todesstrafe für Ehrenbeleidigung galt als sanfteste aller Bestrafungen. Sämtliche Hieroglyphenfunde, die heute noch erhalten sind und auf denen eine Eule auftaucht, sind daher als Untergrundliteratur zu werten. Da aber auf fast allen Schriftfunden der alten Ägypter Abb. 2: Die gemeine Eule und wie der Eulen eifrig herumfliegen, wissen Ägyptologe Thomas Bewick sie sah wir von den Ägyptern nur, was Dissidenten und linkslinke Agitatoren über dieses Reich dachten. Die offizielle Regierungsversion ist bis heute verschollen.

3. Das alttestamentarische Insultvermächtnis

Das Gleichnis als Finte, um Gottes Zorn zu besänftigen.

Mit dem Auszug von Moses aus Ägypten begann die erste Phase der Schimpfunterdrückung in der abendländischen Kultur. Da die strengen Vorschriften der jüdischen Religion gotteslästerliches Fluchen untersagten, entwickelten sich bald elaborierte Geheimschimpfcodes, auch bekannt als Gleichnisse. Man fluchte nicht mehr, sondern verbarg seine Verachtung in blumigen Umschreibungen. Beispiele dafür sind zahlreich. Der „brennende Dornbusch“ etwa umschreibt das Wehklagen der Männer, weil sie ihren Frauen nicht beischlafen können. Oder wer sagte: „Du erinnerst mich an Noah im Wal“, meinte im Klartext: „Du siehst arschlochmässig ausgespuckt aus!“ Ein komplettes Lexikon dieser Art stellt das berüchtigte Hohelied der Bibel dar. Die dort versammelten Metaphern sind ein Kompendium von Beleidigungen, die Männer Frauen und Frauen Männern

16


Anthrosultie

in dieser Zeit mit Vorliebe an den Kopf warfen. Folgende Beispiele nach Fulfa (1965) belegen dies deutlich: „Mein Geliebter ist mir ein Bündel Myrrhe, das zwischen meinen Brüsten ruht.“ Klartext: „Geh dich waschen, Drecksack!“ Oder: „Die Balken unserer Behausung sind Zedern.“ Klartext: „Unser Bude fällt bald ein, geh‘ arbeiten, fauler Sack!“ Oder: „Horch! mein Geliebter! Sieh, da kommt er hüpfend über die Hügel!“ Klartext: „Meine Fresse! Man hört ihn schon wieder lallend und torkelnd daherkommen! “

Wencke Myrrhe ist so alt, dass sie schon in der Bibel vorkommt.

4. Das römische Insulterrium Den nächsten Modernisierungsschub erlebte die Kultur des Schimpfens unter den Römern3. Das Besondere am römischen Insult war seine Langzeitwirkung. Denn eigentlich waren die Römer uninspirierte Verbaldiarrhoetiker4, aber da sie auf Latein schimpften, wurde daraus über die Jahrhunderte das vor allem bei zweitklassigen Intellektuellen beliebte Fremdwortschimpfen. Dabei geht es darum, den eigenen Vortrag durch unverständliche Wortwahl soweit zu verfremden, bis nur der Vortragende selbst weiß, dass er gerade ausfällig wurde. Der Befriedigungsgrad ist selbstverständlich kümmerlich, aber es ist eine empirisch bestätigte Tatsache, dass Intellektualismus und Selbstbefriedung denselben Wesenskern teilen. Typische Beispiele sind z.B.: „Du Reaktionär!“ („Du Hinterwäldler!“), „Du Aktionär!“ („Du Wallstreetarsch!“), „Du Asylant!“ („Du Fremdameise!“), „Podex Lacuna!“ („Arschloch!“) „Fututio Matris!“, („Ich ficke deine Mutter!“5) oder: „Cretin!“ („Franzose!“)

Die Römer vererbten auch beim Schimpfen der Welt nichts weiter als tote Sprache.

5. Minnesang und Kreuzzüge Die Römer gingen unter, das Mittelalter kam auf – und damit auch der Minnesang und die Kreuzzüge (vgl. Schläger, 2004). Beide Phänomene brachten keine qualitativen Neuerungen bezüglich der Art des Schimpfens, wohl aber verdankt ihnen die Kultur des Schimpfens zwei der nachhaltigsten Themenbereiche des abendländischen Schimpfens. Das frauen- und das fremdenfeindliche Schimpfen6.

Frauen und Fremde, zwei beliebte Schimpfressourcen im Mittelalter.

3 Bei den Griechen wurde nicht geschimpft, sie hatten während ihrer Orgien kaum Zeit oder Anlass dazu (vgl. allerdings „Sex und Insult“, ab S. 66 in diesem Band). 4 Und auch sonst zeichneten sich die Römer vor allem durch Einfallslosigkeit aus, mit Ausnahme natürlich der Aquädukte. 5 Vgl. „Zur Rolle der Mutter in Schimpf und Schande“, S. 80 in diesem Band. 6 bzw. das xenophobe Schimpfen, wie ein wichsender Intellektueller sagen würde;

17


Anthrosultie

Auch eine Erfindung des Mittelalters: Der schnelle Fick hinter der Bühne.

Merke: In Zeiten barbarischer Gewalt hinkt der Insult den realen Verhältnissen hinterher.

Diskriminierende Worte wie „Fotze!“ („Foutse!“), „Schlampe!“ („Slamp!“), „Bixe!“ („Bixe!“), „Nutte!“ („Nutella!“) oder „Fut!“ („Fout!“) wurden von namhaften Minnesängern (Walter von der Ougenheydi, Neidhart von der Pleuelstange, Kunibert der Gartenzwerg) bei ihren vergeblichen Versuchen geprägt, die Herzen der holden Frauen Abb. 3: Wovon Minnesänger träumten: durch einnehmenden Gesang Ruhm und holde Weiblichkeit. Den Ruhm in für sich zu gewinnen. Aber Maßen, die Weiblichkeit am liebsten nackt. auch damals schon wollten Frauen vor allem solide Männer mit regelmäßigem Einkommen. Die Minnesänger (später: Rockstars) kamen nur für einen schnellen Fick hinter der Bühne in Frage. Gerade hier zeigt sich die dem Schimpfen innewohnende Ohnmacht, in diesem Fall natürlich die Kapitulation der Männer vor der Tatsache, dass Frauen stets ganz genau wissen, was sie wollen, wie sie es wollen und mit wem sie es wollen. Mit den Kreuzzügen liegen die Dinge komplizierter, hier hatte die Kirche die machthungrigen Finger im Spiel. Unzüchtiges Fluchen galt als verboten, weil gotteslästerlich. Man entschied sich stattdessen gleich zuzuschlagen. Juden, Sarazenen, Muslime und andere Minderheiten wurden im Mittelalter – ohne viel Worte deswegen zu machen – malträtiert und ausradiert. Da man ohnehin kurzen Prozess mit jenen machte, die man verachtete, gab es wenig Anlass, sich Schimpfwörter dafür einfallen zu lassen. Eine Tendenz mit weltgeschichtlichem Wiederholungscharakter – ohne jeglichem Lerneffekt indes. Immerhin wissen wir seither, dass Feuer am Dach ist, wenn nicht mehr geschimpft, sondern gleich gemetzelt wird. Allenfalls wird das Unfassbare mit verharmlosenden Slogans kommentiert (z.B. „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer.“, „Jeder Schuss ein Russ!“, „Vergast gehören’s.“).

6. Romantische Allüren Nach der finsteren Ära des Mittelalters klärte allerortens der Himmel auf, ein klimatologisches Phänomen, das auch als Aufklärung in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Eng auf dem Fuße folgte die soge-

18


Anthrosultie

nannte Klassik oder klassische Periode, die für die Anthrosultie nur insofern von Bedeutung ist, als das Schimpfen in dieser Zeit salonfähig wurde. So findet sich im Götz von Berlichingen (Goethe, 1773) erstmals eine weltliterarisch dokumentierte Fäkalinsultie. Auch die Farbenlehre des Meisters erscheint vor diesem Hintergrund in neuem Licht, ging es doch nicht zuletzt darum, die Farbnuancen von Scheiße besser bestimmen zu können. Einen Tiefpunkt erlebte die Kultur des Schimpfens in der Romantik, deren Merkmale unter anderem schwärmerische Verklärung und Naturmystizismus sind. Wer sich hier eine literarische Befruchtung und ein Erblühen origineller Schimpfkultur erwartet, wird jedoch enttäuscht. Allenfalls wird der Arsch des Götz in der RomanAbb. 4: Spätromantischer Lesezirkel. Eine tik zu einem gepuderten und Gräfin erläutert ihrer Magd, wie man allzu parfümierten Hinterteil, die männliche Duftnoten galant umschreibt. Massenmorde des Mittelalters wiederum zu schaurig-schönen Abenteuern wackerer Recken verklärt. Die Möglichkeit einer der Rohheit zugeneigten Frühgeschichte des Menschen wird negiert, ja, regelrecht verleugnet. Und nicht genug der Harmlosigkeit, gipfelte diese Tendenz schließlich in rührigen Lesezirkeln, in dessen Rahmen sich neuerdings auch belesene Frauen an literarisch verklärter Insultie versuchten. Die Romantik ist darum als Epoche der Insultallergie einzustufen. Wo Sexualität nur Ausdruck körperlicher Melancholie ist und Fäkalien ausschließlich in blumige Worte verpackt werden, da regiert der Insultinfarkt.

Goethes Farbenlehre in gänzlich neuem, leicht bräunlichen Licht.

Melancholie und blumige Sprache sind des Insults größte Feinde.

7. Die Verdinglichung des Insults Den nächsten Innovationsschub erlebte die Kultur des Schimpfens mit dem Aufkommen der Industrialisierung. Die Vermassung der Städte bzw. die Verschärfung sozialer Gegensätze bis ins Absurde (vgl. Lazarsberg & Jahallo, 1927) lieferten hierfür nur die Motivationslagen, die Inspiration selbst kam von den technischen Neuerungen bzw. ist generell auf das Eindringen der Technik in den Alltag des Menschen zurückzuführen.

19


Anthrosultie

Abb. 5: Die Industrialisierung erfasste auch den Insult. 1933 wurde braune Scheiße erstmals am Fließband produziert.

Die Industrialisierung oder: Insult goes Gegenständlichkeit.

Dies zeigt sich an lingomutativen Alterationen im Sprachgebrauch ebenso („Hütte“, „Häusl“, „Scheißheisl“, „Bruchbude“ etc.), wie in insultorischen Wortneuschöpfungen („Kraxn“, „Bixn“, „Quetschn“ etc.) oder adjektivischen Kompositionen („Dreckskarre“, „Arschhammer“, „Fotznhobel“ etc.).

Es zeugt indes von gesundem Menschenverstand, dass die zur Fehleranfälligkeit neigenden Gegenstände technischer Natur als Insultquellen entdeckt wurden. Als Vertreter des kapitalistischen Großbürgertums reagierten die Industriekapitäne postwendend auf diese als Innovationsfeindlichkeit gedeutete Vernunft, wenn auch mit einer der erfolglosesten Erfindungen der Menschheitsgeschichte: der Bedienungsanleitung (vgl. Tensei, 1997).

8. Postindustrielle Insultexplosion

Am Beginn der Neuzeit: malediktologische Artenvielfalt.

Um die Jahrhundertwende kamen auf das Schimpfen neue Herausforderungen zu. Im Wesentlichen lag es am schwindenden Einfluss moralischer und autoritärer Instanzen (z.B. Kirche, Politik, Golfprofis). Das Schimpfen wurde flächendeckend salonfähig und differenzierte sich in alle erdenklichen Richtungen aus. Es gab literarisches Schimpfen, wissenschaftliches Schimpfen, militärisch zackiges Schimpfen, Politikerbeschimpfungen und vieles mehr. Dieser vielfältige Schimpfgebrauch hat sich bis heute erhalten, sein wesentlichster Zug ist jedoch, dass das Schimpfen zu einer Form der radikalen Auseinandersetzung mit bzw. Demontage von Autorität wurde, mithin also zu einem Jugendphänomen. Bekanntlich formierte sich in den 1920er Jahren erstmals eine Jugendkultur – und damit auch eine Jugendkultur des Schimpfens. Damals verstand man unter Jugendlichen allerdings volljährige Twens, die sich in Paris, Wien oder New York umhertrieben, Koks schnupften und einen kritisch-intellektuellen Habitus pflegten. Erst über die Jahrzehnte wurden aus den Twens allmählich Teens und prämenstrueller Geschlechtsverkehr en vogue.

20


Anthrosultie

Dieses Phänomen hat von Jahrzehnt zu Jahrzehnt eine Radikalisierung erfahren. Wo man in den 1920er Jahren ein „Décadent“ war, als Zeichen des Protestes verpönte Philosophen las, in Bars offen tanzte und eine Heirat ins Auge fasste, die nicht dem Abb. 6: Ein „Club der toten Schimpfer“ um 1930. Wunsch der Eltern Man traf sich in Hinterzimmern von Cafés und übte entsprach, so ist man anhand erbeuteter Devotionalien gotteslästerliches in den 2010er Jahren oder politikverdrossenes Schimpfen. ein Krocha, trägt eine dumme Schirmkappe, kriegt mit Müh und Not ein „Bam, Oida!“ über die Lippen, und fickt alles, was beim dritten Komarausch noch die Hose bzw. den Rock runterkriegt. Dies erklärt auch die zunehmende Vulgarität des jugendlichen Schimpfgebrauchs.

Vom „Koks“ zum „Bam!“ in wenigen Jahrzehnten.

9. Der totalitäre Schimpfinfarkt In der Mitte des vorigen Jahrhunderts wiederholte sich indes ein Phänomen, das sich bereits im Mittelalter unverhohlen zeigte: In Zeiten des Terrors hinkt der Insult realen Verhältnissen hinterher. Selbst Beschimpfungen wie „Saujud“ oder „Volksverräter“ illustrieren nur dürftig, womit selbige unter kommunistischer oder faschistischer Herrschaft zu rechnen hatten. Einmal mehr drängt sich die Beobachtung auf, dass Schimpfen zwar eine Form der verbalen Radikalisierung ist, aber eben doch bloß verbaler Natur ist. Als Vorstufe zu Schlimmeren, gewissermaßen als Einstiegsdroge, mag Schimpfen bedenklich sein, hat aber wenigstens den Vorteil, dass Schlimmeres noch zu verhindern ist. Hört der gemeine Nazi aber zu jammern und zu beleidigen auf, Abb. 7: Gerichtsszene, 1934. Man beachte die Physiognomie heißt das meist, er sitzt bereits an den Hebeln der Macht. des Angeklagten.

21


Anthrosultie

Grunz, Gier & Geld: Womit sich der neoliberale Patriot gerne tröstet.

Ist dieser Zustand aber erst erreicht, so zeigt die Geschichte, dass eine der Romantik durchaus analoge Selbstverklärungstendenz beginnt. Man gibt sich staatstragend und bemüht sich in der Kunst der Schönfärberei, während hinter den Kulissen Andersdenkende wie eh und je unterdrückt oder gar erschlagen werden. Und wenn es das nicht ist, dann werden Steuergelder hinterzogen oder man schiebt sich gegenseitig Millionenhonorare zu. Gewissermaßen findet hier das „Grunz“ des Neandertalers seine Wiedergeburt in der Gier nach Geld, mit der man sich über den Umstand tröstet, dass eine Regierungsbeteiligung noch lange keine totalitäre Allmacht bedeutet.

10. Vom Kalten Krieg zum neuen Biedermeier In den 1980ern notieren wir das Aufkommen der sogenannten Postmoderne, die jedoch nur vom 2. bis 13. April 1984 wissenschaftliche Geltung für sich beanspruchen darf (Lyofart, 2003). Nichts desto trotz befinden wir uns heute in der Post-Postmoderne, jener Ära, die jenseits des anything goes feststellte, dass mitunter auch gar nichts geht, was ebenso Teil dieses anything ist. Dass es keine legitimierende Erzählung mehr gibt, ist ebenso eine um Legitimation bemühte Erzählung, selbst wenn sie davon berichtet, das „einfach alles“, inklusive bitterster Realitäten, nichts weiter als „amorpher Hirnfuck“ ist.

Der Babyficker als postpostmodernes Symptom: zurück an den Absender bitte.

Smart up your life: Werbung und PR als moderner Insult. Professioneller wird man heutzutage nicht beleidigt bzw. verarscht.

22

Dass sich im Zeichen dieser Bedeutungsdiffusion junge, „wilde“ Autorinnen aufmachten, um die letzten Tabus der Gesellschaft zu brechen (z.B. „Babyficker“ von Urs Allemann) ist Ausdruck dieser selffulfilling Beliebigkeit. In ähnlicher Hinsicht belegen Beschimpfungen wie „Kommunistenschwein“ oder „Kapitalhirsch“, dass politische Weltanschauungen mittlerweile vor allem als tierisch blöd erlebt werden. Der letzte Schritt dieser Entwicklung besteht darin, dass heutzutage nahezu jeder Begriff und jede Floskel als Beschimpfung verstanden werden kann. Insbesondere durch die Einführung subtiler Lügenvertreibungstechniken – Werbung, PR oder Marketing – hat sich ein kommunikativer Status quo eingestellt, demzufolge jede noch so harmlose Aussage („Frag’ doch den Inder“, „Smart up your life“, „In jeder Beziehung zählt der Mensch“ etc.) als latente Beleidigung gedeutet werden darf. Mit anderen Worten: Die Lebensverhältnisse am Beginn des 21. Jahrhunderts sind beleidigend an sich geworden. Was im heutigen Sprachgebrauch ironisch oder ernst, beleidigend oder bloß unverbindlich gemeint ist, lässt sich nur noch anlassbe-


Anthrosultie

zogen beantworten. Dementsprechend erleben wir einen modernen Rückzug in biedermeierliche Lebensverhältnisse, die seit Web 2.0 gemeinhin als Facebook bezeichnet werden. Gerade diese neue Spießbürgerlichkeit, die sich alles herausnimmt und trotzdem nichts wagt, verspricht noch viele Herausforderungen für den am Insult interessierten Kulturanthropologen.

Facebook ist das neue Biedermeier.

Literatur Fulfa, Alois (1965). Intention und Konnotation. Warum die Bibel von vorne bis hinten falsch übersetzt wurde. Straßburg: Ketzer Grind, Herbert (1995). Radikalsprech. Zur Begründung einer modernen Malediktologie. Frankfurt: Negativum Holler, Alfred (1966): Idiotische und überflüssige Sprachsysteme in sogenannten Hochkulturen. Kairo: Hystoria Knoch, Reinhold (2008). Der Neandergrunzer. Die ganze Wahrheit über Ötzi. Düsseldorf: Verlag Die Keule Lazarsberg, Franz & Jahallo, Maria (1927). Die Manager von Marienthal. Ausufernde Chefgehälter im frühindustriellen Zeitalter. Wien: Reicheisen Lyofart, Francoise (2003): Das äußerst kurze Leben der Postmoderne. Nein, ehrlich. Es war wirklich, wirklich kurz. Wien: Passagen Pavian, Otto (1905). Mensch und Halbmensch. Eine Bestandsaufnahme. Wien: Rasse & Volk Schläger, Jürgen (2004). Finstere Gesellen. Das Mittelalter als Schlagloch der Weltgeschichte. Melk: Nibelungen Schweiniger, Ulrike (2002): Perverse Wissenschaft. Sexpraktiken mit Diagrammen, Tabellen u. ä. Schweinereien. Stockholm: Unnobel Tensei, Marvin (1997): Die Bedienungsanleitung als solche. Der Techniksprech und seine Folgen. Tokyo: Hitachi

23


Schimpfmilieus

Malediktologische Milieus im Zeitalter der Post-Postmoderne von Stefan Kalnoky & Konrad Gregor

Vorbemerkung Endlich: Echte Wissenschaft!

Bei dem Großteil der Beiträge des vorliegenden Sammelbandes handelt es sich um sogenannte qualitative bzw. sprachwissenschaftliche „Analysen“. Im folgenden Beitrag soll es jedoch um echte, wissenschaftliche Arbeit gehen, um empirische Sozialforschung1 eben.

Einleitung

Hass-Modelle treffen den Kern der Gesellschaft nicht mehr.

Von der S-Klasse zum Zwiebelmodell.

In den letzten Jahren erfuhr das Feld der Soziomalediktologie einen entscheidenden Paradigmenwechsel. Nachdem Dreck (1986) in seiner bahnbrechenden Streitschrift „Die Schimpfgesellschaft“ die These formulierte, wonach die klassischen Klassen- und Schicht-Modelle (bzw. Hass- und Schimpf-Modelle) die zunehmende Fragmentierung der Gesellschaft immer weniger abbilden würden, haben jüngere Forschungsergebnisse zu einer Verschiebung des bisherigen Konsens geführt. Dies bedarf einer kurzen, geschichtlichen Erläuterung. Ausgehend von der auf Marx zurückgehenden Klasseneinteilung (Arbeiterklasse, Mercedes-S-Klasse, Einfach-nur-Klasse!) setzte sich in der Soziologie der Begriff der „Sozialen Schichten“ durch. In den frühen 1950ern folgerte Schlesky, dass sich die antagonistische Klassenstruktur aufgelöst und sich stattdessen eine „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ ausgebildet habe. Der Großteil der Bevölkerung zähle sich demnach weder zur Unter-, noch zur Oberschicht, sondern zum „Mittelstand“. Karl Martin Bolte schließlich entwickelte das erste Schichtenmodell, die „Bolte‘sche Zwiebel“. 1 Vgl. Popup, Sir Karl (1954): „Ich erkläre den zweiten Methodenstreit hiermit beendet: Wer nicht Fakten anhäuft, sondern diese mittels Schönfärberei und rhetorischer Gaukelei bloß behauptet, betreibt nicht Wissenschaft, sondern ist ein blöder Hund.“

24


Schimpfmilieus

Das Zwiebelmodell nach Bolte sollte keinesfalls verwechselt werden mit der Zwiebelbeschimpfung nach Novak (siehe S.36).

Abb. 1: Das Zwiebelmodell nach Bolte

Wesentlich an diesem Modell ist, dass gesellschaftliche Strukturen nicht bloß vertikal (hierarchisch), sondern auch horizontal (Einkommen, Beruf, Masturbationstechniken, Prestige etc.) verlaufen2. Zu einer Abkehr vom Schichtenmodell kam es durch die Einführung des Risikomodells von Ulrich Beck und Stefan Hradil (1972). Der Clou des Risikomodells besteht in der Erkenntnis, dass es in fortgeschrittenen Industriegesellschaften „selbst erzeugte Risiken gibt, die einen jeden betreffen“ (Korte, 2004, S. 151). Zwar habe sich das Wohlstandsniveau insgesamt gehoben, das heißt, alle Schichten sind quasi wie mit einem Fahrstuhl nach oben gefahren („Fahrstuhleffekt“3), und auch ein Vorstandsdirektor sei vom Risiko betroffen, sich mit Ketchup einen ekligen Fleck auf seiner Karl Lagerfeld Hose zu machen (wie etwa dahergelaufener, nach Zwiebelmodellen riechender Bauarbeiter), aber es gäbe demgegenüber individuellere Risikofaktoren, die zu einer Differenzierung der Gesellschaft führen (z.B. Meteoriteneinschlag, Alieninvasion, Polkappenschmelze). Es gibt also im vertikalen Fahrstuhl einen horizontalen Fahrstuhl, der sich wie ein Astralleib über den anderen legt, obwohl ja auch der erste Fahrstuhl nur als Metapher gedacht werden darf. Die Rede ist hier also von sich als Astralleiber manifestierenden Gleichnissen, die sich den lieben langen Tag ihre Zeit mit fröhlichen Aufzugfahrten in einem mehrstöckigen Bürogebäude vertreiben.

Keine Streitfrage: Der Ketchupfleck und der Meteoriteneinschlag.

Autarke Fahrstühle im freien Fall.

2 Dreamworks drehte 2001 mit Shrek (= der Zwiebeljunge) einen soziologischen Aufklärungsfilm, der Jugendlichen dieses Schaubild näher bringen sollte. 3 Nicht zu verwechseln mit dem Fahrstuhleffekt nach Ramm, vgl. S. 70 in diesem Band (im Aufsatz „Sex und Insult“).

25


Schimpfmilieus

Die „kleinen“ Details des alltäglichen Lebens entscheiden über die soziale Zugehörigkeit.

Aus dieser Fahrstuhlmetaphysik entwickelte Stefan Hradil das bis heute gültige Modell für „Soziale Milieus und Lebenslagen“, das soziale Gruppen sowohl in vertikaler (soziale Stellung bzw. Hierarchie bzw. Buckelfaktor) als auch in horizontaler (etwa Weltanschauungen, Fernsehkonsum, Sexualpraktiken) Lage unterscheidet. Die Merkmale dieser Schichten werden nach stets aktuellen Faktoren ermittelt (z.B. Arbeits- und Freizeitbedingungen, Ungleichheit in der Behandlung in der Öffentlichkeit etc.).4

Die Sinus Milieus: „Sag‘ mir was Du kaufst, ich sag‘ Dir, wer Du bist.“

Eine der wichtigsten Milieu-Schemata sind die Sinus-Milieus5. Dieses Schema fragt weniger nach der Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen (z. B. Alter, Geschlecht, Bildung, Berufsstand), sondern orientiert sich primär an Konsuminteressen. Von diesen Konsuminteressen oder -vorlieben ausgehend werden diverse Lebensstile (modern, traditionell, hedonistisch, latent homosexuell, konsumdilettantisch etc.) bestimmt, denen sich der Einzelne zugehörig fühlt. Dieser Ansatz war so erfolgreich, dass Sinus-Milieus seither stets zu Rate gezogen werden, sobald in einem Vorstandsdirektorium das Wort „Fakten“ auch nur gedacht wird.

Methodik der Schimpfmilieus

Studie mit äußerst repräsentativem Sample.

Studien des Instituts für angewandte Insultologie an der Universität Wien haben allerdings ergeben, dass sich die Menschen der PostPostmoderne nicht mehr ausschließlich nach dem Lifestyle unterscheiden, sondern durch die Art und Weise wie sie schimpfen (vgl. Falkner, 2009). Daher wurde eine österreichweite Studie in Auftrag gegeben. Aus der Grundgesamtheit der österreichischen Bevölkerung wurde ein Sample von 5.000 Personen mittels willkürlicher Auswahl gezogen, wovon nach stichprobenneutralen Ausfällen 232 in die Netto-Stichprobe gelangten. Schließlich konnte eine durchaus ansehnliche Ausschöpfungsquote von 13 realisierten Telefoninterviews erzielt werden – das Sample ist somit repräsentativ. Den Respondenten wurden insgesamt 13.770 Fragen gestellt, 5.288 dieser Items wurden schließlich in die endgültige Auswertung miteinbezogen. Den Testpersonen wurden dabei verschiedenste, meist 4 Der Hintergrund: Man muss nicht unbedingt zu den EntscheiderInnen in unserer Gesellschaft zählen, sondern kann sich auch in einer 12m² Wohnung, hochverschuldet und tumorerkrankt, zufrieden fühlen. Etwa wenn die herrische Schwiegermutter auch noch nervt. 5 benannt nach dem durchführenden Institut „Sinus Sociovision“;

26


Schimpfmilieus

unangenehme Situationen beschrieben und in Folge eine Liste an Reaktionen darauf zur Auswahl vorgelegt6. Zwei dieser Items sollen hier dokumentiert werden: ________________________ Sie erwischen Ihren Partner/Ihre Partnerin mit einer fremden Person im Bett. Was sagen Sie zu Ihr/Ihm? • Du verficktes Arschloch! • Fahr zur Hölle Du Sau! • Oh mein Gott! Das hätte ich nicht von Dir erwartet! • Und? Macht‘s Spaß? ________________________ Der ÖBB-Intercityexpress 347 „Europäischer Hundeführerschein“ fährt Ihnen direkt vor der Nase davon, obwohl Sie über den Bahnsteig gesprintet sind und der Zugbegleiter Sie bemerkt hat. Was kommt Ihnen aus? • Scheiß ÖBB, verschissene! • So eine Frechheit, Ihr werdet noch von mir hören! • Tsssss ... heute mal pünktlich, oder was? • Jetzt kauf ich mir den Verein! ________________________ Mittels multidimensionaler Fucktorenanalyse konnte herausgefunden werden, dass „Verbitterung“ und „Vulgarität“ die zwei zentralen Faktoren sind, nach denen sich Schimpftypen ausdifferenzieren lassen. Diese entsprechen den klassischen Werten der Grundorientierung (von traditionell bis modern).

Verbitterung und Vulgarität als grundlegende Bestimmungsfaktoren.

Im nächsten Schritt wurden mittels Clusteranalyse insgesamt zehn Schimpfmilieus identifiziert. Diese malediktologischen Typen werden im Diagramm mit den beiden eben erwähnten Dimensionen Vulgarität und Verbitterung graphisch dargestellt. Im Anschluss daran sollen die einzelnen Milieus kurz vorgestellt werden. 6 Anzumerken ist allerdings, dass für das Herausfiltern der Schimpfmilieus die Testfragen nur zu 23,78 % ausschlaggebend waren. Signifikant (23,79 %) war hingegen der Umstand, dass die meisten Respondenten mit fortgeschrittener Interviewdauer ungehaltener wurden und dabei verschiedene Insultstrategien entwickelten, mit dieser Situation umzugehen.

Die Intensivierung der Befragung erbrachte auch intensivere Ergebnisse.

27


Schimpfmilieus

Die Schimpforientierung der österreichischen Gesellschaft auf einen Blick.

Abb. 2: Die Schimpfmilieus im Überblick

Die malediktologischen Schimpfmilieus

Weit verbreitet und meist harmlos erniedrigend.

Die Vulgären Die Vulgären weisen einen überdurchschnittlich hohen Grad an Verbitterung und Vulgarität auf. Sie verwenden häufig und ohne zu zögern harte und extrem erniedrigende Beschimpfungen (insbesondere Zwiebelbeschimpfungen, sowie unkoordinierten Verbaldiarrhoen, siehe Seite 36ff in diesem Band). Vulgäre erstrecken sich über sämtliche Bevölkerungsgruppen, finden sich allerdings vermehrt unter der Berufsgruppe der Unterwasserschweißer. Typische Beschimpfungen: „Arschloch“, „Scheiße“, „Hurensohn“ etc. Die Ultra-Vulgären Bei den Ultra-Vulgären findet die Beschimpfung, jedenfalls in der Ausprägung ihrer Untergriffigkeit, zum Teil losgelöst vom lebensweltlichen Kontext statt. Sie sind daher in der Regel weniger verbittert als die Vulgären, vielmehr wird der Insult hier zum Lifestyle.

28


Schimpfmilieus

Angehörige des ultra-vulgären Milieus können durchaus lebensfroh sein, sie müssen nicht zwangsläufig in große Rage gebracht werden, um sich der vulgärsten Beschimpfungen zu bedienen. Typische Beschimpfungen: „Schiri du … Orschbeidl“, „Hurenfut“, „verhurte Scheißgeburt“ etc. Die Ironiker Finden sich vorwiegend in der Oberschicht, es handelt sich meist um Leitartikelschreiber und Kolumnisten. Aufgrund des mutmaßlichen Drucks der öffentlichen Meinung sind sie gezwungen, ihre Meinungen in moderat-ironischer Form durchblicken zu lassen, in dem sie augenzwinkernd versichern, sie wüssten über den „wahren“ Zustand der Gesellschaft genau Bescheid. Aufgrund routinierter Feigheit (vor allem den Inseratkunden gegenüber) leiden sie meist jämmerlich am eigenen Geschwafel.

Entgegen dem Anschein meinen es Ultra-Vulgäre selten „persönlich“.

Eine zum Glück wenig verbreitete Gesellschaftsgruppe.

Typische Beschimpfungen: „unfassbar“, „unerhört“, „Missstände“, „aufgedeckt“ etc. Die Sarkasten Das höchste Niveau an Verbitterung weist das sarkastische Milieu auf, allerdings bei einem sehr niedrigen Grad an Vulgarität. Vom subtilen Schimpfer unterscheidet den Sarkasten seine negative Grundeinstellung bei etwa gleich hohem Bildungsgrad. Beispielsweise schimpft er gerne über so genannte „Bobos“ (Bourgeoise Bohemians), gehört in der Regel jedoch selbst dieser Gruppe an.

Sarkasten sind es meist unfreiwillig, in Verkennung gesellschaftlicher Realitäten (sich selbst betreffend).

Typische Beschimpfungen: „Na geh, bitte!“, „Bam, Oida!“, „Fix!“ etc. Die Zyniker Die Zyniker sind deutlich frustrierter als die Sarkasten. Sie neigen dazu, ihr eigentlich zutiefst moralisches Anliegen meist auf unfreiwillig komische Weise durchblicken zu lassen. Zyniker sind postpostmoderne Existenzialisten, die schwarzen Rollkragenpullis bestellen sie heimlich bei Amazon. Würden das aber nie zugeben, weil sie alles, was auch nur die geringste Nähe zum mainstream hat, offiziell zutiefst verachten. Unter dieser rauen Schale sind sie jedoch die letzten Sensibelchen unserer Gesellschaft.

Zyniker sind moderne Romantiker. Meist bedauern sie, dass auf facebook nicht mehr ernsthaft „geredet“ werden kann.

Typische Beschimpfungen: „wertlos“, „hirnverbrannt“, „idiotisch“, „Augenauswischerei“ etc.

29


Schimpfmilieus

Helmut Kavka, Franz Weinpolter & Co.

Die verbitterte Mitte In Österreich gehört der größte Bevölkerungsanteil der verbitterten Mitte an. Eher unauffällig weist diese Gruppe eine durchschnittliche Ausprägung in den beiden Dimensionen Verbitterung und Vulgarität auf. Dem verbitterten Mittelstandstyp stößt vieles sauer auf (insbesondere „was die da oben aufführen“), sein ausgeprägtes Phlegma sowie seine Schüchternheit aber behindern ihn, seinem Zorn freien Lauf zu lassen. Lieber schreibt er Leserbriefe. Die Floskel vom „typischen Österreicher“ ist nicht völlig unangebracht. Typische Beschimpfungen: „Gfrast(sackl)“, „Gauner“, „Verbrecher“, „Sozialschmarotzer“, „Tschusch“, „Saujuden“, „Piefke“ etc.

Frustrierte äußern sich in der Regel nur an der Supermarktkassa halbwegs verständlich: „Kassa, bittäh!“

Die Frustrierten Sie sind der letzte Überrest jener Gruppierung, die bereits in den 1960ern von Elisabeth Noelle-Neumann als Afterprodukt der „Schweigespirale“ identifiziert wurde. Die Frustrierten entsprechen den Modernisierungsverlierern branchenaffinerer Sozialstudien, der hohe Grad an Ohnmacht lässt ihre Insultartikulation praktisch auf der Zunge verdampfen. Sie sind die stillste Randgruppe. Typische Beschimpfungen: „Pffff“, „Hmpf“, „Grmbl“, „Ngeeh“, „Oaschschsch“ etc.

Empörte sind zurecht empört, es nutzt allerdings nichts, bloß empört zu sein.

Die Empörte(n) Durchaus einigermaßen verbittert, fehlt es der typischen Empörten an Mut und Selbstvertrauen, um ihrer unterdrückten Vulgarität freien Lauf zu lassen. Die typische Empörte ist weiblich, knapp über 40 und verfügt über ein durchschnittliches Einkommen. Sie liest Frauenzeitschriften mit distanziertem Ekel, kauft keine Konfektionsware und pausiert beim Kieser-Training, wenn sie ihre Tage hat. Typische Beschimpfungen: „Macho“, „Schuft“, „Gemeinheit“, „Frechheit“, „Du Mann“ etc.

Subtile Schimpfer sind gerne verheiratet mit Millionenerbinnen und vergessen nicht selten, was ihre Leistung war.

Subtile Schimpfer Der subtile Schimpfer ist trotz niederer Herkunft überdurchschnittlich gebildet und hat eine positive Lebenseinstellung, die sich meist in hochtrabenden Karriereplänen äußert. Sein größtes Problem besteht darin, dass seine Beschimpfungen – die er versucht, politisch korrekt zu halten – in der Regel so subtil sind, dass sie vom Empfänger kaum verstanden werden. Typische Beschimpfung: „Supernackt“, „Supersauber“, „Supersuper“, „da bin ich aber“ etc.

30


Schimpfmilieus

Die Post-Maledikten Das post-malediktische Milieu ist derart komplex, dass es sich bislang jeder fundierten Beschreibung entzieht. Eine Theorie besagt, es handle sich um Vulgaritätsgeläuterte aufgrund eines Moments höchster Erleuchtung. Eine andere Theorie besagt, dass dieses Milieu sämtliche PR- und Werbetreibende umfasst. Primär jedoch war die Forschungsgruppe der Ansicht, dass eine seriöse Sozialstudie heutzutage unbedingt über ein Milieu verfügen muss, welches das Präfix „Post“ im Namen trägt.

Jenseits der Notwendigkeit zu schimpfen.

Vulgarität und Verbitterung Abschließend ist festzuhalten, dass die klassische Annahme von traditionellen und modernen Grundorientierungen bedenkenlos durch die post-postmoderne bzw. malediktologische Orientierung ersetzt werden kann, welche wiederum auf der Unterteilung in Vulgarität und Verbitterung beruht. Beide Begriffe sind leicht zu definieren: Verbittert sind all jene, die nicht längst vulgär geworden sind.

Das klassische Sinus-Modell ist hiermit obsolet.

Für die Zukunft der malediktologischen Empirie lässt dieses Ergebnisse das Beste hoffen, denn die Schmipfmilieus sind nicht nur eindeutiger zu bestimmen, sie lassen sich vor allem weitaus kostengünstiger ermitteln. Es genügt eine einfache Passantenbefragung anhand Insult-Key-Words, um Weltanschauung, Kaufkraft und Konsumvorlieben mit unfehlbarer Präzision zu bestimmen.

Literatur Beck, Ahmed und Hradil, Mirko (1972). Klingeling, 14. Stock, bitte aussteigen! Die Fahrstuhlgesellschaft. Köln: Funkturm Dreck, Mahmood (1986): Die Schimpfgesellschaft. Auf dem Weg in die Moderne. Frankfurt am Main: Suckkamp Korte, Goran (1999). Meine Zeit am Burgtheater, nein, sorry, „Einführung in die Soziologie“ muss das heißen. Zagreb : UTB Popup, Sir Karl (1939). Wissenschaft vor die Hunde geworfen. Darmstadt: Vier Pfoten

31


Scientific Cocksucking

Bezugssystem Wissenschaft von Sebastian Klug & Konrad Gregor

Die Wissenschaft kämpft generell mit einer Verständigungsproblematik. Im Umgang mit dem Schimpfen zeigt sich diese um so deutlicher. Ausgangslage dieses Modells ist ein modernes Verständnis von Gesellschaft. Diese ist bekanntlich lustaffin und daher primär an Spiel, Spaß und Kommunikation interessiert. „Anything goes“, heißt es zurecht. Finanzielle Regeln, Logik etc. sind nur Richtwerte, was nicht zuletzt in der Funzone „Politik“ oft genug deutlich wird. Demgegenüber steht die Wissenschaft, die nicht umsonst so heißt. Dem Wissen gilt ihr Streben, einem noch dazu ausschließlich staubtrockenen Wissen. Ähnlich einer fundamentalistischen Sekte wird hier der Götze der Empirie angebetet.

32


Scientific Cocksucking

Doch auch Wissenschaftler sind bloß Menschen. Die ständige Lustentsagung führt zu Frust und so zu einer ausschließlich defizitorientierten Arbeitspraxis. Forschungsergebnisse werden nach lustfeindlichen Prinzipien von den schwächsten Gliedern des Wissenschaftsbetriebs hergestellt und leiden in der Regel unter systemimmanenten Fehlerquellen, was wiederum ranghöhere Sektenmitglieder in Rage versetzt. Diese Dynamik führt zu Beschimpfungen und Beleidigungen, die im Rahmen eines hierarchischen Zirkels ständig intensiviert werden. Die Folge: Ein zunehmende Abspaltung von der Gesellschaft, etwa durch akademisches Fluchen, irrelevantes Auftreten in der Öffentlichkeit oder unverständliche Fachartikel.

33


Anhang

Schimpfen im Realfall: Ein Bußgeldkatalog Wer schimpft, versetzt sich in den Stand des Unrecht Ausübenden1. Die deutsch-österreichische Rechtsgeschichte kennt eine Reihe von Präzedenzfällen, die in den beiden nebenstehenden Tabellen exemplarisch aufgelistet sind2.

Vor Gericht und bei insultorischem Anlassfall gilt: Weniger ist mehr.

Was lässt sich daraus lernen? Zunächst, dass die Höhe der Bestrafung mit zunehmender Radikalität der Beschimpfung abnimmt. Schlägt sich der „Wegelagerer“ etwa mit € 450,- zu Buche, so kommt die Verdreifachung dieser Beschimpfung („Verfluchtes Wegelagerergesindel“) nur auf die doppelte Summe. Auch bemerkenswert: Beleidigungen, die sich auf die Berufswahl beziehen („Trottel in Uniform“, „Schlampe“) führen zu exorbitant hohen Kosten. Den Gesamtcharakter („blödes Schwein“) verunglimpfen oder die Ganzkörperlichkeit mit einer Teilkörperlichkeit zu bezichtigen (z.B. „Arschloch“) kommt wesentlich günstiger. Besorgniserregend ist das Rechtsurteil bezüglich des Unschuldslamms Konjunktiv. Dass sich die Aussage „Am liebsten würde ich jetzt Arschloch zu dir sagen“ mit € 1.600,- tief ins Portemonnaie gräbt, verdirbt die Lust auf abmildernde Varianten. Beim Kapitel der Gesten erfahren wir, dass das bloße Wedeln mit der Hand vor dem Gesicht einen mit € 750,- zu dotierenden Strafbestand darstellt. So erkennen wir, dass Beleidigungen vor dem Gesetz nicht zuletzt auch Big Business sind.

Den gesunden Menschenverstand per se beleidigend: Gesetzestexte.

132

1 § 6 MedienG., Üble Nachrede, Beschimpfung, Verspottung und Verleumdung: „Wird in einem Medium der objektive Tatbestand der üblen Nachrede, der Beschimpfung, der Verspottung oder der Verleumdung hergestellt, so hat der Betroffene gegen den Medieninhaber Anspruch auf eine Entschädigung für die erlittene Kränkung. [...] Der Entschädigungsbetrag darf 20.000 Euro, bei einer Verleumdung oder bei besonders schwerwiegenden Auswirkungen einer üblen Nachrede 50.000 Euro nicht übersteigen. (2) Der Anspruch nach Abs. 1 besteht nicht, wenn [...] die Veröffentlichung wahr ist oder b) ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung bestanden hat [...], oder 4. es sich um eine wahrheitsgetreue Wiedergabe der Äußerung eines Dritten handelt [...]“. Das österr. Mediengesetz ist einsehbar unter http://www.bka.gv.at/site/3478/default.aspx (Stand: 31.3.2011). 2 Vgl. http://www.bussgeldkatalog.biz (Stand: 31.3.2011); Es handelt sich hierbei um dokumentierte (reale!) Fälle aus dem deutschen Straßenverkehrsmilieu.


Anhang

Beleidungen Leck mich doch

Strafhöhe

Insultwert

300,-

23%

bis 600,-

17%

Witzbold

300,-

88%

Du armes Schwein, du hast doch eine Mattscheibe

350,-

23%

Wegelagerer

450,-

93%

Dumme Kuh

Zu dumm zum Schreiben

450,-

n. a.

Du blödes Schwein

500,-

22%

Hast du blödes Weib nichts Besseres zu tun?

500,-

77%

[Einen Polizisten duzen]

600,-

1%

Dir hat die Sonne wohl das Gehirn verbrannt

600,-

2%

Bei dir piept’s wohl

750,-

79%

Verfluchtes Wegelagerergesindel

900,-

91%

1.000,-

99%

Wichtelmann Du Wichser

1.000,-

0%

Bullenschwein (mit Stinkefinger)

1.000,-

2%

Raubritter

1.500,-

50%

Trottel in Uniform

1.500,-

1%

Ihr seid doch alle große Arschlöcher

1.500,-

3%

Idioten, ihr gehört in die Nervenheilanstalt

1.500,-

5%

Am liebsten würde ich jetzt Arschloch zu dir sagen

1.600,-

63,76238%

Du Schlampe

1.900,-

66%

Fieses Miststück

2.500,-

66%

Alte Sau

2.500,-

99%

Strafhöhe

Insultwert

Zunge herausstrecken

bis 300,-

-50%

Kreis aus Daumen & Zeigefinger bilden (Arschloch)

Die angegebene Strafhöhe beruht auf Erfahrungswerten. Sie ist als Richtwert zu verstehen. Mit ungefähr dieser Summe muss im Klagsfall gerechnet werden. Der Insultwert bezieht sich auf den effektiv erzielten Beleidigungsgrad, entsprechend der Novakschen Insultskala. Ein 100 %iger Insult führt demnach zu sofortigem Tod durch Einschamung (vgl. Seite 132 in diesem Band), 0 % bedeutet: als Beleidung nicht wahrnehmbar.

Tab. 1: Bußgeldkatalog für Beleidigungen

Gesten

bis 750,-

1%

Einen Vogel zeigen

750,-

100%

Mit der Hand vor dem Gesicht wedeln

750,-

2%

Tab. 2: Bußgeldkatalog für Gesten

Die Minuswertung in diesem Fall versteht sich von selbst, bedeutet doch eine herausgestreckte Zunge meist eine ungenierte Aufforderung zum gemeinsamen Briefmarkenbefeuchten.

133


Literatur

Literaturempfehlungen Bitch, Jane (2001): The arse end of nowhere. Broome: Holyshell Da sich diese Aufsatzsammlung nicht nur an Experten und Expertösen richtet, wird dieser Spaltenraum genützt, um Empfehlungen zu ausgewählten Titeln auszusprechen.

Dies soll keine Wertung implizieren, sicherlich sind alle hier vertretenen wissenschaftlichen Werke gleich lesenswert, manche Werke bemühen sich jedoch stärker um Allgemeinverständlichkeit, während andere unlesbare Machwerke hirnverwichstester Art sind, wie man sie in der Wissenschaft zu Tausenden kennt.

Blade, Johanna (2003): Asphaltkosmetiker, Dorfsherriffs und Glatzentischler. Von Berufung und Berufen. Wien: Onan Bloed, Peter (1992): Eingefressen und Ausgeschissen. Die Rosette als Ende meiner Welt – ein lyrischer Versuch. Fucking: C. H. Beck Brunzig, Konrad (2006): Verbale Aggressionsschemata und Logodiarrhoe bei den unter 40jährigen Wanderern am Ulrichsberg. Klagenfurt: Shitup Come, Samantha (2008): Abusive Words Among Native Americans. A Cultural Analysis. Nashville: Cuntscience Darm, Hans (2004): Mittelalterliche Aborte in der Umgangssprache. Malediktologische Untersuchungen eines mediävistischen Sprachkosmos. Essen: Kotz & Kotz Erindmir, Olga (2001): Babuschkas letzte Schläge. Frankfurt am Main: Ritzenbuch Fuckhausen, Erich (1065): De canii sultii. Psalmenübersetzung. Leiben: Frost Fehllicks, Gloria (2002): Kniend unterm Rednerpult. Stimmen aus dem Off. Dortmund: Haute literature Fick, Bastian (1999): Der Arsch ist dem Busen sein Tod. Köln: Kiwi

Außerdem lassen sich hier hilfreiche Tipps einflechten, etwa zur Praxis der Fellatio oder zur Vogelpflege.

Fotzinger, Johannes (2009): Der Sufffick und der Suffix. Zwei beziehungslose grammatische Kategorien? Zürich: Johannes Geilinger, Friedrich (1842): Buch der teutschen Tittengeschichte. Weimar: Veranda Hurig, Elisabeth (2007): Pimmelknollen und Fotzenpilze. Eine Floristin erzählt. Köln: DieBlume

134


Literatur

Hangscheisser, Fridolin (1989): Das Bollwerk der Beleidigungen. Auslegungen norddeutscher Schimpfkultur. Oldenburg: Hangover Lingus, Conny (2009): Thrombose in der Hose. Mobbing und Sexuelle Belästigung in deutschen Krankenhäusern. Berlin: Deuticke Merde, Frédérique (1905): La langue fécal. Marseille: Baiseenvoie Nippel, Caroline (2001): Zur Systematik der Syphilis. Salzburg: Domspatz Ollawei, Menahem (1966). Dreckate Mischpoche. Vom Niedergang der jüdischen Schimpfkultur in der NS-Ära. Tel Aviv: Gojim

Warum Fellatio? Es mag vielleicht überraschen, aber HerausgeberInnen, LektorInnen oder VerlegerInnen einen zu blasen ist eine innerhalb der Scientific Communists eine durchaus gängige Praxis.

Pandke, Heter (1983): Dramaturgenbeschimpfung. Wien: Deuticke Petze, Stefan (2009): Böse Worte unter der Decke. Feistritz im Rosental: Shitup Putze, Lara (1999): Worte zur Himmelspforte. Katholisch-insultologische Ausdrucksmöglichkeiten. Bonn: Keuchverlag Rosette, Cybill (1988): Rimming and Rhyming. The Fusion of Fulfilling Attitudes towards Life. Pusstown: Newworldwords Speibinger, Katharina (1999): Vom Fetznschädel zum Textilhaupt oder: Chices Schimpfen. Köln: Puff Steinwichs, Florian (2001): Im Sack der Sackgasse. Prosaische Selbstergründungen und lyrisches Ejakulat. Wels: Kumkum Schwanzmagd, Claudius (1979): Verbalattacken und ihre Defensiven. Karlsruhe: Pseudo Stinkerlüty, Marie-Christine (2002): Eine Rhetorik der Frustration. Dornbirn: Kanschmilecka Von Kotingen, Ernst-Richard (1989): Der Adel und sein Anus. Standesgemäßes Schimpfen. Eine Anleitung. Mühlheim: Wichser

Ja, viele wissenschaftliche Fachwerke wären ohne ein entsprechendes, mündliches Engagement im Vorfeld niemals erschienen.

Warum aber Vögel? Nun, Vögel haben in der wissenschaftlichen Kultur des Abendlandes eine ganz besondere Bedeutung.

In der Tag haben die meisten Wissenschaftler einen Vogel. Und zwar keinen kleinen.

Würgen, Jürgen (1987): Über den Fluch des Nachnamens. Mit besonderer Würdigung des Vornamens. Bern: Nomenklatura

135


AutorInnen

AutorInnenverzeichnis Cuisine, Curt, Autor von „Dieses Entmündigungsverfahren gegen mich ist eine Unverschämtheit!“ (2010, Gugging). Als Ghostwriter u. a. für demente Tiefseetaucher tätig, z. B. „20.000 Meilen unter dem Meer“ (2005, Nautica); „30.000 Meilen unter dem Meer“ (2006, Nautica); „Noch ein paar Tausend Meilen Meer!“ (2008, Nautica). Gaspar, Ben, Autor von „Hm, den Titel muss ich noch überlegen“ (Verlag der EntscheiderInnen, 2006) und „Aber mein nächstes Buch hat sicher einen Titel“ (Zukunftsedition, 2008). Ben Gaspar ist dem Institut für angewandte Insultologie zugelaufen, ein etwaiger Vorbesitzer war nicht aufzufinden. Gregor, Konrad, Autor von „Hier irrte die gesamte Menschheit, meine Wenigkeit ausgenommen“ (Arro Ganz Verlag, 2005). Der Autor gilt heute als eine der profiliertesten Nachgeburten, die es je bis zum Status einer eigenständigen Lebensform geschafft haben. Dass er Bücher schreibt, ist dafür Beleg genug. Gruber, Alice, Autorin von „Schon wieder ein Sonnenaufgang in der Bar“ (Rhiz, 2008) und „Nachtschwärmereien. Kein Lexikon für Schmetterlingsfreunde.“ (Ledidoptera, 2009). Die Autorin wurde seit zwei Jahrzehnten nicht mehr bei Tageslicht gesehen. Hübier-Hubre, Sebastian, Autor von „Ich bin jung, gebildet und schön.“ (Selffulfilling, 2010). Der Autor ist jung, gebildet und schön. Und so ist auch sein in letzter Sekunde auf ein Minimum gekürzter Beitrag. Lapierre, Sophie, Autorin von „Jetzt reißt euch endlich am Riemen, Jungs, Teil I-III“ (Garzonatorverlag, 2003, 2004 & 2006) sowie „Nochmal sage ich das nicht“ (Garzonatorverlag, 2007). Kalnoky, Stefan, Autor von „Ich will witzige Beiträge auf Facebook lesen“ und „Hört auf, dauernd eure Profilbilder zu wechseln“ (Zuckerbergia, 2008). Der Autor arbeitet und publiziert ausschließlich auf Facebook.

136


AutorInnen

Kiel, Eva, Autorin diverser Strickanleitungen für „Burda“, „Für Sie“, „Strickliesl“ und „Postfeministische Avantgarde-Strickerinnen“. Eva Kiel arbeitet überwiegend im Untergrund, unter anderem, weil sie den Ausgang dort nicht findet. Klug, Sebastian, Autor von „Meinen Namen muss man sich verdienen“ (Altklugverlag, 2001), „Wie ich mir doch einen anderen Namen überlegte“ (Matrattelverlag, 2003) und „Ich wechsle jetzt dann mal mein Facebookprofil“ (Zuckerbergia, 2007). Klug wurde 2008 von seinem Twitter-Follower für den Nobelpreis vorgeschlagen. Nikolas E., Dominique, Autor von „Das ist aber eine geile Knarre (Fairfax, 1871)“ und „Also wenn dein Freund Jimmy eine Smith & Wesson zu seinem 12. Geburtstag bekommen hat, darfst du natürlich auch eine haben“ (Pinkerton, 1852) sowie „Würde Jesus noch leben, kämpfte er in Afghanistan“ (9-Christ-11, 2001). Dominique Nikolas E. ist allerdings kein Autor, sondern ein Auto. Puff, Andreas ist Ehrenbürger der Stadt Fucking. Autor von „Borderliner und Bordelle. Eine Fallstudie.“ (Krumpendorf, 1979) sowie „Das Semen im Wort Etablissement. Linguistische Untersuchungen der Fellatio.“ (Baden, 1985). Ramm, Justus, Autor von „Test, 1, 2, 3“ (Die Bühne, 2009) und „Warum denn kein Applaus?“ (Das Stadion, 2010). Ramm wurde geboren und aufgezogen auf einer Bühne. Er weigert sich auch im Erwachsenenalter beständig, diese freiwillig zu verlassen. Rind, Marion Helga, geboren 1985 in der Fruchtblase ihrer Mutter von ihrer Mutter. Ab 2006 ganzheitliches Studium des Konjunktivs in Wien. Autorin von „Exquishit. Ausgesuchte Spezialitäten verbaler Heimsuchungen.“ (Cuntpress, 2004) und „Arschloch ist das neue Braun. Eine Trendstudie.“ (Cuntpress 2009). Zirkowitsch, Max, Autor von „Dreckiges, nichtsnütziges Arschlochvolk! Wählt einmal in eurem Leben richtig“ (S.O.Z.-Verlag, 2007) und „Wie ich lernte, die Niederlage zu ficken (und mich danach in sie verliebte)“ (Masoch‘s Blätterbrei, 2009). Zirkowitsch gilt als latent depressiv, sobald man ihn auf den Zustand der Sozialdemokratie in Guatemala und „witzige“ Friseursalonnamen anspricht. Ansonsten ist er ein begabter Junge.

137


Weitere Publikationen aus der Reihe „Satire & Wissenschaft“ des Instituts für angewandte Insultologie Hydra 4

Hydra 5

Das vierte wissenschaftliche Journal der Hydra verhandelt die Themen Wirtschaftskrise und Armutsästhetik in der Methodik des teilnehmenden Abtippens.

Lifestyle und unermesslicher Reichtum sind die zentralen Themen dieser, auf systemtheoretischen Studien beruhenden Publikation.

Dezember 2008 A4 / 44 Seiten PREIS: Leider vergriffen

April 2009 A4 / 52 Seiten PREIS: 2,- Euro

Hydra 6

Hydra 7/8

Diese Sonderausgabe untersucht den Sektor der modernen und traditionellen Kinderzeitschriften in Form von ästhetisch abgenudelten Cultural Studies.

Ein kritischer Blick auf die Lebensratgeberliteratur in Form von hermeneutischen Readymades sind Inhalt der Ausgabe 7/8.

Oktober 2009 A5 / 36 Seiten PREIS: 1,50 Euro

April 2010 A6 / 128 Seiten PREIS: 6,90 Euro

Alle noch erhältlichen Ausgaben der Hydra sind unter office@hydrazine.at bestellbar. Für mehr Informationen siehe hydrazine.at tinyurl.com/hydra-on-facebook www.issuu.com/hydra

138


139

Bezahlte Anzeigen


Die Insultie ist ein bislang wissenschaftlich unterbelichtetes Forschungsgebiet. Dieser Sammelband knipst die Taschenlampe malediktologischer Erkenntnis an und erhellt die Hintergründe menschlicher Verbalaggressionen. Inhalt Moderne Trends des Schimpfens Kulturgeschichte des Schimpfens Die österreichischen Schimpfmilieus Gängige Schimpffloskeln und ihre etymologische Herkunft Sex und Insult Die deutsch-englische Komplizenschaft des Schimpfens u. v. m.

140

12,80,ISBN 978-3-85450-278-4 Verlag Der Apfel


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.