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Intro Illustration Blick aufs Hyperwerk
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Intro Dieses Büchlein ist das Resultat einer langwierigen Vorgeschichte. Sie setzte damit ein, dass wir schon seit einigen Jahren unsere Jahrespublikation durch unsere Studierenden haben gestalten lassen, was jeweils Anlass zu Fragen der Selbstfindung, Gestaltung und Strategie gab. Und auch der Titel solch eines Werks gibt selbstverständlich regelmässig viel zu reden, zumal er heuer mit »512» auch eher unverständlich ist. Der Titel deutet an, dass er mehr als eine Bedeutung hat; dass er, wie eine richtige Hochschule auch, eigentlich aus mindestens einer Frage besteht. «Wieso heisst denn Euer Buch 512»? — Darauf liesse sich anworten, dass es jetzt langsam doch eigentlich fünf vor zwölf geworden sei, so dass man über eigene Erklärungen nachdenken sollte. Oder auch, dass jede Prozessgestaltung etwas mit Zeit zu tun habe, vor allem, wenn sie spiegelbildlich wie die Titelschrift sei und erst noch mit einem Fragezeichen enden würde.
passen. Und mit diesen anspruchsvollen Vorgaben setzte eine Irrfahrt durch viele Druckereien ein, bis sich endgültig herausstellte, dass mit unserer kleinen Auflage ein solches Buch nicht realistisch zu produzieren wäre. Da haben wir auf die Farbe verzichtet, ein etwas gängigeres Bibeldruckpapier gewählt und mit der Druckerei C.H. Beck die beste Druckerei überhaupt gefunden. Auf dieser Grundlage haben wir uns dann entschieden, unser Buch mit genau fünfhundertzwölf Seiten zu produzieren, denn irgendwo muss man ja anfangen mit seinen Vorgaben. Dass unser Werk zustande gekommen ist, verdanken wir der überragenden Projektleiterin Lisa Bomsdorf mit ihrem phantastischen studentischen Gestaltungsteam und dem engagierten Coaching von Nicolas Bourquin und der Agentur Onlab. Ein weiterer grosser Dank geht an Ralf Neubauer und Peter Bichsel, die gemeinsam den Kern der vierköpfigen Textredaktion bildeten. Ein Staunen bleibt zurück, wie denn HyperWerk bloss sonst noch was zustande gebracht hat im letzten Jahr, wenn man bedenkt, wie viel Energie in diese Produktion geflossen ist.
Google liefert auch zu dieser Zahl 162 Millionen Vorkommnisse, unter denen wir hier nur den Testarossa 512 von Ferrari und die texanische Stadt Austin hervorheben wollen, auf die manchmal auch mit ihrer Telefonvorwahl referiert wird: »Some Austinites use the 512 as a metonymy for the city.» Eine sehr viel einfachere Erklärung findet sich in den Obsessionen des Institutsleiters, der zufälligerweise auch Autor dieser Intro ist und der im letzten Herbst in eine Liebesaffäre mit den hauchdünnen Farbseiten der Kataloge des Westfalia-Werkzeugversandhauses gerutscht war. Also lautete die Devise, eine tagebuchartige Bilddokumentation durch das Studienjahr auf solch einem Papier zu produzieren, die tausend Seiten haben und zugleich möglichst klein und dünn sein sollte, um immer noch als Vademecum in eine Tasche zu Mischa Schaub
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Vision Werte Mission
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Vision
Durch Experiment und Provokation wirken wir exemplarisch in Bildung, Forschung und Gestaltung. Wir stellen uns 체berraschenden Fragen und erobern Freir채ume gesellschaftlicher Transformation.
Werte Radikalit채t und Respekt Kritik und Kreativit채t Partizipation und Leidenschaft Wagemut und Geduld
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Mission
Unsere Projekte führen zu explorativen Bildungs- und Arbeitsformen, die Interdisziplinarität und Teamgeist fordern. Wir bilden Netzwerke und suchen Partnerschaften, immer wieder auch mit unseren AbsolventInnen. Wir gestalten tragfähige Handlungsmodelle, die wir auch an unserem Institut erproben. Darüber reflektieren und berichten wir. Wir lernen voneinander für einen verantwortungsbewussten Umgang mit den Prozessen steter Veränderung.
Eine Reihe von sechs Selbstportraits von Studierenden aus unserem elften Jahrgang, realisiert in ihrer Ankommenswoche im HyperWerk.
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Fabian Z채hner Hakan Cavdar Johanna Mehrtens Jonas Gschwind Lea Baltisberger Moritz Meier
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Fabian Zähner Viele wussten schon zu Beginn der Woche sehr genau, wie ihr Selbstportrait aussehen sollte. Anderen war dies weniger klar — ich wusste es überhaupt nicht. Am Ende stand in einer Ecke ein Tisch mit Stuhl vor einer mit Packpapier zugeklebten Wand. Ein riesiges Durcheinander von Klebeband, Scheren, Bildern, Textausschnitten, Notizen, Stiften, Papierschnipseln und leeren Getränkedosen; mittendrin flimmerte eine Animation alter Passfotos. Pfeile und Wörter wie «Selbstbild», «Fremdbild» und «Identität» strukturierten das Chaos. Warum? Nach langem Kopfzerbrechen über die richtige Form meines Selbstportraits fand ich diese durch ein Gespräch mit der Workshopleitung: Statt eines makellos abgeschlossenen Endprodukts sollte der Prozess selbst, meine verschiedenen Suchbewegungen, dargestellt werden. Und so wurde nichts auf- oder weggeräumt vor der Präsentation. Die ungeschönte Arbeitssituation zeigte viel über meine Arbeitsweise und meine Gedankengänge zum Thema. Aus einer sehr unpräzisen Vorstellung wurde so eine sehr dichte Darstellung meiner Person: die erste bewusste Konfrontation mit Prozessgestaltung und vor allem ein persönlicher Versuch der Visualisierung eines Prozesses.
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Hakan Cavdar «Was ihr gerade gesehen habt, waren die wenigen Dinge über mich, von denen ich behaupten kann, sie wirklich zu wissen; ich bin gekommen, ich nehme wahr, ich bewege mich, und dann gehe ich.» So endete mein Vortrag, halbnackt in schwarzen Unterhosen. Zuvor war ich durch eine schwarz eingehüllte, von der Decke hängende Matratze geschlüpft, die ich mit einem grossen Messer aufgeschlitzt hatte, um sogleich mich danach hinzulegen und wieder zurückzuschlüpfen. Zwischen verworrenen Gedanken über mich und ich und Plänen für Videoinstallationen und Projektionen kam mir in einer Pause dieser Geistesblitz. In der Einfachheit schienen meine komplexen Gedankengänge aufzugehen, was ein faszinierendes und aufregendes Gefühl war, in meiner Vorstellung und dann auch während der Präsentation. Doch bereits am selben Tag habe ich bereut: Hätte ich doch etwas Kreatives gemacht, mit Video und Installationen, etwas Gewöhnliches. Auf einmal fragte ich mich, ob das Publikum jemals dieses Bild aus seinem Gedächtnis streichen könnte, oder ob manche noch im Abschlussjahr an die schwarze Matratze und den halbnackten Typen denken würden. Vielleicht liefere ich den Gedächtnissen neue Bilder, die noch verrückter sind. Man weiss ja nie, was einem spontanen Gesellen so alles einfällt.
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Johanna Mehrtens «Selbstportrait» — ich begann, Möglichkeiten auszudenken, zu diesem Thema etwas Interessantes vorzutragen, dabei aber möglichst wenig von mir selbst preiszugeben. Ich spielte Verschiedenes durch, bis mir bewusst wurde, dass schon dieser Wunsch, möglichst von mir selbst abzulenken, etwas von mir preisgibt. Wieso will ich so sehr von mir selbst ablenken? Steckt dahinter eine riesige Angst, enttarnt zu werden? Von den «Anderen» oder sogar von mir selbst? Was bin ich? Was macht mich aus? Hängt ein Portrait von mir selbst nicht immer auch davon ab, wie mich die Anderen sehen? Wie will ich gesehen werden? Ich kann vor dem HyperWerkPlenum nicht die Johanna zeigen, die ich meinem Geliebten zeige; ich kann auch nicht die Johanna zeigen, die ich einer Gruppe komplett fremder Menschen vorstelle, denen ich wahrscheinlich nie wieder begegnen werde, oder einem kleinen Kind; ich zeige jeweils eine andere Facette von mir. Um ehrlich etwas über mich selbst auszusagen, müsste also zuerst etwas über den Zuschauer — der ja gleichzeitig der Reflektor ist — gesagt oder in diesem Falle gezeigt werden. Ein Selbstportrait sollte beim Publikum die Sicht des sich selbst Portraitierenden auf die Welt voraussetzen. Nur so würde ein Selbstportrait einem konsequenten «Selbst-Anspruch» gerecht. Aber ist darin nicht wieder die Angst verborgen, beurteilt zu werden? Müsste man also nicht das Publikum portraitieren? Um nun diese Gedanken in ein Bild zu verwandeln, das auch lesbar wäre, schlüpfte ich in ein weisses Malergewand; mein Gesicht wurde mit weisser Schminke zu einer gleichmässigen Fläche; und ich stellte mich vor eine Projektion, die das Publikum zeigte, wie es simultan gefilmt wurde.
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Jonas Gschwind Das Produkt sollte so einfach wie möglich sein — jedenfalls war das meine Vorstellung zu Beginn. Da sich bei einem Selbstportrait ja alles um meine Person dreht, wollte ich gar keine oder so wenige Hilfsmittel wie möglich gebrauchen, die Präsentation also aufs Wesentliche reduzieren, nämlich auf mich selbst. Ich suchte nach einer Lösung, die spannend und informationsreich, aber zugleich so simpel wie möglich ist. Doch einfach so dazustehen und etwas über mich zu erzählen, erschien mir als wenig unterhaltsam. Hier kam die Idee mit dem Dialog ins Spiel: Ist es mir möglich, ein Gespräch zweier Menschen über mich selbst zu spielen? Die Idee dieses indirekten Selbstportraits faszinierte mich — eines Selbstportraits durch Darstellung zweier anderer Stimmen, die über mich reden. Plötzlich eröffneten sich mir viele neue Möglichkeiten. — Kennen mich beide, oder bin ich einem der beiden unbekannt? Das Endprodukt konnte sich jetzt total verändern, wenn ich den Typen im Dialog Charaktereigenschaften gab: Welche Sprache sprechen sie? Sind sie ruhig, gestresst, oder gar gereizt? Wer von beiden weiss was über mich? Wer gibt was preis über mich? Lieben oder hassen sie mich? Jetzt musste ich mich nur noch festlegen. Ich entschied mich dafür, dass beide mich kennen. Damit wollte ich vermeiden, dass das Ganze in einem Frage-Antwort-Spiel abläuft. Es sollten beide Personen etwas über mich erzählen. So ist auch eine unterschiedliche Sicht auf mich möglich. Nach langem Überlegen entschied ich mich dafür, den Dialog in meinem heimatlichen Berndeutsch zu machen, damit
es authentischer würde, denn meine Sprache ist ja auch eine wichtige Eigenschaft von mir. Mit einer «mindmap» verknüpfte ich meine Persönlichkeit, meine Eigenschaften und anderes, mehr oder weniger Persönliches, mit Dingen, die andere über mich denken könnten und die ich im Dialog ansprechen wollte. Diese verschiedenen Dialogfragmente wurden nach und nach sinnvoll miteinander verknüpft. Irgendwie muss der Dialog ja zusammenhängend sein. Dies war auch meine nächste Aufgabe. Ein flüssiges Gespräch wurde aufgesetzt und niedergeschrieben. Als das Anspruchsvollste zeichnete sich das Umsetzen meiner Spielszene aus. Um das intensive Einstudieren und Üben kam ich nicht herum. Bist Du, was Du von dir weisst? Bist Du, was die Anderen über Dich wissen? Oder bist Du, wovon Du weisst, dass es die Anderen über Dich wissen? Ich weiss nicht…
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Lea Baltisberger Wir irren uns. Zum Beispiel im Beruf. Ich sitze neben anderen Studierenden und lasse mich berieseln. Seit Stunden lausche ich der Stimme Ralfs, der sich gnadenlos durch Kafkas Briefe wälzt — bis zum bitteren Ende. Jetzt liest er aus dem Buch «Improvisation und Theater» von Keith Johnstone vor: «Weil ich mich völlig verkrüppelt und lebensunfähig fühlte, beschloss ich, Lehrer zu werden.» Ich muss grinsen. Das war meine bisherige Erwerbstätigkeit — ich fühle mich ertappt. Das war ich. In der Nacht bleibe ich schlaflos. Mein Entschluss, Lehrerinnenidentität mit Studentinnendasein auszutauschen, beflügelt mich. Alles ist offen. Ich befinde mich erneut am Anfang. Wo wird mich dieses Studium hintragen — werde ich es wagen, meine eigenen Grenzen zu sprengen, um Neues anzugehen? Die Sonne vernichtet das Dunkel — ich spaziere ins HyperWerk. im Kreis drehen meine Gedanken. Der Auftrag lautet: Macht euer Selbstportrait. Ich suche im Internet nach einem Lösungsansatz. Ich suche Selbstfindungstests mit MultipleChoice-Fragen wie: Bist du eifersüchtig? Welches Element verkörpert dich? Stehst du auf Machos? Fastfood-Antworten auf die grosse Frage. und werden diese Zuschreibungen meiner Identität gerecht? Um nicht weiter an der Oberfläche zu kratzen, ändere ich meine Strategie. Mir fällt ein Satz von Hermann Hesse ein: «Der Mensch ist eine aus hundert Schalen bestehende Zwiebel, ein aus vielen Fäden bestehendes Gewebe.» vom Feuer gepackt — diese Worte werden zu meiner Inspiration. Ich möchte meine Matrjoschkas schaffen; das sind
ineinander schachtelbare, eiförmige Holzpuppen, die aus Russland stammen. Denn ich habe nicht eine einzige Identität. Treffe ich auf ein Gegenüber, verändere ich mich. Ich bin Lehrerin, Kindskopf, Griesgram, Tochter, Liebende, Weinkrampf, Monster und Meiteli in einem, um nur einige Facetten zu nennen. Verzehrt habe ich meine Energie für heute, aber nun spiegeln sich meine Matrjoschkas auf der Glasplatte. Es stehen Winzlinge, Einsame, Riesen, Zerbrechliche, Wachsfiguren, in Zucker getauchte Stoffhüllen, gestrickte, organische Figuren vor mir. Und zeigen, dass es unmöglich ist, ein starres Selbstbild von sich zu haben.
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Moritz Meier Ein Selbstportrait zu machen ist kein leichtes Unterfangen. Was ist überhaupt ein Selbstportrait? Ist es das, was der kleine Lukas sagt, wenn er in eine neue Klasse kommt: «Hallo, ich heisse soundso, und meine Hobbys sind dieses und jenes.» Oder ist es der Lebenslauf, den er fünf Jahre später mit seinen Bewerbungsunterlagen verschickt? Auf jeden Fall spielt der Grad der Tiefgründigkeit bei einem Selbstportrait eine Rolle. Es gibt ja genügend Eigenschaften, die einen Menschen beschreiben können. Man merkt jedoch schnell, dass diese Eigenschaften nicht alles sind; also macht man sich auf die Suche nach mehr. Genau so ging es mir bei meinem Selbstportrait. Ich suchte nach etwas, das mich möglichst umfassend portraitiert. Doch je mehr ich suchte, desto schwieriger erschien es mir, etwas zu finden, das mich umfassend portraitierte. Wenn man einen Spiegel benutzt, könnte das Ganze etwas einfacher werden. Möchte man seine eigene Augenfarbe wissen, benutzt man ja auch einen Spiegel. Oder man fragt einen Menschen, der dann als Spiegelersatz dient. Ich erinnere mich nicht mehr daran, was mir bei der Ideensuche alles durch den Kopf ging. Aber vieles wurde sogleich oder nach einem Gespräch mit den Dozenten wieder verworfen. Dann legte ich mich auf das Medium Film fest — und liess mich von der Kamera filmen, während ich schlief. Das hatte den Vorteil, dass ich mich nicht um das Geschehen vor der Kamera kümmern musste, weil ich gar nicht die Möglichkeit hatte, mich darum zu kümmern. Somit bot ich dem Zuschauer die Möglichkeit, einen unverfälschten Einblick in einen doch recht privaten Bereich meines Lebens zu erhaschen. Dann war es an der Zeit, mich auf die Suche nach einem geeigneten Spiegelersatz zu machen, der etwas über das schlafende Ich auszusagen vermochte. Ich stiess dabei auf mehrere Studien, die den Einfluss von Charaktereigenschaften auf Schlafpositionen beschreiben.
Trotz eines gesunden Masses an Skepsis gegenüber den zum Teil einander widersprechenden Studien beschloss ich, diese in mein Selbstportrait einzubauen. Schlussendlich durften die Zuschauer mir beim Schlafen zuschauen und sich fragen, was das Ganze soll, um daraufhin von mir über die Charaktereigenschaften aufgeklärt zu werden, die mich den Studien zufolge auszeichnete. Dass das Überraschungsmoment funktioniert hat, zeigte das leicht unterdrückte Kichern als Reaktion auf meine Darlegung der Studien. Meiner Meinung nach sagte die Art und Weise, wie ich mit dem Thema Selbstportrait umging, weit mehr über mich aus als das Selbstportrait an sich, zumal Studien generell nichts wirklich Persönliches sind.
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A Factorizing Factory DreamLab- Report Dieci DreamLab- Report Undici
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A Factorizing Factory Das DreamLab ist eine Einrichtung am HyperWerk, in der die Studierenden die Möglichkeit haben, das Jahresthema, mit dem sie im dritten Studienjahr abschliessen, gemeinsam zu entwickeln. Der (ideale) zeitliche Ablauf ist so konzipiert: Im ersten Studienjahr werden über einen gewissen Zeitraum hinweg Fragestellungen diskutiert, die mit dem Studium am HyperWerk zusammenhängen. Daraus entsteht ein definitiver Themenvorschlag. Im zweiten Studienjahr werden Netzwerke gebildet — externe Partner werden gesucht, die das von den Studierenden entwickelte Thema mittragen und aus ihren jeweils eigenen Aktionsfeldern und Kompetenzen heraus bereichern. Im dritten Studienjahr schliesslich, dem Abschlussjahr, bildet das Jahresthema die Rahmenhandlung für das eigene Diplom. Das im ersten Jahr entwickelte Thema wird also im dritten Jahr zur inhaltlichen Plattform für die individuell gestalteten Abschlussarbeiten und zugleich zur konzeptionellen Vorgabe für die Gestaltung des Diplomereignisses (Ausstellung, Installation, Tagung, Publikation, Webseite, etc.). Seit es auf studentische Initiative hin 2005 eingerichtet wurde, entwickelte das DreamLab die Jahresthemen translearn (2006), actefact (2007), elementar (2008), emerge (2009), undwasjetzt (2010). Der kommende Abschluss 2011 wird «select_start» heissen, wie an anderer Stelle in dieser Publikation ausführlich dargestellt.
Prozessgestalterin gültig formuliert: «Prozessgestaltung bedeutet für mich, Teil des Geschehens zu sein, es zu formen und in Bewegung zu bringen. Ich habe die Verantwortung, Problemstellungen aufzuspüren und auf sie einzugehen. Als Prozessgestalterin bewege ich mich mit dem Wandel der Zeit.» Diese Darstellung betont die Notwendigkeit, sich selbst als Teil von Prozessen zu erkennen. Wenn wir von Prozessgestaltung reden, müssen wir zunächst verstehen, in welchen Prozessen wir uns bewegen oder wie diese Prozesse funktionieren, die uns bewegen, und was eigentlich Prozessualisierung des Alltags heisst — bevor wir mit Strategien der gestalterischen Intervention hantieren. Das geschieht auch in anderen Studiengefässen am HyperWerk. Das DreamLab jedoch eröffnet die Möglichkeit, über längere Zeit hinweg nicht nur an einer Fragestellung zu arbeiten, Material dazu zu sammeln, Wissen aufzubauen. Es geht hier insbesondere darum, neue Formen des Verstehens zu entwickeln — was die Haupttugend der Prozessgestaltung ist. Die Bezeichnung «factorizing factory» meint ebendiese Tätigkeit: die Analyse, das Auseinandernehmen, die Kritik traditioneller, industriegesellschaftlicher Formen des Verstehens, und schliesslich die (jahres-)thematisch fokussierte Erkundung und Kommunikation neuer Formen des gestalterischen Handelns.
Das DreamLab ist für die Studierenden ein wichtiges Übungsfeld zur Prozessgestaltung — sofern sie nicht auf das Management organisatorischer Abläufe verkürzt verstanden wird. Eine Cinque, Marisa Pichler, hat ihr Selbstverständnis als Regine Halter
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DreamLab-Report Dieci Jeder Jahrgang trifft sich zur Vorbereitung des Diplomjahres im DreamLab. Unser Institutsleiter Mischa Schaub organisierte für uns Dieci bereits für die erste Woche des dritten Semesters einen Pflichtworkshop, um gemeinsam und verbindlich das Jahresthema unseres Diplomjahres festzulegen. Erstmals sollte ein Jahrgang eine Vorlaufzeit von einem ganzen Jahr nutzen können. Es gab eine ganze Reihe anregender Vorträge von Dozierenden und Studierenden; allerdings konnten wir in dieser Phase das Jahresthema noch nicht bestimmen. Wir stellten uns auf einen längeren Prozess ein. Um strukturiert weiterarbeiten zu können, übernahm ich gemeinsam mit Jonas Mettler die Rolle des Hyrats, eine Schnittstellenfunktion, um die Wünsche und Anliegen von uns Studierenden an das Leitungsteam vom HyperWerk weiterleiten zu können und umgekehrt. Aus Hyrat wurde Diplomrat, bestehend aus Patricia Käufeler, Roland Pavloski und mir. Ausserdem bilden wir zusammen mit Mischa Schaub das DreamTeam und die Projektleitung für das mittlerweile gesetzte Jahresthema 2010/11: «select_start». Wir organisieren, koordinieren und leiten das nun alle drei Wochen stattfindende DreamLab. Beim DreamLab wird eine Nichtteilname nur mit schriftlicher Begründung an den ganzen Jahrgang akzeptiert. Es ist sehr wichtig, dass Grundsatzentscheide von der Mehrheit der Dieci gefällt und auch getragen werden. Es braucht eine positive Gruppendynamik, um vorwärtszukommen und dieses Vorbereitungsjahr erfolgreich zu nutzen.
Generierung des Inhalts von «select_start» und die Mission und Vision unseres Vorhabens. Das Schwierige dabei ist, die Leute auf einen Nenner zu bringen und sie zum Mitmachen zu begeistern. Im DreamLab prallen die unterschiedlichsten Sichtweisen und Ansprüche aufeinander, und immer wieder entflammen hitzige Diskussionen. Damit sie sich nicht zu einem Flächenbrand ausweiten, übernimmt jemand aus dem DreamTeam die Moderatorenrolle. Ein anderer führt Protokoll, das im Laufe einer Woche an alle Dieci und die betroffenen Gastdozenten gesendet wird — wir laden interne und externe Fachleute in die DreamLabs ein, als Gastdozierende zu Themen, in die ein Einblick sich lohnt. In ein paar Wochen beginnen die langen Semesterferien; die DreamLabs werden jedoch in einem Vier-Wochen-Rhythmus weiterlaufen. Eine neue Phase hat begonnen. In Zukunft werden in den Dreamlabs Pitches eingeführt, auf freiwilliger Basis. Jeder zukünftig Diplomierende hat von jetzt an die Möglichkeit, sein Projekt in regelmässigen Abständen dem Plenum zu präsentieren und Feedbacks, Tipps und Tricks einzuholen. Das ist ein mächtiges Mittel, um sich auf das Diplomjahr vorzubereiten, und ich bin sehr gespannt auf die Projekte meiner Mitstudierenden und deren Rückmeldungen auf die Präsentation meines Diplomvorhabens.
Nach der Bestimmung des Jahresthemas kam die Ausarbeitung des Addendums, des Regelwerks für die Diplomprojekte. Seit einem halben Jahr konzentrieren wir uns auf die Janine Michel
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DreamLab-Report Undici Die Undici wurden zu Beginn des zweiten Semesters von Catherine Walthard und Regine Halter zu einer ersten Sitzung «DreamLab Undici» eingeladen. Diese frühe Auseinandersetzung mit dem Jahresthema für das Diplomjahr 2012 erlaubt den Studierenden, auf das Jahresthema bezogene Projekte schon während ihrer Ausbildungszeit am HyperWerk vorzubereiten, durchzuführen und möglichst auch zu evaluieren; so der Idealfall. Regine und Catherine bieten den Studierenden ihren Forschungsplan ttt —travel trains talent als Ideenpool an. Aufgrund eigener Reiseerfahrungen von Catherine wurde diese Idee bereits früh am HyperWerk aufgegriffen und mit Regine weiterentwickelt. Anfängliche Schwierigkeiten bestanden in der Suche nach anderen Institutionen und Hochschulen, die in diesem Themenfeld der Designforschung mitarbeiten könnten (auf diesen Forschungsplan wird im Kapitel «Strategische Säulen» näher eingegangen). Eine Partnerschaft mit der Haute Ecole d‘Art et de Design (HEAD) in Genf ist bereits entstanden. Eine Workshopreihe im Kontext der genannten Thematik wird am HyperWerk im neuen Semester 2010/2011 stattfinden. Es gibt immer wieder Studierende, die ihre Ausbildung durch einen Auslandsaufenthalt erweitern, um neue Inspirationen für ihre Arbeit zu gewinnen. Oftmals werden diese Inspirationen in Projekten umgesetzt; jedoch fehlt es oft an der Weiterbearbeitung der dabei gemachten Erfahrungen. Die Frage nach Inhalten und Konzepten, die in kulturellem Austausch entstanden sind, wird mit dem geplanten Jahresthema deshalb zum Forschungsansatz für Gestaltung und deren Perspektiven. Das eigene Gestalten soll in Frage gestellt und durch kulturell davon unterschiedene Gestal-
tungsauffassungen und -praktiken neu bewertet und neu positioniert werden. Dies wäre eine Erfahrung und Auseinandersetzung, die sich auch in einer Ausbildungsbiografie gut macht. Die Undici treffen sich einmal im Monat. Damit soll eine kontinuierliche Auseinandersetzung gewährleistet werden, die das Jahresthema 2012 präzisieren soll. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Kerngruppe, die von den anderen delegiert wurde; dagegen hat sich der Jahrgang unmissverständlich ausgesprochen. Ein intensives Treffen fand im Mai 2010 in Senones statt, wo sich die Undici insbesondere mit den für sie relevanten Inhalten des Jahresthemas beschäftigten; die Frage, was interkulturelles Design bedeuten kann, brachte erste Aspekte für das Jahresthema hervor: Veränderungen im Bereich Design aufgrund der Globalisierung stehen in Wechselwirkung mit der Veränderung globaler Merkmale von Gestaltung. Ein weiterer Ansatz von «Selbstreflexion im interkulturellen Kontext» wird von den StudentInnen ebenso stark gewichtet wie die Auseinandersetzung mit Design, Dokumentation, Forschung und Veränderung sowie die Definition dieser Begriffe. Im kommenden Semester werden die Undici unter Anleitung von (externen) Experten eine Workshopreihe beginnen, die sich mit den oben genannten Punkten auseinandersetzt und eine Vertiefung und Definition der zukünftigen Jahresthematik ermöglicht. Bis dahin werden die Undici unter dem Arbeitstitel giveAway erste Schritte in der konkreten Auseinandersetzung mit den Vorgaben und mit neuen Ansatzpunkten tun und ihr Vorhaben damit weiter verfolgen. Peter Bichsel
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LAK dresscode codecheck nodes Fashionation iBar s’gälbe Wägeli Uniqform Einhornstrategien SUN_D
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LAK Diplom 2002 LIK-LAK (Licht-Informations-Kubus - Lokale Anonyme Kommunikation) fokussiert auf den öffentlichen Raum und die urbane Kommunikation: Die Ideen der Wandzeitung und der Speakers’ Corner werden zeitgemäss aufgenommen. Der Licht-Informations-Kubus, im öffentlichen Raum installiert, zeigt ausgewählte Texte an und gibt den Passanten die Möglichkeit, per SMS ihre Gedanken dazu in der Öffentlichkeit zu positionieren. Dynamisches Licht — gesteuert durch die Besucherfrequenz — illuminiert die unmittelbare Umgebung. Zudem antwortet der Kubus auf Tag und Nacht mit gezielter Auswahl von Rhythmen und Farben. Neben den von Passanten eingespeisten SMS-Nachrichten wurden auf LIK Interaktionen auch planvoll initiiert: Beiträge von experimentierfreudigen SchriftstellerInnen wie auch Gedanken einer Gruppe von ausgegrenzten Mitmenschen — konkret von Asylsuchenden — wurden so auf dem LichtInformations-Kubus platziert. Irritation und Neugier werden dadurch beim Betrachter geweckt, und die spielerisch anmutende Idee wird zum Sprach-Rohr wie auch zum Sprach-Ohr und wieder zum Sprachrohr etc. — die Wechselseitigkeit der lebendigen Kommunikation, attraktiv aufbereitet für den öffentlichen Diskurs über öffentliche Themen im öffentlichen Raum. Das Projekt LIK-LAK ist eine Kollaboration von HyperWerk, co-Lab, Christian Schoch und Moritz Schmid.
Claude Hidber
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dresscode Diplom 2002 Die Installation dresscode verarbeitete Spuren, die im virtuellen Raum hinterlassen werden, zu Textilien. Dazu übersetzte ein Rechner die Bewegungen zweier Personen in virtuelle Muster, die schliesslich durch die Verschaltung mit einem Webstuhl zu Textilien verwoben werden konnten. So kehrten die Bewegungen also wieder in den physisch-stofflichen Raum zurück und veränderten ihn, waren elektronisch generierte Erinnerung und neue Wirklichkeit zugleich. Die Webmuster waren physisches Anschauungsmaterial für den gesamten Prozess. Insofern ausschliesslich zwei Dimensionen, nämlich Ort und Zeit, also Richtung und Tempo für die Mustergenerierung verantwortlich waren, wurde die Art und Weise erfasst, wie sich zwei Installationsbesucher bewegen und positionieren. Damit spielte auch das kommunikative Verhalten dieser Personen und dessen Auswirkung auf das Muster eine Rolle. dresscode befasste sich insgesamt mit neuen Dimensionen des Entwerfens. Virtuelle und physische Elemente wurden zu kollaborativem, gruppenorientiertem Handeln verbunden. Der Entwurfsvorgang selbst war also nicht arbeitsteilig, sondern als ein gemeinsam vollzogener Prozess organisiert. Ein wesentlicher Aspekt der Recherche war daher die Frage, welche Auswirkungen dieses Vorgehen auf die digital basierte Entwufstätigkeit insgesamt und auf die Grundlagen entwerferischen Handelns im Informationszeitalter haben kann. Das Projekt gewann beim Eidgenössischen Wettbewerb für Design (BAK) den Eidgenössischen Preis für Design 2002.
Raphael Perret
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codecheck Diplom 2002 codecheck.info verbindet Produktinformationen von Herstellern, Grossverteilern, relevanten Labors, Konsumentenorganisationen und Konsumenten. Die auf den handelsüblichen Produkten aufgedruckten Strichcodenummern sind die Basis, auf der per Internet oder Telefon weiterführende Informationen zugänglich gemacht werden. So können zum Beispiel auch Allergiker für sie wichtige Angaben über ein Produkt abrufen. codecheck.info soll als ein Ort des fachinternen und öffentlichen Austauschs vorhandene Erkenntnisse transparent machen, einander gegenüberstellen, verknüpfen und kommunizieren. Mit einer informierten Community von Konsumentinnen entsteht damit zugleich ein Nachschlagewerk, das durch immer neue Beiträge ergänzt und erneuert wird. So gehören mittlerweile auch Applikationen für Mobiltelefone zum Angebot von codecheck.info, welche kostenlos angeboten werden. Roman Bleichenbacher ist mehrfacher Preisträger für seine Diplomarbeit codecheck.info, die er bis heute als Unternehmensbasis nutzt. 2004 erhielt er den SWITCH Innovation Award 2004 / Förderpreis für Innovationen; 2006 erhielt das Projekt im Rahmen des Prix Ars Electronica 2006 den Award of Distinction. www.codecheck.info
Roman Bleichenbacher
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nodes — Fair Trade Carpet Diplom 2004 Das Diplomprojekt nodes stand zunächst für ein reines Technikvorhaben. Als Pilotprojekt sollte nodes die Potenziale und Möglichkeiten für den Einsatz von Kommunikations- und Informationstechnologien bei der Dezentralisierung von STEP ausloten — einer Stiftung mit Sitz in der Schweiz, die mit lokalen Koordinatoren in Indien, Nepal, Pakistan, Afghanistan, im Iran und in Marokko die Produktion handgeknüpfter Teppiche überwacht und sich für sozial vertretbare Produktionsbedingungen einsetzt. Beat Muttenzer, der im Rahmen seines Projekts geraume Zeit in Pakistan und Nepal verbrachte, änderte allerdings vor Ort seine Pläne. Mit seinen Beobachtungen wurde aus dem Nachdenken über rein technische Lösungen ein Nachdenken über Abläufe, Prozesse, Arbeit und Aufgaben — die Akteure selbst und ihre Bedürfnisse wurden zum eigentlichen Thema von nodes. Ziel war es jetzt, die unabhängig voneinander operierenden Koordinationsbüros von STEP aus ihrem Satellitenstatus zu befreien und zu Knotenpunkten eines kommunizierenden Netzwerks zu machen. Der Informationsund Wissensaustausch sollte direkt stattfinden können, wobei die einzelnen Knoten standortunabhängig eine gleichberechtigte und tragende Rolle innerhalb des Ganzen übernehmen würden. Grundlage für die Entscheidung über eine sinnvolle Umgebung der Informations- und Kommunikationstechnologie war die Darstellung möglicher Szenarien, die weitere Entwicklungen der Organisation sowie deren technische Unterstützung illustrieren konnten. Durch diese Szenarien machte nodes die relevanten Aspekte und Faktoren des Netzwerkgedankens direkt erfahrbar, diskutierbar, umsetzbar.
Beat Muttenzer
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Fashionation: Mythos.Mode.Markt Diplom 2004 Das Diplomprojekt von Céline Studer brachte Mode und Technologie auf ästhetisch ungewöhnliche und anspruchsvolle Weise zusammen. Entwickelt wurden kommunizierende Kleider. Eines trug den Namen «Exploding Kleid»; seine Trägerin sandte wie eine Supernova Licht nach aussen. Das von Löchern durchsetzte Kleid schickte aus jeder Öffnung Botschaften an die Umgebung — diese Projektion auf Wände oder Personen erzeugte immer neue Formen und veränderte sich zudem mit dem Abstand zwischen Projektion und Projektionsfläche. Damit wurden die BetrachterInnen zu InteraktionspartnerInnen, konnten mit ihrem Körper oder mit Handtaschen, Hüten, Schirmen oder anderen Objekten die Projektionen einfangen und reflektieren. Ein weiteres Produkt dieses Diplomprojekts war das «ScanKleid». Es reagierte mit akustischen Signalen auf Blicke und stellte auf diesem Weg den Kontakt zum Betrachter her. Das «Exchange-Kleid» schliesslich funktionierte über ein an die BesucherInnen der Performance abgegebenes Eintrittsband, in dem Sender mit unterschiedlichen Farbcodes platziert waren. Sprach die Trägerin des Kleids mit einem Besucher oder kam sie in seine Nähe, fing das Kleid an, den angesprochenen Farbcode aufzunehmen. Je länger die Begegnung dauerte, umso intensiver verfärbte sich das Kleid. Wandte sich die Trägerin einer anderen Person zu, dann erlosch die eine Farbe langsam, und der neue Farbcode begann zu wirken. Durch das langsame Abklingen und Ansteigen der jeweiligen Farben entstanden faszinierende Mischfarben und Farbspiele. Céline Studer
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iBar Diplom 2005 Das Projekt iBar versucht, ein prototypisches interaktives System für die Bespielung von Tischoberflächen zu entwickeln. Eine Bar ist ein Ort der Kommunikation und der Unterhaltung, eine Umgebung, in die wir uns begeben, wenn wir uns vom Alltagsstress erholen wollen. Im Zentrum dieses Bewegungsraums steht der Bar-Tresen. Ein Möbelstück eigentlich, manchmal liebevoll und aufwendig gestaltet, manchmal schlicht — auf jeden Fall ein Ort von zentraler Wichtigkeit. iBar ist der Versuch, den Erlebnisraum Bar digital zu erweitern. Mittels Digitaltechnologie wird die iBar mit einer interaktiven Oberfläche ausgestattet. Diese kann einerseits als gestalterisches Mittel eingesetzt werden, andererseits aber auch mit kommunikativen oder informativen Applikationen bespielt werden. Simon Hä nggi konnte seine Diplomarbeit von 2006 innerhalb von drei Jahren als innovative Basis für eine HightechFirma in London nutzen, die er mit zwei Venture-Kapitalpartnern gründete. Er wirkt unterdessen auch als Dozent am HyperWerk: Im Frühjahr 2010 wurde einer Gruppe Studierender die Möglichkeit geboten, einen neu fürs HyperWerk erworbenen Aurora Multitouch-Tisch zusammenzubauen. Im darauffolgenden Workshop programmierten die Teilnehmer in Kleingruppen verschiedene Anwendungen für den Tisch in den unterschiedlichsten Entwicklungsumgebungen wie vvvv, Processing, openFrameworks, OpenCV und unity3D. Die Anwendungsbeispiele für Programme reichen von einer Malwand für Kinder über diverse Minispiele bis hin zur Erkennung von Figuren und Formen.
Simon Hänggi
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s’gälbe Wägeli Diplom 2006 Der Titel des Projekts — s’gälbe Wägeli — entstammt einer Redensart: Vom «gälbe Wägeli» abgeholt zu werden, bedeutet die Einlieferung in die Psychiatrie. Dieses Diplomprojekt hat in einer Vielzahl von Aktionen eine breit angelegte Kampagne entfaltet, mit der die Öffentlichkeit für das Thema psychische Krankheiten sensibilisiert und Berührungsängste abgebaut werden sollten. Naomi Petcher ging dabei von ihrer Wahrnehmung aus, dass psychische Krankheiten nach wie vor ein gesellschaftliches Tabu sind. Auch wenn die psychiatrischen Kliniken mehr und mehr in die Städte integriert werden, ändert dies nichts an der von Ängsten, aber auch von Unkenntnis geprägten Haltung der Gesellschaft. Das gälbe Wägeli wurde somit zum Leitmotiv für eine Kampagne, die über den gesamten Zeitraum der Diplomarbeit stattfand. Ein (gesponserter) Bus wurde gelb gestrichen und auf öffentlichen Plätzen stationiert. Im Inneren konnten sich die BesucherInnen in Kurzfilmen zur Stigmatisierung psychischer Krankheiten informieren und Gespräche führen. Gleichzeitig fungierte der Bus als Impulsgeber für die mit dem Projekt lancierten Veranstaltungen, zum Beispiel für eine Ausstellung in der Psychiatrie in Basel (PUK). Gezeigt wurden dort die Ergebnisse eines Plakatwettbewerbs, der mit grosser Resonanz ausgeschrieben worden war. Daneben entstanden Sticker, Postkarten, T-Shirts. Das Projekt s’gälbe Wägeli wurde schliesslich zum Kongress «SGPP, Psychiatrie in der Medizin — gestern — heute — morgen» in Biel eingeladen und nahm erfolgreich am Wettbewerb «Prix Perspectives 2006» teil. Naomi Petcher
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Uniqform Diplom 2006 Kinder in Indien müssen eine Schuluniform tragen, um die Schule besuchen zu können. Kinder, die auf der Strasse leben, haben keine Schuluniform. Das Strassenkinderprojekt Navajeevan schuf Abhilfe und gründete deshalb eine Schneiderei — für Strassenkinder, die ihre Schuluniformen selber nähen können. Die Schneiderei ist Teil eines grösseren Projekts, das Strassenkindern ausserdem eine Schul- und Berufsausbildung (zum Beispiel als SchneiderIn) sowie medizinische Versorgung ermöglicht. Das Diplomprojekt Uniqform arbeitete eng mit diesem Strassenkinderprojekt zusammen, das im südindischen Vijayawada angesiedelt ist, einem Bahnknotenpunkt und Mekka für Strassenkinder, Für seine Diplomarbeit importierte Christian Peter 300 Schuluniformen aus der indischen Schneiderei in die Schweiz. Internationale Modedesigner fertigten daraus Unikate, die dann bei einer Fashionshow in Basel gezeigt und verkauft wurden. Uniqform hat damit auf ungewöhnliche Weise, nämlich über die Modebranche, Entwicklungsarbeit betrieben. Der Erlös aus dem Verkauf der Uniformen ging komplett an das Navajeevan-Projekt. Damit war der Kauf modernerer Maschinen möglich; neue Lehrstellen für die Jugendlichen konnten entstehen. www.uniqform.ch
Christian Peter
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Einhornstrategien Diplom 2006 Im Juni 2009 konnte das Kunstprojekt Love Hotel in Vaduz (LI) während einer Woche besucht werden. Die Idee des japanischen Stundenhotels war Ausgangspunkt und Inspiration, ein altes Haus umzugestalten und zu bespielen. Die Woche war jedoch nur ein kleiner Ausschnitt aus einem längeren Prozess, der schon Monate zuvor begonnen hatte und mit der Finissage keineswegs abgeschlossen war. Dass wir vier, die wir uns zur Organisation bereit erklärt hatten, das Haus nutzen wollten, war keine Frage. Dass Love Hotel im Kulturbereich angesiedelt sein würde, ebenfalls nicht. Alles andere jedoch war lange Zeit unklar, und erst in den Gesprächen mit den Personen, die wir nach und nach für unser Unterfangen gewinnen konnten, nahm das Projekt Form an. Zu Beginn ein genaues Konzept für das Haus zu entwerfen, zuverlässige Kunstschaffende zu verpflichten, die Finanzierung zu sichern und das Ganze mit möglichst wenigen Abweichungen vom ursprünglichen Plan durchzuführen — das wäre sicher auch möglich gewesen. Stattdessen liessen wir vieles offen, beschlossen, das Projekt ohne externe Finanzierung zu realisieren, und übergaben die Gestaltung des Hauses in erster Linie an Personen, die Lust hatten, sich zu beteiligen, ohne notwendigerweise einen gestalterischen Beruf zu haben. Damit gingen wir zwar ein gewisses Risiko ein, aber durch den ständigen Dialog mit den Beteiligten waren wir immer gut informiert und hatten zu keiner Zeit das Gefühl, das Projekt dem Zufall zu überlassen. Wir steckten vielmehr die Rahmenbedingungen so ab, dass sie eng genug waren, um Inspiration und einen thematischen Zusammenhang zu bieten, den Beteiligten aber trotzdem alle Freiheiten liessen, die sie wünschten.
Das Love Hotel war, so könnte man sagen, eine konkrete Umsetzung der Strategien, welche ich im Rahmen meines Diplomprojekts einhornstrategien am HyperWerk erforscht hatte. Dabei ging ich von 40 Interviews mit im Kulturbereich tätigen Personen aus, welche meiner Einschätzung nach prozessorientiert arbeiteten, und versuchte, deren Erfahrungen, Arbeitsmethoden und Visionen zu verdichten. Die allgemeine Gültigkeit des Handbuchs für Prozessgestaltung, wie ich mein Projekt nannte, ist sicher anzuzweifeln. Was jedoch auf jeden Fall den Umgang mit der bei Prozessgestaltung impliziten Ungewissheit und Unsicherheit vereinfacht, ist, einerseits gewisse Gesetzmässigkeiten zu kennen und andererseits Personen vor Augen zu haben, die ähnlich wie man selbst agieren und überzeugt davon sind, dass sie einen interessanten Weg verfolgen. Das Diplomprojekt samt Interviewpartnern und deren Projekten ist deshalb auf www.einhornstrategien.com einsehbar und wird sporadisch um aktuelle Beispiele ergänzt.
Laura Hilti
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SUN_D Diplom 2007 Jonas Burki hatte sich am HyperWerk tief in das Thema Lichtgestaltung hineinbegeben. In Zusammenarbeit mit Mitstudierenden entstanden dabei Objekte, die lichtleitende Materialeigenschaften in Anwendung nutzten. Daraus resultierte im Diplomjahr der Sei die Idee des Lichtdisplays SUN_D. Das Display manipuliert stromunabhängig Licht und Schatten. Es bündelt das Tageslicht mit präzise konstruierten lichtleitenden Röhren auf einer Matrix, die es als Lichtpunkte wiedergibt. Der Einsatz von künstlichen Lichtquellen wiederum ermöglicht die lebendig anmutende Inszenierung eines Schattenspiels. Noch während des Studiums bot sich Jonas Burki die Möglichkeit, sein Solardisplay in Wien an der Ars Electronica vorzustellen. Danach trat er einen Stipendiumsaufenthalt bei Futurelabs Ars Electronica in Linz an. Er gewann mit seiner Diplomarbeit zudem international anerkannte Preise, darunter den W.A. de Vigier-Preis, und hat unterdessen seine eigene Firma. Sein Team hat heute in Windisch diverse Weiterentwicklungen und Produkte mit der Sonnenlicht-Technik im Angebot. Partnerschaften wie die Unterstützung durch die Förderstiftung Technopark Aargau ermöglichten es dem Jungunternehmer, Fuss zu fassen und seine Idee zu etablieren.
Jonas Burki
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Verbindlichkeit und Rollenverhalten PreThesis_1 PreThesis_2 Diplomaddendum Dokumentation f端r den Dialog Umgang mit Ressourcen
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Verbindlichkeit und Rollenverhalten Vor fünfzig Jahren versuchte mir mein Vater beizubringen, «dass ein Herr keine Pakete trägt». Das hatte er in der Offiziersschule so gelernt. Und dieser Verhaltenscodex bezog sich auch auf die Gemahlin solch eines paketlosen Herrn. Diese seltsame Regel führte dann immerhin im Warenhaus Globus zur Schaffung eines Hauslieferdienstes. Seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich der Gebrauch der Einkaufstüte durchgesetzt, und heute schäme ich mich nur noch schwach, wenn ich etwas durch den öffentlichen Raum trage. Das Rollenverhalten ist in dieser Frage flexibler geworden, und die Welt ist daran nicht zugrunde gegangen. Mit dem Rückgang klassenbezogener Vorstellungen und Verhaltensregeln, wie sie noch zu Zeiten von Thomas Manns Buddenbrooks die meisten wichtigen Entscheidungen massgeblich bestimmt hatten, ist auch das Vergnügen der Verbindlichkeit verschwunden. Und zwar meine ich damit die Lebensqualität, auf selbstverständliche Weise zu erfahren, wie Raum für Vertrauen wachsen kann. Im Kontext von Globalisierung und weltweit vernetzter Teamarbeit wird deutlich, wie notwendig doch innovative Formen der Herstellung von Verbindlichkeit sind. Arbeitet man heute mit einem internationalen Expertenteam via guru.com zusammen, so besteht die gemeinsame Projektsorge darin, überhaupt erst einmal die Regeln der Verbindlichkeit zu bestimmen, wie man denn «Gschäfte» will. Da geht es klar um den Nachweis, dass man bereits Projekte zum erfolgreichen Abschluss geführt hat, dass man seine Rechnungen zu bezahlen pflegt und dass die Partner sich auch nach einem Projektabschluss noch freundlich zu
äussern pflegen. Also alles Qualitäten, die vor nicht allzu langer Zeit im Geschäftsleben als selbstverständlich galten. Verbindlichkeit ist die vielleicht wichtigste soziale Qualität, die es im digitalen Zeitalter zu schützen gilt, durchaus auch im Miniaturmassstab unseres Instituts. Bei uns kommen viele biografische Erfahrungen und kulturelle Prägungen zusammen — und nicht immer läuft die Zusammenarbeit unter den AbsolventInnen von Universitäten, Steinerschulen, Lehrbetrieben und Werkstätten rund. Für solch eine zusammengewürfelte Gesellschaft braucht es geeignete Regelwerke. Heute ist man nicht mehr auf die verschwundenen Offiziersschulregeln unserer Väter angewiesen — als ProzessgestalterIn erfährt man nämlich, dass man die Formulierung von Verhaltensregeln als gestaltbare Verhandlungsmasse verstehen und nutzen kann. Diese Freiheit führt dann leicht zu dem verunsichernden Missverständnis, dass im HyperWerk keine Regel gelten soll. Vielmehr geht es darum, dass wir durch eine dynamische Bestimmung unserer Spielregeln die eigene Beweglichkeit erhalten wollen — wir wollen, müssen und dürfen unsere eigenen Formen festlegen. Solch eine betörende Freiheit muss man nutzen und erfahren wollen, denn sie belastet auch erheblich; und in schlechteren HyperMomenten sehnt man sich nach dem grossen Diktator, der doch einfach alles aufräumen und festlegen soll. Dies wäre jedoch verfehlt, denn als zukünftige MitträgerIn von Teamarbeit unter postindustriellen Bedingungen übt man besser schon in der Hochschule den überlegenen Umgang mit Selbstbestimmung, Motivation und Verbindlichkeit ein.
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PreThesis_1 Absicht Die PreThesis_1 dient der Jahresevaluation und Jahrespromotion. Im Mittelpunkt stehen folgende Fragen: • Was habe ich im ersten Studienjahr in den Bereichen Gestaltung, Prozessentwicklung und Technik getan? • Was ist mir besonders gut gelungen? • Wo stehe ich heute? Wo sehe ich meine Stärken, meine Schwächen, meine Interessen? • Wie soll es im zweiten Studienjahr weitergehen, welche Defizite will ich ausgleichen, welche Stärken weiter ausbauen, welche Themen verfolgen? Kriterien Beurteilt werden Form und Inhalt der einzelnen Präsentationen sowie der abgegebenen Dokumentationen: Sind die gemachten Aussagen stimmig, differenziert und verständlich dargestellt? Wie ist die Fähigkeit zur Reflexion und Selbstreflexion einzuschätzen? In der Auswertung von Präsentation und Dokumentation können Studiendefizite, Massnahmen und Visionen für den weiteren Studienverlauf diskutiert und verabredet werden. Zur Vorbereitung auf die PreThesis findet in jedem Studienjahr ein mehrtägiger Schreibworkshop statt. Noten Die Arbeiten werden nach den genannten Kriterien in den Bereichen Gestaltung, Prozessentwicklung, Technik benotet. Eine weitere Note wird für die Präsentation gegeben. Für die Promotion ins zweite Studienjahr ist ein Notendurchschnitt von wenigstens 4.0 notwendig. Wird dieser Schnitt nicht erreicht, können Nacharbeiten vereinbart werden.
Zusammensetzung der Jury Die Jury besteht in der Regel aus HyperWerk-Dozierenden. Ausserdem werden zwei studentische Beisitzer desselben Jahrgangs den Ablauf protokollieren, so dass jede/r Studierende im Verlauf der PreThesis einerseits selbst geprüft wird, andererseits als Beisitzerin protokolliert.
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PreThesis_2 Absicht Die PreThesis_2 dient zur Promotion ins Diplomjahr. Gegenstand der Prüfung ist ein grösseres Projekt, an dem man im zweiten Studienjahr beteiligt war (das kann ein eigenes Projekt oder eine Diplomarbeit sein, an der man sich intensiv beteiligt hat). Geprüft wird: • Fähigkeit zu Reflexion und Analyse: Kannst Du Deine eigene Arbeit systematisch untersuchen und beschreiben? Wie reflektierst Du über ihre Sinnhaftigkeit und mögliche Fortsetzung — was würdest Du aus heutiger Sicht anders angehen? Welche Folgen und Auswirkungen könnte oder wird Dein Projekt haben? • Auseinandersetzung mit Prozess und Methodik: Welche Methoden wurden angewandt, wie angemessen waren sie? Wie verlief der Prozess des Projekts? In welche übergeordneten Prozesse wurde eingegriffen, oder welche bestehenden Prozesse werden durch das Projekt tangiert? • Kontextualisierung: Wird das Projekt in ein grösseres Arbeitsfeld eingeordnet und wird beschrieben, wie es sich dazu verhält? Kennst Du andere aktuelle Projekte in diesem Arbeitsfeld beziehungsweise den entsprechenden Stand der Diskussion? Deliverables: • Präsentation vor Jury: Vorstellung des Projekts, Kontextualisierung und Reflexion • Schriftliche Dokumentation circa 4 Seiten Din A4 (circa 10’000 Zeichen) plus maximal 2 Seiten Bildmaterial.
Noten Voraussetzung für die Promotion ins dritte Studienjahr ist ein Notendurchschnitt von 4.0. Wird dieser nicht erreicht, werden individuelle Massnahmen diskutiert. Sollte die Jury zu dem Ergebnis kommen, dass zusätzliche Arbeiten zu einem genügenden Notendurchschnitt führen, kann eine provisorische Promotion ins dritte Studienjahr ausgesprochen werden. Die Noten werden nach Ablauf der gesamten Evaluation und allfälliger Einzeldiskussionen bekanntgegeben. Ablauf: • Präsentation 10 Minuten • Fragen der Jury 5 Minuten • Interne Beratung der Jury 10 Minuten • Feedback 5 Minuten
Zusammensetzung der Jury Die Jury besteht in der Regel aus HyperWerk-Dozierenden. Ausserdem werden zwei studentische Beisitzer desselben Jahrgangs den Ablauf protokollieren, so dass jede/r Studierende im Verlauf der PreThesis einerseits selbst geprüft wird, andererseits als Beisitzer/in protokolliert. Diese Rolle als Beisitzer/in ist Pflichtleistung für alle Studierenden des Jahrgangs.
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Diplomaddendum HyperWerk will seine Künste der Prozessgestaltung am eigenen Institutskörper praktisch erproben. Dies wird auch in scheinbaren Detailfragen immer wieder eingelöst, wie zum Beispiel in den alljährlich stattfindenden Verhandlungen zwischen dem Diplomrat und der Institutsleitung zum Diplomaddendum. Dank der flexibel formulierbaren Ausführungsbestimmung eines Addendums zum festgelegten Diplomreglement können unsere Diplomierenden Inhalte, Formen und Zielsetzungen der Prüfung mitbestimmen, der sie sich unterziehen wollen. Und dieses «wollen» steht hier bewusst, denn nicht zuletzt dank dieser Möglichkeit zur Mitgestaltung der Diplomprüfung ändert sich die Prüfungskonstellation von der Unterwerfung zur aktiven Beteiligung an einer institutionellen Qualitätskontrolle. Der damit einhergehende Rollenwechsel vom Opfer zum Problemlöser hat bewirkt, dass heute in einer Diplomprüfung kaum noch bedrohte Personen vor uns stehen müssen, sondern Erwachsene, die zum Abschluss zeigen wollen, was sie geleistet haben. Der aktuelle Entscheid für ganzzahlige Diplomnoten ist ebenfalls ein wichtiger Fortschritt. Seit Jahren schon beklagen unsere Diplomjurymitglieder die Schwierigkeit, in Zehntelsgrade differenzierte Noten für Projekte aus dem extrem weiten Arbeitsspektrum von HyperWerk zu erteilen.
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Dokumentation für den Dialog Im kommenden Studienjahr wollen wir uns aus der Abstraktion von Noten und ECTS-Punkten hin zu einem nachvollziehbaren und wohldokumentierten Bildungsdialog bewegen. Dieser soll in drei Sparten geführt und dokumentiert werden: 1) StudiProzessHomeSites: Jede/r Student/in soll seine/ihre persönliche und HyperWerk-interne Website haben, auf der Links zu allen Workshops und Projekten zu finden sind, woran er/sie sich beteiligt hat. Das ist also ein prozessorientierter, individueller Reisebericht durch die gemeinsame Arbeitslandschaft von HyperWerk. Alle Studierenden verfassen zuhanden ihres Coach zum Modulende einen knappen Bericht mit Links zu Workshops und Projekten, in welchen sie sich engagiert haben, wobei die Art des Engagements nachvollziehbar darzustellen ist. 2) Workshopsites: Jeder Workshop besitzt seine eigene Dokusite, die mindestens ein Abstract zur Ausschreibung, einen Verlaufsbericht sowie eine Präsenzliste und eine begründete Form der Beurteilung durch die Workshopleitung beinhalten muss (solch eine Beurteilung kann beispielsweise auch besagen, dass der Workshop keine Beurteilung zulasse). Ebenfalls sollten auf dieser Workshopsite die Links zu allen allfälligen Deliverables zu finden sein. 3) Projektsites: Jedes Projekt pflegt seine eigene Dokusite, die mindestens ein Abstract zur Projektidee, einen Verlaufsbericht sowie eine Mitarbeitendenliste und eine begründete Form der Beurteilung zum Engagement und zu den Deliverables durch die Projektleitung beinhalten muss. Ebenfalls sollten auf dieser Projektsite die Links zu allen Deliverables zu finden sein.
Zwei Ebenen der Dokumentation Öffentliche Doku: Workshops und Projekte werden in einer öffentlich zugänglichen Form dokumentarisch aufbereitet. ECTS können nur an TeilnehmerInnen von Workshops und Projekten erteilt werden, die eine nachvollziehbare Form der Dokumentation gefunden haben. Alle Deliverables aus Projekt- oder Workshoparbeit müssen mit der entsprechenden Projekt- oder Workshopdoku verlinkt werden. Auf einer zentralen Einstiegsseite sind alle Webdokumentationen zu verlinken. Schnittstelle: Die Pflege dieses Dialogs versteht HyperWerk als wichtigste Schnittstelle zwischen StudentIn und DozentIn. Damit wollen wir eine Kultur der Verbindlichkeit aufbauen, die von beiden Seiten geleistet und eingefordert werden soll.
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Umgang mit Ressourcen Spielregeln Zur Erklärung für den anschliessenden Text ein kurzer Rückblick auf die Anfänge von HyperWerk: Zu Beginn waren die meisten Strukturen und Materialien in einem utopischen System der Selbstregulierung organisiert. Anders ausgedrückt: Die Software-CDs standen in einem Regal, und wer immer etwas brauchte, nahm es sich einfach. Ebenso wurde auch die Lizenzierung der Software gehandhabt (alles für einen, eine für alle). Die Hardware dagegen hatte gar keinen Platz — sie floss als eine Art Protoplasma, oft unsichtbar, durch die Räume von HyperWerk. Wer etwas davon zu sehen und zu fassen bekam, hielt es fest und liess nicht mehr los, bis er oder sie abgelenkt wurde und durch diese Unaufmerksamkeit den Kontakt wieder verlor. Nur Dinge, die zu schwer zum Fliessen waren, befanden sich recht zuverlässig dort, wo sie zuletzt gesehen worden waren. Auch die Anschaffungen von Soft- oder Hardware wurden meist nicht allzu planvoll getätigt, sondern abwechselnd im Stil einer sofortigen und unbedingten Wunscherfüllung beziehungsweise über ein ausgeklügeltes System von Sekretariatsbeeinflussung. Auf Dauer war das Verhältnis von Geldverbrauch zu Verfügbarkeit des Vorhandenen nicht befriedigend, deshalb existieren seit dem Sommer 2002 ein Lager für Hard- und Software sowie eine Verwaltung der Hardwareausleihen, Raumbelegungen und Softwareinstallationen. Die für alle verbindlichen Spielregeln sind in einer Reihe von Formularen beschrieben; zur einfacheren Handhabung sind es eben Formulare. Diese müssen erstens gelesen, zweitens verstanden und drittens unterschrieben werden. Auf den folgenden Seiten werden deshalb einige Regeln abgedruckt.
Im HyperWerk befinden sich die meisten Geräte sowie die Software in einem zentralen Lager. Das Lager wird mittels einer Datenbank verwaltet. Zweck ist, die Hardware möglichst effizient möglichst vielen Studierenden zur Verfügung zu stellen. Die Datenbank ist via verleih.HyperWerk.ch erreichbar. Hier muss mit Benutzernamen (vorname.nachname) und Passwort (wird mitgeteilt) eingeloggt werden. In der Datenbank kann sich jeder Benutzer informieren, welche Hardware im HyperWerk vorhanden und verfügbar ist. Aufgelistet sind Standort und gegenwärtige sowie zukünftige Reservationen. Jede/r Benutzende kann hier einen entsprechenden Reservationswunsch formulieren. Reservierungswünsche erreichen den Verwalter als Mail, die er in die Datenbank einträgt. Eine Rückmeldung erfolgt nur bei Unklarheiten. Wenn die Reservation in der Datenbank sichtbar wird, ist sie gültig und verbindlich. Die Verantwortung für ausgeliehene Ware tragen eingetragene Benutzer, bis die Ware wieder im Lager ist. Bei Empfang der Ware muss sie auf Vollständigkeit kontrolliert und allfällige Mängel sofort gemeldet werden, ansonsten ist der/die aktuelle Benutzende verantwortlich. Bei der Rückgabe wird die Ware durch den Verwalter kontrolliert. DIe Leihfristen sind einzuhalten, überflüssige Reservationen zu vermeiden. Geräte dürfen nicht von einem Benutzer zum nächsten weitergegeben werden. In begründeten Ausnahmefällen muss das vorher mit dem Verwalter abgesprochen werden. Bei der Weitergabe muss der neue Benutzer den Erhalt bestätigen (verleihsystem@hyperwerk.ch), ansonsten bleibt der alte Benutzer weiter verantwortlich, bis die Ware wieder im Lager ist. Wer Hardware länger als zwei Wochen ausleihen möchte, muss dies begründen. Wer Hardware ins Ausland mitnimmt, muss einen Versicherungsschutz nachweisen können (z.B. http:// www.erv.ch/). Privatnutzung der Hardware ist nicht erlaubt.
Lizenz Die FHNW HGK gewährt dem Nutzer/der Nutzerin für die Dauer des Studiums an der FHNW HGK und gemäss den vorliegenden Bedingungen eine zeitlich beschränkte und nicht übertragbare Softwarenutzungsberechtigung der installierten Software auf jeweils einem Computer, der sich im Eigentum oder Besitz des Nutzers/der Nutzerin befindet. Softwarebezug über Software-Distributions-Server (SDS) Die Software wird an der FHNW HGK über den zentralen Software-Distributions-Server verteilt. Für die Installation auf einem privaten Rechner werden folgende Angaben benötigt: Beschränkung Der Nutzer/die Nutzerin verpflichtet sich, die Software weder zu verkaufen, zu vermieten, zu verleasen, zu verleihen noch anderweitig zu verbreiten. Von der Software oder einem Teil derselben dürfen keine Kopien erstellt werden. Es ist nicht erlaubt, eine Kopie der Installation, die CD und/oder die Lizenznummer an Dritte weiterzugeben. Die Software darf durch den Nutzer/die Nutzerin weder online noch anderweitig registriert werden. EDU-lizenzierte Software ist ausschliesslich für schulische Zwecke einzusetzen; der Gebrauch der Software zu anderweitigem Zweck, wie zum Beispiel Erwerbszwecken, ist strafbar. Die Software wird nur auf einem privaten Rechner des Nutzers/der Nutzerin installiert. Schutzrechte Originaldatenträger, auf denen die Software gespeichert ist, bleiben Eigentum der FHNW HGK. Der Nutzer/die Nutzerin
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Softwarenutzungsvereinbarung für Studierende und Dozierende der FHNW HGK
erkennt an, dass der FHNW HGK und deren Lizenzgebern alle Rechte an der Software, einschliesslich des Urheberrechts, vorbehalten sind. Weitere Ansprüche bestehen keine, insbesondere besteht der nachstehende Haftungsausschluss der FHNW HGK. Haftung Der Nutzer/die Nutzerin stellt die FHNW HGK von Ansprüchen der Lizenzgeber frei, sofern etwaige Schäden auf Verstösse gegen die Softwarenutzungsvereinbarung, insbesondere gegen Lizenzbestimmungen Dritter, zurückzuführen sind. Die FHNW HGK übernimmt keine Haftung für Schäden, welche durch fehlerhafte Software verursacht wurde. Eine vertragliche oder ausservertragliche Schadensersatzpflicht/ Haftung seitens der FHNW HGK besteht nicht. Beendigung Diese Softwarenutzungsvereinbarung erlischt mit dem Austritt aus der FHNW HGK. Für den Fall, dass ein Nutzer/eine Nutzerin gegen diese Softwarenutzungsvereinbarung verstösst und diesen Verstoss nicht innerhalb von 30 Tagen nach Abmahnung durch die FHNW HGK behebt, ist die FHNW HGK zu rechtlichen Schritten berechtigt. Im Falle der Beendigung der Softwarenutzungsvereinbarung ist der Nutzer/die Nutzerin verpflichtet, die Software vollständig zu löschen. (Für den Fall des Anschlussstudiums an einer weiteren Hochschule der FHNW besteht die Verpflichtung der Deinstallation der von der FHNW HGK lizenzierten Software erst nach Austritt aus der FHNW. Die HGK gewährt den ICTSupport nur innerhalb der eigenen Hochschule.) Allgemeines Sollten einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam sein und/oder den gesetzlichen Regelungen widerspre-
Es gibt im HyperWerk — auch wenn eigener Bildschirm und Kopfhörer manchmal das Gegenteil vorgaukeln — wenig privaten Raum. Zimmer, Lampen, Tische, Stühle sowie technische Infrastrukturen wie zum Beispiel Drucker sind für jede und jeden. Also ist das alles auch so zu behandeln. Eigene Arbeitsplätze hat nur, wer von der FHNW bezahlt wird, und eventuell wer kurz vor dem Diplom steht. Dafür steht HyperWerk seinen Studierenden immer offen. An alle Studierenden wird ein Schlüssel abgegeben, gleichzeitig damit aber auch eine entsprechende Verantwortung. Auch dazu sind Spielregeln formuliert, genannt Hausordnung.
Hausordnung HyperWerk Geltungsbereich Bockstecherhof (Totentanz 17/18), Annexgebäude (Spitalstr. 2) und Senones sowie alle weiteren für Studiumszwecke zugemieteten Räumlichkeiten. Die aktuelle Hausordnung liegt im Sekretariat und im Lager auf und ist, wie auch die erwähnten Merkblätter, auf take5 zu finden. Öffnungszeiten Bockstecherhof und Annex sind für MitarbeiterInnen und Studierende via EasyKey (siehe Merkblatt) rund um die Uhr zugänglich. Übernachtungen im HyperWerk sind nicht gestattet. Ausnahmen sind die dafür vorgesehenen Räume (Gästewohnung, Senones), die durch das Leitungsteam
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chen, so wird hierdurch die Wirksamkeit der Vertragsbestimmungen im Übrigen nicht berührt (salvatorische Klausel). Es gilt schweizerisches Recht; ausschliesslicher Gerichtsstand ist Brugg.
zugeteilt werden. Gegenüber allen Räumen und Umgebungen, Geräten, Software, Medienträgern ist die nötige Sorgfalt anzuwenden. Schäden sind, unabhängig von einer eventuellen Schuldfrage, mitzuteilen. Die hier aufgeführten Strukturen sollen allen HyperWerkerInnen dienen und nutzen. Grundsätzlich sind alle Räume zugänglich. Ausnahmen sind Safe und Serverraum. Sitzungszimmer, Vortragssäle, Gästewohnung und Arbeitsräume können projektbezogen bindend reserviert werden (Reservationen können über HyperWerk.ch/verleihsystem getätigt werden). Arbeitsräume von MitarbeiterInnen des HyperWerks dürfen nur mit deren Einverständnis benutzt werden. Alle gemeinsam genutzten Räume sind entsprechend zu behandeln, also nach Arbeitsende aufzuräumen. Sicherheit Die Räumlichkeiten von HyperWerk beherbergen erhebliche Sachwerte. Um diese zu erhalten, sind folgende Regeln strikt einzuhalten: Das schmiedeeiserne Tor vor dem Hauseingang und die Hofeinfahrt dürfen auch tagsüber auf keinen Fall unbeobachtet offengelassen werden. Unbekannte und unbegleitete Personen müssen immer angehalten und nach ihrem Aufenthaltszweck gefragt werden. Falls keine sinnvolle Begründung vorgebracht wird, müssen solche Personen zur Tür begleitet werden. Eigene und ausgeliehene Rechner, Beamer und so weiter sind wegnahmesicher zu versorgen (Safe, Schliessfach, Lager, Kabelschloss...). Die (möglicherweise) letzte Person, die die Räumlichkeiten des HyperWerk verlässt, trägt dafür Sorge, dass alle in Frage kommenden Türen und Fenster geschlossen und Licht und möglichst viele Geräte ausgeschaltet sind. Alle Studierenden erhalten in der ersten Woche des Studiums ihren eigenen EasyKey. Dieser ermöglicht jederzeit den Zugang zum
Und Es besteht kein Essverbot. Allerdings ist die notwendige Sorgfalt gegenüber Geräten und Räumlichkeiten einzuhalten. Kochen ist im Gebäude nicht gestattet. Als Ausnahme darf Wasser für Tee etc. gekocht werden. Die Küche im ersten Stock ist ausschliesslich den angestellten MitarbeiterInnen von HyperWerk vorbehalten. Im iRoom befinden sich eine Mikrowelle und ein Getränke-Snackautomat. Diese werden in Selbstverantwortung der Studierenden betrieben. Leere PET-Flaschen bitte in der PET-Sammlung entsorgen. Glasflaschen sind ausserhalb zu entsorgen (der nächste Glascontainer befindet sich bei der Deponie St. Johann). Rauchen ist in sämtlichen Räumlichkeiten verboten. Die RaucherInnen werden gebeten, in den Aussenbereichen (Innenhof, Terrasse, Aussenhof) zu rauchen und die Aschenbecher zu benutzen. Im Hof befinden sich drei Abfallcontainer auf Rollen und eine Minimulde. Abfall bitte entsprechend entsorgen: 1. Allgemeiner Abfall, nur in Müllsäcken. 2. PET, in gelben (PET-)Säcken. 3. Papier/Karton. Ein weiterer Papiercontainer ist im Garten nahe beim Lasercutter. 4. Minimulde für Sperrmüll. Für die Ordnung der Arbeitsplätze ist der/die jeweilige Studierende, MitarbeiterIn selbst verantwortlich. Persönliche Gegenstände sollten nicht liegen gelassen wer-
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HyperWerk. Zusammen damit wird ein Merkblatt abgegeben. Für Zweiräder sind Abstellflächen vor dem Haupteingang vorhanden. Im Hof dürfen Fahrzeuge nur mit Einwilligung des Leitungsteams abgestellt werden. Die Leitung von HyperWerk/FHNW hat das Recht, bei Verstössen gegen die Hausordnung entsprechend vorzugehen. Es gelten hierbei die Richtlinien der FHNW. Korrekturen an dieser Hausordnung sind seitens der Verantwortlichen von HyperWerk jederzeit möglich und werden kommuniziert.
den. Falls mobile Rechner u.ä. ungesichert im HyperWerk gelassen werden, besteht kein Versicherungsschutz. Gesichert bedeutet eingeschlossen (abgeschlossener Raum, ggf. Schliessfach) oder angeschlossen (Kabelsicherung). Der Safe kann in Absprache mit dem Leitungsteam genutzt werden. Schliessfächer können gegen geringe Gebühr für die Dauer des Studiums gemietet werden. Die Schliessfächer werden durch eine externe Firma aufgestellt und vermietet, Anmeldeformulare sind im Lager erhältlich. Musik über Lautsprecher ist nur mit ausdrücklicher Zustimmung aller Anwesenden im jeweiligen Hörbereich erlaubt. Die Bibliothek versteht sich als Handbibliothek in Selbstausleihe. Werden Bücher ausgeliehen, sind diese aus Fairness gegenüber den Mitstudierenden innerhalb einer sinnvollen Frist wieder zurückzubringen. Die vorhandenen, ausleihbaren Telefone sind für Studiumszwecke zu gebrauchen, private Gespräche bitte auch über private Telefone führen. Telefone in Arbeitsräumen der Mitarbeiter sind tabu. Das HyperWerk hat ein Hardwarelager. Hier können diverse Geräte befristet ausgeliehen werden. Das Regelblatt muss unterschrieben sein. Software steht MitarbeiterInnen und Studierenden befristet zur Verfügung. Einen Überblick über die vorhandene Software bekommt man im Verleihsystem. Die Softwarenutzungsvereinbarung der FHNW muss unterschrieben sein. In den Werkstätten darf mit Maschinen nur in Anwesenheit einer weiteren Person gearbeitet werden. Der Zutritt zu den verschiedenen Werkstätten ist abhängig von der Kompetenz der Benutzenden. Die fest installierten öffentlichen Rechner (public iMac) können idR. nicht reserviert werden und sind für jede/n zugänglich. Die vorhandenen Video-Schnittplätze können über das Verleihsystem
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reserviert werden. HyperWerk stellt Zugang zum WWW sowie zum Netz der FHNW mittels WLAN und Ethernet zur Verfügung. Jegliche Störungen intern und nach aussen sind ausdrücklich verboten! Ebenso der Download urheberrechtlich geschützter Daten. Die Weisung der FHNW betreffend Informatikmitteln ist zwingend zu beachten. Die weiteren Nutzungsbedingungen können im Lager erfragt werden. Angemeldete BesucherInnen sind jederzeit willkommen. BesucherInnen müssen an der Tür abgeholt und während ihres Aufenthaltes bis zum Verlassen des HyperWerks begleitet werden. Die Hausordnung muss zwar nicht unterschrieben werden, aber wir gehen davon aus, dass sie gelesen und verstanden ist. Zusätzlich und für alle Angehörigen der FHNW, also auch für die Studierenden bindend ist die Weisung der FHNW betreffend Nutzung von Informatikmitteln, die sich jede und jeder von der Website der FHNW herunterladen kann. Und die Moral von der Geschichte? 99 Prozent der Regeln, hier schön komprimiert, sind eigentlich Allgemeingut sozialen Verhaltens und ausgesprochen einfach zu befolgen. Also — bitteschön — haltet Euch dran!
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Topografie HyperWerk Module am HyperWerk analyze! manage! interact! design! solve & produce! assemble!
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SIGDES SIGTEC SICDOC SIGPRO SIG(SIC!) Die Eulenspiegeleien
WIE WIRD MAN HYPERWERKER? ANMELDUNG
HGK-Vertretung Eliane Vancura Roland Pavloski
LETTER OF INTENT
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Kontext HGK-Party
ASSESSMENT
CH
CONFŒDERATIO HELVETICA
BBT
BUNDESAMT FÜR BERUFSBILDUNG UND TECHNOLOGIE
FHNW
FACHHOCHSCHULE NORDWESTSCHWEIZ
HGK
HOCHSCHULE FÜR GESTALTUNG UND KUNST BASEL
INSTITUT HYPERWERK ADMINISTRATION PLAY4
JAHRESTHEMA 2010/11 —
HOLY MACCARONI
OPEN HOUSE
ZWEITES SEMESTER
analyze! manage! interact! design! solve & produce!
PRETHESIS I MIDSUMMERNIGHT AUSSTELLUNG
assemble!
LEITUNGSTEAM
toosimple · Stefan Ruefer wird zu Take5 · Jaime Oberle
select_start
HYRAT ERSTES SEMESTER
www.hyperwork.ch
1. JAHRGANG DODICI
INFORMATIONSQUELLEN SIGPRO
MISCHA SCHAUB
SIGSIC
REGINE HALTER
SIGDOC
MAX SPIELMANN
SIGTEC
FRANK FIETZEK
SIGDES
CATHERINE WALTHARD
DRITTES SEMESTER
DREAMLAB
analyze! manage!
OPEN HOUSE
VIERTES SEMESTER
2. JAHRGANG
EULENSPIEGELEI
RALF NEUBAUER
HYRAT
UNDICI
PLENUM SABINE FISCHER
INFORMELLES GESPRÄCH
interact! design!
…
WORKSHOP
EXTERNE DOZENTEN
solve & produce! assemble!
PROJEKTE FÜNFTES SEMESTER
analyze! manage!
OPEN HOUSE
SECHSTES SEMESTER
3. JAHRGANG
STUDENTISCHE
PROJEKTE
INSTITUTIONELLE
Janine Michel & Jonas Mettler
DIECI
PROJEKTE
LERNSTÜCK
interact!
INTERNET-RECHERCHE
design!
ERFAHRUNGEN DURCH MITARBEIT AN (DIPLOM)PROJEKTEN
DIPLOMRAT
solve & produce! assemble!
DIPLOM
SALM2
MENTORAT
DIPLOMPROJEKTE
ALUMNI
PLEXWERK
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CH
CONFŒDERATIO HELVETICA
www.admin.ch
BBT
BUNDESAMT FÜR BERUFSBILDUNG UND TECHNOLOGIE
www.bbt.admin.ch
FHNW
FACHHOCHSCHULE NORDWESTSCHWEIZ
www.fhnw.ch
HGK
HOCHSCHULE FÜR GESTALTUNG UND KUNST BASEL
www.fhnw.ch/hgk
INSTITUT HYPERWERK
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5 6
3 4
7 8
www.fhnw.ch/hgk/ihw
ADMINISTRATION LEITUNGSTEAM
VERLEIH
www.hyperwerk.ch/verleih
SEKRETARIAT
RASSO AUBERGER MARTIN SOMMER PACO
ELENA ANGELA MORES TANJA HASLER PRAKTIKANTIN
TECHNISCHER DIENST
HAUSDIENST
Totentanz 17/18 4051 Basel
INFRASTRUKTUR INVENTAR alles aus dem
VERLEIH BEAMER VIDEO-& FOTOKAMERA STATIV BELEUCHTUNG IT-TECHNIK MIDI-CONTROLLER WACOM-TABLET SOFTWARE
LASERCUTTER PLASMACUTTER FOLIENPLOTTER VIDEOSCHNITT-STATIONEN KOPIERER / DRUCKER / SCANNER PLAKATDRUCKER BINDEMASCHINE CNC-FRÄSE TIEFZIEHMASCHINE BALLONSCHWEISSMASCHINE CNC-STYRPOROCUTTER 3-D-DRUCKER DREHBANK
REINUNGSPERSONAL
DREHBANK
ÖRTLICHKEITEN LEGENDE
ORGANISMUS HYPERWERK
RÄUME
EINHEIT
modul
Jonas Mettler · Dieci · Version 1.3 · 06/2010
PROJEKTE STUDENTISCHE
PROJEKTE
INSTITUTIONELLE
PROJEKTE
ANNEX
LERNSTÜCK
DIPLOM DIPLOMPROJEKTE
BOCKSTECHERHOF
PLEXWERK
ST. JOHANN
SALM2
SENONES
ZOLLHALLE SBB
KLOSTER
MENTORAT
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7 8
E-ROOM I-ROOM METALLWERKSTATT HOLZWERKSTATT LASERCUTTER-RAUM KELLER (DISCO TOTENTANZ) DOZENTENWOHNUNG KÜCHE SEKRETARIAT BIBLIOTHEK BALKENRAUM VIDEOSCHNITTRAUM TRESOR INNENHOF AUSSENHOF VORTRAGSRAUM EG GROSSER SITZUNGSRAUM EG KLEINER SITZUNGSRAUM OG STUDENTENARBEITSZIMMER DOZENTENARBEITSZIMMER LAGER METALLWARENLAGER UG
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Module am HyperWerk Module und Studium Das Modulkonzept von HyperWerk ermöglicht den Studierenden einen Bildungsweg, der sie im Verlauf von drei Studienjahren mehr und mehr zur Leitung und Realisierung eigener Vorhaben im Austausch mit der Aussenwelt befähigt. Wichtig dabei ist, dass das Studium nicht nach Jahrgängen getrennt absolviert wird, sondern dass alle Studierenden stets im intensiven Wissens- und Erfahrungsaustausch in Teams zusammenarbeiten. Module und Jahresthemen Das Jahresthema ist die inhaltliche Klammer, die das Modulgeschehen verbindet. Es wird von den Studierenden des ersten Jahrgangs im DreamLab entwickelt, im folgenden Jahr mit externen Partnern vernetzt und schliesslich im dritten Jahr mit dem eigenen Studienabschluss realisiert. Jede Generation hat somit drei Jahre Zeit, um sich in drei Jahresphasen mit der jeweiligen Fragestellung individuell und auf ganz unterschiedliche Weise auseinanderzusetzen. Module im Ablauf Die Module dauern im Schnitt fünf Wochen und heissen: analyze! Die Jahresthematik wird recherchiert und im jeweils relevanten Kontext — dem kulturellen, ökonomischen, sozialen, philosophischen oder technologischen — analysiert. Die Kriterien für die Arbeit in den folgenden Modulen werden herausgearbeitet.
interact! Wie kann ich eine Botschaft, eine Idee, eine Absicht kommunizieren? Welche Medien kann ich benutzen? Welche sind sinnvoll? Was ist glaubwürdig? Wie kann ich Verbindlichkeit herstellen, Spielregeln gestalten? Wie gewinne ich Partner? design! Welche Möglichkeiten kann ich nutzen, um meine ausformulierten Vorstellungen bildlich fassbar zu machen? Wie kann ich einen Prototypen, ein Modell meiner Ideen gestalten? Welche Form kann ich wählen, welche Form kann ich wie gestalten? solve & produce! Hier werden technische Probleme gelöst, aber auch Lösungen auf ihre Machbarkeit hin überprüft. Die eigene Idee wird im Kontext bestehender Möglichkeiten auf ihre technische Realisierbarkeit hin befragt. Dazu gehört auch die autodidaktische Aneignung geeigneter Werkzeuge. Weiterhin werden Prozessdokumentationen evaluiert und aufgearbeitet, abschliessende Formen für ein Medienprodukt werden gestaltet. assemble! Das Jahresthema wird in seiner Durchführung als ein vielschichtiger Prozess erfahrbar, der auf verschiedenen Ebenen stattgefunden hat und der schliesslich in der Reflexion zusammengeführt wird, um diese Ebenen zum Kommentar von HyperWerk zur jeweiligen Jahresthematik zu verdichten. Dieses Modul versammelt also alle Aspekte der Thematik zu einem Produkt (Buch, DVD, Modell, Web, Tagung, Ausstellung etc.).
manage! Versprechen, Hoffnungen, Schwierigkeiten, Kosten — Szenarien werden als Entscheidungsgrundlage entwickelt und beurteilt. Wie kann ich grössere Entwicklungszusammenhänge erkennen und wie kann ich sie nutzen? Regine Halter
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analyze! Das Modul analyze! konzentriert sich auf die Ausbildung analytischer und konzeptioneller Kompetenzen. Dabei geht es immer um die prozessualen Aspekte von Design und Gestaltung, und um Prozessgestaltung. Thematisch jedoch orientiert sich das Modul am jeweiligen Leitmotiv des aktuellen Studienjahres. analyze! antwortet darauf — wie auf alle Jahresthemen — standesgemäss mit Gegenfragen wie: Was hat das mit Design und Gestaltung zu tun? Welche neuen und relevanten Fragen lassen sich für Prozessgestalterinnen entdecken? Welche theoretischen Aspekte sind dabei relevant? Welche praktischen? Wie gehen Prozessgestalterinnen mit der in dieser Frage angelegten Ratlosigkeit, mit dem Verlust von Wegen und Zielen um? Welche Werkzeuge und Methoden entwickeln sie in solchen Situationen, wie setzen sie sie ein? Welche Konsequenzen hat das für gestalterisches Arbeiten? analyze! ist also nicht darauf reduziert, die in einem Jahresthema enthaltenen Wissensbestände zu liefern. Es geht vielmehr darum, die vorhandenen Werkzeuge anzuschauen, sie zu analysieren und auf ihre Tauglichkeit hin zu überprüfen. Es geht auch darum, Argumente für die Übersetzung einer Jahresfrage in ein Diplomthema zu finden, Kontextualisierung herzustellen, um die Begründung für ein Diplom- oder sonstiges Projektthema im thematischen Spektrum einer Jahresfrage kritisch zu untersuchen. Das Programm von analyze! kreist also stets um eine aktuelle Fragestellung und geht dieser in Workshops und anderen Veranstaltungen nach.
Regine Halter
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manage! Das Modul manage! verfolgt die Idee des transdisziplinären Managements. Transdisziplinär, weil unterschiedliche Disziplinen aus Kreation, Gestaltung, Management und Ökonomie zum einen einander ergänzend und vernetzt gelehrt sowie kritisch betrachtet werden, und zum anderen, weil Wissenschaft und ökonomische Erfahrung fruchtbar verzahnt werden. Transdisziplinäre Hochschulbildung hat Erkenntnisorientierung und Handlungsoptimierung gleichermassen zum Ziel. Beides sind Notwendigkeiten, um den logischen nächsten Schritt ökonomischer Entwicklung kompetent zu vollziehen. Wie stellt sich die desolate Situation heute dar? • Es entstehen zunehmend Reibungsverluste durch Unkenntnis an den Schnittstellen komplexer werdender Disziplinen. • Es mangelt an Bewusstsein für eine einheitliche Sprache und damit an einem einheitlichen Verständnis der unterschiedlichen Akteure für die täglichen ökonomischen Herausforderungen. • Die Anforderungen des Informationszeitalters sind allein durch eine spezifizierte Handlungsfähigkeit von Mitarbeitenden nicht mehr zu bewältigen. • Technologische Vernetzung bringt nicht das nötige Wissen und die erforderliche Erkenntnisfähigkeit in Unternehmen, um diese auch erfolgreich zu führen.
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manage! spricht zukünftige Spezialisten an und lehrt sie, strategisch Gestaltende zwischen den Disziplinen und dem Markt zu werden: Manager, Kreative wie Designer, Autorinnen, Konzepter aller Medien, Informationsarchitekten, Entwicklerinnen oder Produzenten.
Lernziele: Wissensbildung an den Schnittstellen der unterschiedlichen Unternehmens- oder projektimmanenten Disziplinen aus Kreativität und Gestaltung — Management und Ökonomie. Ziel: Aufbau und Erweiterung der interdisziplinären Kenntnisse und Befähigung zu einem höheren Qualitätsbewusstsein. Erlernen von Methoden und Methodenreflexion für projektund unternehmensorientiertes Handeln; Steigerung der Erkenntnisorientierung. Ziel: Entwicklung und Reflexion methodischer Grundsätze und Steigerung der Erkenntnisorientierung. Verbesserung der Vermittlungsfähigkeit interdisziplinären Know-hows. Ziel: Verbesserte Kommunikation durch ausgeprägte Argumentations- und Führungsfähigkeit, nach innen und aussen, disziplinenübergreifend.
Was also ist der «logische nächste Schritt ökonomischer Entwicklung»? • manage! vermittelt auf der Grundlage realökonomischer Szenarien wissenschaftliche Methoden, um selbständig interdisziplinäre Potenziale zu erkennen, zu benennen, schöpferisch zu nutzen und nachhaltig zu steuern. Sabine Fischer
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interact! Das Modul interact! ist wichtig für unsere interdisziplinäre Teamarbeit; denn nicht zufällig betrachten wir Interaktionsleitung als eine Kernqualität der Prozessgestaltung. interact! soll also Interaktionen auslösen, und zwar in unserem Institut wie auch mit der Aussenwelt. Während interact! finden die Diplomierenden ihre externen Coaches, und sie nehmen ihre Suche nach Partnern und Fördermitteln aktiv auf. Das diesjährige Modul interact! hat exemplarisch gezeigt, wie wir unsere eigene Institution als laborartige Testumgebung für unkonventionelle Formen der Prozessgestaltung im Bildungsbereich nutzen. Wie schon an anderer Stelle in diesem Buch beschrieben, hat sich interact! mit der Qualitätssicherung von HyperWerk befasst. Wir haben unsere Handlungsmuster und Austauschformen nach innen und aussen reflektiert und einige Schwachstellen gefunden, deren Betreibung wir unterdessen konkret angehen. Zum Modulbeginn haben uns erfahrene Fachleute mit einer Praxis im Qualitätsmanagement von Arbeitsbereichen wie Bildung, Kultur, Industrie und Entwicklungszusammenarbeit ihre Erfahrungen und Methoden vermittelt. Was gibt es überhaupt in diesem Umfeld, also welche Systeme, Kriterien, Massnahmen, Glaubenssätze, Erfahrungen, Werkzeuge, Methoden, Messmethoden, Konzepte, Fragen und Positionen?
Modul lebt in seinen Auswirkungen weiter. Darin besteht die so gefährliche wie verführerische Hoffnung jeder Interaktion: Dass sie nämlich anders kommen kann, als man sich das vorgestellt hat. Wir haben uns für eine radikale Öffnung von HyperWerk während der nächsten 18 Monate entschieden. Wir wollen den oft als mühsam geschilderten Übergang vom Studium ins Erwerbsleben als Dauerzustand erkunden und aufrechterhalten. In der Wissensgesellschaft werden Gruppierungen vor allem dann langfristig erfolgreich bestehen können, wenn sie Forschung und Anwendung reissverschlussartig zusammenzuführen verstehen — und genau in dieser Zusammenführung haben wir als prozessgestaltende und interaktionsleitende Institution beste Chancen, eine starke Rolle zu spielen. Die und der geneigte Lesende sieht, wie wir das Modul interact! zur Erkundung vielfältiger Dimensionen der Interaktion nutzen und wie diese Auseinandersetzung unsere Institution ganz pragmatisch verändern wird.
Anschliessend sind wir mit einer Gruppe von zwölf Personen in einen begleiteten Qualitätsprozess eingestiegen, was zur Bildung von vier Arbeitsgruppen geführt hat, die bis zum Jahresende ihre Leistungen vorlegen müssen. Doch bereits nach einigen Wochen wird spürbar, dass wir mit interact! voll ins Schwarze getroffen haben, denn das abgeschlossene Mischa Schaub
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design! Les cinq sens de design! Das Modul design! eröffnet das Frühlingssemester. Es befindet sich mitten im Studienjahr und muss durch diese Position viele Ansprüche gleichzeitig rhythmisieren und berücksichtigen. Die Ansprüche der Studierenden im ersten Jahr: Sie wollen neues Wissen und neue Ressourcen erschliessen; die Studierenden des zweiten Jahres suchen nach Vertiefung des bisher Angeeigneten, und der Abschlussjahrgang benötigt konkrete, spezifische Lösungsansätze. Das bringt die Modulleitung in Einklang mit ihrem Interesse, jedes Jahr Neues, Unbekanntes durch institutionelle wie eigene Themen zu positionieren und zu explorieren. Und über alldem schwebt das jährlich wechselnde Jahresthema, das berücksichtigt werden will. Das ist sehr oft eine organisatorische «casse-tête» — eine Knacknuss und zugleich eine wichtige Qualität von HyperWerk: die Möglichkeit, vielschichtig zu arbeiten, das heisst auch, kurzfristig reagieren zu können. Inhalte, die im Wintersemester entstehen, können ins folgende Semester integriert und dann weiterentwickelt werden. Das Modul design! nimmt die dynamischen Bewegungen des vorhergehenden Semesters gespannt wahr und lässt neben längerfristig geplanten Angeboten viel Freiraum für aktuelle Inhalte. Das Modul design! widmete sich zum Jahresthema undwasjetzt den sinnlichen Formen der Präsentation und Publikation: Experimente zu schmeckender, olfaktorischer, haptischer, auditiver und visueller Gestaltung wurden erprobt, die Arbeit damit vertieft. Dazu wurden Workshops mit Titeln wie «The Nature of Sweetness», «Top 10: Present ... persuade!» und «Debating» angeboten. Mit unter den Dozierenden waren Alumni und Studierende von HyperWerk. Catherine Walthard
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solve & produce! Wir wollen mit diesem Doppelmodul unsere Umsetzungskompetenzen einen gehörigen Schritt weiterentwickeln, und zwar von der spielerischen, explorativen Erkundung von Technologie bis hin zur Anwendung unserer technologischen Kenntnisse im Kontext von Ausstellungen, Installationen und unseren zukünftigen Intranet-Tools sowie zur Umsetzung von Produktideen und Produktionsprozessen mit Simulationen und globalen Partnerschaften. Und hier wollen wir zwei dieser vielen Experimente näher schildern: Wir eignen uns die Grundlagen zur Herstellung eines virtuellen Ausstellungskatalogs für die kommende Diplomaussstellung an. Dieser soll als iPhone-Applikation umgesetzt werden und zum Austausch mit entsprechenden Wissensträgern führen, die vom Game-Institut der ZHDK bis zum Institut für Design- und Kunstforschung der Basler HGK und zur freien Hackerszene reichen. Wir meinen, dass mit dem iPad ein Gerät auf uns zukommt, das den Medieneinsatz neu bestimmen wird — und an diesem Geschehen möchten wir teilhaben. Ebenfalls wollen wir erfahren, wie sich kleine Auflagen kostengünstiger Elektronikartikel herstellen lassen. So hoffen wir, aus der uns vertrauten Laborebene von Arduino-Experimenten und selbstgeätzten Schaltungen auszubrechen und das aktuelle technologische und ökonomische Potenzial für eine eigene Produktion zu nutzen. Dazu gehören der Umgang mit Simulationswerkzeugen für den virtuellen Schaltungsaufbau und die automatische Optimierung des Komponenten- und Verbindungslayouts auf einer Platine; durchaus aber auch die Einkaufsverhandlungen mit chinesischen Herstellern oder auch die Datenübermittlung unserer automatisch erzeugten Gerber-Files und Bestückungslisten.
Zum abschliessenden Workshop des Moduls wollen wir dann die in China bestückten Platinen einsetzen. Und da kommen wir bereits zum nächsten Problem, nämlich dass es in unserem dienstleistungsorientierten Land kaum noch Lieferanten für einfachere Komponenten wie Spielzeug-Elektromotoren gibt, geschweige denn kostengünstige gestanzte Zahnradgetriebe. In dieser desolaten Versorgungslandschaft lassen sich bezahlbare Kunstprodukte mit einem medienexperimentellem Charakter nur noch im globalen Kontext herstellen. Mit diesem Workshop wollen wir ebenfalls vermitteln, was sich denn heute für maximal zehn Franken Stückkosten an digital erweiterten Objekten herstellen lässt, bei einer Kleinauflage von etwa 100 Stück. Ebenfalls fasziniert uns die Vorstellung, dass sich die multiplizierten Objekte solch einer Auflage untereinander selbst organisieren könnten — was da also konkret möglich wird mit Mikroprozessoren, die über Sensoren und Aktoren untereinander schwarmartig kommunizieren, das wollen wir erfahren. Mit dieser Erfahrung hoffen wir auf die Eröffnung eines ergänzenden Tätigkeitsfelds im experimentellen Gestaltungsbereich.
Mischa Schaub
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assemble! assemble! räumt auf. Im Laufe des Studienjahres 2010/11 erhält «select_start» seine inhaltlichen Konturen. Das Jahr wird in seiner Durchführung als ein vielschichtiger Prozess erfahrbar. In assemble! geht es darum, diese Ebenen in der Reflexion zusammenzuführen, fehlende Elemente einzubauen, Schlussfolgerungen zu ziehen und das Studienjahr zu einem Abschluss zu bringen. Inhaltlich gilt es, die ersten Lehren aus «select_start» zu ziehen und in den gesellschaftlichen Kontext einzubauen. Sind Aufbau und Betrieb eines dezentralen Kreativparks aus Instituten, Agenturen und Unternehmen bereits gelungen? Wurden Werkzeuge und Spielregeln für eine flexible Netzwerkstruktur gefunden? Falls ja, wie lassen sich diese Erkenntnisse beschreiben, überprüfen und nach aussen kommunizieren? Falls nein, welche Schritte sind notwendig, um die Zielsetzungen zu einem späteren Zeitpunkt zu erreichen? Können Momente des Scheiterns bereits genügend analysiert und prozessgestalterisch verarbeitet und weiterentwickelt werden? Das Projekt soll als exemplarische Transferzone zwischen Hochschule, Wirtschaft und Gesellschaft etabliert werden. Kann «select_start» als Katalysator zur Weiterentwicklung der regionalen Kreativwirtschaft fungieren? Kann das Projekt gesellschaftliche Impulse setzen, oder bleibt es eine von der Welt abgeschlossene Insel? Auf solche Fragen sind in assemble! Ansätze für Antworten zu finden, und es sind Wege aufzuzeichnen, um diese öffentlich verhandelbar zu machen. Die Kreativwirtschaft gilt international als Motor der Entwicklung einer postindustriellen Gesellschaft und als existenzielle Voraussetzung für eine Region, um sich international behaupten zu können. Noch fehlen nicht nur in unserer Region viele Elemente einer Strategie, um der Kreativwirtschaft den dazu erforderlichen
Stellenwert zu geben. In der gesellschaftlichen Kontextualisierung von «select_start» kann es uns vielleicht gelingen, Ansätze für eine Strategie zu entwickeln. Funktional hat assemble! aber noch zwei weitere Aufgaben. Welche Themen kamen im Jahr zu kurz und können nun mit Workshops oder anderen Unterrichtsformen noch ins Studienjahr eingebaut werden? Hier wird assemble! wie im Studienjahr 2009/10 versuchen, zusätzliche Inhalte einzubauen oder zumindest so weit zu verdichten, dass sie als Aufgaben ans nächste Studienjahr übergeben werden können. In assemble! finden zudem die Vorprüfungen des ersten und zweiten Studienjahrs statt — die sogenannten PreTheses. Hier gilt es, auf individueller Ebene Rechenschaft abzulegen über das Vollbrachte und das Fehlende. Wo besteht im folgenden Studienjahr noch ein Nachholbedarf, und ist man individuell fit, um das nächste Jahr anzugehen? assemble! räumt auf und öffnet den Weg ins neue Studienjahr. Es verdichtet die Erfahrungen von «select_start» zu Handlungsanweisungen für die Fortsetzung des Projektes und für die Erzielung einer breiten gesellschaftlichen Wirkung.
Max Spielman
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SIGDES SIGDES ist ein wöchentliches Seminar, ist Dach für aktuell 56 studentische und institutionelle Projekte und arbeitet in Kooperation mit eingeladenen internen wie auch externen DozentInnen. SIGDES in undwasjetzt schwebt, ist verwirrt, sucht sich, probiert und skizziert. Welche Aspekte von Design soll SIGDES abdecken, wenn die Technik ästhetische Dimensionen untersucht? Wenn Theorie Designstrategien anwendet? Wenn Mediendokumentation gesellschaftliche Prozesse gestaltet? Wenn Kommunikation performative Präsentation übt? Wenn Studierende fotografieren, entwerfen, zeichnen, malen, musizieren, dichten, programmieren und inszenieren lernen wollen? Wo anknüpfen? Was ist gegenwärtig? Travel is flight and pursuit in equal parts. Paul Theroux, The Great Railway Bazaar Mit undwasjetzt denkt SIGDES über die letzten Jahre am HyperWerk nach: Schicht um Schicht haben Generationen von Studierenden den Inhalt modelliert, transformiert und dadurch immer neu gestaltet. Die Bestimmtheit dessen, was Design ist und soll, lässt sich am besten durch die regelmässigen individuellen Projektgespräche erahnen: Die Vielfalt der Gestaltung, die einen Lernprozess widerspiegelt, der wiederum neue Formen des Designs generiert. SIGDES in undwasjetzt macht einen Spaziergang, pflückt deci deça Ideen, Inspirationen, tankt Kräfte auf und — als Ziel für das neue Studienjahr — nähert sich exotischen Hori-
zonten. Zum Beispiel: Wie interagieren im Design interkulturelle Formen, Farben und Lernmethoden? La suite à l’année prochaine... SIGDES bietet eine Plattform, auf der Studierende ihre Projekte zeigen können. Dort holen sie sich für entstehende oder bereits abgeschlossene Arbeiten Rückmeldungen, Fragen, Diskussionen und Kritik von ihren Kollegen. Ein fertiges Projekt soll mehrfach ausführlich dokumentiert sein: als «Live»-Präsentation, als Internetauftritt (hyperwerk.ch), als Dokumentation für das SIGDES-Archiv und schliesslich für das eigene Portfolio. SIGDES-Projekte Sie decken viele Genres ab: kurze Lernstücke, um Software kennenzulernen, erste scheue Projekte, um sich an Selbständigkeit zu reiben, Teamprojekte, um Konflikte und Gruppenlösungen zu üben, ambitiöse Projekte, um sich seinen Träumen zu nähern, Projekte, um die eigenen Aussenaktivitäten nach innen einzubinden etc. etc., und schlussendlich institutionelle Projekte, die innovative Forschung anstreben, sowie repräsentative Grossereignisse — wie das jährliche OpenHouse und die Diplomausstellung, die nur unter Mitarbeit aller funktionieren können. Schreinern, Illustrieren, Modellieren, Nähen, Cuttern, Kochen, Vermarkten, Fotografieren, Filmen, Schreiben, Programmieren, Beleuchten, Malen und Politisieren sind die Medien, die Projekte in die Realität tragen. Ich lerne noch. Michelangelo (1475-1564)
Catherine Walthard
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SIGTEC Die SIGTEC unterstützt alle Studierenden bei Fragen aus dem Bereich der Technik, hilft ihnen bei der Umsetzung von Projekten und trifft sich regelmässig zu Gedankenaustausch und Problembesprechung. In Einstiegskursen, Workshops und Einzelgesprächen vermitteln wir die Grundlagen der scriptbasierten Programmierung, zum Beispiel mit Processing, wie auch die der Arbeit mit MAX/MSP oder V4. Zudem beschäftigen wir uns immer mehr mit eher hardwarebezogenen Themen wie der Herstellung von interaktiven Sensorund Steuerungssystemen. Unser Ziel dabei ist es, Interaktion aus dem pixelbezogenen Kontext von Maus, Tastatur und Monitor in den realen Raum zu holen. Dazu gehört, dass wir uns mit dem Umgang von Plattformen wie dem Arduino-Board oder den PicAxe-Microcontrollern vertraut machen. Wir behaupten also, dass Fachbereiche wie etwa Animatronik, Mechatronik oder Robotik durchaus in den Bereich der Gestaltung gehören. Eigene Erfahrungen in unserer mechanischen Werkstatt an alten Werkzeugmaschinen oder auch mit dem Modellbau an einer Tiefziehmaschine ermöglichen den selbstbewussten Umgang mit digital gesteuerten Maschinen wie CNC-Fräsen, Plasma- und Lasercuttern. Der aus einem Bausatz gefertigte 3-D-Drucker sowie eine ebenfalls im HyperWerk gefertigte 5-Achs-Fräse erweitern seit diesem Jahr die Werkzeugpalette. Die Bandbreite der aktuellen Produktionen reicht denn auch von Projekten, die sich mit unterschiedlichen Techniken des Videotrackings beschäftigen, bis hin zu einem interaktiven Videoarm, der auf die anwesenden Personen oft recht eigensinnig reagiert, oder einem sich selbst sabotierenden Kleinroboter.
Mit einer Testserie von selbst entwickelten gedruckten Schaltungen, die wir in einer Kleinauflage in China produzieren lassen, erkunden wir zur Zeit die aktuellen Möglichkeiten einer Nutzung der weltweiten Produktion auch ohne die früher notwendigen Zeit-, Geld- und Verwaltungsressourcen. Es entstehen kleine motorbetriebene Module, die Schwarmverhalten simulieren. Ein weiterer Schwerpunkt wird, wie auch schon im letzen Jahr, der alternative Maschinenbau mit der Entwicklung günstiger, digital gestützter Produktionstechniken sein. In enger Zusammenarbeit mit der SIGPRO bringen wir dafür unsere umsetzungsorientierte Forschungskompetenz in die technologiegestützte Erlebnisparkinszenierung ein, die in der alten Zollhalle des Basler Bahnhofs St. Johann die Geschäftsmodelle einer performativen Produktionskultur in einer bühnenartigen Umgebung durchspielen und einem breiteren Publikum vorführen soll. Hierbei wird die Attraktivität des Prozesses — und das begeisterte Zuschauen — genauso wichtig werden wie die Effektivität der Produktion. So entstehen unter anderem eine digital gesteuerte Folienschweissmaschine mit der Möglichkeit zur endlosen Ballonproduktion sowie eine experimentell durch Audiodaten kontrollierte CNC-Styroporschneidemaschine.
Frank Fiezke
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SIGDOC Formen der audiovisuellen Prozessgestaltung sind das zentrale Thema der SIGDOC. Wie können Prozesse begleitet und dokumentiert werden? Wie können audiovisuelle Medien aktiv in die Gestaltung von Prozessen in der Gesellschaft und in Organisationen eingreifen? Um diese Arbeit zu leisten und neue Methoden des Umgangs mit den Medien zu entwickeln, benötigen wir handwerkliche Grundlagen. SIGDOC vermittelt den Umgang mit Videokameras und Editiersoftware, vermittelt für audiovisuelle Medien geeignete Erzählformen und führt in die Gesetze der Bildgestaltung und der Videomontage ein. Unterschiedliche Anwendungen von Video und Audio kommen zur Sprache. Mit diesen handwerklichen Grundlagen ausgerüstet, können prozessgestalterische Anwendungen erprobt werden. Oftmals beginnt alles mit einem Interview. Ein Gegenüber gibt Auskunft zu einer Situation, zu den eigenen Lösungsansätzen, den Ängsten und Gefahren. Vielleicht wollen wir nur einen Zustand dokumentieren, oder wir möchten eine gesellschaftliche Entwicklung begleiten. Vielleicht verstehen wir das Medium in einem aufklärerischen Sinne und möchten auf ein Problem aufmerksam machen, Transparenz schaffen und die unterschiedlichen Positionen darstellen. Vielleicht schulen wir auch Personen im Videohandwerk, damit sie sich selbst und unabhängig von uns äussern können. Das aufgezeichnete Gespräch ist der Einstieg.
In den letzten Jahren haben wir einiges erprobt. Studierende zeichneten in Tadschikistan den Dialog zwischen säkularen Studierenden und IslamschülerInnen auf. In Südafrika starteten wir ein Projekt für ein Ausbildungsprogramm von Community TV-VideojournalistInnen und entwickelten ein HD-fähiges Produktionsequipment mit Kamera, Computer und lizenzfreier Videoschnittsoftware für unter 1000 CHF. Gemeinsam mit den zuständigen Ämtern für Berufsbildung der Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft und dem BBT produzierten wir ein Video als wesentlichen Bestandteil einer Ausbildungskampagne. Mehrere Projekte beschäftigten sich mit dem Thema Online-Video und seinen Anwendungsmöglichkeiten in verschiedenen gesellschaftlichen Situationen. Damit verschafften wir uns einen Überblick über die Möglichkeiten. In den kommenden Jahren steht die Verdichtung und Systematisierung an. Welche Methoden eignen sich in welcher Situation? Aber auch das Experiment hat Raum in der SIGDOC. Im Studienjahr 2010/11 werden wir mit den heutigen Möglichkeiten der Liveanwendung von Video im Umfeld von Performance, Theater und Konzert experimentieren. Ebenso soll der Audiobereich wieder stärkt werden — hier entstand in den letzten Jahren sowohl technisch als auch in der Ausbildung ein Nachholbedarf.
Anschliessend taucht eine Vielzahl von Fragen auf: Welche Aufnahmen ergänzen und verdichten das Gespräch? Welche Gespräche werden kombiniert und führen in der Montage zu einem Dialog? Wie, wo und in welchem Zusammenhang wird das Resultat gezeigt und genutzt? Max Spielman
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SIGPRO In der Arbeit der SIGPRO konnte man in den letzten Monaten erleben, dass die Versuchsanlage von HyperWerk stimmt: nicht zuletzt an der Umgestaltung des eigenen Institutskörpers erfahren zu wollen, was denn Prozessgestaltung sein kann. Wir selbst bilden also ein ideales Feld für unsere Versuche, Thesen und Werkzeuge zur prototypischen Prozessgestaltung postindustrieller Verhältnisse zu entwickeln. Die Auseinandersetzung mit dem Qualitätsbegriff von HyperWerk hat der SIGPRO einige strategische Projekte beschert, so den Auftrag zu «Gestaltung und Aufbau nachhaltiger Strukturen» oder auch die Umgestaltung unseres Intranets take5. Beide Grossprojekte werden die Zukunft unseres Instituts mitbestimmen und deutlich verändern. So haben wir im Januar 2010 den Hochschulverein Plexwerk gegründet und eine Bahnhofs-Lagerhalle für die Durchführung experimenteller Situationen angemietet. Dies ist auch ein Testlauf zur Umsetzung der neuen Alumni-Strategie der HGK, deren Ausrichtung wir konstruktiv beeinflussen dürfen. Seitdem die SIGPRO das Ziel verfolgt, einen alternativen Maschinenbau als Form der Prozessgestaltung zu untersuchen, ist die Nähe zur SIGTEC gewachsen. Insbesondere interessieren uns kostengünstige Hightech-Produktionsmittel und das Potenzial einer bewusst inszenierten Sofortproduktion am Verkaufsort. Wie sollte zum Beispiel eine Maschine aussehen, damit ihr Bedienungspersonal eine menschenwürdige Rolle einnehmen kann? Und wie könnte solch eine ideale Arbeit aussehen; was kennzeichnet denn einen gesundheitsförderlichen und glücklichmachenden Produktionsprozess — falls es so etwas überhaupt gibt? Wie müsste eine Maschine konzipiert sein, deren Funktionswei-
se sich auch einem Laienpublikum intuitiv erschliesst? Welche ungewohnten Kombinationen von Material und Verarbeitungsprozess eignen sich für die Sofortproduktion an einem Verkaufsstand im öffentlichen Raum? Wir versuchen mit unserer frisch ausgebrochenen Liebe zu einem alternativen Maschinenbau, der solche seltsamen Fragen zu beantworten sucht, auf einer konkreten Ebene den Fragen einer postindustriellen Prozessgestaltung nachzugehen. Die immer wundersamer werdenden Technologien, die immer selbstverständlicher allgemein zugänglich sind, werden in den nächsten Jahren zu neuartigen Formen der Produktion und des Ausdrucks führen, die Qualitäten von Medienkunst, Prozessgestaltung, Maschinenbau und Bühnenbild überraschend miteinander verbinden. Aus unserer Sicht ist der herkömmliche Supermarkt-Konsumvorgang ziemlich trostlos. Wir meinen, dass er konsequent im Hinblick auf eindrückliche, lehrreiche, vergnügliche und erinnernswerte Erlebnisse umgestaltet werden sollte. Dazu wollen wir die ökonomischen und technischen Grundlagen klären und entsprechende Vermarktungs- und Auftrittsformen gestalten. Durch den Aufbau dieser Kompetenz hoffen wir, die im Namen der SIGPRO formulierte Absicht zur Prozessgestaltung postindustrieller Verhältnisse einzulösen.
Mischa Schaub
SIG[SIC!] Die Arbeit in der SIG[SIC!] ist theoretisch orientiert. Wir befassen uns mit Texten zu unterschiedlichen Fragen und Themenfeldern, besuchen Vorträge und Ausstellungen, beteiligen uns aktiv an Konferenzen oder Konzerten, gehen ins Kino oder ins Theater, machen Stadt- und andere Wanderungen. — Dabei sind wir nie <einfach nur so> unterwegs, sondern nehmen unterschiedliche Perspektiven ein, die sich an einer am HyperWerk definierten Fragestellung ausrichten können. Eine dieser Fragestellungen war das Jahresmotto 2010 undwasjetzt. Die SIG[SIC!] befasste sich dabei mit dem Thema Gesicht und Algorithmus. Das Jahresmotto wurde also nicht in Hinblick auf eine möglicherweise auf die Frage «Und was jetzt?» folgende Aktion verstanden, sondern befasste sich mit der Veränderung von Identitätskonzepten im digitalen Zeitalter. Aus dem Blickwinkel der SIG[SIC!] leitet das Motto undwasjetzt nämlich vor allem einen hochverdichteten Moment gestalterischen Handelns ein. Dieser erfordert die Fähigkeit, neue Bedeutungen und damit auch neue Muster von Identität zu finden und zu schaffen.
turellen Identität, die sich auch und insbesondere für gestalterische oder designorientierte Studiengänge heute neu stellt. Ausgangspunkt dieser SIG[SIC!], die mit der SIGDES von Catherine Walthard eng zusammenarbeitete, war das Forschungsprojekt ttt — travel trains talent, das sich mit der Ausbildung von DesignerInnen im globalen Kontext auseinandersetzt. Die Ausstellung «Global Design», die im Museum für Gestaltung in Zürich stattfand und die wir besuchten, lieferte uns weiteren Denk- und Diskussionsstoff in der kritischen Auseinandersetzung mit der Tendenz zur Nivellierung kultureller Unterschiede im Design. Im Studienjahr 2010/2011 wird sich die SIG [SIC!] mit prozesstheoretischen Fragen befassen.
In Diskussionen, Bildbeispielen, Videos, in Textlektüre und Reflexion gingen wir den Fragen nach, die sich in der Auseinandersetzung mit veränderten Identitätskonzepten auch für das Selbstverständnis eines gestalterischen Studiums und insbesondere des Studiums am HyperWerk befassten. Auch dies kennzeichnet die Arbeit in der SIG[SIC!]: Sie stellt immer auch den Bezug zum eigenen Handeln her, verliert sich also nicht in akademischen Übungen. Im Frühjahrssemester 2010 befasste sich die SIG[SIC!] erneut mit dem Thema Identität. Es ging hier um die Frage der kulRegine Halter
Die Eulenspiegeleien Die Eulenspiegeleien©®™ sind überbordend logosverliebt und pflegen dabei in Reflexion und Performanz eine nicht immer leicht zu ertragende Begriffsstutzigkeit zweiter Ordnung. Rechtfertigen tun sie diese — wie eigentlich alles, was sie bieten — mit der griechischen Vorsilbe »hyper» (wie in »HyperWerk»), die ein Über-das-jeweils-Gegebene-Hinausgreifen anzeigt, einmalig oder als permanente Rekursion. Kurzum: der Kirsch auf der Schwarzwälder. Zeitdiagnostik al fresco verschränkt sich hier mit Lebensweisheit; Inkonsistenzen und Stilbrüche werden erkannt und gegeneinander abgesetzt; liebevolle Pedanterie steht neben kalkulierter Lässigkeit; Parasitismus neben Omphaloskopie; Expositionen, Exkurse und Epiloge trinken aus den Schädeln der Hauptsachen; vorher werden die Genitivmetaphern weggeleert; — soviel zum Semikolon. Hier wird die Sprache kraftschlüssig und zielstrebig, Flow und Freud herrschen allüberall, auch bei den kleinen Dingen: Artig spielen Adverbien mit ihren Verbien Hase- und Igel-Spiele. Beherzt werden die Räume des Doppel-, des Mehrfach- sowie des blanken Unsinns scharf inspiziert — und dann natürlich fest verschlossen. Jetzt aber noch ernsthaft: HyperWerk ist unter anderem deswegen eine so ungewöhnliche Bildungsstätte, weil das Lehrangebot so offen ist und nur durch wenige Regeln strukturiert wird. Unter den HyperWerkerinnen und HyperWerkern sind die Hintergründe breiter gestreut als anderswo, und das Prädikat «Interaktionsleiterin/Prozessgestalterin» legt niemanden für die drei HyperJahre auf ein Medium oder einen Werkstoff fest. Stattdessen drei mal sechs Module, die ganz
unterschiedliche Prozessaspekte thematisieren. Wir alle sind in derselben Iterationsspirale zur Steigerung der Kompetenz, machen aber konkret sehr unterschiedliche Dinge. Auf einer gewissen — der entscheidenden — Abstraktionsebene tun wir aber alle durchaus dasselbe. Um Analyse-, Kontextualisierungs- und Reflexionsfähigkeiten für die Schule und das Leben draussen [sic!] zu trainieren, wird in den Eulenspiegeleien über vergangene Projekte diskutiert, werden am HyperWerk gehaltene Vorträge nachbesprochen, aktuelle Brösel und Schnipsel aufgelesen und breitgetreten, Theorien auf- und abgerissen, Durchstiche und Schnittstellen werden untersucht und verarztet. All dies durchaus nach Massgabe der Nützlichkeit am HyperWerk; auf bloss akademischen Altären wird nicht geopfert. Aber: Die Eulenspiegeleien thematisieren den Umstand, dass Du als Interaktionsleiterin beziehungsweise Prozessgestalterin in spe von Gestaltungsaufgaben umzingelt bist, weil Du sprechend, schreibend und eben auch konzipierend gestalten musst. Überhaupt Nachbereitung: Die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug. Von daher sollte man das zur blauen Stunde angehn, aber wir tagen jeden Donnerstag ab zwölf Uhr dreissig.
Ralf Neubauer
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Was wir mit take5 umsetzen wollen HyperWerk goes Google Apps take5 Skizze
Was wir mit take5 umsetzen wollen Das Leitungsteam hat die Gelegenheit der take5-Neukonzeption unseres Intranets genutzt, um vorab unsere Zielsetzung und Umgangskultur mit Noten und ECTS zu überdenken. Wir haben diesen Prozess mit dem leicht polemischen Arbeitstitel «Von Zahlen zu Inhalten» versehen. Das Problem: Unsere bisherige Form der ECTS-Qualitätssicherung macht niemanden wirklich glücklich. Wir haben uns in Pseudokontrollen verloren und suchen mit dem folgenden Ansatz einen Ausweg aus dem Zahlendschungel. Der Lösungsansatz: Prinzipiell wollen wir uns aus der Abstraktion der Zahlen hin zu einem nachvollziehbaren und wohldokumentierten Dialog bewegen. Dieser Abkehr von einem verfehlten Zahlenglauben entspricht auch der Entscheid des Leitungsteams und der Studierenden, uns im Diplom nur noch in ganzzahligen Noten zu bewegen, was konsequenterweise auch für unsere Modulnoten gelten soll. 1) StudiProzessHomeSites: Prinzipiell soll jede/r Studierende eine persönliche und rein HyperWerk-interne Website haben, auf der in einer Dokumentation Links zu allen Workshops und Projekten zu finden sind, woran sie/er sich beteiligt hat. Ebenfalls sind dort die Protokolle eines beidseitig obligatorischen Coach/Coachee-Gesprächs pro Modul zu finden. In diesen Gesprächen werden auf der Basis der vorliegenden Doku Empfehlungen zum weiteren Studienverlauf erarbeitet sowie von Coach und Coachee gemeinsam ein Modulnotenvorschlag zuhanden der Semester-Notenkonferenz ausgehandelt. Dies alles wird protokollarisch festgehalten vom Coachee; danach wird es vom Coach abschliessend geprüft und allenfalls bestätigt. Wichtig bei dieser Neuordung ist also, dass der Coach nicht mehr gleichzeitig urteilt
und berät, sondern nur noch berät. Die Notenkonferenz setzt sich jeweils aus allen Personen zusammen, die im vergangenen Semester eine interne Coachrolle eingenommen haben. Die Notenkonferenz ist gehalten, insbesondere die Extremfälle zu beurteilen, also diejenigen, deren Notenvorschlag nicht der Durchschnittsnote 5 entspricht (also bei 1,2,3,4 oder 6 liegt). 2) Workshopsites: Jeder Workshop führt seine eigene Dokusite, die mindestens ein Abstract zur Ausschreibung, einen Verlaufsbericht sowie eine Präsenzliste und eine begründete Form der Beurteilung durch die Workshopleitung beinhalten muss (solch eine Beurteilung kann beispielsweise auch begründen, warum der Workshop keine Beurteilung zulässt). Ebenfalls sollten auf dieser Workshopsite die Links zu allen allfälligen Deliverables zu finden sein. 3) Projektsites: Jedes Projekt führt seine eigene Dokusite, die unbedingt ein Abstract zur Projektidee, einen Verlaufsbericht sowie eine Mitarbeitendenliste und eine begründete Form der Beurteilung zum Engagement und zu den Deliverables durch die Projektleitung beinhalten muss. Ebenfalls sollten auf dieser Projektsite die Links zu allen Deliverables zu finden sein. Unsere Dokumentationskultur funktioniert künftig also auf zwei Ebenen: Sie setzt sich aus Dokumentationen mit öffentlichem (Workshops und Projekte) und privatem Charakter (individuelle StudiSite) zusammen. Öffentliche Doku: So sollen Workshops und Projekte (ohne Lernstücke) prinzipiell in einer öffentlich zugänglichen Form dokumentarisch aufbereitet werden, wobei diese
Dokumentationen fallweise auch nur einem eingeschränkten Zugriff ausgesetzt werden können. Wie bereits im kürzlich verabschiedeten Regelwerk zur Dokumentationskultur von HyperWerk festgehalten, können ECTS nur noch an TeilnehmerInnen von Workshops und Projekten vergeben werden, die eine nachvollziehbare Form der Dokumentation gefunden haben. Prinzipiell müssen alle Deliverables aus Projekt- oderWorkshoparbeit mit der entsprechenden Projekt- oder Workshopdoku verlinkt werden. — Anmerkung zur Abspeicherung solcher Dokumentationen: Auf einer zentralen Einstiegsseite sind alle Webdokumentationen zu verlinken. Die Suche via Studierender/m, Thema, Jahr wäre sehr hilfreich für den Aufbau eines Archivs. Die Daten sind auf HyperWerk-Servern zu speichern oder auf Webportalen, die auf absehbare Zeit nicht abgestellt werden (wie dies bei Internetseiten mit eigener URL sehr oft der Fall ist). Nur auf diese Weise lässt sich ein Archiv aufbauen. Wenn wir den Aufwand schon auf uns nehmen, wäre dieser Zusatznutzen sinnvoll. Für die Arbeit der Verlinkung und Verschlagwortung könnte man einen Assistenzjob vergeben. Private Prozessdoku: Neu dazu kommt ein prozessorientierter, individueller Reisebericht durch die gemeinsame Arbeitslandschaft von HyperWerk. Alle Studierenden verfassen zuhanden ihres Coach zum Modulende einen knappen Bericht mit Links zu Workshops und Projekten, in welchen sie sich engagiert haben, wobei die Art des Engagements nachvollziehbar darzustellen ist. Die Studierenden sind damit also verpflichtet, ihre Leistungen und Versuche, ihre Ergebnisse und Recherchen in einer nachvollziehbaren und dem ganzen Leitungsteam zugänglichen, digitalen Form zu dokumentieren. Dies kann als chronologische Website mit eingeschränktem oder öffentlichem Zugang geschehen, oder
auch als Skizzenbuch, als Film oder Textbericht, was in einem individuellen Dokumentationsordner pro Modul abgelegt wird. Die einfachste Form dieser Dokumentation stellt eine kommentierte Linkliste dar, die auf Projektdokus oder Workshopdokus verweist und die jeweiligen Leistungen in diesen Projekten und Workshops vermittelt. Anmerkung zur Kultur der Prozessdokumentation: Durch einen obligatorischen Einführungsworkshop in den Ankommenswochen soll die Kunst einer Prozessdokumentation vermittelt werden. Diese beiden Formen der Dokumentation dienen als Basis eines offiziellen Abschlussgesprächs pro Modul zwischen Studierender/m und Coach. Die individuelle Dokumentation der Projektleistungen und Workshopergebnisse stellt die Ausgangsbasis dieser Coachgespräche dar. In den ersten zwei Wochen des Folgemoduls (ausser bei assemble! — dort vor Beginn des folgenden Studienjahres) findet jeweils eine Modulbesprechung zwischen Coach und Studierender/m statt. Der Stand der Dokumentation und der Inhalt der Arbeiten werden besprochen. Fehlende Dokumente etc. werden aufgelistet. Selbstverständlich sind viele Vorhaben erst zu einem späteren Zeitpunkt als zum Modulende abschliessbar. Solche noch zu erbringenden Leistungen sind im Gesprächsprotokoll festzuhalten, und deren Vollständigkeit ist vor der Semester-Notenkonferenz zu überprüfen. Schnittstelle: Die Pflege dieses Dialogs versteht HyperWerk als wichtigste Schnittstelle zwischen Studierender/m und Dozent/in. Damit wollen wir eine Kultur der Verbindlichkeit aufbauen, die von beiden Seiten geleistet und eingefordert werden soll. Protokoll des Dialogs: Direkt im Anschluss an
das Coachgespräch muss der/die Studierende ein Protokoll verfassen und dem Coach zur Bestätigung in digitaler Form vorlegen, in dem auch die von Coach und Studierender/m gemeinsam durchgeführte Beurteilung aller im Modulverlauf erbrachten Leistungen festgehalten wird. Auf dieser Basis wird eine Gesamtnote pro Modul zwischen Coach und Coachee gemeinsam besprochen und als ganzzahliger Notenvorschlag (3,4,5 oder 6) zuhanden der Semester-Notenkonferenz der individuellen Modulprozessdokumentation beigefügt. Ebenfalls können an dieser Stelle grundlegend voneinander abweichende Sichtweisen zum erzielten Leistungsniveau protokollarisch festgehalten werden. Wichtig dabei ist, dass der Coach nicht als selbstherrlich notengebende Instanz, sondern als Berater seines Coachee wirkt.
Dabei können sich Coach und Coachee ja durchaus auch nicht einig sein; dies müssen sie dann aber zumindest ausformulieren — das hat dann zur Folge, dass die Notenkonferenz sich differenziert mit solch einer Situation auseinandersetzt und dabei quasi als Supervision der Coach/Coachee-Beziehung wirkt.
Semester-Notenkonferenz: Zum Ende des Semesters wird eine Notenkonferenz mit dem Leitungsteam und dem Kernteam (Sabine, Anka und Frank) geführt. Die Coaches begründen ihre Notenvorschläge — doch erst die Konferenz entscheidet über die ganzzahligen Noten. Es wird also bewusst auf die Trennung zwischen beratender und notengebender Instanz geachtet. Die Überlegung hinter ganzen Noten besteht darin, dass mit ihnen keine Fehlentscheide aus einer numerischen Pseudologik mehr getroffen werden sollen, sondern man ist eben gehalten, die Gesamtsituation eines Studierenden anzuschauen, wenn es um seine Gesamtheit geht. Das ist dann doch objektiver, insbesondere weil diese Beurteilung von Coach und Coachee gemeinsam durchgeführt und protokollarisch zuhanden der Notenkonferenz festgehalten wird.
Mischa Schaub
HyperWerk goes Google Apps Gross war die Überraschung und schlimm waren die Befürchtungen, als sich im November 2009 herausstellte, dass am HyperWerk die erst einige Monate zuvor fertiggestellte Intranetapplikation play4 nicht mehr lange genutzt werden konnte. Der Otto Stefan Ruefer hatte sie im Rahmen seiner Diplomarbeit während eines Jahres programmiert, und herausgekommen war dabei eine respektable Plattform, die in einem Facebook-ähnlichen Stil die Kommunikation, die Verwaltung der ECTS-Punkte, Projekte und Workshops und noch einiges mehr unter eine Haube brachte. Nichtsdestotrotz musste innerhalb eines halben Jahres ein Nachfolger her — take5, und ich meldete mich freiwillig als Projektleiter für diesen Stunt. Nach intensiven Recherchen auf dem Markt für Open Source-Software war klar, dass kein existierendes Produkt unsere spezifischen Prozesse und Bedürfnisse abbilden konnte — worauf klar war, dass etwas Neues gebaut werden musste. Nach dem Erforschen aktueller Programmier-Frameworks für Webapplikationen in den Sprachen PHP, Python und Java folgten Kosten/Nutzen-Schätzungen, die die nächste Möglichkeit zu scheitern ans Licht brachten: den Mangel an personellen (oder finanziellen) Ressourcen für ein solches Projekt. Eine zu veranschlagende Entwicklungszeit von mindestens einem Jahr mit zwei bis drei Programmierern zwang die Institutsleitung und mich, einen anderen Weg zu suchen. Nach verschiedenen Brainstormings, Umfragen und ausformulierten Funktionskonzepten erkannten wir die Lösung darin, einerseits die Strukturen von HyperWerk zu reformieren und simpler zu gestalten, andererseits auf eine existierende, anpassbare(Beinahe-)Fertiglösung zu setzen, nämlich auf Google Apps.
Seit Juni 2010 kommen die HyperWerker somit nicht nur in den Genuss von zeitgemässem Webmail, sondern können mit Calendar und Documents (einer Art Web-Office) auch eine Online-Kollaboration betreiben, welche klar stärker im Vordergrund steht als bei play4. Anhand von Google Sites kann nun jeder HyperWerker seine Projekte und Workshops verwalten, hat viel mehr Freiraum für die Struktur und Gestaltung der Auftritte und kann mit kleinstem Aufwand eine Website ins Internet stellen. Seit neuestem steht uns auch das Live-Projektmanagementtool Google Wave zur Verfügung, welches sich schon viele Studierende bisher vergeblich gewünscht hatten. In den Ankommenswochen des Herbstsemesters 2010 werden Mini-Workshops stattfinden, um die neu eintretenden Dodici mit take5 vertraut zu machen, aber auch die Kenntnisse der bereits mit take5 in Kontakt gekommenen HyperWerkerInnen aufzufrischen und die neuesten Tricks für Google Apps auszutauschen. http://take5.HyperWerk. ch
Jaime Luis Oberle
Thesen
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Technologie und Szenarien Interdisziplinarität und Team Hochschule und Web Gestaltung und Produktion Ökologie und Ökonomie
Technologie und Szenarien Digitaltechnologie ermöglicht das faszinierende Konzept der Universalmaschine. Heutiges Design hat unter anderem die Aufgabe, den hiermit eröffneten — nahezu unendlichen — Möglichkeitsraum in überzeugende Lösungen für reale Gegebenheiten zu überführen. Maschinen in ihrer grundlegenden Form erfüllen spezifische Funktionen in spezifischen Positionen, was ihre potenzielle Nutzbarkeit einschränkt. Digitaltechnologie — programmierbare Materialien und Instrumente — bringt eine grosse Flexibilität mit sich und bietet durch variable Eigenschaften endlose Möglichkeiten für die unterschiedlichsten Anwendungen. Die Annäherung an eine Universalmaschine nimmt zu und übt grosse Faszination aus. Programmieren ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Der stetige Fortschritt und die Vereinfachung von Entwicklungsumgebungen gestatten aber auch immer mehr ungeübten Benutzern, eigene Inhalte zu erstellen und individuelle Ideen umzusetzen. Auch Instrumente für Gestaltung und Produktion werden immer zugänglicher und eröffnen dem Konsumenten dadurch neue Möglichkeiten, selbst produktiv zu werden. Beispielhaft sind diesbezüglich die heutigen erschwinglichen Spiegelreflexkameras, die selbst ungeübte Anwender mittels «Auto-Modus» technisch durchaus hochwertige Fotos schiessen und ins Netz stellen lassen. Der Konsument wird zum Produzenten. Das etablierte Modell der Expertokratie wird aufgebrochen, und der »Prosumer» — der produzierende Konsument — erhält eine gewichtige Rolle innerhalb des Systems.
Das Zweifelhafte liegt hierbei in der Produktion und Umsetzung von vermeintlich hochwertigen Inhalten mit den immer leichter bedienbaren Werkzeugen. Die Masse der dabei entstehenden Resultate ist immens, Qualität dadurch aber keineswegs garantiert. Professionalität durch Erfahrung und angeeignetes Wissen sind für optimale Resultate nach wie vor unabdingbar und lassen sich durch diese Masse nicht kompensieren. Dennoch fördert diese Tatsache unseren Gestaltungs-Alltag in einer hochtechnologisierten Gesellschaft und trägt oft Früchte in individuellen Umsetzungen von Ideen. HyperWerkende müssen in der Lage sein, diese Ausgangssituation einzuschätzen und zum eigenen Vorteil zu nutzen. Dass der Industriedesigner einen schweren Stand im beschriebenenen «prosumerism» hat, gehört ebenso zum Verständnis der Ausgangslage wie auch die Wendigkeit, sich diese Mittel zunutze zu machen, um sich auf dem schnelllebigen Markt zu behaupten. Projektarbeit in der Gruppe ist hierbei die geeigneteArbeitsform, um die Kompetenzen und Fähigkeiten der Einzelnen zu erkennen und in die Zusammenarbeit zu integrieren. Das daraus zusätzlich entstehende Wissen und die Erfahrung führen die HyperWerkerInnen an eine Selbständigkeit heran, die für den Arbeitsmarkt zwingend notwendig ist; das HyperWerk bietet seinen Studierenden dabei die Grundlage, um postindustrielle Szenarien zu identifizieren. Die Studierenden werden im Umgang mit Digitaltechnologie angeleitet, wodurch eine professionelle und gültige Umsetzung von Ideen erst möglich wird.
Peter Bichsel
Interdisziplinarität und Team Teamarbeit wird von vielen Neulingen im HyperWerk, die diese Arbeitsform selten wirklich kennengelernt haben, als paradiesischer Zustand verstanden — da sitzt man vermeintlich im trauten Familienverband und kocht eine gemeinsame Gedankensuppe. Solch eine Art der Interdisziplinarität wäre jedoch eher als Seinszustand denn als empfehlenswerte Arbeitsform zu werten. Sie dürfte nämlich die in einem Team schlummernden Ressourcen kaum zum Tragen bringen und auch nicht die Effizienz im Lösungsprozess steigern.
Das Aufkommen der Wissensgesellschaft hat den aktuellen Erfolg der Interdisziplinarität bewirkt, die unterdessen auf nahezu allen Ebenen gesiegt hat — die Wissensflut hat die disziplinären Dämme weggeschwemmt. Die Teamarbeit verlagert sich heute aus dem geteilten Realraum in einen um virtuelle Dimensionen erweiterten Raum — die Frage, wie sich verbindliche Formen für situativ sich im globalen Raum bildende Mitgliedschaften etablieren lassen, gewinnt an Gewicht.
Die Erfahrung aus studentischen Projektarbeiten zeigt, dass man nur allzu leicht beginnt, sich gegenseitig in Urgruppenerlebnissen auszubremsen. Erfolgreiche TeamarbeiterInnen wissen um den gefährlichen Sog der Gruppendynamik, der Effizienz und Originalität ersticken kann. Denn besonders die Kreativarbeit ist ein einsamer Prozess, der jedoch gerade deshalb immer wieder abgeglichen sein will — das Gehaltensein des individuellen Wirkens durch die Einbindung in einen grösseren Kontext vermag sowohl das Ergebnis als auch das Erlebnis qualitativ zu steigern. Nicht zuletzt deshalb finden einige Special Interest Groups unseres Instituts, die als Anlaufstellen aller Projektarbeiten wirken, wöchentlich mit einer offenen Agenda statt, denn genau hier geht es um den offenen Austausch und um die Möglichkeit des Reinschnupperns.
Selbstverständlich gibt es auch heute noch Spezialisten; sie zeichnen sich immer klarer durch ihre Erfahrungen, Methoden und Strategien aus, die es ins Team einzubinden gilt. Es geht also — wer hätte das gedacht — heute vor allem um die Erschliessung der «Google-resistenten» Wissensbereiche für den Lösungsprozess. Dazu gehört auch der ständig wichtiger werdende Einbezug aller betroffenen Ziel- und Anspruchsgruppen, deren Sichtweisen das interdisziplinäre Team abrunden sollen.
Teamarbeit soll jedoch nicht einfach bedeuten, dass man sich als Grüppchen immer wieder mal trifft. Zielgerichtete Projektteams sollten sich effizienter organisieren; im Kontext solcher Teamarbeit sollte man ritualisierte Projektsitzungen möglichst vermeiden. Arbeitsteilung und verbindliche Zielsetzungen verhindern den Missbrauch des Teams durch passiv mitschwimmende TeilhaberInnen. Mischa Schaub
Hochschule und Web In der rund zwanzigjährigen «Alltags-Geschichte» des Internet hat sich dieses neue Medium zur grenzenlosen, unkontrollierbaren Maschinerie ausgeformt. Die scheinbar unausschöpflichen Möglichkeiten im Web versprechen Erfolg, gelten sie doch als universales Sprungbrett für einfallsreiche Ideenumsetzung und führen dazu, hergebrachte Arbeitsweisen neu zu organisieren. HyperWerk nutzt die Möglichkeit eines Webauftritts schon seit der Geburtsstunde des Instituts, um seine Arbeit und den Auftritt gegen aussen optimal zu gestalten, und versteht es auch, neue Ansätze auf diesem Labor- und Spielplatz im Experiment auszuprobieren. Das Internet verändert und beeinflusst die Struktur von Hochschulen ebenso sehr wie es auch unseren Alltag in all seinen Facetten auf den Kopf stellt. Bestehende Arbeits- und Tätigkeitsfelder bedürfen einer Veränderung aufgrund dieses Fortschritts. Vor diesem Hintergrund scheint der regressive Trend vieler Hochschulen zum Campusbau überholt und darf mit skeptischem Blick hinterfragt werden.
Hochschule. Werden diese vom HyperWerk wahrgenommen und zur Identitätsbildung der Hochschule angewandt, lassen sich daraus neue Aspekte für Repräsentation auf einer Ausbildungs- und Experimentierplattform konstruieren. HyperWerk mit seiner projektorientierten Arbeitsweise eignet sich für ein solches Hochschul-Prototyping. Die Vernetzung von Wissen und Projektpartnern ist fester Bestandteil des Instituts. Die Anwendung von Strukturen und Vorgaben, bekannt aus Internet und Web, lässt sich in adäquater Form auf die Struktur der Hochschule abbilden. HyperWerk widmet sich dieser Aufgabe der Neustrukturierung und Veränderung. Dies ist die wichtigste Aufgabe zur Identitätsbildung und Positionierung des Instituts als prozessgestaltender Plattform.
Aufgrund der Mannigfaltigkeit von Inhalten im Internet muss die Hochschule imstande sein, ihr Wissen und ihre Partnernetze reaktionsschnell und differenziert zu erweitern. Risikobereitschaft und Fingerspitzengefühl sind die notwendige Grundlage zur Erweiterung des Wissens- und Informationspools. Wird dieser Trend gewissenhaft vorangetrieben, wird dies zu konstruktiven Lösungsansätzen und Ergebnissen führen. Vielfältige Verbesserungsmöglichkeiten tauchen auf, und Qualität wird dadurch gesteigert. Die dezentralen räumlichen und organisatorischen Strukturen des Internets sind die Möglichkeiten, diesem System eine Form zu geben. Die Merkmale dieser dezentralen Art der Organisation sind neue Ansatzpunkte für die Struktur der Peter Bichsel
Gestaltung und Produktion Der ökologische Imperativ besagt, dass die wiederverwertbaren Materialien eines Produkts am Ende seiner Lebensdauer zurückgewonnen und in eine erneute Nutzung eingebracht werden müssen. Angesichts dieser Notwendigkeit muss das Produkt von seinem Endzustand, also dem des möglichst leicht und vollständig rezyklierbaren Mülls her konzipiert werden. Diese ökologisch korrekte Fertigungstiefe, inklusive eines korrespondierenden Rücknahme- und Recyclingsystems, ist neben seiner zuverlässigen Funktionalität und Langlebigkeit die dritte Anforderung an einen Gegenstand. «Ich bin zu arm, um mir etwas Billiges zu kaufen.» — Sinnvolle und langfristig taugliche Gegenstände haben ihren Preis; Einwegprodukte werden zunehmend einer gesellschaftlichen Ächtung verfallen. Stattdessen wird der gesamte Nutzungskreislauf des Gegenstandes betrachtet werden. Freilich wird sich das nur dann in der notwendigen Breite durchsetzen, wenn die Konsumenten es sich auch leisten können. Gesetzgebungen zum verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen müssen unterfüttert werden mit den entsprechenden Marketingmassnahmen. Hier eröffnet sich eine Perspektive für Dienstleistungen, über die solche Produkte eine unverwechselbare Identität gewinnen. ISP, Instant Spectacular Production, ist ein Name für Inszenierungen von Produktionsprozessen, die deren Erlebnisqualitäten als Bildungserlebnisse für ein Publikum aufbereiten. Die einschlägige Palette kann durch die Beobachtung eines Pizzaiolo oder auch durch den Besuch eines Stahlwerks erweitert werden.
Ein weiteres immaterielles Produktmoment ist die Möglichkeit, limitierte Auflagen beziehungsweise Einzelstücke anzufertigen. Der Digitaldruck ist schon heute dazu in der Lage. Ein anderes Stichwort in diesem Zusammenhang ist «prosumerism» — die Möglichkeit des Kunden, sein Exemplar selbst zu Ende zu gestalten; was seine Neigung eindämmen wird, sein Stück zugunsten eines neuen wegzuwerfen. Ebenfalls in diesen Kontext gehört die Strategie der modularen Umrüstung. Und die Gestaltung im Virtuellen, die Programmierung? Die schon sprichwörtliche Informationsflut verlangt individuelle Netze, Reusen und Kescher, in denen sich das Relevante fängt. Was ist relevant? Dazu muss man sich über Inhalte und Werte Gedanken machen, den Blick heben und über die Armaturen der bloss instrumentellen Vernunft hinausschauen. Man müsste der Infantilisierung der Gesellschaft durch PR, Marketing und Werbung etwas entgegensetzen und zumindest einmal die Schizophrenie benennen, mit der weiteren Beförderung des Konsumismus, dem Diebstahl von Aufmerksamkeit und Lebenszeit Geld verdienen zu müssen und gleichzeitig seine eigenen Kinder davor bewahren zu wollen. Abwehr unerwünschter Dienstleistungen ist ja auch eine Dienstleistung, ebenso wie praktischer Datenschutz. Für eine breite Palette relevanter Gestaltungsprojekte mit emanzipatorischen Ansprüchen verweisen wir an dieser Stelle auf unsere HyperPublikationen aus den letzten zehn Jahren.
Ralf Neubauer
Ökologie und Ökonomie Die Ressourcen sind begrenzt; die realen Kosten von Produkten sind bis vor kurzem weitgehend ausgeblendet worden, wie der Diskurs über den ökologischen Fussabdruck exemplarisch zeigt; Vorstellungen, mit wenigen grossen Technologieschüben wie dem vom Verbrennungs- hin zum Elektromotor oder zu Fahrzeugen mit Brennstoffzellen Probleme lösen zu können, greifen zu kurz und verschieben die Probleme hinter die Kulissen der Stromerzeugung — Hütchenspielereien in grossem Stil. Gleichzeitig bleiben die wirtschaftlichen und politischen Systeme auf Wachstum und Gewinnmaximierung durch Rationalisierung programmiert. Dabei bekommen immer mehr Menschen weltweit die Konsequenzen des Raubbaus an Ressourcen am eigenen Leib zu spüren. Demgegenüber finden sich in den traditionellen Nachrichtenmedien Zeitung und Fernsehen immer mehr investigative Beiträge, die Umweltschäden, drohende Folgen der Klimaerwärmung und Verwerfungen der Globalisierung dokumentieren und kommentieren. Gewiss bietet das Internet die vielfältigste Information zu diesen Themen, aber hier muss man wissen und wählen, welches Thema man sucht; zwar wird globale Öffentlichkeit hergestellt, die jedoch ohne journalistische Aufbereitung vereinzelt und gleichzeitig unübersehbar bleibt. Whistleblower, Blogger und Foren sind hilfreich: Eine neue Spezies von kreativ Wirtschaftenden webt hin und her zwischen konkreten Ereignissen und allgemeinen Befunden und schafft Orientierung.
anscheinend nur, wenn dramatische Ereignisse dasselbe erst einmal wachrütteln und dann nicht wieder zur Ruhe kommen lassen. Und das ist mittlerweile immer mehr der Fall, weil die Informationspolitik der Verursacher so notorisch inakzeptabel ist, dass man aus der Erbitterung immer schwerer herausfindet. Immerhin sind komplementär zu Katastrophen ganze Produktionszweige entstanden, die damit beschäftigt sind, Altlasten zu bewältigen und Schadensbegrenzung zu leisten. Der Menetekel werden es immer mehr. Eine positive Bewusstseinsbildung besteht jedoch darin, viele kleine Schritte, viele lokale Anstrengungen, alternative Produktionsmöglichkeiten zu entwickeln, die ökologisches Wirtschaften vor der Haustür erlebbar machen und Auswege aus dem Gefühl der Ohnmacht und der scheinbar unvermeidlichen Verstrickung weisen. Das Monolithische wird porös, und es gibt immer auch Gemeinschaftsbildung um identitätsstiftende Initiativen — Carrotmobs sind ein Beispiel, eine Aktionsform, die erst durch die Digitalisierung möglich geworden ist. Klaus Bernhards Diplom nutzdach kombiniert das Konzept, urbane Dächer für Gartenbau zu erschliessen, mit einem Tauschmodell für Arbeitszeit. Bewusstseinsbildung mündet sehr direkt in konkretes Handeln — hier eröffnet sich ein weites Feld, Gutes zu tun, es zu dokumentieren und dann beispielhaft ins grosse Bild einzupassen.
Verbessern sich die Kontrollinstrumente der demokratischen Öffentlichkeit mit dem wachsenden Umweltbewusstsein? Das sollte so sein, ist aber ein langwieriger politischer Prozess. Es mag zynisch klingen, aber Bewusstsein bildet sich Ralf Neubauer
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HyperQualität 1 HyperQualität 2 HyperQualität 3 HyperQualität 4 HyperQualität 5 HyperQualität 6 HyperQualität 7 HyperQualität 8 HyperQualität 9
HyperQualität 1 Zur Qualitätsentwicklung am HyperWerk haben sich wohl schon einige Artikel versammelt, die sich mit der Prozesshaftigkeit, den vorhandenen Chancen oder mit dem Wert all dessen befassen. Vielleicht kann mein Text da auch eingereiht werden, vielleicht ist er aber eher als eine persönlichere Betrachtung zu lesen. Natürlich geht es bei dem Qualitätsverständnis, das wir am HyperWerk leben, um viel mehr als um einige von einer Chefetage in Auftrag gegebene Checklisten, die auszufüllen sind, um die Lage der Organisation möglichst plakativ und statistisch und damit angeblich objektiv zu erfassen, während die daraus erschlossenen Massnahmen den ‹Ressourcen› (in unserem Falle: den Studis, Dozenten und Alumni) auf dem kommunikativ polierten Tablett präsentiert werden. Das Horrorszenario eines Qualitätsmanagements à la ISO oder ähnlich standardisierter Organisationsplattitüden war meine grosse Befürchtung, als das Thema aufgegriffen wurde. Welche Überraschung oder sogar Freude herrscht bei mir, seit ich realisiere, dass wir am HyperWerk wesentlich heftiger und tiefer an die Materie herangehen. Die Strategie des Empowerment ist erlebbar. Gemeinsame Seminare, Sitzungen und persönliche Gespräche zeigen, wie mannigfaltig unsere Institutseigenheiten, die Menschen, die darin arbeiten, und die vorhandenen Strukturen sind. In den Arbeitsgruppen ist erkennbar, wie diese wichtigen Werte von HyperWerk behutsam und mit viel Respekt in die Qualitätsstrategie einbezogen werden. Wir alle sind einzelne, wichtige Teile dieses Kosmos und waren das auch schon weit vor der Erkenntnis, dass auch HyperWerk sich mit der Thematik der Organisationsqualität befassen muss. Die Kommunikation und der aktive Einbezug aller Beteiligten am
HyperWerk ist wohl der Schlüssel zur Entkräftung der von mir eingangs genannten Befürchtung. Als Schritte in die richtige Richtung erkenne ich die Debattierfreudigkeit zum Beispiel bei Vollversammlungen oder auch bei den Treffen der Arbeitsgruppen, wo unser Tun sichtbar wird. Erste konkrete Massnahmen aus den formulierten Strategien und Erkenntnissen der vergangenen Monate werden nun manifest und umgesetzt. Vergleichen lässt sich diese Qualitätsentwicklung mit der Umsetzung eines komplexen Kochrezepts. Kochrezepte haben ja immer auch etwas Mystisches, denn schon ein paar einzelne Zutaten verbinden sich auf wundersame Weise zu wahren lukullischen Wunderwerken. Die Köche wissen aus Erfahrung, wohin es gehen sollte, brauchen aber ein Team, ohne das sie nicht zum Ziel gelangen; das Rezept schliesslich strukturiert den Weg dahin. Wahre Kunstwerke entstehen aber trotzdem erst dann, wenn Berufserfahrung, Wille, Können und die Qualität der Zutaten zusammenkommen. Dazwischen gibt es hinter den Kulissen verhaute Ergebnisse, Zeitdruck und Gezeter. Zum Schluss weiss aber jeder, dass er einen Teil zur Zufriedenheit des Gastes beigetragen hat. Der Gast ist der grosse Unbekannte und kann vom ordinären Fresser bis zum veritablen Feinschmecker alles sein. Er verkörpert für mich die Zukunft, für die wir uns unserer Qualitäten bewusst sein wollen.
Benjamin Schmid
HyperQualität 2 Qualität und HyperWerk: Qualität und Vielfalt. Qualität und Widersprüche. Qualität und Kunst. Qualität und Chaos. Qualität und Leidenschaft. Qualität und Engagement. Qualität und Infragestellen. Was aus einer Anfrage für die Moderation eines «Qualitätsworkshops» daherkam, wurde eine Woche intensiver Auseinandersetzung zu zentralen Fragen der Organisation und ihrer Zukunft. Vorher Qualitätssicherung, danach Organisationsentwicklung, Visionen, Mission, Zukunft. Aus der Befürchtung, enorme Denkkräfte einzuengen oder gar kanalisieren zu müssen, wurde eine erschöpfende, offene und kreative Auseinandersetzung zur Gestaltung der gemeinsamen Zukunft (Prozessgestaltung). Ausbrechen, Freiheit, Autonomie: Was bedeutet Qualität in dieser Denk- und Gestaltungsfabrik? Ist Qualität die Erfüllung von Anforderungen? Ist Qualität Anspruchsgruppenorientierung? Ist Qualität Kundennutzen? Ist Qualität Kreativität und Innovation? Ist Qualitätsarbeit Organisationsarbeit? Qualität am HyperWerk ist all dies und noch mehr. Qualität bei HyperWerk sind Energien eines interdisziplinären Teams von Leitungsmitgliedern, Fachpersonen und Studierenden, die freigegeben werden, die es zu einem gemeinsamen Ziel zu lenken gilt. Aber welches ist das gemeinsame Ziel? Die erste Herausforderung. Ist das gemeinsame Ziel, «Qualität zu verstehen»? Oder ist das gemeinsame Ziel, «Rahmen» zu definieren, die von der Schulleitung akzeptiert werden und uns trotzdem die nötige Gestaltungsfreiheit lassen? «HyperWerk sucht Studierende, die Prozesse zu gestalten wagen» (Zitat Homepage HyperWerk): Ich habe diese besondere Herausforderung gewagt, und was ich erlebt habe,
waren Momente von grossartiger Prozessgestaltung zum Thema Qualität. Die Suche nach den gemeinsamen Werten und Zielen, ja sogar nach dem Sinn des Tuns waren Elemente der intensiven Diskussionen. Der umfassende Ansatz des Total Quality Managements (TQM) hat diesen Prozess ermöglicht, sogar unterstützt. Das Ergebnis war die gemeinsame Definition der Vision, der Mission und der Werte der Organisation (siehe Homepage HyperWerk). Nächster Schritt: Die systematische Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren der Organisation - die zweite Herausforderung. Bis dato hatte sich die Organisation mit dem eigenen Bild nie in strukturierter Weise auseinandergesetzt. Dank der Partizipation verschiedener Interessensgruppen entstand daraus ein buntes Mosaik. Diese kritische, offene Analyse hat dann die Definition der «strategischen Stossrichtungen» ermöglicht. In der letzten Session wurden die Projekte für 2010 konkretisiert und priorisiert. Auf Ende Jahr ist die gemeinsame Reflexion und Erfolgskontrolle der initialisierten Massnahmen geplant. Schon heute bin ich überzeugt, dass der Prozess der Auseinandersetzung mit den Fragen der «Qualität» der Organisation als solcher HyperWerk über die wichtigsten Aspekte der Organisationsentwicklung weitergeführt hat.
Prof. Libero Delucchi ist Dozent und Berater im Kompetenzzentrum Qualitätsmanagement der Fachhochschule in Bern. Das Kompetenzzentrum QM unterstützt und berät Organisationen und Unternehmen aus allen Branchen in Fragen der Unternehmensentwicklung und des umfassenden Qualitätsmanagements. Libero Delucchi
HyperQualität 3 Von mir als dem Leiter der zentralen Kommunikations- und Koordinationsstelle des QM-Projektes wird erwartet, dass ich eine Vorstellung von Qualität an unserem Institut habe. Ich will versuchen, sie hier zu umreissen. Qualität am HyperWerk steht und fällt mit der gelungenen Befähigung der einzelnen Studierenden, den je eigenen Weg durch das Studium selbst zu gestalten. Ich denke, dass dies von jedem und jeder Studierenden erreicht werden kann. Diese eine, für mich zentrale Qualität ist aber nicht unser Problem, denn sie ist allen zumindest als Leitmotiv bewusst und funktioniert auch, im Wesentlichen. Unser Problem besteht darin, dass diese Fähigkeit nicht von allen Studierenden gleich gut und gleich einfach erworben werden kann.
Ähnlichkeiten haben, nehmen wir dann einfach so hin — und nehmen uns damit zugleich die Möglichkeit, sie als Ausdruck eines Systems zu verstehen und damit sinnvoll mit ihnen zu arbeiten. In der Erarbeitung dessen, was ich als den Mörtel zwischen den Qualitätsbausteinen des HyperWerks bezeichnen will, ergänzen sich die (zum Beispiel text-orientierte) Reflexion und die Visualisierung von Prozessen mit den von Roland Pavloski vorgestellten Mitteln exzellent und führen zu Resultaten, mit denen in weiteren Prozessen gearbeitet werden kann. Besonders mit der Einführung von take5 und der Umstellung der Vergabe von ECTS-Punkten sind viele neue Prozessverläufe entstanden.
Nachdem das Problem identifiziert ist, können wir nach seinen Ursachen suchen. Diese sehe ich in den Prozessen, die im HyperWerk parallel und diese Qualifikation unterstützend ablaufen. Sie tauchen spontan auf und verschwinden oft ebenso spontan wieder; ihre Einbindung in das Gesamtgeschehen allerdings ist nicht immer klar erkennbar. Solche Prozesse können übrigens in der Art und Weise bestehen, wie zwei Personen miteinander kommunizieren, darin, wie mit Arbeitsmaterial umgegangen wird, oder auch darin, wie ein Projektleiter die Arbeit in seiner Gruppe verteilt — oder vielleicht in ganz anderen, vollkommen anderen Aktivitäten. Solche Spontanität — etwas passiert »halt einfach so» — wird als etwas Flüchtiges und nicht Erkennbares akzeptiert und als Ausdruck von Prozesshaftigkeit missverstanden. Dass sie aus einer bestimmten Grundhaltung am HyperWerk entsteht und einer bestimmten Qualifizierungsabsicht entspringt, wird jedoch nicht klar. Die einzelnen, mitunter ganz banalen Prozesse, die untereinander zudem ja keinerlei Fabian Frei
HyperQualität 4 Qualität, qualitativ hochwertige Arbeit am HyperWerk, HyperWerk selbst soll erkennbar, sichtbar werden! Für uns, für Freunde, Feinde, für diejenigen, die es interessiert, und alle anderen. Und sofort folgen die grossen und weniger grossen Fragen: Was bedeutet das überhaupt? Wie sieht Qualität aus und wie oder vielleicht wo soll man die denn sehen können? Kann man sie auch schminken, etwas aufpeppen? Ist sie männlich oder weiblich, und wie sorgfältig muss man mit ihr umgehen? Haben wir alle dieselbe Schönheitskönigin vor Augen oder darf dem Schönheitskönig auch mal ein Bein fehlen? Wie sieht es mit Kinderkrankheiten aus? Warum brauchen wir Qualität und wer urteilt darüber? Qualität am HyperWerk? Qualität im HyperWerk? Qualität des HyperWerks? Ich habe mir im Laufe des bisherigen Prozesses zur Qualitätssicherung am HyperWerk diese und viele weiteren Fragen gestellt. Und ich habe versucht, eine eigene Antwort zu formulieren: Qualität wird sichtbar durch die offene und öffentliche Auseinandersetzung mit der Frage danach, was Qualität bedeutet, für mich, meine Arbeit, die Arbeit anderer, dieses Institut. Qualität wird erkennbar durch Kritik und Veränderung, Qualität ist ein individueller Prozess. Daraus folgt für mich die dringende Notwendigkeit einer Auseinandersetzung am HyperWerk mit allen Fragen rund um Qualität und eine öffentliche Dokumentation der zugehörigen Prozesse und Ergebnisse. Daran beteiligt sein müssen Studierende, das Leitungsteam, Dozierende, Angestellte und Aussenstehende. Es muss eine stete Diskussion über HyperWerk und seine Qualitäten entstehen. HyperWerk ist im Wandel begriffen und wird es immer sein — die andau-
ernde Veränderung zu tolerieren, zu tragen und auch zu fördern ist wohl die schwierigste und gleichzeitig wichtigste Aufgabe einer sinnvollen Qualitätssicherung am HyperWerk. HyperWerk ist ein qualitativ hochstehendes Institut, wenn es um die Entfaltung und Weiterentwicklung individueller Fähigkeiten geht. Doch heute ist es nahezu unmöglich, diese Qualitäten zu erfahren, wenn man nicht selbst Teil von HyperWerk ist. Noch schwieriger gestaltet es sich aber mit der Erkennbarkeit der allgemeinen Qualitäten von HyperWerk als Institut gegen innen und aussen. Daran muss dringend gearbeitet werden — ich engagiere mich persönlich dafür als Leiterin der Arbeitsgruppe Erkennbarkeit nach innen und aussen, welche sich im Rahmen des Qualitätssicherungsprozesses am HyperWerk mit genau dieser Aufgabenstellung beschäftigt. Die Arbeitsgruppe sucht und erprobt Möglichkeiten, die Sichtbarkeit von Qualität an diesem Institut zu unterstützen und allenfalls zu steigern. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Erkennbarkeit nach aussen. Ich bin überzeugt davon, dass alle Studierenden, vor allem auch in Bezug auf ihre spätere Erwerbstätigkeit, stark von einer öffentlichen Diskussion zu Qualitätssicherung und zugehörigen Prozessen am HyperWerk profitieren können. Und ich hoffe, dass die künftige Erkennbarkeit der Qualitäten des HyperWerks zu Erkenntnis in den Köpfen von Bildungsverantwortlichen führt — Erkenntnis darüber, wie Bildung auch funktionieren könnte.
Alice Vollenweider
HyperQualität 5 Qualität ist ein Wort, das in aller Munde ist und demnach auch viele Bedeutungen zugeschrieben bekommt. Jeder hat sein eigenes Verständnis davon, was Qualität ist oder nicht ist. Umso schwieriger wird es, einen gemeinsamen Nenner für diesen Begriff zu finden, der für einen Studiengang gelten soll, an dem sich die Menschen sowie deren Projekte durch eine Vielfalt auszeichnen, wie sie für HyperWerk charakteristisch ist. Sicherlich ist das keine leichte Aufgabe; dafür aber ist es umso spannender, ein auf unser Institut zugeschnittenes Qualitätsmodell zu entwickeln, es beim Wachsen zu beobachten und je nach Reaktion abzuändern. Als Student einen solchen Einfluss auf und ein solches Mitspracherecht bei seiner eigenen Ausbildung und deren Rahmenbedingungen zu haben, ist wahrscheinlich ein Privileg von Studierenden am HyperWerk. Wichtig für solch ein Modell zur Qualitätssicherung ist, dass das Qualitätsteam in einem Workshop zunächst lernen musste, dass zuallererst ein gemeinsames und klares Verständnis davon geschaffen werden muss, was unter diesem Begriff verstanden wird. Dabei ist zu beachten, dass sich die Faktoren, die den gemeinsamen Nenner ausmachen, meist nicht mit den sogenannten ISO-Normen oder anderen statistischen Messwerkzeugen erkennen und überprüfen lassen. Viel wichtiger ist es, dass die betreffende Institution von allen Mitgliedern im Sinne des social ownership wahrgenommen wird. Das bedeutet, dass jeder diese Institution auf seine Weise mitträgt oder dazu etwas beiträgt, um sich im Gegenzug dann auch gewisse Dinge davon nehmen zu können, wie beispielsweise das Wissen einer Institution, die Nutzung ihrer Infrastruktur etc. Wenn von allen verstanden wird, dass mein Teil vom Kuchen nur wächst, wenn ich selber zu seinem Wachstum beitrage, wenn eine Institution
also als gemeinsame Sache gesehen wird, dann sind viele Probleme, die mit Qualitätssicherung und -steigerung zusammenhängen, im Ansatz bereits gelöst. Und um dieses Gefühl von social ownership zu erreichen, darf ein von einer einzelnen Gruppe entwickeltes Modell zur Qualitätssicherung den anderen nicht aufgedrückt werden. Vielmehr sollten stattdessen Vorschläge gemacht werden, die im Plenum auf ihre Gültigkeit geprüft und je nach Reaktion angepasst und weiterentwickelt werden. Dies allein erfordert bereits von jedem Einzelnen die Bereitschaft, über solche Themen zu diskutieren und seine Anliegen mit einzubringen. Mit der Aufgabe, diese Bereitschaft zu fördern, befasst sich am HyperWerk unter anderem die Arbeitsgruppe, die die strategische Stossrichtung «Erkennbarkeit des HyperWerks nach innen und aussen» angeht. Darüber hinaus empfinde ich diese Arbeitsgruppe als eine Art Dreh- und Angelpunkt unter den anderen strategischen Stossrichtungen unserer Qualitätsmassnahmen, denn sie befasst sich mit allen Arten der Kommunikation von HyperWerk, wovon auch die anderen Arbeitsgruppen betroffen sind. Die Erkennbarkeit eines Instituts mit einer solchen Vielfalt wie HyperWerk nach aussen zu fördern, ist bestimmt keine leichte Aufgabe, doch bin ich überzeugt davon, dass wir dies mit den von uns skizzierten Massnahmen erreichen können. Genauso schwierig wird es sein, die einzelnen Prozesse, die jedes Mitglied am Institut selbst und mit seinen Projekten durchläuft, für die anderen zugänglich und verständlich zu machen. Doch wird das HyperWerk als ein Projekt des social ownership verstanden, ist bereits ein grosser Schritt in diese Richtung getan.
Fabian Zähner
HyperQualität 6 Mit den Qualitätsmassnahmen zur Sicherung der Nachhaltigkeit unserer Strukturen wollen wir bewirken, dass unsere strategischen Massnahmen und jahresthematischen Auseinandersetzungen praktische Auswirkungen zeigen, die unseren bisherigen Rahmen der Bildungsarbeit zu erweitern vermögen. Dadurch sollen unsere relevanten Projektansätze zum Tragen kommen und HyperWerk als vorbildliches Bildungsexperiment im öffentlichen Bewusstsein verankert werden. Hausclaim der Prozessgestaltung Insbesondere soll die Zone des herkömmlicherweise als schwierig verstandenen Übergangs zwischen Hochschule und Wirtschaft als Hausclaim der Prozessgestaltung abgesteckt und öffentlich sichtbar besetzt werden. Wir meinen, dass das mittelfristig optimale strategische Verhalten von Hochschulen und Unternehmen durch das kreative Vibrato dieser Zone gekennzeichnet sein wird. In diesem Übergang gibt es frische Ideen, Ausrüstung, Fachwissen, Zugriffsmöglichkeiten auf engagierte Gratisarbeit und Experimentierlust.
nen Agenturpark zu verwandeln. Unsere Alumni, Partnerinstitute und Wirtschaftspartner sollen bei uns Gastrecht geniessen. Es geht also darum, das vielbeklagte Problem vom schwierigen Übergang zwischen Hochschule und Wirtschaft als den allerbesten Zustand engagierter Denkarbeit überhaupt zu nutzen. Piratencodex Es ist klar, dass solch ein wildes Vorhaben eine besondere Kultur im Umgang mit Freiheit sowie entsprechende Spielregeln und Strukturen braucht — hier geht es um Prozessgestaltung pur. Dieses Regelwerk wollen wir mit dem Jahresthema «select_start» der Dieci entwickeln und ganz praktisch erproben. Massnahmen Einbindung von Plexwerk sowie der Alumnimassnahmen der HGK und der Plattform Senones. Entwurf von juristischen und ökonomischen Spielregeln, Auftrittsformen, Netzwerkstrukturen.
Piratenparadies Solch eine paradiesische Zone sollte man als Jungunternehmerin nach dem Diplom nicht verlassen müssen, sondern sie vielmehr als Piratenbasis nutzen, von wo aus man die goldbeladenen Galeonen der Kreativwirtschaft und der Hochschulen ausrauben kann. Dazu wollen wir Geiseln aus anderen Instituten und Werbeagenturen nehmen, Allianzen schmieden und die Transferzone HyperWerk als eine prototypische Forschungs- und Arbeitsstruktur der Wissensgesellschaft positionieren, die lange noch Bestand haben wird, wenn die engeren Konzepte von Hochschulen und Unternehmen verdrängt sein werden. Konkret haben wir vor, HyperWerk und Plexwerk bis zum Herbst 2010 in einen offeMischa Schaub
Qualit채tsworkshop: Kampf um das Selbstbild
HyperQualität 7 Was ist Qualität im Bildungsbereich? Was ist Qualität am HyperWerk? Im Dezember 2009 wagten wir es, in dieses Wespennest zu stechen und gemeinsam mit drei Mitgliedern des Leitungsteams, einem Vertreter des Mittelbaus, drei Studierenden und zwei Alumnae dieses Thema anzugehen. Wir wollten fundiert darüber sprechen und dazu professionell argumentieren können und führten deshalb einen Workshop zum Thema Qualitätssicherung durch. Dort haben wir schnell begriffen, dass wir bis zu den Wurzeln zurückkehren müssen — bis zur Gründung der HyperStudio AG und des später folgenden Studiengangs HyperWerk, um die Absicht, die dem HyperWerk zugrunde liegt, zu verstehen. Daraus entstanden die von uns formulierten «Werte» von HyperWerk, die «Mission» und die «Vision». Wer an dieser Arbeit nicht beteiligt war, kann sich kaum vorstellen, wie zäh und lange um jedes einzelne Wort und jeden Satz während Tagen gerungen wurde, bis wir zu einem Konsens fanden. Dabei wurde klar, dass jeder und jede ein eigenes Bild vom HyperKosmos hat. Dass wir vor diesem Hintergrund eine gemeinsame Basis finden und auch formulieren konnten, empfinde ich nach wie vor als eine Glanzleistung — und ich bin froh, dabei gewesen zu sein. Das war ein eindrücklicher Prozess! Und dann ging es ans Eingemachte: Wir haben geschaut, was, wo, wann schiefläuft, wo die strukturellen und ressourcenbedingten Ursachen dafür liegen könnten, wo es Verbesserungspotenzial gibt, haben all das notiert und gewichtet und für die Formulierung unserer Werte, Mission und Vision analysiert. Wir entwickelten Massnahmen für die Zukunft und auch solche, die unmittelbar umzusetzen sind. Dabei zeigten sich einige Schwierigkeiten: HyperWerk ist
wie ein Baum gewachsen, hat sich zur Sonne gedreht und dem Wind entgegengestellt. Jetzt aber entstehen Leitplanken, die weitere Entwicklung wird definiert. Das ist für HyperWerk eine neue Erfahrung, geht es doch darum, sich nach selbstverordneten Vorgaben zu richten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind wir dabei, die ersten strategischen Massnahmen umzusetzen. Das geschieht nicht von heute auf morgen. Persönlich ist es mir ein grosses Anliegen, die Erkennbarkeit nach innen und aussen zu erhöhen und das Profil von HyperWerk zu schärfen. Dieser Punkt ist natürlich auch für den von mir initiierten und unterstützten Aufbau der Alumni-Organisation von HyperWerk sehr wichtig. Das Qualitätsprojekt wurde mit grossem Elan im Dezember 2009 gestartet. Es ist ein langfristiges, umfangreiches, manchmal mühsames und vor allem zeitaufwändiges Projekt. Die Gefahr besteht, dass wir durch die immer neuen, immer wichtigen, immer bis vorgestern zu erledigenden, immer brandaktuellen Aufgaben am HyperWerk den von uns eingeschlagenen Weg verlassen. Darauf, dass das nicht geschieht, müssen wir sehr achten, auch wenn es anstrengend ist. Schliesslich haben wir uns selbst darauf verpflichtet, im Dezember 2010 unserem Qualitätscoach vom Kompetenzzentrum Qualitätsmanagement der Berner Fachhochschule, Professor Libero Delucchi, Red’ und Antwort zu stehen und ihm das in diesem Jahr Erreichte vorzustellen. Es wäre doch schön, könnten wir ihm etwas zeigen...
Patricia Käufeler
HyperQualität 8 Wir alle wissen, was Qualität ist. Schliesslich verfügt jede und jeder über Kenntnisse in mindestens einem Gegenstandsbereich, in dem man weiss, was nötig ist, um den Standard zu erfüllen — und wie man dann noch darüber hinausgehen kann, so dass die Sache wirklich rund wird. Nun kommt es darauf an, diese Qualitätsvorstellungen zu übertragen auf die Projekte und Veranstaltungen von HyperWerk; und diese Übertragung geschieht, indem man seine Qualitätsvorstellungen aufschreibt, so dass sie kommunizierbar und diskutierbar werden. Der konkrete Ansatz, bei Workshops und Projekten die Erwartungen davor und die Reflexionen darüber in einem Vorher/Nachher-Bericht zu verdichten und dann mit den Absichten des Dozenten oder Projektleiters abzugleichen, soll das gewährleisten, so dass eine umfassende Qualitätsentwicklung stattfinden kann. Dieses Verfahren nimmt auch die Tatsache ernst, dass Qualität nur aus einer Gemeinschaft heraus entsteht, die immer wieder vergleicht und neu ansetzt. Die grosse Freiheit am HyperWerk braucht Gemeinschaft und einen Kompass, um die Richtung zu bestimmen, sonst ist sie nicht zu fühlen, schlägt um in Stagnation und stiftet Verwirrung. Qualität ist jeweils zu erläutern, so dass die Vorstellungen davon objektiv werden. «Objektiv» einfach in dem Sinn, dass sie erst verschriftet zum Gegenstand der allgemeinen Diskussion werden können. Und dann müsste man sich Zeit für diese Diskussion nehmen und sie konsequent führen. Man würde in Bereiche kommen, wo man einander fragen müsste: «Wie meinst jetzt Du das eigentlich?» Und dann sagen: «Wir müssten mal diesen oder jenen Schlüsselbegriff klären.» Und
das dann machen. Und wir müssten Kritik annehmen, sogar dafür dankbar sein, dass jemand sich die Zeit nimmt und den geistigen Klimmzug macht, offen anzusprechen, wo etwas nicht überzeugt, ohne persönlich zu verletzen. Das gibt es noch immer zu wenig, und gerade hier sind Fingerspitzengefühl, Geduld und eine genaue Sprache unerlässlich. Dieser Gedanke der konstruktiven Kritik führt uns zur Idee vom HyperWerk als crossmedialer Allmende. «Allmende» ist ein Wort für den Gemeinschaftsbesitz eines Dorfes abseits der parzellierten landwirtschaftlichen Nutzfläche, auf welchletzterer die jeweiligen Grundbesitzer ihr eigenes Projekt züchten. Der Boden, auf dem diese Allmende gedeiht, wird bereitet durch Hilfsbereitschaft und Solidarität, zwei Kardinaltugenden nicht nur am HyperWerk, auf die Samuel Franklin auf unserer ersten Vollversammlung hingewiesen hat, als wir unsere Vision, unsere Mission und unsere Werte vorgestellt haben. Ein weiteres Moment der Qualitätsentwicklung könnte die Methode der zeitlichen Begrenzung sein, wie sie Hakans Kinofabrik praktiziert und wie Ronny sie in seiner Werkgruppe-1.0-Idee konzipiert hat: In 48 Stunden erarbeitet eine Projektgruppe ein Produkt und verschafft sich so ein intensives Erlebnis wie auch einen schnellen Überblick über die Erfordernisse des jeweiligen Gegenstandsbereichs. 48 Stunden lang eine Wunderkerze sein.
Ralf Neubauer
HyperQualität 9 HyperWerk verändert sich, muss sich immer verändern. Dieser stete Wandel ist auch der primäre Grund, weshalb ich HyperWerk bis jetzt so unglaublich toll finde. Ich war selbst Studentin im ersten Jahrgang. Indem ich HyperWerk als Alumna und als Mentorin für studentische Projekte begleite, trage ich heute meinen Teil zur Qualitätssicherung bei. Es melden sich sehr viele Studierende bei mir, die Fragen haben, Rat suchen oder einfach begleitet werden möchten. Dazu gehören die Projekte Skateistan, Parzelle 403 und Luftkino. Ich sehe grosses Engagement, staune immer wieder, wozu die Studierenden fähig sind, wenn sie wissen, was sie noch besorgen müssen, an was sie noch weiterarbeiten müssen, wo etwas noch nicht stimmt. Ich bin relativ streng mit ihnen, fordere viel. Ich sage ihnen ganz klar, was mir nicht gefällt. Sehr oft stelle ich aber nur Fragen oder weise sie auf etwas hin, das sie nochmals überdenken könnten: «Stimmt das, was du hier schreibst?» Recherche ist ein wichtiger Punkt. Wie komme ich an Informationen? Wenn dir eine Lehrperson sagt, Google sei nicht alles, nimmst du das auf. Wenn dir das aber jemand sagt, der an der Front ist, glaubst du’s vielleicht noch eher. Zur Recherche gehört aber auch immer das Gespräch; mit Experten und mit solchen, die überhaupt keine Ahnung haben. Wen du fragst, muss abhängig sein davon, was dein Projekt ist, wo du es platzieren willst. Ich zeige verschiedene Wege und Aspekte auf; man muss dann aber für sich selbst entscheiden, welchen man wählt. Oft habe ich Projekte gesehen, von denen die Studierenden meinten, sie seien ein-
malig. Bei genauerem Hinsehen und Recherchieren findet man dann aber mehrere, die gleich ausschauen. In unserer Firma arbeiten wir genauso, auch wir haben einen Mentor. Er ist pensioniert, war sehr erfolgreich, hatte in Zürich eine der grössten Agenturen. Er betreut uns seit Beginn, wir wollten das so, haben bewusst einen Mentor gesucht. Er hat grosse Erfahrung, und ich profitiere als Fünfzigjährige unglaublich von diesem noch älteren Menschen. Dasselbe spüre ich bei den Studierenden, die zu mir kommen. Meine grosse Hoffnung ist, dass sie selbst einmal weitergeben, was sie mit mir erleben. Dass sie Mentoren werden. Ich finde überhaupt, es müsste viel mehr generationenübergreifende Projekte geben. Man soll in allen Bereichen zusammenarbeiten, mit Respekt füreinander. Ich habe einen tiefen Respekt vor den Studierenden, vor den jungen Menschen hier. Von HyperWerk wurde ich letztes Jahr angefragt, das Modul interact! zu leiten. Der Schwerpunkt sollte auf dem Thema Qualitätssicherung liegen. Ich habe Leute aus der Kultur, Technik, Wirtschaft und von der Caritas geholt, um den Studierenden möglichst viele verschiedene Aspekte dieser Thematik zeigen zu können. Für mich persönlich war aber vor allem die Zusammenarbeit mit Alumni wichtig. Ich sehe grosses Potenzial in der stärkeren Einbindung der Alumni ins tägliche HyperGeschäft. Als wir Unos damals fertig waren, wusste ja kein Mensch, was ein Interaktionsleiter sein soll. Ich nenne mich übrigens noch heute viel lieber HyperWerkerin. Ich finde, dieser Titel ist viel stärker. Für mich ist HyperWerker, HyperWerkerin zu sein eine Lebenseinstellung.
Sibylle Schneider
Eine Fotostrecke von Studierenden aus dem zehnten und elften Jahrgang. Dozentenportraits von Lea Baltisberger.
166 - 199 200 - 225
Fotostrecke Dieci | Undici Dozentenportraits
Eliane Vancura (Dieci)
Roland Pavloski (Dieci) | Chantal Eisenhut (Dieci) | Janine Michel {Dieci)
Beni Schmid (Dieci) | Lisa Bomsdorf (Dieci) | Elie Kioutsoukis (Undici)
Felix Schaffert (Undici) | Corinna Kamm端ller (Dieci)
Simon Z체rcher (Dieci) | Patricia K채ufeler (Dieci)
Anna Studer (Undici) | Fabian Frei (Undici) | Fabian Z채hner (Undici)
Yannick Frich (Undici) | Jonas Gschwind (Undici)
Moritz Meier (Undici) | Stefan Kempf (Dieci)
Peter Bichsel (Undici) | Michael Ochmann (Undici) | Aline Carrel (Undici)
Johanna Mehrtens (Undici) | Hakan Cavdar (Undici)
Ronny J채ger (Undici) | Fabian Gartmann (Dieci) | Lea Baltisberger (Undici)
Remo H채berli (Dieci) | Stephan Urech (Dieci)
Carolin Kolb (Dieci) | Samuel Erdmann (Dieci)
Severin Bardill (Undici) | Niculin Barandun (Dieci)
Tian Xia (Dieci) | Joel Sames (Dieci)
Michel Winterberg (Undici) | Lisa Linsin (Undici) | Gianni Horst (Dieci)
Gaspard Weissheimer (Undici) | Dominik Grob (Undici) | Deborah Luethy (Dieci)
Mischa Schaub Ich war Bildhauer, Industriedesigner und Sachbuchautor, und seit zehn Jahren leite ich HyperWerk. Meine aktuelle Rolle weiss ich immer mehr zu schätzen, denn ich kann inzwischen erfahren, was Prozessgestaltung in einem interdisziplinären Team zu leisten vermag. Gegenwärtig scheinen mir die Tage also zu kurz, um all meine Interessen unterzubringen. Da freue ich mich besonders über meine Existenz im HyperWerk, das mir eine Art von parallel verlaufenden Mehrfachleben ermöglicht — hier kann ich Fragen anstossen, zu deren Beantwortung sich fähige und motivierte MitarbeiterInnen finden lassen. Unser Leitungsteam wird zusammen mit mir älter — eine Nachfolgeregelung in die Wege zu leiten, wird in den kommenden Jahren so wichtig werden wie die aktive Mitgestaltung der zukünftigen Campus-Realität, mit deren Umsetzung unser freiheitsliebendes Institut nolens volens rechnen sollte. Da ist es tröstlich, dass wir sogar Lösungen für den kreativen Umgang mit den Konzepten von Bologna zu entwickeln vermochten. — Die räumliche Nähe zu anderen Instituten bietet dem Go-Between HyperWerk beste Chancen, denn wir leben Interdisziplinarität seit Jahren vor. Ebenfalls verfügen wir, nach etlichen Generationen eigener Intranet-Entwicklung, über die Werkzeuge und Rituale zur projektorientierten Zusammenarbeit, die den Erfolg des institutionellen Zusammenschlusses bestimmen werden. Mein Engagement im Umgang mit der absehbaren Zentralisierung der HGK im Campus Dreispitz wird im Ausbau der erst kürzlich mit Plexwerk begonnenen Transferzone zwischen Hochschule und Kreativwirtschaft bestehen. mischa.schaub@fhnw.ch
Catherine Walthard Prof. Catherine Walthard studierte von 1980 bis 1985 am Lehramt für Bildende Kunst an der Schule für Gestaltung Basel (SfG, heute HGK) und am Pädagogischen Institut Basel. 1985 bis 2000 wirkte sie als Lehrerin und Dozentin im Bereich Gestaltung an der SfG am Institut Körper und Kleid (heute Modedesign), am Lehramt für Bildende Kunst (heute Lehrberufe für Gestaltung und Kunst) und in der Videoklasse (heute Institut Kunst). Daneben arbeitete sie freischaffend als Kostümbearbeiterin am Theater Basel (Oper, Ballett, Schauspiel), an der Realisierung von Künstlerausstellungen für die Art Basel und Jurorin in zahlreichen Kunst- und Hochschulkommissionen. 1993 bis 1999 Art-Direktorin der HyperStudio AG, Projektleitung und Design von CD-Roms und Websites für die HyperStudio AG. Seit 1999 Dozentin für den Bereich Design und Mitglied des Leitungsteams am Institut HyperWerk, das sie mit aufgebaut hat. Vorträge, Workshops und Seminare im In- und Ausland. Seit 2005 Recherche und Forschung im Bereich Interkulturelles Design. catherine.walthard@fhnw.ch
Elena Mores Elena Mores hat eine Ausbildung zur kaufmännischen Angestellten absolviert und ging danach ins Ausland, nach Schottland und Frankreich, war Skipperin auf einer Zweimast-Segeljacht im Mittelmeerraum, bekam als Hotelangestellte wieder festen Boden unter den Füssen und betreute anschliessend in Paris und Teheran zwei Jugendliche. Sie wurde, nach einem Zwischenspiel als kaufmännische Angestellte, in Norditalien als Antikschreinerin angelernt und ging dann nach Basel, wo sie erneut im Bereich Administration und Rechnungswesen tätig war, eine Weiterbildung zur Steuersachbearbeiterin abschloss und von 1994 an für HyperStudio arbeitete. Inzwischen leitet Elena Mores die Administration am HyperWerk — und hat seit 1999 eine Tochter: Nina Giorgia Maria. elena.mores@fhnw.ch
Frank Fietzek Nach einem angefangenen (und recht schnell beendeten) Philosophiestudium in Tübingen habe ich Bildende Kunst in Hamburg studiert und bin dann Ende der 80er Jahre mit Begeisterung in den sich gerade etablierenden Bereich der Neuen Medien eingestiegen. Als freier Künstler realisiere ich seitdem interaktive Installationen. 1993 wirkte ich ein Jahr lang mit einem Arbeitsstipendium und arbeitete unter anderem am Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe. Gleichzeitig verbrachte ich zum Broterwerb zunächst viel Zeit am Bildschirm mit den Schwerpunkten Screendesign, Spieleentwicklung und -programmierung. Nachdem ich des nur pixelbezogenen Arbeitens langsam überdrüssig geworden war, begann ich Ende der 90er Jahre damit, interaktive Exponate für Museen und Science-Center zu entwerfen und umzusetzen, arbeite also seitdem wieder vermehrt mit Form und Material. Parallel dazu habe ich als Projektleiter am Labor für Elektronische Medien (LEM) in Hamburg gearbeitet, später als Dozent an der Merzakademie in Stuttgart, am Bauhaus in Weimar und zuletzt als Gastprofessor an der UdK in Berlin im Bereich Industrial Design. Am HyperWerk leite ich die SIGTEC und unterstütze die Umsetzungen von Projekten in allen Bereichen der Technik. Dabei stelle ich verstärkt interaktive Installationen, Mechatronik und Robotik in den Mittelpunkt: Ich sehe hier grosses Potenzial und interessante Herausforderungen — eine enge Kooperation mit der SIGPRO und ihrem Interesse an alternativen Produktionsverfahren ergibt sich dadurch fast von selbst. frank.fietzek@fhnw.ch
Martin Schaffner In den 1980er Jahren Studium der Audiovisuellen Gestaltung an der SfG in Basel. Im Anschluss daran Videomacher — Musikvideos, videobasiertes Setdesign, Ausstellungsdokumentationen, ausstellungsbegleitende Videos. 1989/90 zwei Jahre lang Produktion von Musikvideos und VJing avant la lettre in New York. Zurück in der Schweiz seit 1995 Gestaltung interaktiver Medien am HyperStudio, dann ab 1999 Dozent und Videocoach der ersten Stunde am HyperWerk; daneben kontinuierlich Promoter und Resident DJ in den Clubs Bimbotown I und II, Basel. Aufträge für ART Basel, ART Basel-Miami Beach, Bulgari, Museum Tinguely, Littmann Kulturprojekte, Cathy Sharp Dance Ensemble und viele andere. martin.schaffner@fhnw.ch
Rasso Auberger
Martin Sommer
Geboren wurde ich in Köln, dann mit sechs Jahren — rechtzeitig zur Einschulung — nach Hamburg verpflanzt. Hier folgten gute zwanzig Jahre der Sozialisierung, in deren Verlauf ich Segeln, Fremdsprachen, die Telefonnummern meiner Freunde und andere legale und illegale Vergnügungen erlernte. In einer Ausweichbewegung vor gewissen vaterländischen Pflichten besuchte ich dann in Basel die Bildhauerklasse an der SfG unter der Leitung von Jürg Stäuble und Guido Nussbaum. Zwischen 1989 und 2000 stellte ich in Galerien und öffentlichen Räumen der Region aus, gründete und leitete die Dokumentationsstelle junger Basler Kunstschaffender und gründete eine Familie, die mittlerweile aus drei Kindern verschiedener Mütter und einer wirklichen Partnerin besteht. 2000 wechselte ich aus katastrophalen privaten Gründen zum HyperWerk, was nichts gegen das HW sagen soll. Hier habe ich diverse administrative Aufgaben, unter anderem ein funktionierendes Hard- und Softwarelager zu leiten, die Betreuung des Inhouse-Netzwerks sowie der allgemein zugänglichen Hardware und der verschiedenen räumlichen Strukturen. Ausserdem beantworte ich auch gerne allerlei Fragen zu technischen und gestalterischen Problemen. Mein (meist an-)ständiger Begleiter ist der HyperHund Paco, ein mittlerweile neunjähriger Black British Standard, dessen besondere Begabung im Aufspüren von Wurstbroten, Schwanzwedeln und im charmanten Einfordern von Streicheleinheiten liegt.
Aufgewachsen in Münster und Friedrichshafen (D), machte er zuerst eine Ausbildung zum Koch. Bis 1992 arbeitete er in verschiedenen Anstellungen und selbständig — Restauration und Galerie — in der Gastronomie. 1992 machte er in Freiburg i.Br. eine Ausbildung zum Werbekaufmann und war für verschiedene Verlage und Werbeagenturen tätig. Seit 2003 arbeitet er am HyperWerk.
rasso.auberger@fhnw.ch
martin.sommer@fhnw.ch
Mauro Tammaro In der Region Basel aufgewachsen, absolvierte ich zwischen 1993 und 1997 in der Pharmaindustrie in Basel eine Lehre als Mechaniker. Nach weiteren lehrreichen zweieinhalb Jahren als CNC-Operator und Modellbauer in einer Modellbaumanufaktur arbeitete ich in verschiedenen Bereichen verschiedener Industrien. Im März 2009 wurde ich mit dem Auftrag, Aufbau und Betreuung einer Werkstatt zu übernehmen, ins HyperWerk gelockt. Seit mittlerweile einem Jahr darf ich die kreative, thematische und technische Vielschichtigkeit von HyperWerk miterleben und den technischen Bereich mitgestalten. Dazu gehören der Bau einer 5-Achsen-Fräsmaschine, mit der dreidimensionale Modelle gefräst werden können. In einer aktuellen Auseinandersetzung beschäftige ich mich mit bezahlbarer 3-D-Printing-Technologie, die entworfene Objekte schnell greifbar machen kann oder die Ersatzteile von morgen für defekte Gadgets von gestern liefert. Diese Technologie führt, in einem Hackerspace etwa, zu beschleunigter Umsetzung von Bauteilen. Die in der HyperWerkstatt bereitstehende Technik fordert heraus und verleiht Gestaltungsideen die passenden Flügel. mauro.tammaro@fhnw.ch
Max Spielmann Prof. Max Spielmann ist Dozent und Mitglied im Leitungsteam HyperWerk, zuständig für SIGDOC und audiovisuelle Medien. Arbeitsschwerpunkte: Audiovisuelle Medien als Werkzeuge der Prozessgestaltung in Regionalentwicklung, Konflikttransformation und Entwicklungszusammenarbeit; UNESCOWelterbe und nachhaltige Regionalentwicklung/nachhaltiger Tourismus; Prozessgestaltung in der Regionalentwicklung. Hintergrund: Ursprünglich als Arzt ausgebildet, anschlissend mehrere Jahre Tätigkeit in der Beratung im Gesundheitswesen (sozioökonomische Studien, Mitarbeit bei der Entwicklung eines Diagnostiksystems mit künstlicher Intelligenz, Kommunikationsberatung). Ab 1987 selbständig als Entwickler, Konzepter und Realisator von audiovisuellen und interaktiven Medienproduktionen für Industrie, Kultur, Museen und Ausstellungen. Gleichzeitig freie Musik- und Videoproduktionen. Ab 1994 freier Mitarbeiter bei der HyperStudio AG, seit 1998 Mitaufbau des Institutes HyperWerk. Aktuelle Projekte: Videojournalism NOW! — Aufbau eines internationalen Ausbildungsprogramms im Bereich Community TV und Participative Video. Mitplanung des Informations-, Studien- und Ausstellungszentrums World Nature Forum des UNESCO-Welterbes Schweizer Alpen JungfrauAletsch. Mitkonzeption des Ausstellungsprojekts «metrobasel expo + forum» und Mitarbeit beim Hochschullabor der IBA Basel 2020. max.spielmann@fhnw.ch
Ralf Neubauer Kindheit und Jugend in Plochingen, einer württembergischen Kleinstadt. Nach dem Abitur Aufnahme eines Literaturund Philosophiestudiums an der Universität Tübingen. 1983 bis 1985 Theater- und Schauspielstudium in Eugene, Oregon, USA. Wieder in Tübingen zwei Jahre lang Studententheater, danach Stückverträge am Landestheater Tübingen. Vielfältige Übersetzungsarbeiten, vor allem aus dem Deutschen ins Englische. Seit 1993 Mitarbeiter der Hölderlin-Gesellschaft in Tübingen — verantwortlich für Rezitationen, Lektoratsarbeiten, Übersetzungen, Führungen. Seit 2005 verstärkt am HyperWerk, zuständig für Sprache und Text; Durchführung von Lehrveranstaltungen. Seit 2009 ausserdem Mentor und Dozent am Masterstudio Design der HGK Basel, vor allem in den Vertiefungsrichtungen Conceptual Design und Design Process. ralf.neubauer@fhnw.ch
Regine Halter Prof. Dr. Regine Halter ist Dramaturgin und Dozentin für Medientheorie am HyperWerk HGK FHNW Während meines Studiums der Medienwissenschaft, Philosophie und Politik in Köln war ich in den Medien Theater, Print, Film und TV tätig: als Redaktionsmitglied von «frauen und film», als Drehbuchautorin und Regisseurin für den WDR Köln, als Regieassistentin bei Roberto Ciulli am Schauspiel Köln. Danach war ich Mitglied der Festivalleitung beim Festival Theater der Welt 81 und ging danach zum Schauspiel Frankfurt. Dort arbeitete ich u.a. mit Adolf Dresen, Horst Zankl und Einar Schleef in zahlreichen Theaterproduktionen zusammen. In dieser Zeit war ich auch Dozentin an der Universität Frankfurt/Main. Ab 1988 leitete ich die Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Werkbunds in Frankfurt/Main, konzipierte und realisierte viele Ausstellungen zu Design, Architektur, Raumplanung, führte internationale Symposien und Projekte zur Transformation der Gestaltung im Informationszeitalter durch, war Gründungs- und Leitungsmitglied des Laboratoriums der Zivilisation in Darmstadt (mit Bernd Meurer). Von 1997 an arbeitete ich zeitweise als Forschungsmitarbeiterin für die HyperStudio AG Basel, leitete in Sarajevo das EU-Projekt «The Reconstruction of Bosnian Cities» und wurde 2000 als Dozentin für Medientheorie von HyperWerk engagiert, wo ich auch Mitglied des Leitungsteams bin. 2004 wurde ich zur Professorin FH ernannt. Mehrere Jahre war ich als Co-Präsidentin der Mitwirkungsorganisation der Mitarbeitenden HGK aktiv und habe ab 2007 den Studiengang ‹Masterstudio Design› mit aufgebaut, wo ich heute Mitglied des Masterboards bin und zwei der insgesamt sechs Studienmodule leite. regine.halter@fhnw.ch
Sabine Fischer Prof. Sabine Fischer berät Unternehmen im Einsatz von und Umgang mit Information und ihrer Wertschöpfung in der digitalen Gegenwart. Ihre Leitmotive dabei sind Substanz, Glaubwürdigkeit, Authentizität. Seit 1995 beschäftigt sie sich intensiv mit der Entwicklung und Planung von digitalen Medienformaten, deren Vermarktbarkeit und Prozesswandel. Als Spezialistin für digitale Strategien erforscht sie ungenutzte Potenziale im Kerngeschäft von Unternehmen und entwickelt gemeinsam mit ihnen neue Lösungen und Produkte. Parallel zu ihrer Beratertätigkeit lehrt und forscht sie im Bereich Medienmanagement seit vielen Jahren als Gastprofessorin in Deutschland (Gastprofessorin Universität der Künste Berlin / Universität St. Gallen, Humboldt-Viadrina School of Governance) und in der Schweiz (Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel, Schule für Gestaltung Bern). Sie hat «Transdisziplinäres Management» als Schnittstellenthema im digitalen Markt von Ökonomie und Kreativität, Hochschule und Unternehmen etablieren können. Sabine Fischer moderiert und referiert auf Fachkongressen, gilt als ausgewiesene Online-Expertin mit internationalem Netzwerk und ist Autorin zahlreicher Veröffentlichungen. Ihre Themen sind: Medienstrategien und -entwicklung, Informationsstrategien und -prozesse, Zukunft von Information und digitalen Medien, Idee als logisches Konstrukt, Gestaltung von Innovationsprozessen, Transdisziplinäres Management. s.fischer@hyperwerk.ch
Sibylle Schneider HyperWerkerin der ersten Stunde. Zwei wilde Jahre in Paris 1979/80 haben wohl den Grundstein für mein freiheitliches Denken gelegt. Zurück in der Schweiz Ausbildung als Kunsttherapeutin/Pädagogin. Initiantin verschiedener Kulturprojekte und Leiterin von Kunstworkshops. Während 13 Jahren bei Novartis Basel zuständig für Organisation und Kursleitung Bereich Kunst/Kultur interne Mitarbeiterschulung. Studium am Hyperwerk 1999 bis 2002. Initiantin und Projektleiterin: wisetek — Neue Medien für ältere Menschen. Nach dem Studium Leiterin der Geschäftsstelle des Amts für Kultur des Kantons Basel-Landschaft (2002 bis 2007). Seit 2007 Inhaberin einer Kommunikations- und Projektagentur. Organisation von Kultur- und Bildungsprojekten. Starker Fokus auf generationenübergreifende Projekte, unter anderem wildundweise.ch — für einen lebendigen, zeitgemässen Austausch der Generationen. Dozentin/Referentin zu den Themen: Projektfinanzierung/ Sponsoring, Wissensmanagement, Kommunikation, Umgang mit Medien, Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmertum. Coach und Mentorin von Jungunternehmer/innen und HyperWerk-Studierenden. Gastdozentin und aktive Alumna am HyperWerk. info@projekt-pilot.ch
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Entwerfen, Produzieren, Gebrauchen Wasserf채lle und Spiralen
Entwerfen, Produzieren, Gebrauchen «Prozessgestaltung», «Postindustrial Design», «Interaktionsleitung» — das sind Begriffe, die emblematisch in beinahe jedem Text über das Studium am HyperWerk auftauchen. Im folgenden Beitrag wird es vor allem um Prozessgestaltung gehen (die richtiger, aber weniger anschaulich kommunizierbar, prozessuale Gestaltung heisst), wobei der Stellenwert von Interaktion — in welchen Konstellationen auch immer — und insbesondere der Zusammenhang zum postindustriellen Designverständnis hoffentlich deutlich wird. Im Titel dieses Beitrages wird bereits angedeutet, worin die wesentliche Qualität von Prozessgestaltung bestehen soll, nämlich in der Aufhebung der herkömmlichen Trennung von Entwerfen, Produzieren und Gebrauchen. Stattdessen — das folgt daraus — denkt Prozessgestaltung alle drei Felder als Bereiche des gestalterischen Handelns zusammen. Die traditionelle, in der Regel auch weiterhin existierende Trennung dieser Bereiche ist dabei ebenso industriegesellschaftliches Erbe wie das produktfixierte Verständnis von Gestaltung. Um der Frage nachzugehen, auf welche Weise sich ein postindustrielles Designverständnis durch prozessuale Gestaltungsstrategien der Veränderung industriegesellschaftlicher Verhältnisse annehmen kann, wäre ein Blick zurück auf ebendiese Verhältnisse durchaus von Vorteil. Nicht zuletzt ergeben sich daraus auch wichtige inhaltliche Hinweise für alle diejenigen, die sich erst einmal und ganz grundsätzlich, manchmal am Rande der Verzweiflung fragen, was denn postindustrielles Design überhaupt sein soll. Immerhin ist der Begriff «Industriedesign» an eine konkrete gesellschaftliche Institution — die Industrie — und an den ästhetischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Ausdruck einer ganzen Ära gebunden. Aber hat man je von einer «Postindustrie»
gehört? Dem assoziativ-spontanen Verständnis dessen, was mit postindustriellem Design gemeint ist, sind also einige Hindernisse in den Weg gelegt, die sich vor allem aus der Bildhaftigkeit, die die Industriegesellschaft und das Industriedesign nach wie vor für uns haben, ergeben — eine Bildhaftigkeit oder Anschaulichkeit, wie sie dem postindustriellen Design oder gar dem Postindustriellen vollkommen abgeht. Um den Übergang vom (produktfixierten) Industriedesign zum (prozessualen) postindustriellen Design verstehen zu können, wäre es also wichtig, sich hier zunächst von der Ebene der Anschauung zu lösen und sich stattdessen vor allem den strukturellen Eigenschaften einer industriellen Produktionsweise zuzuwenden, die unser Denken und Handeln weiterhin stark beeinflusst — auch wenn sich die gesellschaftliche Realität längst radikal verändert hat. Einige der wesentlichen Prinzipien der Industriegesellschaft im 19. und auch noch im 20. Jahrhundert bestanden in der für die Massenproduktion unverzichtbaren Typisierung und Modularisierung von Produkten sowie in der Taylorisierung und hochgradigen Ausdifferenzierung arbeitsteilig organisierter Produktionsabläufe — dies alles im Interesse grösstmöglicher Effizienzsteigerung und Rentabilität. Damit waren zugleich die Voraussetzungen gegeben, unter denen das industrielle Gestalten — eine der wichtigsten Neuformierungen bestand in der Entwicklung des Industriedesign — die herkömmlichen kunsthandwerklichen und kunstakademischen Gestaltungsvorstellungen grundlegend veränderte. Sämtliche gestalterischen Aktivitäten waren auf einen einzigen Zweck gerichtet, der im Produkt und seiner Adaptionsfähigkeit auf die industrielle Massenproduktion
bestand. Die mit der Industriegesellschaft zur Hochform aufgelaufene und dort systemnotwendige Arbeitsteiligkeit zwischen Entwurf (zugerichtet auf das Produkt), Produkt (als massenhaft produzierbares) und Gebrauch (im Sinne von Konsum und Verbrauch des Produkts) spiegelt sich noch heute in Ausbildung und Gesellschaft im voneinander getrennten Verständnis von Entwurf, Produkt und Gebrauch. Die Bedingungen, die das Entstehen solcher Trennungen begünstigten und legitimierten, haben sich indes mit der Entwicklung der Informationstechnologien radikal verändert. Entstanden sind nicht allein veränderte Organisationsformen der Arbeit. Es werden damit zugleich auch die Möglichkeiten eröffnet, Entwurf, Produkt und Gebrauch als integrierte, im Verständnis von Gestaltung nicht trennbare Bereiche neu zu verstehen und umzusetzen. Dieses integrierte Verständnis gestalterischen Handelns ist inzwischen mehr denn je gefordert, wenn die aktuellen gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Konflikte und Problemlagen angegangen werden sollen. Weder treten sie disziplinär verkürzt auf, noch können sie in dieser Begrenzung verstanden werden. Sie sind industriegesellschaftlich (mit-)verursacht, lassen sich jedoch mit den institutionell konservierten Werten, Denkweisen und Vorstellungen der Industriegesellschaft nicht angehen oder gar lösen. Ganz gewiss können diese Probleme nicht oder nicht allein durch Gestaltung überwunden werden, aber Gestaltung ist ein wichtiger kultureller Austragungsort damit verbundener Auseinandersetzungen. Eine inzwischen gängige Form gestalterischer ‹Modernisierung›, vor allem in der Ausbildung, ist der Anspruch auf Interdisziplinarität, der mit der Intention verbunden wird,
die Grenzen zwischen einzelnen Disziplinen aufzubrechen, um so zu neuen gestalterischen Ergebnissen zu gelangen. Tatsächlich jedoch stellt sich dabei und bei näherer Betrachtung nur allzu oft heraus, dass damit eine bloss additive Praxis von Disziplinarität im Sinne des «come together» verbunden ist. Wenn jedoch das traditionelle Verständnis von Gestaltung nach wie vor einer grundlegenden Revision bedarf, dann kann sich diese nicht in der Organisation von Interdisziplinarität erschöpfen, sondern müsste ein verändertes Verständnis von Gestaltung zunächst einmal interdisziplinär erst entwickeln. Kurz gesagt: Es geht dabei nie in erster Linie um Quantität. Auch ein Einzelner kann interdisziplinär denken, handeln, gestalten. Die Diagnose aktueller zivilisatorischer Konflikte und insbesondere auch ökologischer Probleme erzeugt zugleich eine Schwerpunktverlagerung in der Trias ‹Entwerfen, Erzeugen und Gebrauchen›. Sie rückt den Gebrauch unserer Lebenswelt in den Vordergrund, der mit gestalterischen Strategien beeinflusst wird, positiv wie negativ. Damit einher geht die Anerkennung der unumstösslichen Tatsache, dass wir unsere Lebenswelt verändern, indem — und vor allem: wie — wir sie gebrauchen. So betrachtet werden Zusammenhänge und damit gestalterische Strategien sichtbar, in denen das getrennte Verständnis von Entwurf, Produkt, Gebrauch nicht aufrechtzuerhalten ist. Der Philosoph und Sozialkritiker Cornelius Castoriadis hat den damit einhergehenden Perspektivenwechsel so formuliert: «Der Entwurf ist die Absicht einer Veränderung des Realen, geleitet von einer Vorstellung vom Sinn dieser Veränderung, orientiert an den tatsächlichen Bedingungen, und bestrebt, eine Aktivität in Gang zu setzen.» Entwurf und
Gebrauch sind zusammen zu sehen; das Produkt dagegen verliert seine prominente und bisher ultimative Einzelstellung im gestalterischen Diskurs. Im herkömmlichen Verständnis noch mit dem Anspruch definiert, als ‹Problemlösung› zu funktionieren bzw. funktionieren zu müssen, wird es jetzt zum Vermittler des gestalterischen Entwurfs vom Gebrauch unserer Lebenswelt. Zugleich verlässt diese Sicht auch den auf den bloss passiven Gebrauch reduzierten Benutzer von Objekten, Strukturen etc. Stattdessen verbindet sich damit der Anspruch der bewussten Aneignung von Welt durch ihren Gebrauch. Eine Veränderung des tradierten, auf die Mühelosigkeit des Verbrauchens eingeengten Verständnisses vom Gebrauch ist damit um Kommunikation/ Interaktion erweitert. Wenn die Potenziale der Informationsgesellschaft gestalterisch aufgenommen werden, dann beschränken sich diese also nicht allein auf die Optimierung von Produktions- oder Entwurfsprozessen, sondern nutzen diese Potenziale zur Verknüpfung von Gebrauch und Kommunikation als Strategien gestalterischen Handelns. Ein Experiment der ressortübergreifenden, quer durch alle Disziplinen verlaufenden gestalterischen Praxis stellt sicher das Studium am HyperWerk dar, das sich als ein Studium der Prozessgestaltung versteht. Was damit gemeint ist, wird von den verschiedenen am HyperWerk tätigen Individuen von ebenso vielen unterschiedlichen Aspekten her untersucht. Es gibt also kein Dogma, das soll damit gesagt sein, wohl aber einige unveräusserliche Aspekte und Überlegungen, auf die hier zum Abschluss kurz eingegangen werden soll.
Ereignis an Ereignis reiht, sondern vor allem als ein Gestaltungskonzept gesehen wird, das auf Prozesse, deren Teil wir sind, Einfluss nimmt und in diese verändernd eingreift, dann ist das Verständnis von Prozessgestaltung an die weiter oben gemachten Ausführungen gebunden: Sie führt Gebrauchen und Entwerfen und Erzeugen zusammen. Die Methode der prozessualen Gestaltung indes entspricht der gesellschaftlichen Lage, in der wir uns befinden: Wir sind alle unentrinnbar mit automatischen Prozessen verschaltet. Und wie immer bestimmt die Lage die Methode. Denn schliesslich sind es heute — es sollte sich inzwischen herumgesprochen haben — die Informationen, auf denen unser Leben, Arbeiten, Wirtschaften beruht und durch die Prozesse gelenkt und gestaltet werden, nicht mehr das singuläre, mühelos zu gebrauchende Produkt. Wenn am HyperWerk also darauf Wert gelegt wird, dass die Projektarbeit der Studierenden stets in Verbindung zur ‹Aussenwelt› — sprich zu Personen und Institutionen des gesellschaftlichen Lebens ausserhalb der Ausbildung oder auch nur ausserhalb des Instituts HyperWerk — stattfindet, dann ist dies der Tatsache geschuldet, dass Prozessgestaltung in der Verbindung von Produktions- und Versuchsstätte, in der Verbindung von reflexiver und pragmatisch handelnder Instanz gesehen wird. Es geht am Ende nicht um Modelle, sondern um Eingriffe in unseren Alltag, entwickelt im Massstab 1:1, die als reale Einwürfe zur Diskussion stehen.
Wenn sich das Verständnis von Prozessgestaltung nicht allein auf ein Verständnis von Prozessen reduziert, in denen sich Regine Halter
Wasserfälle und Spiralen Am Beispiel von Anwendungsentwicklung in der Informatik lassen sich das Projektmanagement des Entwurfs und das der Produktion in typisierten Vorgehensmodellen gemeinsam abbilden. Aufgabe dieser angepassten Vorgehensmodelle ist eine übersichtliche Gestaltung der Softwareentwicklung und damit eine optimale Beherrschung komplexer Zusammenhänge. Die professionelle Realisierung einer Applikation ist nur mit einem Plan — dem Vorgehensmodell zur Entwicklung von Software — möglich.
Vorgaben und Definitionen im Vorgehensmodell verlangen eine klare Strukturierung der einzelnen Phasen. Eine projektbegleitende Dokumentation ist notwendig, um den Ablauf des Projektes nachvollziehen zu können. Dieses Vorgehen erlaubt eine personenunabhängige Realisierung und bildet die Grundlage für die Koordination von Arbeitsgruppen. Je detaillierter die einzelnen Arbeitsschritte unterteilt sind und je standardisierter Funktionstests deklariert sind, desto früher ist eine Fehlererkennung möglich.
Vorgehensmodelle trennen die Phasen der Anwendungsentwicklung voneinander. Die einzelnen Schritte werden dann entsprechend dem Modell durchlaufen. Die jeweiligen Vorgehensmodelle unterscheiden sich massgeblich in ihrer Detailliertheit. Beim Software-Entwicklungsprozess stossen wir auf zwei etablierte Modelle: das Wasserfallmodell und das Spiralmodell.
Software fehlerfrei auf dem Markt einzuführen, ist in der Realität praktisch unmöglich. Fehlererkennung und klare Vorgehensweisen zur Optimierung des Produkts vor, während und nach der Einführung der Applikation spielen dabei stets eine zentrale Rolle im Entwicklungsprozess.
Das Wasserfallmodell folgt einer geradlinigen Abfolge einzelner Phasen, welche sind: Initialisierung — Analyse — Entwurf — Realisierung — Einführung — Nutzung. Änderungen innerhalb der einzelnen Phasen sind nur bedingt möglich, so dass man vorangehende Phasen kaum überspringen kann. Das iterativ-generative Spiralmodell wiederholt diese einzelnen Phasen in mehreren Durchläufen und ermöglicht Verfeinerungen bei jedem erneuten Durchlauf. Prototyping findet jeweils immer nach Durchlaufen aller Arbeitsschritte und einer daraus resultierenden Risikoanalyse statt, und zwar bis hin zum betriebsfähigen Prototypen, der nach seiner Implementierung vom Endbenutzer angewendet wird.
Die Umsetzung eines Vorgehensmodells spaltet alle Aufgaben stark auf und erhöht den Aufwand der Organisationsleitung um ein Vielfaches. Alle Projektmitglieder sind angehalten, ihr Vorwissen als Voraussetzung gemeinsamer Arbeit konsequent einzubringen und ebenso konsequent logisch zu denken. Die Softwareentwicklung ist also massgeblich von der Einsicht geprägt, dass die Qualität der entwickelten Applikation schlussendlich von jedem Projektmitglied abhängig ist.
Peter Bichsel
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Ballonschweissmaschine Drehbank Fünfachsfräse Lasercutter Plasmacutter Senones-Router Solidprinter — 3-D-Drucker Styroporcutter Tiefziehmaschine
Ballonschweissmaschine Die Entwicklung einer Ballonschweissmaschine zeigt auf idealtypische Weise unseren Umgang mit Technik und Technologie: Wir wollen mit der Ballonschweissmaschine ein Demonstrationssystem entwickeln, um damit unser Plexwerk-Forschungsfeld der inszenierten Sofortproduktion auf vergnügliche Weise präsentieren zu können. Dazu orientieren wir uns an den bekannten JahrmarktsZuckerwattemaschinen, mit denen jemand vor dem staunenden kindlichen Publikum mit einer spektakulären Produktion auftreten kann. Mit einer feinen Kugelkette, die unser Wunschkunde, das Kind, beispielsweise zu einer Tierkontur auf einer Tischplatte auslegt, kann die Dateneingabe intuitiv stattfinden. Durch Sensoren im Tisch wird diese Kontur erfasst und zum Schweissgerät übertragen. Der Ballon soll während einer Minute geschweisst, ausgeschnitten und aufgeblasen werden. Man könnte mit der Ballonschweissmaschine Schriftballons herstellen, die direkt von der etwa 500 Meter langen Folienrolle kontinuierlich als zepellinförmige Textbotschaften in den Himmel steigen. Auch liessen sich Rheinschwimmsäcke wie der bekannte Wickelfisch live nach Kundenwunsch produzieren, was dieses beliebte Sportaccessoire, das gegenwärtig in eindrücklichen Auflagen verkauft wird, in neuer Form aufwerten würde. Mit diesen Vorstellungen sind wir im September 09 auf das Institut für Kunststofftechnik der FHNW zugegangen und haben einen ersten Prototypen bauen lassen, der in unserer Werkstatt modifiziert wurde. Unterdessen unterstützt uns das Institut für Steuerungstechnik der FHNW bei der Umsetzung des Eingabeinterface, und mit der Firma Swiss-Sonics sind wir eine offene Forschungskooperation eingegangen. Demnächst werden wir hoffentlich einen Ultraschall-Schweisskopf dieser Firma in unsere Maschine einbauen können.
Drehbank Seltsam berührt, liessen wir uns verleiten, auf ricardo.ch Klassiker des schweizerischen Maschinenbaus zusammenzukaufen, so auch unsere Schäublin-Drehbank und eine Fräse F3 von Aciera. Diese Zeugen vorgestriger Technologie werden dort oft zu Spottpreisen angeboten, und in der Metallschublade für die Maschinenschlüssel und Werkzeuge findet sich dann auch noch das ölverschmierte Original der mit Schreibmaschine verfassten Bedienungsanleitung. Ursprünglich wollten wir diese Maschinen mit Digitaltechnologie aufrüsten, um somit ein etwas pathetisches Monument unseres alternativen Technologieverständnisses zu errichten. Allerdings haben sich dann diese Maschinen in ihrer aktuellen, analogen Form als derart nützlich erwiesen in unserer Schulwerkstatt, dass wir diese Absicht fallen liessen. Und täglich freuen wir uns an ihrer zeitgemässen Anmutung mit Steampunk-Touch — dieser Look bildet ein Spannungsfeld vergleichbar demjenigen, das wir bereits durch die Beheimatung unseres technologielastigen Instituts in einer Barockvilla geniessen.
Fünfachsfräse Die 5-Achsen-CNC-Maschine wurde nach dem Bauplan von Doughty Drive gebaut. Der Aufbau der CNC-Maschine lässt sich in zwei Hauptgruppen einteilen: zum einen in den mechanischen Teil, mit Maschinenrahmen, Achsführung und Achsenantrieben sowie in den Mach3-CNC-steuerelektronischen Bereich mit Servosteuerung und Spindelantrieb. In der projektbezogenen Auseinandersetzung mit dem Zusammenspiel von präziser Mechanik und Elektrotechnik wird ein Grundlagenverständnis geschaffen, das auf viele mechatronische Bauformen übertragbar ist. Mit dieser 5-Achsen-CNC-Maschine wird eine weitere Fertigungsmöglichkeit für dreidimensionale Objekten geschaffen, die aus vorwiegend weichen Werkstoffen bestehen.
Lasercutter Unter allen unseren Maschinen geht der Publikumspreis ganz klar an einen Lasercutter im A0-Format, den wir vor etwa vier Jahren für 5’000 US-$ in Hongkong gekauft haben. Fast täglich gehen Anfragen aus anderen Instituten, von Architekturbüros und Werbeagenturen und sogar aus der ETH (!) bei uns ein. 2007 haben wir damit Hunderte von Schrifttafeln im Plakatformat ausgeschnitten und eine Ausstellung an der Ars Electronica bestritten. Seither hat sich eine ganze Generation von HyperWerkerInnen in intensiven Workshops mit dem Potenzial generativer Gestaltung befasst und unseren Lasercutter als rasches und praktisches Ausgabegerät genutzt. Für diese Experimente haben wir palettenweise Wellkarton eingekauft, der sich als wunderbares Material für den ökologisch vertretbaren Modellbau erwiesen hat. Doch die unsichtbare Gewalt dieser Maschine ist gefährlich. So beachteten wir zu Beginn kaum, dass die Wahl der zu bearbeitenden Materialien existenziell bedeutsam werden kann; erst als wir einen toten Vogel direkt unter dem Abzug der Laserventilation gefunden hatten, wussten wir, dass aus heissem PVC Dioxin werden kann. Den Vogel haben wir im Garten begraben — unsere Entschuldigung hat er nicht mehr angenommen. Heute morgen nun haben wir eine Verpflichtung zur Unterstützung eines neuen Open-Source-Projekts zum Bau eines 100 Watt starken Lasercutters unterschrieben. Denn auch wir träumen davon, endlich mal einen wirklich zuverlässigen Cutter zu besitzen, den man auch selber reparieren kann. Die Projektanbieter suchen jetzt noch via kickstarter.com Geld für ihr Vorhaben — und wer jetzt kickstarter.com noch nicht kennt, möge das schleunigst ändern.
Plasmacutter Es scheint befremdlich, dass diese Maschine, mit welcher man bis zu 15 mm dicke Stahlplatten zerschneiden kann, nahezu ein ganzes Jahr bei uns ungenutzt herumgestanden ist, weil aus einem im Nachhinein unerfindlichen gruppendynamischen Geschehen die Überzeugung in unserem Institut aufkam, dass diese Maschine einfach nicht funktionieren würde. Erst als wir sie frustriert in die USA zurückschicken wollten, sahen wir uns gezwungen, dem amerikanischen Hersteller eine nachvollziehbare Fehlerbeschreibung zu liefern — et voilà: Das Ding lief. Deshalb kommen wir erst in den nächsten Wochen dazu, mit dieser computergesteuerten Wundermaschine für Panzerknacker erste Gestaltungsexperimente durchzuführen. Dazu gibt es wunderbare CAD-Funktionen, die automatisch komplexe Körper in Blechabwicklungen umrechnen können — ein wahrer Traum für jeden Designer. Ursprünglich haben wir den Plasmacutter gekauft, um damit rasch leichte Bauteile aus Aluminiumblechen für unsere Experimente zur Robotik herstellen zu können — unterdessen haben wir uns die dazu benötigten Kompetenzen angeeignet: nun können wir unsere eigenen Platinen entwerfen und in Masse produzieren lassen, die darauf verbauten Mikroprozessoren programmieren und damit die in China kostengünstig eingekauften Servomotoren ansteuern. Das Arbeitsfeld ist also bestens vorbereitet für unsere kommende studentische Generation der Dodici.
Senones-Router Normalerweise erhofft man sich ja von einer Maschine, dass sie einem Arbeit abnimmt, was aber bei unserer blauen Fräsmaschine kaum der Fall war. Daher verbannen wir sie hiermit ins unklare Aufgabenfeld der lehrreichen Auseinandersetzung. Wir hatten uns in diese quasi fabrikneue Maschine verliebt, die in Muttenz im Keller der FHNW seit zehn Jahren vor sich hin schlummerte und deren Elektronik entsprechend veraltet war. Daraufhin fassten wir den Wahnsinnsplan, uns ohne entsprechende Vorkenntnisse ins Abenteuer einer digitalen Aufrüstung zu stürzen, um dieser mechanisch an sich perfekten Maschine zu einem neuen Lebensabschnitt zu verhelfen. In den letzten anderthalb Jahren haben wir viel beim Umbau dieser Maschine gelernt, insbesondere über den Umgang mit der Software Mach3. Unterdessen haben wir uns entschieden, diese zur Steuerung aller unserer eigenen Maschinen zu nutzen. Getragen wird die Entwicklung dieser etwa einhundert Franken teuren Software von einem hervorragenden Team und einer breit gestützten Community von Anwendern. Mach3 ist ein Derivat der Open-Source-Software emc2, was für «enhanced machine controller» steht. Und es läuft bestens mit Hardware wie dem so poetisch benannten Smoothstepper. Und trotzdem müssen wir uns von dieser Maschine vorläufig trennen und sie nach Senones schicken, haben wir doch ein akutes Platzproblem in unserer klitzekleinen Werkstatt. Wir würden gerne mehr Maschinen bauen mit unserem frischen Set an geeigneten Produktionsmitteln, aber dazu müssen wir jetzt den Fortschritt von gestern nach Senones auslagern, wo auch schon unsere erste CNCFräse steht; ein wahrhaft furchterregender chinesischer Router, der sich für skulpturale Arbeiten eignet.
Solidprinter — 3-D-Drucker Eine neue Generation der Technologie zur Druckausgabe dreidimensionaler Objekte liefert den Beweis, dass unterdessen eine offene Entwicklung von Hardware erfolgreicher sein kann als «echte» Firmen. Während ein Parallelinstitut der HGK mit zwei professionellen 3-D-Druckern arbeitet, die jeweils 20’000 Franken gekostet haben, bauen wir uns den zweiten und den dritten Solid-Drucker zusammen, die jeweils weniger als tausend Franken kosten. Und weil wir nicht auf die Materialmagazine der Profimaschine angewiesen sind, wo das Kilogramm ABS-Kunststoff 400 Franken kostet, sondern den gleichen Kunststoff auf dem freien Markt einkaufen können, bezahlen wir nur 30 Franken fürs Kilo. Somit kann unser 3-D-Drucker sehr oft und für unsere Studierenden gratis laufen. Unsere drei 3-D-Drucker stellen unterschiedliche technische Lösungswege dar und bilden somit einen idealen Experimentalraum, den wir nutzen und in dem wir konstruieren können. So erlernt man wohl am besten einen initiativen und innovativen Umgang mit Technologie und Material. Gestalterisch anregend ist auch, dass unsere Open-Source-Hardware eine ganze Reihe von alternativen Materialien zulässt — jüngst haben wir für nur 150 US-$ den Bausatz für einen sogenannten «Frostruder» als Zubehör zum 3-D-Drucker angeschafft. Mit dieser Spezialdüse können jetzt die unterschiedlichsten Materialien für den Modellbau eingesetzt werden — sogar Modelle aus Keramik sind möglich, wie uns Dries Verbruggen, von Unfold aus Brüssel, während der Plexwerk-TransferTagung auf eindrückliche Weise vorführte.
Styroporcutter Als wir einen Hersteller von computergesteuerten Heissdraht-Styroporschneidemaschinen fragten, mit welcher Entwurfssoftware wir denn arbeiten sollten, konnte er uns nur Programme zeigen, wie sie für Schaufensterdekorationsartikel aus Styropor eingesetzt werden. Als wir dann wissen wollten, wie wir denn alle fünf Motoren synchron ansteuern könnten, um etwas komplexere Formen zu erzielen, meinte er bloss: «Aber das kann man sich doch gar nicht vorstellen, was da entstünde, und deshalb versucht das auch keiner.» Nach dieser Auskunft haben wir uns sofort solch eine Maschine gekauft, und jetzt entwickeln wir dafür eine Steuerung, um diese unvorstellbare Geometrie, die in Styroporwürfeln verborgen liegen soll, ans Licht zu bringen. Wir werden eine selbstentwickelte Software zur Ansteuerung der fünf Schrittmotoren einsetzen, die den Heissdraht formgebend durch den Schaumklotz ziehen. Und weil sich solch eine dynamische Bewegungsgeometrie besser über ein zeitabhängiges Medium darstellen lässt als über ein statisches 3-D-Modell, werden wir als Inputmedium Audiodaten verwenden. Dieser Ansatz bietet den zusätzlichen Vorteil, dass ein Kunde beispielsweise seine Lieblingsmelodie singen oder mitbringen kann. Wir splitten dann diese Daten in fünf Soundtracks zur Geometrieerzeugung. Ziel ist, diese Experimente in der Plexwerk-Halle durchzuführen. An der Plexwerktagung konnten wir auch bereits erste Versuche präsentieren. Die Verarbeitung von Styropor ist sehr sauber, erzeugt der Schneidedraht doch keinen Abfall. Ausserdem lassen sich die Entwürfe nach Gebrauch wieder schreddern und zu neuen Klötzen rezyklieren. Deshalb werden wir unsere nächste Diplomausstellung mit diesem Material gestalten.
Tiefziehmaschine Oft bieten gerade die einfachsten Maschinen die besten Anregungen für die Gestaltungsarbeit, da sie nicht abschrecken. Man darf auch mal mit ihnen experimentieren und muss nicht extra einen Techniker um Rat fragen. Jedenfalls hat eine 600 Franken teure Tiefziehmaschine ausgereicht, um unsere Studentin Eliane Vancura zu einer Versuchsreihe mit tiefgezogenen Koffern und Taschen und allen damit einhergehenden Erwägungen einer Firmengründung anzuregen. Bewusst interessieren wir uns in letzter Zeit nur noch für Maschinen, die maximal 10’000 Franken kosten, und idealerweise sehr viel weniger — denn solche Geräte können sich auch unsere Studierenden leisten. Ebenfalls wird die Kostenfrage zu einem entscheidenden Kriterium für nahezu jegliche Entwicklungs- oder Randgruppenarbeit. Dieser Überzeugung lebt beispielsweise die amerikanische Ingenieursschmiede MIT mit ihrem FAB-Lab nach, welches eine computergesteuerte Universalmaschine zum Selbstbau für 400 US-$ Materialkosten entwickelt hat. Hierbei wird eine Politik analog dem Projekt «one laptop per child» verfolgt. Die einfache Anforderung an die technikbeherrschenden Nationen, extrem kostengünstig herstellbare HightechMaschinen zu entwickeln und den ganzen Entwicklungsvorgang mit Nachbauanleitungen transparent zu machen, eröffnet ein ideales Arbeitsfeld für geeignete Hochschulinstitute. Damit wird eine engagierte Umgangsweise mit einer verantwortbaren Technologie eingeübt. Hier kann der interdisziplinäre Hub von HyperWerk wesentliche Verbindungen sichern und Teams aufbauen.
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China Eigendynamik Entwicklungszusammenarbeit Feedback, Iteration, Qualit채t Prozessgestaltung Gr체ne Wiese Notiz aus Indien Inszenierte Sofortproduktion ISP Statt einer Prozessdefinition Prozess und Schwarze Schw채ne
China Der französische Sinologe und Philosoph François Jullien hat 1996 ein Buch mit dem Titel Traité de l’efficacité veröffentlicht, das als Über die Wirksamkeit. Ein Strategietraktat auf Deutsch erschienen ist. Darin stellt Jullien unserer westlichen Methode, Projekte nach vorgefassten Plänen und Modellen schematisch-heroisch gegen alle Widerstände umzusetzen, eine chinesische Herangehens- oder eben besser: Geschehenlassensweise gegenüber, die sich in das, was die Prozessgestalterin vorfindet, in Umstände und Randbedingungen hineinschmiegt und erspürt, was für Kräfte und Tendenzen in welche Richtung ausgenutzt werden können. Immer wieder geht Jullien zwischen den beiden Weltsichten hin und her, so dass zwei geistige Landschaften plastisch werden: die der abendländischen Metaphysik mit ihrem Kontrast zwischen idealem Modell und notwendig unvollkommener Wirklichkeit; und die der taoistischen Prozessstrategie, sich vom Verlauf der Situation tragen zu lassen. Wie das näherhin aussieht — das entfaltet Jullien in einer anspruchsvollen, aber immer fasslichen Sprache, die auch das poetische Bild zur Veranschaulichung des Gedankens einsetzt. Neben Über die Wirksamkeit hat Jullien zum selben Thema noch ein kleineres Buch geschrieben, gewissermassen als Klavierauszug: Vortrag vor Managern über Wirksamkeit und Effizienz in China und im Westen. Beide Bücher sind im Berliner Merve-Verlag erschienen.
Ralf Neubauer
Eigendynamik Beim Thema Prozessgestaltung taucht eine Frage immer wieder auf: Wodurch unterscheidet sich Prozessgestaltung von Projektmanagement? Primär besteht ein Unterschied in der Grundhaltung und, damit verbunden, in der methodischen Herangehensweise. Die Prozessgestaltung versteht den Ablauf von Ereignissen als gestaltbares Geschehen, egal ob es sich um Organisationsprozesse oder gesellschaftliche Prozesse handelt. Der Fokus liegt auf den Dynamiken der Gestaltung. Damit konzentriert sich die Prozessgestaltung auf die Öffnung und die Veränderung von Projektabläufen. Im Projektmanagement werden solche Situationen zumeist als beunruhigend und störend empfunden — Zeit- und Kostenpläne drohen durcheinanderzugeraten, und das Ziel ist in Gefahr, sich zu verschieben. Insofern eignet sich die Prozessgestaltung nicht zum Bau eines Staudamms. Aber die Prozessgestaltung eignet sich sehr wohl für die Lösung all der Fragen rund um den eigentlichen Bau eines Staudamms: Wie gehen wir mit den ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen um? Wie beziehen wir alle Akteure in den Lösungsprozess ein? Dies kann durchaus auch Konsequenzen für den Bau des Staudamms haben. Vielleicht werden ja Stromleitungen und Entlastungsstollen anders gelegt. Prozessgestaltung ist nicht Begleitprogramm, verlangsamt nicht zwangsweise Prozesse, sondern versteht sich zielund lösungsorientiert. Wie können im zeitlichen Verlauf sich ergebende Gestaltungsräume genutzt werden, um gesellschaftlich tragfähigere und nachhaltigere Lösungen zu finden? Die Methodik ist eigentlich immer transdisziplinär. Verschiedene wissenschaftliche und ausserwissenschaftliche Kräfte müssen im Dialog die gestalterischen
Möglichkeiten nutzen und Problemlösungen finden. Nun aber zu unserer eigentlichen, zentralen Frage: Wie ist das Verhältnis von Prozessgestaltung und Eigendynamik zu denken? Die Antwort ist recht einfach: Gestaltbare Momente in komplexen Prozessen sind nicht planbar, sie entstehen eigendynamisch. Sie sind erwartbar, sie können auch unterstützt werden, aber sie entstehen zumeist spontan. Organisationen und Gesellschaften sind in ihrer heutigen Komplexität immer als selbstorganisierende Strukturen zu verstehen. Es entstehen immer Lücken, Verwerfungen werden sichtbar, neue Phänomene treten spontan auf. Hier versucht die Prozessgestaltung, gestaltend zu intervenieren — dies im Bewusstsein, nur einzelne Impulse und Anregungen liefern zu können. Die Lösungsansätze sind immer transdisziplinär: Wie bringen wir alle Akteure an einen Tisch? Wie vermitteln wir zwischen den unterschiedlichen Sprachen und Denkkonzepten? Wie bewegen wir auseinanderdriftende Zielsetzungen aufeinander zu? Unser methodischer Baukasten greift dabei zuerst auf die Erkenntnisse der Gestaltung zurück, hierin speziell auf die Methoden des Entwurfsverhaltens. Dies ist unsere eigene disziplinäre Qualität. Aber auch die Methoden der Sozialforschung, der Medienwissenschaften, der Wirtschaftswissenschaften, der Konflikttransformationsforschung oder der Raumentwicklung sind für uns von Bedeutung. Um ein fruchtbares Verständnis einer vorliegenden Situation zu entwickeln, sind wir auch stark auf die Geschichtswissenschaften und die Geografie angewiesen. Nur mit ihnen verstehen wir den Raum und die Zeit mit ihren Verwerfungen, die zur aktuellen, gestaltbaren Situation geführt haben. Auf dieser Basis beginnt unsere Arbeit für nachhaltige und tragfähige Lösungen. Max Spielmann
Entwicklungszusammenarbeit Im Workshop Videoguide mit Max Spielmann und Christina Karrer, Südafrikakorrespondentin des Schweizer Fernsehens, konkretisierte sich die Idee des Projektes Community TV South Africa (CTVSA) im Kontext von Participative Video. Dabei geht es einerseits um die Ausstattung kleiner lokaler Fernsehstationen mit Equipment, andererseits um die Entwicklung eines interaktiven Lernprogramms, das zur Ausbildung von Fernsehjournalisten wie auch von Workshopleitern eingesetzt werden soll. Südafrika dient uns in diesem Projekt als «Pilotland». Später sollen weitere Länder dazukommen. Im November 2009 reisten drei Studierende nach Johannesburg und Kapstadt, um die Situation vor Ort zu erleben, potenzielle Projektpartner zu treffen und über das Projekt zu informieren. Diese Aufgaben bedeuteten Sprünge ins kalte Wasser. Nach kurzer Vorbereitungszeit auf einmal mit Staatsangestellten und Chefs verschiedener Organisationen an einem Tisch zu sitzen und ihnen in englischer Sprache ein Projekt zu verkaufen, das die eigene Vorstellungskraft übersteigt — das war eine Situation, die mich immer wieder sehr stark forderte. Nach vielen Stunden Arbeit an Projektanträgen, Drehbuchskizzen, Tests und Recherche hat das Projekt im Verlauf der letzten Monate eine massgebliche Kehrtwende genommen. Im Rahmen eines Kurzworkshops mit der PR-Agentur Rod Kommunikation wurde im Mai das ganze Projekt noch einmal in seine Einzelteile zerlegt, um Richtung und Ziele für eine erfolgreiche Umsetzung festzulegen. Neu aufgetretene Fragen und Unklarheiten, die nun intensiv bearbeitet werden müssen, lassen konkrete Massnahmen und Änderungen zu. Die bereits zugesprochene professionelle Unterstützung Gaspard Weissheimer
durch Projektpartner ist die Chance, dieses Projekt erfolgreich im Team zu realisieren. Auch wurde uns bei diesem umfangreichen Vorhaben bewusst, wie wichtig es in der Projektgestaltung ist, eine klare Rollenverteilung vorzunehmen und Etappenziele festzulegen, um strategisch wichtigen Anforderungen genügen zu können. Das Projekt wird ins nächste Studienjahr hinein weitergeführt, so dass ich wieder an Grenzen stossen werde, die mit der Dauer des Projektes hoffentlich seltener werden.
Feedback, Iteration, Qualität Um diesen nicht ganz simplen Zusammenhang von Feedback und Iteration im Prozess zu erläutern, stelle ich ihn dar anhand der Interaktion von zwei Personen, Stefan als Vorgesetztem und Fritz als Untergebenem. Stefan beauftragt Fritz damit, eine Arbeit auszuführen; leider beschreibt er sie so ungenau, dass Fritz scheitern muss. Iteration bedeutet, dass die Prozesshaftigkeit des Ablaufs von den Beteiligten erkannt wird und daher die Möglichkeit gegeben ist, dass sich dieser Prozess genau so oder ähnlich wiederholen kann. Variante 1: Fritz hat den Auftrag entgegengenommen, aber er gibt kein Feedback, sondern scheitert still vor sich hin. Variante 2: Fritz gibt Feedback. Stefan nimmt dieses Feedback entgegen; er erkennt aber nicht, dass sein Vergeben von Arbeitsaufträgen ein sich in verschiedensten Ausprägungen wiederholender Prozess ist. Daher kann er das Potenzial von Fritz’ Rückmeldung nicht vollständig ausnutzen, und Verbesserungen werden nur spontan und sporadisch sichtbar — wenn überhaupt. Variante 3: Fritz gibt Feedback, und Stefan erkennt in diesem Ablauf einen sich wiederholenden Prozess. Nun kann durch systematisches Arbeiten mit diesen beiden Aspekten die Qualität auf das gewünschte Niveau gehoben werden. Aufgrund dieses Beispiels lanciere ich folgende These: In einem Prozess können Feedback und Iteration nur dann ihre volle Wirkung auf die Qualität des Prozesses entfalten, wenn ihre wechselseitige Abhängigkeit erkannt und in alle Überlegungen einbezogen wird. Das sind Aspekte, die mit den Methoden aus meinem Text zu Qualität fruchtbar kombiniert werden können. Fabian Frei
Prozessgestaltung If a visual art genre, then which one? Land Art—since its recognition in 1960 it has re-emerged with new significance within the larger culture and became an investigation of the relationships among art, nature, and community. It integrates dynamics of the physical and virtual world: Google maps transformed our perception of geography, and mobility shifted our sense of space and time. Land Art is about (art-)work done and produced within the aspect that has reflection and action with it. It reflects on our systems and processes of making.—Like Prozessgestaltung at HyperWerk. Reference: Land/Art Panel 2009, Albuquerque Museum, New Mexico, USA
If a writer, then about what would he/she write? Travel writing — one of the oldest travel descriptions was the Odyssey by Homer, epic travel poem written in the 8th century BC. Since the mid-1990s a systematic study of travel literature emerged as a legitimate field of scholarly inquiry. The travel writer experiences and observes. Paul Theroux, travel writer and novelist, about the act of travel writing: «I have always felt that the truth is prophetic, and that if you describe precisely what you see and give it life with your imagination, then what you write ought to have lasting value, no matter what the mood of your prose.» And: «The job of the travel writer is to go far and wide, to make voluminous notes, to tell the truth. There is immense drudgery in the job. But the book ought to live and, if it is truthful, it ought to be prescient without making predictions.»—Like Prozessgestaltung at HyperWerk. Reference: Theroux, Paul, Fresh-Air Fiend. Penguin Books, London 2000.
If an activity, then which form would it take? Walking—to roll or to stroll? The way of the walker or the flâneur? Henry David Thoreau, American author known as the «individualist anarchist», wrote in his 1861 essay «Walking»: «In wildness is the preservation of the world», thus introducing an early notion of hiking around the world and of ecological activism. When combined with technology the <flâneur>, in a more modern version, applies to French photographer Henri Cartier- Bresson (1908-2004), who is considered the father of real-life journalism. His technique was to hold his Leica discreetly low on his chest and keep his eyes aware: «I prowled the streets all day, feeling very strung-up and ready to pounce, ready to <trap> life.» When looking at the mere fact of walking within human bipedalism: «Efficient walking is more complicated than standing. It entails tipping slightly off-balance forward and to the side, and correcting balance with the right timing. In humans, walking is composed of several separate processes: rocking back and forth between feet / pushing with the toe to maintain speed / combined interruption in rocking and ankle twist to turn / shortening and extending the knees to prolong the <forward fall>.» Wikipedia on bipedalism Making the body move, keeping it flowing through the pace —so much walking is refreshing for the brain. —Like Prozessgestaltung at HyperWerk.
Catherine Walthard
Grüne Wiese Das Wort von der grünen Wiese, die man als Unternehmer nach getanem Werk doch bitte zurücklassen solle, ist nach wie vor zu beherzigen. Vor einigen Jahren haben wir es geprägt, um uns gegen die patriachalisch-pathetische Haltung abzugrenzen, derzufolge unsere Unternehmen Bestand haben sollten, weil erst durch ihr Wirken in der Gegenwart die Zukunft gesichert werden könne. Zumindest in unserer Region sollte spätestens seit der Aufdeckung der illegalen Sondermülldeponie Bonfol klar geworden sein, dass eine erfolgreiche Gegenwart manchmal gerade auch die Zukunft belastet. Unser Widerstand gegen solche gängigen Vorstellungen von angeblicher Werterhaltung ist entstanden mit der Abkehr von dem Glauben, zielgerichtete Verbesserungsarbeit wäre leistbar. Dieser kann zwar mit vielen Fallgeschichten belegt werden, beruht aber zumeist auf dem Beobachtungsfehler, nur das Anwendungsfeld einer Verbesserungsleistung in den Blick zu nehmen, ohne dabei die indirekten Folgen dieser Entwicklung sehen zu wollen. Welche Unternehmerin, die durch ihr Engagement Arbeitsplätze schafft, will denn schon hören, dass sie dadurch vergleichbare Situationen anderswo zum Verschwinden bringt? Experten für Entwicklungszusammenarbeit wissen um die Gefahr, dass ein Eingriff sehr rasch sein Gegenteil bewirken kann, was zur Notformel der <Hilfe zur Selbsthilfe> geführt hat, die ihren Widerspruch in sich trägt.
lung>, auf die viele junge Prozessgestalterinnen setzen. Als Institut für Prozessgestaltung wollen wir jedoch das Bewusstsein pflegen, dass Not kein Freipass für Aktionismus sein kann. «Gefahr erkannt, Gefahr gebannt» — dieser Lehrsatz stammt aus dem Handbuch der Bundeswehr und kann der reflektierten Prozessgestaltung keine Maxime sein. Worum kann es also gehen in der Prozessgestaltung? Darum, auch selbst in den gemeinsamen Fluss zu steigen, sich nicht als aussenstehenden Eingreifer misszuverstehen, sondern als mitwirkendes Wesen; nicht mehr zu schreiben, was oft in den Absichtserklärungen unser BewerberInnen steht: «Ich will den Menschen helfen», sondern konsequent auf die Behauptung solch einer distanzierten Position zu verzichten. Wir müssen lernen, anders als die US-Vizepräsidentschaftskandidatin Palin zu argumentieren, deren Wahlkampf-Formel zur Rettung des nationalen Energiehaushalts «Drill, baby, drill!» lautete, was soeben zur bisher grössten Umweltkatastrophe in den USA geführt hat. So rasch wird diese Wiese wohl kaum wieder grün werden. Erst wenn man bereit ist, alle denkbaren Folgen, also auch die unangenehmen Auswirkungen des eigenen Tuns, in seiner Planung zu berücksichtigen, handelt man verantwortlich und nachhaltig.
Doch aufgepasst: Es geht hier nicht darum, aus der Hochschulsituation heraus als Spielverderber Giftpfeile gegen Unternehmerinnen zu verschiessen. Ohne erfolgreiche Wirtschaft gäbe es auch nicht den Freiraum der Hochschulen. Ebenfalls verstehen wir die Hoffnung auf die <Gute HandMischa Schaub
Notiz aus Indien Reich und Arm leben überall in Indien oft unmittelbar nebeneinander; als Tourist könnte man meinen, das sei so, weil der Platz und die Zeit fehlen, oder weil eine Initiative fehlt, um sich anders zu organisieren. Die untere Gesellschaftsschicht träumt dabei nicht vom Lottojackpot, dem Millionengewinn, der die materielle Erfüllung ermöglicht. Religion und Spiritualität spielen eine zentrale Rolle im Alltagsleben. In diesem Kontext ist das Vergleichen von materiellem Wohlstand irrelevant. Das Leben des Normalbürgers dreht sich um das Nächstliegende wie die Rikscha, die Familie, den Beruf oder die Kuh. Ausserhalb der grossen Städte scheint es, als habe die Industrialisierung nie stattgefunden und die Bevölkerung sei aus der Agrargesellschaft direkt in das Informationszeitalter katapultiert worden — der Gegensatz könnte nicht krasser sein! Die Leute kleiden sich traditionell, holen Wasser aus dem Ziehbrunnen, telefonieren gleichzeitig mit dem Mobiltelefon und schauen in der Lehmhütte auf dem Flachbildschirm Satelliten-TV. Indien führt die Statistik mit den meisten Strassenkindern weltweit an. Die Mehrheit der Strassenkinder in Mumbai sind Migranten, die wegen der überregionalen Bedeutung der Stadt aus ganz Indien kommen. Sie gehören zur untersten Gesellschaftsschicht. Die Familien sind sehr kinderreich, die Slums sind dicht besiedelt, und es fehlt an Grundinfrastruktur. Wegen der Armut zuhause sind die Kinder oft gezwungen, auf der Strasse Geld zu verdienen. Es ist notwendig, diese Armutsspirale zu durchbrechen. In zehn Jahren werden zwei Drittel der indischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sein. Wenn es nicht gelingt, diesen jungen Menschen eine sinnvolle Zukunft zu eröffnen, ist es ungewiss, wohin sich die indische Gesellschaft entwickeln wird.
Man könnte sagen, dass Mahatma Gandhi ein Nachhaltigkeitslabor hochzog mit dem Ziel, die unterprivilegierte ländliche Bevölkerung in die Lage zu versetzen, eine bedeutendere Stellung in der Gesellschaft einzunehmen. Er forderte lokale Produktion und Konsumation. Für Gandhi symbolisierte das Spinnrad die Notwendigkeit, persönliche Verantwortung für den Verbrauch zu übernehmen — als ein erster Schritt, um Gerechtigkeit und Freiheit für alle zu erreichen. Auf die Frage, was er von der westlichen Zivilisation halte, gab Gandhi die berühmte Antwort: «Sie wäre eine gute Idee.» Er sagte auch: «Die Erde bietet genug, um jedermanns Bedarf zu befriedigen, doch nicht jedermanns Begierden.» Gandhi war der Ansicht, dass Gier zu Gewalt führe, Gewalt zu Militarismus, Militarismus zu Krieg, und Krieg zur Vernichtung. Seine Philosophie der Gewaltlosigkeit zielte auf die grundlegendste Form menschlicher Aggression: den Appetit auf mehr als den eigenen Anteil. Indiens zentrale Herausforderung besteht darin, Gandhis Geist abermals aufzunehmen und sich mutig eine Zukunft zu entwerfen, die anders ist als unsere westliche Gegenwart.
Stephan Urech
Inszenierte Sofortproduktion ISP Nun haben wir schon über mehrere Jahre hinweg Thesen gewagt zum Zusammenbruch der westeuropäischen Produktionsstrassen im Kontext von Ressourcenverknappung und Globalisierungsdruck. Als Zaubermittel gegen diesen Kollaps hatten wir unser Modell einer Akademie zur Zukunft des Handwerks lanciert, was dann über die letzten Jahre zum Modell einer inszenierten Sofortproduktion ISP erweitert wurde, was man auch als «Instant Spectacular Production» lesen kann. Mit ISP sollten Handwerk, Materialität, Ökologie, Produktion, Konsum und sogar Regionalität in innovative Formen des Gleichgewichts gebracht werden.
Wir setzen uns mit ISP auseinander, weil wir davon fasziniert sind, wie vital die aktuelle Hightech-Szene neue Produktionsformen aus Handwerk und Open-Source entwirft. In diesem kreativen Umfeld wollen wir uns mit ISP auch durch Firmengründungen positionieren.
An solch einem umfassenden Anspruch muss man ja scheitern, und das hätte der hier bekennende Institutsleiter eigentlich wissen sollen. Erst kürzlich haben ihm gute Freunde deutlich zur Vorsicht gegenüber solch überdimensionierten Modellen und Ansprüchen geraten. Sie haben gemeint, wir sollten uns doch mehr auf uns selber besinnen und schauen, ob diese Forschungsrichtung überhaupt für uns stimmig sei, denn besonders in der Forschung komme es zumeist sehr anders als man anfangs gedacht habe.
Kleider: Gürtel, Gurte, T-Shirts, Taschen; Nahrungsmittel: Bonbons, Schokolade, Teigwaren, Brot, frittierte Produkte; Werkstoffe: Keramik, Porzellan, Glas, Beton.
Diese Rückschau und Selbstbesinnung haben wir in den letzten Wochen versucht. Dabei ist uns wieder einmal deutlich geworden, dass die wahre Heimat unseres Instituts schon immer in den Spannungsfeldern zwischen digital und analog, virtuell und anfassbar, Weisskittel und Blaumann gelegen hat — was bereits im Institutsnamen HyperWerk seinen Ausdruck findet, der den HyperLink als das Merkmal des Internet mit Handwerk und Werkstatt verbindet. Auf dieser intuitiven Ebene haben wir fast immer richtig gehandelt, und diese Qualität wollen wir hiermit in einem Mission-Statement ausspielen:
Die folgenden Segmente erscheinen uns als besonders geeignet für einen Einstieg ins ISP-Geschäft, und wir wollen sie durch den Entwurf und Bau eigener ISP-Maschinen wie auch durch deren probeweise Inszenierung in konkreten Verkaufssituationen untersuchen:
Als untersuchenswerte Prozesse erachten wir formgebende Vorgänge wie das Stempeln, Stanzen, Prägen, Pressen und eventuell auch das Walzen. Im Bereich der anpassbaren Formgebung dürften die meisten dieser Prozeduren allerdings nur mit weichen Materialien wie beispielsweise Teig oder Ton funktionieren. Darüber hinaus faszinieren uns gesteuerte Zufallsformen wie das Rieseln, Rollen, Schleudern oder auch das Explodieren.
Mischa Schaub
Statt einer Prozessdefinition Prozess; von lateinisch procedere — voranschreiten, fortgehen, ablaufen. «Prozess» bedeutet also ursprünglich bloss eine lineare Abfolge von Ereignissen. In unserer sich immer stärker vernetzenden Welt wird jedoch die Dimension der Gleichzeitigkeit von Ereignissen und Kontexten immer wichtiger. Ein Prozess hat also Dimensionen: einen Ausgangspunkt, eine zeitliche Erstreckung, mindestens zwei Faktoren/Kräfte, Parallelprozesse, ein Ziel/Produkt. Bei den Prozessen, denen wir unsere Aufmerksamkeit widmen, sind auch noch wir als Beobachter mit im Spiel. Wir erinnern einen Prozess als konkrete, nacheinander gelagerte Erlebnisse; wenn wir den Anderen davon berichten, erzählen wir den Prozess als mehr oder weniger folgerichtige Geschichte, je nach den situativen Erfordernissen der Kommunikation. Der Begriff des Prozesses gelangte im 18. Jahrhundert in den Wissenschaftsdiskurs, nachdem Robert Boyle in den 1660erJahren die antike Vier-Elemente-Lehre endgültig verabschiedet und mit dem Periodensystem der Elemente die moderne Chemie prinzipiell aufgefächert hatte. Daher wurde der Prozessbegriff begleitet von den Begriffen der Reaktion und des Produkts. Seither ist die Welt ein Ensemble verschiedenster feinstofflicher Substanzen, die in unterschiedlichen Geschwindigkeiten miteinander reagieren und entweder organisch einer verborgenen Harmonie gehorchen oder sich in sinnlosen Dissonanzen immer weiter erschöpfen. Inwieweit der menschliche Geist oder gar ein sogenannter freier Wille Einfluss auf diese Selbstorganisation der Welt nehmen kann, ist auf dieser sehr allgemeinen Ebene eine nachrangige Frage.
Die Welt — damit ist nicht bloss unser Blauer Planet, sondern das gesamte Universum gemeint, also alles, wovon wir überhaupt Kenntnis haben — ist demnach ein einziger unabsehbarer Prozess, der unabsehbar viele Subprozesse umfasst, in denen wir uns umtun. Um diese Unabsehbarkeit zu bewältigen, muss man sich die Welt nach Relevanzkriterien in Stücke aufteilen und Rahmen setzen, zur Ein- und gleichzeitigen Ausgrenzung: Was ist wichtig, was gehört dazu, was bleibt aussen vor? Menschen machen das im Rahmen des Sozialisationsprozesses, in dem sie heranwachsen und geformt werden, und demzufolge tun sie es meistens im Blick auf die Gruppe, zu der sie gehören (wollen). Die Identifizierung und Inszenierung von Prozessen funktioniert so wie die Identifizierung und Berücksichtigung von Kontexten und Situationen, nämlich über Fachkenntnisse und ein sich mit wachsender Erfahrung bildendes Urteilsvermögen. Welche Prozesse sind wichtig im Rahmen des Prozesses, der aktuell gestaltet werden muss? Mit welchen weiteren Prozessen berühren sie sich? Welche von diesen können/dürfen/ müssen verändert werden, welche sind unveränderlich? Je weniger konkret man das Ziel formuliert hat, desto eher wird man dem Prozess freien Lauf lassen. Andererseits kann man sich auf den Prozess genau dann besonders gut einlassen, wenn man die bereits vorher absehbaren Möglichkeiten studiert und parat hat. — Die letzten beiden Sätze beschreiben Muster, die manchen Prozessen eigen sind und die sich der Prozessgestalterin mit fortschreitender Erfahrung zeigen.
Ralf Neubauer
Prozess und Schwarze Schwäne Nassim Nicholas Taleb gehört zu den ganz Wenigen, die vor der aktuellen Finanzkrise gewarnt haben. Sein Buch The Black Swan war 2007 erschienen, ein Jahr zuvor. Der Schwarze Schwan ist Talebs Bild für den Einbruch gänzlich unvorhergesehener Ereignisse in bis dahin planmässig ablaufende Prozesse. Taleb weiss, wovon er schreibt: Er entstammt einer syrisch-libanesischen Familie, die mit dem Ausbruch des libanesischen Bürgerkrieges 1975 entwurzelt wurde, nachdem die dort ansässigen Ethnien über tausend Jahre lang friedlich miteinander ausgekommen waren. Er entwickelt seine Weltsicht von solchen Katastrophen — im ursprünglichen Wortsinn Wendepunkten — her, die gar nicht immer negativ sein müssen, und sieht sie als die eigentlichen Taktgeber des Zivilisationsprozesses wie auch des individuellen Lebens. Das Buch ist ein Füllhorn von pointierten kleinen Geschichten über die Welt als Prozessgetümmel; aufgehängt sind sie an scharfsinnigen und verblüffenden Raisonnements, die zeigen, wie wir in unserem Leben und Arbeiten in verschiedenste Denk- und Wahrnehmungsfallen stolpern. Unter anderem deshalb, weil wir bei dem, was uns präsentiert wird, allzuoft nicht mitbedenken, was uns gerade vorenthalten wird — die sogenannten stummen Zeugnisse; und weil alles, was uns hinterher erzählt wird, unwillkürlich und folgerichtig erscheint — in retrospektiver Verzerrung. Taleb ist ein brillanter Erzähler; er versteht sich nicht als Philosoph, sondern als Praktiker, der nicht zum Narren gehalten werden und sich nicht in falschen Sicherheiten wiegen will. Er hat die Hand am Puls der Wirklichkeit, und das Buch gehört auf den Nachttisch der Prozessgestalterin. Den Schwarzen Schwan gibt es mittlerweile auch in deutscher Übersetzung als Taschenbuch bei dtv. Ralf Neubauer
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Intro undwasjetzt Selbstportraits und Diplomprojekte Diplomvisualisierung Studentische Projekte
Intro undwasjetzt undwasjetzt lautete die so pragmatische wie vieldeutige Jahresfrage des neunten Jahrgangs von HyperWerk, der im Herbst 2010 sein Studium abgeschlossen hat. Wir wollen unseren geneigten LeserInnen das folgende Konzeptpapier vom Frühjahr 2009 nicht vorenthalten, das zum Abschluss der Ideenfindungsphase und als gemeinsamer Ausgangspunkt der individuellen Diplomarbeiten formuliert wurde: «Immer mehr» und «nimmermehr», solche Kurzformeln behaupten, eine Gewissheit über das Kommende zu besitzen, während undwasjetzt vorsichtiger bleibt und auch nicht sagt «Es kommt wie es kommt.» oder «Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.» undwasjetzt stellt bekannte Reflexions- und Handlungsräume in Frage. In einer unsicheren und komplexen Gegenwart delegiert undwasjetzt den nächsten Schritt nicht an Andere und macht sich selbst nicht zum Objekt des Geschehens. undwasjetzt fordert die Verantwortung, den Mut und die Phantasie des Einzelnen. undwasjetzt fragt nach Mitteln und Wegen, mit denen der Karren aus dem Dreck gezogen werden kann, ist auf der Suche nach dem Handlungsraum. Da gibt es also den Karren, den Dreck und mindestens ein Bewusstsein, das ein Problem zu formulieren vermag. Doch das Verhältnis zwischen der überfordernden Komplexität des globalen Problemrahmens und den Grenzen des Verstehens droht zum Stillstand zu führen. Wir entwickeln Testfälle, die Möglichkeits- und Reflexionsräume gegenüber der offenen Fragestellung von undwasjetzt eröffnen. Zustände, seien sie institutionell, gesellschaftlich oder alltäglich, werden in Frage gestellt. Wie kann sich dieses
Tun vom simplen Aktionismus abgrenzen? HyperWerk bildet den Rahmen, koordiniert, vermittelt und erarbeitet damit ein relevantes Ganzes. Die Verortung der einzelnen Diplomansätze und der stetige Erfahrungsaustausch erzeugen ein für die Öffentlichkeit schlüssiges Gesamtbild. Systematisch in alle Himmelsrichtungen auszuschwärmen, ist eine bewährte Methode von Bienenvölkern, sich als Gruppe auf die Nahrungssuche zu machen. In vergleichbarer Weise koordiniert der Rahmen von undwasjetzt die beteiligten Projekte. Die Diplomarbeiten von undwasjetzt reagieren auf die von ihnen gewählten Kontexte. Die Frage undwasjetzt wirkt als wichtigster Antrieb der Projekte — immer wieder sollen frische Ansätze vor dem Hintergrund fortschreitender Prozesse gefunden werden. Die provokante, beliebig skalierbare Frage wird so zur Chance. Stationen bei dieser Expedition des Fragens sind: Gäste zur gemeinsamen Auseinandersetzung einladen; gesellschaftliche Kräfte ins eigene Handeln einbinden; die Potenziale der eigenen Handlungsvorschläge aufzeigen. Wie geglückt, mutig und präzise die unterschiedlichen Annäherungen an diesen hohen Anspruch verlaufen sind: Dieses Urteil überlassen wir den externen ProjektpartnerInnen der Diplomierenden, den BesucherInnen unserer Diplomausstellung und Ihnen, den Leserinnen der folgenden Projektberichte.
Mischa Schaub
UND WAS JETZT Selbstportraits und Diplomprojekte
Annina Witschi Looping Brigitte Fässler Spieltrieb Christopher Scott wecook Janos Tedeschi video conflictum Jean-François Gächter reDream Klaus Bernhard NUTZDACH Konrad Sigl Agentur für Raum Martin Fuchs written images Mathias Stich It’s always night Philip Whitfield ganz privat Simon Siegenthaler iguzo Susanne Lindau Berufswahl Jetzt Thomas Brunner cityLove Viviane Andereggen kernwert Diplomvisualisierung
Annina Witschi Zu Beginn lernte ich sehen und sprechen und bald auch laufen — allerdings konnte ich dies am Anfang nur rückwärts. Ich sass meine Zeit ab auf den unterschiedlichen Schulbänken, bis es mir am Wirtschaftsgymnasium eines Tages zu viel wurde. Ich brach aus — aus dem öffentlichen Schulsystem und meinem bisherigen Leben. Doch schon nach zwei Monaten am Fliessband ging es weiter in die nächste Bildungsinstitution. Während der darauf folgenden drei Jahre in der Steiner-Oberstufenschule SuB machte ich diverse Praktika: von Sozialarbeiterin, Lageristin, Grafikerin, Damenschneiderin bis hin zur Innendekorateurin. Daraufhin nahm ich einen Job im Gastgewerbe an und begann, Strassen- und Feuershows zu machen. Zudem engagierte ich mich im Creopolis, einem ehrenamtlich geführten, selbstverwalteten Jugendund Kulturzentrum, das im Herbst 2005 mit dem Förderpreis Schappo ausgezeichnet wurde. So vergingen zwei Jahre, in denen ich verschiedene Kleinprojekte und zwei Ausstellungen durchführte, bis ich mit dem Studium am HyperWerk begann. Seither habe ich mich mit unterschiedlichsten Konzepten, Projekten, Menschen und Maschinen auseinandergesetzt: Nachdem ich mir zu Beginn eher Softwarekenntnisse und grundlegende Programmierfähigkeiten angeeignet hatte,
kehrte ich im Jahr darauf in die Werkstatt zurück, wo ich einen Einstieg ins Drehen und Fräsen bekam, mich mit dem Laser- und dem Plasmacutter anfreundete, das erworbene Know-how für verschiedene Prototypen anwendete und in Tutorials an interessierte Mitstudierende weitergab. Eine neue Welt tat sich für mich auf: Endlich hatte ich die Möglichkeit, alles zu bauen, was mir in den Kopf kam.
— Annina Witschi annina.witschi@students.fhnw.ch — loopingproject.ch
Looping Wie klingen komplexe Bewegungsmuster? Wie visualisiert man einen Adrenalinschub? Und wie viel Strom erzeugt eigentlich ein «wrist spin»? Mit Themen dieser Art beschäftigt sich mein Bachelorprojekt Looping. Fragestellung Welche bespielbaren Installationen oder Prototypen können aus der Verschmelzung herkömmlicher Jonglage-Requisiten mit technologischen Elementen entwickelt werden? Produkt Durch den Aufbau eines wöchentlich stattfindenden Jonglagetreffs als erste Massnahme zu Beginn des Diplomjahres wurde der Grundstein zum Gelingen des Projektes gelegt. Diese Treffen bilden einen fruchtbaren Nährboden zur Entwicklung neuer Ideen und Ansätze sowie ein ideales Feedbacksystem zur Erprobung der entwickelten Prototypen. Aufgrund dieses stetigen Austauschs mit professionellen Artisten und begeisterten Jongleuren verlagerte sich die Zielsetzung bezüglich der Konzeption der Prototypen: weg von den vorab starr gesetzten Vorhaben wie zum Beispiel Musikerzeugung, hin zu design-on-demand-Lösungen, die für bestimmte Personen und Anlässe entwickelt werden. Eine weitere, wichtige Erweiterung des Projekts bestand in der Stromgenerierung durch das Spiel. So wurde es möglich, statt der üblichen Massenprodukte, wie sie im Handel erhältlich sind, massgeschneiderte Entwicklungsprozesse und persönliche Einzelstücke zu entwickeln.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei all jenen bedanken, die mein Diplomvorhaben unterstützten und bei der Umsetzung mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben: Bei Matthias Edel, Mathias Stich, Samuel Franklin für die konstante Hilfe und Ermunterung. Beim Kulturverein Creopolis für die kostenlose Nutzung des Vereinslokals und bei Christian Ziegler von Play4You für die geleistete Unterstützung.
jekte im und ausserhalb von HyperWerk, die ich stets als sehr befruchtend empfunden habe, möchte ich auch weiterhin fortführen mit eigenen Projekten und Mitarbeit oder Assistenz bei Fotografen oder Filmprojekten.
Brigitte Fässler Meine Leidenschaft für Fotografie begann vor über zehn Jahren mit dem Entwickeln von Bildern in der Dunkelkammer. Aufgrund meines breiten Interesses für verschiedene Techniken und Materialien entschied ich mich nach der Diplommittelschule und dem gestalterischen Vorkurs jedoch für das Studium der Lehrberufe für Gestaltung und Kunst an der Hochschule der Künste in Zürich. So kam es, dass ich Werkund Zeichnungslehrerin wurde und Jugendliche mit einer Behinderung in den gestalterischen und handwerklichen Fächern unterrichtete — eine spannende Herausforderung, von der ich viel profitierte. Daneben realisierte ich eigene fotografische Projekte und arbeitete selbständig im Grafikund Webbereich. Nach zwei Jahren suchte ich nach einer neuen Herausforderung, bei der ich mich wieder stärker auf das eigene künstlerische beziehungsweise gestalterische Arbeiten konzentrieren konnte. Das HyperWerk, über das ich dabei per Zufall stolperte, faszinierte mich sogleich durch die offen angelegte Lernkultur und die inhaltliche Breite. Ich legte meinen Fokus hauptsächlich auf Fotografie und das bewegte Bild und konnte dadurch meine Kenntnisse und Kompetenzen vertiefen. Daneben arbeitete ich als Regieassistentin bei einem Theater, wo ich mittlerweile auch die Verantwortung für das Licht übernommen habe. Die Zusammenarbeit mit Anderen während verschiedener Pro-
— Brigitte Fässler info@brigittefaessler.ch — www.brigittefaessler.ch
Spieltrieb Der in der Arbeitswelt stattfindende Paradigmenwechsel — weg von der lebenslangen Festanstellung hin zu diversen Formen der Selbständigkeit und zu projektorientierter Arbeit in temporären Teams — eröffnet ein Spielfeld für neue Arbeitsformen. Spieltrieb erprobt anhand konkreter Projekte in den Bereichen Fotografie, Film und VJing Arbeitsweisen und Formen der Organisation für die Zusammenarbeit von Personen im Kontext loser Netzwerke. Den Fokus bilden interdisziplinäre Teams, die sich durch ein hohes Mass an Kurzfristigkeit, Selbstorganisation und Flexibilität auszeichnen. Wie kann das Potenzial, das aus dem Zusammentreffen der Sichtweisen und Kompetenzen der Teammitglieder resultiert, in den Prozess und in das Produkt einfliessen? Was sind die ausschlaggebenden Voraussetzungen, um einen befriedigenden Arbeitsprozess zu garantieren und qualitativ überzeugende Produkte zu realisieren? Als zentrale Faktoren haben sich Identifikation mit der Tätigkeit, Freude am gemeinsamen Arbeiten, Vertrauen in die Kompetenz der Teammitglieder, persönliches Engagement, respektvolle Zusammenarbeit und Offenheit gegenüber Neuem erwiesen. Diese können durch eine offene Kommunikation, eine frühzeitige Beteiligung des Teams, ein hohes Mass an Selbstbestimmtheit, eine transparente Organisation und Teamstruktur, die Vermittlung einer Vision und das Schaffen gemeinsamer Werte unterstützt werden.
Für die Unterstützung danke ich: Christa Fässler, Kameraspenderin; Christian Jung, externer Coach; Dominique Mischler, Texterin, Sängerin; Gaspard Weissheimer, Fotograf, Grafiker, Projektleiter; Gianni Horst, Konzepter, VJ, Cutter, Installationsprogrammierer; Jonas Mettler, VJ, Querdenker, Grafiker; Mischa Schaub, Diplomcoach; Niculin Barandun, VJ, Cutter, Ideenspinner; Remo Häberli, Konzepter, Musiker, Soundproduzent; Roland Pavloski, Beamerexperte; Samuel Franklin, Querdenker, Ideenspinner; Seraina Keller, Tänzerin; Stefan Kempf, Organisator und Koordinator Visuals Schwellheim; Tommy Heizmann, Konzepter Videoclip; Urs Fässler, Informatiker, Interviewpartner; Yves Sutter, Soundmixer.
Durch mein eher breites als tiefes Wissen sehe ich mich nun in der Position, Menschen zusammenzubringen und Projekte zu managen.
Christopher Scott Schon früh in meinem Leben habe ich mir gewünscht, meine Kreativität mit anderen zu teilen. Die modernen Technologien, die es ermöglichen, Informationen einfach an die ganze Welt zu bringen, faszinierten mich. Ich wollte die Mittel und das Know-how beherrschen, und so fing ich an, mich autodidaktisch im Bereich der Webentwicklung auszubilden. Programmieren und Gestalten, Tüfteln und Erweitern, Scheitern und Begeistern; ich suchte die Herausforderung und begann, mich mit allerlei Software weiterzubilden. So erlernte ich die Grundlagen in der Bildbearbeitung, lernte, wie man in 3-D modelliert, animiert, texturiert und simuliert und kannte schliesslich die Möglichkeiten und Grenzen der digitalen Medien. Danach suchte ich Abwechslung und wollte vom Bildschirm weg; dies gelang mir, indem ich mir eine digitale Kamera anschaffte, eine, die stehende Bilder festhält. Das Fotografieren wurde zu meiner Leidenschaft es bereitet mir Freude, die Bilder in meinem Kopf umzusetzen und mit den Menschen zu teilen. Nun bin ich 24 Jahre alt und studiere am HyperWerk. Ich habe mich mit dem Wissen, das ich gesammelt hatte, eingefügt und versucht, meinen Teil beizutragen, wo ich konnte. Das HyperWerk hat mir geholfen, meine Rolle zu finden, die ich jetzt klar in der Gestaltung von Prozessen sehe.
Nach meinem Abschluss werde ich weiterhin projektorientiert arbeiten, und zwar nach dem Prinzip create-sharesustain. — Christopher Scott christopher.scott@wecook.ch — www.wecook.ch
wecook Motiv In der Ära der Interaktionsmedien, die unsere Gesellschaft zunehmend bestimmen, wird auch immer mehr spürbar, dass die soziale Verknüpfung im Netz die Pflege der realen Kontakte in den Hintergrund rückt. Projekt wecook ist eine Plattform, die es ermöglicht, Essen aller Art anzubieten oder als Gast an ihnen teilzunehmen. wecook bringt die Gäste über Facebook zusammen und nutzt dazu auch bestehende Freundeskreise. Ziel Mit wecook wollen wir Menschen vom Bildschirm zurück zur realen Begegnung führen. Wir sind der Meinung, dass das Internet für eine breite Nutzergruppe ansonsten mühsame Prozesse vereinfachen soll. Deshalb wollen wir mit wecook unterstützend bei der Organisation der Freizeit wirken. Primär richten wir uns an kontaktfreudige Menschen in der Schweiz, wobei die Plattform international nutzbar sein wird. wecook zeichnet sich durch seine Einfachheit aus und bietet dem Nutzer genau das, was es verspricht. Nutzen Das ökonomische und gesellschaftliche Potenzial von wecook ist erheblich — dazu bietet wecook spezifische Konzepte, die vom Fundraising bis zum Produkt — Placement reichen. Leidenschaft und Kreativität kommen beim Kochen zum Tragen. Die Internetgeneration wird also auch dazu angeregt, mehr auf ihre Ernährung zu achten, welche gegenwärtig oft vernachlässigt wird.
Team: Jannik Roth, Co-Founder, Event-Manager; Caspar Frey, Technische Leitung; Tullio Bucher, Kommunikation, Event-Branding; Alice Vollenweider,Texte und Support. Businessplanung: Fabienne Klaas, Wissenschaftlerin; Ann-Lauriene Haag, Nanowissenschaftlerin; Cyril Wiasmitinow, BWL-Student. Interner Coach: Mischa Schaub; Externer Coach: Edgardo Mancini; Support: Dieter Borer, Monica Koch-Spinelli; Partner: Piadina Bar AG, Job Factory, Stiftung Theodora.
Janos D. Tedeschi Die Liebesbeziehung zwischen einer jungen Schweizerin und einem noch jüngeren Sarden gipfelt am 1. September 1983 in der Geburt ihres Sohnes, Janos Tedeschi. Nach einer steinigen Gymnasialzeit und mehreren filmreifen Schulen und Schulwechseln im In-und Ausland folgt Janos endlich seiner Faszination für Musik, Film und Edelsteine, und studiert in Amsterdam, Bangkok und ab 2007 am Institut HyperWerk in Basel. Zusammen mit Christof Schäfer reist Janos ab 2006 mehrmals nach Asien und dreht seinen ersten Dokumentarfilm fürs Kino: No Way To Heaven. Das Faszinierende und manchmal Unheimliche am Medium Video ist die Kraft, mit der es Zuschauer in seinen Bann zieht. Im Rahmen meines Diplomprojektes video conflictum untersuche ich anhand einer Konfliktsituation, wie ebendiese Kraft genutzt werden kann, um Transformationsprozesse auszulösen. Doch die Einsatzmöglichkeiten dieses einzigartigen Mediums sind vielfältig und facettenreich, und so werde ich ab Sommer 2010 gemeinsam mit Christof Schäfer anhand unseres zweiten Kino-Dokumentarfilms «Die Beständigkeit der Dinge» über eine Gruppe von Bettlern in den Strassen von Bombay einen anderen Aspekt dieser Kraft untersuchen und gestalten. Video ist eben mehr als nur bewegte Bilder.
— Janos D. Tedeschi Mobil +41 (0) 77 44 66 99 0 janos.tedeschi@hyperwerk.ch — www.nowaytoheaven.ch
Video conflictum Hintergrund Die gewaltigen Expansionen der Palmölindustrie haben die Dorfgemeinschaft von Teluk Meranti gespalten und einen bisweilen gewalttätigen Konflikt zwischen Gegnern und Befürwortern entfacht. Absicht Das Diplomprojekt video conflictum setzt sich in einem Dorf auf Sumatra, Indonesien, mit den Möglichkeiten von Video auseinander, Konflikte auf eine konstruktive Ebene der Auseinandersetzung zu heben und so zu transformieren. Umsetzung video conflictum untersucht die Psychologie von Interviewsituationen mit Video sowie deren Möglichkeiten zur Konflikttransformation vor Ort und entwickelt methodische Lösungsansätze für ähnliche Vorhaben. Die Erkenntnisse werden in einer gleichnamigen Publikation zusammengefasst und durch Artikel und Interviews mit Fachleuten aus dem Peacebuilding-Bereich ergänzt. Ziel der Publikation ist eine Auseinandersetzung zur Relevanz, zu den Potenzialen und zur Übertragbarkeit des Ansatzes auf andere (Konflikt-) Situationen.
Zu unendlichem Dank verpflichtet bin ich den Bewohnern von Teluk Meranti, ohne deren Offenheit und Vertrauen dieses Projekt nicht durchzuführen gewesen wäre. Grosser Dank geht zudem an Georg Stein (Schweizerische Botschaft Jakarta) für seine Ratschläge in prekären Situationen; Asti Roesle; Prof. Jonotoro für die Hintergrundinformationen; Peter Hislaire (Interpeace) für sein Interesse an meinem Projekt; Reyhart Dumbayan für die Übersetzungen, sowie an Dieter von Blarer und Max Spielmann für ihre Geduld und ihre wertvollen Hinweise.
Der Wunsch, anderen Menschen zu helfen, sowie die Aufmerksamkeit für kleine Dinge, die den Alltag schöner machen, dürften damit zusammenhängen, dass ich nach dem Unfall gelernt habe, das Leben intensiver zu schätzen.
Jean-François Gächter Ich absolvierte 1999 die Matura an der Kantonsschule am Burggraben in St. Gallen. In meiner Freizeit schrieb ich Gedichte, war Mitglied in einer Band und äusserte in Raps meine ganz persönlichen Ansichten. Nach abgeschlossenem Kunst-Vorkurs an der Schule für Gestaltung in Luzern hatte ich geplant, im Herbst 2003 ein Studium am HyperWerk in Basel zu beginnen. Nach einem schweren, unverschuldeten Unfall musste ich dieses Studium leider aufschieben. Erst 2007, vier Jahre später und nach unzähligen Rehabilitationsstunden, konnte ich ans HyperWerk kommen. Ich hatte beim Wiedereinstieg in mein Leben gewisse Schwierigkeiten und bin langsamer als früher. Aber ich habe gemerkt, dass ich heute eine stärkere Kämpfernatur bin und dass mir das hilft, mein Studium zu meistern. In den ersten zwei Jahren konzentrierte ich mich auf das Filmen. Ich realisierte Sequenzen in verschiedenen Genres, zum Beispiel auch Zeichentrickfilme. In meinem Bachelorjahr möchte ich meine soziale Kompetenz sowie meine Erfahrungen als Spitalpatient einbringen. Es ist mein Ziel, Spitäler und Rehabilitationszentren hinsichtlich Wohnlichkeit und Infrastruktur zu optimieren. Der Patient soll dadurch eine höhere Eigenmotivation entwickeln, die wiederum eine verbesserte und schnellere Rehabilitation befördert.
— Jean-François Gächter j.gaechter@redream.ch — www.redream.ch
reDream Vorschläge und Massnahmen zur Ausgestaltung und Optimierung von Spitälern und Rehabilitationszentren Projekt reDream entwickelt Ideen, wie sich Spitalaufenthalte angenehmer gestalten lassen: Wenn sich das allgemeine Befinden der PatientInnen verbessert, dann wird dadurch auch der Genesungsprozess unterstützt. Motivation Während eines längeren Spital- und Rehabilitationsaufenthalts hatte ich selbst Gelegenheit, die «Spitalatmosphäre» auf mich wirken zu lassen. Ich habe deshalb ein Interesse daran, für PatientInnen in ähnlicher Lage angenehmere Rahmenbedingungen und ein besonderes Ambiente zu schaffen. Methode Zur Förderung des Heilungsprozesses werden zeitgemässe Hilfsmittel (Projektionstechniken, Computer, iPads usw.) eingesetzt, die diesen Prozess individuell gestalten können. Bereits bestehende Module in der Patientenbetreuung werden evaluiert. Ich beziehe mich auf Bedürfnisse und Anregungen von Betroffenen und Therapeuten. Erkenntnisse Meine Verbesserungsvorschläge wurden bis jetzt von PatientInnen, TherapeutInnen etc. sehr begrüsst. Trotz der strengen Auflagen der Ethikkommission möchte ich das Projekt reDream nach dem Diplom weiterführen.
Herzlichen Dank meinen Teammitgliedern Patricia Käufeler, Anna Studer, Corinna Kammüller, Aline Carrel, Cyril Jocz, Simon Zürcher, Nicolas Miglioretto, die fleissig mitgearbeitet haben. Ein spezielles Dankeschön geht an meinen internen Coach Mischa Schaub, an all die Rehabilitationsklinikund Spitalfachkräfte, die sich für mein Projekt reDream Zeit genommen und mich mit Ratschlägen unterstützt haben. Und nicht zuletzt einen besonderen Dank an meinen externen Coach Permi Jhooti für ihr grosses Engagement.
die Stunden an japanischen Interviews zu übersetzen. Im Otto-Diplomjahr arbeitete ich bei Hedonoeko und Nomatark mit — beides Projekte, die sich mit ökologischen Themen auseinandersetzten.
Klaus Bernhard Vor dem HyperWerk hatte ich eine Lehre als Elektroniker gemacht. Beim Lehrabschluss war mir schon klar, dass ich nicht für den rein technischen Job gemacht bin. Ich hatte mit Endress & Hauser einen Arbeitgeber, der mich so schnell nicht wieder losliess. Sie gaben mir spannende Jobs, aber nie den des klassischen Elektronikers. 2006 musste ich Zivildienst nachsitzen — so habe ich den Sommer auf der Alp Flix in Graubünden verbracht. In dieser Stille wurde mir klar: Ich will eine Neuorientierung in Richtung Kreativität. Ein «Humanitäres Ökolabel für Unterhaltungselektronik» war mein erstes Vorhaben am HyperWerk. Nach einer ausgiebigen Recherche verwarf ich das Projekt wegen der zu grossen Dimension wieder. Ich kam mit dem faszinierenden Medium Video in Kontakt und absolvierte ein Praktikum am Theater Basel als Videoassistent. Mein Fokus lag nun bei Kameraführung, Videoschnitt und -technik. Danach erhielt ich einen Auftrag für Videoarbeiten zu einer Operninszenierung. Das Diplomjahr der Sette folgte, in dem ich beim Projekt Pingpong von Ines Blank mitarbeitete. Mein etwas naiver Versuch, über das Projekt einen Dokumentarfilm zu machen, scheiterte. Ich hatte den immensen Aufwand unterschätzt,
Mit Ökologie habe ich ein Interesse wiedergefunden, mit dem ich mich intensiver auseinandersetzen werde: Ökologie mit Gestaltung kombinieren, Pionierideen nachgehen und sie eventuell adaptieren. So kam ich auf die Idee für mein Diplomprojekt NUTZDACH, und so soll es nach dem HyperWerk weitergehen.
— Klaus Bernhard klaus@nutzdach.ch — www.nutzdach.ch
NUTZDACH Wäre es nicht toll, wenn sich die Einwohner von Basel für eine Periode im Jahr selbst mit Nahrung versorgen könnten?
Ich bedanke mich bei allen, die dieses Projekt ermöglicht haben:
Ziel NUTZDACH will mit einem Pilotgarten im urbanen Umfeld Gemüse- und Kräutergärten auf Flachdächern fördern. NUTZDACH zeigt Wege auf, wie alle StadtbewohnerInnen durch die lokale Versorgung mit frischen Esswaren ihr Leben lustvoller gestalten können.
Thomas Keller, Hans Balmer, Mike Burgunder, Werner Tosoni, Jaime Luis Oberle, Peter Bichsel, Christian Müller, Andreas Seiler, Alice Vollenweider, Florian Weiz, Hakan Cavdar, Jonas Mettler, Mischa Schaub, Tilla Künzli, Selina Cerf, Urban AgriCulture Netz Basel, Hinterhof, OBI, Hecht & Meili, Norbert Lüchinger, Joel Sames und Michel Winterberg.
Motiv Pionierarchitekten wie William McDonough bauen in China Städte, deren Flachdächer ausschliesslich zur Versorgung mit Nahrungsmitteln genutzt werden. Die Jungen Grünen lancieren in Zürich die «Drei-Dächer-Initiative», die eine Nutzpflicht für neu gebaute Flachdächer vorsieht. Die Hipster-Szene in New York, London, Paris macht es vor: Die öden Brachflächen auf bestehenden Flachdächern zu nutzen ist cool. Umsetzung Ich entwickle ein einfaches, günstiges Garten-Kit, welches geeignet ist, Flachdächer als Gärten zu nutzen. Mit einem Pilotgarten in Basel werde ich mich mit den Fragen der Machbarkeit, mit den Vorschriften und Bedenken rund um einen solchen Garten befassen. Meine Erfahrungen werden veröffentlicht und sollen so die Schritte zum Dachgarten für alle vereinfachen.
Konrad Sigl Den Maturabschluss machte ich in Mathematik und Physik, um an der Universität Fribourg Wirtschaftsinformatik und Medienwissenschaften zu studieren. Dieses universitäre Umfeld behagte mir dann aber überhaupt nicht — die starren und langweiligen Lernabläufe schienen mir nicht mehr zeitgemäss. Der «Uniapparat» kam den aktuellen Geschehnissen nicht im geringsten hinterher. In die Jahre gekommene Professoren unterrichteten mit in die Jahre gekommenen Lehrmitteln. Ich war von der Uni enttäuscht, brach das Studium ab und begann am HyperWerk neu. Am HyperWerk konnte ich meine Hobbys wie Eventmanagement, DJing, Musikproduktion und Programmierung mehr oder weniger zum Studium machen. Ich realisierte beispielsweise einen Onlineshop, entwickelte Konzepte für einen Plattenladen, bei dem ich schon seit Jahren arbeitete, und gründete mit Freunden einen kleinen Club, in dem ich meine eigenen Events veranstalten konnte. Zur Zeit beschäftige ich mich in meinem Diplomprojekt mit dem Verein NEUBASEL; als Gründungsmitglied liegen mir dessen Absichten sehr am Herzen. Wo mich das Ganze hinführt? Vielleicht werde ich mich im Bereich Kulturmanagement weiterbilden. Aber das weiss ich
im Moment selber noch nicht so genau. Fakt ist, dass ich mir ein breites und aktuelles Wissen angeeignet habe und dazu eine Menge nette und talentierte Leute aus allen Bereichen kennengelernt habe, die ich an der Uni nie getroffen hätte. Diese Kontakte werden auch in Zukunft noch sehr wichtig für mich sein.
— Konrad Sigl info@agenturfuerraum.ch — www.agenturfuerraum.ch
Agentur für Raum Ziel Die Agentur für Raum will über einen längeren Zeitraum leerstehende Gewerbeimmobilien zu günstigeren Mietkonditionen an ausgewählte Projekte vermitteln. Die Mietzeit der Objekte kann flexibel gestaltet sein; von nur einem Tag bis auf Lebzeiten ist alles denkbar. Dabei steht die Agentur als Kommunikator zwischen den verschiedenen Parteien und versucht so, einen Dialog des Vertrauens aufzubauen. Die Agentur sucht gezielt nach Projekten und Immobilien und verbindet durch ihr Wissen und ihre Kontakte zwei jeweils passende Partner miteinander. Motiv Die Agentur für Raum will klassische Mieter-Vermieter-Verhältnisse aufbrechen und Projekte durch die Minimierung von finanziellen und bürokratischen Belastungen fördern. Gleichzeitig können Vermieter ihren Immobilienleerstand reduzieren und durch die jeweiligen Projekte den Standort ihrer Immobilie aufwerten. Zusätzlich entlastet die Agentur die Vermieter, indem sie ihnen administrative Arbeiten abnimmt. Jahresthema Passend zum Jahresthema undwasjetzt geht die Agentur für Raum der Frage nach, wie Immobilienangebote auch in Zeiten der Rezession interessant gestaltet werden können. Dadurch sollen Leerstände, welche sich auf das gesamte Quartierleben auswirken können, vermieden werden.
Dank geht an: Prof. Dr. Regine Halter, interner Coach; Martin Josephy, externer Coach; Philippe Cabane, Verein NEUBASEL.
Martin Fuchs Lange war ich mit Stift und Papier glücklich. Allerdings habe ich nicht geschrieben, sondern gezeichnet. Kurz hatte ich Kontakt mit einem Commodore, der aber schon damals längst überholt war. Noch immer waren Stift und Papier mehr als genug. Deshalb begann ich dann auch sofort nach der regulären Schulzeit mit dem Vorkurs an der Schule für Gestaltung in Basel. Faszinierend waren dort diese hochmodernen farbigen Eier mit Illustrator und Flash. Lange habe ich dann mit Hilfe meiner Schwester für einen Computer gequengelt, schlussendlich erfolgreich. Leider war die schöne Zeit am Vorkurs viel schneller vorbei. Mein Hang zu geometrisch exakten Arbeiten hat mich dann zu einer Hochbauzeichnerlehre geführt. In Chur, bei Jüngling und Hagmann Architekten, habe ich unter anderem das Interesse an 3-D-Programmen entdeckt. Zu meiner Spezialität wurden Visualisierungen für Architekturwettbewerbe. Nebst der Gewerbeschule in Chur besuchte ich während der Lehre die gestalterische Berufsmaturitätsschule in Zürich. Kaum waren diese vier Jahre vorbei, zog ich zurück nach Basel und bewarb mich für das HyperWerk, weil der damalige Student Timon Christen gemeint hatte, das würde zu mir passen.
Eher unerwartet erlernte ich hier, wie man Programmcode schreibt und welche enormen Möglichkeiten daraus entstehen können. Fasziniert von generativen Gestaltungsmöglichkeiten lernte ich wie angeschossen fast ununterbrochen weiter. Niemals hätte ich gedacht, dass ich den Zeichenstift so vernachlässigen würde, um am Computer Text zu schreiben. Mittlerweile will ich damit kaum mehr aufhören — zu viele interessante Projekte ergeben sich daraus.
— Martin Fuchs mail@deffekt.ch — deffekt.ch undef.ch writtenimages.net
Written Images Fragestellung Wie kann man ein Kunstbuch, bei dem kein Exemplar dem anderen gleicht, mit Programmcode definieren? Projekt und Umsetzung Written Images zeigt zeitgenössisches generatives Printdesign in einem Buch. Es präsentiert komplexe, programmierte Bildwelten, die von unterschiedlichen Künstlern entworfen werden. Für den Druck wird jedes einzelne Buchexemplar neu berechnet und ist somit einzigartig. Bildgenerierende Programme werden von Künstlerinnen und Künstlern speziell für das Buch entwickelt. Sie interpretieren Daten aus dem Internet oder visualisieren selbsterzeugte Werte, berechnen und speichern auf Nachfrage hochauflösende, sich nie wiederholende komplexe Grafiken. Der vom Programmautor verfasste Text — der Programmcode — wird vom Computer direkt in Bilder übersetzt. Gezeigt werden daher Resultate bildbeschreibender Algorithmen. Für jedes Buchexemplar werden diese Berechnungen wiederholt, von einem dafür entworfenen Programm ausgeführt und zu einem Buch zusammengestellt. In diesem Schritt werden auch relevante Informationen — wie beispielsweise Vorwort, Künstlername, Index und Seitenzahlen — hinzugefügt. So wird jedes gedruckte Exemplar zum Einzelstück. Das Resultat ist ein einzigartiges Kunstbuch. Es bietet eine Zusammenführung verschiedenster dafür erstellter Arbeiten und präsentiert eine Form von Printdesign auf die dafür geeignete und zeitgemässe Art und Weise.
Vielen Dank für die aktive Unterstützung: Catherine Walthard, Frank Fietzek, Ralf Neubauer, Peter Bichsel, Luca Vicente, Philip Whitfield, David Bollinger und Leander Herzog. Für Bildbeispiele geht mein Dank an: Robert Hodgin, Andreas Schlegel, Leander Herzog, David Bollinger, Kim Asendorf, Casey Reas, Marius Watz, Lukasz Karluk, Andreas Koeberle, Philip Whitfield, Ryan Alexander, Neil Banas, Golan Levin, Zach Gage und Ethan Miller. Und hier schon einmal tausend Dank für das weltweite Interesse und an alle, die sich noch beteiligen werden!
Mathias Stich Es war die Elektronik, die mich anfangs faszinierte. Ich machte eine Ausbildung zum Elektroniker und ging dann zur Firma Broncolor, die bei Fotostudio-Beleuchtungstechnik führend ist. Dort reparierte ich Blitzleuchten und beriet Fotografen in technischen Belangen. In diesen Gesprächen wurde mir bewusst, wie elementar wichtig die Lichtführung ist, und das faszinierte mich immer mehr. Nach drei Jahren Broncolor wagte ich den Absprung. Ich arbeitete ein Jahr lang als Praktikant bei einem Basler Modefotografen. Es war die Zeit, als die Digitalfotografie von den Profis noch belächelt wurde. 2004 ging ich für einige Monate nach Capetown in Südafrika und assistierte dort bei verschiedenen Fotografen, um dadurch meine Kenntnisse zu erweitern. Nach meiner Rückkehr rüstete ich mein Atelier zum Fotostudio auf, gründete die Einzelfirma neuerordner.ch und arbeitete fortan als freischaffender Fotograf. Aufgrund meines technischen Wissens war ich auch ein gefragter Assistent, denn mittlerweile war die Digitalfotografie bei den Profis angekommen.
Nach drei Jahren Selbständigkeit beschloss ich abermals, Neues auszuprobieren und ein Studium am HyperWerk zu beginnen. Mein Interesse lag auf der Schnittstelle zwischen Fotografie und Technik. Farbmanagement und digitaler Workflow waren meine Schwerpunkte. Dieses Know-how vermittelte ich in Workshops an die anderen Studierenden weiter. Für mein Diplomprojekt habe ich mich wieder auf das Element besonnen, mit dem eigentlich alles angefangen hat: das Licht. Und nach dem HyperWerk gehe ich an die Lichtakademie Bartenbach in Innsbruck und werde dort den Universitätslehrgang für Lichtgestaltung zum Master of Light and Lighting absolvieren.
— Mathias Stich mathias.stich@hyperwerk.ch — www.itsalwaysnight.com
It’s always night It’s always night, or we wouldn’t need light. Dieses Zitat von Thelonious Monk habe ich als Überschrift für meine Bachelor-Thesis gewählt. Ohne Licht würde Dunkelheit herrschen. Licht ist essenziell für unser Leben auf diesem Planeten. Elektrisches Licht hat den Lebensstil der Menschen nachhaltig verändert. Die Abhängigkeit vom Tageslicht ist weitgehend aufgehoben. Hinter einer Beleuchtung steckt immer eine Absicht, sei es die Dunkelheit aufzuhellen oder uns zu manipulieren. «Manipulieren» verstehe ich hier zunächst unideologisch als «etwas auslösen». Eine Fülle von Berufen befasst sich heute mit der Ausleuchtung von Objekten und deren Wirkung auf den Menschen: Fotografen, Architekten, Signaletiker, Dekorateure, Beleuchter — um nur einige zu nennen. Was ist ihr spezifisches Lichtwissen? Was für Methoden, Techniken und Tricks kommen zum Einsatz? Lassen sich durch deren Kombination neue Lichtkonzepte realisieren, die unser Verhalten beeinflussen? Um das herauszufinden, habe ich die in meiner Recherche gefundenen Lichteffekte aufs Wesentliche reduziert und in neuen Kontexten zur Anwendung gebracht — stets mit der Absicht, Reaktionen auszulösen. Was geschieht beispielsweise, wenn man ein Blinklicht in eine PET-Flasche packt und diese in der Öffentlichkeit aussetzt? Kann man durch unregelmässiges Flackern Aufmerksamkeit generieren, um sie dann gezielt auf ein Objekt zu lenken? Welche Möglichkeiten ergeben sich daraus, dass Handykameras das für uns nicht sichtbare Infrarotlicht registrieren und darstellen können? Indem ich solche Ansätze ausprobierte und laufend anpasste, entdeckte ich neue Anwendungsfelder, wo die Wirkung von Licht auf unser Verhalten unerwarteten Einfluss nehmen kann.
Team: Interner Coach: Frank Fietzek Externer Coach: Dr. phil. Jakub Samochowiec HyperWerk-Studierende: Simon Zürcher, Jonas Mettler, Fabian Gartmann, Samuel Franklin, Dominique Mischler, Peter Bichsel und Fabian Zähner. Externe Partner: Bron Elektronik AG, Chill am Rhy, Kenny Design und Neuerordner.ch. Dank an: Stephan Brunner, Matthias Edel, Thelonious Monk, Sebastian Mundwiler, Ralf Neubauer, Ivo Roth und Christian Weber.
Philip Whitfield Es gibt mich seit dem Oktober 1984, also seit bald sechsundzwanzig Jahren. An die Hälfte der Zeit kann ich mich gar nicht erinnern. Sicher ist, dass ich schon immer mehrere Steckenpferde hatte, die manchmal schwierig unter einen Hut zu bringen waren. Sehr früh interessierte ich mich für die Sprache. Das war, glaube ich, das Erste. In der Primarschule erledigte ich selten die Hausaufgaben, in der Hoffnung auf eine Strafaufgabe, die darin bestand, eine Seite frei zu schreiben — das war viel besser als Mathe. Ich war nicht immer der zuverlässigste Schüler, verfolgte selbstgesteckte Ziele. Nach dem Schreiben kam das Visuelle. Nach der Schule verbrachte ich die folgende Lehre als Mediamatiker zeichnend. Diese Ausbildung schaffte es dann aber doch noch, in mir das Interesse für Technik zu wecken. Dieses war zwar schon lange vorher vorhanden gewesen; als Jugendlicher hatte ich viel Zeit damit verbracht, mir vorzustellen, wie es wäre, Videospiele zu entwickeln. Bemühungen, die dann ohne Programmierung in animierten Kurzfilmen endeten. Während der Lehrzeit tastete ich mich nun in Form von interaktiven Webseiten an dieses fehlende Glied Programmierung heran. Auf diesem Gebiet machte ich mich dann auch selbständig und konnte die zwei Jahre bis zum HyperWerk davon leben. Eine Phase mit viel Freizeit, die ich dazu nutzte, Kubb zu spielen, Rapsongs aufzunehmen und ein auf
Kultur spezialisiertes Vereinslokal mitzubetreiben. Im HyperWerk habe ich mich in die Programmierung interaktiver 3-D-Applikationen vertieft. Ein Gebiet, das fruchtbar ist für kommerzielle Aufträge, VJ-Auftritte wie auch installative Kunst — das ich also auf jeden Fall in irgendeiner Form weiter bearbeiten werde.
— Philip Whitfield mail@phwhitfield.com — www.phwhitfield.com
ganz privat Giesst Wasser in den Informationsfluss!
Mein Dank geht an alle Mitstudenten, im Speziellen an:
Hintergrund Zwei Aspekte spielen hier eine Rolle. Zum einen steht die Vervielfältigung einer persönlichen ID, in diesem Falle des Gesichts, für die Ängste eines durchschnittlichen Benutzers in einem öffentlichen Netzwerk. Trotzdem tauchen von den meisten irgendwo Photos oder Videos auf, die jeder frei verwenden kann, ohne auf die Person dahinter eingehen zu müssen, ja selbst ohne deren Namen zu kennen. Zum anderen lässt sich mit schönen Bildern, nettem Auftreten und durch das Vorenthalten kompromittierender Informationen leicht das Vertrauen anderer gewinnen. Eine gängige Praxis, die selten aufgedeckt wird, und wenn doch, dann fast nie vom Verursacher selber.
Martin Fuchs; die Dozenten des Instituts HyperWerk; meinen Coach Frank Fietzek.
Ziel Das Projekt versucht, in Form einer interaktiven Installation eine einfache Punkt- zu- Punkt- Verbindung zwischen dem Menschen und einer von ihm bedienten Software aufzubrechen und zu Problematisieren. Umsetzung Das Programm legt nur einen Teil seiner Funktionalität offen und handelt im Hintergrund auf eigene Faust. Mit der Verheissung einer Belohnung versucht es, seinen Betrachter dazu zu bringen, sein Gesicht wissentlich in Form einer Fotografie zur Verfügung zu stellen. Erfasste Daten werden eine Ecke weiter ungefragt in einem anderen Kontext ausgestellt.
Ausserdem geht mein Dank alle meine Freunde, die ich im Vorfeld mit Ideen zu meinem Diplomprojekt genervt habe, die sich dann aber ihrerseits mit ihren Vorschlägen zu wehren vermochten, und an die aktiven Nutzer von openFrameworks, ohne deren Vorarbeit und Hilfe so etwas gar nicht möglich gewesen wäre.
Simon Siegenthaler Mut zum Leichtsinn ist mein Sprungbrett, gewohnte Bahnen zu verlassen und aus bekannten Gedankenmustern auszubrechen. Dies erfordert Überwindung und den gemeinsamen Glauben des Teams an eine schillernde Vision, die die Voraussetzung dafür ist, dass man sich auf dem Weg zum Ziel nicht in Details oder Grundsatzdiskussionen verliert. Alle im Projekt sollten sich so stark mit der Idee identifizieren, dass die eigene Spezialisierung nicht die kollektive Intelligenz behindert, die aus einem Team erwachsen kann. Die nötige Leidenschaft entwickelt sich in den intensiven Gesprächen, in denen man seine Ideen hinterfragt und weiterentwickelt. Die interdisziplinären Herausforderungen eröffnen mir neue Horizonte und Entwicklungsmöglichkeiten. Mich in Fachgebiete hineinzuwagen, von denen ich vorher nur eine vage Ahnung hatte, bereitet mir besonders Freude. Sich in die Sichtweise der Kolleginnen und Kollegen hineinzuversetzen und ihre Perspektiven auf Probleme nachzuvollziehen, ist ein Prozess, der viel Fingerspitzengefühl erfordert und notwendig ist, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Die Momente, in denen sich jeder und jede Einzelne mit dem Projektziel identifiziert und es als persönliche Herausforderung versteht, begeistern mich. Ich fühle mich lebendig, wenn ich die Ziele für den Tag selbst definieren darf.
Prozesse zu beobachten, Chancen zu realisieren und dabei den richtigen Zeitpunkt zu treffen, sehe ich als meine Aufgabe. Aktuell vollziehe ich vollends die Metamorphose vom Studierenden zur selbstdenkenden Arbeitskraft in den Tätigkeitsbereichen Konzeption, Produktgestaltung und Interface Design — welche auch die Schwerpunkte meines HyperWerk-Studiums waren.
— Simon Siegenthaler simon.siegenthaler@gmail.com — www.seez.ch
iguzo Ziel iguzo will ein einfaches Internet-Erlebnis ermöglichen. Ich will die enorme Komplexität und Vielfalt des Internets in ein stringentes, dem Fernsehen vergleichbares Format übersetzen. Umwege Ich entwickelte verschiedene Web-Prototypen. Dabei fand ich heraus, dass die Strukturierung der Inhalte sowie die Auswertung nach ihrer Relevanz besonders problematisch sind. Umsetzung Um an strukturierte Daten zu kommen, brauchte ich einen starken Partner, den ich glücklicherweise in useKit fand. useKit ermöglicht es seinen Benutzern, Webinhalte zu selbst definierten Themen zu sammeln und zu kategorisieren. Dadurch gewinnen diese Inhalte einen Zusammenhang. Auf iguzo.com werden diese Themen als Content Streams abrufbar. Ein Player ermöglicht den attraktiven Konsum dieser Inhalte — und damit überträgt iguzo.com die Idee des Fernsehens ins Internet. Als Redaktion wirkt ein Schwarm von unabhängigen Nutzern, die — ähnlich wie bei Wikipedia — aus eigenem Interesse einen Mehrwert für den Rest der Menschheit erarbeiten, indem sie Inhalte strukturieren und themenbezogene Relevanz schaffen. Aussichten Nach meiner Zeit am HyperWerk werde ich weiterhin komplexe Konzepte und Anwendungen für das Web entwickeln und gestalten.
Vielen Dank! Coach: Mischa Schaub Co-Coach und useKit- Gründer: Dr. Sven Rizzotti useKit- Team: Eric Fischer, Nicolas Ruflin und Marcus Baechinger Diplomassistent: Moritz Laass
Susanne Lindau Ich bin Susanne, ich werde aber lieber Suse genannt. Wer ich bin, erklärt mein Spitzname allerdings auch nicht. Sicher könnte jemand anderes mich viel besser beschreiben. Nora Born, eine Mitstudentin am HyperWerk, hat mich einmal in einem Workshop vorgestellt und als engagiert beschrieben. Das hat mir gefallen. Meine Mutter sagt über mich, dass ich klug, schön und ehrgeizig sei. Mein Selbstbewusstsein ist ihr sehr wichtig. Dass ich heute studieren darf, verdanke ich ebenfalls ihr. Denn sie war diejenige, die mich trotz der schlechten Realschulempfehlung an einem Gymnasium angemeldet hat. Als ich die Chance erkannte, packte mich mein Ehrgeiz, und ich lernte fleissig. Und dank dieser Entscheidung und ihres Zuspruchs konnte ich mein Abitur machen. Dann stand ich vor der Entscheidung, was ich studieren sollte. Mein Interesse an Malerei, an organisatorischer Arbeit und an Berufen in der Kreativwirtschaft deckte der offene HGK-Studiengang HyperWerk ab. Ich habe an diesem Institut viele wichtige Erfahrungen für mein Leben sammeln können, weil wir hier sehr praktisch an Aufgaben herangehen. Meist sogar in einem Team. Und so bin ich auch sehr froh darum, dass ich nicht an der Universität hinter Büchern vereinsamt bin, sondern an einer Fachhochschule ein sehr vielfältige und aktive
Studienzeit verbringe — die leider im September zu Ende geht. Jetzt freue ich mich aber noch über die aufregende Endphase meines Diplomprojekts. Danach möchte ich Product Design & Management mit Schwerpunkt Service an der HSLU studieren. Ich bin sehr gespannt, in welcher Form sich meine Erfahrungen aus der HyperWerk-Studienzeit wieder hervortun werden.
— Susanne Lindau s.lindau@freieprojektschule.ch — www.freieprojektschule.ch www.wasichwerdenwill.ch
Berufswahl Jetzt Idee Die Jugendarbeitslosigkeit in der Schweiz ist beinahe doppelt so hoch wie die der Erwachsenen. Darunter befinden sich Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz finden können, aber auch ausgebildete Jugendliche, die keine Anstellung bekommen. Die Frage «Und was jetzt?» stellt sich diesen Gruppen täglich. Ziel Um den Jugendlichen eine Perspektive zu eröffnen, will ich einen Handlungsraum für deren Eigeninitiative schaffen. Es soll ein Forum entstehen, in dem sie Netzwerke zu anderen Betroffenen aufbauen und gemeinsame Projekte entwickeln können. Methode Ich schaffe ein virtuelles Diskussionsforum. Auf der Website wasichwerdenwill.ch können Jugendliche einerseits Informationen zu den Themen Ausbildung, Berufsfindung und selbstorganisierte Projekte bekommen. Anderseits können sie dazu eigenständig Informationen zusammentragen. Durch eigene Beiträge sind Bewertungen, Ideen und Vernetzungen als Ausgangsbasis für eine gemeinsame Auseinandersetzung mit dem Thema Berufswahl möglich. Virtuelle und reale Arbeitsgruppen sollen zu Projekten führen. Resultat So könnten Handlungsräume entstehen, in denen die Ideen Jugendlicher durch ein gemeinsam mit anderen entwickeltes Projekt konkret werden. Diese aktive Form der Lebensgestaltung kann auch die Aussichten auf einen erfolgreichen, selbstorganisierten Eintritt in das Erwerbsleben fördern.
Ein ganz grosses Dankeschön für die Unterstützung an: Prof. Dr. Regine Halter, interner Coach Prof. Dr. Hans-Ulrich Grunder, externer Coach Alice Vollenweider, Hintergrundrecherche; Sebastian L.,Web-It; Lisa Sara Linsin, Flyerdesign; Roland Pavloski, Werbestrategie; Janine Michel, Weblayout; Lucas Schmid, Ideenfindung.
Thomas Brunner Seit Beginn meiner Studienzeit sind mir Bewegung, Mobilität und Sport im städtischen Raum ein wichtiges Anliegen. Zentral bei dieser Auseinandersetzung ist mein mehrjähriges Engagement für die BMX—Anlage auf dem zwischengenutzten Erlenmattgelände in Basel. Die Suche nach einer Möglichkeit, mich von einer spezifischen Tätigkeit zugeordneten Plätzen zu distanzieren, lenkte meine Aufmerksamkeit auf die aktuelle Verkehrssituation und somit auf die Strasse. Platzprobleme, Klimawandel und mangelhafte Bewegung der Bevölkerung fordern Planer dazu auf, einen Wandel zu gestalten. Die gängigen Verkehrsmittel — motorisierter Individualverkehr, öffentlicher Verkehr — werden in naher Zukunft den steigenden Anspruch an Mobilität nicht mehr befriedigen können. Wünschenswert ist ein Wachstum des Langsamverkehrs. Nur fehlen Ideen und Systeme, um dem «Gewohnheitstier Mensch» etwas Neues beizubringen. Oder findet der Wandel bereits statt, und es fehlen die nötigen Rahmenbedingungen, um darauf einzugehen? Ich sehe die Strasse als Freiraum. Die Entwicklung eines jeden Freiraumes hängt dabei im Wesentlichen von drei Faktoren ab: marktwirtschaftliche Interessen, Trends (Populärkultur) und politische Ziele. Architektur und die Strassen sind wesentliche Merkmale, ob eine Stadt als urban
wahrgenommen wird oder nicht. In meiner Bachelorarbeit suche ich nach Schnittstellen, die alle drei Faktoren betreffen. Die Arbeit macht aufmerksam auf Vorhandenes und Zukunftsweisendes und soll einen partizipativen Charakter haben. Auch künftig engagiere ich mich für Projekte, die urbane Bewegungsformen fördern, und hoffe, dass sich die Grenzen zwischen Platz und Strasse auflockern und somit eine ausgeglichenere Verkehrsstruktur in den Städten begünstigt wird.
— Thomas Brunner — www.facebook.com; Facebook-Site: contemporary spot
cityLove Hintergrund, Motiv Mein mehrjähriges Engagement für die BMX—Anlage auf dem zwischengenutzten Erlenmattgelände in Basel ist für mich zentral. Mein Thema: Mobilität und Sport im öffentlichen Raum.
Besten Dank für die Zusammenarbeit und Unterstützung geht an:
Ansatz Platzprobleme, das steigende Verkehrsaufkommen und der allgemeine Bewegungsmangel der Bevölkerung fordern die Planer heraus. Wünschenswert ist ein Wachstum des Langsamverkehrs.
Diplomassistenz: Jonas Mettler, Student FHNW HyperWerk Beratung: Philippe Cabane, Soziologe und Stadtplaner
Fragen Welche Strategien gibt es? Fehlt es an Ideen, dem «Gewohnheitstier Mensch» etwas Neues beizubringen? Oder findet der Wandel bereits statt? Welche Chance hat der Langsamverkehr? An letzterer Frage setzt mein Bachelorprojekt an. Projekt Die Stadt, ihre Freiräume, Bewegung und Sport sind in meiner Bachelorarbeit zentral. Weil in diesen Arbeitsbereichen noch viele Fragen offen sind, scheint mir eine Auseinandersetzung mit ihnen wie geschaffen für einen Gestalter, der keine Kaffeetassen entwerfen mag. Immerhin gilt es doch für jeden HyperWerker, dort zu intervenieren, wo ein starker Wandel vonstatten geht (digital, technologisch oder auch gesellschaftlich), damit der weitere Verlauf möglichst nachhaltig beeinflusst werden kann.
Interner Coach: Max Spielmann Externer Coach: Bernhard Stoller, Grafiker rocketdesign.ch
Support und Austausch: Manuel Gschwend, Besitzer Network Skateshop, networkskateshop.ch, Präsident Freestylepark.ch; Daniel Abraha, Architekt ETH, abrahachermann.com, danielabraha.ch, Support und Austausch; Michi Maurer, technischer Modellbauer, Formda.ch
Viviane Andereggen Nach meiner Matur im Jahr 2006 reiste ich für mehrere Monate nach Tansania und nach Israel. Um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten, arbeitete ich zwischen den Reisen als Kunstschmiedin, als Croupier im Casino, als Spielplatzleiterin und als Fotoassistentin. Nach diesem Jahr des Experimentierens entschloss ich mich zum Studium am HyperWerk in Basel, weil ich in einem interdisziplinären Studium verschiedenste Themen, Techniken und Medien erkunden wollte. In meinem ersten Studienjahr befasste ich mich vertieft mit interkultureller Kommunikation, reiste zusammen mit Brigitte Fässler nach Moçambique und Südafrika, um einen kleinen Dokumentarfilm über junge Musiker in Johannesburg und Maputo zu drehen. Aus dem Film wurde dann eine Fotoausstellung, die an verschiedenen Orten in Basel gezeigt wurde. Daneben gründete ich mit meinem Bruder das Fotografenlabel «Camacameleon». Parallel dazu begann ich, bei verschiedenen Fotografen professionell zu assistieren. Das brachte mir die Erkenntnis, dass ich nicht als Auftragsfotografin arbeiten möchte. Ich begann, andere Wege und Möglichkeiten zu suchen, um mein stetig wachsendes Interesse an Fotografie und Film zu verfolgen. Im zweiten Studienjahr erhielt ich die Möglichkeit, am Theater Basel eine Videohos-
pitanz zu machen, und daran anschliessend konnte ich als Kamerafrau bei einer Operninszenierung weiterarbeiten. So kam das eine zum anderen. Durch die Arbeit am Theater gelingt es mir gegenwärtig, meine Wünsche, mein Studium und mein Einkommen unter einen Hut zu bringen. Nach dem Studium am HyperWerk werde ich nach Hamburg ziehen, um an der Kunsthochschule Film zu studieren.
— Viviane Andereggen info@kernwert.ch — www.kernwert.ch
kernwert Fragestellungen Mittlerweile ist der Einsatz theaterfremder Medien in zeitgenössischen Theaterinszenierungen fast allgegenwärtig. Inwieweit jedoch führt der Einsatz solcher Medien zu einer Veränderung der Inhalte? Welchen Einfluss nehmen diese Medien auf das Bühnengeschehen und dessen Rezeption? Praktische Ziele Die Produktion einer Theateraufführung in der Zollhalle St. Johann in Basel sollte realisiert werden. Umsetzung, praktisch Ich gründete mit dem Regisseur Raphael Traub den Theaterverein kernwert. Wir suchten ein geeignetes Stück (es wurde Dämonen von Lars Norén), die Schauspieler und machten die leerstehende Zollhalle theatertauglich. Wir schrieben an Sponsoren und Stiftungen mit der Bitte um finanzielle Unterstützung. - Nachdem wir viele Probleme überwunden haben, konnte die Premiere wie vorgesehen stattfinden - en suite spielten wir eine Woche lang mit insgesamt fünf Vorstellungen vor ausverkauftem Haus. Umsetzung, theoretisch Meine Bachelorarbeit wird sich nun mit den oben genannten theoretischen Fragestellungen befassen.
Ich danke allen, die mich unterstützt haben: Interner Coach: Regine Halter Externer Coach: Tobias Zindel Team: Beni Schmid, Felix Schaffert, Dominique Mischler,Carolin Kolb, Deborah Luethy, Fabian Frei und Fabian Gartmann Raphael Traub, Philipp Berweger, Silvana Arnold, Fabrizio di Salvo, Roland Heid, Salome Dastmalchi, Annigna Seiler, Marco Zbinden, Nikolaus Schmid, Annatina Stalder, Alix Austin, Nicole Fehlmann, Reinhold Jentzen,Tim Jentzen, Daniel Kölliker, Fotostudio Spillmann, Marco Graf, Serafin Bill, Samuel Erdmann und Simon Zürcher.
Diplomvisualisierung | Viviane Andereggen Modell: Raphael Traub
UND WAS JETZT Studentische Projekte
S. - S. AppleApp S. - S. Beutelfaktur S. - S. cn-ch.org S. - S. EpisodenNetzwerk S. - S. Publikation S. - S. Kinofabrik S. - S. OpenHouseT端ren S. - S. Parzelle403 S. - S. POSTHUMANBIGBANG! S. - S. Shift Festival - Hot Spots S. - S. SKATE TO KABUL S. - S. Wer?
AppleApp Die Zusammenarbeit in unserem interdisziplinären Team zeigt, wie innerhalb der Hochschule Synergien und Ressourcen über Institutsgrenzen hinweg genutzt werden können, um ein Produkt zu entwickeln. Bei der Expo-App geht es um den papierlosen HGK-Diplomkatalog, der über iPhone oder Webbrowser abgerufen werden soll. Die Inhalte werden direkt von den Diplomanden mittels Datenerfassungstool online eingespielt; die Qualitätskontrolle und die Publikation werden von den Textverantwortlichen der jeweiligen Institute durchgeführt. Am Anfang mussten wir die Rahmenbedingungen erfassen: Wie ist die Institution, für die wir dieses Projekt umsetzen, genau organisiert? Wer sind die Ansprechpersonen? Zuerst teilen wir dieses komplexe Vorhaben in überschaubare Einheiten auf. Wir bastelten Prototypen aus Papier, erarbeiteten Szenarien und entwickelten in ausführlichen Diskussionen eine gemeinsame Sprache. Rund um die Idee formierten wir ein interinstitutionelles Team aus Mitgliedern der Kompetenzbereiche 3-D-Modeling, InterfaceMechanik, Szenografie und Visuelle Kommunikation. Wir publizierten die Spezifikationen des Datenerfassungstools und kamen so in Kontakt mit dem ukrainischen PHP-Entwickler Stanislav Proshkin. Im Diskussionsforum der unity3d-Software, mit der wir die Applikation programmieren, fanden wir unseren unity3d-Coach Marc Schärer. Zur Herstellung des Datenerfassungstools wählten wir den Top-down-Ansatz — klassisches Projektmanagement, wie man es als Freelancer vorgesetzt bekommt: Die Aufgabe wird detailliert beschrieben und mit einem definierten Zeit- und Budgetrahmen in die Produktion geschickt. Die Produktionsbegleitung geschieht über vordefinierte Zwischenergebnisse. Dieser Ansatz funktioniert gut beim Umsetzen von bekannten Konzepten, lässt jedoch wenig Spielraum für Stephan Urech
Experimente. Deshalb gehen wir für die iPhone-App-Produktion in entgegengesetzter Richtung vor: Wir arbeiten uns von unten nach oben, «bottom up». Das Arbeitsfeld ist für uns alle völliges Neuland; wir lösen kleine Aufgaben und setzen die Ergebnisse schrittweise zusammen, um uns an einen Prototypen heranzutasten. Nach jedem Schritt analysieren wir unsere Erfahrungen und Beobachtungen und schaffen so die Basis für die nächsten Schritte. Expo-App-Team: Severin Bardill, Stephan Urech (HyperWerk), Danilo Wanner, Nadine Zschäck, Sarah Hofer (VISKOM), Bernhard Schweizer, Christian Kraenkl (IN3), Marc Schärer (unity3d-Coach), Suresh Surenthiran (CrossmediaSpezialist), Stanislav Proshkin (PHP-Entwickler).
Beutelfaktur Hinter der Marke Beutelfaktur stecken Deborah Luethy und Carolin Kolb. Die Idee zur Gründung dieser Marke geht zurück auf das kurze, aber intensive Leben eines Vereins namens Subwerk. Subwerk hatte folgende Mission: «Subwerk beabsichtigt, Events zu organisieren, die nicht auf kommerzieller Ebene stattfinden und nicht in erster Linie zum Konsum anregen sollen, sondern vielmehr den Fokus auf die Aktivierung der Besucher legen. Wir möchten dabei möglichst offen sein und viele unterschiedliche Altersgruppen ansprechen. Damit meinen wir Jugendliche, junge Erwachsene, aber auch Kinder und Familien. [...] Weil uns das Malen auf grosser Fläche schon immer faszinierte, sind wir auf die Idee gekommen, eine riesengrosse Leinwand von vielen Leuten gestalten zu lassen.» Schlussendlich hat der Verein Subwerk einen Street-ArtEvent mit Fassaden- und Leinwandgestaltung organisiert und sich danach aufgelöst. Zurück blieben Deborah Luethy und Carolin Kolb, die den bemalten Stoff unter dem Projekttitel «Unique Bags» weiterverwenden wollten. Die Leinwände wurden zunächst chemisch gereinigt und geglättet, ohne die Bemalung zu beeinträchtigen. Dann haben wir sie nach dem TOD’s-Bag-Schnittmuster zugeschnitten und so eine Taschenform erhalten, die man von robusten und langlebigen Allzweckbeuteln her kennt. Dieses einfache Schnittmuster ermöglicht uns ein sauberes und qualitativ hochwertiges Vernähen des Stoffes. Die Beutelfaktur bietet Taschen mit sehr hohem Nutzwert, die zudem frisch und einzigartig sind. Der Anfangserfolg ist fantastisch, so dass wir im Rahmen des «Schubdüse»-Festivals zur Förderung von Kleinlabels wieder eine Malaktion organisierten, um neue bunte Leinwände für die Beutelfaktur zu generieren. Carolin Kolb | Deborah Luethy
cn-ch.org Das Projekt cn-ch.org ist eine Plattform für kulturelle Kommunikation zwischen der Schweiz und China. Sie organisiert, dokumentiert und informiert über chinesische Events, die in der Schweiz stattfinden, sowie über schweizerische Veranstaltungen, die in China stattfinden. Die Events, die dokumentiert werden, sind einerseits Veranstaltungen, die von Chinesen organisiert werden — und vice versa: Von SchweizerInnen veranstaltete Events, die sich mit der chinesischen Kultur auseinandersetzen, werden auf dieser Plattform ebenfalls dokumentiert. Das Besondere der Plattform gegenüber anderen Plattformen ist die visuelle Darstellung. Die meisten bestehenden Plattformen informieren nur mit Text und Bild. cn-ch.org informiert fast ausschliesslich mit Videos. Dies gibt der Plattform mehr Lebendigkeit. Ziel ist es, den Chinesen, die in der Schweiz leben, eine Informationsquelle für chinesische Veranstaltungen zu bieten. Aber auch für die wachsende Community in der Schweiz, die sich für China interessiert, hält sie wertvolle Inputs und Anregungen bereit. Vor allem will cn-ch.org diesen Communities einen Einblick in die chinesische Kultur verschaffen. Umsetzung Da auf der Homepage fast nur Videos zu sehen sind, musste dafür eine Struktur erarbeitet und anschliessend umgesetzt werden. Gleichzeitig wurde eine CI entwickelt und auch ein Konzept für die Videos erstellt. Wir haben für jeden Anlass drei verschiedene Arten von Videos konzipiert: 1. Vor Beginn eines Events gibt es ein Interview mit dem Veranstaltungsleiter. 2. Dieses Video hält den gesamten Prozess von der Planung bis zu den letzten Vorbereitungen fest. 3. Hier wird dann die Veranstaltung selbst dokumentiert.
Tian Xia
Der zweite Schritt beinhaltet die Dokumentation von Events, an deren Entstehung ich nicht beteiligt bin. Im dritten Schritt dokumentiere ich nicht einfach fremde Events, sondern beteilige mich selbst aktiv an der Organisation. Das Event wird die chinesische Neujahrsfeier sein, das Laternenfest. Dazu werde ich eine Projektion erstellen. Das Event wird ebenfalls filmisch festgehalten. Zusätzlich zur Neujahrsfeier wird auch das 60jährige Bestehen der chinesischen Botschaft in der Schweiz gefeiert. Als vierten Schritt möchte ich ein eigenes Event organisieren. Es soll eine Ausstellung mit Hilfe der acht chinesischen Trigramme werden, bei der Bilder, Videos und Fotografien ausgestellt werden.
EpisodenNetzwerk Diese Arbeit entwickelt neue Produktionsformen für den Episodenfilm. Sie ermöglicht es Drehbuchautoren, ohne direkte Zusammenarbeit einen Spielfilm mit gemeinsamen Charakteren und einer Gesamtdramaturgie herzustellen. So bekommen zum Beispiel Filmschulabsolventen die nötige Zugkraft, um ein breites Publikum anzusprechen. Ich biete ihnen eine Plattform, über die sie sich vernetzen und mit Hilfe meines Systems ein Gesamtwerk für Kino und DVD kreieren können. Somit ist es für die Absolventen Jahr für Jahr möglich, unter einem jeweils neuen Thema ein Zeitdokument des Schweizer Filmschaffens als Erstlingsfilm zu erstellen. Wie bei einem Stafettenlauf setzen wir für die Produktion des Gesamtdrehbuchs drei Arbeitsgruppen nacheinander in Bewegung: Runde 1 - Der Charakter-Pool Hier werden verschiedene Charaktere entwickelt und auf der Plattform im Internet veröffentlicht. Runde 2 - Die Drehbücher Der Charakter-Pool aus Runde 1 bildet die Ausgangslage für die Entwicklung der Kurzgeschichten. Jede/r DrehbuchautorIn wählt ein bis drei ProtagonistInnen aus und lässt mindestens eine der weiteren Figuren eine kurze, wichtige Rolle spielen. Runde 3 - Die Gesamtdramaturgie Die Drehbücher werden in einer komplexen Vernetzung verknüpft. Sie werden verortet und zeitgleich zu einem Ganzen verwoben. Aus den vielen Einzelteilen entsteht eine Gesamtdramaturgie. So wird daraus ein EpisodenNetzwerk von Charakteren, Ideen, Stories und Filmschaffenden.
Nora Born
Publikation 512 ist mathematisch als die neunte Potenz von 2 bekannt. Es ist die letzte dreistellige Zweierpotenz und somit die jeweils letzte mit dem Vorsatz der entsprechenden Masseinheit. Danach folgt immer ein augenscheinlich riesiger Sprung von Kilo zu Mega zu Giga zu Tera. Dieser Sprung wird in der digitalen Welt nur zu gern mit Erfolg, Fortschritt und Innovation gleichgesetzt. Theoretisch ist diesem Streben nach oben keine Grenze gesetzt; ein weiterer Aspekt, der den notwendigen Eifer anspornt. Wir als HyperWerkerInnen haben nun 512 Seiten über das vergangene Studienjahr und Erfahrungen aus der gesamten Institutsgeschichte zusammengetragen; der nächste Sprung, wie immer er aussehen mag, bringt einen (metaphorischen) Vorsatz mit sich und gewährt diesem Streben Einlass in ein neues, grösseres Spektrum. Gefühlte fünfhundertzwölf Tage lang beanspruchte diese Publikation auch das Team um Lisa Bomsdorf und Ralf Neubauer. In einer SIGPRO-Sitzung zu Beginn des Studjenjahres hatte Lisa sich dazu hinreissen lassen, das Unternehmen «Jahrespublikation» als Projektleiterin in Angriff zu nehmen. Vorschläge zu Form und Material des Buches waren schnell auf den Tisch gelegt und boten jede Menge Gesprächs- und Diskussionsstoff. Allen Beteiligten gefiel die Idee eines gebundenen Buches auf Dünndruckpapier auf Anhieb. Die stattliche Anzahl von 512 Seiten vermochte es damals dennoch nicht, uns den Umfang dieses Projekts wirklich vor Augen zu führen. Heute, zehn Monate nach Projektstart, liegen uns die 512 Seiten vor. Die Unterstützung durch die Autoren und Urheber von Text und Bild war gross; dennoch waren gewisse Kommunikationsaspekte und die Koordination eine echte Peter Bichsel
Herausforderung. Die «heisse Phase» zum Schluss hin schweisste die dezimierte Kleingruppe zusammen, und so war das Arbeiten trotz der Last auf unseren Schultern und des spürbaren Drucks stets angenehm und freundlich. Dass gewisse Konflikte ausgestanden und diskutiert wurden, versteht sich ebenso wie die Tatsache, dass uns dieses Projekt enorm viele Erlebnisse und Erfahrungen beschert hat. Wir freuen uns sehr, diese Publikation nun erfolgreich errichtet zu haben, und wir sind auch stolz, dem geneigten Leser und der geneigten Leserin dieses Buch zu präsentieren.
Kinofabrik Kamera-Akkus laden und tief in die Trickkisten greifen! Talentierte und Eingeübte der Filmszenen und Subkulturen sind aufgefordert, ihr Wissen und ihre Kunst auf die Probe und unter Beweis zu stellen. Die Erfahrungen, die Du während eines Kinokabarets machen kannst, sind einmalig. Du kannst Gleichgesinnte kennenlernen oder mit einem kompletten Filmteam aufkreuzen. Es findet ein Austausch von Informationen und Emotionen statt. Niemand will «die/der Beste sein» — alle wollen ihr Bestes geben. Das Motto lautet: «Mach es gut mit nichts, mach es besser mit wenig, mach es jetzt!» Zum zweiten Mal gastiert die Kinofabrik im Stadtkino — mit neuen Themen, Filmen, DarstellerInnen und weiteren Überraschungen. Dramatisch, lustig, skurril und gefühlvoll waren die zehn Kurzfilme im letzten Winter. Die Zuschauer verliessen den Kinosaal schmunzelnd, staunend und grübelnd, und die Teilnehmer waren erschöpft, erleichtert und stolz nach diesem Kinokabaret. «Kinokabaret» meint hier nicht die Kleinkunstbühne, sondern ein wohlorganisiertes Filmcamp, an dem sich Filmbegeisterte aller Sorten zusammenfinden, um in 48 Stunden gemeinsam Kurzfilme zu produzieren, die direkt im Anschluss auf Grossleinwand präsentiert werden. Seit zehn Jahren finden weltweit Kinokabarets statt, und die Organisationen sind miteinander vernetzt. Die Kurzfilme werden unter den einzelnen Kino-Zellen — den KinokabaretOrganisationen — getauscht, Darsteller sowie Filmer nehmen an verschiedenen Kabarets teil. Alle können mitmachen, solange die Philosophie beibehalten wird: Es gibt keine Auswahl, es werden keine Preise verliehen, alle Filme gewinnen. Der Preis ist die Ehre, mitgemacht, mitgespielt, mitgeschnitten, mitgekämpft und mitgelitten zu haben. Es geht darum, gemeinsam etwas zu gestalten. Die Premiere der Filme ist dann ein gemeinsames Erlebnis von Zuschauern und KabaretTeilnehmern. Hakan Cavdar
Kinofabrik, die Basler Kino-Zelle, fördert die freie Kreativität und bildet Netzwerke. Sie setzt sich ein für unabhängiges, unzensiertes und konkurrenzfreies Videoschaffen und präsentiert dessen Ergebnisse weltweit im Kinokabaret-Netzwerk. An Screenings zeigt die Kinofabrik eigene und Kinokabarets von anderen Kino-Zellen.
OpenHouseTüren Unser Projekt fürs Open House 2010 entstand aus Überlegungen und Gedanken rund um Projektionen und interaktive Videoinstallationen in der SIGTEC. So gestalteten sechs Studierende unter der Leitung von Frank Fietzek und Roland Pavloski den Korridor und vier angrenzende Zimmer im ersten Obergeschoss des Bockstecherhofes: Die Besucher wurden durch Projektion und durch die beim OpenHouse verwendete Signaletik von Moritz Meier in den ersten Stock gelotst. Die von der Projektgruppe gestalteten Zimmer waren nicht im eigentlichen Sinne dekoriert oder präsentiert. Stattdessen wurden jeweils aus verschiedenen Räumen heraus Bilderfolgen auf eine halbtransparente Plexiglasscheibe projiziert. «Raum und Veränderung» war das Thema der Installationen. Michel Winterberg schloss seinen Raum jeweils für einen kurzen Moment mit den unterschiedlichsten virtuellen Türen. Vermutungen, was sich hinter den Türen verbergen mochte, wurden aufgelöst, trat man näher an die Projektion heran. So öffnete sich die Tür wie von Geisterhand und bot dem Besucher einen Einblick in Bilderwelten aus Natur und Technik. Die Installation wurde mit vvvv entwickelt und mittels Akustiksensoren, unter Verwendung eines ArduinoMicrocontrollers, gesteuert. Ich selbst entwarf ein Studierzimmer. Eine gezeichnete, abstrahierte Person sass an einem Tisch im Zimmer und las in einem Buch. Sie schien aufgrund ihres animierten Wesens sehr beschäftigt. Wenn eine Besucherin vorbeiging, «ging ihr ein Licht auf» in Form der ebenfalls animierten Deckenlampe. Programmiert wurde die Installation mit Processing unter Verwendung einer Microcontroller-Steuerung — ebenfalls Arduino — für den Akustiksensor. Ronny Jäger konstruierte
im grossen Sitzungszimmer ein identisches Abbild des Zimmers in Form eines 3-D-Modells mit Cinema4D und Adobe After Effects. Gegenstände im Raum veränderten sich in ihrer Grösse, und so standen plötzlich nicht nur acht Stühle um den Tisch, sondern 40 Ministühle in Reih und Glied im Raum. Die Gegenstände schienen allen physikalischen Gegebenheiten zu trotzen; Stühle flogen durch den Raum, der Tisch drehte und veränderte sich in seiner Grösse, und das gesamte Zimmer führte ein munteres Eigenleben. Janine Michel vertiefte sich in ihre Arbeit mit Processing und führte eine Beispielanwendung aus einem unserer Workshops weiter. Es handelt sich dabei um ein generativ gestaltetes Bild eines Baumes in klarer Sternennacht. Der Baum wechselte ständig seine Form; die Äste und Blätter ordneten sich neu an. Fabian Frei vervollständigte die Installation durch die Projektion eines zusätzlichen, nicht real existierenden Raums. Das Bild des grossen Saals aus «Alice in Wonderland» mit verschiedenen Türen zu unbekannten Zimmern und Ausgängen inspirierte Fabian dazu, seine Türe in neuer Dimension zu präsentieren: Die Tür selbst war nur auf Kniehöhe, doch lugte er selbst in regelmässigen Abständen in voller Grösse zwischen Tür und Angel hervor. Mit Filmtrick und Chroma-Keying konnte diese Installation realisiert werden. Die einzelnen Installationen könnten auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher in ihrer Umsetzung sein. Dennoch verbindet sie die Neuformulierung von Raum und Raumvorstellung — deren Verzerrung und Veränderung bildet bei allen sechs Projektionen den konzeptionellen Rahmen.
Peter Bichsel
Parzelle403 Die Parzelle403 hat es sich zur Aufgabe gemacht, jungen Künstlern eine Plattform zu bieten, damit sie sich so in der Kunstszene etablieren können. Die Parzelle403 ist eine Galerie mit Laden, in der in regelmässigen Zyklen Ausstellungen mit Vernissagen stattfinden. Der Fokus liegt auf junger Kunst. In unserem Laden werden T-Shirts des neuen Labels KREIGHTRS angeboten. Die Auflage ist limitiert, und die T-Shirts werden mit Themen und Motiven der jeweils ausstellenden Künstlerin gestaltet. Wie können wir jungen Künstlern eine Möglichkeit bieten, ihre Kunstobjekte und sich selbst in der Basler Kunstszene zu etablieren? Können wir dieser Gruppe eine nachhaltige Plattform schaffen und anbieten? — Dies waren die Überlegungen, die wir uns zu Beginn eines neuen Semesters gemacht hatten. Die Parzelle403 befindet sich in der Altstadt und bietet Raum für eine Galerie, die ein Ort der Begegnung für unsere Besucher ist. Unser Raum wurde so gestaltet, dass die jeweiligen Künstler nicht in ihrer Kreativität eingeschränkt werden. Die Vernissagen erfolgen in einem zweimonatigen Zyklus und unterstehen immer einer vorgegebenen Thematik. Die Auswahl der Künstler, die in der Parzelle ihre Arbeiten ausstellen können, wird auf Empfehlungen oder durch Eigenrecherchen getroffen. Unsere Gäste können gegen einen freiwilligen Unkostenbeitrag bei einem Kaffee die wohl schönste Gasse der Basler Altstadt, das angenehme Mikroklima und die Exponate in der Parzelle geniessen. Die Kunstobjekte können im Laufe der jeweiligen Ausstellung erworben werden; dabei wollen wir uns für «erschwingliche Kunst» für junge Menschen einsetzen. Nach diesem Prinzip zeigen wir auch Siebdrucke und kleinere Objekte und bieten sie im niedrigeren Preissegment an. Mit der Parzelle403 wollen wir dem Klischee der langweiligen und verstaubten Galerien entgegenwirken Niculin Barandun
und durch die jugendliche Art der ausgestellten Kunst unseren Gästen eine neue Möglichkeit bieten, Kunst nicht nur zu betrachten, sondern auch mitzuerleben. Die Parzelle403 sieht sich keineswegs als Konkurrenz zu den zahlreichen anderen Galerien in unmittelbarer Umgebung, sondern vielmehr als eine Bereicherung des bereits bestehenden Angebots und als einzigartiger Ort einer neuen Art der Kunstvermittlung.
POSTHUMANBIGBANG! Das rechtswidrige Herunterladen von urheberrechtlich geschützter Musik im grossen Stil sei die Ursache für die drastisch sinkenden Umsätze, mit denen die grossen Musikverlage seit Beginn des neuen Jahrtausends zu kämpfen haben — heisst es immer wieder. Viele unabhängige Beobachter des Marktes hingegen, aber auch Produzenten, LabelChefs, Veranstalter und Künstler sehen das Problem vor allem in den verkrusteten Strukturen und in den schwerfälligen linearen Prozessen innerhalb dieser Mediengiganten. Der technologische Fortschritt jedoch, insbesondere die mit der Digitalisierung einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen, haben die Art des Musikkonsums und die Musikproduktionebenfalls stark verändert.
Gesellschaft auseinandersetzt. Das Album erzählt auf drei Ebenen Geschichten, die textlich und musikalisch miteinander verbunden sind. Durch das gesamte Werk hindurch spannt sich ein ganzes Menschenleben. Diese Themen und Geschichten werden auch auf visueller Ebene aufgenommen. Das Artwork-Design für PHBB! wird ein Plakat sein, das einen Baum zeigt, der alle Stadien seines Lebens gleichzeitig durchlebt. Musikalisch bewegt sich PHBB! im Rockmusikbereich; klanglich ist es jedoch durch eine vielschichtige Dynamik geprägt, die den erzählten Inhalten korrespondiert. Veröffentlicht wird das Album im September 2010.
Zusammen mit meiner Leidenschaft, Musik zu machen, trug all dies massgeblich dazu bei, dass ich meinem Bruder Patrick Häberli vorschlug, ein Konzeptalbum zu komponieren, zu produzieren und zu vermarkten. Patrick verfügt über viele internationale Kontakte in der Szene der «härteren Gitarrenmusik» und hat sich in den letzten Jahren europaweit als unabhängiger Booker, Konzertveranstalter und Bandmanager einen Namen gemacht. Wir befassen uns beide schon lange mit der «Wertschöpfungskette Musik». POSTHUMANBIGBANG! heisst das von mir produzierte Album. Es steht — von seinem künstlerischen Anspruch einmal abgesehen — im Kontext der oben angesprochenen Entwicklungen in der Musikindustrie: Wir praktizieren ein Gegenmodell zum linearen Produktionsprozess der grossen Musikverlage, indem wir in kleinen, sehr professionellen Clustern mit ebenso fortgeschrittener wie erschwinglicher Audiotechnologie arbeiten. PHBB! ist ein 60minütiges Konzeptalbum, das sich thematisch mit einer durchaus möglichen Zukunft unserer Remo Häberli
Shift Festival - Hot Spots Das Shift Festival der elektronischen Künste bietet Studierenden die Möglichkeit, eigene Arbeiten im Rahmen von «Shift In Progress» zu präsentieren. Zusammen mit Sairah Rizvi — Diplomandin an der Hochschule der Künste, Bern — und Sarah Graf — Diplomandin am Institut Kunst der HGK Basel — war es mir möglich, schon zu Beginn meines Studiums an einem speziellen studentischen Projekt zum Thema «Technologiebeschwörung und Übersinnlichkeitsvermutung» teilzunehmen. Mit Bezug auf Platons Höhlengleichnis stellten wir uns die Frage, ob und wie die Wahrnehmung des Menschen definiert werden kann. Es scheint naheliegend, dass Wahrnehmung und Interpretation der Wirklichkeit äusserst subjektive Empfindung bedeutet. Diese ist bei jedem Menschen verschieden und lässt sich in keiner Form standardisierten und definieren. Die Idee, erkennbare Situationen und Geschehnisse mit einem verfremdenden, aber doch den meisten bekannten Aufnahmeverfahren zu erfassen, bot uns die Möglichkeit, Gewohntes in neuem Licht darzustellen. Der Zwang zum Sinn bei der Wahrnehmung ist so stark, dass sogar dort, wo weder etwas Bedeutungsvolles ausgewählt noch etwas Bedeutsames identifiziert werden kann, die Tendenz besteht, einen Sinn zu konstruieren. Der Audioteil — die Geräuschkulisse — stützt das projizierte Bild. Unsere Wahrnehmungsgewohnheiten werden da gebrochen, wo Bild als eindeutig erkennbare Ereignisebene und Ton als Begleitebene nicht wie uns vertraut präsentiert werden, sondern in direkter Vertauschung funktionieren. Weiter stellte sich uns die Frage, ob und wie sich unsere Meinungsbildung unbemerkt beeinflussen lässt. Durch gezielte Täuschung wird beispielsweise eine komplett andere Wirklichkeit erschaffen, in der inszenierte Bilder in Kombination mit Peter Bichsel
echten Tonaufnahmen die angebliche Realität neu definieren. Dies geschieht nicht offensichtlich. Vielmehr handelt es sich dabei um eine latente Beeinflussung durch äussere Faktoren. Tagtäglich sucht jeder nach Echtheit, Wirklichkeit, Wahrheit, was oft im Stillen geschieht. Doch kaum jemand wird behaupten, sich noch nie Gedanken zu Ungewohntem, scheinbar Unfassbarem gemacht zu haben. Die Installation zeigte dem Publikum mittels subjektiver Kameraführung vier zeitgleiche Handlungen, die nacheinander abgespielt wurden. Wir verwendeten für die Aufnahmen eine thermografische Kamera, um dadurch die Wahrnehmung zu verfremden. Das Raumklangmodell bot dem Zuschauer immer wieder Anhaltspunkte zur Orientierung durch die dafür verwendeten Alltagsgeräusche.
SKATE TO KABUL Als im Internet die ersten Videos auftauchten, in denen man afghanische Kinder in ihren billigen chinesischen Latschen auf Skateboards durch die Gegend flitzen sah, war ich sofort fasziniert. Als Reisender in der Region hatte ich Land und Leute schätzen gelernt, und als ehemaliger Skater kenne ich das mit dem Skateboarden verbundene grosse Gefühl von Freiheit, das ich nun wieder in den Augen dieser Kinder funkeln sah. Skateboardfahren ist nicht bloss eine Sportart, Skateboardfahren ist ein Lebensgefühl. Die Skateboardschule Skateistan in Kabul bietet etwa 240 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen fünf und siebzehn Jahren die Möglichkeit, für kurze Zeit ihren Alltag hinter sich zu lassen und einfach nur Kind zu sein. Skateistan koppelt Skateboarden an Unterricht in Englisch und in der Landessprache Dari, vermittelt Kompetenzen in Gesundheitsfragen sowie in Informationstechnologien und fördert gezielt die Kreativität der Schüler. Unabhängig von ethnischen und sozialen Hintergründen oder Geschlecht können Kinder und Jugendliche das koedukative Angebot nutzen. So gelingt es Skateistan über den Spass am Skaten, den Kindern auch Fähigkeiten für ihre Zukunft zu vermitteln. SKATE TO KABUL ist eine schweizweite Sammelaktion für gebrauchtes Skateboard-Equipment zugunsten der Skateboardschule Skateistan. Diese Aktion ermöglicht Schweizer Kindern und Jugendlichen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen aktiven Beitrag zu einem Hilfsprojekt zu leisten, indem sie Gleichaltrigen in Afghanistan direkt helfen. Über Kennnummern auf dem gespendeten Material können Kinder und Jugendliche der beiden Kulturräume in persönlichen Kontakt treten, um sozusagen mit dem Skateboard über die kulturellen Gräben zu springen. Die Kinder können einander über E-Mail und über webbasierte soziale Netzwerke kontaktieren, aber auch klassische Brieffreundschaften aufbauen. Joel Sames
In der Schweiz fördert SKATE TO KABUL Toleranz und Verständnis für fremde Kulturen und ist so auch für Integrationsprozesse und den Abbau von Vorurteilen relevant. Als Sport vermittelt Skateboarding Werte, die für die Persönlichkeitsentwicklung wichtig sind — schliesslich lernt man beim Skateboarden, nach jedem Sturz wieder aufzustehen und nicht aufzugeben. Der «Go Skateboarding Day» am 21. Juni 2010 war der Auftakt für die Sammelaktion. An diesem Tag sind wir in einer Parade 5’000 Meter — symbolisch für die 5’000 Kilometer zwischen Basel und Kabul — durch Basels Strassen gefahren.
Wer? Wer bin ich? Dieser Frage geht mein experimenteller Dokumentarfilm «Wer?» nach — ein filmisches Selbstporträt. Im ersten Semester gab es eine Vorlesung über Identität. Doch schon in der ersten Studienwoche stellte sich mir die Identitätsfrage: In einem Workshop, den Heike Sperling und Ralf Neubauer leiteten, gestalteten wir Erstsemester ein Selbstportrait. Meine Arbeit, die in diesem Workshop entstand, ist eine Vorstudie zu meinem Video. Ich rief mir unbekannte Menschen an und fragte sie, ob sie mir aufgrund meiner Stimme eine Identität zusprechen könnten. Es war erstaunlich, was sich die Menschen nur aufgrund meiner Stimme alles über mich zusammenreimten. Wie reagieren die Menschen, wenn ich bei ihnen zu Hause klingle und sie frage, wer ich bin, wie ich heisse, was für Hobbys ich habe? Werde ich eine Antwort auf meine Identitätsfrage bekommen? Ich wagte den Versuch. Die meisten waren erst einmal ängstlich, als ich ihnen mit diesen Fragen und mit der Kamera bewaffnet gegenübertrat. <Ist das womöglich ein Einbrecher? Doch weshalb hat er eine Kamera dabei? Was will dieser Mensch?> — solche Fragen werden sich die Interviewten wohl gestellt haben. Es sind Bilder entstanden, in denen ich mich in fremden Menschen spiegle, in denen sich die Menschen in mir spiegeln. Wussten die befragten Personen in meinem Dokumentarfilm, auch die in dem Telefonprojekt, wirklich etwas über mich? Oder sind sie nicht einfach nur Teil meiner Inszenierung? Das, was mir wohl am ehesten eine Identität zuweist, ist das Projekt selbst. Dass ich diesen Dokumentarfilm gemacht habe.
Felix Schaffert
374 - 385 386 - 393
Fotodokumentation im HyperWerk Fotografie-Workshop
Fotodokumentation im HyperWerk Ich befand mich in einem Arbeitsraum. Ein Mitstudent hackte Buchstaben in seinen Computer. Ich dachte über ein Fotoprojekt nach, das das HyperWerk dokumentieren soll. Die Sonne brannte ins Zimmer, blendete mich. Ich schloss die Fensterläden. Sie quietschten und knarrten... Nachts in der Bar. Mit einem Kumpel trank ich ein Bier. Wir kamen auf HyperWerk zu sprechen. Er interessierte sich für den Studiengang. Ich schlug vor, ihm das HyperWerk zu zeigen.
Als ich kürzlich meinte, ein Kabel verloren zu haben, das ich am nächsten Tag für einen Dreh gebraucht hätte, fuhr ich mitten in der Nacht ins HyperWerk und hoffte, es dort zu finden. Was ich nachts und tags im HyperWerk erlebt habe? Sie sind eingeladen, es auf den nächsten Seiten selber zu entdecken.
Trübes Winterwetter. Ich betrat das «HyperHaus», suchte nach einem Arbeitsplatz. Alle Arbeitsplätze, an denen ich mich wohlfühlte, waren belegt. Eine Wendeltreppe führte in ein Dachzimmer. Oben angekommen, erkundete ich das Dachgeschoss. Lauter unbesetzte Arbeitsplätze... Meine Freundin machte letztes Semester ein Bühnenbildprojekt. Nachts rief sie mich an: «Ich habe die perfekten Bühnenelemente in einer Abfallmulde gefunden!» Morgen könnte sie schon jemand anderes geholt haben, fügte sie hinzu. Sie bat mich, mit dem Auto vorbeizukommen und die Elemente ins HyperWerk zu transportieren... Der Bereich, wo sich die Gästezimmer für Gastdozenten befinden, ist verbotene Zone für die Studierenden. Ich fragte einen Dozenten, ob ich mich für mein Fotoprojekt dort aufhalten dürfte.
Felix Schaffert
Gaspard sucht seinen Schl端ssel auf der Empore
Planungszentrum von SKATE TO KABUL
Felix selbst in der K체che der G채stewohnung
Anna ganz oben 端ber dem Videoschnittraum
Aline im Wintergartensaal schaut nach dem Rechten | Fotografiert von Felix Schaffert
Fotografie-Workshop Die ursprüngliche Idee für unsere Jahrspublikation 512 war, durch permanente fotografische Dokumentationsarbeit die Prozessualität des HyperJahres abzubilden. Nach einigen Wochen permanenten Knipsens stellte sich jedoch heraus, dass wir eine Qualitätssteigerung im fotografischen Vermögen der HyperWerkerinnen und HyperWerker benötigten, um mit den Fotos in einem Buch bestehen zu können. Also engagierte das Institut HyperWerk drei professionelle Fotografen, um den Fotografiebegeisterten in drei eintägigen Kursen individuelle Quantensprünge in ihren Fähigkeiten zu ermöglichen. Die drei Kurse fanden um den Jahreswechsel in jeweils dreiwöchigem Abstand statt, und die Profis breiteten ganz unterschiedliche Teilgebiete des fotografischen Universums vor uns aus. Wir bildeten Dreierteams, die im Laufe des Tages mehrmals ausführliche Anleitungen und Feedback zu ihren jeweiligen Prozessen und Zwischenständen bekamen. Ute Schendel ist Spezialistin für inszenierte Fotografie. Wir lernten, auf den Raum zu achten, in dem wir fotografierten; seine Eigenschaften für unsere Bildkomposition zu nutzen; Kleidung und eventuelle Requisiten genau und mit Gründen auszusuchen. Und zum Fotografieren gehört es auch, dass man mal Modell steht und posiert, so dass man erlebt, wie es ist, die Anweisungen des Menschen hinter der Kamera umsetzen zu sollen. Für den Tag mit Beat Presser hatten wir einfach mal das ganze HyperWerkFotoEquipment ausgeliehen und in die winterlich-düstere Zollhalle gebracht, wo wir das Thema der Langzeitbelichtung erkunden wollen und dafür subtile Lichtstimmungen aufbauten und ausreizten, auch mit
Fahrradleuchten und Taschenlampen, obwohl wir doch das ganze Hightech-Zeug dabei hatten — aber manchmal reicht das eben nicht aus, und dann wird improvisiert. Zuvor hatte uns Beat einen Einblick in seine Arbeit gegeben, indem er über ihm wichtige abgeschlossene und ihn begeisternde zukünftige Projekte sprach. Mit Meinrad Schade schliesslich ging es um die Frage, wie man die Momente einfängt, die interessant sind; er sensibilisierte uns für unsere Alltagsumgebung und deren Fülle an Motiven. Darüber hinaus schilderte er uns lebhaft, wie er in seinen Langzeitprojekten die Fotografie als Instrument begreift, Vergangenheit visuell zu vergegenwärtigen. Er hat faszinierende Fotodokumentationen «gebaut» — so muss man das sagen; zum Beispiel über die offiziellen Gedenkrituale in Russland, mit denen man dort das Gedächtnis an den Zweiten Weltkrieg wachzuhalten versucht. Jeder der drei Kurstage machte überdeutlich, dass die jeweils thematisierten Aspekte nur gestreift werden konnten und es jeder/m Teilnehmer/in anheimgestellt ist, wie intensiv es autodidaktisch weitergeht. Aber die allgemeine Richtung, die alle drei Profis uns gewiesen haben, war immer dieselbe: systematisches Ausprobieren; Genauigkeit; geduldiges Abstimmen aller Parameter; keine falschen Routinen; Kritik. An jedem der drei Tage fanden wir uns gegen Abend zu ausführlichen Besprechungen der einzelnen Fotos und Fotoserien zusammen, was ebenfalls sehr lehrreich war und uns nochmals viel über die persönlichen Stile der Drei zeigte.
Lisa Bomsdorf | Ralf Neubauer
Fotografie-Workshop mit Beat Presser | Plexwerkhalle St. Johann in Basel
Fotografie-Workshop mit Ute Schendel | Inszenierte Bilder
Fotografie-Workshop mit Meinrad Schade | Geb채udeaufnahmen
396 - 399 400 - 401 402 - 403 404 - 405 406 - 409 410 - 411
S端dafrika Goldener Herbst Ausflug zur Messerschmiede Besuch beim Kunstschmied Urbane Legenden Ferienzeit
Südafrika
Die Zähne weiss. Weisser als die Weissen — die Schwarzen. Die Wende. Aparte Apartheid — zu Ende. Die Nation ist ganz Regenbogen! Geglättete, die Wogen verflogen. So steht es geschrieben im Buch, das ich finde. Gelinde für’s Kinde — das in der Schule weilt. Geteilt. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Es war einmal, vor langer langer Zeit — die Rassentrennung. Mandela fand viel Anerkennung. Das Drama liegt offen als Wunde. Die Stunde der Heilung liegt fern.
Ja gern! Immer. Ein Schluck heilt alle Wunden. Black Label gefunden. Das Mittel, die Heilung, die fliesst. Das Bier gibt’s hier im Armenquartier. Dort — am sicheren Ort. Wo Gitter und Glassplitter den Mord verhindern. Entspannt in den Polstern liegen — Sich wiegen, Croissants serviert kriegen. Von dunklen Händen gebracht in altbewährter Tracht. Schwarz—weiss und ein wenig rot fühlt es sich an. Rot wie die Erde — die Leiber unter sich weiss. Dann — kontrastgeladene Üppigkeit Weit und breit. Wand an Wand. Am Rand. Oder mittendrin. Ohne Sinn.
Geldverschwendende Bauten Versauten das Landschaftsbild. Wild — Wird gebaut für die Reichen, die nicht weichen Von den alten Sitten. Inmitten oder im — Aus. Aufgebahrte Townships verfallene Hütten Ums Umland herum etwas krumm und verloren Spielt mit dem Betrachter eine Fata Morgana. Cool down, pinke Fasaden und Wände, Sauberes Gelände und innen drin macht nichts mehr Sinn. Das Wasser fliesst langsamer als das Bier hier. Kinder spielen mit einem Stein. Allein — das Stadion, das aus den Townships kotzt, Strotzt vor Geld der ganzen Welt. Und alles gleich nebenan. Neben dingloser Armutsbrut. Fussball tut gut!
Fremd ist diese Stimmung, die so geladen Wie Zwischenraum von rot und grün — Ist die Ampel, die den Weg auf den Hügel freigibt. Beliebt bei denen, die das Geld besitzen. «Achtung — Tod» drohn Schilder — Stromgeladene Gitter vor jeder Adresse. Wo viel zu holen ist. Glitzer der güldenen Käfige der reichen Schicht, Erpicht dass es hier stier wie zuvor mehr Weiss als Schwarz Zu finden gibt. Beliebt ist nur die dunkle Angestellte, die billig putzt und Auch die Uniform trägt, Die noch aus aparten Zeiten stammt. Die Hunde bellen in Wellen Wenn man durch Kurven den Hügel hochfährt. Verkehrt — Imitierte Häuser, die nachts durch die Ritzen glitzern. Kalt windet es dort, wo die Messer gerne in cool down pinkes Fleisch schneiden, Weil sie beraubt der Möglichkeiten...
Lea Baltisberger
Goldener Herbst Morgens um vier Uhr dreissig. Gefühlte minus fünfzehn Grad Celsius — und das zu Beginn des Goldenen Oktobers. Wohl eher ein Herbst aus Pyrit. Der dunkle Rhein unter mir, Tautropfen auf herabgefallenen Blättern auf dem Gehweg, die beim Vorbeigehen im Licht der Strassenlaternen aufblitzen. Ich bin auf einem ausgesprochen rauen Heimweg vom Institut HyperWerk, über die Johanniterbrücke, auf der mir der kalte Wind besonders heftig ins Gesicht beisst, bis hin zum Erasmusplatz. Zu meiner Erleichterung ein eher kurzer Weg. Der Start in das Leben am HyperWerk liegt nun schon einige Tage zurück. Die ersten ECTS- Goldtaler sind gesammelt; ein Thema von zentraler Bedeutung, habe ich mir sagen lassen. Es kommt mir so vor, als wären alle Studierenden nur hinter diesen Punkten her — wie emsige kleine Nagetiere, die ihre Vorräte für den Winterschlaf zusammensuchen. Es gibt aber angeblich keinen Winterschlaf am HyperWerk. Oder werde ich auch noch in diesen verfallen? Ich bin ständig unsicher, dass mir womöglich etwas Wichtiges entgeht, wenn ich von Projekten meiner Kommilitonen höre oder Informationen zu Workshops erhalte, die ich nicht besucht habe. Oft ertappe ich mich dabei, dass ich zu neugierig bin. Ein inneres Mir-selber-auf-die-Finger-Klopfen und eigene Ermahnungen, meine Nase nicht in Angelegenheiten anderer zu stecken, begleiten mich ebenso beständig wie die vorangehende Neugier. Aber braucht es nicht ebendiese Neugier, um weiterzukommen? Es ist kein Sicheinmischen — vielmehr mein Hunger nach neuer Information und neuen Inhalten. Ein innerer Drang, der sich in früheren Leben als Arbeitstier in der gemeinen Arbeitswelt entwickelt hat. Nicht mehr nur funktioniePeter Bichsel
ren, sondern selbst entwerfen und erschaffen. Das ist mein Wunsch. Das verstehe ich unter idealen Arbeitsbedingungen. Das ist es auch, was mich dazu bringt, morgens erst um halb fünf bei klirrender Kälte nach Hause zu gehen und dabei nicht wie bis anhin den Unmut über getätigte Überstunden zu nähren. Vielmehr gibt es jetzt eine innere Zufriedenheit aufgrund von gegebener Gestaltungsfreiheit für meinen Erfindergeist. Unbestritten eine strenge Form von Arbeit. Aber ebenso unbestritten eine Bereicherung meiner Persönlichkeit als HyperWerker. Dies alles lässt den Herbst für mich wieder in vollem Glanz erscheinen: golden, glitzernd, kostbar.
Ausflug zur Messerschmiede 1846 übernahm Johann Ulrich Klötzli die Messerschmiede von der Witwe seines Lehrmeisters und legte damit den Grundstein zur 150jährigen Geschichte der Firma Klötzli. Das Handwerk blieb in der Familie, und heute führt Hans Peter Klötzli die Schmiede in der fünften Generation. Ich durfte DRS1-Reporter Christian Schmid zu einem Interview mit Herrn Klötzli begleiten. Ich tat dies mehr aus Neugier aufs Schmiedehandwerk als aus Interesse am Journalismus; dennoch erhielt ich auch einen interessanten Einblick in den Beruf des Journalisten. In der Erwartung weissglühender Schmiedefeuer sowie dröhnender Hämmer und Ambosse reiste ich nach Burgdorf bei Bern, wo die Schmiede situiert ist. Die Ernüchterung folgte beim Betreten der Werkstatt; sie war vollgestopft mit grossen Schleifmaschinen, Bohrern, Bandschleifern und Poliermaschinen und präsentierte sich nicht als das, was man sich unter dem Begriff «Schmiede» vorstellen möchte. Drei Arbeiter sassen an Maschinen und widmeten sich hochkonzentriert dem Schärfen von Messern und Scheren. Die Luft roch nach Metallstaub, und das Brummen der Maschinen vermischte sich mit dem Kreischen, das entsteht, wenn der Stahl den rotierenden Schleifstein berührt. Nachdem er uns den Zweck der Maschinen erklärt hatte, führte uns Herr Klötzli einen Stock tiefer ins Lager, wo er uns die verschiedenen Stadien der Produktion vom Rohling bis hin zum über 400 Franken teuren Taschenmesser zeigte. Aus gewalztem Stahl werden die Rohlinge ausgeschnitten, die dann in unglaublich präziser Handarbeit geschliffen und zum fertigen Messer weiterverarbeitet werden. Selbst die winzigen Schrauben werden von einer speziellen Firma auf Hochglanz poliert, bevor sie in einem Klötzli-Messer Verwendung finden. Herr Klötzli selbst verglich seine Arbeit mit der eines
Uhrmachers und sprach über Perfektion und handschmeichelnde Eigenschaften. Für den Griff verwendet er exklusive Materialien wie Titan, Perlmutt und Rochenhaut, aber auch Kohlefaser, wie sie in Formel-1-Automobilen verwendet wird. Neben den teuren Klappmessern, von denen er pro Jahr nur etwa 50 Stück produziert, stellt er auch Stiefelmesser und Käsebohrer her. Was mich nebst den Messern selbst besonders faszinierte, war das internationale Netzwerk, das er aufgebaut hat. Seit 1992 arbeitet Klötzli mit dem US-amerikanischen Messerdesigner Michael Walker zusammen, und davor hat er mit dem berühmten Designer Luigi Colani den «Colani-KlötzliNobunaga-Dolch» geschaffen. Klötzli hat die Schweizer Generalvertretung für einige der grössten Messermanufakturen der USA übernommen, und dazu noch die europäische Generalvertretung für die besten Messer aus Pakistan. Herr Klötzli bekannte auch, dass er auf seinen ausgedehnten Geschäftsreisen am meisten über das Handwerk gelernt habe. Zum Schluss verriet er uns noch sein Motto: «Es ist egal, was man macht — aber was man macht, muss man gut machen.»
Moritz Meier
Besuch beim Kunstschmied Im Juni 2010 besuchte ich den Schlosser und Kunstschmied Marc Grélat in Asuel-La Baroche. Zuvor hatte ich bei einem Familientreffen dem Cousin meines Vaters von meinem Interesse für das Schmiedehandwerk erzählt. Daraufhin hatte er mir angeboten, einen Besuch bei seinem Nachbarn Marc Grélat in dessen kleiner Schmiede in Asuel zu organisieren. Als Marc mir ausrichten liess, ich solle Arbeitskleidung und stabile Schuhe anziehen, wusste ich, dass es spannend werden würde. Als wir die Schmiede betraten, hatte Marc gerade begonnen, ein Ganzstahlmesser im Mittelalterstil zu schmieden. Nach 20 Minuten war der Rohling fertig, und wir begannen zu plaudern, was trotz meiner spärlichen Französischkenntnisse recht gut funktionierte. Marc ist etwa 30 Jahre alt und, wie sich herausstellte, durch und durch begeistert vom Mittelalter; später zeigte er mir sogar Fotos von seiner Hochzeit, an der alle Gäste mittelalterlich verkleidet gewesen waren. Als ich nach seinen Arbeiten fragte, zeigte er mir zwei Damaszener Taschenmesser und eine feststehende Damaszenerklinge und erklärte mir, wie er diesen Stahl herstellt. Dann führte er mich in einen Nebenraum, wo er mir sein Materiallager zeigte. Auch Lederarbeiten bekam ich zu sehen, vor allem Rucksäcke, Täschchen und Messerscheiden, alle selbstgemacht in Handarbeit. Ich war sehr beeindruckt von dieser Vielfalt, und auf die Frage, wo er das alles gelernt habe, antwortete er, das meiste habe er sich selber beigebracht, vor allem mit Hilfe von Büchern. Marc arbeitet meist auf Auftrag, aber er arbeitet auch, wenn er gerade keinen Auftrag hat, aus Freude am Handwerk. Zwischendurch stellt er seine Arbeiten aus, wodurch er schon einige Auszeichnungen und Wettbewerbe gewonnen hat. Seine Werkstatt befindet sich im Erdgeschoss seines Wohnhauses, das er erst vor kurzem selbst
ausgebaut hat. Nach dem Gespräch bot er mir an, mich selbst im Schmieden zu versuchen. Er nahm ein Stück Stahl, schmiedete in weniger als fünf Minuten ein kleines Messer und erklärte mir dabei, worauf ich achten musste. Als ich dann schmieden durfte, versuchte ich, Marcs Ratschläge zu befolgen und ihn so gut wie möglich zu kopieren, aber das war schwieriger als erwartet. Als ich nach etwa 15 Minuten fertig war, schien er jedoch recht zufrieden mit dem Resultat. Er gab mir dann die Rohlinge mit nach Hause, mit dem Auftrag, sie zu schleifen. Mittlerweile habe ich ihm wie vereinbart die Klingen zurückgeschickt, damit er sie härten und das Finish machen kann. Der Ausflug zu Marc war extrem spannend und steht in Kontrast zu meinem Ausflug in die Klötzli-Manufaktur. Marc arbeitet im Custom- und im Kunstbereich, Klötzli hingegen produziert für den regulären Markt, wenn auch eher im High-End-Sektor. Ausserdem ist Klötzli eine international etablierte Firma, während Marc gerade erst dabei ist, sich eine selbständige Existenz aufzubauen (siehe auch http:// grelat-marc.ch/). Einblick in diesen Prozess erhalten zu haben, ist ein weiterer Grund, warum sich dieser Ausflug für mich gelohnt hat.
Moritz Meier
Urbane Legenden Ich bin entsetzt und angewidert! Da lese ich eben einen Bericht, dass jeder Mensch mindestens zwanzig Spinnen in seinem Leben isst. Nicht dass wir diese Viecher bewusst essen würden; vielmehr krabbeln sie in unsere offenstehenden Münder, während wir schlafen. Allein der Gedanke daran lässt mich arachnophob erschaudern. Nun stellen sich mir aber zwei Fragen: Stimmt das, und wer um Himmels Willen findet die Zeit, solch eine Recherche zu betreiben? Die Frage, ob diese Aussage stimmt, führt mich direkt in die weite Welt moderner Sagen. Unzählige solcher Grossstadtlegenden halten sich hartnäckig — teils jahrzehntelang — in unseren Köpfen und Überlieferungen. Grund genug für mich, diesen urbanen Legenden etwas genauer nachzugehen. Auch die obige Geschichte gehört in die Kategorie der Ammenmärchen. Ihren Ursprung hat diese Behauptung in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. So kann es wirklich dazu kommen, dass man im Schlaf Ungeziefer verschluckt. Dass aber jeder Mensch an die zwanzig Spinnentierchen in seinem Leben verspeist, ist erfunden, denn Spinnen — zumindest unsere mitteleuropäischen Arten — meiden Feuchtigkeit. 1993 verfasste Lisa Holst, Autorin des PC Professional Magazine, eine Kolumne über die virale Verbreitung von Meldungen im E-Mail-Verkehr. Als Probe aufs Exempel übernahm sie die Spinnen-Folklore und packte sie in einen sogenannten «hoax», eine Falschmeldung, mit der sie zeigen wollte, wie schnell sich solche Meldungen verbreiten können. Und tatsächlich geistert diese erfundene Tatsache nach wie vor durchs Netz. Auch wird sie entsprechend oft weitererzählt, wodurch immer mehr Menschen diese Nachricht für bare Münze nehmen.
Eine weitere Legende geht so: Eine normale CD hat ein Speichervolumen für exakt 74 Minuten qualitativ hochwertiges Audiomaterial. Sony und Philips, welche die CD entwickelt haben, präsentierten anfänglich einen Prototypen von 60 Minuten Spieldauer. Der einflussreiche Dirigent Herbert von Karajan empörte sich angeblich aber bei der Pressekonferenz zur Lancierung des neuen Tonträgers, dass seine Aufführung von Beethovens Neunter Symphonie 74 Minuten dauere und daher dieses neue Produkt untauglich für die Aufnahme sei. Daraufhin soll die Speicherkapazität von den Entwicklern auf die verlangten 74 Minuten erhöht worden sein. Heute ist aber bekannt, dass die betreffende Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern einige Minuten kürzer als die angeblichen 74 Minuten ist. Noch eine andere Legende besagt, dass die Glühbirnen in ihrer heutigen Form mit Absicht so fabriziert seien, dass sie nach einer gewissen Lebensdauer durchbrennen und ihre Funktion als Leuchtmittel niederlegen. Der Leuchtmittelhersteller OSRAM habe schon vor Jahrzehnten eine Glühbirne entwickelt, die praktisch unsterblich sei. Da dieses Produkt jedoch entsprechend nie oder nur selten ersetzt werden müsste, habe man weiterhin die klassische Edison-Birne produziert, um den eigenen Profit nicht zu gefährden. Beelegt wird diese Geschichte gerne mit einer Glühbirnen-Legende aus Livermore, Kalifornien: In der wird erzählt, dass in der Feuerwache seit 1901 eine Glühbirne ohne Unterbruch leuchtet. Diese Glühbirne sei womöglich eine dieser unendlich lang leuchtenden Lampen, die nur versehentlich ihre Produktionsstätte verlassen habe und in den Verkauf geraten sei. „Nachprüfen“ kann man das, indem man sich im Internet den Live-Stream einer Webcam aus dieser Feuerwache ansieht.
Spinat dürfe niemals ein zweites Mal aufgewärmt werden, da sich Giftstoffe bildeten und unserer Gesundheit zusetzten. — Schon meine Grosseltern wussten dies, und meine Eltern lehrten mich ebenfalls diese einfache Küchenregel. Weshalb gibt es aber Tiefkühlprodukte, die bereits gegarten Spinat enthalten? Es ist etwas Wahres dran an dieser Geschichte; jedoch weiss man heute, das sie so nicht stimmt. Tatsächlich können sich aus dem im Spinat enthaltenen Nitrat nach mehrmaligem Aufwärmen Nitrit und krebserregende Nitrosamine bilden, die vor allem Kindern schaden können. Das tritt aber erst ein, wenn man Spinat fälschlicherweise wie Sauerkraut behandelt und ihn mehrmals aufwärmt. So war es früher möglich, dass sich im grossen Familienkochtopf auf dem grossen Küchenherd nach einigen Tagen und stetigem Verzehr des Spinats diese Gifte entfalteten und das Phänomen der Blausucht hervorriefen. Dass dies aber bereits nach einmaligem Aufwärmen geschieht, ist schlicht falsch. Weiter heisst es, dass Kaffee dem Körper Flüssigkeit entziehe und in grossen Mengen ungesund sei. Neue Studien haben dies aber widerlegt. Das im Kaffee enthaltene Wasser darf daher ebenfalls zur täglichen Bedarfsmenge gezählt werden. Zudem wurde in Labortests erwiesen, dass das im Kaffee enthaltene Koffein den Gedächtnisverlust bei der AlzheimerErkrankung ansatzweise stoppt. Diese Substanz vermindert nachweislich das im Gehirn verantwortliche Protein für diese Form von Gedächtnisverlust. Zu guter Letzt sei es sowieso Unsinn, Altglas nach Farbe zu trennen, werde doch das gesamte gesammelte Glas zum Schluss wieder zusammengekippt. Auch dies ist solch eine Peter Bichsel
moderne Sage und ein grosser Irrtum. So kann bei der Verwertung des Altglases als Sekundärrohstoff bereits eine einzige grüne Flasche 500 Kilogramm Weissglas verfärben. Das Gerücht lässt sich wohl auf eine Recycling-Müdigkeit zurückführen; die Folgen sind kostenintensiv. Diese und unzählige weitere Beispiele verdeutlichen, wie wichtig eine gesunde Portions Skepsis gegenüber dieser Art von Weisheiten ist.
Ferienzeit Ende Juli am HyperWerk — Ferienzeit. Ab und an huscht ein diplomierendes NOVE durchs Bild. Die meisten DIECI sind in ihre Diplomthema-Inkubationszeit gegangen und lassen ihre Ideen heranreifen. Einzig Simon Zürcher und Samuel Erdmann sitzen oben im Terrassenzimmer des Bockstecherhofs und machen auf Blogs PR für ihre «Blaupause». Aber wer kann schon Pause oder gar blaumachen? Köpfe müssen rauchen für die Rotationsmaschinen, und deshalb kampiert hier unten im Wintergartensaal die 512-Redaktion: Yannick, Pete und Lisa haben sich mit Kopf- beziehungsweise Ohrhörern in ihren Arbeitsmodus abgeschottet; Ruben brütet mürrisch über einem Buch; allein von Fabian Freis Notebook her flüstert Schlachtenlärm, und er selber grinst grimmig in den Bildschirm. Und ich nehme dieses Idyll zum Anlass, dem Parlament der Dinge im HyperWerk ein paar überfällige Anschläge zu widmen, bevor Regine zum Korrekturlesen kommt. Denn der Bockstecherhof ist ein Konglomerat von Produkten gelungener Gestaltung aus vier Jahrhunderten. Die Parkettfussbodensubstanz etwa scheint kerngesund und übersteht auch unseren bisher elfjährigen Raubbau. Menschen mit kleinbürgerlicher Erziehung wie ich denken sich gelegentlich, dass man in einer Ferienaktion das Parkett mal bohnern sollte: die wunderbaren Kassettenböden in den Zimmern, die Windrosen im Leitungsteamzimmer und auf den beiden Treppenplattformen, mit dem augentäuschenden Neckerwürfelmuster drum herum — übrigens dasselbe wie das im gefliesten Fussboden des Voltaire-Zimmers in Senones — und das schwer abgewetzte Fischgrätenparkett um den Treppenschacht im ersten Stock. Aber vielleicht ist die konservatorische Beflissenheit falsch; immerhin konnte ich in Frankreich ein alternatives Faible fürs nobel Heruntergekommene erwerben.
Die Stühle. Nach meiner Erfahrung gibt es am HyperWerk nur wirklich gute, weil meinem Rücken und mir langes und schmerzfreies Sitzen ermöglichende Stühle. Wo hat man das sonst? Die Thonet-Stühle. Die beigen Charles-und-RayEames-Stühle mit dem braunen Lederpolster; die drei La Fonda-Sessel der beiden; die grauen rollbaren Bürostühle mit der hohen Lehne; die unverwüstlichen Metallrohrstühle mit den braunen Plastiksitzflächen und —rückenlehnen, die zu den kleinen Tischen mit den roten quadratischen Blechplatten gehören; ich mag ja auch die kleinen Klapphocker mit dem kinderbunten Blumenmuster. Die Tische. Oft zusammengeschoben zu grossen Tafeln, darauf ausgebreitet alle nur denkbaren Prozessbrosamen, in rätselhaften Installationen. Das Studium beinhaltet ein Stadium des Sichausbreitens, des Browsens und Scannens, der gleichgeordneten Repräsentation aus grosser Höhe. All diese Möbel sind dermassen zweckmässig, dass sie normalerweise kaum Aufmerksamkeit auf sich ziehen: Man sitzt bequem und kann seine prozessualen Nöte ohne Druckstellen auskosten. Nachts bei hellem Licht, gerne auch mit bis zu tausend Watt Halogen aus den grossen Scheinwerfern auf den Dreibeinen, die die an den Stuckdecken leider doch fehlenden Kronleuchter adäquat modern vertreten. Das nicht nur Funktionale, sondern auch Repräsentative: die mächtigen Mauern mit den tiefen Fensterlaibungen; die Täfelungen; das Schmiedeeisen überall; die beiden stillgelegten, aber noch thronenden Kachelöfen. Die Glyzinie mit den darin nistenden Sperlingen im Innenhof! Das Kopfsteinpflaster daselbst! Hier kann Behaglichkeit nicht zu Gemütlichkeit verkommen.
Ralf Neubauer
414 - 447
Fotohighlights
Assessmentprojekt in Senones | Darstellung von Schwarmverhalten
Assessmentprojekt in Senones | Darstellung von Schwarmverhalten
Annina Witschi (Nove) am Plasmacutter im Innenhof von HyperWerk
Zeichnungen aus dem Workshop ÂŤHandjob: Hand-drawn TypographyÂť mit Jonas Mettler
«Gletscher» von Anna Studer (Undici) | Workshop «The Nature of Sweetness»
«Peace and War» von Janine Michel (Dieci) | Workshop «The Nature of Sweetness»
Workshop Digitalfotografie mit Brigitte F채ssler und Mathias Stich (beide Nove)
Workshop Digitalfotografie mit Brigitte F채ssler und Mathias Stich | Portraits
Workshop Digitalfotografie mit Brigitte F채ssler und Mathias Stich, hier als Modelle
HyperGrillieren zum Semesterbeginn
Gespr채che um das neue und alte Jahr
Staunen im Bochstecherhof - HyperWerk | Delphine der L端fte in Senones | Fotograf Samuel Franklin
| Fotograf Samuel Franklin
Mischa Schaub im Dialog mit einem seiner HyperTiere
OpenHouse-Maschinendemo | Erste Ann채herungen an den CNC-Styroporcutter
Das Gestaltungs- und Redaktionsteam der Jahrespublikation 512
v.l.: Ralf Neubauer (Redaktionsleitung) | Lisa Bomsdorf (Projektleitung und Layout) Yannick Frich (Layout) | Peter Bichsel, n.i.B.: Ruben Salzgeber (Redaktion)
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Plexwerk S端dafrika: Empowerment Von Space09 zu Space10 Senones Zeichnungen: Senones | HyperWerk Innenhof Designkulturen
Plexwerk Im Herbst 2008 nahm das strategische HyperProjekt Plexwerk seine Fahrt auf. Das Vorhaben gedeiht seither prächtig und darf sich seit dem 1. Dezember 2009 in einer ehemaligen Zolllagerhalle im ehrwürdigen Basler St. Johannquartier räumlich manifestieren.
Diplomausstellung des Masterstudios der HGK begleiten die Zeit während der Art Basel in der Plexwerkhalle. Im Herbst 2010 ist zudem eine alternative Herbstmesse geplant, die publikumswirksam das Thema «Instant Spectacular Production» als Forschungsoutput des HyperWerks präsentiert.
Plexwerk versteht sich als experimentelles Begegnungsnetzwerk für Hochschulen, ihre Alumni und Protagonisten aus der Kreativszene und der Wirtschaft, die eine Plattform für den theoretischen Diskurs und die praktische Umsetzung ihrer Ideen suchen.
Alle, die nun neugierig geworden sind, laden wir ganz herzlich zu einem Besuch oder einer Begegnung in der Halle ein. Gerne erweitern wir unser Plexwerk-Netzwerk, schweizoder europaweit, und wir freuen uns über jede Anfrage für eine Partnerschaft, sei diese inhaltlich oder clusterbezogen.
Plexwerk manifestiert sich in regionalen Clustern und möchte inhaltlich bewusst die Transformation von vergangener industrieller Massenproduktion zum sinnlich-theatralisch verkauften Einzelprodukt erkunden. Dafür ist die SBB mit ihren Hunderten von leerstehenden Bahnhofsgebäuden ein idealer Partner — sie ist in der Schweiz Symbol für Pioniergeist und Netzwerk.
www.plexwerk.net plexwerk.posterous.com
Plexwerk basel ist nun als erster regionaler Cluster auf Kurs und sucht aktive Partner, um die Idee eines Kreativparks in den nächsten zwei Jahren zu konkretisieren. Dazu sind grosse Vorbereitungsmassnahmen wie die Gründung eines Trägervereins, das Stellen eines Baugesuches, die technische Aufbereitung der Infrastruktur für Strom und Licht, die Gewinnung von inhaltlichen Projekten und deren Terminplanung, der Aufbau eines Netzwerks und das Finden von Partnern und Sponsoren nötig. Die erste grosse Veranstaltung bietet die Diplomstudentin Viviane Andereggen mit ihrer Theaterproduktion «Dämonen» im Mai. Ein Symposium zum Thema «Transfer. Aufbruch in die Transferzone zwischen Hochschulabschluss und Eintritt in die Wirtschaftswelt» sowie die Benjamin Schmid
Südafrika: Empowerment Wie können Medien — hier Video — gesellschaftliche Transformationsprozesse unterstützen? Indem man Vertreter einer sozialen Gruppe in die Lage versetzt, mit Nachrichten über das, was die Gruppe angeht, möglichst viele in der Gruppe anzusprechen und einen Diskussionsprozess einzuleiten/zu befördern, der dann die Identität und das Selbstverständnis der Gruppe stärkt. Es gibt ein Wir-Gefühl. Die Menschen lernen sich selber kennen und produzieren ein Selbstbild, über das die Anderen sie auch kennenlernen können. «Wie wir es sehen. Wie es sich anfühlt. Was es mit uns macht.» Max Spielmann setzte es sich zum Ziel, mittels partizipativer Videoproduktion den Menschen in Südafrika eine Stimme zu verleihen und ihnen die Möglichkeit zu bieten, das was sie bewegt und beeinflusst, dokumentarisch festzuhalten. Im Zentrum steht hierbei ein Koffer, gefüllt mit den für einen Video-Journalisten notwendigen Utensilien wie einer Kamera oder einem mobilen Videoschnittplatz mit Zubehör — preiswertes und trotzdem qualitativ angemessenes Material. Damit verbunden soll ein Ausbildungsprogramm vor Ort und eine interaktive, virtuelle Lernhilfe in Form eines «VideoGuides» entwickelt werden. Im Spätherbst reiste eine erste studentische Gruppe nach Südafrika. Christina Karrer — Aussenkorrespondentin und Journalistin des Schweizer Fernsehens in Südafrika — unterstützte die drei, Lea Baltisberger, Gaspard Weissheimer und Elie Kioutsoukis, um die ersten wichtigen Kontakte knüpfen zu können. Es kam zu einigen Gesprächen und Präsentationen unseres Vorhabens bei staatlichen Stellen und Institutionen, welche ein offenes Ohr für dieses Projekt hatten. Begeisterung sprang den Studenten immer dann entgegen, wenn sie das kleine Köfferchen mit den technischen Gerä-
ten hervorholten und demonstrierten, was mit einem Budget von knapp unter tausend Franken möglich ist. Es existieren bereits Ausbildungsprogramme in Soweto, dem Township von Johannesburg, in welchen die Teilnehmer das Video-Handwerk erlernen. Unsere Idee wurde auch bei diesen Institutionen positiv aufgenommen, eine Zusammenarbeit ist äusserst denkbar. Ein nicht unerheblicher Teil des Vorhabens baut dabei auf die Tatsache, dass in den Townships, in welchen mehrere Millionen Menschen leben, bereits erste, autonome TV-Stationen ihr eigenes Programm ausstrahlen und damit das Zielpublikum — die Menschen in diesen Wohngebieten — wirksam ansprechen. Nach der Rückkehr der Drei und positivem Erfahrungsbericht gingen wir hochmotiviert daran, das Ausbildungsprogramm, auszuarbeiten. Eine Projektdokumentation für darauf folgende Anträge von Unterstützungsgeldern wurde ebenso intensiv bearbeitet wie die notwendige Vorbereitung für die Umsetzung des Projekts im Bereich der praktischen Realisierung des Videoguides und des VJ-Kits. Im Verlauf der Antragsstellung wurde uns klar, dass dieses Projekt bezogen auf die Region Südafrika bereits zu starke Eingrenzungen mit sich bringt. Eine Ausweitung — sprich eine Verallgemeinerung des Ausbildungsprogramms für partizipatives Video und Video-Journalismus — schien unausweichlich, um die nötige Attraktivität des Unterfangens gewährleisten zu können. Das Projekt wird dadurch weitläufiger. Südafrika als Fallbeispiel jedoch bleibt Schwerpunkt; wir werden im kommenden Jahr bestimmt mit dem gleichen Eifer und derselben Intensität an diesem Projekt weiterarbeiten.
Peter Bichsel
Von Space09 zu Space10 Unter dem Titel Space09 hat HyperWerk den Raum bereits im vergangenen Studienjahr zum Thema gemacht. In verschiedenen Workshops und weiteren Aktivitäten, etwa in einer im Basler Norden durchgeführten Sommerakademie, haben wir uns vor allem mit den Fragen auseinandergesetzt: Wie können wir den Raum in seiner alltäglichen Nutzung, in seinem Charakter als Lebenswelt verstehen, und wie kann gestalterisches Handeln die Produktion von Raum beeinflussen oder initiieren?
bor inzwischen zu einer die IBA begleitenden, institutionell jedoch unabhängigen Einrichtung geworden. — Mit unseren prozessgestalterischen Ansätzen sind wir so, im Sinne intellektueller und konzeptioneller Assistenz, an der Entwicklung der IBA beteiligt. Konzeptionell bringen wir unsere eigenen Positionen zur Nutzung und Gestaltung von Raum ein und verstehen unsere kommunikativen und szenografischen Strategien als Gestaltung eines breiten, trinational ausgerichteten gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses.
In der Region Basel ist Raumentwicklung ein zentrales Thema. Die nun beschlossene Durchführung einer Internationalen Bau-Ausstellung, der IBA Basel 2020, soll für die Region und für den trinationalen Raum Lösungen entwickeln, realisieren und — dies ist eines der Charakteristika jeder IBA — den internationalen Diskurs beleben.
Im Auftrag der IG Trinationaler Lebensraum Basel haben wir eine Konzeption für eine permanente Ausstellung zur Stadtund Regionalentwicklung erarbeitet. Diese soll in mehreren Etappen entstehen, die IBA begleiten und darüber hinaus der physische Ort der Verhandlung und der Entwürfe neuer Lebensräume werden. Das Projekt wird unser Schwerpunkt in der Entwicklung und Implementierung von Exponaten für den Dialog zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteuren in dieser Region. Wie im Hochschullabor steht also auch hier die Gestaltung gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse im Zentrum unserer Arbeit.
HyperWerk beteiligt sich inzwischen in zweifacher Weise am Aufbau der IBA. Ein Hochschullabor soll Hochschulen und Institute aus Architektur, Urbanistik, Raumplanung, Geografie, Soziologie, Kultur- und Geisteswissenschaften an einen Tisch bringen. Damit kann die IBA wissenschaftlich begleitet werden, hier sollen Arbeiten der Hochschulen ausgetauscht und diskutiert werden, hier sollen einzelne Themen, die sich für einen fächerübergreifenden Dialog besonders eignen und die für die Region von grosser Bedeutung sind, vertieft bearbeitet werden. HyperWerk arbeitet seit Beginn am Hochschullabor IBA Basel 2020 mit. Während sich die ersten Zusammenkünfte 2009 zunächst als eine Initiative verstanden, ist das Hochschulla-
Max Spielmann
Senones Was langfristig Bestand haben will, wächst langsam und organisch, entzieht sich der verbreiteten Jagd nach Subventionen. In der «Grande Nation», also in Frankreich, haben wir die Mühsal der Projektarbeit erlebt, sobald sie sich abhängig macht von Förderpolitik. Der Rhythmus der Wahlperioden zerstört vieles, was einen langen Atem braucht.
sche Aspekte. Im etwa zwei Autostunden von Basel entfernten Senones haben wir vor acht Jahren eine prototypische Aufgabenstellung vorgefunden, wie sie in Hunderten von europäischen Städten am Ende der Industriezeit vergleichbar anzutreffen ist: Industriebrache, Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Lethargie.
Senones hat uns Prozesserfahrung in einem anderen Kulturraum ermöglicht. Wir haben erfahren, wie Frankreich von Regeln, Werten und Strategien geprägt wird, die sich von denen der Schweiz drastisch unterscheiden. Förderung ist von ihrer politischen Verwertbarkeit abhängig; zeremonielle Grundsteinlegungen sind beliebt, während Basisarbeit kaum je als förderungswürdig erachtet wird.
Im Herbst 2002 entwickelte HyperWerk eine Rahmenhandlung von sieben Modulen und stellte sie dem Gemeinderat als Anregung vor, wie Senones mittelfristig aus seinem Schockzustand erwachen und sich in Eigendynamik zu einer beispielhaften Forschungsplattform entwickeln könnte. Seither hat unser Institut eine 200 Quadratmeter grosse Arbeitswohnung in der Klosteranlage gemietet, die den Studierenden für die teamorientierte Projektarbeit zur Verfügung steht und rege genutzt wird.
Unser Engagement in Senones hat Projekte auf unterschiedlichen Ebenen verfolgt — vom informellen Probelauf bis zur staatlich geförderten Einrichtung eines Seminarhotels in ehemaligen Büroräumen einer Textilfabrik, die zweihundert Jahre in der Klosteranlage produziert hatte, von der hier die Rede ist. Heute, nach etwa acht Jahren, kann man feststellen, dass die kleinen, politisch kaum verwertbaren Massnahmen gegriffen und eine vitale Eigendynamik entwickelt haben, während die staatlich oder durch Stiftungen geförderten Massnahmen wieder eingeschlafen sind. Erfolgreiche Aktionen und Gründungen sind ein Theaterverein mit Biennale, ein beliebtes Internetcafé, unsere Massnahmen im Bereich der Jugendarbeit und eine CNC-Werkstatt. HyperWerk befasst sich mit dem Übergang von der Industriegesellschaft in eine postindustrielle Realität. Die behutsame Gestaltung dieser Transformation beinhaltet soziale, ökonomische, gestalterische, bildungspolitische und technologi-
Um dem Vorhaben ausreichend Antrieb und auch Glaubwürdigkeit zu verleihen, wurde der Umbau der Klosterzellen und der Prachtwohnung des Abts betrieben. Der von uns gegründete Verein salm2 konnte die gesamte Abtei für zwanzig Jahre zum symbolischen Mietpreis von 100 Euro pro Jahr mieten. Als Sarkozy gewählt wurde, kam auch das Versprechen in die Kleinstadt, in den nächsten Jahren circa 20 Mio. Euro in die Abtei zu investieren; um der Gemeinde den dazu benötigten Handlungsspielraum zu verschaffen, haben wir ihr den Gesamtmietvertrag zurückgegeben, sodass HyperWerk jetzt bloss noch seine Arbeitswohnung verantwortet. Zu unserem unternehmerischen Stolz sei vermerkt, dass wir mit schwarzen Zahlen abgeschlossen haben. Das Geld aus Paris ist bis heute noch nicht in Senones eingetroffen, doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Mischa Schaub
Designkulturen Ein Projekt und ein Jahresthema für 2012 Der Jahrgang Undici hat in den vergangenen Wochen intensiv über sein Jahresthema für das eigene Abschlussjahr 2012 diskutiert. Noch gibt es keinen Titel die thematische Ausrichtung bewegt sich aber im Bereich eines Projektes, das am HyperWerk als inhaltlicher Schwerpunkt bereits durch einzelne Veranstaltungen positioniert wurde. Dieses Projekt heisst ttt - travel trains talent und befasst sich als Forschungsprojekt mit der Frage von Designkulturen jenseits des «digital divide». Die Projektidee ist aus der Beobachtung entstanden, dass neue Ansätze, Produkte und Perspektiven auch im Design vor allem aus kulturellem Austausch und Mobilität entstehen. Andererseits jedoch werden die von einzelnen Studierenden im Verlauf ihrer Ausbildung, zum Beispiel in einem Auslandspraktikum gemachten Erfahrungen nicht in den Unterricht integriert. Dies steht nicht nur im Widerspruch zur Internationalisierung von Designteams, sondern gibt auch Aufschluss über ein Designverständnis, das am globalen Geltungsanspruch der Industrienationen festhält und damit der kulturellen Vielfalt entgegenarbeitet. Dies ist die Ausgangslage für unseren Vorschlag, inhaltliche Aspekte von ttt als Jahresthema der Undici 2012 zu realisieren. So können Projekte entstehen, die sich auf unterschiedlicher Ebene und in unterschiedlichen Bereichen mit der interkulturellen Entwicklung von Design bzw. Gestaltung befassen — sei es als ein Produkt, sei als ein Ausbildungsthema, sei es im kommunikativen Bereich. Geplant ist ausserdem, dass Studierende während eines Auslandsemesters, das sie mit einer konkreten Projektidee antreten, begleitend zu ihrer
Arbeit am Projekt auch eine Dokumentation ihrer fachlichen und (fach-)persönlichen Entwicklung in dieser Zeit erstellen. Unterstützt wird unser Projekt ttt durch internationale Forschungspartner, die ihr Expertenwissen und ihre Kontakte zu ausländischen Hochschulen einbringen. Mit der Diplomausstellung 2012 soll — neben einer Ausstellung, neben den diplomspezifischen Publikationen, neben weiteren denkbaren und noch zu entwickelnden Aktivitäten — auch eine Publikation entstehen, die neben den Beiträgen von Studierenden den Gesamtprozess dokumentiert, evaluiert und interpretiert. Damit werden die Projektergebnisse den Hochschulen für Gestaltung und Kunst zur Verfügung gestellt und können für eine weitere Diskussion über die Veränderungen der Designausbildung fruchtbar gemacht werden. Die Evaluation liegt in der Verantwortung des Forschungsprojekts ttt. Zu den Projektbeteiligten gehören Catherine Walthard und Regine Halter in Zusammenarbeit mit den inzwischen ehemaligen HyperWerkerInnen Anka Semmig und Karin Wichert. Neu dazugekommen sind Ralf Neubauer und der Undici Peter Bichsel. Die Diskussion der Undici im dreamlab, jener studentischen Einrichtung, in der jeder Studienjahrgang am HyperWerk jahresthematische Entwicklungsarbeit leistet, hat es verstanden, das Projekt ttt als einen gedanklichen Horizont aufzugreifen, in dem das eigene Jahresthema für 2012 positioniert sowie anschaulich und überzeugend gestaltet werden kann.
Regine Halter | Catherine Walthard
464 - 465 466 - 467 468 - 473 474 - 493 494 - 495 496 - 497 498 - 499
Hochschule und Wissensgemeinschaft Alumni und Kreativpark HyperHistoire ÂŤselect_startÂť Generation Digital Produktion und Konsumption Technologie und Globalisierung
Hochschule und Wissensgemeinschaft Wissensbegriffe von Hochschulen, Fachhochschulen und von einzelnen Fachbereichen unterscheiden sich, und deshalb wollen wir hier Farbe bekennen: Wir fragen pragmatisch, durch welche Massnahmen unsere HGK zum Kern einer vitalen Wissensgemeinschaft heranwachsen könnte, die Neugierde, Austausch und Experiment fördert. Betrachten wir zunächst die Ausgangslage: Da ist eine mit erheblichen Mitteln und der Vielfalt von etwa zehn Instituten ausgestattete Hochschule für Gestaltung und Kunst, die in naher Zukunft auf ein Campusgelände verlegt werden soll. Dies geschieht in der Hoffnung, dass durch den Zusammenzug bisher dezentral geführter Institute mehr Austausch und eine bessere Ressourcennutzung möglich werden. Im virtuellen Raum der Internet-Wissensgemeinschaften finden wir eine kulturraumübergreifende Eigendynamik am Werk, die dank bravourös beherrschter Technologie gemeinschaftlichen Interessen zu entsprechen vermag. Die Versuche der Hochschulinformatikabteilungen, der vermeintlichen Konkurrenz der offenen Wissensgemeinschaften durch die Schaffung institutseigener Wissensmanagementsysteme entgegentreten zu wollen, sind so verbreitet wie erfolglos. Weil dieser Ansatz so offensichtlich scheitert, bauen jetzt immer mehr Bildungsinstitutionen ihre Informatikabteilungen ab und ziehen mit ihrem Wissen in die sogenannten Clouds um, die Microsoft, IBM und Google den Hochschulen in der Regel kostenlos anbieten. Diesen Weg beschreitet HyperWerk gegenwärtig, was als Grossversuch für den Umzug auf den neuen Campus gedacht ist. Die ersten Auswirkungen dieser Neuorientierung sind ermutigend.
Die Frage drängt sich auf, was denn überhaupt noch die Rolle einer Hochschule sein kann, wenn sie sich als Wissensgemeinschaft wolkenartig aufzulösen beginnt. Diese Frage stellen sich wohl auch die VerfechterInnen der Campusidee, die die unaufhaltsame Erweiterung der institutionellen Systemgrenzen durch eine physisch-räumliche Eingrenzung kompensieren wollen. Dieser Abwehrkampf dürfte zum Scheitern verurteilt sein — eine Hochschule müsste sich vielmehr fragen, durch welche Massnahmen sie ihre erheblichen Ressourcen für den Betrieb einer einzigartigen und weithin sichtbaren Wissensgemeinschaft ausspielen könnte. Prüfenswert wären da Alternativen zum Campusprinzip — beispielsweise sollte eine physische Erweiterung der Systemgrenzen durch internationale und regionale Ableger erwogen werden, oder auch die Schaffung eigener und die Ansiedlung fremder Gastinstitute. Wir träumen von einer Hochschule, die es wagt, sich als ein offenes zelluläres System zu verstehen, das rhizomartig wuchernd den Wissensgemeinschaften vielerlei Austauschformen und eine dezentrale Heimat anbieten will. Die Entwurfsarbeit an dieser sozialen Plastik wäre einer Hochschule würdig, die ihrem Anspruch gerecht werden will.
Mischa Schaub
Alumni und Kreativpark Alumni (das ist der Plural vom männlichen Alumnus) sind im angelsächsischen und deutschen Sprachraum ehemalige Auszubildende (oder besser: inzwischen Ausgebildete) einer Schule oder Hochschule. Die weibliche Form des Alumnus ist die Alumna. - Der Begriff Alumni wird heute insofern verwässert gebraucht, als er auch für ehemalige Mitarbeitende von Firmen verwendet wird. (Das alles kann auch auf Wikipedia nachgelesen werden.) Die Ehemaligen einer Hochschule sind im europäischen Kulturraum eine bisher meist wenig beachtete, fast vergessene Ressource. Im angelsächsischen Raum jedoch werden sie als reich an wirtschaftsnaher Erfahrung und Beziehungen und zugleich als bestens mit den institutionellen Belangen ihrer ehemaligen Hochschule vertraut erkannt. Die logische Folge daraus kann auch für uns im europäischen Kulturraum nur sein, die Alumni zu pflegen und zielorientiert wieder in die Hochschule einzubinden. Idealerweise stellt sich für Alumni und Hochschule eine sich gegenseitig befruchtende Win/Win-Situation ein. Die Hochschule kommt so zu motivierten und auch praxisnahen Dozenten, zu interessierten Mentoren und Coaches für die Studierenden. Diese profitieren von den Netzwerken der Alumni-Organisation, den entsprechenden Weiterbildungsmöglichkeiten und haben einen erfolgreichen Start ins Berufsleben. Die Ansprüche der einzelnen Gruppen an eine AlumniOrganisation werden daher vorgängig eruiert, genaustens analysiert und nach Möglichkeit auch erfüllt. Eine erste Massnahme dazu läuft bereits an: Mit dem Projekt Plexwerk bieten wir eine Plattform, die den Diskurs über das Spek-
trum von Tätigkeiten nach dem Studium intensivieren soll. Dabei geht es darum, den aktiven Studierenden einen experimentellen Raum zur Verfügung zu stellen und die Grundlage für Projekte für die Zeit nach dem Studium zu legen. Hier hat Plexwerk den einmaligen Vorteil, einen Zwischenraum zu füllen, der in der Regel nicht im Blickfeld der Hochschulen liegt. Die inhaltlichen Strategien von Plexwerk zielen darauf ab, die Verbindungen des studentischen Alltags zur Aussenwelt zu intensivieren. Dazu gehören Vernetzungen mit anderen Hochschulen und — ganz wichtig — der Einbezug von Alumni als wertvollen Erfahrungsträgern beim erfolgreichen Übertritt in die Berufswelt. Zudem sind die Alumni eine Reflexionsebene für die von der Aussenwelt häufig abgeschirmte Hochschulsituation. Der Bezug zur Kreativwirtschaft ist gewollt, und wir halten auch deshalb aktiv Kontakt zu den Alumni von HyperWerk. Bis jetzt und in der erst kurzen Lebenszeit von Plexwerk manifestierte sich diese Haltung bereits durch gegenseitige Auftritte an Veranstaltungen und durch die gegenseitige Bereitstellung von Material und Infrastruktur. Strategisch wollen wir in den nächsten Monaten die Alumni gezielt ansprechen, und zwar im Rahmen von Workshops sowie als mögliche Partner oder Initianten von Projekten und Veranstaltungen in der Zollhalle St. Johann. Das Netzwerk soll wachsen und so die Neugier aufeinander anregen. Dazu setzen die Betreiber von Plexwerk auch stark auf den Austausch mit dem im Aufbau begriffenen Alumni-Netzwerk von HyperWerk.
Patricia Käufeler | Benjamin Schmid
HyperHistoire «A noir, E blanc, I rouge, U vert, O bleu : voyelles, je dirai quelque jour vos naissances latentes.» Arthur Rimbaud, 1854-1891 Wisteria, pâle violet avec reflets de beige La glycine s’enroule autour de la grande grille du portique d’entrée. Même en hiver un léger mauve la caractérise. Longtemps nous l’avons laissée pousser; elle avait formé d’avril à juin un lourd et odorant rideau de grappes fleuries et en été des lianes de feuilles vertes. Quand cela a commencé à devenir difficile d’ouvrir et de fermer la grille un jardinier est venu la tailler, depuis 2002 c’est lui qui s’en occupe et maintenant la grille ouvre et ferme en harmonie avec la glycine. D’ailleurs au début tout était ouvert à HyperWerk, nous représentions une école nouvelle, différente et expérimentale. Eté 2000 nous avons découvert avec désagrément et tristesse qu’il fallait s’occuper de notre sécurité: dans la nuit un certain nombre d’ordinateurs, d’écrans, de portables et de caméras avaient été cambriolés. C’est à ce moment que nous avons instauré un système performant avec des cléschips Easykey pour tous. Ainsi qu’un portique qui s’ouvre et se ferme par sonnerie interposée. Bien qu’avec ce dernier système il semble que la plupart des visiteurs ne le comprennent pas et restent plantés interrogativement devant la grille. Très prochainement cela va être pallié par un projet estudiantin, ce sera sûrement un joli travail d’artisanat combinant matériaux et communication visuelle. Une autre mesure de sécurité a été au rez-de-chaussée la construction d’une grande porte de coffre-fort pour une minuscule pièce où nous stockions nos servers et maintenant toutes nos publications. Cette porte blindée a un hublot, à l’époque de sa mise en place en 2001 nous voulions y projeter le personnage
de Freeze Willy, créé pour une installation interactive lors d’un workshop avec une illustratrice de San Francisco. Dommage cela ne s’est jamais réalisé, par contre l’installation elle, a connu un joli succès public. HyperWerk n’est pas devenu un château fort, loin de là. Tous ceux qui y étudient et travaillent y accèdent jour et nuit, à tout moment de l’année. Plus de 250 étudiants, plus de 300 professeurs invités, une trentaine de collaborateurs, les enfants des uns et des autres, quelques chiens. Sans compter les innombrables visiteurs, amis, famille, curieux qui viennent lors d’événements comme les portes ouvertes, les fêtes de diplôme, les expositions, etc. HyperWerk n’est peut-être plus si nouveau, mais toujours différent, expérimental — et la glycine, au moment de ce texte, bourgeonne follement. Acajou, brun-roux soutenu Telle une vague baroque, dès l’entrée, apparait l’immense escalier patricien. Avec le temps les marches se sont affaissées, les gravir ou descendre c’est comme tanguer sur un paquebot. Cet escalier est la colonne vertébrale du Bockstecherhof, maison principale de HyperWerk. Il relie bureaux, salles de cours et de projets, ainsi qu’ateliers d’électronique et de vidéo. Il a longtemps servi de galerie où des travaux étaient exposés. Pour cette utilisation nombre de différents systèmes d’accrochage ont été inventés. Notamment en 2005 un avec pleins de vis réparties sur trois murs formant une grille complexe permettant d’accrocher avec des pinces métalliques divers formats. Avec le temps des vis se sont décrochées, d’autres sont apparues décalées, des matériaux se sont
rajoutés et cette grille au départ régulière s’est transformée en toile organique jusqu’à ce qu’il ne reste plus qu’une multitude de trous. En 2009 la cage d’escalier a été rénovée et repeinte. Maintenant les murs sont blancs, vides, c’est beau et calme. L’escalier sert aussi de plateforme pour déclamations performatives ou pour introductions à des visites guidées de toutes sortes. A l’occasion de HyperFiesta, célébration réussie en septembre 2006 à la fois du diplôme des Sei et du début de semestre, l’entre étage de l’escalier s’est transformé en bar-autel filtrant les allées venues aux étages tout en étant un test d’équilibre après consommation alcoolisée extensive. Très souvent l’escalier sert tout simplement de station: quelqu’un attend quelqu’un ou quelque chose, ou bien regarde les images projetées sur un grand écran plasma. Depuis 1998, année fondatrice de HyperWerk, l’histoire de cette école est documentée par des milliers de photos, et des heures et des heures de films. C’est aussi une histoire d’outils: aux petits formats des débuts des caméras digitales succèdent des qualités miniaturisées impeccables. La documentation c’est notre mémoire, notre journal de bord et notre vitrine représentative. Nous avons expérimenté un grand nombre de systèmes d’archivage, de compétences et de rôles. A ce sujet, en 1999, notre directeur voulait transformer toute l’école en un vaste Big Brother: des caméras et des écrans partout. Tout serait filmé et retransmis en direct, aussi comme émission publique! Le titre aurait pu être «Une école en devenir : drames et joies». Mais le team à l’unanimité était contre et comme notre directeur accepte les décisions de groupe cette idée n’a pas pu se réaliser.
Entretemps cela ne semble plus si incongru car la téléréalité est entrée dans les mœurs et l’intimité se reconstruit ailleurs et différemment. Ce matin nous avons eu la visite d’artistes et d’enseignants d’un institut d’art visuel de Shanghai. Comme beaucoup de visiteurs qui viennent pour la première fois et qui pénètrent dans le bâtiment, ils se retrouvent face à cet escalier tel une promesse expectative de découvrir le secret de ce qui se passe au-delà de ces marches. Nuit, bleu profond tirant légèrement sur le violet C’est à la nuit que HyperWerk offre les murmures de son passé. Celui lointain du Totentanz avec la construction au 12ème siècle du monastère des dominicaines, vaste domaine éclaté au gré des siècles et dont l’ancien cimetière est sous le parc bordant le Bockstecherhof. Un tunnel aurait été construit pour relier discrètement les religieuses au monde extérieur et inversement. Il semble que sur les premiers plans de construction son emplacement soit marqué, et qu’il passerait sous notre école vers la petite ruelle à l’arrière. Aucune fouille jusqu’à ce jour n’a pu le prouver. Des bruits courent qu’au siècle passé un trésor ait été enfoui quelque part dans les soubassements du Bockstecherhof. C’est là où se trouve actuellement notre cave, ancienne discothèque qui a connu ses heures de gloire entre les années 80 culture club of art & music et entre les années 90 avec Bimbotown, maintenant nous ne l’utilisons plus que pour expérimenter des prototypes de projection et stocker du matériel encombrant.
Beaucoup plus crédible est la présence d’un fantôme, un seul. Dès le début de HyperWerk en mars 1999, avant même l’arrivée des Uno, première promotion pionnière, nous avons remarqué la nuit une présence discrète mais quelque peu dérangée par notre arrivée : portes qui se ferment, lumières inexplicablement allumées puis éteintes, murmures et bruits de pas alors que nous nous trouvons ensemble dans une même pièce. Ce qui au départ aurait pu être inquiétant s’est transformé en une coexistence tacite bienveillante. Etudiants et employés, ainsi que les professeurs invités qui logent dans notre appartement sous les combles, ont tous, à un moment ou l’autre, remarqué la nuit ces phénomènes. Mais savoir qui est-ce, ça c’est une autre question, la nuit étant devenue le refuge des étudiants. De ceux qui recherchent le calme pour aborder la complexité de la programmation, qui, une fois mis en contact avec la fascination du code, ne peuvent plus le lâcher avant de ne pouvoir se l’approprier pour transformer une pensée abstraite en images, couleurs et mouvements. Long apprentissage. Notre école a souvent une fenêtre allumée en pleine nuit, quelqu’un quelque part écrit, calcule, dessine, bricole, termine les ultimes phases d’un projet. Le silence y est propice, l’obscurité un cocon et la liberté entière. Les cours ne commencent qu’à neuf heures, la boulangerie ouvre tôt et les étudiants disposent d’une douche pour se rafraîchir les idées à l’aube. Le travail accompli dans la nuit est profond, concentré et reste un moment particulier dans une biographie d’études. Références : Wisteria, RGB 6666CC — Acajou, RGB 88421D — Nuit, RGB 0F056B http ://pourpre.com/chroma
Catherine Walthard
«select_start» «select_start» 1: Möglichkeitsraum Manchmal durchlebt man eine Situation, in der vieles selbstverständlich wirkt und wie von allein zusammenkommt. HyperWerk ist aus solch einer Konstellation hervorgegangen, nämlich aus der Euphorie des ersten digitalen Aufbruchs zur Jahrtausendwende. Doch die Zeiten wandeln sich, und man muss ihre offenen Türen immer wieder neu suchen und durchschreiten. Dies versuchen wir mit unserer Selbstorganisation entlang von Jahresthemen — um so als Institution auf glückliche Konstellationen flexibel reagieren zu können. Solch eine attraktive Möglichkeit hat sich dank der zum Studienjahr 2009/2010 frisch angetretenen Direktion der HGK ergeben, die uns zum Ende dieses Studienjahres allerdings und leider wieder verlässt. Sie hat sich nämlich für eine Strategie entschieden, die den Übergang zwischen Hochschule und Wirtschaft ins Zentrum stellt, was auch eine intensivere Einbindung der Alumni erfordert. Davon beflügelt hat sich HyperWerk dazu entschieden, mit dem kommenden Jahresthema «select_start» den eröffneten Freiraum zu nutzen. Möglichkeitsräume benötigen jedoch mehr als nur eine Dimension: Sie falten sich auf durch Überlagerung mehrerer Faktoren, und dazu gehört in den letzten Jahren oft die Ebene der Medientechnologie. Mit dem sogenannten Cloud Computing zeichnet sich hier eine Bewegung ab, durch die das Ressourcennetz von «select_start» überhaupt erst möglich wird. Soeben sind wir deshalb im Begriff, unser wolkenartiges neues Intranet aufzuschalten, das uns auch Einstiegserfahrungen mit Interaktionstechnologie für «select_start» eröffnen soll. Und bereits jetzt hat uns dies die Umbenennung unseres
zukünftigen Netzwerks zur «Business Cloud» gebracht. Die Interaktionsmittel sind hinreichend leistungsfähig geworden, um Problemlösungsteams kurzfristig aufzubauen und koordiniert vorgehen zu lassen. Die dritte Dimension des Möglichkeitsraums von «select_ start» sehen wir in der aktuellen Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Schwarms. Die These dazu lautet, dass viele einfache Leistungen in der Kooperation zu komplexem, überraschendem und flexiblem Verhalten führen könnten. Fassen wir das zusammen: «select_start» will solch eine gesellschaftliche Schwarmthese mit dem Cloud Computing im Kontext der HGK-Strategie verbinden.
«select_start» 2: Vorgeschichte und Claim Kurz vor dem Beginn des Studienjahrs 2009/10 war ich bei Freunden zum Essen eingeladen. Sie fragten mich, was für ein Jahresthema ich den Studierenden vorschlagen wolle, und da redete ich wenig präzise über Postindustrialität und Konsum und neoanaloge Maschinen und Performance und Theater, und dann haben die mich zuerst mal ausgelacht. Das sei doch alles durchaus fragwürdig und unklar; was jedoch wirklich aufregend und einzigartig sei, das sei die unglaubliche Tatsache, dass der Freiraum von HyperWerk in der Bildungslandschaft gedeihe. Und dies den Studierenden zu vermitteln, dass man solch ein Unternehmen hochziehen könnte, das sei meine wichtigste Rolle als Institutsleiter. Und damit hatten diese Freunde natürlich recht. Die provokante Qualität von HyperWerk wirkt anarchisch: Dass man dank der heutigen Werkzeuge zur Kommunikation und Produktion seine eigenen Formen und Strukturen erfinden, gestalten
und durchsetzen kann, und dass dies auch hier und jetzt geschehen kann. Wie das geht, das lernt man bei uns — damit aus diesem brisanten Potenzial eine engagierte Form hervorgehen kann, setzen wir auf Kontextualisierung. Diese beruht weniger auf einer säuerlichen Ethiklehre als auf der vielfältigen und durchaus auch widersprüchlichen Erfahrung unserer interdisziplinären Projektteams. Die Hoffnung, dass unsere Institution Sinn macht, finden wir dann eingelöst, wenn wir gemeinsam etwas Extremes und Einzigartiges schaffen, das niemand von uns alleine so hätte erreichen können, und dazu haben wir das Prinzip von Jahresfragen erfunden. Ein Jahresthema hat jedoch auch durchaus pragmatische Funktionen: Es soll den Beteiligten ermöglichen, in der Welt besser vorzukommen, sich dadurch zu stärken und die eigene Sichtbarkeit weiter zu steigern. Und, wenn alles optimal läuft, soll es auch die Chance eröffnen, sich an etwas zu beteiligen, das längerfristig nützen kann. Ein Jahresthema, das seinen Namen verdient, sollte also als Selbsthilfeprogramm und Auftrittsplattform wirken. Ebenfalls sollte die Gelegenheit zum einzigartigen Lernen genutzt werden — beispielsweise zum Erlebnis von Zusammenarbeit in parallel arbeitenden Teams, die einander gegenseitig stärken. Die Erfahrung der damit auslösbaren Dynamik ist so wichtig wie im Geschäftsleben selten erfahrbar.
«select_start» 3: Absicht und Kontext «select_start» will das wachsende Netzwerk von HyperWerk als herausragende Qualität unseres Instituts ausspielen, pflegen und erweitern. Das soll durch den Aufbau eines dezentralen Designparks im Kraftfeld postindustrieller Nachhal-
tigkeit und durch die Gründung von eigenen Firmen und unternehmerischen Strukturen zwischen Design, Produktion, Verkauf, Technologie und Schulung geschehen. Wir wollen also gemeinsame Erfahrungen beim Aufbau und Betrieb einer «ortlosen Heimat» machen, in der wir uns, auch nach dem Studium, immer und überall aufhalten können. Wir suchen Partner, Gelder, Räume, Kunden und viel mediale Aufmerksamkeit. Insbesondere wollen wir unsere Diplomprojekte im Hinblick auf ihre wechselseitige Nützlichkeit befragen und gestalten. Diese Zielsetzung zur pragmatischen Solidarität klingt selbstverständlicher als sie sich wohl umsetzen lassen dürfte: ein weiterer Grund, dieses einmalige Experiment einer unternehmerischen Prozessgestaltung zu wagen. Wenn man solch eine Aktionsstruktur mitgestaltet, bekommt man ein unternehmerisches Rüstzeug, das sich auf vielen Lebenswegen als hilfreich erweisen wird. Und wenn sich aus diesem Lernprozess dann auch noch ein engagementwürdiges Vorhaben oder gar persönliche Chancen zur eigenen Unternehmensgründung ergeben, dann sollte man solch ein Angebot ergreifen. In den nächsten Jahren dürften sich etliche Umstände in der regionalen Designszene erheblich ändern. Fragen der Globalisierung, der Ökologie und Technologie werden sich konturierter stellen, und die Prozessgestaltung von interdisziplinären Projektteams wird sich durchsetzen. Wenn wir unsere einzigartige Ausgangsposition, unseren Erfahrungsvorsprung und unsere Teamstruktur jetzt richtig nutzen, haben wir beste Karten. Diese wollen wir öffentlich sichtbar ausspielen, damit wir alle etwas davon haben — nämlich etwas gewagt, etwas gelernt und auch etwas erreicht.
«select_start» 4: Einstieg in den Pilotbetrieb Im Idealzustand wirkt eine FH als Ideenwerkstatt auf der Passhöhe zwischen Theorie und Praxis, von der man als JungunternehmerIn nach dem Diplom nicht sang- und klanglos weggeweht werden sollte. Und auch die Hochschule soll nicht verlassen zurückbleiben müssen, wenn ihre Kinder flügge geworden sind. Vielmehr gilt es, den Eintritt ins Wirtschaftsleben möglichst schmerzfrei und zur allseitigen Bereicherung zu gestalten. Das heisst, die begonnenen Netzwerke sollen nicht nur erhalten, sondern mit einer wachsenden Vielfalt an Weltbezügen ausgebaut werden. Dazu wollen wir Partner aus befreundeten Instituten und aus der Kreativindustrie suchen, Allianzen schmieden und Ressourcen erschliessen. Es gilt, unsere Transferzone als prototypische Forschungs- und Arbeitsstruktur der Wissensgesellschaft zu positionieren, die immer noch Bestand haben soll, wenn die heutigen Formen von Hochschulen und Unternehmen verschwunden sein werden. Es geht darum, das vielbeklagte Problem des Übergangs von der Hochschule zur Wirtschaft als einzigartiges Feld für engagierte Konzeptarbeit zu begreifen und zu nutzen. Und als Nebeneffekt unseres Pilotprojekts erhoffen wir uns auch eine anregende Wirkung für den Dreispitz-Campus, auf den wir uns besser aktiv vorbereiten sollten, da wir in vier Jahren dorthin umziehen. Klar ist, dass ein gewagtes Vorhaben wie «select_start» auch eine besondere Kultur im Umgang mit Freiheit braucht sowie entsprechende Spielregeln und Strukturen benötigt — diese durchdachte Basis wollen wir entwickeln, erproben und optimieren. Und deshalb wollen wir uns auch mit dem Ent-
wurf von juristischen Regelwerken, mit Auftrittsformen und Netzwerkstrukturen befassen.
«select_start» 5: Ressourcen als Basis und Ziel Unser Grundgedanke ist der Aufbau eines modular erweiterten Geschäftssystems für Kreativberufe. Der zugrundeliegende Ansatz hat zumindest vordergründige Bezüge zur Eigenlogik von Rhizomen, Ganglien, Schwärmen, von Schaltkreisen und generativer Gestaltung. Nun gilt es, solch eine modularisierte Funktionalität auf die Darstellung und Definition vernetzter Geschäftsprozesse anzuwenden. Im offenen Netzwerk von «select_start» wird alles als Ressource verstanden: Bedürfnisse also, Kunden, Mitarbeitende, Maschinen, Know-how, Software und Räume. Denn was der Eine braucht, das schafft die Möglichkeit für den Anderen — insofern hilft die Krankheit dem Arzt und der Hunger dem Bauern. In diesem Sinne kann jede/r Dieci auch ohne grosse Leistung schon jetzt die Vernetzungsmaschine anwerfen, denn bereits seine klar definierten Bedürfnisse bilden potenzielle Ressourcen für eventuelle Anbieter. Ein Baustein im Netzwerk von «select_start» kann beispielsweise ein Individuum sein, eine juristische Person, ein virtueller Kompetenzzusammenschluss zur Gameentwicklung, ein Jahrgang von HyperWerk, eine Nutzergemeinschaft, Institutionen wie das Plexwerk oder die ETH, ein Medienauftritt, eine Eventgruppe, eine Website, eine Einkaufsgemeinschaft für den Umgang mit China, eine Solidargemeinschaft, eine Garantiegemeinschaft, durchaus aber auch eine Vermarktungsplattform oder der Zugang zu einem spezifischen Pr
duktionsmittel (Laser, Kamera, Grossrechner etc.) oder gar zu einer Produktionskette. Zentral bei dieser Überlegung ist jedoch, dass erst eine definierte Ressource zu einer nutzbaren Ressource wird — das heisst, ihre Schnittstellen müssen klar definiert sein. Wie man so etwas macht, gehört zum zentralen Lehrinhalt unseres kommenden akademischen Jahres. Zusammenschlüsse von «select_start» sind Systeme, die wiederum als Module grösserer Systeme wirken können — oder, wie Bruno Latour sagt, «an experimental assembly of assemblies». Im Gegensatz zu einem materiellen Modul verfügen viele der Bausteine von «select_start» über die Möglichkeit, gleichzeitig in räumlich getrennten Problemlösungssystemen eingesetzt werden zu können. Und diese Systemkonstrukte wiederum lassen sich als Module grösserer Systeme nutzen.
«select_start» 6: Kompetenzzellen Alle Systembausteine von «select_start» zeichnen sich durch klare Definitionen ihrer Angebote und Schnittstellen aus. Dass sie sich nur über definierte Schnittstellen untereinander verbinden lassen, ist ihr gemeinsames Merkmal. Zu welchen Bedingungen wird was angeboten oder eingekauft? Ein Systembaustein wird als eine abstrakte Einheit betrachtet, die immer mindestens einen definierten Input und einen definierten Output besitzt. «select_start» legt seine Spielregeln offen, wie solche Input/Output-Definitionen idealerweise aussehen sollten. Diese Regeln besitzen Empfehlungscharakter — sie können verfeinert und adaptiert werden, wobei davon ausgegangen wird, dass diese Differenzierungen ebenfalls wieder im Wissens- und Erfahrungspool von «select_start» offengelegt werden. Kennzeichnend wirkt
auch die konsequente objektorientierte Modularisierung, mit welcher Form und Funktion einer Schnittstelle untrennbar verknüpft werden. «select_start» bildet den optimalen Kompromiss zwischen dem Bedarf nach Verbindlichkeit und dem Bedarf nach Freiheit und Ungebundenheit. Dies deshalb, weil alle Interaktionsprozesse im Netzwerk immer nur durch die definierte Schnittstelle mit ihren jeweiligen Verbindlichkeiten stattfinden. Es gibt also kein übergreifendes Regelwerk, dafür aber geklärte Schnittstellen für die einzelnen Vorgänge. Jede Schnittstelle muss zwischen mindestens zwei Modulen geteilt werden, die sich darüber ergänzen wollen. Schnittstellen haben also eine Verbindungsfunktion, sie wirken als Mörtel oder Schrauben, als Reissverschluss, Schnur und Angelhaken. «select_start» soll seine eigene Flexibilität und Kreativität ständig in seinen flexiblen und kreativen Formen der Vernetzung vorleben — diese eigene Form bildet das erkennbare Gesamtversprechen, das die Aussenwelt als einen Ressourcenpool mit verständlichen und attraktiven Schnittstellen nutzen soll. «select_start» dürfte einen typischen RingnetzFall und damit ein «operatives Netzwerk» darstellen. Diese ist wohl die offenste und beweglichste Form verbindlicher Kooperation.
«select_start» 7: Ist das Open Source? Ein Vergleich mit Linux und OpenSource ist so naheliegend wie fragwürdig. Zwar suchen auch wir mit unserem Vorhaben die offene Teamstruktur einer Solidargemeinschaft.
Wir unterscheiden uns jedoch insofern von inhaltlich technologiebasierten Zusammenschlüssen, als die heutige Technologie nahezu unabhängig vom Kulturraum wirkt, im Gegensatz zu Sozialsystemen, in welchen beispielsweise Recht, Ökonomie oder Schönheitsempfinden eher regional geprägt sind. Insofern unterscheiden wir uns mit unserer geplanten Bibliothek für «select_start» von einem einfachen Katalog oder Handbuch kapitalistischer Handlungsstrategien und Vereinbarungsformen für das kreative Überleben in einem dezentralen Kooperationsverbund. Genau dieser Unterschied ist aber auch die Chance für unser doch eher regional orientiertes Vorhaben. Denn unser Angebot stützt sich auf drei Säulen des HyperWissens ab, die von einer vergleichbaren und einander allseitig stärkenden Relevanz sein dürften: 1) LOKAL: Basler Tipps und Tricks - bekommt man auf dem Münsterplatz eine Baubewilligung, welche Beamten sind freundlich, welcher Journalist ist aufgeschlossen? etc. Solche Informationen sind nur unter den HyperWerkerInnen zugänglich zu machen und vertraulich zu behandeln, da sie lokalpolitische Brisanz beinhalten, die sich gegen unsere Intentionen wenden kann. Darüber wären also noch ausführliche Überlegungen anzustellen. 2) GLOBAL: Einschätzung grösserer Trends und internationaler Bezüge. Grundlagen internationaler Zusammenarbeitsverträge, Patentwesen, Trend- und Technologieanalysen etc. Diese Infos sind im Sinne eines Open-Source-Ansatzes öffentlich zugänglich, modifzierbar und erweiterbar zu machen. HyperWerk sollte seine akademischen Partnerkontakte nutzen, um diese Bibliothek als eine allgemein attraktive unternehmerische Ressource zur Steigerung der Effizienz
offener und trotzdem verbindlicher Kreativnetzwerke einzusetzen. Im günstigsten Fall entstünde ein offenes Forum. 3) INTERFACE: Schaffung lokaler Schnittstellen zu globalen Ressourcen. Und umgekehrt: Schaffung globaler Schnittstellen zu unseren lokalen Angeboten. Dies sind Dienstleistungsangebote, die unseren Blick über den regionalen Tellerrand hinaus professionalisieren sollen. Damit sind sie wohl eher von regionalem Interesse, wo sie aber öffentlich zugänglich sein sollen.
«select_start» 8: while others pause Ein erstes Projekt von «select_start» ist im Mai 2010 angelaufen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir beschlossen, ein Experiment zur Auslösung eines Schwarms mit einem Buch zu versuchen — schaffen wir es damit, die Diplompublikation von «select_start» vom eher müden Rechtfertigungscharakter früherer Publikationskonzepte zu befreien, sie also so einzusetzen, dass sie den Diplomierenden tatsächlich nützt? Als ProzessgestalterInnen haben wir uns deshalb dafür entschieden, unser Diplombuch in zwei Teilen zu produzieren, die zum Beginn und zum Abschluss des Diplomvorhabens «select_start» erscheinen sollen (Oktober 2010 und September 2011). Dies soll in aller Öffentlichkeit stattfinden. So planen wir, unser Buchprojekt als Beitrag zum Collaborative Innovation Network (COIN)-Kongress 2010 einzugeben, wo zum Auftritt im Oktober 2010 die erste Buchhälfte lanciert werden könnte. Und gleichzeitig bewerben wir uns darum, den folgenden COIN-Kongress 2011 eventuell zum Diplomabschluss in der Zollhalle stattfinden zu lassen, wobei HyperWerk Gastgeber wäre.
Durch die bereits im Oktober 2010 vorliegende und öffentlich zugängliche Publikation erhalten die Diplomprojekte von «select_start» eine gute Basis zur Auslösung ihrer eigenen Schwarmbewegungen. Durch den zweifachen Kongressauftritt gewinnt unser Vorhaben an Sichtbarkeit. Wir sollten dadurch international anerkannte Partner gewinnen können. Das Buch dient vor allem als unsere perfekte Visitenkarte mit bleibendem Wert. Schon vor Beginn des Diploms eine Publikation am Start zu haben, sorgt dafür, ernstgenommen zu werden. Durch die Einbindung von heraustrennbaren Postkarten lässt sich das Buch selber als ein Medium zur Schwarmbildung einsetzen. Unser Medium ist halt wieder mal die Message. Dringend wollen wir jetzt den Gestaltungsaspekten unseres Buchauftritts nachgehen, denn uns ist die Fragwürdigkeit gestriger Konzepte der Tier- oder Menschenmetaphorik, etwa: vom Bienen- zum Fisch- und Vogelschwarm oder eben auch zum Volkskörper, nur allzu bewusst. Und auch die sonstige Natur wie Wolken, Sandstrände und Wellen hat man in diesem Kontext schon gesehen. Aus dem Assessment mit den Dodici haben wir neue, frische Ansätze mitgebracht.
Vision: Mit der durchdachten Gestaltung unserer professionellen Zukunft beweisen wir Kompetenz in postindustrieller Prozessgestaltung. Wir suchen Verbindlichkeit in einer Zeit, die uns Flexibilität abverlangt. Medienbewusst bringen wir unsere konsequenten Ansätze in den gesellschaftlichen Wandel ein und eröffnen uns damit ein wachsendes Geschäftsfeld. Unsere gemeinsam verantwortete Story soll uns den Markteinstieg erleichtern. Mission: Zum Aufbau und Betrieb eines dezentralen Kreativparks aus Instituten, Agenturen und Unternehmen optimieren wir die Werkzeuge und Spielregeln einer flexiblen Netzwerkstruktur. Mit unserem Pilotbetrieb nutzen wir Ressourcen effizient für die interdisziplinäre und engagierte Projektarbeit. Unser exploratives Umfeld wirkt als exemplarische Transferzone zwischen Hochschule und Wirtschaft. Durch die Konzeption und Umsetzung einer attraktiven Form der Selbstorganisation kommt unsere vitale Form der Prozessgestaltung zum Tragen.
«select_start» 9: Abgrenzung, Vision und Mission Abgrenzung: «select_start» ist keine Firma und kein Label, sondern eine Sammlung von Ressourcen zur Kooperation von Firmen im Kreativbereich — eine Sammlung geeigneter Medienmittel, Technologien, Werkzeuge, Organisationsformen, Vertragswerke, Spielregeln und Erfahrungen. «select_ start» etabliert keine Hierarchie, sondern setzt auf die situative Dominanz durch treibende Partner. Dadurch passt sich die organisatorische Struktur flexibel und optimal an die Vorgaben einer jeweils neuen Situation an. Mischa Schaub
Benjamin Schmid und Dominique Mischler in Aktion Fotoworkshop zum Schwarmverhalten mit Katrin Schacke
Gabriel Roth beim Dombau aus Schirmen | Fotoworkshop zum Schwarmverhalten mit Katrin Schacke
Katrin Schacke und Benjamin Schmid schleudern mit einer von Gabriel Roth gehaltenen Bohrmaschine Schaumstoffpartikel aus einem rotierenden Schirm
Bildrecherche Schwarmverhalten: Patricia K채ufeler bl채st Dynamik in ihre Einkaufst체ten, und Roland Pavloski schw채rmt von einem Spaghettiteller
Generation Digital Rechenleistung, die die von Enthusiasten-PCs aus dem Jahre 99 mühelos übersteigt, schlüpft in miniaturisierter Form bis in die Hosentaschen. Die Chirurgeninstrumente der digitalen Welt, sie sezieren schon die Jüngsten unter uns. Die Gesellschaft wird durchkämmt nach jenen scheinbar unwichtigen privaten Daten. Jedes Ereignis, jeder Moment wird eingefangen, festgehalten — mit nur einem «touch». Binnen Sekunden im Netz der Träume und Hoffnungen, sogleich wieder weggespült im Sog der Datenflut. «Echtzeit» heisst das Schlüsselwort, alles muss sofort geschehen. Während wir schlafen, rauschen «Benachrichtigungen» sogenannter Freunde aus aller Welt in einem einzigen Gerät zusammen. Neben dem Informationsbombardement im öffentlichen Raum eröffnen sich mit der Rundum-Erreichbarkeit auch neue Wege für die Werbung, die bis in die privatesten Winkel unseres Lebens reichen, uns «abholen», spezifisch und individuell, versteht sich, auf all unsere Wünsche und Bedürfnissen eingehen. In sozialen Netzwerken stellen wir unser Verhalten aus, werfen es einer gierigen, wertenden Gesellschaft vor, die darüber entscheidet, was dem gängigen Ideal entspricht und was nicht. Erwartet werden Aufmerksamkeit, Anteilnahme, Ablehnung, schlicht alles, was sich als Leitplanke in einem rasant treibenden Strom unzähliger Identitätsmöglichkeiten erweist. Virtuell kannst du sein, wer du willst — fake yourself!
zunehmend. Dieser Umstand stellt nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene ein enormes Problem dar. Kompromittierende Inhalte im WWW, aufgenommen in einem Moment der Kopflosigkeit, können erpresserisch eingesetzt werden oder im Falle einer Selbstdarstellung die Integrität gefährden. Grundsätzlich reicht schon der Schnappschuss eines ungünstigen Augenblicks im Ausgang, von irgendwem geknipst, um sich rufschädigend auszuwirken. In umgekehrter Richtung verzerrt der spielerische Zugang zu Pornografie das Selbst- und Realitätsbild in hohem Masse. Unter dem Deckmantel der «barrierefreien Kommunikation» entstehen Abhängigkeiten von ungeahnter Tragweite, Inhalte entziehen sich mit ihrem Übergang zu dedizierten Datenträgern im Netz fast komplett der eigenen Beeinflussung. Fatal erscheint, wie bereitwillig private Daten hergegeben werden, und wie unbekümmert die Angehörigen der digitalen Generation neuen Technologien begegnen. Selbstverständlich birgt die voranschreitende Digitalisierung auch Errungenschaften, die bereits als unverzichtbar gelten und, mit Verstand genutzt, eine extrem erleichterte Kommunikation ermöglichen. Aber wo erwirbt man die dazu nötige Souveränität?
Aufnahme- und Abspielverfahren von Audio und Video erweitern das Spektrum des «user-generated content» erheblich. Kameras überall — die Sensibilisierung für den Umgang mit fremder und eigener Intimsphäre fehlt jedoch Ruben Salzgeber
Produktion und Konsumption «Ich war eine Dose!» riefen einem in den späten Achtzigerund frühen Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts von Anzeigenseiten und Plakatwänden verschiedene edle Metallwaren entgegen, an deren konkrete Gestalten ich mich nicht mehr erinnere; aber es waren immer wieder Verwandlungen wie die von der Raupe zum Schmetterling. «Upcycling» würde man also heute dazu sagen. Merkwürdig, dass die Werber von heute noch nicht Fleece- oder GoreTexjacken «Ich war zwanzig PET-Flaschen!» rufen lassen. «Ökologischer Fussabdruck», «virtuelles Wasser» — Produkte stehen nicht mehr als schlackenlose Werke vor der Konsumentin, sondern müssen eine korrekte Vergangenheit und Zukunft aufweisen. Das ist der grosse Schwenk, der zur Zeit betrieben wird von denen, die ernsthaft verhindern wollen, dass wir weiterhin munter «das Schiff verbrennen», wie es Richard Buckminster Fuller einmal formuliert hat. Das wird — hoffentlich — der Puritanismus der nächsten fünfzig Jahre, dem dann halt auch die Renegaten zwanghaft eine lange Nase drehen müssen: Es wird immer alte Männer geben, die Kaviar essen und sich in Ferraris/Lamborghinis/Maseratis an der Apotheose des Verbrennungsmotors berauschen müssen, aber die grosse Mehrheit der Menschen wird die Schönheit der schlanken, umweltfreundlichen Produktion suchen. HyperWerk-Diplomprojekte wie Hedonoeko, Nomatark oder NUTZDACH haben auch schon Auswege gebahnt, weg von einer säuerlichen Verzichtsethik und hin zu Modellen, um die herum sich ein reges Gemeinschaftsleben entwickelt.
te Kerosinabgabe für Flugreisen gibt. Angesichts der immer dramatischeren Kosten der Ölabhängigkeit werden in naher Zukunft die Subventionen begradigt sein, und wer nicht fliegt oder privat fährt, wird auch nicht mehr bereit sein, dafür zu bezahlen müssen. Wir werden in eine quasi US-amerikanische Mobilität hineingezwungen; das grassierende Hotdesking zehrt noch vom Flair des Globetrotters, ist aber das triste Los digitaler Nomaden. Einige wenige gute und haltbare Dinge werden wieder wichtig in ihrem persönlichen Zuschnitt.
In immer stärkerem Masse werden die Konsumenten verlangen, dass die realen Kosten von Produkten nicht mehr verdeckt und über Steuern umgelegt werden. Bahnfahren ist vergleichsweise teuer, weil es noch immer keine adäquaRalf Neubauer
Technologie und Globalisierung In einer rasend schnellen Welt, grenzenlos und voller Möglichkeiten, beflügelt das Streben nach immer mehr unsere Gesellschaft zu täglichen Höchstleistungen. Und das kann man schon an der Morgentoilette sehen. Hinter einer unscheinbaren Zahnbürste stecken bereits hochkomplexe Prozesse, deren Dimensionen nur die wenigsten abschätzen können. Die treibende Kraft ist dabei das «Schwarze Gold», das gleichzeitig Ausgangs- und Treibstoff ist. Gefördert am einen Ende der Welt, strömt es schon mal aus Versehen ins Meer, wird am anderen Ende derselben Welt so mir nichts dir nichts verbrannt oder raffiniert und dann fleissig verbraucht. Doch bis das Erdöl in die gewünschte Form gebracht ist, eine attraktive Verpackung erhält und neben anderen, hochgepriesenen Produkten vermarktet werden kann, durchläuft es neben unzähligen Rohren auch die Schreibtische und Hirne von ArbeiterInnen, IngenieurInnen, GestalterInnen, von Kriegsmaschinen, von PR, HR, von ManagerInnen, und wenn keiner aufpasst, gerät es vielleicht auch in ein paar Kinderhände. Wohin des Wegs? Zur Kasse. Dort wird es schliesslich noch einmal zu seiner reinsten Form raffiniert: Es wird zu Geld. Der Kreislauf pulsiert, pumpt immer grössere Mengen in unser Leben, so dass sich nicht einmal mehr der BiomarkenKäufer der Plastikverpackung seines Mittagssalats bewusst ist. Immer neue Labels, Wirkstoffe und Wundermittel geben Anlass, sich ständig mit noch verlockenderen Produkten einzudecken. Ein Ende ist nicht abzusehen, Verzicht ein Schimpfwort. Dabei ist klar, wie schwierig es ist, alternative Angebote im Lebensmittelbereich einzuführen. Von Eiern mit einem
Standardgewicht von 60 Gramm bis zu Weltmarken wie McDonald`s oder Coca-Cola — für unsere Köpfe, Münder und Mägen muss alles genormt sein, die Verpackung und ihr Inhalt, immer, überall. Und wenn’s etwas exklusiver sein darf, sind Kaviar, Haifischflossen und Sushi stets willkommen. — Wo sind eigentlich die braunen Recycling-Papiertüten geblieben? Wenden wir den Blick vom direkten Konsum zur Mobilität. Autos sind heute alltäglicher denn je, vergleichbar mit Kleidung. Jeder Fleck der Welt ist dank moderner Verkehrstechnologie innerhalb kürzester Zeit erreichbar. Ferienreisen gelten als wichtige Erholung und sind Aushängeschild für Lebenserfahrung und Weltkenntnis — gern auch Weltläufigkeit genannt. Auf Kosten der Umwelt greifen wir massenhaft in Naturregionen ein, und eine zwar nur allmähliche, aber todsichere Veränderung des globalen Klimas wird in Kauf genommen. Wer sich davon abgrenzt, hat es schwer, ist halt ein bisschen und im wahrsten Sinne des Wortes zurückgeblieben. Wer nicht mit dem Strom schwimmt, der redet nicht mit. Ich wünsche mir, dass technologische Möglichkeiten entwickelt werden, die es uns erlauben, unsere begrenzten Ressourcen sinnvoll zu nutzen. Doch dabei wäre bereits eine Technologie in Frage zu stellen, die nur mit enormem Herstellungsaufwand und nur durch die schonungslose Ausbeutung fossiler Brennstoffe funktioniert, auf lange Sicht also nicht funktioniert. Es geht nicht darum, die Technologie abzuschaffen, aber ihr Gebrauch muss verändert werden. Dafür bedarf es des Umdenkens auf allen Ebenen der Produktion und Konsumption.
Ruben Salzgeber
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Assessment So kommt man ins HyperWerk
Assessment Bei unserer institutsspezifischen Eignungsprüfung, dem Assessment, wollen wir allen Beteiligten die Möglichkeit geben, sich gegenseitig in der teamorientierten Arbeit zu erproben. Die Beteiligten — das sind alle schriftlich zum Assessment eingeladenen Bewerberinnen und das gesamte Leitungsteam von HyperWerk. Wir fahren für drei Tage nach Senones in die Vogesen. In der Abtei von Senones, von uns das Medienkloster genannt, sind wir in den Seminarhotelräumen der Gemeinde zu Gast. Uns stehen Seminarräume und die Werkstatt zur Verfügung, die unser Projekt salm2 dort in den letzten Jahren aufgebaut hat. Das Ziel des Assessments besteht darin, dass wir einander durch einige Kurzprojekte kennenlernen. Deutlich werden soll, dass nicht nur die Studierenden von HyperWerk ein interdisziplinäres Team bilden, sondern auch die Dozierenden. Um diese Vielfalt zu erfahren, werden im Verlauf des Assessments immer neue Arbeitsgruppen gebildet, so dass am Ende der drei Tage möglichst alle mit allen zusammengearbeitet haben. Am Freitagabend beginnen wir mit einer Spätschicht, in der die Projektteams parallel arbeiten. Kurz vor Samstagmittag werden diese Gruppen dann vor allen Beteiligten präsentieren. Es ist wünschenswert, dass jede/r eine Rolle in diesen Präsentationen übernimmt, also zumindest einmal am Assessment vor allen anderen auftritt. Am Samstagnachmittag geht es dann weiter in neuen Teams mit neuen Aufgaben und mit einem anderen Mitglied des Leitungsteams. Das Resultat dieser zweiten Arbeit wird am Sonntagmittag vorgestellt und besprochen.
Aufgrund der beiden Präsentationen vergeben wir jeweils Gruppennoten; bei grossen Unterschieden innerhalb der Gruppe können diese Noten individuell nach oben oder unten korrigiert werden. Das Hauptziel des Assessments besteht aber vor allem in der Möglichkeit, die Sinnhaftigkeit eines Studiums am HyperWerk anhand konkreter Projekterfahrungen für sich zu überprüfen, um sich dann später umso verbindlicher dafür oder auch dagegen entscheiden zu können.
So kommt man ins HyperWerk Schritt 1: Ich kann eine gymnasiale Maturität mit einjähriger Praxiserfahrung oder eine Berufsmatur mit einer Lehre im Berufsfeld von HyperWerk nachweisen. Schritt 2: Ich bewerbe mich rechtzeitig an der HGK Basel für das Studium am HyperWerk und schicke alle erforderlichen Angaben und Unterlagen vor Ablauf der Anmeldefrist ein. Informationen dazu und zum Studium finde ich auf dem Netz, an der HGK oder am HyperWerk direkt. Danach werde ich über das weitere Vorgehen zur institutsspezifischen Eignungsabklärung informiert. Achtung: Der Anmeldeschluss für das jeweilige Studienjahr wird auf der Website der HGK bekanntgegeben. Bitte die detaillierten und aktuellen Informationen auf www.fhnw. ch/hgk/ihw und im Studienführer der HGK beachten! Schritt 3: Werde ich zum Assessment eingeladen, arbeite ich in kleinen, interdisziplinären Gruppen mit meinen (potenziellen) StudienkollegInnen und allen Mitgliedern des Leitungsteams zusammen. Schritt 4: Das Assessment war erfolgreich — damit steht fest: Meinem Studium am HyperWerk steht nichts mehr im Weg! Gebühren: Für Studierende aus der Schweiz betragen die Studiengebühren CHF 700.- pro Semester. Für Studierende aus anderen Ländern gelten individuell zu klärende Bedingungen. Bei der Anmeldung entstehen weitere Gebühren, über die die HGK informiert. Studiendauer: Das Bachelorstudium dauert 6 Semester und ergibt 180 ECTS-Punkte. HyperWerk ist ein Vollzeitstudium.
Laptop: Ein leistungsfähiger Laptop muss von den Studierenden mitgebracht werden. Da Hardware bekanntlich sehr rasch veraltet und auch ständig günstiger und leistungsfähiger wird, raten wir zu einem Kauf kurz vor Studienbeginn. Max Spielmann (max.spielmann@fhnw.ch) verfügt über Informationen zu Hochschulaktionen von IBM und Apple, die normalerweise im September anlaufen, was den Kauf eines Laptops um bis zu 25% verbilligen kann!
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Unsere Adressen und Links Impressum
Unsere Adressen und Links Institut HyperWerk Hochschule fĂźr Gestaltung und Kunst Fachhochschule Nordwestschweiz Totentanz 17/18 CH-4051 Basel www.fhnw.ch/hgk/ihw www.hyperwerk.ch Institutsleitung Mischa Schaubw mischa.schaub@fhnw.ch Administration Elena Moresw elena.mores@fhnw.ch Mobil +41 61 269 92 30 Fax +41 61 269 92 26 Medienkloster 16 place Dom Calmet F â&#x20AC;&#x201D; 88210 Senones
Impressum Verlag HyperWerk 2010 Fachhochschule Nordwestschweiz Hochschule für Gestaltung und Kunst Institut HyperWerk Totentanz 17|18 CH-4051 Basel www.fhnw.ch/hgk/ihw www.hyperwerk.ch Auflage 512 wurde in einer Auflage von 3000 Exemplaren gedruckt. Koordination Projektleitung — Lisa Bomsdorf Gestalterische Leitung — Lisa Bomsdorf Gestaltungsteam — Yannick Frich, Fabian Gartmann, Lisa Linsin, Ruben Salzgeber, Anna Studer, Fabian Zähner Bildredaktion — Roland Pavloski Redaktion und Lektorat Ralf Neubauer, Peter Bichsel, Ruben Salzgeber Redaktionsassistenz — Alice Vollenweider Umschlag aussen Ruben Salzgeber
Gestaltung Portraitserie der Dozierenden Lea Baltisberger, Johanna Mehrtens Zeichnungen Bockstecherhof|Senones - Jonas Gschwind Coaches onlab — Thibaud Tissot, Sven Ehmann HyperWerk — Mischa Schaub Schriften Leitura Courier lelim Papiere Umschlag — 400 g/m² Maschinengraukarton Seiten — 45 g/m² weisses Dünndruckpapier (Bibeldruckpapier) Druck C.H. Beck, Nördlingen DE Vielen Dank für die Unterstützung Catherine Walthard und Regine Halter
Umschlag innen Yannick Frich Illustrationen Kapitelseiten Lea Baltisberger, Lisa Bomsdorf, Gianni Horst, Corinna Kammüller, Susanne Lindau, Johanna Mehrtens, Dominique Mischler, Michael Ochmann, Ruben Salzgeber, Anna Studer, Fabian Zähner Fotostrecken HyperWerkerInnen — Brigitte Fässler, Gaspard Weissheimer Portraits Diplomanden — Andrea Ebener, Brigitte Fässler Diplomvisualisierung — Viviane Andereggen Fotodokumentation am HyperWerk — Felix Schaffert ISBN
978-3-905693-12-6
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