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POLIZEIKOSTEN IM FUSSBALL –WER ZAHLT BEI RISIKOSPIELEN

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SICHERHEIT 2020

SICHERHEIT 2020

POLIZEIKOSTEN IM FUSSBALL –WER ZAHLT BEI RISIKOSPIELEN

Schon seit Mitte 2014 schwelt der Rechtsstreit zwischen dem Land Bremen und der Deutschen Fußball Liga (DFL), der Ende März 2019 mit einer Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts seinen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat. Anlass genug, die Ereignisse nachzuzeichnen, die wichtigsten Argumente der involvierten Parteien zu erfassen und auch, einen Blick über die Stadtgrenzen von Bremen hinaus zu werfen. Wie reagieren andere Bundesländer auf die Feststellung des BVerwG und wie wird das Thema eigentlich in Großbritannien gehandhabt?

Von Christoph Heiliger

Wer soll eigentlich die Einsätze der Polizei bei (Risiko-)Fußballspielen zahlen? Dieses Thema bewegt seit Mitte 2014 die Gemüter. Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer hatte seinerzeit angekündigt, dass die DFL, die mit ihrem Vermarktungsprodukt Fußball Milliardeneinnahmen erwirtschaftet, zukünftig Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Risikospielen des SV Werder Bremen selbst tragen soll. Das soll für mindestens drei Risikospiele jährlich gelten, allen voran das Nordderby gegen den Hamburger SV. Für diese Partie aus 2015 sollte die Stadt Bremen schon bald eine Rechnung über fast eine halbe Million Euro für den personellen Mehraufwand verschicken.

Vor allem, weil es sich hier um Steuergelder und die omnipräsente Marke Bundesligafußball dreht, gehen die Meinungen und Aussagen dazu entsprechend weit auseinander. Mal sind sie faktenbasiert, mal polemisch. Der Bund der Steuerzahler erwartet eine Beteiligung der DFL, Rainer Wendt als Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft fordert gleich 50 Millionen Euro jährlich als pauschale Zahlung durch die Fußballvereine, während der (damalige) Innenminister von NRW, Ralf Jäger, prompt androht, Einsatzkräfte zukünftig bewusst zurückhalten zu wollen.

Auf der Gegenseite empört sich die Deutsche Fußball Liga, lehnt eine Übernahme der Kosten ab und fragt „Ist die Polizei nicht für die Sicherheit der Allgemeinheit da?“. Vereine oder Gegner der Gebührenordnung verweisen auf die enormen Steuerzahlungen sowohl der Fußballclubs als auch der Stadionbesucher selbst und der Journalist Oliver Fritsch sieht in einem Artikel für die ZEIT [1] die Gefahr, dass sich die Polizei durch eine Gebührenordnung zum reinen Dienstleister degradieren könnte und sich sogar als freier Marktteilnehmer einordnen und behandeln lassen müsse. Und auch hier ist nicht wenig Polemik im Spiel, wenn in der Folge die Aufgabe des „Gewaltmonopols“ gefordert wird.

Tatsächlich werden in der Folge schnell Tatsachen geschaffen. Die Bremer Bürgerschaft beschließt im Oktober 2014 ein Gesetz, nach dem bei „gewinnorientierten Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Besuchern“ zukünftig Polizeimehrkosten an den Veranstalter weiter gegeben werden können. Das Gesetz zielt in erster Linie auf Sicherheitsspiele von Werder Bremen ab, bei denen bis zu 1.000 Einsatzkräfte (statt üblicherweise rund 200) für die Sicherheit um das Stadion sorgen. Die DFL kündigt unmittelbar an, gegen Rechnungen zu klagen und die Kosten im Zweifelsfall an den Bremer Bundesligisten weiter zu reichen [2] .

Der 1. FC Köln steigt zum Ende der Saison 2011/12 aus der Bundesliga ab. Spiele wie diese fordern bei Sicherheitsdienst und Polizei besonders viele Ressourcen.

Foto: Christoph Heiliger

Die DFL reicht Klage gegen den Gebührenbescheid ein

In genau diese Situation kommt die DFL erstmals im August 2015, als bei ihr eine Rechnung über 425.000 € für die Mehrkosten des Nordderbys vom 19.04.2015 eingeht und die den Startschuss für eine konkrete Rechtsauseinandersetzung zwischen dem Land Bremen und der DFL markiert [3]. Für ein weiteres Risikospiel im selben Jahr fallen 250.000 € an Mehrkosten an – hier greifen Werder Bremen und die DFL ein von der ZEIT geäußertes Argument auf, dass Hochrisikospiele teils willkürlich angesetzt würden und, wie in diesem Fall, rund 250.000 € an Mehrkosten für ein Spiel gegen Borussia Mönchengladbach nicht zu rechtfertigen seien. Als Konsequenz reicht die DFL mit Bezug auf Verfassungswidrigkeit im April 2016 eine Klage gegen die Rechnung aus Bremen beim Verwaltungsgericht Bremen ein.

Zusammen mit der Klage rücken in der nächsten Zeit auch die Fakten wieder in den Vordergrund. Die DFL listet auf der eigenen Website Statistiken und stellt ein ausführliches Q&A auf [4] , während auf der Website der Bremischen Bürgerschaft im Rahmen einer großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE sehr ausführliche Zahlen veröffentlicht werden [5] . Unter anderem zu konkreten Einsatzstunden der Polizei, der Risikoeinstufung von Fußballspielen durch die polizeiliche Zentrale Informationsstelle für Sporteinsätze (ZIS) oder der Anzahl von festgestellten Gewalttaten oder Stadionverboten.

Der Rechtsstreit zieht sich durch alle Instanzen

Wurde schon vor Beginn der Verhandlungen erwartet, dass der Rechtsstreit durch alle Instanzen gehen würde, werden tatsächlich zwischen Mai 2017 und März 2019 in drei verschiedenen Instanzen Urteile gefällt. Während das Bremer Verwaltungsgericht in erster Instanz der DFL Recht gibt und die Verfassungsmäßigkeit der Gebührenordnung in Frage stellt [6] , gibt das Oberverwaltungsgericht Bremen in zweiter Instanz dem Land Bremen in allen Punkten Recht, erklärt den Gebührenbescheid für rechtmäßig und verortet entsprechende Gesetze in die Legislative der Länder.

„Großveranstaltungen bergen grundsätzlich ein erhöhtes Gefahrenpotential in sich, insbesondere dann, wenn wegen des angesprochenen Personenkreises erfahrungsgemäß mit Gewalthandlungen zu rechnen ist. Solche Gewalthandlungen im Zusammenhang mit sog. Risikospielen der Bundesliga – aber auch bei anderen gewinnorientierten Großveranstaltungen mit unfriedlichem Verlauf – wirken sich erfahrungsgemäß immer auch auf Rechtsgüter Unbeteiligter aus, seien es Körperverletzungen, Sachbeschädigungen oder Störungen des Verkehrsflusses. Zwar liegt die Beherrschung dieses Gefahrenpotentials damit auch im öffentlichen Interesse, gleichwohl ist die Verwaltungsleistung der Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte mit Blick auf das Interesse des Veranstalters an einer störungsfreien Durchführung der Veranstaltung auch diesem zuzurechnen.“

Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen im Urteil vom 21.02.2018

Die im März 2019 durch die Vertreter der DFL durchgeführte Revision stellt auch den aktuellsten Stand in der Causa Polizeikosten dar: In dritter Instanz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht am 29.03.2019 ebenfalls zu Gunsten des Landes Bremen, indem es dem Urteil des Oberverwaltungsgericht grundsätzlich beipflichtet, aber vor allem zur Klärung einiger Punkte noch einmal an das OVG selbst zurück verweist [7] . Hier geht es allerdings schon gar nicht mehr um die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Sache, sondern um mögliche Doppelabrechnungen, sollte die Polizei bei Risikospielen beispielsweise konkrete Einzelpersonen als Täter ermitteln [8] . In der Medienlandschaft wird die Feststellung durch das BVerwG als Niederlage für die DFL und als Signalwirkung für die anderen Bundesländer gewertet.

„Für den besonderen Polizeiaufwand aus Anlass einer kommerziellen Hochrisikoveranstaltung darf grundsätzlich eine Gebühr erhoben werden“.

Begründung des Oberverwaltungsgerichts Leipzig [9]

Folgeäußerungen und -taten lassen da nicht lange auf sich warten. Während die Innenminister von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen Gebühren für Polizeieinsätze weiter ablehnen [10] , kündigen das Saarland und Rheinland-Pfalz an, eine ähnliche Lösung wie Bremen zu prüfen [11] . Der maßgeblich betroffene FSV Mainz 05 positioniert sich gegen das Urteil [12] .

Die Frage, wer nun aber konkret die Einsätze der Polizei bei (Risiko-)Fußballspielen zahlen soll, ist dadurch allerdings nur vermeintlich geklärt. Nicht zuletzt, weil die DFL sich weiter den Gang zum Bundesverfassungsgericht vorbehält und weil auch weiterhin nicht klar ist, ob die DFL die Kosten wiederum an den SV Werder Bremen weiterreichen wird. So stehen weitere Fragen im Raum, darunter auch so grundlegende wie die nach dem eigentlichen Veranstalter der Spiele. Sind die Vereine diejenigen, die den Ablauf jeder einzelnen Veranstaltung definieren und Einfluss auf dessen Charakter haben oder die Fußballliga, die das Produkt Bundesliga verwaltet und produziert? Vereine aus Bundesländern mit einer zukünftigen Gebührenordnung befürchten Wettbewerbsnachteile und merken an, dass eine Reduzierung der Polizeistunden – das in der Regel größte Argument der Apologeten von Polizeigebühren – durch das Urteil keineswegs wahrscheinlicher geworden sei. Das Urteil des BVerwG hat zweifelsohne Signalwirkung, hat es doch die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Weitergabe zusätzlicher Polizeikosten geklärt. Aber was sich aus dem Urteil in der Praxis entwickelt, kann derzeit nur wage Vermutung statt konkreter Vorhersage sein. Welche Definitionen und Vorschläge werden sich durchsetzen? Eine bundesweite und verbandsübergreifende Lösung mit einem Fonds für Zusatzkosten oder beispielsweise eine Einzelbewertung je Spiel, Bundesland oder Verein? Werden in Zukunft auch Zusatzkosten für Derby- oder Risikospiele niedriger Ligen berechnet, wo 425.000 € nicht etwa das Monatsgehalt eines Topspielers, sondern den Jahresetat eines Vereins ausmachen? Und auf was müssen sich Veranstalter von z.B. Konzerten, Festivals oder Oktoberfesten einstellen, bezieht sich das Gesetz der Bremer Bürgerschaft doch „auf gewinnorientierte Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Besuchern“? Denn so wenig, wie der Begriff „Hochrisikospiel“ gesetzlich geregelt ist, stellt sich die Frage nach einem Maßstab, ab welcher Zusatzbelastung eine Weiterberechnung erfolgen wird und kann. Diese und viele weitere Punkte sind zu klären und die Vermutung, dass diese inzwischen 5 Jahre andauernde Diskussion unsere Branche noch viele weitere Jahre beschäftigen wird, scheint derzeit möglich wie ein zukünftiger Artikel, wer eigentlich die Einsätze der Polizei bei (Risiko-)Autogrammstunden zahlen soll.

- ENDE DES ARTIKELS -

Blick über den Tellerrand – Handhabung der Polizeikosten im Fußball in England

Der Freedom of Information Act [13] regelt in Großbritannien das Recht des Zugriffs auf alle Informationen, die öffentliche Behörden vorliegen. Dadurch werden der Öffentlichkeit, bzw. der Presse regelmäßig recht aktuelle detaillierte Statistiken oder Zahlen durch beispielsweise die Polizei zur Verfügung gestellt. So auch die der Kosten von Polizeieinsätzen [14] [15] . Die wiederum sind seit 2012 neu geregelt, seit der Fußballclub Leeds United eine Klage gegen die West Yorkshire Police gewinnen konnte. [16] Seitdem kann die Polizei die Kosten für geleistete Stunden nur noch dann an Clubs weitergeben, wenn sie auf dem tatsächlichen Vereinsgelände, also z.B. im Stadion oder auf zum Stadiongelände gehörenden Arealen geleistet wurden [17] . Die Beteiligungsquote der Vereine in der Premier League liegt (Saison 2016/17) zwischen 3% und 20% [18] , je nach Risikobewertung des Spiels, Einsatzstärke der Polizei sowie Lage, Gestaltung und Größe des Stadiongeländes. Die Einsätze werden vor der Saison zwischen dem zuständigen Polizeidepartment und Verein abgesprochen und in der Regel von Spiel zu Spiel abgerechnet [18] .

Links und Quellen zum Thema (Alle Quellen zuletzt online abgerufen am 05.09.2019):

[1] www.zeit.de/sport/2014-08/rauball-polizei-polizeikosten-dfl-bundesliga

[2] www.sueddeutsche.de/sport/kosten-fuer-polizeieinsaetze-bei-fussballspielen-bremen-vollzieht-den-tabubruch-1 www.sueddeutsche.de/sport/kosten-fuer-polizeieinsaetze-bei-fussballspielen-bremen-vollzieht-den-tabubruch-1.2187164.2187164

[3] www.spiegel.de/sport/fussball/bundesliga-stadt-bremen-verschickt-polizeirechnung-an-die-dfl-a-1048733.html

[4] www.dfl.de/de/aktuelles/polizeikosten-fragen-und-antworten-zum-rechtsstreit-zwischen-der-freien-hansestadt-bremen-und-der-dfl/

[5] www.bremische-buergerschaft.de/drs_abo/2018-01-10_Drs-19-1464_b0263.pdf

[6] www.docs.dpaq.de/12448-2_k_1191_16_urteil_anonym_.pdf

[7] www.dfl.de/de/aktuelles/bundesverwaltungsgericht-verweist-rechtsstreit-um-polizeikosten-im-rahmen-von-fussballspielen-zurueck-an-oberverwaltungsgericht-bremen/

[8] www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-die-dfl-muss-zahlen-_arid,1818111.html

[9] www.oberverwaltungsgericht.bremen.de/sixcms/media.php/13/2_LC_139_17_Urteil_anonym_Entscheidungsmodul.pdf

[10] www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/fussballvereine-muessen-mit-beteiligung-an-polizeikosten-rechnen-16114212.html

[11] www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/Lewentz-und-Bouillon-fordern-bundeseinheitliche-Loesung-Rheinland-Pfalz-und-Saarland-einig-bei-Fussball,zusammenarbeit-polizei-100.html

[12] www.mainz05.de/news/rechtsstreit-um-polizeikosten-die-position-des-1-fsv-mainz-05/Polizeikosten in England (Alle Quellen zuletzt online abgerufen am 05.09.2019):

[13] www.en.wikipedia.org/wiki/Freedom_of_Information_Act_2000

[14] www.london.gov.uk/questions/2018/1559

[15] www.mirror.co.uk/sport/football/news/manchester-clubs-pay-five-times-8607443

[16] www.yorkshireeveningpost.co.uk/news/crime/how-much-football-clubs-pay-for-policing-and-why-leeds-united-set-the-benchmark-1-8060035

[17] www.bbc.com/news/uk-45837613

[18] www.bbc.com/news/uk-england-london-40768771

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