Skigebiet mit Herz

Page 1

Samstag/Sonntag 13./14. Februar 2010

Freie Presse Reisemagazin

Seite C1

Auf den nächsten Seiten lesen Sie: Lesetipp: Der ADAC-Stellplatzführer mit noch mehr Infos Australiens Nummer 3: Brisbane grün und Brisbane grau Mallorca in Rosa-Weiß: Mandelblüte auf der Mittelmeerinsel Wissen, was die Stunde schlägt: Erlebnistour nach Glashütte

Wahrlich, ein Skigebiet mit Herz Winterspaß im Schatten des Großglockners – Nationalpark Hohe Tauern in Osttirol lockt mit Abfahrten und Skiwanderungen – Entdeckungstouren mit dem Ranger Von Axel Scheibe (Text und Fotos)

D

er Blick durch das große Fernrohr offenbart Überraschendes. Hoch oben an der Felsenwand zeichnet sich die Silhouette eines Steinbocks ab. Mit bloßem Auge sah er aus wie ein zerzauster Busch mitten in der weißen Schneewelt des Nationalparks Hohe Tauern, des größten Nationalparks Österreichs, der sich über Teile der Bundesländer Salzburg, Tirol und Kärnten erstreckt. Emanuel Egger ist die Freude anzusehen. Wieder einmal ist es ihm gelungen, seine Wanderbegleiter zu überraschen. Erst waren es die ver-

In Osttirol ist fast alles etwas kleiner, etwas beschaulicher als in Tirol selbst. schiedenen Spuren im Schnee, die vom abwechslungsreichen, winterlichen „Alltag“ der Tiere im Nationalpark erzählten, und jetzt hat er, wie eigentlich fast immer, die scheuen Bewohner der Felsenwelt vor das Fernrohr bekommen. „Mit etwas Erfahrung und einem scharfen Auge klappt das schon“, erzählt der Nationalparkranger stolz. „Es gibt ganz typische Stellen, wo sich Steinböcke oder auch Gämsen aufhalten, oder wo sie auf gefährlichen Pfaden von einem Felsenriesen zum nächsten wechseln.“ Die Fotoapparate der Touristen müssen zwar verpackt bleiben, dafür ist die Entfernung zu groß, doch die Beobachtung durch Emanuel Eggers mächtiges Fernrohr begeistert alle. Winterliche Entdeckungsreise nennt sich das, was die Gäste gebucht haben. Das bedeutet, mit Schneeschuhen den Wildtieren auf der Spur zu sein. Eine Erholungstour ist es wahrlich nicht. Der Schnee ist tief, die Schneeschuhe ungewohnt, und mancher Weg führt ganz schön steil nach oben. Rund vier Stunden voller Naturerlebnisse liegen hinter ihnen, als die Gäste, ausgepowert, doch glücklich und zufrieden, wieder am Naturparkhaus in Matrei ankommen. Hier war ihre Tour gestartet, und hier hatte Emanuel Egger sie mit ein wenig Theorie auf einen der eindruckvollsten Nationalparks der gesamten Alpen vorbereitet. Immerhin nimmt der Nationalpark eine Fläche von rund 1800 Quadratkilometern ein. Ein Großteil davon liegt auf Tiroler Boden und davon wiederum ein Teil in Osttirol, dem Land, das erst hinter dem reichlich fünf Kilometer langen Felbertauerntunnel beginnt. Eine Region, in der es doch noch deutlich ruhiger zugeht als im nördlicher gelegenen „richtigen“ Tirol. „Warst du schon mal in Tirol?“ Eine Frage, die wohl von vielen Deutschen ohne Zögern mit einem kräftigen „Ja“ beantwortet wird. Nicht viel anders sieht es aus, wenn nach Südtirol gefragt wird. Aber Osttirol? Und es soll auch immer noch viele Touristen geben, die verwechseln das Osttiroler Städtchen Lienz (rund 12.000 Einwohner) mit der oberösterreichischen Großstadt Linz (fast 200.000 Einwohner). Dabei gehört die kleine Bezirkshauptstadt zu den reizvollsten und sonnenverwöhntesten Städten des Landes. Das südliche Flair von Lienz verlockt zu einem gemütlicheren Leben. Gute Weine und manch Hochprozentiges haben hier ebenfalls eine Heimat gefunden. Um Publikum brauchen sich beide sicher keine Sorgen zu machen. Außerdem ist das Städtchen nicht nur der Verwaltungssitz und das wichtigste Einkaufszentrum, sondern dank seiner Lage in der Region optimaler Ausgangspunkt, Osttirol auf Herz und Nieren zu prüfen.

Das Skigebiet mit Herz. Am Fuß des 2621 Meter hohen Cimaross bilden zwei Abfahrtspisten das Symbol, das die Region Osttirol charakterisiert.

Mit Nationalparkranger Emanuel Egger, der auch das große Fernrohr schleppt, auf Schneeschuhen unterwegs zur Wildbeobachtung.

Kurze Stärkung auf einer der Hütten im Großglockner-Resort Kals-Matrei. Nach dem Kaiserschmarrn geht’s wieder auf die Piste.

­¹

±

e8jý j

­´ ­·

G%~6" G%~6"X^ X^

¯

Y[]ý %k

­»

ǽ

rkk]"_Yý

¾\Z ^^ ý

ÇÉ

ǽ

f%[_

Ç»

C ^g~ Hý V 7

c%[ hk% e%_ th D%Y _k

v_h¢ hý k _ ½½

G8 Z ^g~

r[% k

i k7

x_ P_ ]] Õ _ %k 8 k _ÐH[_h

R E IS ETI PPS Anreise: Mit dem Auto: Von Chemnitz nach Matrei in Osttirol sind es reichlich 580 Kilometer. Die Fahrtstrecke verläuft über Regensburg, München, Kuftstein und auf der Autobahn A 12 bis Kufstein-Süd. Weiter über Oberndorf in Tirol, Kitzbühel, Mittersill sowie auf der Felbertauernstraße und durch den Tunnel zum Ziel. Mit der Bahn: Mit günstigstenfalls zehneinhalb Stunden und mindestens drei Mal Umsteigen muss man rechnen, wenn man mit dem Zug von Chemnitz aus nach Lienz fährt. Ab hier dann weiter knapp 30 Kilometer mit dem Nahverkehr. Unterkunft: Beispielsweise im Hotel Goldried, Matrei (DZ mit HP ab 49,50 Euro p. P., Internet: www.goldried.at) oder Wohlfühlhotel Outside, Matrei (DZ mit Frühstück ab 78 Euro p. P., Internet: www.hotel-outside.com). Weitere Informationen: Osttirol Werbung, Albin-Egger-Straße 17, A–9900 Lienz, Telefon: 0043 50212212, Internet: www.osttirol.com

Wallfahrtskirche Maria Schnee in Obermauern. Besonders interessant sind die Fresken von der Leidensgeschichte Jesu aus dem 15. Jahrhundert.

Warum der Landstrich hinter dem Felbertauerntunnel noch immer etwas im Schatten seiner bekannteren Namensvetter im Norden und im Süden steht, ist nicht recht nachzuvollziehen. Für die deutschen Gäste liegt es wohl daran, dass man schon etwas mehr Anfahrtsstrecke in Kauf nehmen muss. Doch ist die Felbertauernstraße offen – was fast immer der Fall ist –, hält sich dieser Mehraufwand in Grenzen. Entschädigt wird man von herrlichen Skigebieten und einer Bergwelt, die keinen Vergleich zu scheuen braucht. Die Uhren gehen etwas langsamer in Osttirol. Fast alles ist etwas kleiner, etwas beschaulicher als in Tirol selbst. Das trifft freilich nicht auf die Bergriesen zu, die die romantischen Täler zwischen dem Nationalpark Hohe Tauern und den Gipfeln der Lienzer Dolomiten umrahmen. Nicht nur, dass mit dem 3798 Meter hohen Großglockner der höchste Berg der Alpenrepublik in Osttirol steht, nein, auch der Großvenediger und weitere 241 Dreitausender sorgen für eines der schönsten Bergpanoramen der Alpen. So richtig genießen kann man den Winter gleich, nachdem man den Felbertauerntunnel hinter sich gelassen hat. In Matrei gibt’s mit dem Nationalparkhaus nicht nur einen guten Einstieg für gemeinsame Wanderungen mit Rangern in die zauberhafte Welt des Nationalparks Hohe Tauern. Hier haben die Touristiker auch alles dafür getan, dass die Alpinfans voll auf ihre Kosten kommen. Erst vor zwei Jahren sorgte eine weitere Liftanlage dafür, dass mit dem Zusammenschluss zum Großglockner Resort Kals-Matrei eines der größten und attraktivsten Skigebiete Österreichs geschaffen wurde. Mehr als 100 Kilometer Pisten aller Schwierigkeitsgrade locken zu grenzenlosen Traumtouren ganz in Weiß. 16 hochmoderne Gondelbahnen und Sessellifte, darunter die 2007 in Betrieb genommene, erste beheizbare Sechser-Sesselbahn Osttirols auf den Cimaross, machen den Skifahrern den Winterurlaub wesentlich angenehmer. Die Höhenlage zwischen 920 und 2405 Meter garantiert Schneesicherheit. Im „Notfall“, wenn Frau Holle nicht so richtig die Betten aufschüttelt, können 90 Prozent der Pisten künstlich beschneit werden. Übrigens, das Areal am Cimaross ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Skigebiet mit Herz. Davon kann sich jeder leicht selbst ein Bild machen: Wer von der Bergstation der Goldried-Kabinenbahn ein Stück nach links läuft und von dort auf die Pisten am Fuße des Cimaross blickt, wird sehen, dass sie wie ein großes weißes Herz am Berg entlang führen. Bei allem Alpinspaß kommen auch Gäste nicht zu kurz, die es nicht ganz so rasant mögen. Dafür sorgen gepflegte Loipen, zum Beispiel in Virgen, wo auch eine beleuchtete Rodelbahn auf Genusssportler wartet. Startpunkt ist die Würfelhütte. Etwas Besonderes sind die Schneeschuhwanderungen mit Nationalparkrangern. Denn, mit etwas Glück kann man dabei nicht nur die prächtige Bergwelt der Hohen Tauern erleben, sondern auch Steinböcke und Gämsen auf ihren halsbrecherischen Touren an den Felswänden beobachten. Das Defereggental südlich von Matrei ist eine weitere Perle im Osttiroler Geschmeide. Seine Gemeinden Hopfgarten, St. Veit und St. Jakob, die sich bis hoch hinauf in Richtung Staller Sattel schwingen, versprechen Erholung pur. Wer durch die tief verschneiten Straßen und Gassen schlendert, wird sich nicht nur einmal zurückversetzt fühlen in Zeiten, als der Alltag noch ohne Hektik ablief und nicht Termin auf Termin den Lebensrhythmus vorgaben. Natürlich kann man auch hier mit dem Lift auf die Pisten fahren oder mit den schmalen Brettern die Tal-Loipe nutzen, doch Winterwandern, Schneeschuhtouren und gemütliche Ausflüge im Pferdeschlitten passen eigentlich viel besser in die Abgeschiedenheit des Tals.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.