12. Juni 2014 | 24
Nachrichten und Meinungen aus der evangelischen Welt
Die «Neue Paulusperspektive» und die Rechtfertigungslehre. Hat Martin Luther den Apostel nicht richtig verstanden? Professor Jacob Thiessens Spurensuche im Römerbrief
Gerechtfertigt, aber wovon? 5 Vereint Tass Saada und Geoffrey Cohen am ICF-Israeltag | 7 Pfingstkonferenz Die Kultur des Himmels auf der Erde verbreiten | 16 Jubiläum TearFund hilft seit 30 Jahren 26 Streitgespräch Birgit Kelle vs. Claudia Janssen: Gender – wozu? www.ideaschweiz.ch
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idea Spektrum 24.2014
E DI T OR I A L
Rechtfertigung – ist das relevant? Liebe Leserin, lieber Leser „Und habts für ein gewiss Zeichen: wenn man vom Artikel der Rechtfer Rechtfertigung predigt, so schläft das Volk und hustet; wenn man aber anfänget Historien und Exempel zu sagen, da reckts beide Ohren auf, ist still und höret fleissig zu.“ Das klagte Martin Luther in einem seiner Tischgespräche. Nach seiner Überzeugung steht und fällt die Kirche mit der Rechtfertigung. Ohne sie, mahnte Luther, sei „die Welt nichts als Tod und Finsternis“. Sie galt für die Reformation des 16. Jahrhunderts als „Hauptartikel“, als der „Lenker und Richter über alle Stücke der christlichen Lehre“. Hört das Volk heute zu, wenn über die Rechtfertigung gesprochen wird? Gilt sie noch als genügend relevant? Seit einigen Jahren verbreitet sich eine andere Interpretation der Rechtfertigung. Die „Neue Paulusperspektive“ hinterfragt das bisherige reformatorische Verständnis und meint, Paulus habe etwas anderes gelehrt. Es gehe nicht um die Frage, wie ein Mensch gerettet werde, sondern um die Frage, wie ein Mensch nicht vom Volk Gottes ausgeschlossen werden dürfe. Wir baten Jacob Thiessen, Professor für Neues Testament und Rektor der STH Basel, um einen Beitrag. Thiessen ging der Frage anhand des Römerbriefs nach und verglich die „neue Perspektive“ mit dem jüdischen Kontext und den Aussagen von Paulus. Seine Studie, die es inzwischen als Buch gibt, kommt zum Schluss, dass die Rechtfertigung sowohl die Erlösung des Menschen betrifft als auch die Gemeinde. Diese Aspekte sollten nicht getrennt oder gegeneinander ausgespielt werden. Rolf Höneisen
Und die grauen Häupter? Melden Sie sich zu Wort! „Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren.“ So steht es in der Bibel (3. Mose 19,32). Läuft der Trend in die andere Richtung? Gottesdienste werden der Lebenswelt der Jungen angepasst. Worship-Songs lösen Gemeindelieder ab. Bands geben den Takt an, wo früher vierstimmig gesungen wurde. Bringen Sie sich in die Diskussion ein. Wie erleben idea-Lesende die Veränderung der letzten 30 Jahre? Woran leiden ältere Gemeindeglieder? Worüber freuen sie sich? Werden sie in die Gemeinde-Entwicklung einbezogen oder übergangen? Melden Sie sich zu Wort. Schreiben Sie einen Brief an: ideaSpektrum, Rolf Höneisen, Steinackerstrasse 4, 9214 Kradolf oder ein E-Mail: rolf.hoeneisen@ideaschweiz.ch
Impressum Idea Schweiz Herausgeber: Idea Information AG, 4410 Liestal Verwaltungsrat: Heiner Henny, Präsident, Sam Moser Stellvertreter, Paul Beyeler, Hans Lendi, Helmut Matthies, Matthias Spiess Ideelle Trägerschaft: Schweizerische Evangelische Allianz (SEA), Verband Evangelischer Freikirchen und Gemeinden (VFG), Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Missionen (AEM) Redaktion: Aemmenmattstrasse 22, 3123 Belp, Tel. 031 818 01 44, Fax 031 819 71 60 E-Mail: redaktion@ideaschweiz.ch Internet: www.ideaschweiz.ch
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Chefredaktor: Rolf Höneisen (rh) Büro: Steinackerstrasse 4, 9214 Kradolf-Schönenberg, Tel./Fax 071 642 44 21 E-Mail: rolf.hoeneisen@ideaschweiz.ch Redaktion: Thomas Feuz (tf), Christof Bauernfeind (chb) Erweitertes Team: Christian Bachmann (cb), Mirjam Fisch-Köhler (mf ) Verlagsmanager: Bruno Jordi, 031 818 01 26 verlag@ideaschweiz.ch Kundenberatung Anzeigen: Jordi AG – das Medienhaus, Aemmenmattstr. 22, 3123 Belp, Tel. 031 818 01 42; Fax 031 819 38 54 E-Mail: inserate@ideaschweiz.ch
Bildnachweis: Dreamstime/Dance60; Fritz Imhof (Titelseite); zvg (Seite 3)
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BIBLISCH Sorgt euch um nichts, sondern betet um alles. Sagt Gott, was ihr braucht, und dankt ihm. Philipper 4,6 Vor einigen Wochen predigte ein junger Pastor über diesen Bibelvers. Eine einfache und schlichte Botschaft – denkt man zuerst – und doch so herausfordernd und schwierig in der täglichen Umsetzung. Der Vers fordert uns heraus, jeden Tag vor Gott zu kommen, mit Ihm zu kommunizieren, Ihm unser Herz hinzuhalten und mit kindlichem Vertrauen zu glauben, dass Er vollumfänglich für uns sorgt. Jesus im Glauben zu danken ehrt Ihn besonders und füllt unser Herz mit Freude. Ich wünsche mir, dass diese kindliche Haltung mein Leben immer mehr prägt und verändert. Im Kreuz von Golgatha wurde die Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen wiederhergestellt. In diesem Sinne: Sagt Gott was ihr braucht und dankt Ihm, damit ihr euch um nichts sorgen müsst! Ein Lieblingsbibelwort von Reto Scheiber, bildender Künstler und Architekturstudent, Schattdorf UR. www.retoscheiber.com
Aboservice: Jordi AG – das Medienhaus, Franziska Schüller, Aemmenmattstr. 22, 3123 Belp, Tel. 031 818 01 20, Fax 031 819 38 54 E-Mail: abo@ideaschweiz.ch Abopreise: Jahresabo Fr. 145.–, Seniorenabo Fr. 117.–, Halbjahresabo Fr. 77.–. Das Abo ist unter Einhaltung einer vierwöchigen Frist jeweils zum Bezugsende kündbar. Einzelverkaufspreis: CHF 4.– Konto: PC-Konto 40-788586-4 Idea Information AG, 4410 Liestal Layout/Druck/Versand: www.jordibelp.ch Spendenkonto: Idea Information AG, 4410 Liestal PostFinance, 3013 Bern, Konto-Nr. 40-788586-4 IBAN-Nr. CH14 0900 0000 4078 8586 4 BIC-Code POFICHBEXXX
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PARDON Zweimal habe ich in letzter Zeit eine Szene erlebt, die mich an den Himmel erinnerte. Das eine war eine Anbetungszeit zusammen mit 3000 Menschen. Eine achtköpfige Band spielte und sang mit grosser Freude. Pianos, Gitarren, Schlagzeug, Saxophon, Oboe, Geige und Posaune waren im Einsatz. Die Sängerin tanzte auf der Bühne, viele der Gläubigen dort, wo sie gerade standen. Jeder drückte die Anbetung des dreieinigen Gottes so aus, wie es ihm oder ihr entsprach. Singend, sich im Takt zur Musik wiegend, mit vollem Körpereinsatz, auf dem Stuhl sitzend, am Boden kniend, mit gefalteten oder erhobenen Händen – alles durfte sein. Als wir nach der Melodie des Liedes „Pata pata“ von Miriam Makeba den neuen Text „Er ist König“ sangen, war die Partystimmung perfekt. Schweizer trauten sich, ihre Lebensfreude in der Gegenwart des Heiligen Geistes auszudrücken, von ganzem Herzen zu singen, zu loben und zu danken. „So wird es im Himmel sein“, ging mir durch den Kopf. Nur einen Tag später war es wieder so. In Zürich spazierte ich der Limmat entlang und kam an einer Badi vorbei. Auch hier hatten sich viele Menschen versammelt. Gross und Klein sass oder plantschte im seichten Wasser am Ufer des Flusses. Andere lagen oder sassen im Schatten grosser Bäume. Menschen aus den verschiedensten Ländern genossen das herrliche Sommerwetter und die Abkühlung im Fluss. Kein lautes Wort war zu hören, nur die Gespräche und das Lachen der Kinder. „So wird es im Himmel sein“, schoss es mir wieder durch den Kopf. Und Dankbarkeit und Freude erfüllten mein Herz. Mirjam Fisch-Köhler ist Familienfrau, Katechetin und freie Journalistin.
Diese Botschaft müssen alle hören G.O.D. – MOVE BERN Am 14. Juni ist der weltweite „Global Outreach Day“. Auch in Bern sind Teams mit der frohen Botschaft unterwegs.
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m kommenden Samstag sind alle Schweizer Christen aufgerufen, im Rahmen des weltweit durchgeführten „Global Outreach Days“ G.O.D., das Evangelium weiterzugeben. In der Hauptstadt will die Aktion „Move Bern“ möglichst viele Menschen mit der frohen Botschaft von Jesus Christus bekannt machen.
Alle sind dazu eingeladen „Mitmachen können alle, die sich wünschen, dass Menschen Jesus Christus kennenlernen“, erklärt der Organisator von „Move Bern“, Christoph Schum. „Die kreativen Einsatzteams erhalten praktische Tipps, die jeder in seinem persönlichen Umfeld umsetzen kann. Vorkenntnisse sind keine erforderlich.“ Jedes Team wird von erfahrenen Personen geführt. Christoph Schum: „Bis am Abend wird jeder ei-
Gebetsballons: Am G.O.D. in Zürich 2013.
ne Form der Evangelisation erlebt haben, die er persönlich anwenden kann. Der Schlüssel heisst ‚learning by doing‘.“ Verschiedene Teams machen Einsätze, etwa mit „Gebetsballons“. Oder mit Gospelmusik und Sprüchen mit Strassenkreide. Man gehe auch im Gespräch auf die Menschen ein, um zu sehen, wo sie der Schuh drückt.
„Move yourself!“ Und so sieht der 14. Juni im Rahmen von „Move Bern“ aus: Am Morgen wird Matthias Kuno Kuhn (GPMC Thun) motivierend anleiten. Anschliessend werden Teams von 10 bis 15 Personen gebildet, die das Evangelium auf kreative Art und Weise den Menschen verständlich machen sollen. Nach dem Mittagessen folgt ein zweiter Durchgang. Jeder hat die Möglichkeit, mit einem anderen Team einen weiteren Einsatz zu erleben. Am meisten profitiere, wer mit einigen Freunden oder der ganzen Kleingruppe teilnimmt, sagen die Organisatoren. Der Aktionstag wird von verschiedenen Organisationen gemeinsam getragen: Evangelische Allianz Bern, Netzwerk Bärn, ISTL Bern, Spiez und Zürich, Bern United, gottkennen.ch, Confession und EE-Schweiz. (dag) • b www.movebern.ch
Weltweiter Evangelisationstag: Am 14. Juni ist G.O.D. Die Aktion „Move Bern“ ist Teil des „Global Outreach Day“ G.O.D. Dieser wird am 14. Juni 2014 zum dritten Mal durchgeführt. Ziel ist, möglichst viele Christen weltweit zu mobilisieren, ihren Glauben zu bezeugen. Nicht ein vollamtlicher Evangelist geht zu den Leuten, sondern der Leib Jesu geht auf die Menschen zu. Nach dem Leitsatz: Jeder Christ ein Evangelist. An den ersten beiden Outreach-Tagen in den Jahren 2012 und 2013 wirkten zusammengezählt rund 25 Millionen Menschen mit. 2014 werden noch mehr erwartet. G.O.D.-Leiter Beat Baumann blickt voller Erwartung auf den kommenden Samstag: „Kein vollamtlicher Evangelist kommt als Referent. Stattdessen machen sich alle Christen auf und erzählen von ihrem Glauben. Ist das nicht gewaltig?“ In jedem Land rufen Verbände und Pastoren ihre Mitglieder auf, mitzumachen. In der Schweiz wird der Tag unter anderem von Livenet, SEA, ISTL, IGW, Alphalive und vielen weiteren Organisationen unterstützt. b www.globaloutreachday.com/de/schweiz
Fotos: zvg
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NOTIERT Bibel und Romantik im Zeltlager Tass Saada, Geoffrey Cohen: Der eine war Muslim, der andere Jude – heute sind sie eins in Christus.
Sie waren früher Erzfeinde ISRAELTAG Spannende Lebensberichte waren im ICF Rapperswil zu hören. Zum Beispiel von Tass Saada und Geoffrey Cohen.
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inst waren sie Todfeinde, heute sind sie Brüder in Christus und gute Freunde. Geoffrey Cohen bekämpfte als Jude das Evangelium und hatte auch mit den Arabern nicht viel am Hut. Der frühere PLOMann und Muslim Tass Saada kämpfte an der Seite von Jassir Arafat gegen die Israelis. Heute leitet er das von HMK Hilfe für Mensch und Kirche mitfinanzierte christliche Hilfswerk „Seeds of Hope“ in Jericho. Saada und Cohen stellten sich am Pfingstmontag im ICF Rapperswil den Fragen von Michael Sieber.
Mit Vorurteilen aufräumen
Fotos: Daniel Wagner; zvg
Saada wie Cohen gaben zu verstehen: Rückblickend seien es unbegründete Vorurteile gewesen, die Hass und Antipathie gegenüber Andersgläubigen geschürt und zu falschen Vorstellungen geführt hätten. „Als mir jemand zum ersten Mal von Jesus erzählte, war ich schockiert. Ich fragte mich, wie dieser Jesus wohl den weiten Weg aus dem Westen nach Israel gefunden hatte. Ich hatte nie ein jüdisches Bild von Jesus. Ich dachte an das Abendmahlsgemälde von Leonardo Da Vinci mit dem westlich geprägten Christus.“ In diesem Zusammenhang machte Cohen die interessante Aussage, dass bei der Evangelisation die Juden oft unbewusst ausgelassen werden und er gab deshalb Tipps, wie man jüdische Mitmenschen am besten erreichen kann.
„Wir sind keine Terroristen“ Mit Vorurteilen möchte auch Tass Saada aufräumen: „Nur weil es unter den Muslimen einige gefährliche Ideologen gibt, darf man nicht die ganze muslimische Be24.2014
völkerung verurteilen und denken, wir alle seien Terroristen.“ Saada erzählte, wie für ihn alles aus dem Westen fremd und moralisch verwerflich gewesen sei. „Ich dachte, wenn jemand Christ ist, dann darf er trinken und Frauen haben.“ Und er fügte hinzu: „Wahres Christentum ist aber nicht das, was wir im TV sehen.“ Im arabischen Raum werde via Fernsehen ein falsches Bild des christlich geprägten Westens verbreitet.
„Jetzt lebe ich für Gottes Reich“ Umso positiver war die Überraschung für den ehemaligen PLO-Kämpfer, als er nach Amerika auswanderte. „Die Menschen empfingen mich dort sehr freundlich und offen.“ In den Staaten fand er denn auch zum Glauben an Christus. Die Liebe Gottes und das Licht von Christen hätten ihn zu diesem entscheidenden und überzeugenden Schritt bewogen. Genauso möchte Tass Saada diese Liebe an Muslime weitergeben. Das tat er denn auch vor etwa fünf Jahren auf einer Tour durch die Schweiz zusammen mit Geoffrey Cohen. Voller Überzeugung sagte er zu den rund 300 Zuhörenden: „Eine derart starke Liebe habe ich als Muslim nie gespürt. Heute lebe ich für nichts anderes mehr als für Gottes Reich.“ Auf Michael Siebers Frage, was die Freundschaft zwischen ihnen beiden denn letztlich ausmache, antwortete Cohen: „Es ist mehr als lediglich die Versöhnung. Vielmehr stärkt die intensive Zusammenarbeit unsere mittlerweile fünfjährige Freundschaft. Auf unseren Vortragstourneen möchten wir Versöhnung und Christentum vorleben.“ (dw) • b www.rapperswil.icf.ch b www.hmk-aem.ch
Viele der 800 BESJ-Gruppen (Bund Evangelischer Schweizer Jungscharen) führten ein Auffahrts- oder Pfingstlager durch. „Mich überzeugt diese Arbeit und was Gott in den Kindern bewirkt“, sagte Raphael Dahlhaus vom BESJSekretariat gegenüber idea. Die Royal Rangers der Schweizerischen Pfingstmission organisierten übers Auf Auffahrtswochenende das „Church Camp“ mit 280 Teilnehmenden. An Pfingsten trafen sich 300 Jugendleiter zum FokusWochenende in Dietikon. Das Wetter trug zum Erfolg bei: Seit rund 60 Jahren war es über Pfingsten nicht mehr so schön wie dieses Jahr. (idea)
Neue Aufgaben für Juropa Nach der Gründung von Youngstars International Mitte Mai in Barcelona widmet sich der Verein Juropa künftig der Promotion, Schulung und finanziellen Förderung der Jungschararbeit in Europa. Zu den Gründungsmitgliedern des neuen Verbands gehören die Schweiz, Österreich, Rumänien, Italien und die Ukraine. Als Nachfolger des bisherigen Juropa-Präsidenten Tobias Gafafer wurde der bisherige Geschäftsführer Kurt Mühlematter gewählt. (idea) – b www. juropa.net; www.youngstarsint.org Flüchtlingstage: SEA unterstützt Wettbewerb Die Schweizerische Evangelische Allianz ruft dazu auf, am Wettbewerb „DreamTeams“ mitzumachen. Gefragt sind Teams, die sich in der Migrations- und Integrationsarbeit engagieren. „Die SEA freut sich, wenn evangelische Christinnen und Christen ihre Beteiligung in diesem Bereich sichtbar machen“, steht in der Medienmitteilung. Die Anmeldefrist läuft bis zum 14. August. Lanciert wurde der Wettbewerb von der Flüchtlingshilfe, dem Bundesamt für Migration und dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge. (idea) b www.dream-teams.ch
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Die Kultur des Himmels auf Erden sichtbar machen PFINGSTKONFERENZ 4000 Menschen feierten vom 6. bis 9. Juni in Bern die Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist. Hauptreferent war Bill Johnson aus Kalifornien. Parallel fanden Kinder- und Jugendkonferenzen statt.
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Christliche Leiter hätten die gleiche Auf Aufgabe, nämlich die Würde Gottes in jedem Mitmenschen zu sehen, ihn zu stärken und zu ermutigen. „Lebe so, dass es den Menschen um dich herum besser geht.“ Wie der Rauch eines Feuers in Kleidern, Haut und Haaren hängen bleibt, so sollen Christen den Duft der Liebe Gottes verbreiten. „Jesus starb für uns wie ein Samenkorn,
Fotos: Vineyard/zvg
Pfingstkonferenz: Gottes Gegenwart – kraftvolles Leben 4000 Menschen aus verschiedenen Ländern und Denominationen erlebten die dritte Pfingstkonferenz in der PostFinance-Arena Bern. Diesmal beteiligten sich 37 Gemeinden an der Organisation. 600 ehrenamtliche Mitarbeiter waren im Einsatz. Bill und Beni Johnson sowie Martin Bühlmann, Leiter des Vineyard-Dachverbandes, und sein Sohn Marius Bühlmann, Leiter der Vineyard Bern, referierten darüber, wie die Gegenwart Gottes in der Welt erfahrbar wird. Podcasts und Videopodcasts unter: b www.vineyard-konferenz.ch
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das in die Erde fällt. Wir wachsen aus seinem Tod heraus und tragen nun seine DNA in uns“, erklärte Bill Johnson. Dies verändere die Atmosphäre unserer Umgebung. „Geschäftsleute aus unserer Stadt fragen bei uns nach, wenn sie neue Mitarbeiter brauchen. Obwohl sie selber nicht gläubig sind, stellen sie eine positive Stimmung im Betrieb fest, wenn Christen bei ihnen arbeiten“, erzählte Johnson.
Berichte von Heilungen Beni Johnson, Bills Frau, forderte in ihrem Referat dazu auf, Unversöhnlichkeit auf aufzugeben. Sie erzählte Beispiele, wie Gott Menschen dazu befähigt hatte. „Auch wenn du denkst, du hast nur eine kleine Kraft, Gott wird Türen für dich öffnen“, ermutigte sie. Wie Bill forderte auch Beni die Menschen auf, füreinander um Heilung zu beten. Einige der Geheilten erzählten später auf der Bühne, dass Gott sie von Asthma, starken Rücken- und Kieferschmerzen oder den Folgeerscheinungen von Operationen befreit hatte. „Erzählt es weiter, wenn Gott Wunder tut an euch. Damit gebt ihr ihm die Ehre und ermutigt einander!“
dass Gott auf vielfältige Art gelobt wird. Beten, singen, vor ihm verweilen, arbeiten, Liebe und Güter teilen, alles gehöre dazu. Begleitet von zwei grossartigen Bands wurden die Anbetungszeiten jeweils zu einem Fest. Menschen sangen, tanzten, malten, schwenkten Fahnen und gaben Gott damit die Ehre. In der Ausstellungshalle stellten sich Missionswerke und Schulen vor. Die Gnadenoase bot mit ihren wunderschön dekorierten Nischen Orte der Ruhe und Erholung. Prophetisches Gebet wurde angeboten, auch Kinder durften ihre „Eindrücke“ anderen weitergeben. Die Fülle der Angebote und das heisse Wetter hatten jedoch ihren Preis. Im nahen Park sah man oft Leute im Gras liegen und schlafen. Vielleicht verinnerlichten sie gerade die Aufforderung, Gottes Geist im Nächsten zu erkennen und diesen zu ehren. „Damit bekommt ihr selber Anteil am Geist und der Ehre Gottes“, hatte Bill Johnson zuvor betont. (mf) •
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Anbetung hat viele Formen Jeder der gut zweistündigen Anlässe wurde von einer ausgiebigen Lobpreiszeit eingeleitet. Bene Müller, unter anderem Anbetungsleiter der Vineyard Bern, betonte,
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Gottes Liebe verbreiten
Gott loben mit singen, tanzen, feiern, aber auch mit Fahnen schwingen oder malen. Marius Bühlmann und Bill Johnson: Christen sollen den Duft der Liebe Gottes verbreiten.
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esus kam auf einen Planeten voller Waisen, um ihnen den Vater zu offenbaren.“ Bill Johnson, Leiter der Bethel Church in Redding, USA, führte den Zuhörenden immer wieder Charakter sowie Aufgabe und Dienst Jesu vor Augen. Er legte bekannte Bibeltexte so aus, dass oft eine weitere, zusätzliche Bedeutung darin erkennbar wurde. Dabei betonte er, dass Jesus stets seinem Vater die Ehre gab, indem er ausführte, was er als Auftrag von ihm empfangen hatte. „Ein Vater kann Leben spenden und Menschen ermutigen. Ein Vater freut sich, wenn seine Kinder ihn überholen, er ermutigt sie dazu.“ Jeder, der aus dem Geist Gottes geboren worden sei, könne den Lebensstil des Himmels leben. So könne auf der Erde eine Kultur entstehen, wie sie im Himmel bereits bestehe.
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Gerechtfertigt, aber wovon? THEOLOGIE Die „Neue Paulusperspektive“ interpretiert die Rechtfertigungslehre anders als der Reformator Martin Luther. Geht es gar nicht um den einzelnen Menschen, sondern eher um die Zugehörigkeit zum Volk Gottes? Eine Untersuchung anhand des Römerbriefs. Von Jacob Thiessen Bereits im Jahr 1897 relativierte Paul Wernle die Rechtfertigungslehre des Paulus. Wernle behauptete, diese diene „lediglich der Heidenmission“. Diese These wurde später von verschiedenen christlichen Theologen in ähnlicher Form wiederholt, was schliesslich zur „Neuen Paulusperspektive“ führte. Dabei wird die Rechtfertigungslehre des Paulus nicht als Kritik an der „Selbstgerechtigkeit“ der Juden verstanden, sondern als Bestätigung, dass auch die Nichtjuden zum Volk Gottes gehören, ohne dass sie die „Werke des Gesetzes“ (vgl. z. B. Gal. 2,16; Röm. 3,20) erfüllen. Diese werden im Sinn von „Grenzmarkierungen“ bzw. „Identitätsmarkierungen“ wie z. B. die Beschneidung, die Sabbatheiligung und die Reinheitsvorschriften verstanden. Dementsprechend wird die Rechtfertigung nicht als eine soteriologische, sondern als ekklesiologische Aussage verstanden. Die Rechtfertigung sagt demnach nichts über die Frage aus, wie der einzelne Mensch gerettet wird, sondern spricht lediglich die Frage nach der Zugehörigkeit zum Volk Gottes an. Zu beachten ist, dass damit die Bedeutung des Sühnetodes Jesu zwar nicht aufgehoben wird, doch
Rechtfertigung für wen und wozu? Die „Rechtfertigung“ oder „Glaubensgerechtigkeit“ ist ein zentraler Begriff der christlichen Gnadenlehre. Sie fragt danach, was geschehen muss, damit das Verhältnis zwischen Gott und Mensch – das durch die Sünde des Menschen gestört ist – wieder geheilt werden kann. Welche Rolle spielen dabei Glauben und Werke? In der theologischen Diskussion unserer Tage wird die Rechtfertigungslehre neu gedeutet. Wer ist wie und wovon gerechtfertigt? Jacob Thiessen, Professor für Neues Testament und Rektor der STH Basel, erörtert das Thema Sünde und Erlösung anhand des Römerbriefs. Der vorliegende Beitrag ist eine stark zusammengefasste Version. Die ausführliche Fassung mit allen Literaturangaben findet sich im Buch „Gottes Gerechtigkeit und Evangelium im Römerbrief. Die Rechtfertigungslehre des Paulus im Vergleich zu antiken jüdischen Auffassungen und zur Neuen Paulusperspektive” (Peter Lang Edition, 2014, ISBN 876-3-631-65083-7).
wird der Begriff der Rechtfertigung nicht darauf bezogen. In der Folge wird der Aspekt der „persönlichen“ Sündenvergebung, beispielsweise bei N. T. Wright, unterbelichtet. In diesem Beitrag wird die Rechtfertigung in erster Linie im soteriologischen Sinn verstanden, d.h. in Bezug auf die Frage, wie der Mensch vor Gott Vergebung der Sünden und das göttliche Heil erlangen kann. Allerdings gehö-
Alle Menschen sind in der Sünde verfangen – ohne Unterschied. ren für Paulus die Hinwendung zu Jesus Christus und die Zugehörigkeit zu seiner Gemeinde untrennbar zusammen. Die Gemeinde Jesu besteht aus gerechtfertigten Menschen, die nicht nur Sündenvergebung erlangt haben, sondern auch der „Gerechtigkeit“ Gottes entsprechend durch die Kraft des Heiligen Geistes leben sollen.
Worum es bei der Neuen Paulusperspektive geht Die Kritik des jüdischen Theologen Claude G. Montefiore an Paulus, er habe das Judentum seiner Zeit nicht richtig verstanden (1914), bildete die Grundlage für die spätere Entstehung der Neuen Paulusperspektive (NPP). Montefiore monierte, Paulus stelle das Judentum als „Gesetzesreligion“ dar, während es in Wirklichkeit wie das Christentum eine „Gnadenreligion“ sei. Christliche Theologen wiederholten diese Kritik, wenn auch nicht immer in gleichem Ausmass wie Montefiore. Andere christliche Theologen betonten, nicht Paulus habe das Judentum falsch verstanden, sondern die Reformatoren hätten Paulus einseitig verstanden. Der reformatorischen Theologie wird vorgeworfen, sie rekonstruiere das antike Judentum zu einseitig aus den Quellen des Neuen Testaments, statt aus seinen eigenen Quellen. Es war ein besonderes Anliegen von E. P. Sanders, das zu „korrigieren“ (1977). Was Paulus am Judentum kritisiere, sei, „auf eine Kurzformel gebracht, dass es kein Christentum ist“. Dabei fasst er die „Religionsstruktur“ des palästinischen Judentums mit dem Begriff „Bundesnomismus“ zusammen und hebt den Zusammenhang zwischen Bund und Gesetz hervor. Sanders „Bundesnomismus“ besteht gemäss seinen Worten „in der Vorstellung, dass der Platz eines jeden Menschen 24.2014
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im Plane Gottes durch den Bund begründet wird und dass der Bund als geziemende Antwort des Menschen dessen Befolgung der Gebote verlangt, während er bei Übertretung Sühnemittel bereitstellt“. 1982 prägte J.D.G. Dunn den Ausdruck „The New Perspective on Paul“ („Neue Paulusperspektive“). Nach Dunn will Paulus betonen, dass der Bund in der Zeit der Erfüllung durch Jesus Christus nicht länger als jüdisches Sonderrecht betrachtet werde. Die Funktion des Gesetzes als Schutz Israels durch die „Werke des Gesetzes“, die als „Grenz- und Identitätsmarkierungen“ bezeichnet werden, seien in Jesus Christus angesichts der Nichtjuden aufgehoben.
Neudefinition des „wahren Israels“ Mit Sanders (und Dunn) betont auch N.T. Wright, dass das Judentum des 1. Jahrhunderts n. Chr. keine „Werkgerechtigkeit“ kenne, sondern dass sein Gerechtigkeitsverständnis auf einem tiefen Verständnis der Gnade Gottes gründe. Wright ist überzeugt, dass das Judentum durch die Reformation im Licht seiner eigenen Gegner gedeutet wurde. Man habe das Evangelium zu individualistisch und ahistorisch ausgelegt. Die Rechtfertigung bezeichne nicht die paulinische Antwort auf die Frage, wie ein einzelner Mensch gerettet werden könne, und sie sei auch nicht das zentrale Anliegen des Apostels gewesen. Israel habe auf den Tag gewartet, an dem Gott seine Gerechtigkeit offenbaren und seine Bundestreue demonstrieren würde, indem Gott das Volk von seinen Unterdrückern
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Die Gemeinde Jesu besteht aus gerechtfertigten Menschen. befreien würde. Somit beschreibe „Rechtfertigung“ das kommende grosse Ereignis der Erlösung und Errettung aus dem Gesichtspunkt des Bundes einerseits und des Gerichts andererseits. Von Paulus sei die Gerechtigkeit Gottes als Bundestreue verstanden worden, durch welche Gott mittels des Todes und der Auferstehung Jesu die Auswirkungen der Sünde überwinde. Rechtfertigung bedeute für Paulus – so Wright – nicht eine Erklärung („Statement“) darüber, wie jemand Christ werde, sondern darüber, wie in der Gegenwart gesagt werden könne, dass jemand zum Volk Gottes gehöre. Sie werde immer eschatologisch (endzeitlich) verstanden, doch könne sie bereits jetzt „vorweggenommen“ werden. Für Wright spielt die jüdische endzeitliche Erwartung der Wiederherstellung Israels in der Verkündigung Jesu und 24.2014
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im frühen Christentum eine entscheidende Rolle. „Wie mehrere andere Personen, die mit ihm ungefähr zeitgenössisch waren, glaubte auch Jesus, dass er berufen war, die Bewegung der Erneuerung und Errettung Israels auszuführen.“ Die „tiefsten Schlüssel und Hinweise zur Christologie der Evangelien“ sind nach Wright „die [erwartete] Rückkehr JHWHs zum Berg Zion [d. h. nach Jerusalem] und die Tempeltheologie, die diese Rückkehr ins Blickfeld rückt“. Jesus „wollte sagen, dass sein Tod als der zentrale und kulminierende Moment verstanden werden sollte, auf den die Story zugelaufen war ... und dass diejenigen, die das Mahl mit ihm assen, damals mit ihm und auch in der Folgezeit, das Volk des erneuerten Bundes waren ..., also das Ende des Exils“ und „das wahre eschatologische Israel“. In diesem Sinn der „Neudefinition“ des „wahren Israels“, die Paulus in Röm. 2,28 f. und auch in Röm. 3,27-31 vornehme, versteht Wright auch die Aussage des Paulus in Röm. 11,26, dass „ganz Israel gerettet werden wird“.
Das Problem der Sünde nach dem Römerbrief Ein zentraler Punkt der NPP-Vertreter besagt, dass es sich bei den „Werken des Gesetzes“ um „Identitätsmarkierungen“ handle, also um Beschneidung, Sabbatheiligung, Reinheitsvorschriften usw., wodurch die „Heiden“ durch die Juden vom Volk Gottes ausgeschlossen worden seien. Dass es Paulus z. B. im Kontext von Röm. 3,20 aber nicht nur um die Frage geht, wie „Heiden“ in das Volk Gottes integriert werden können, zeigt meines Erachtens u.a. der diesem Vers vorangehende und auch der folgende Abschnitt. Nach Röm. 3,22b-23a besteht nämlich „kein Unterschied, denn alle haben gesündigt ...“ (vgl. Röm. 10,12; vgl. auch Röm. 3,9; 5,12). Es besteht „kein Unterschied zwischen Juden und Griechen“, da es nur einen „Herrn“ für alle gibt, „der reich ist allen gegenüber, die ihn anrufen“ (Röm. 10,12). Auch in Röm. 3,23 bezieht sich der Ausdruck „kein Unterschied“ auf „Juden und Griechen“. Alle Menschen sind vom Massstab Gottes abgewichen, ob sie das geschriebene „Gesetz“ haben oder nicht (vgl. Röm. 2,12 f.). „Alle haben gesündigt“ bedeutet in diesem Kontext, dass alle Menschen ohne Unterschied in der Sünde verfangen sind und deshalb aktiv sündigen (vgl. auch Röm. 5,12.19). Paulus erläutert, warum alle Menschen allein durch den Glauben an Jesus Christus vor Gott gerechtfertigt werden können. Jesus hebt die verurteilende Wirkung des Gesetzes für den Glaubenden auf. Nach John Murray gibt es vier Möglichkeiten, den Satz „... und [alle – da sie gesündigt haben] ermangeln der Herrlichkeit Gottes“ (Röm. 3,23b) an dieser Stelle zu verstehen:
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1. Die Menschen geben Gott nicht die gebührende Ehre. 2. Die Menschen empfangen nicht die Ehre bzw. Anerkennung von Gott. 3. Die Menschen reflektieren nicht gebührend die Herrlichkeit Gottes. 4. Die Menschen werden bei der Vollendung nicht die Herrlichkeit Gottes erlangen. Das griechische Wort doxa, das ursprünglich „Meinung“ bedeutete, hat im Neuen Testament die Bedeutung „Ausstrahlung, Glanz, Herrlichkeit, Pracht, Ehre, Majestät“ usw. Die „Herrlichkeit“, die der Mensch von Gott empfängt, hängt eng mit der „Gottes-Ebenbildlichkeit“ des Menschen zusammen, doch ist sie damit nicht identisch. Weil der Mensch als „Ebenbild Gottes“ geschaffen wurde, war er vor dem Sündenfall in der Lage, Gottes herrliches Wesen aufzunehmen und widerzuspiegeln. In der Bibel wird nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Mensch nach dem Sündenfall nicht mehr Ebenbild Gottes sei (vgl. jedoch z. B. Kol. 3,10; Röm. 8,29; 2. Kor. 3,18). Da die Beziehung zu Gott aber durch die Sünde zerstört ist (vgl. Eph. 2,1-3; Röm. 5,12), ist der Mensch nicht mehr in der Lage, Gottes heiliges Wesen widerzuspiegeln. Andererseits geht die Verheissung der Offenbarung der Herrlichkeit Gottes bereits im Alten Testament Hand in Hand mit der Verheissung seines Heils, seiner Gerechtigkeit und seiner Gnade (vgl. z. B. Ps. 85,10-12).
Mangel durch Sünde Der unmittelbare Kontext in Röm. 3,23 macht m. E. deutlich, dass für Paulus der „Mangel“ an der „Herrlichkeit Gottes“ eine Folge der Sünde aller Menschen (Juden und Nichtjuden) ohne Unterschied ist. Die Aussage bezieht sich auf den gegenwärtigen Zustand der Menschen und begründet die absolute Erlösungsbedürftigkeit aller Menschen zumindest indirekt. Dass „alle gesündigt haben“, bedeutet für Paulus gleichzeitig, dass alle „unter [der] Sünde sind“ (vgl. Röm. 3,9). Der Mensch ist durch die Sünde, die durch Adam in die Welt gekommen ist und der Menschheit den Tod gebracht hat, nicht mehr in der
Lage, Gottes heiliges Wesen (seine „Herrlichkeit“) aufzunehmen und widerzuspiegeln. Doch aufgrund der Erneuerung durch den Geist Gottes wird er nach 2. Kor. 3,18 „von [einer] Herrlichkeit zur [anderen] Herrlichkeit“ verwandelt, und somit ist er wieder in der Lage, Gottes Herrlichkeit in Jesus Christus sichtbar werden zu lassen (vgl. auch 2. Kor. 4,6). Diese Verwandlung in einem Heiligungsleben geht Hand in Hand mit der Umgestaltung ins „Bild“ Jesu (vgl. Röm. 8,29; 2. Kor. 3,18) und damit in das Bild des Schöpfers der Menschen, da Jesus Christus, das
Das endzeitlich erwartete Heil wird schon jetzt Realität. eigentliche „Bild Gottes“ (Kol. 1,15; 2. Kor. 4,4), der Schöpfer aller Dinge ist (Kol. 1,16 f.; 1. Kor. 8,6). Das endzeitlich erwartete Heil wird damit für den an Jesus Christus Glaubenden jetzt schon Realität, wenn auch noch nicht in seiner ganzen Fülle (vgl. auch Röm. 6,4 ff.). Der Ausdruck „die Sünde“ bezeichnet dabei nicht die einzelne Tatsünde. Es ist die Macht des Bösen, welcher der „natürliche“ Mensch (vgl. Eph. 2,1) ausgeliefert ist (vgl. Röm. 5,21; 6,6.12.14.16.17). Der Mensch „in Adam“ braucht die Befreiung durch Jesus Christus, weil nur er die Herrschaft der Sünde überwunden hat (Röm. 5,15-21; 8,3-4). Der Ausdruck ho thanatos („der Tod“) erscheint im Römerbrief zwölfmal, und zwar nur in dem Abschnitt Röm. 5,10-8,2. Damit wird der enge Zusammenhang zwischen der Herrschaft der Sünde und des Todes sichtbar. In Röm. 5,12 legt Paulus dar, wie „der Tod“ zu allen Menschen gekommen ist, bevor er ausführt, wie Jesus Christus die Befreiung vom Tod gebracht hat. Durch Adam ist die Sünde als Macht in die Welt gekommen, und als Folge davon „herrscht“ der Tod über alle Menschen, sodass diese in einem geistlichen Zustand des Todes leben (vgl. auch Eph. 2,1-3; Kol. 2,13). Nach Röm. 5,19 sind sie dadurch „als [aktive] Sünder eingesetzt worden“. Doch wird der Mensch deshalb nie von der eigenen Verantwortung für sein Sün-
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Der Sühnedeckel auf der Bundeslade: Das ist der Hintergrund, vor dem Paulus Römer 3,25 schrieb: Ein Sühneort durch den Glauben.
digen befreit, sondern voll zur Rechenschaft gezogen (vgl. z. B. Röm. 1,18 ff.). Befreiung gibt es für ihn nach der Überzeugung des Apostels Paulus nur durch Jesus Christus. Nach Röm. 3,25 hat Gott Jesus Christus als „Sühnemittel“ vorherbestimmt, damit Menschen durch den Glauben aufgrund des Blutes Jesu und damit aufgrund des Todes Jesu Christi am Kreuz Erlösung empfangen. Im Blut ist nach alttestamentlichen Aussagen das Leben bzw. die „Seele“ (vgl. 1. Mose 9,4; 3. Mose 17,11 ff.). Gott bestimmte deshalb, dass das Blut von unschuldigen Tieren das Blut des Menschen „ersetzen“ sollte, dass also Tiere anstelle von Menschen sterben sollten. Da aber der Tod der Tiere nicht wirklich den Tod des Menschen ersetzen kann, war das offenbar nicht die endgültige Lösung (vgl. auch Ps. 49,8 f.). Durch die jährlichen Opfer geschah nach Hebr. 10,3-4 „alle Jahre nur eine Erinnerung an die Sünden“, da es „unmöglich ist, durch das Blut von Stieren und Böcken Sünden wegzunehmen“. Somit waren die Opfer eine Verheissung auf das Opferlamm hin, das durch seinen Sühnetod die Sünde der ganzen Menschheit wegnehmen sollte.
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Das Sühnegeschehen In diesem Sühnegeschehen spielt der „Sühnedeckel“ eine zentrale Rolle. Damit ist der goldene Deckel auf der Bundeslade gemeint, in der sich die Gesetzestafeln befanden (vgl. 2. Mose 25,21 f.). Auf diesen „Gnadenthron“ sollte der Hohepriester einmal im Jahr, und zwar am „Tag der Versöhnungen“ bzw. „Sühnetag“ (jom kippurim; vgl. 3. Mose 23,27.28; 25,9), Blut von Tieren sprengen, „und er soll so das Heiligtum wegen der Verunreinigungen der Israeliten und wegen ihrer Übertretungen, mit denen sie sich versündigt haben, entsühnen“ (2. Mose 16,16). Das ist der Hintergrund der paulinischen Aussage in Röm. 3,25a. Das Blut Jesu wird als Mittel zur Sühnung der Sünden verstanden (vgl. auch z. B. Röm. 5,9; 1. Kor. 10,16; 11,25.27; Kol. 1,20; Hebr. 9,7.12.14). Nach dem Hebräerbrief ist Jesus mit seinem eigenen Blut zum himmlischen „Gnadenthron“ eingegangen und hat so eine ewige Erlösung bewirkt (vgl. Hebr. 4,14-16; 9,5.11-15; 10,19-22). Jesu Tod ist nach Hebr. 9,15 „geschehen zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund“. Die Erwähnung des „Sühnedeckels“ in Röm. 3,25 im Sinn eines Hinweises auf Christus als „Sühneort“ und damit als Ort „der Sühne, Präsenz und Offenbarung Gottes“ zu verstehen, ist richtig. Doch m. E. geht es dabei nicht um eine „Weihe“ des Ortes; im Kontext steht vielmehr die Rechtfertigung des Menschen im Zentrum. Mit dem Satz „ihn 24.2014
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hat er vorherbestimmt“ in Röm. 3,25 mit Bezug auf Jesus Christus betont Paulus offenbar die vorher gegebene (indirekte) Verheissung, welche die Stiftshütteneinrichtung mit dem „Sühnedeckel“ auf der Bundeslade beinhaltete. Jesus Christus ist nun der Ort der Begegnung des Menschen vor Gott, weil durch ihn die Sünden vergeben werden, da er sein Leben an der Stelle der Menschen in den Tod gegeben hat (vgl. auch z. B. 2. Kor. 5,18-21). Nach Röm. 6,7 ist der Mensch, der durch den Glauben an Jesus Christus der Sünde gegenüber „gestorben“ ist, vom Rechtsanspruch der Sünde befreit worden, und nach Röm. 5,19 b sind solche Menschen „durch den Gehorsam des einen ... als Gerechte eingesetzt worden“ (Röm. 5,19 b). Sie werden zu „Gerechten“ gemacht bzw. „als Gerechte eingesetzt“, und zwar in dem Sinn, wie sie vorher „Sünder“ waren. „Gerechte“ sind sie einerseits vom „Status“ her, indem sie die Sündenvergebung empfangen und vom Gericht Gottes über die Sünde befreit werden (vgl.
Ich muss mich nicht länger selbst rechtfertigen. z. B. Röm. 5,1.9 f.). Aber mit diesem „Status“ ist auch eine neue „Aufgabenstellung“ verbunden, nämlich jetzt in der Beziehung zu Jesus Christus als „Gerechte“ zu leben. In 1. Petr. 4,18 wird der „Gerechte“ dem „Gottlosen und Sünder“ gegenübergestellt. Die „Gerechten“ sind diejenigen, die „von Herzen aufrichtig“ sind. Besonders in Röm. 6,12 ff. wird diese neue „Aufgabenstellung“ hervorgehoben, wobei zum Ausdruck kommt, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als entweder der Sünde zum Tod zu gehorchen oder sich Jesus Christus und seiner Gerechtigkeit zu unterordnen (vgl. auch Röm. 8,12 f.). Der Christ ist somit für Paulus nicht „zugleich Sünder und Gerechter“, sondern entweder „Sünder“ oder „Gerechter“.
Keine Selbstrechtfertigung mehr! Die „Rechtfertigung“ (als Verwirklichung der „Gerechtigkeit Gottes“) hängt im Gegensatz zur Überzeugung von Vertretern der Neuen Paulusperspektive sehr wohl mit der Frage zusammen, wie Juden und Nichtjuden „Christ“ werden und von ihren Sünden gerettet werden können. Rechtfertigung schliesst nach Paulus aber auch die Befreiung aus dem „Herrschaftsbereich“ der Sünde mit ein. Rechtfertigung im Sinn des Römerbriefs besagt, dass mir durch den Glauben an Jesus Christus die Sünden vergeben sind, dass ich mit Gott versöhnt bin und dass die Sünde nun kein Verfügungsrecht über mich hat, da Jesus Herr meines Lebens ist. Für mich bedeutet das nicht nur Gewissheit des göttlichen Heils, sondern auch, dass ich mich nicht länger selbst rechtfertigen muss. Die ‚Selbstrechtfertigung’ ist meines Erachtens eines der grössten Probleme im gegenseitigen Umgang der Menschen und auch der Christen. •
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P U BL I R E P OR TAG E
Federazione delle Chiese Evangeliche Libere del Ticino
Tessiner Freikirchen verfolgen gemeinsame Ziele Die evangelischen Freikirchen im Tessin haben ganz unterschiedliche Prägungen. Trotzdem ist aus dem jahrelangen Nebeneinander ein Miteinander geworden. Eine interessante Entwicklung. Die Freikirchen im Tessin haben keine gemeinsame Geschichte. Die 13 Gemeinden sind ganz unterschiedlich entstanden, zum Teil durch Einzelinitiativen von Evangelisten oder Pastoren oder auch durch einen Verband aus der Deutschschweiz. Seit 12 Jahren haben sie einen eigenen Verband, wo man sich austauscht, aktuelle Fragen bespricht und gemeinsame Veranstaltungen organisiert.
Reformationsjubiläums haben die Reformierten die Freikirchen zu Dialogtreffen eingeladen, an denen jetzt geklärt wird, ob es zu einer Zusammenarbeit beim Lutherjahr kommt. Die Freikirchen sind dafür offen, wie Markus Zollinger, Leiter der Missione Popolare Evangelica (Chrischona) in Mendrisio, und Giuseppe Cadamuro von der Comunità Evangelica Pentecostale (SPM) in Breganzona übereinstimmend bestätigen. Fritz Imhof
Einstige Kontrahenten arbeiten zusammen Die Entwicklung ist umso erstaunlicher, als sich im Laufe der Zeit sehr unterschiedlich geprägte Gemeinden nähergekommen sind. Die meisten Gemeinden haben einen pfingstlich-charismatischen Hintergrund. Dazu kommen vier Chrischona-Gemeinden. Die beiden einstigen Lager arbeiten heute ohne dogmatischen Ballast zusammen bei Evangelisationen, Jugendprojekten und beim Erstellen gemeinsamer Stellungnahmen gegenüber Behörden oder Medien. Man stützt sich dabei wo möglich auf Positionspapiere des VFG – Freikirchen Schweiz. Der Anlass für den Zusammenschluss zu einem Verband kam allerdings von aussen, genauer gesagt von den Behörden. Diese suchten im April 2002 einen gemeinsamen Ansprechpartner, um die gegenseitigen Beziehungen zu regeln. Zu dieser Zeit gab es zwar bereits informelle Kontakte unter den Predigern und Pastoren, aber kein organisatorisches Gefäss. Es war der Anstoss zur Gründung der Federazione delle Chiese Evangeliche Libere del Ticino (FCELT). In ihren Statuten haben sich die 13 Mitglieder der FCELT verpflichtet, das Evangelium auf verschiedene Art und Weise – auch mit diakonischen Mitteln – zu verkündigen. Grundlage für die gemeinsame Arbeit ist die Lausanner Verpflichtung von 1974. Im Tessin bildet die FCELT nicht nur ein Pendant zum Verband VFG – Freikirchen Schweiz, sondern ist auch dessen Mitglied. Und die Federazione ersetzt die Evangelische Allianz, die im Tessin keine Sektion unterhält.
Man trifft sich ... Konkret plant die Federazione unter dem Logo «Strike» alle zwei Jahre einen Jugendtag mit Teilnehmenden aus allen Verbandsgemeinden, so 2013 in Bellinzona sowie gemeinsame Evan-
Die Jugend der Tessiner Gemeinden am gemeinsamen Jugendevent «Strike».
Sie engagieren sich für die FCELT: Markus Zollinger (Chrischona) und Giuseppe Cadamuro (SPM)
gelisationen und Konzerte und regionale Gebetsanlässe. Etliche Gemeinden schlossen sich auch den ProChrist-Veranstaltungen an. Alle zwei Jahre wird ein Gottesdienst zusammen mit allen zum Verband gehörenden 13 Gemeinden gefeiert. Ein Vorbereitungsteam mit Pastoren dieser Gemeinden bereitet es vor. Die Tessiner Gemeinden schätzen es, wenn Verbände oder Werke evangelistisch im Tessin aktiv werden, sofern dies im engen Kontakt mit den bestehenden Gemeindeleitungen geschieht. Schon die unterschiedlichen kulturellen Bedingungen empfehlen diese Vorgehensweise. Sorgen bereiten der FCELT dagegen Initiativen oder Gemeindegründungen, die einerseits ohne Kontakt mit den bestehenden Gemeinden geschehen, ihnen aber personelle Ressourcen wegnehmen oder die Jugendlichen absaugen. Wenn Christen in der Deutschschweiz jedoch ihre Tessiner Freunde auf die Gemeinden und ihre Veranstaltungen hinweisen, freut man sich dort ganz besonders.
... auch mit den Reformierten Neu entwickelt hat sich auch der Kontakt zur reformierten Kirche im Tessin. Aus Anlass des
Die Mitglieder der FCELT Comunità Evangelica Pentecostale 6517 Arbedo www.ceparbedo.ch Comunità Evangelica Pentecostale 6932 Breganzona Centro Evangelico Patmos 6987 Caslano www.patmos.ch Missione Popolare Evangelica 6512 Giubiasco Comunità Evangelica Pentecostale 6600 Locarno www.ceplocarno.ch Chiesa Evangelica di Risveglio 6900 Lugano Facebook: Cappella Betel Missione Popolare Evangelica 6600 Locarno www.mpe-locarno.ch Centro Cristiano Parola Vivente 6900 Massagno www.parolavivente.org Missione Popolare Evangelica 6850 Mendrisio www.mpe-mendrisio.ch Chiesa Evangelica di Risveglio 6600 Muralto pastoregerardo@hotmail.it Centro del Pieno Vangelo – Il Buon Seme 6912 Pazzallo www.ilbuonseme.ch Centro Cristiano Gesù Vive 6900 Pregassona http.ccegv.altervista.org Missione Popolare Evangelica 6962 Viganello www.mpe-lugano.ch
Der VFG Zum Verband «VFG – Freikirchen Schweiz» gehören 15 freikirchliche Körperschaften mit über 700 lokalen Gemeinden, vorwiegend in der deutschen Schweiz, sowie 7 Gast-Mitglieder. Wir bringen auf dieser Seite Informationen aus dem Leben von Freikirchen in der Schweiz sowie wichtige Themen und Anliegen des Verbandes. Mit der Form der Publireportage unterstützt der VFG auch die Arbeit von «idea Spekrum Schweiz». www.freikirchen.ch idea Spektrum 24.2014
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SYNERGIE WURZELN UND KRONE Auf diesen Tag hatte ich schon lange gewartet. Als ich aus den Ferien zurückkam, war es soweit: Der alte Baum lag am Boden. Wird jetzt mein Gebet erhört werden? reimal in der Woche steige „Nichts ist so beständig wie der ich frühmorgens auf den Wandel“, sagen Leute, die es Belpberg. Die eigens dafür erwissen müssen. Und doch halten stellte Wegspur führt neben wir uns fest, lehnen uns an. Das einem greisen, dürren Baum ist angenehm und komfortabel. vorbei. Er steht nur noch, weil Aber aufgepasst, auch starke er sich an eine stämmige Buche Buchen fallen, wenn schwache anlehnt. „Wie lange noch?“ hatWurzeln nur ein ScheinfundaBruno Jordi te ich mich regelmässig gefragt. ment bilden! Mein Gebet: „Herr, wenn dieser Baum Gott hat mir bis heute nicht gezeigt, was eines Tages fällt, dann will ich dies als Zei- sich markant verändern wird – in meinem chen für eine markante Veränderung neh- Umfeld oder global. Mir ist aber wichtig men.“ Nach drei Wochen Ferien auf Korsika geworden, die Gestalt meines „Lebensnahm ich mein Training wieder auf. Kaum baums“ zu prüfen. Wie stark ist das Wurzu glauben: Der Baum lag am Boden! Was zelwerk und wie schön die Baumkrone? heisst das nun bezogen auf mein Gebet? Besteht zwischen dem Unsichtbaren und Gestern Abend musste ich auf Posten- dem Sichtbaren ein gesundes Gleichgesuche in einem Orientierungslauf. Mitten wicht? Wir haben es auch in der Firma erauf dem Weg versperrte eine riesige Bu- fahren: Wenn die Äste schneller wachsen che den Durchgang. Was geschah mit dem als die Wurzeln, erhöhen sich die Risiken. Koloss? Nur oberflächliche Wurzeln, schien In Korsika sind die extrem raschen Wettermir. Zu wenig Bodenhaftung? umstürze in den Bergen bekannt. Wir ha-
Gegenseitig Interesse zeigen zu: „Fühle mich manchmal frustriert“, (Nr. 23, S. 8) Im Artikel kommt zur Sprache, dass beide Seiten, Jung und Alt, gefordert sind, damit der Generationentransfer gelingt. Das ist auch unsere Überzeugung. Die junge Generation muss anerkennen, dass die Alten nicht alles falsch gemacht und einen Erfahrungsschatz haben, von dem sie profitieren kann. Die alte Generation ist herausgefordert, an den Projekten der Jungen Anteil zu nehmen und Interesse zu zeigen. Das ist eine Wertschätzung, welche die Zusammenarbeit unter den Generationen extrem fördert. Wir sind seit rund vier Jahren in einer Gemeinde mit ca. 120 Mitgliedern, davon 60 Kinder und nur 6 Personen im Pensionsalter, dazu gehören meine Frau und ich. Wir wurden mit offenen Armen empfangen. Unser Dienst beinhaltet Seelsorge, Gebetsdienst, Elternschaft, Ratgeber und zwischendurch auch Ermahner. Der grösste Teil der Personen, die unseren Rat und unser Gebet suchen, sind im Alter von unseren eigenen Kindern oder jünger. Wenn die Jungen
einmal erfahren haben, dass die Alten echtes Interesse an ihren Plänen, Anliegen, Sorgen und Nöten haben, dann sind sie an der Meinung und am Rat der Alten sehr interessiert. Gebetsdienst und geistliche Elternschaft, nach vorne gerichtet, ist eine sehr wichtige Aufgabe für die Älteren. Wenn nichts mehr geht, bleibt immer noch das Beten für die nächste Generation. René und Edith Wenger, Buchs AG
Im Gespräch bleiben zu: „Fühle mich manchmal frustriert“, (Nr. 23, S. 8) Kurt Spiess und Sam Moser sind zwei „gereifte“ Männer, welche die Mehrgenerationengemeinde lieben, auch wenn es Bereiche gibt, die ihnen Mühe bereiten. Wenn an ihrer Stelle Junge befragt würden, dann würden diese genauso Punkte erwähnen, die ihnen nicht gefallen. Unpassend ist der Titel. Er entspricht nicht den gemachten Aussagen. Zwar hat Sam Moser das Wort „frustriert“ gebraucht, es aber sofort auch selbstkritisch auf sich bezogen. Sam Moser und Kurt Spiess haben gelernt, dass die heran-
ben es erlebt: Bei schönstem Wetter kann es innerhalb einer Viertelstunde blitzen und donnern. Da wird es in einer Felswand ungemütlich. Eine Betriebsnachfolge lässt sich persönlich, finanziell und rechtlich regeln. Erfahrungen und Beziehungen an die nächste Generation weiterzugeben, ist anspruchsvoll. Viele meiner „Lehrblätze“ sind nicht von heute, sind alte Schule. Aber was solls? Es ist den Versuch wert, die junge Crew zu begleiten, damit sie nicht die gleichen Lehrgelder zahlen muss wie ich damals. Meine aktuelle Aufgabe besteht darin, Erfahrungen, Freundschaften und Geschäftsbeziehungen auf eine gute Art an die 30 Jahre jüngeren GL-Mitglieder weiterzugeben. Wer in der gleichen Lage ist und einen Erfahrungsaustausch wünscht: An mir soll es nicht fehlen! • Der Autor ist ehemaliger Leiter des Jordi Medienhauses in Belp und CGS-Präsident.
wachsende Generation auf sie als Senioren angewiesen ist und sie sind bereit, ihnen als geistliche Eltern zur Verfügung zu stehen. Da ist nichts von Frustration zu spüren, sondern vielmehr eine Begeisterung wahrnehmbar, dass die Gemeinde Jesu nach ihnen und auch dank ihres Dienstes weitergeht. Senioren mit einer solchen Haltung gibt es auch in unserer Gemeinde. Als Pastor habe ich eine grosse Hochachtung vor ihnen. Vor einigen Wochen wurde ich gebeten, in einer grösseren Gemeinde ein Forum zu leiten. Das Thema: Lobpreis, Liederwahl, Lautstärke, Art des Gottesdienstes. Diese Themen veranlassen immer wieder Menschen, eine Gemeinde zu verlassen. Es geht auch anders. Fast 100 Personen im Alter von 20 bis 85 Jahren waren anwesend und beteiligten sich in Kleingruppen sehr angeregt und oft kontrovers diskutierend. Mein Fazit: So kann das Miteinander gelingen, wenn wir gemeinsam im Gespräch bleiben. Die Jüngeren und Älteren müssen dies wollen. Der Weg dazu ist eine Haltung, die Kurt Spiess und Sam Moser nicht nur predigen, sondern auch vorleben. Markus Mosimann, Arbon TG
Foto: zvg
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Unterschätzte Naturheilkräfte GESUNDHEIT In der Natur stecken mehr Heilkräfte, als allgemein angenommen wird. Heinz Lüscher zeigte am Mondays Talk in Oberrieden das Potenzial natürlicher Präparate auf.
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einz Lüscher arbeitete in jüngeren Jahren als traditionell praktizierender Hausarzt und später in einer Medizinalfirma. Und jetzt, wo er als Rentner eigentlich seinen wohlverdienten Ruhestand geniessen könnte, befasst er sich mit der Vitalstoffmedizin. Darin sieht er einen Auftrag Gottes. Auch weil er davon überzeugt ist, dass wir für unsere Gesundheit mitverantwortlich sind.
Naturheilarzt Dr. Heinz Lüscher
70 Billionen Zellen „Mir ist bewusst geworden, dass die Natur in Sachen Medizin ein grosses Potenzial hat.“ Dr. Heinz Lüscher spricht anlässlich des vom Architekten Siamak G. Shahneshin durchgeführten Mondays Talk in Oberrieden ZH bezeichnenderweise von „Gottes Apotheke“. Die von ihm genannten „technischen Daten“ des Menschen verblüffen. „Jeder von uns besitzt 100 000 Kilometer Blutgefässe, das Gehirn besteht aus 20 Milliarden Zellen, der ganze Körper sogar aus 70 Billionen Zellen. Für mich ist es unvorstellbar, dass wir das zufällige Produkt einer Evolution sind“, folgert der Mediziner.
Foto: Daniel Wagner
Plädoyer für gesunde Ernährung Dann kommt Heinz Lüscher auf die veränderten Ernährungsgewohnheiten zu sprechen, die heute nicht mehr dem entsprechen, wie der Mensch ursprünglich geschaffen wurde. „Zur Zeit der Neandertaler betrug der Zuckerkonsum 10 bis 20 Gramm pro Tag, heute liegt er zwischen 60 und 100 Gramm. Damals wurden 604 Milligramm Vitamin C konsumiert, heute liegt der Wert zwischen 77 und 109 Milligramm.“ So seien sogenannte Volkskrankheiten – zum Beispiel im Bereich der Gefässe – so gut wie vorprogrammiert. Der approbierte Heilpraktiker rät denn auch, den Gemüse- und Früchtekonsum zu verdoppeln. „Die wirksamen Substanzen befinden sich eben nicht in den Pommes Frites.“ Heinz Lüscher ist überzeugt, dass 24.2014
man durch eine gesunde Ernährung das Risiko einer Krebserkrankung um 40 Prozent reduzieren kann.
Eine wirksame Beere Bei der Prävention, aber auch bei der Behandlung beispielsweise von chronischen Erkrankungen, setzt er unter anderem auf die Aronia-Beere, die fast alle Vitamine, aber auch wertvolle Mineralien und Spurenelemente enthält. „Damit die Wirkstoffe in hoher Konzentration verabreicht werden können, müssen die Inhaltsstoffe zu Extrakten verarbeitet werden.“ Der Referent nennt eine Vielzahl von Krankheiten, bei denen dieses Produkt heilend oder lindernd wirken soll: Hoher Blutdruck, Herz-Kreislauf-Arteriosklerose, geschwollene Beine, Konzentrationsschwäche, Müdigkeit, Parkinson und Depressionen sind einige davon.
Kein Ausspielen Lüscher will die Naturheilmedizin aber keinesfalls gegen die klassische Schulmedizin ausspielen. „Während die Stärken der Vitalstoffmedizin bei allen chronischen Erkrankungen wie zum Beispiel MagenDarm-Entzündungen sehr gut wirkt, ist die Schulmedizin in akuten Fällen unverzichtbar, sei dies bei einem Herzinfarkt, bei Schlaganfällen oder Frakturen.“ (dw) • b www.mondaystalk.ch b www.vitalstoffmedizin.ch
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PODIUM Wo und was ist Gott? Eine Frage, die zum vertieften Nachdenken einlädt. Ich persönlich erfahre ihn in meinem Leben immer wieder als Begleiter und Förderer, der mich unterstützt und herausfordert. Ja, ich spüre in guten wie schwierigen Situationen gerade auch in meinem politischen Wirken das Gottvertrauen, welches mir erlaubt, wichtige Entscheidungen zu treffen. Für mich ist Gott die Hoffnung, die Liebe und die Würde. Diesen Werten will ich in meinem Sein, Denken und Handeln Stärke geben. Erst kürzlich fühlte ich, ihm räumlich wieder sehr nahe gewesen zu sein. Am Palmsonntag besuchte ich in New York mit einer jungen Freundin einen Gottesdienst. Die Kirche war dicht gefüllt mit Gläubigen aus aller Welt, die friedvoll und demütig nebeneinander sassen. Ich spürte diese Vielfalt, diesen gegenseitigen Respekt voreinander, den Gott mit seinen Worten immer wieder preist. Die Verschiedenheit der Menschen war an jenem Morgen erkennbar, sie trennte jedoch nicht. Im Gegenteil. Tags darauf durfte ich bei der UNO die Urkunde zur Ratifizierung der Behindertenkovention durch die Schweiz überreichen. Eigentlich ein rein protokollarischer Akt, allerdings mit einer starken symbolischen Bedeutung. Gott als mein Lebenskompass hat mich auch an diese Aufgabe herangeführt, Menschen mit einem Handicap in ihrer Würde und Selbstbestimmung zu unterstützen. Als Selbstbetroffener engagiere ich mich für die verbesserte gesellschaft gesellschaftliche Teilhabe, für Bildungschancen und Arbeit, für Mobilität, für eine Kultur der Inklusion, was so viel Sinn macht! Christian Lohr ist Nationalrat der CVP und wohnt in Kreuzlingen TG.
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HILFSW ER K
Advokaten der Benachteiligten 30 JAHRE TEARFUND TearFund Schweiz (früher Allianz-Hilfe Schweiz) hilft lokalen Partnern, ihre Kompetenzen zu erweitern, und motiviert dazu, sich für Benachteiligte einzusetzen. Auf Kinderpatenschaften wird bewusst verzichtet. Von Christian Bachmann Wahrscheinlich gehen die Anfänge von TearFund Schweiz auf den Weltkongress für Mission „Lausanne 1974“ zurück. Berichte und Beiträge aus der Dritten Welt hatten die Christen aufgerüttelt. Der Leiter von TearFund England, George Hoffmann, motivierte die nationalen Evangelischen Allianzen zur Gründung von Hilfswerken. Bereits seit Anfang der 1970er-Jahre hatte die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) während der Allianzgebetswoche im Januar jeweils ein Solidaritätsopfer erhoben.
Gemeinsames Hilfswerk von SEA und AEM Zehn Jahre später konkretisierten sich die Ideen zur Gründung einer Hilfsorganisation. Im November 1983 berichtete Pfarrer Willi Sartorius, der Start eines Hilfswerks stehe kurz bevor. Die SEA und die Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Missionen (AEM) sollten das Werk gemeinsam Johannes Günthardt leiten und dabei die kirchlichen Organisationen „Brot für Brüder“ und HEKS ergänzen. Paul Schär von der Allianz-Mission begrüsste ein gemeinsames Vorgehen. Heini Schnyder, damals Leiter von WEC International und Präsident der AEM, war eine der treibenden Kräfte. Am 8. Dezember 1984 fand die Gründungsversammlung mit 18 Personen statt. Man einigte sich auf den Namen „Allianz-Hilfe Schweiz“ (AHS). Mit dem Hilfswerk wollte man Geld für Jugendarbeit, Evangelisation und Gemeindebau sammeln sowie die Ausbildung einheimischer Mitarbeiter in der Dritten Welt fördern. Der heutige Geschäftsleiter Johannes Günthardt erklärt: „TearFund ist ein typisches schweizerisches Milizwerk.
Das Kreuz im Logo und was dahintersteckt Das Logo von TearFund ist ein schlichtes rotes Kreuz – könnte man meinen. Wer genau hinsieht, erkennt an den Rissstellen die Profile von Menschen. Damit wird ausgedrückt, dass TearFund Verbindungen schafft und eine Schnittstelle ist zwischen den Menschen. Zudem ist das Kreuz ein Blickfang. Es soll den Betrachter leiten und ihm sagen: „Hier gilt es hinzusehen.“ b www.tearfund.ch
Die Projekte wurden am Anfang ehrenamtlich, aber mit sehr viel Engagement betreut.“ Heute arbeitet TearFund Schweiz mit einem Team von 15 mehrheitlich Teilzeitmitarbeitenden, zwei Lehrlingen und vielen Freiwilligen. Eine Strategieänderung zeichnete sich anfangs der Neunzigerjahre ab, als der Vorstand erkannte, dass nicht zwei verschiedene Werke für AHS verantwortlich sein konnten. AHS sollte fortan das Hilfswerk der Schweizerischen Evangelischen Allianz sein. Auch ein Namenswechsel drängte sich auf. Der Name „Allianz-Hilfe Schweiz“ führte immer wieder zu Missverständnissen und Verwechslungen, so mit der Schweizer Allianz Mission. Seit Mai 1996 heisst das Werk TearFund (The Evangelical Alliance Relief Fund). Dieser Name weist auf die weltweite Tätigkeit hin und war durch die Arbeit von anderen Allianz-Hilfswerken bereits bekannt.
Immer gemeinsam mit lokalen Partnern 1996 sandte TearFund erstmals christliche Fachkräfte aus der Schweiz nach Peru aus. „Heute arbeiten wir nur noch mit lokalen christlichen Partnern zusammen“, erläutert Isabelle Vianden, Programmverantwortliche für das südliche Afrika. „So können wir sicherstellen, dass das Projekt unabhängig ist.“ Die Partnerorganisationen arbeiten dabei eng mit lokalen Kirchen zusammen und können so auf ein breites Netz an ehrenamtlichen Mitarbeitern zurückgreifen. TearFund prüft die Projektanträge möglicher neuer und bestehender Partner, nimmt ihre Ideen auf und begleitet sie im Planungsprozess und während des Projekts. Es ist eine Stärke von TearFund, kleine Organisationen im Wachstum zu unterstützen. Das Hilfswerk investiert sich in „Capacity Development“, hilft also lokalen Partnern, ihre Kompetenzen zu erweitern. Seit dem Start 1984 ist die Arbeit von TearFund auf Projekte in Bangladesch, Malawi, Sambia, Südsudan, Uganda und in Peru angewachsen. Schwerpunkte bilden die längerfristige Entwicklungszusammenarbeit sowie die Nothilfe mit Wiederaufbau, zum Beispiel nach dem Taifun Haiyan auf den Philippinen und momentan in Syrien.
Integrale Mission: eine christliche Aufgabe Auch die Sensibilisierung von Christen in der Schweiz für benachteiligte Menschen in den Ländern des Südens gehört zum Kernauftrag von TearFund. Die Hilfsprojekte orientieren sich am diakonischen Auftrag in der Bibel. 24.2014
Eines der vielen von TearFund begleiteten Projekten: In einer gebirgigen Region im Südwesten Ugandas bauen Experten zusammen mit der lokalen Bevölkerung eine Wasserversorgung für mehrere Dörfer. Einzelne Familien erstellen Tanks zum Sammeln von Regenwasser. Dadurch müssen die Mädchen nicht mehr stundenlang Wasser schleppen und können sich vermehrt auf ihre Ausbildung konzentrieren.
„Integrale Mission, die das Evangelium durch Wort und Tat sichtbar macht, ist eine christliche Aufgabe“, erklärt Isabelle Vianden. „Es reicht nicht, sexuelle Enthaltsamkeit zu predigen, um die Ausbreitung von Aids einzudämmen. Um der Realität in einem Land gerecht zu werden, müssen wir auch praktische Möglichkeiten zur Prävention aufzeigen und dazu anleiten, wie von HIV betroffene Menschen gepflegt werden können.“ Im August 1999 zog TearFund in die heutigen Mieträume in Zürich gegenüber der SEA ein. Zu seinem 20-JahreJubiläum bekam die Hilfsorganisation einen neuen grafischen Auftritt unter dem Motto: „Hinsehen. Handeln.“ Im Oktober 2004 wurde in Bern die Kampagne „StopArmut 2015“ mit einem symbolischen Reisessen gestartet. T arFund war damals Koordinationsstelle; heute gehört Te „StopArmut“ zur SEA-Arbeitsgemeinschaft Interaction. Ebenfalls seit 2004 ist TearFund Mitglied im weltweiten Netzwerk „Integral Alliance“, in dem 20 mit der weltweiten Evangelischen Allianz verbundene, unabhängige Hilfswerke mit dem Schwerpunkt Katastrophenhilfe zusammenarbeiten.
Foto: Tearfund/zvg
Keine Kinderpatenschaften mehr Eine mutige Entscheidung traf TearFund vor sieben Jahren mit dem Verzicht auf Kinderpatenschaften. Isabelle Vianden erklärt die Gründe: „Es sind nicht nur die Schulgebühren, die einem Kind Bildung ermöglichen. Natürlich sind die Beiträge der Paten eine grosse Hilfe, um sie finanzieren zu können. Aber auch die Lehrer müssen gut ausgebildet sein und von der Regierung fair bezahlt werden. Die Eltern ihrerseits müssen verstehen, wie wichtig es für die Zukunft eines Kindes ist, dass es seine Schule besuchen kann und nicht nur auf dem Feld arbeiten muss.“ Um dieser Realität gerecht zu werden und sie den Spendern transparent zu vermitteln, bietet TearFund seit 2007 Projektpatenschaften an. Durch den Verzicht auf Kinder24.2014
patenschaften konnte auch der administrative Aufwand gesenkt werden. So steht mehr Geld für die Projekte und die Menschen, die davon profitieren, zur Verfügung.
Kirchen und ihre Mitglieder sensibilisieren Aus der bescheidenen Allianz-Hilfe Schweiz ist nach 30 Jahren die bekannte Hilfsorganisation TearFund geworden. Das Jahresbudget ist auf über 4 Millionen Franken angewachsen. Mit neuen Angeboten will TearFund Kirchen und ihre Mitglieder sensibilisieren. „Nacht ohne Dach“ macht Teenager auf die Nöte von Slum- und Strassenkindern aufmerksam. Mit Vorträgen, Predigten, Business-Apéros und Pressebeiträgen wird dazu eingeladen, sich für benachteiligte Menschen in Ländern des Südens zu engagieren. TearFund beteiligt sich auch an der Kampagne „Exposed 2013“, mit der Unterschriften gegen Korruption gesammelt werden. Themen wie Menschenhandel werden in Zukunft noch stärker ins Blickfeld rücken. T arFund will auch in Zukunft den Menschen helfen, ihre Te Grundbedürfnisse zu stillen. Jesus Christus hat vor 2000 Jahren dasselbe getan. Er hat Nächstenliebe gelebt und • sich für Gerechtigkeit eingesetzt.
Das TearFund-Anliegen bei Privatpartys kommunizieren TearFund verzichtet bewusst auf die Durchführung eines teuren Jubiläums-Anlasses. Stattdessen lädt die Hilfsorganisation dazu ein, das Kernanliegen von TearFund bei einem Fest im eigenen Freundeskreis mit einzubeziehen. Wer einen Geburtstag oder den Schulabschluss feiert, bittet seine Gäste anstelle von Geschenken um eine Spende für Familien in Afrika, Südamerika oder Asien. Ein umfangreiches Paket mit Einladungs- und Dankeskarten, Infomaterial zum Projekt, einem Gastpräsent und auf Wunsch Material für die Kinder wird zur Verfügung stellt. Anmeldung für eine eigene TearFund-Jubiparty unter:
b www.tearfund.ch/aktiv-werden/jubilaeum/ fest-fuer-tearfund.html
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Sind hohe Managergehälter gerechtfertigt? WIRTSCHAFT Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx (München), hat die Millionengehälter einzelner Manager auf dem Katholikentag in Regensburg kritisiert. Auch das ökumenische Sozialwort der Kirchen fordert einen ethischen Maßstab bei der Entlohnung von Managern. Sind also die derzeitigen Gehälter noch gerechtfertigt?
Hohe Managergehälter sind gerechtfertigt, denn sie entstehen auf dem Markt.
PRO
Kardinal Reinhard Marx meint, die hohen Managergehälter von heute könne „niemand mehr verstehen“. Das ist so pauschal nicht richtig. Verstehen können es diejenigen, die die Gehälter bezahlen: die Unternehmenseigentümer. Zumindest glauben sie das. Wenn sie sich verkalkulieren, wird sich das irgendwann auf das Unternehmensergebnis auswirken. Dann muss der Manager gehen oder sich mit niedrigerem Gehalt zufriedengeben. Denn letztlich zahlen die Kunden diese Gehälter. Wenn sie zufrieden sind, wer sollte sich dann beschweren? In einem Sinn kann man Marx aber recht geben: Der eben beschriebene Marktmechanismus wird in der Realität staatlicherseits vielfach behindert oder gar ausgeschaltet, ist somit nicht mehr rational. So gut wie jede staatliche Regulierung verteuert die Produktion. Konkurrenten geben auf. Übrig bleiben Unternehmen, die
Managergehälter stehen in keinem vernünftigen Verhältnis zum Durchschnittsverdienst.
Fotos: privat (2)
KONTRA
Vor 20 Jahren haben DAX-Vorstände durch durchschnittlich 14-mal so viel verdient wie ihre Beschäftigten. Mittlerweile sind die Bezüge auf das 54-Fache angestiegen, in Einzelfällen sogar auf das 250-Fache. Derart große Gehaltsunterschiede sind nicht mehr leistungsbezogen zu rechtfertigen. Hinzu kommt, dass in diesem Zeitraum die Lohnquote – also der Anteil der Einkünfte aus abhängiger Arbeit am gesamten Volkseinkommen – fast durchgängig gesunken ist. Managergehälter haben heute oft das richtige Maß verloren. Sie stehen in keinem vernünftigen Verhältnis zum Verdienst aus Normalarbeitsverhältnissen. Es besteht die Gefahr, dass sich eine kleine Elite vom Rest der Gesellschaft abkoppelt. Diese Gruppe erhält den Zugang zu unbegrenztem Luxus, exklusivsten Wohnmöglichkeiten und individuellster Lebensgestaltung. Was auf den ersten Blick als reine Neiddebatte anmutet, entpuppt sich bei näherer Be-
Robert Grözinger (Bath/England) ist freier Journalist und Autor. 2012 erschien sein Buch „Jesus, der Kapitalist. Das christliche Herz der Marktwirtschaft“.
– nun geschützt vor allzu viel Wettbewerb oder Übernahme – hohe Umsätze machen. Mit diesen leisten sie sich die vermeintlich besten Manager – und jene wissen, wie viel sie in diesem verzerrten Markt verlangen können. Hinzu tritt unsere zentralplanerisch gelenkte Geldpolitik. Sie ist alles andere als marktwirtschaftlich und begünstigt systematisch diejenigen, die dem Staat nahestehen oder ihm viel bedeuten – insbesondere (aber nicht nur) in der Finanzbranche. Insofern sind hohe Managergehälter nachvollziehbar. Eine staatliche Begrenzung der Gehälter würde nur zu weiteren Verzerrungen und ungewollten Nebenwirkungen führen – Korruption etwa oder Fehlinvestitionen. Hohe Managergehälter sind gerechtfertigt, denn sie entstehen auf dem Markt – aber der Markt muss von staatlichen Eingriffen befreit werden, dann bekommen die Gehälter wieder ein „verständliches“ Maß. P
Axel Braßler (Hannover) ist Geschäftsführer des Evangelischen Verbandes Kirche-WirtschaftArbeitswelt (KWA).
trachtung als gravierendes gesellschaftliches Problem. Zu große Ungleichheiten führen zu einem Anstieg aller sozialen Problembereiche. Die materielle Ungleichheit in unserem Land hat seit der Jahrtausendwende massiv zugenommen, und sie bedroht den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Dafür verantwortlich sind letztlich auch übertrieben hohe Managergehälter. Die Kirchen fordern in ihrer Schrift „Gemeinsame Verantwortung für eine gerechtere Gesellschaft“ die Erneuerung ordnungspolitischer und ethischer Maßstäbe für unsere Wirtschaft. Dazu gehört für mich auch die Begrenzung von Managergehältern. Sie sollten sich nicht nur an kurzfristigen Quartalserfolgen orientieren, sondern an nachhaltigen Unternehmenszielen, wozu letztlich auch die Schaffung von Arbeitsplätzen gehört. Ich halte nichts von absoluten Obergrenzen, aber: Die Relation muss stimmen! 10-mal mehr als der Geringstverdienendste ist auch genug. P 24.2014
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Islamisten entführten erneut 20 junge Frauen NIGERIA Die Terrorgruppe Boko Haram setzt ihren selbst erklärten „Krieg“ gegen Christen fort.
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ie islamische Terrorgruppe Boko Haram hat erneut in Chibok im Norden Nigerias mindestens 20 junge Frauen entführt. Bereits am 14. April hatten die Kämpfer am selben Ort rund 300 Schülerinnen verschleppt. Die meisten gehören der protestantischen „Kirche der Brüder“ an. Einige Geiseln konnten fliehen; mehr als 200 befinden sich jedoch noch in der Gewalt der Terroristen. Ihr Anführer, Abubakar Shekau, brüstete sich damit, dass die entführten Schülerinnen für umgerechnet 9 Euro als „Sklavinnen“ an Muslime veräußert und zwangsverheiratet würden. Damit gelten sie als Musliminnen. Shekau: „Ich werde sie auf dem Markt verkaufen. Allah will es so.“ Bei dem jüngsten Überfall versuchten 3 Dorfbewohner vergeblich, die Frauen zu schützen. Sie seien ebenfalls entführt worden, berichtete der nigerianische Fernsehsender „Television Continental“.
Anglikaner verhandeln Das Oberhaupt der Anglikanischen Kirche, Erzbischof Justin Welby (London), flog am 4. Juni in die nigerianische Hauptstadt Abuja, um mit dem (christlichen) Staatspräsidenten Goodluck Jonathan zu beten. Ferner wurde bekannt, dass ein enger Vertrauter Welbys – Stephen Davis – als Unterhändler mit Boko Haram über die Freilassung der Mädchen verhandelt.
Mütter der entführten Schülerinnen beten für ihre Töchter, die sich in Geiselhaft befinden.
Bereits 2.000 Tote in diesem Jahr Die Islamisten wollen in afrikanischen Ländern mit Gewalt erreichen, dass sich alle Bürger dem islamischen Religionsgesetz, der Scharia, unterwerfen. Seit 5 Jahren verübt die Gruppe Anschläge vor allem auf Schulen und Kirchen. Allein in diesem Jahr sind ihnen mindestens 2.000 Menschen zum Opfer gefallen. Anführer Shekau erklärte in einem Video, der „Krieg“ richte sich gegen die „schädlichen Einflüsse“ von Christen. Die Terrorgruppe setzt unterdes-
sen ihre blutigen Anschläge unvermindert fort. Nach Schätzungen wurden am 4. und 5. Juni bis zu 500 Menschen getötet.
Steinmeier & Müller aktiv Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte Nigeria Unterstützung im Kampf gegen die Terrorgruppe zu. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) reiste am 10. Juni in das westafrikanische Land. Er will die deutschen Hilfen ausbauen. P
Christen gegen das Verschweigen des Massakers in Peking CHINA Christliches Hilfswerk: Die Fälle von Christenverfolgung stiegen 2013 um fast 51 %.
Foto: picture alliance / AA
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or genau 25 Jahren ließ die kommunistische Führung die Demokratiebewegung in der Volksrepublik China blutig niederschlagen. Panzer und Soldaten gingen am 4. Juni 1989 gegen Studenten und andere Dissidenten auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens vor. Schätzungen der Todesopfer bewegen sich zwischen 200 und mehreren Tausend. Bis heute verschweigt die Staatsführung das Blutbad. Wenig bekannt ist, dass sich auch 24.2014
Christen unter den Demonstranten befanden. Einige, die jetzt in den USA leben, rufen die Machthaber in Peking auf, die Verantwortlichen für das Massaker zur Rechenschaft zu ziehen. Bei einer Anhörung im US-Repräsentantenhaus in Washington sprachen u. a. der Präsident des christlichen Hilfswerks „China Aid“, Bob Fu. 1989 führte der Christ eine Gruppe Studenten an, die auf dem Platz des Himmlischen Friedens demonstrierten. Wie er sagte,
wünschten sich die Christen ein Ende der staatlichen Willkür und Korruption sowie ein demokratisches Regierungssystem. Fu rief auch zum Gebet für das chinesische Volk auf. Nach Angaben von China Aid ist die Verfolgung von Christen in der Volksrepublik weiter gestiegen. 2013 habe das Hilfswerk 143 Fälle von Verfolgung registriert; 7.424 Personen seien davon betroffen gewesen. Das bedeute eine Steigerung von fast 51 % gegenüber 2012. P
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NOTIERT WEA: Evangelikale sollen Buße tun für Konkurrenzdenken
Die Kirche hat den Heiligen Geist vergessen GEISTLICHE GEMEINDE-ERNEUERUNG Deutschland steht vor einer „geistlichtheologischen Trümmerlandschaft“, hieß es beim Deutschlandtreffen.
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n Kirche, Theologie und Gesellschaft hat man den Heiligen Geist weitgehend vergessen. Diese Ansicht vertrat der Vorsitzende der Geistlichen GemeindeErneuerung (GGE) in der evangelischen Kirche, Pfarrer Henning Dobers (Hannoversch Münden), bei der 5. DeutschlandKonferenz dieser charismatisch orientierten Bewegung, die mit 550 Teilnehmern in Chemnitz stattfand. Er äußerte sich „tief besorgt“ über den Zustand der evangelischen Kirchen in Deutschland. Zwar gebe es viele lebendige Gemeinden, aber das Land insgesamt stehe vor einer „geistlichtheologischen Trümmerlandschaft“. Nötig sei eine neue „Begeisterung von oben“. Ohne den Heiligen Geist werde der Glaube anstrengend, bleibe Gott fern und verliere die Kirche ihre Vollmacht. Sie müsse sich dem Heiligen Geist neu öffnen, damit das Land von Jesus Christus höre und die konfessionelle Spaltung überwunden werde. Dobers rief die Teilnehmer des Treffens dazu auf, „Faulheit, Feigheit und Fatalismus“ abzulegen. Nach seinen Worten bleiben die Landeskirchen für die Geistliche Gemeinde-Erneuerung die geistliche Heimat. Man suche Gemeinschaft mit allen, die an Jesus Christus glauben. Dazu gehörten
auch messianische Juden. Dobers kritisierte die Entscheidung des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentags, die Mitwirkung messianisch-jüdischer Gruppen beim nächsten Protestantentreffen 2015 in Stuttgart auszuschließen.
Für zahlreiche Verfehlungen wurde ein Schuldbekenntnis abgelegt Während des Kongresses wurde ein Schuldbekenntnis vor Gott abgelegt. Darin heißt es: „Wir bekennen Dir die Schmähung und Verurteilung der Juden durch den Reformator Martin Luther und unsere Kirche. – Vater, vergib!“. Um Vergebung gebeten wird zudem für die Verfolgung und Tötung von täuferisch gesinnten Christen, für die Ablehnung der Geistesgaben und die Zweifel gegenüber dem Heiligen Geist, die konfessionelle Spaltung, Glaubenskriege und Blutschuld im Namen der Kirche. Ferner wurde Schuld bekannt für die Umdeutung der Bibel seit der Aufklärung, die Kompromisse mit herrschenden Ideologien und die Anfälligkeit der Kirche für den Zeitgeist sowie die Verfälschung des Evangeliums während des Nationalsozialismus. P www.gge-deutschland.de b 05541 9546861
Pastor einer US-Megakirche hasst den Personenkult Thomas Dexter Jakes, Bischof einer der größten evangelikalen Gemeinden in den USA, hat bekannt, an den Megakirchen hasse er am Pastor Jakes meisten den Personenkult, dem manche Leiter von Großgemeinden ausgesetzt seien. Der 56-Jährige hat 1996 die Gemeinde „Potter’s House“ (Haus des Töpfers) in Dallas gegründet. Heute hat sie etwa 30.000 Mitglieder. Anscheinend brauchten manche Pastoren eine Art von Vergötterung, sagte Jakes der „Huffington Post“. Die Größe einer Gemeinde sollte aber seiner Meinung nach nicht die Persönlichkeit des Pastors bestimmen. Er sei noch derselbe Mensch, der einst eine Gemeinde mit 50 Besuchern geleitet habe. Wenn eine Kirche wachse, müsse sich lediglich das Management ändern. Jakes wurde mehrfach von Präsident Barack Obama ins Weiße Haus eingeladen.
Fotos: Andreas Schroth, PR
Die Geistliche Gemeinde-Erneuerung (GGE) setzte ein Zeichen für die Verbundenheit mit den messianischen Juden: Evan Thomas, Gemeindeleiter in Netanya (Israel) und GGE-Chef Dobers (r.).
Die Missionskommission der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) hat die Evangelikalen aufgerufen, nach Einheit zu streben. Sie sollten Buße tun für „Konkurrenzdenken, Doppelungen und Zersplitterung“, heißt es in einem „Brief aus Smyrna an die weltweite Gemeinde“. Das Schreiben wurde bei einer internationalen Tagung der Kommission in Izmir – dem biblischen Smyrna – verfasst, an der 210 Missionsleiter aus 50 Ländern im Mai teilnahmen. Wie es weiter heißt, ist die Einheit in der Gemeinschaft, im Zeugnis und Leben der Christen ein „grundlegendes Zeichen der Glaubwürdigkeit des Evangeliums“. Die Einheit komme auch im gemeinsamen Einstehen für die verfolgten Christen zum Ausdruck. Gleichzeitig stelle sich den Christen die dringliche Aufgabe, den bisher von der christlichen Botschaft unerreichten Menschen das Evangelium zu bringen. Die Weltweite Evangelische Allianz repräsentiert mehr als 600 Millionen Evangelikale.
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Pornografische Inhalte bei Wikipedia INTERNET Der Deutsche Lehrerverband warnt Eltern und Lehrer vor pornografischen Inhalten bei Wikipedia.
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er Deutsche Lehrerverband ist alarmiert von Recherchen des Bildungsmagazins „news4teachers“. Sie hatten ergeben, dass die Online-Enzyklopädie zahlreiche Einträge mit Sexfotos bebildert oder auf den Bilderdienst Wikimedia verlinkt. Dort finden sich zum Beispiel unter dem Suchbegriff „Masturbation“ zahlreiche Filme, auf denen sich Männer und Frauen selbst befriedigen. Auch gibt die Seite Anleitungen zum Umgang mit Sexspielzeug. Wikipedia-Deutschland wies auf Nachfrage von news4teachers jegliche Verantwortung für die Seiteninhalte zurück. Sie würden von der Wikipedia-Stiftung in den USA betreut. Die deutsche Kommission für Jugendmedienschutz hat inzwischen ein Verfahren eingeleitet. Ein Verstoß gegen die Bestim-
mungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages könne nicht ausgeschlossen werden, heißt es von der Behörde. Grundsätzlich rät die Kommission Eltern zum Einsatz von Internetfiltern, die problematische Inhalte blockieren.
Für Brockhaus statt Wikipedia Auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus (Ergolding bei Landshut), sieht in Internetfiltern das geeignete Mittel, Kinder vor pornografischen Inhalten zu schützen. Darüber hinaus müsse die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien aktiv werden. Wie Kraus gegenüber idea sagte, ist es
ihm mit der Warnung vor Wikipedia vor allem darum gegangen, Eltern und Lehrern zu zeigen, wie Kinder schon mit wenigen Klicks auf pornografischen Seiten landen können: „Eltern wissen oft zu wenig über solche Medienangebote.“ Daneben äußerte Kraus auch grundsätzliche Kritik an der häufigen Nutzung der Online-Enzyklopädie. Es könne nicht angehen, dass heute in Hausarbeiten fast nur noch Wikipedia als Quelle angegeben werde: „Es wird höchste Zeit, dass Wikipedia als Ausweis vermeintlicher Schwarm-Intelligenz entzaubert wird.“ Er empfiehlt, statt Wikipedia lieber Lexika wie die „Brockhaus“-DVD zu verwenden. P
KOMMENTAR
„Wenn es ihn denn gegeben hat …“
Fotos: Scharfscheer, screenshot/Limberg
MEDIEN Wie die Neue Zürcher auf Kritik reagiert Es ist 17.13 Uhr. Redaktionsalltag. Eine E-Mail des Benachrichtigungsservice von Google (Alert) weckt meine Aufmerksamkeit. „Grenzen der Macht“ heißt der Artikel der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). Darunter der erste Satz der Meldung, der mich irritiert: „Jesus Christus lebte, wenn es ihn denn gegeben hat, in einer wenig besiedelten Welt: Unter 200 Millionen Menschen teilten sich das Brot der Erde.“ Ich klicke auf den Link. Es geht um die Ankündigung eines Wirtschaftsforums in Interlaken. 1.350 Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft diskutieren den „Big
Shift“, die „Großen Umwälzungen“ unserer Zeit. Aha. Was mag sich der Redakteur der Zeitung gedacht haben, diesen Hinweis in Verbindung ausgerechnet mit Christus zu beginnen? Jesus hat gelebt – das ist eine historische Tatsache. Dafür ist kein Glaube nötig. Ich sehe, dass die Meldung seit 45 Minuten online ist. Ich melde mich über meinen Facebook-Account bei „Disqus“ an, ein Kommentarprogramm, das viele Medien auf ihrer Webseite anbieten. Bisher hat niemand kommentiert. Ich schreibe, dass der gewählte Anfang viele Christen vor den Kopf stoßen würde. Ich kann es mir auch nicht verkneifen, die-
Ein Kommentar von ideaInternetredakteur Bernhard Limberg (Wetzlar)
se journalistische (Un-)Art als „peinlich“ zu bezeichnen. Schließlich gilt die NZZ als die „FAZ“ der Schweiz. Mein Kommentar muss von der Redaktion freigeschaltet werden. Dann die Überraschung: Nach nur wenigen Minuten sieht die Nachricht auf der Webseite völlig anders aus. Der Vorspann wurde komplett gelöscht. Jetzt lese ich nur noch etwas vom „Big Shift in Interlaken“. Ich bin glücklich! Mein Einsatz hatte sich gelohnt. Ich wünsche mir, dass jeder, dem Vergleichbares auffällt, sich zu Wort meldet. Per E-Mail, Telefon oder Kommentarfunktion ist das heutzutage einfach und schnell möglich. P
So war es im Internet zu finden, bevor es gelöscht wurde:
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Das Bild der Woche MARSCH FÜR JESUS
In Brasilien sind rund 600.000 theologisch konservative Protestanten – also Evangelikale – auf die Straße gegangen, um ein öffentliches Bekenntnis für ihren Glauben abzulegen. Sie waren aus allen Landesteilen nach Rio de Janeiro gereist; dort nahmen sie am jährlichen „Marsch für Jesus“ teil. Das Ereignis stand auch im Zeichen der Fußballweltmeisterschaft, die vom 12. Juni bis 13. Juli in dem südamerikanischen Land stattfindet. Viele Teilnehmer trugen Hemden mit der Aufschrift: „Ich gehöre zu Jesus. Ich bin ein Champion.“ Brasilien ist nach wie vor das bevölkerungsreichste katholische Land, doch die Evangelikalen – besonders die Pfingstkirchen – verzeichnen ein rasantes Wachstum. Von den knapp 199 Millionen Einwohnern bezeichnen sich 57 % als Katholiken. Ihr Anteil ist seit 1970 um 35 % gesunken. Im selben Zeitraum stieg der Bevölkerungsanteil der Protestanten – besonders der theologisch konservativen Evangelikalen – von 5 % auf 28 %. NichtReligiöse stellen etwa 8 % der Brasilianer und Angehörige anderer Religionen 7 %.
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G A S T KOM M E N TA R
» Mein Glaube an Jesus Christus ist mein Lebensfundament. Er zeigt mir die Liebe Gottes, unabhängig von Erfolgen und Misserfolgen. « Claudemir Jerônimo Barreto – genannt Cacau – bestritt für den 1. FC Nürnberg und den VfB Stuttgart 307 Bundesligaspiele und erzielte 88 Tore. Nach seiner Einbürgerung lief er 23-mal für die deutsche Nationalmannschaft auf und schoss sechs Tore.
Mein Blick geht immer zuerst nach oben Liebe Leserin, lieber Leser, natürlich freue ich mich sehr auf die Fußballweltmeisterschaft in meinem Heimatland Brasilien. Das ganze Land fiebert auf den Beginn hin, man kann jetzt schon die Vorfreude spüren und sehen. Neben dem Fußballfest gibt es aber auch Proteste und Demonstrationen. Es wird sicher beides sichtbar werden. In Brasilien hat der Fußball eine noch höhere Bedeutung als in Deutschland. Wenn die brasilianische Nationalmannschaft spielt, werden die Straßen leer sein. Millionen werden den Fußball feiern. Aber es wird sicher auch die vorhandene Öffentlichkeit genutzt werden, um auf die Missstände hinzuweisen. Ich kann das verstehen. Der Bevölkerung wurde versprochen, dass zum Beispiel für den Bau der Stadien keine Steuergelder eingesetzt werden. Das Gegenteil wurde dann leider Realität.
Der Glaube ist mein Lebensfundament Mein Glaube an Jesus Christus ist mein Lebensfundament. Er zeigt mir die Liebe Gottes, unabhängig von Erfolgen und Misserfolgen. Jesus liebt mich in jeder Situation meines Lebens. Dieses Wissen gibt mir tiefen Frieden in jedem Moment – auch im Fußball. Fußball ist mein Beruf. Zunächst muss ich dort – wie jeder andere Mensch auf seiner Arbeit auch – meine Leistung bringen. Diese Verantwortung gegenüber meinem Arbeitgeber sollte Normalität sein. Wenn meine Kollegen mich nach meinem Glauben fragen, spreche ich natürlich sehr gerne darüber. Da man als Fußballprofi in der Cacau – Immer den Blick nach oben, SCM Hänssler • 320 Seiten • 31.90 SFr. ISBN-10: 3775155252 24.2014
Öffentlichkeit steht, habe ich viele verschiedene Möglichkeiten, über meinen Glauben zu sprechen. Und das macht mir sehr viel Freude!
Es wäre ein Traum gewesen … Es war natürlich ein Traum von mir, als Spieler aktiv bei der WM dabei zu sein. Meine Verletzungen haben es leider nicht zugelassen, wieder so weit zu sein, dass ich nominiert werden konnte. Ich habe mich aber damit abgefunden. Ich wünsche dem deutschen Team viel Erfolg. Es freut mich umso mehr, für das ZDF und für meinen Partner – die Allianz – sowie bei meinem Projekt „Sports for Life World Vision“ in Brasilien unterwegs zu sein.
Brasilien gegen Deutschland im Traumfinale? Wer Weltmeister wird, kann ich nicht vorhersagen. Aber mein Finaltipp lautet: Brasilien gegen Deutschland. Und wenn es wirklich dazu kommt, bleibt es mein Geheimnis, für wen ich bin. Aber ich sage eins: Für ein Land habe ich 2010 an der Weltmeisterschaft in Südafrika teilgenommen. Es war seit einigen Jahren ein großer Traum von mir, das Buch „Immer den Blick noch oben“ zu schreiben. Zum einen wollte ich den vielen Menschen Danke sagen, die mir auf dem Lebensweg geholfen haben, und zum anderen wollte ich es für meine Kinder und Familie schreiben. Außerdem habe ich sehr viele Anfragen vorliegen, aus meinem Leben zu erzählen. All den vielen Bitten kann ich nicht nachkommen. Auch das war ein wichtiger Grund. So kann man es zumindest nachlesen.
Es grüßt Sie herzlich Ihr
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C H R I ST & LE BE N
Sind Sie wirklich glücklich? LEBENSHILFE „Einfach glücklich sein“ – wer wollte das nicht. Doch wer es versucht, merkt sehr schnell, dass das gar nicht so einfach ist. Der Journalist und Direktor des christlichen Kinderhilfswerks „Compassion“, Steve Volke (Marburg), zu einem Thema, das jeden Menschen betrifft. Der 52-Jährige ist verheiratet und Vater von vier Kindern. „Sind Sie wirklich glücklich?“ Als ich diese Frage gestellt bekam, durchzuckte es mich wie ein Blitz. „Natürlich“, heuchelte ich vor, aber gleichzeitig liefen vor meinem inneren Auge viele Dinge ab, die mir noch zum Glück fehlten. Hätte die Frage gelautet: „Haben Sie Glück?“, wäre die Antwort ehrlicher ausgefallen, denn oft habe ich keins. Wobei es sehr stark darauf ankommt, welcher Lebensbereich gemeint ist. Zum Beispiel haben wir in der Familie noch nie „Losglück“ gehabt. Während andere bei den verschiedenen Tombolas im Kindergarten, in der Schule oder in der Gemeinde regelmäßig die besten Preise abräumen und mit dem „Ultra-Hometrainer“, den Heißluftballon-Rundflügen, dem 14-tägigen kostenlosen Urlaub in der Sonne oder mit einem Stereo-Fernseher glücklich nach Hause marschieren, haben wir es – wenn überhaupt – mal wieder nur zu Trostpreisen geschafft: das Bleistift-Set mit Werbung von der Müllabfuhr, eine neuwertige (aber leider nicht mehr ganz vollständige, weil gebrauchte) elektrische Zitronenpresse, das Sechser-BierglasSet für die fünfjährige Tochter, drei Skat-Stöcke, obwohl wir keine Karten spielen.
ber hinaus können wir uns glücklich schätzen, viele Menschen zu unseren Freunden zählen zu dürfen.
Frischer Sauerstoff für die Seele Aber ehrlich gesagt, machen wir uns oft gar keine Gedanken darüber, ob wir glücklich sind oder nicht. Mit dem Glück ist es häufig so wie mit dem Atmen. Es fällt uns erst auf, wenn wir in Atemnot kommen, dass wir frischen Sauerstoff zum Leben brauchen. Viele Menschen beschäftigen sich erst mit dem Thema „Glück“, wenn ihnen bewusst wird, dass sie schon eine geraume Zeit keins mehr erlebt haben oder aber grundsätzlich unglücklich sind. Vielleicht befinden sie sich z. B. gerade in einer Phase, in der Trauer durchlebt wird. Da fällt es sehr schwer, glücklich zu sein.
Wir wollen es!
„Glück“ – wie es andere sehen
Glück ist für jeden etwas anderes, aber eine Aussage trifft auf alle Menschen zu: Wir wollen einfach glücklich sein! Dabei versteht jeder etwas anderes unter „Glück“. Die einen sind glücklich, wenn sie einen freien Nachmittag ohne jegliche Verpflichtungen verbringen können. Die anderen geraten dabei in Panik – aus Angst vor Langeweile. Manche sind glücklich, wenn sie der Chef lobt, weil sie ihre Jahresziele erreicht haben. Wieder andere empfinden höchste Glücksgefühle, wenn sie den „inneren Schweinehund“ und die Angst besiegt haben und schließlich nach einem 20-Meter-Sturz sicher an einem Bungee-Seil freischwebend unter einer Brücke hängen. Manche sind stark beziehungsorientiert und sind glücklich, wenn sie mit möglichst vielen Leuten, die sie mögen, zusammen sein können.
„Ein Betrübter hat nie einen guten Tag; aber ein guter Mut ist ein tägliches Fest.“ Sprüche Salomos 15,15
Warum Glücksbringer kein Glück bringen
Unser Glück In unserer Beziehung zueinander haben meine Frau und ich in fast 29 Jahren Ehe bisher mehr Glück als Pech gehabt. Auch tragen unsere vier Kinder dazu bei, dass wir mit dem Begriff „Glück“ durchaus etwas anfangen können. Darü-
„Wenn man glücklich ist, soll man nicht noch glücklicher sein wollen.“ Theodor Fontane (1819–1898), Dichter des Realismus „Das höchste Glück des Lebens besteht in der Überzeugung, geliebt zu werden.“ Victor Hugo (1802–1885), Begründer der franz. Romantik „Kommt das Glück, biete ihm rasch einen Stuhl an.“ Jüdisches Sprichwort
„Neid ist ein wahrer Glückskiller. Das Gras des Nachbarn ist deshalb immer grüner, weil wir vor lauter Neid vergessen, den eigenen Garten zu gießen.“ Eckart von Hirschhausen, Kabarettist und Bestsellerautor
„Du tust mir kund den Weg zum Leben: Vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich.“ Psalm 16,11
Zu allen Zeiten haben Menschen versucht, ihr Leben in glückliche Bahnen zu lenken. In fast jedem Kulturkreis gibt es Glücksbringer, Amulette oder Talismane. Heidnische Rituale wie zum Beispiel das Klopfen auf Holz soll das Unglück fernhalten. Bisher ist nicht bekannt, wie viele Menschen sich im Laufe der Jahrhunderte dabei den Fingerknöchel gebrochen haben, denn das wäre ein eindeutiger Beweis, dass so etwas nicht funktioniert. In manchen Kulturen spielen Baumgötter oder Götzenbilder eine große Rolle. Um Unglück fernzuhalten, vermischen viele Menschen die Religionen und meinen, von jeder etwas würde sie zu ewigem Glück bringen. Der AberideaSpektrum 24.2014
Anke und Steve Volke auf Haiti zu Besuch bei einem Compassion-Projekt
glaube hat bei vielen Menschen Einzug gehalten, auch wenn sie es vielleicht nicht zugeben.
Das 13. Monatsgehalt nimmt man gern Ob am Freitag, dem 13., Verträge unterzeichnet werden sollen oder nicht, ob man dem Schornsteinfeger am Silvestertag begegnet oder eine schwarze Katze von links nach rechts über die Straße läuft. Es ist manchmal schon abenteuerlich, welche Glücks- oder Unglücksbringer herangezogen werden, wenn es um das persönliche Wohlbefinden geht: In den meisten Hotels gibt es keinen 13. Stock. Nur beim 13. Monatsgehalt hört der Spaß dann auf, denn das nehmen wir gerne mit.
Foto: privat
Will Gott unser Glück? Interessanterweise kommt das Wort „Glück“ in der Bibel nicht sehr häufig vor. In einer Konkordanz zur Lutherbibel fand ich es genau an sieben Stellen. Passen Gott und Glück zusammen? Scheint ja kein Hauptthema des Glaubens zu sein, oder? – Weit gefehlt, denn das, was das Glück eines Menschen ausmacht, ist das Hauptthema der gesamten Bibel. Es hat zu tun mit „Wohlergehen“, „Gnade“, „Freude“, „Friede“, „Lebenssinn“, „Glauben“, „Segen“, „Angenommen sein“, „Liebe erfahren und Liebe üben“ und vielem mehr. Und das zieht sich wie ein roter Faden durch die komplette Bibel. Auch gibt es einige Stellen, in denen explizit ausgedrückt wird, dass „Gott Gelingen und Glück für unser Tun gibt“ und dass an „seinem Segen alles gelegen ist“. So steht zum Beispiel in 5. Mose 30,9: „Der Herr, dein Gott, wird dir Glück geben zu allen Werken deiner Hände.“ Vorausgegangen ist allerdings die Ermahnung, Gott zu gehorchen und seine Gebote zu achten. Ähnliche Aussagen fi nden wir auch in Sprüche 16,20: „Wer auf das Wort merkt, der findet Glück; und wohl dem, der sich auf den Herrn verlässt.“
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Gott ist da – das ist das Glück des Glaubenden: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“ (Psalm 23,1). Das Problem vieler Christen ist, dass sie so etwas zwar lesen, aber es nicht wirklich ernst nehmen. Was ist wohl damit gemeint? Die Bibel ist in vielen Aussagen sehr einfach zu verstehen, wenn man sie so nimmt, wie es da steht. Was heißt wohl „nichts mangeln?“ – ganz einfach: „nichts mangeln!“
Das Schlüsselwort Ich behaupte einmal, dass 99 % aller Menschen vor allem eins wollen: geliebt werden. Eine gute Familie, in der wir aufgewachsen sind, kann uns glücklich machen. Ein Beruf, der uns zufrieden stellt, kann uns glücklich machen. Das Erreichen von Zielen und die Bewältigung von Aufgaben können uns glücklich machen. Das Zusammensein mit guten Freunden kann uns glücklich machen. Aber all das ist nichts gegen das Glücksgefühl, das uns überkommt, wenn wir spüren: Wir werden geliebt! „Wenn du auf dein Leben zurückblickst, dann wirst du merken, dass gewisse Augenblicke herausstechen, Augenblicke, in denen du wirklich gelebt hast – und das sind die Momente, in denen du aus dem Geist der Liebe heraus gehandelt hast. Alles andere hat nur kurzfristige Bedeutung. Die Taten der Liebe aber, von denen kein Mensch je erfahren hat oder erfahren wird, sie bleiben bestehen“, hat der schottische Theologe Henry Drummond geschrieben. Liebe ist das Schlüsselwort. Wo nehmen wir die Liebe her? Gibt es eine Quelle, die nicht versiegt? Woher kommt das wahre Lebensglück? Eine Antwort auf diese Frage habe ich bei Jesus Christus gefunden. Kein anderer Mensch hat die Weltgeschichte so beeinflusst wie er. Wer Jesus Christus betrachtet, der findet die Liebe in Person. Das wahre Glück kommt von innen. Richtig glücklich können wir Menschen erst sein, wenn das Glück in uns verankert ist und nicht nur von äußeren Umständen oder glücklichen Situationen abhängig ist. P
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Bei der Eröffnung des Gender-Zentrums der EKD: vom Leitungsteam Claudia Janssen (l.) und Simone Mantei, in der Mitte EKD-Chef Nikolaus Schneider
eigentlich Gender gut?
GESCHLECHTER Kaum ein anderer Begriff sorgt bei Debatten so für Aufregung wie „Gender-Mainstreaming“. Was für die einen ein Schimpfwort ist, ist für andere eine Notwendigkeit. Der englische Ausdruck Gender will im Unterschied zum biologischen das soziale oder psychologische Geschlecht bezeichnen. Nach dieser Theorie gibt es keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau. Gender-Mainstreaming will entsprechend die Gleichstellung der Geschlechter auf allen Ebenen bewirken. Im April hat die EKD in Hannover ein Zentrum für Genderfragen in Theologie und Kirche eröffnet. idea bat die Leiterin des Zentrums, Claudia Janssen, und eine Kritikerin, Birgit Kelle, zum Streitgespräch. Es moderierte idea-Redakteur Karsten Huhn. Welche Ziele verfolgt das EKD-Studienzentrum? Janssen: Wir betreiben zunächst theologische Grundsatzarbeit. Uns ist es wichtig, Dialoge zu führen – deshalb freue ich mich sehr über dieses Gespräch. Es gibt so viel Unsicherheit, Angst und Missverständnisse, die durch den Raum schweben. Wir stellen Expertisen zur Verfügung, um komplizierte Texte zu lesen und diese in den Alltag der Leute zu übersetzen. Eine schöne Defi nition ist für mich: Gender ist ein Begriff, der Räume der Diskussion öffnet.
Kelle: Gender schadet mir nur Kelle: Ich habe das Gefühl, dass Gender mir nichts nutzt und dass es mir sogar noch schadet. Gender geht von der Voraussetzung aus, dass ich als verheiratete, nicht berufstätige Mutter von vier Kindern gefangen bin in einem tradierten Rollenverständnis, aus dem ich befreit werden muss. Warum beschäftigen sich Menschen damit, meinen Lebensentwurf als etwas darzustellen, was überwunden werden muss, anstatt mich in meinem Lebensentwurf zu belassen?
Janssen: Frau Kelle, Sie haben ganz viele Vorannahmen, was Gender bedeutet … Kelle: … ich habe keine Vorannahmen, sondern ich habe die GenderTheorie gelesen – und versuche, sie zu begreifen.
Janssen: Mit „männlich“ und „weiblich“ kommen wir nicht weiter Janssen: Sie haben ein Verständnis von Gender, das nicht meinem entspricht. Gender ist wie ein großer Container, in den Leute ganz viele Inhalte reinlegen. Ich verstehe Gender als ein Mittel zur Beschreibung der Wirklichkeit, die immer komplizierter wird. Sozialwissenschaftler haben bemerkt, dass wir mit den Kategorien „männlich“ und „weiblich“ nicht mehr weiterkommen. Es gibt so viele andere Formen, in denen Menschen sich bewegen. Neben dem biologischen Geschlecht gibt es auch zahlreiche weitere Kategorien. Zum Beispiel fragen sich Sozialwissenschaftler: Wie kommt es, dass in Saudi-Arabien für Frauen das Autofahren verboten ist? Offenbar sind an das biologische Geschlecht unterschiedliche Rollener-
Foto: Nico Herzog
idea: Frau Prof. Janssen, Frau Kelle, wozu ist Gender gut? Janssen: Ich halte Gender für eine wichtige Kategorie, um Wirklichkeit zu verstehen und Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Geschlechtern zu sehen. Diese Kategorie muss mit Leben gefüllt werden – sie ist von sich aus nicht eindeutig –, und darüber müssen wir reden. Kelle: Ich frage mich: Wie kann etwas hilfreich sein, was die meisten Menschen überhaupt nicht verstehen? Für mich ist Gender ein völlig ungeeignetes Mittel, um die Wirklichkeit zu begreifen. Gender versucht, mir eine neue Wirklichkeit zu präsentieren, an der ich mich orientieren soll. GenderStudien beschreiben nicht, sie schreiben vor. Janssen: Das EKD-Studienzentrum für Genderfragen versteht sich hier als Übersetzungsbüro: Wir übersetzen die Theorien der Sozialwissenschaften in die Theologie, die internationalen Debatten in den deutschen Kontext und wir fragen: Was hat das mit unserer Wirklichkeit zu tun? Wir verstehen uns als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis.
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wartungen geknüpft. Zum Beispiel ist die Aussage „Ein Junge weint nicht“ eine Zuschreibung an das männliche Geschlecht. Die Vorstellung, was „männlich“ und „weiblich“ bedeutet, verändert sich im Laufe der Zeit und fällt je nach Kultur verschieden aus. Noch weiter geht die Hirnforschung: Sie sagt, dass eine eindeutige Zuordnung eines biologischen Geschlechts nicht möglich ist. Kelle: Das bezweifle ich! Ich habe erst kürzlich den Vortrag eines renommierten Hirnforschers gehört, der genau das Gegenteil sehr anschaulich belegte. Janssen: Nein, auch das biologische Geschlecht ist vielfältiger, als wir denken – dies ergeben die neuesten medizinischen Forschungen. Das ist eine ganz neutrale Feststellung. Kelle: Wenn es denn so neutral wäre! Ziel der Gender-Studien ist die „Dekonstruktion“ des biologischen Geschlechts – also die Infragestellung bis hin zur Abschaffung des biologischen Daseins als Mann und Frau. Da hakt es bei mir aus! Ich ziehe Mädchen und Jungs groß und stelle fest, dass viele Dinge bei ihnen absolut biologisch festgelegt sind. Da können wir uns auf den Kopf stellen, und trotzdem werden sie so bleiben. Dennoch haben es die Gender-Studien bis in unsere Bildungspläne geschafft – als sogenannte „Gender-Kompetenz“. Gender ist
Foto: KunstWerk/W.köbke
Claudia Janssen (47) ist Studienleiterin des EKD-Zentrums für Genderfragen in Theologie und Kirche in Hannover. Sie ist zudem außerplanmäßige Professorin für Neues Testament in Marburg und Mitherausgeberin der Bibel in gerechter Sprache. Janssen lebt in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Birgit Kelle (39) ist Journalistin und Vorsitzende des Vereins „Frau 2000plus“. Bekannt wurde sie durch ihre Kolumnen in Tages- und Wochenzeitungen sowie durch ihr Buch „Dann mach doch die Bluse zu: Ein Aufschrei gegen den Gleichheitswahn“ (adeo Verlag). Kelle ist verheiratet und Mutter von vier Kindern. Vor drei Jahren trat sie von der evangelischen zur katholischen Kirche über.
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keine neutrale Beschreibung, sondern eine Wunschvorstellung, die im Widerspruch zum christlichen Menschenbild steht.
Ist Gender eine Ideologie oder nicht? Janssen: Wir müssen die Diskussion versachlichen. Sie vermuten hinter Gender eine Ideologie … Kelle: … ich vermute es nicht, sondern ich lese das in den Schriften der Gender-Vertreter. Die Gender-Forscher an den Universitäten haben sich in ihrem Elfenbeinturm eingeschlossen. Bei ihnen dreht sich alles nur noch um Sexualität. Für mich ist das ein Ärgernis, das Steuergelder kostet, ohne dass ich einen Nutzen davon habe. Janssen: Die Gender-Studien zeigen, wo Männer und wo Frauen präsent sind. In Kindergärten und Grundschulen gibt es nur wenige Männer, an den weiterführenden Schulen ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichen, dagegen lehren an den Universitäten deutlich mehr Männer als Frauen. Wie kommt das? Und ist das sinnvoll? Dann greift das Instrument des Gender-Mainstreaming: Was können wir tun, damit Männer und Frauen in der Erziehung gleichberechtigt tätig sind? Wie können wir den Anteil von Männern in Kindergärten steigern und den Anteil von Frauen an den Universitäten? Eine weitere Frage sind die Lehrinhalte: Als ich Anfang
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der 70er Jahre eingeschult wurde, stand in meinem Lesebuch die Mutter am Herd und hat gekocht, und der Vater hat das Auto repariert. Das ist eine Zuschreibung von Geschlechterrollen: Frauen kochen, Männer reparieren Autos. Ist das so richtig? Oder soll auch mal der Vater am Herd stehen und die Mutter am Auto? Darüber müssen wir diskutieren. Kelle: Wir diskutieren aber nicht, es hat nie eine Diskussion gegeben, ob wir das alles wollen oder sinnvoll finden. Stattdessen ist Gender-Mainstreaming doch auf Europa- und Bundesebene längst Gesetz: Auf allen Ebenen sollen ebenso viel Frauen wie Männer tätig sein – das ist die Zielvorgabe der Politik.
Für eine 50-%-Quote an der Universität wie bei der Müllabfuhr? Frau Kelle, was spricht gegen eine 50-%-Quote für Frauen an Universitäten? Kelle: Was spricht überhaupt für eine Quote? Lasst doch die Frauen den Beruf ergreifen, den sie möchten! Welchen Sinn hat es, dass es überall gleich viele Frauen wie Männer gibt? Damit verneinen wir die Neigungen, die eben auch etwas mit dem Geschlecht zu tun haben. Janssen: In der evangelischen Kirche ist die angestrebte Gleichberechtigung bald erreicht: Wir haben zurzeit ca. 35 % Pfarrerinnen in unseren Gemeinden. Das ist für mich ein Erfolg. O
Die Leiterin des EKD-Gender-Zentrums Claudia Janssen, idea-Moderator Karsten Huhn und die Gender-Kritikerin Birgit Kelle (von links nach rechts)
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Frau Janssen, fordern Sie auch eine 50-%-Quote für Frauen bei der Müllabfuhr? Janssen: Hier liegt ein großes Missverständnis in der Debatte: Wir wollen nichts vorgeben … Kelle: … Entschuldigen Sie, aber um nichts anderes geht es den GenderVertretern als um die Forderung einer Quote! Sie verwechseln Gleichberechtigung mit Ergebnisgleichheit. Janssen: Keine Frau kann gezwungen werden, Professorin zu werden. Es gibt aber eine Reihe von hoch qualifizierten Frauen, die beim Aufstieg an eine gläserne Decke kommen und denen Leitungspositionen verwehrt bleiben.
Eine Tür genügt: Das Schild für die eine Toilette im EKD-Zentrum für Genderfragen
Kelle: Die gläserne Decke halte ich für einen Mythos! Sie gehen von vornherein davon aus, dass es eine gläserne Decke gibt, genauso wie Sie davon ausgehen, dass es sinnvoll wäre, dass überall 50 % Frauen sitzen. Janssen: Ich habe den Eindruck, dass Sie mir eine „Diktatur des Genderismus“ unterschieben wollen. Sie müssen schon unterscheiden: Nur weil Alice Schwarzer etwas sagt, muss ich es nicht auch vertreten. Der Feminismus ist sehr vielfältig. Warum konzentriert sich die Quoten-Diskussion nur auf Berufe wie den der Professorin und nicht auch auf die Müllabfuhr? Janssen: In Deutschland ist die Arbeit bei der Müllabfuhr ein Männerberuf, in Rom ist das nicht so. Wenn viele Frauen Müllfrauen werden wollen –
gerne! Wir müssen uns fragen: Liegt die ungleiche Verteilung an der Rollenzuschreibung, an der Bezahlung oder an den Arbeitsbedingungen? Kelle: Aber Sie fordern die Quote nicht für die Müllabfuhr, sondern nur für die gut bezahlten Posten.
Was für eine Rolle spielen Mütter? Ein naheliegender Grund, warum Frauen in der Berufswelt nicht gleichermaßen wie Männer vertreten sind: Sie widmen sich der Erziehung der eigenen Kinder und scheiden dafür für kürzere oder längere Zeit aus der Erwerbsarbeit aus. Janssen: Als Beschreibung ist das zutreffend. Kelle: Die Gender-Theorie empfindet das Rollen-Modell der Mutter als Problem. Im Europarat hat man bereits monatelang darüber diskutiert, den Begriff der Mutter nicht mehr zu verwenden, weil er Rollen-Stereotypen verstärke. Es ist aber mein Leben, und ich bin glücklich darin! Janssen: Ich gratuliere Ihnen aus vollem Herzen, dass Sie ein glückliches Leben führen. Kinder zu erziehen ist eine beglückende Aufgabe. Kelle: Warum wollen mich die meisten Gender-Vertreter dann aus diesem Leben retten? Janssen: Ich habe Ihr Buch „Dann mach doch die Bluse zu“ gelesen. Diplomatisch formuliert: Sie beziehen alles sehr auf sich … Kelle: … nicht nur auf mich, sondern auf Hunderttausende Frauen, denen es ähnlich geht wie mir und denen ständig erklärt wird, dass ihr Lebensentwurf als Mutter und Hausfrau falsch ist. Janssen: Was ich aus Ihrem Buch herausgehört habe: Es geht Ihnen um die Anerkennung des von Ihnen gewählten Lebensentwurfs. Diese Kultur der Anerkennung fehlt in unserer Gesellschaft – und auch in unserer Kirche. Kelle: Wo bietet mir denn GenderMainstreaming Anerkennung? Nirgendwo! Janssen: Jetzt grätschen Sie mir doch nicht ständig dazwischen! Was mir an Ihrem Entwurf fehlt, ist die Offenheit
für andere Lebensentwürfe. Da ist die EKD mit ihrer Orientierungshilfe zur Familie einen mutigen Schritt vorangegangen. Denn auch lesbische und schwule Paare wollen Anerkennung! Zudem habe ich mich bei Ihrem Buch immer gefragt: Wer ist eigentlich Ihr Gegner? Den Feminismus, den Sie beklagen, kenne ich so nicht. Ich verstehe, dass Veränderungen Angst und Unsicherheit auslösen. Und mit Ihren einfachen Wahrheiten ziehen Sie sich viel Beifall heran, aber die Wirklichkeit ist vielfältiger. Wir haben fast 50 % Scheidungen, und es gibt sehr viele Single-Haushalte. Und viele Frauen und Männer wollen beides: Kinder und berufstätig sein. Sie haben sich für einen anderen Lebensentwurf entschieden, und meines Erachtens setzen Sie ihn sehr absolut. Kelle: Mir gefällt Ihre Argumentation nicht. Wenn ich mich gegen GenderMainstreaming wende, bedeutet das nicht, dass ich ein Opfer meiner Ängste wäre oder Vorurteile habe. Ich werte auch nicht andere Lebensentwürfe ab. Ich möchte allerdings auch nicht Dinge gleichsetzen müssen, die in meinen Augen nicht gleich sind. Die Ehe gibt es nur zwischen Mann und Frau – das ist das christliche Verständnis von Ehe. Ich habe aber kein Problem damit, dass es auch andere Lebensentwürfe gibt. Soll doch jeder leben, wie er will.
Muss Familie neu definiert werden? Janssen: Wir müssen Familie neu definieren, damit es ein tragfähiges, menschenwürdiges Überleben gibt. Für die evangelische Kirche macht Familie aus, dass man verbindlich Verantwortung für andere Menschen übernimmt. Gender-Mainstreaming kann dabei als Instrument dienen, dass diese Verantwortung auch wahrgenommen werden kann. Es sollten zum Beispiel nicht nur die Töchter sein, die ihre Eltern oder Schwiegereltern pflegen, sondern auch die Söhne. Diese gesellschaftliche Ungerechtigkeit müssen wir überwinden. Es sind eben überwiegend die Frauen, die Kinder erziehen und alte Menschen pflegen.
Foto: Birgit Kelle
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Kelle: Wer sagt denn, dass das ungerecht ist? Vielleicht sollten wir nicht nur fragen, wie kriegen wir mehr Männer zu dieser Arbeit, sondern vor allem: Wie können wir es finanzieren? Ich muss Familie nicht neu definieren, um zu ermöglichen, dass jemand sein Kind erzieht oder seine Eltern pflegt. Gerade bei diesem Beispiel sieht man sehr gut, dass die Frage des Geschlechts dabei völlig bedeutungslos ist. In unserer Gesellschaft ist Familienarbeit und Pflege nichts wert, egal ob Mann oder Frau sie erledigen. Um das zu ändern, braucht es kein GenderMainstreaming, sondern mehr Geld.
Foto: KunstWerk/ W.Köbke
Janssen: Was das GenderMainstreaming fördern möchte Janssen: Genau das möchte GenderMainstreaming fördern: dass es egal ist, welches Geschlecht jemand hat, wenn es um gesellschaftlich wichtige Arbeit geht. Oft geht es dabei auch um Geld – da sind wir einer Meinung. Ein Schlüsselvers für Gender-Theologen ist Galater 3,28: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ Wie verstehen Sie diese Aussage? Janssen: Es ist eine Taufformel und eine Vision von Gemeinde. Wörtlich heißt es „weder männlich noch weiblich“. Der Apostel Paulus greift hier die sozialen Kategorien seiner Zeit auf. Es soll keine Hierarchien und keine sozialen Unterschiede geben, sondern ein Miteinander. Schon damals wurde über GenderKategorien gestritten. Die Griechen gingen von der Eingeschlechtlichkeit des Menschen aus. Der Unterschied war nur, dass bei den Männern die Geschlechtsorgane nach außen gestülpt waren und bei den Frauen nach innen. Kelle: Ich vermute, wenn wir die griechischen Männer und Frauen befragen könnten, würden sie uns sehr klar sagen, ob sie männlich oder weiblich sind. Janssen: Ich lese Galater 3,28 so, dass es nicht vom Geschlecht abhängt, welche Aufgabe jemand übernimmt. Wer die Gabe hat, zu leiten oder zu unterrichten, soll es tun.
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Kelle: Ich verstehe den Vers so, dass im Leib Christi kein Unterschied gemacht wird, woher ich komme, wie vermögend ich bin und welches Geschlecht ich habe. Was ich jedoch nicht verstehe: Wie verträgt sich Gender-Mainstreaming mit der Schöpfungsgeschichte? Diese beschreibt den Menschen als Mann und Frau, so hat Gott sie erschaffen, oder hat er sich etwa geirrt? – Gender verneint genau diese Unterscheidung. In einer Rede zur Eröffnung des EKD-Gender-Zentrums hieß es: „Wissenschaftlich ist die Existenz von mindestens 4.000 Varianzen der geschlechtlichen Differenzierung bekannt.“ Meines Wissens braucht es aber nur zwei, nämlich Mann und Frau, um sich fortzupflanzen.
Was hat Gott geschaffen? Janssen: Gott schafft Frauen und Männer und Menschen, die geschlechtlich nicht eindeutig sind, wie zum Beispiel Intersexuelle und Transsexuelle, Gott schafft hetero- oder homosexuelle Menschen. Gender verneint nicht die Unterschiede der Menschen, sondern lobt Gott für die Vielfalt der Schöpfung. Kelle: Das ist eine interessante Interpretation von Genesis 1, Frau Janssen. In meiner Bibel steht da: „Als Mann und Frau schuf er sie“, aber meine Bibel ist auch nicht in gendergerechter Sprache, daran wird es sicher liegen.
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Hebt Galater 3,28 die Unterscheidung zwischen Mann und Frau auf? Kelle: Nein, aufgehoben wird die Unterscheidung der Wertigkeit. Vor Christus sind alle gleich viel wert! Aber der Jude bleibt auch vor Christus immer noch Jude und der Grieche immer noch Grieche. Und so bleibt der Mann immer noch Mann und die Frau immer noch Frau. Wir müssen auch berücksichtigen, dass wir unterschiedliche Gaben haben: Im Gegensatz zu Männern haben Frauen die Gabe, Kinder zu gebären. Wo unterstützt mich die Gender-Theologie in der Gabe der Mutterschaft? Janssen: In meinen Augen ist Paulus ein früher Gender-Theologe, der die Gender-Konflikte der damaligen Zeit auflöste. Auch Leitungspositionen sind nicht an ein Geschlecht gebunden. Wie damals stellt sich auch heute die Frage: Wer leitet, und wer deckt den Tisch? Leitung gilt nach wie vor als männlich und das Tischdecken als weiblich. Das geht so nicht! Derzeit erstellt das Gender-Zentrum einen EKD-Gleichstellungsatlas, der im Herbst vorgestellt werden soll. Welche Ergebnisse sind zu erwarten? Janssen: Wir untersuchen in allen Landeskirchen, wie das Geschlechterverhältnis in den Gemeinden, in den Pfarrämtern und auf der Führungsebene ist. Die EKD-Synode beschloss bereits vor 25 Jahren, dass binnen zehn Jahren der O
Das Streitgespräch endete ohne Einigung: Janssen, Huhn und Kelle nach dem Interview
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Anteil weiblicher Führungskräfte mindestens 40 % betragen solle. Janssen: Auf der mittleren Führungsebene wird dieser Wert noch längst nicht erreicht, da sind wir erst bei ca. 20 % Frauen. Um die Quote weiter zu steigern, brauchen wir andere Instrumente, zum Beispiel mehr Führungspositionen, die auch in Teilzeit ausgeübt werden können. Kelle: Ist es für Sie ein Problem, dass mehr Männer als Frauen Führungspositionen ausüben? Und Sie reden schon wieder von Quoten. Janssen: Für Frauen, die Theologie studiert hatten, aber nicht Pfarrerin werden konnten, war es ein Problem – bis die Frauenordination eingeführt wurde. Kelle: Ich stelle mir aber immer noch die Frage, wozu die EKD ein GenderZentrum braucht? Die Aufgabe der Kirche ist es doch nicht, Gender-Kompetenz zu vermitteln, sondern den christlichen Glauben weiterzugeben. Janssen: Das Zentrum hat zwei Schwerpunkte: Biblische Theologie und Genderfragen sowie Praktische Theologie und Organisationsstruktur. Unser Anliegen ist es, die biblische Botschaft von Gerechtigkeit und Gleichwertigkeit der Geschlechter zu vermitteln.
Ist eine Toilettentür genug? Die Frauen- und die Männerarbeit der EKD haben die Kampagne „Eine Tür ist genug“ vorgestellt. Sie soll zeigen, dass zweiteilige Geschlechtertrennung widersinnig ist. Genügt eine Toilettentür? Janssen: Sie haben wahrscheinlich zu Hause auch keine getrennten Toiletten für Mann und Frau. Ich verstehe die Kampagne als Anregung zur Diskussion: Was ist Geschlecht? Was ist männlich, was ist weiblich? Warum steht die Wickelkommode in öffentlichen Toiletten nie auf der Herrentoilette? Den Anstoß zu dieser Diskussion begrüße ich. Kelle: Zu Hause sind wir eine Familie, da brauchen wir keine getrennten Toiletten. Wenn sich aber eine Kirche mehr mit Toilettentüren als mit Glaubensfragen befasst, macht sie sich lächerlich.
Frau Janssen, Kritiker der Gender-Studien sagen, diese seien eine Pseudo-Wissenschaft. Janssen: Das ist falsch. Wir haben es mit einem neuen Zweig in den Wissenschaften zu tun, der die neuesten Erkenntnisse von Sozial- und Naturwissenschaften, Psychologie und Theologie berücksichtigt. Frau Kelle, der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider warf Ihnen in seiner Rede zur Eröffnung des EKD-Studienzentrums für Genderfragen vor, Sie übten „polemische Kritik“, bedienten sich „vorurteilsvoller Argumentationsketten“ und betrieben „populistische Anbiederei an veränderungsunwillige konservative Kreise“. Kelle: Das ist eine Anmaßung. Jeder, der von Gender nicht sofort begeistert ist, ist also vorurteilsvoll und veränderungsunwillig. Ich finde das ziemlich intolerant. Und es ist das gleiche Schema, nach dem Frau Janssen hier argumentiert. Vielleicht sollte Herr Schneider die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass die Leute keine Angst und Vorurteile haben, sondern einfach recht. Die Mehrheit der Menschen versteht das Gender-Konzept nicht und sieht keinen Bezug zum eigenen Leben. Deshalb muss sachliche Kritik an Gender möglich sein.
Wer steht heute rechts? Janssen: Das Anliegen für Geschlechtergerechtigkeit ist parteiübergreifend und wird auch von Vertretern der CDU mitgetragen. Was mich jedoch schockiert: Frau Kelle, exakt die Argumente, die Sie gegen Gender verwenden, finden sich auch in Programmen von Parteien am politisch rechten Rand. Sie selbst schreiben für die Junge Freiheit, die auch eine rechtsextreme Klientel bedient. Kelle: Ich bin selbst Mitglied der CDU. Was Sie tun, ist, Geschlechtergerechtigkeit fälschlicherweise mit GenderMainstreaming gleichzusetzen. Janssen: Gender-Mainstreaming ist ein Instrument zur Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit – nicht mehr und nicht weniger. In manchen Kreisen ist „Gender“ jedoch mittler-
weile ein echtes Hasswort geworden. Wie grenzen Sie sich von diesen rechten Strömungen ab? Kelle: Jeder, der Gender-Mainstreaming ablehnt, ist also rechts? Das ist so armselig! Auf dem Niveau kann ich nicht diskutieren.
Was ist mit der „Jungen Freiheit“? Janssen: Und was ist mit der „Jungen Freiheit“ aus Berlin? Kelle: Ich schreibe für diese Zeitung – sie ist konservativ–, auch wenn es Ihnen nicht gefällt. Ein Land, in dem man Zeitungen wie „die tageszeitung“ (taz), den „Freitag“ oder das ehemalige Propaganda-Blatt der SED-Diktatur, das „Neue Deutschland“, für normale Zeitungen hält, muss auch eine „Junge Freiheit“ aushalten können. Im Übrigen schrieb selbst die linke „taz“ anerkennend zu meinem Buch, es sei längst überfällig gewesen, um die eingefahrene, feministische Dialektik zu beleben. Steht die „taz“ jetzt auch am rechten Rand? Ich schreibe auch für den „Focus“ und „The European“. Offensichtlich haben diese Publikationen weniger Berührungsängste als Sie. All meine Kollegen, die Gender für Unsinn halten, wie Volker Zastrow von der „FAZ“, Harald Martenstein von der „Zeit“ oder Alexander Kissler im „Cicero“ stehen dann also nach Ihrer Definition auch am rechten Rand. Janssen: Ich sage nicht, dass Sie am rechten Rand stehen, sondern frage Sie, wie Sie sich davon abgrenzen. Ich bleibe dabei: Wer für die Junge Freiheit schreibt, muss sich dafür auch erklären. Kelle: Nein, das muss ich nicht! Das Thema Familie, wie ich es vertrete, wird genauso übrigens von der CDU vertreten. Und über 75 % der Bevölkerung leben das Familienmodell, das ich verteidige. Es ist schon eine steile These, die Mitte der Gesellschaft an den rechten Rand zu rücken. Weil Sie gerade keine Argumente mehr haben, kommen Sie mit der Faschismuskeule. Ich möchte das Gespräch jetzt abbrechen, das hat so keinen Sinn! Vielen Dank für das Gespräch! P ideaSpektrum 24.2014
DI E K LE I N E K A NZ E L zum Fest der Dreifaltigkeit (Trinitatis) am 15. Juni
» Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen! «
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Kirchenrat Dan Peter (Gomaringen bei Tübingen) ist Medienreferent der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.
Aus dem 2. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth 13,13
Foto: privat
Ist es Zeit zum Aufstehen, oder ist alles egal? Trinitatis. Der dreieinige Gott wirkt und segnet. Das Evangelium breitet sich aus: von Jerusalem bis ans Ende der Welt. Sogar in Europa! Gemeinden entstehen, die weltweite Kirche wächst. Nicht nur in Rom und Korinth, auch in Kapstadt und Seoul, Bern und Berlin, Dortmund und Marburg. Gemeinden blühen, neue Lieder entstehen, auch Hauskreise, Archen und Oasen des Glaubens. Aber Diakonie wird gegen Mission ausgespielt, Bach gegen Bandmusik. Vielfalt führt zum Streit. Viele verlassen ihre Gemeinden. In Korinth, Hannover, Stuttgart, München und Wetzlar. Was ist evangelische Freiheit, wer hat den rechten Glauben? Ist es Zeit zum Aufstehen, oder ist sowieso alles egal oder viel zu anstrengend? Eigenartig, wie sehr man sich um sich selber drehen kann – auch in Kirche und Gemeinde. Haben wir etwa Jesus und seine Menschen aus
dem Blick verloren? Menschen, die mich zum Glauben brauchen, die Ansprache, Heimat oder Hoffnung suchen.
Die Dreieinigkeit ist Lebenspraxis Wir brauchen keine bessere Kirche, sondern Gottes Segen, der die Augen öffnet, uns lebendig und neu macht. Seine radikale Gnade, seine vorbehaltlose Liebe, seine jede Mauer überwindende, geschwisterliche Gemeinschaft. Die Dreieinigkeit ist kein Denkmodell, keine graue Theorie, sondern farbgebende Lebenspraxis, Gottes selbstlose Zuwendung: Liebe, damit kein Leben sinnlos, unerfüllt bleibt. Gnade für den Schuldigen und die Selbstgerechte, für den Ausgestoßenen und die sich selbst Anklagende. Gemeinschaft, weil es nicht gut ist, wenn auch nur ein Mensch allein oder außen vor bleibt. P
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PORTRÄT
Wahre Schönheit kommt von Gott VIDEO-BLOGGERIN Natascha Drosdezki ist erfolgreich damit, Rat-
Wie gehe ich mit Lidschatten um? Wie mache ich einen richtigen Lidstrich? Damit man die vielen verschiedenen Schmink-Utensilien korrekt verwendet, gibt es im Internet sogenannte Lernvideos. Einige davon sind sehr erfolgreich. Zu ihnen gehörten auch die Videos von Natascha Drosdezki. Die 29-Jährige aus Pforzheim war eine kleine Berühmtheit in der Szene. 2010 gründete sie ihren eigenen YoutubeKanal „muska1906“, in dem sie in regelmäßigen Abständen Anleitungen für das perfekte Make-up präsentierte. Über 100 Schminkvideos drehte Natascha. 17.000 Abonnenten hatte ihr Youtube-Kanal auf seinem Höhepunkt 2012.
In ihrem Innern sah es wüst aus Während die junge Badenerin darüber sprach, wie man das Äußere aufpoliert, sah es in ihrem Innern ziemlich wüst aus. Seit 10 Jahren schon war sie auf der Suche nach etwas, was ihrem Leben einen richtigen Sinn verleihen könnte. Eines Nachmittags sitzt sie an ihrem Schreibtisch in der klei-
nen Speditionsfirma, die sie gemeinsam mit ihrem Mann leitet, und durchforstet mal wieder Youtube.
„Du hast nichts zu verlieren“ Sie stößt auf ein Video, in dem von Jesus erzählt wird. „Plötzlich habe ich überall Gänsehaut bekommen. Mir war mit einem Mal klar: Du hast nichts zu verlieren, wenn du es mit Gott probierst. Es kann eigentlich nur ein schöneres und sinnvolleres Leben daraus werden.“ In einer unabhängigen evangelischen Gemeinde in Pforzheim fi ndet sie, was sie sucht: „Erst dachte ich, ich muss jetzt mein ganzes Leben ändern und superfromm werden, aber in dieser Gemeinde habe ich Menschen gefunden, die mich so mochten, wie ich bin. Sie lieben Jesus und sind einfach fröhlich dabei.“ Das überzeugt sie.
Jetzt gibt es christliche Kurzfilme Natascha löschte ihre alten Schminkvideos und begann stattdessen, über ihren Kanal christliche Kurzfilme zu verbreiten. Ihre Abonnenten reagierten verwirrt. Doch die meisten blieben. Ein
Geschenk und ein Grund zum Staunen für Natascha. „Viele schreiben mir, stellen Fragen, wollen diskutieren. Es verwirrt mich auch nicht, wenn sie meinen, dass es keinen Gott gibt. Dafür stehe ich zu fest in meinem Glauben.“ Trotzdem motiviert es Natascha natürlich am meisten, wenn sie morgens ihre E-Mails öffnet und wieder jemand, der Gott gesucht hat, durch ihre Videos Christ geworden ist. „Das Internet ist immer brandaktuell. Es ist der einfachste Weg, an Menschen heranzukommen und ihnen von Gott und Jesus zu erzählen.“ Für Natascha Drosdezki hat sich viel verändert. Natürlich schminkt sie sich noch. Das gehört zum Frausein dazu, fi ndet sie. Aber sie verbringt nicht mehr so viel Zeit damit herauszufinden, welcher Lidschatten passt, und hat aufgehört, sich ständig die neuesten Utensilien zu kaufen. „Das Christsein hat mir gezeigt, dass es etwas viel Wichtigeres gibt als äußere Schönheit. Es gibt eine wahre Schönheit, und die kommt von Gott, und das möchte ich anderen erzählen.“ P b www.sein-meisterwerk.de
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schläge mit Hilfe von Videos über das Internet zu verbreiten. Ihre Clips mit Schminktipps sind jahrelang der Renner bei Youtube. Dann bekehrt sie sich und stellt fest, dass die wahre Schönheit ganz woanders liegt. Für eine Aktion des Christustages in Stuttgart an Fronleichnam (19. Juni) hat sie jetzt ein Video über ihre Geschichte gedreht. Julia Bergner stellt sie vor.
DAS WORT DER WOCHE » Unsere Frauen sind nicht so einfach zu erobern, 30 % sind evangelikal und wollen oder sollen nicht sündigen … « Der in Brasilien aufgewachsene Schriftsteller Zé do Rock in der „Bunten“ über seine Heimat aus Anlass der Fußball-WM
24.2014