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Grossartige Vielfalt jenseits des Mainstreams

Dieser Artikel wird ohne die vier, fünf Namen auskommen, von denen man meinen könnte, sie machten die ganze Berner Musikszene aus. Denn wir zeigen ansatzweise, was die Stadt Bern unter dem Deckel des gemeingültigen Musikgeschmacks sonst noch zu bieten hat: eine grossar-

tige Vielfalt. Text Miriam Lenz, Rockette

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willibald

Müsste man die Noise-Rock-Band in Bern verorten, dann wohl am ehesten in den düsteren Ecken. Abends auf der Treppe hinunter in die Matte, beim Blutturm oder in einem menschenleeren Park. Oder eben in einem Club, wo der Sound mit all seinen Ecken, Kanten und Dissonanzen besonders eindrücklich zu Geltung kommt. willibald (Deborah Spiller, Naemi Zurbrügg, Charles Grögli und Tobias Schmid) veröffentlichten im März 2020 ihr Debütalbum «Le roi est mort». Ihre Songs wollen immer ein bisschen weh tun. Nicht nur im Ohr, auch in der Seele. Die Texte sind sozialkritisch, stimmen nachdenklich, spornen an, nicht immer alles hinzunehmen. Foto zvg

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The High Horse

Rockbands spannen mit Orchestern zusammen, Rapper mit Volksmusikformationen: kennen wir. Das Berner Duo The High Horse vereint Klassik mit Bravo Hits und räumt somit das grosse Vorurteil vom Tisch, dass Trash-Fans und Liebhaber der Hochkultur keine Freunde sein können. Die Mezzosopranistin Stephanie Szanto und der Pianist Simon Bucher haben auf ihrem bei einem Klassiklabel erschienen Debütalbum «Best of the Worst, Vol. 1» Hits neu arrangiert, um die wohl oder übel keiner rum kam – «Looking For Freedom» von David Hasselhoff, «Barbie Girl» von Aqua oder «No Limit» von 2 Unlimited. Das Projekt ist so lustig und gleichzeitig so atemberaubend schön, dass hier mit gutem Gewissen geschrieben werden darf: Es ist einzigartig. Foto Michael Isler

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Adaya

Mit elf Jahren schrieb Adaya Lancha Bairacli ihren ersten Song. Mit 14 vertonte sie ein Gedicht ihrer Grossmutter, der berühmten englischen Kräuterkennerin, Heilpraktikerin und Autorin Juliette de Baïracli Levy, und als 17-Jährige gründete sie ihre erste Mittelalterband. Dudelsack, Harfe, Flöte, Banjo und Gitarre brachte sie sich selber bei. Und heute, mit fast 30, hat die Folk-Musikerin entsprechend viel zu erzählen – als Solomusikerin und als Mitglied der deutschen Mittelalter-Band Faun. Märchen, Mythen, Magie und Mittelalter, das alles schwingt in ihrer Musik mit. Doch wer denkt,

diese richte sich nur an ein Publikum mit Flair für diese Welt, liegt falsch. Adayas Songs (bestes Beispiel dafür ist «It’s Alright» auf ihrem Album «New Land») sind keineswegs in der Tradition festgefahren – sie fügen sich sehr wohl ins Heute ein. Aber eben nur so weit, dass die Erinnerungen an die wahren Werte weiter wach bleiben. Foto Manuel Vargas Lépiz

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Twinfinity

Wir sagen immer gerne von uns, wir hätten Twinfinity entdeckt. Immerhin haben wir in unserer Schlagerkolumne «Schlagerette» in der Berner Zeitung über die Zwillinge Tabea und Petra Lämmchen berichtet, als deren Laufbahn in einem sehr frühen Stadium war. Ihre Schlagerlaufbahn, um genau zu sein. Denn singen tun die Schwestern fast schon ihr Leben lang. Im Kindergarten in Gümligen übernahmen sie die Rollen der Königin der Nacht und von Papageno in der «Zauberflöte», später sangen sie im Kinderchor Bolligen und irgendwann am Stadttheater. Die wahren Karriereambitionen kamen aber erst mit 35. Mit ihrem «Schlagerrock», wie sie es nennen, wollen die beiden nun durchstarten. «Vollgas ins Leben» und «Power ohne Ende» heissen die bisher veröffentlichten Songs, in denen definitiv das steckt, was draufsteht. Foto Christoph Marti

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Fuchs & Porzellan

Keine Ahnung, wer hinter diesem Projekt steckt. Der Tipp kam irgendwann letztes Jahr von Rapper Greis. Und nicht mal er kannte damals ihre Namen (es sollen zwei Studenten sein). Aber er habe sie schon live gesehen, mit Band, und das sei grossartig gewesen, schrieb er uns. Und wir plappern ihm heute nicht einfach nur nach, wenn wir sagen, dass das «öppis vom Geilschte isch», was die lokale Hip-Hop-Szene in letzter Zeit an Nachwuchs hervorgebracht hat. Das 2020 erschienene Album «Laster» läuft seither auch bei den Mundartrap-Liebhaberinnen unter uns rauf und runter. Warum? Die Texte sind gut, weil klug. Aber letztlich sind auch (oder gerade) intelligente Gedanken nur dann übertragbar, wenn sie in die Beine fahren. Und der Sound von Fuchs & Porzellan ist melodiös, funky, fresh, oh Gott, klingt das retro. Aber das ist es eben bei aller inhaltlicher Aktualität auch.

Miriam, Aline, Dominique, Nina, Julia, Melinda, Foto Remo Eisner

Die Rakete fliegt weiter

Am Anfang war eine Frage. Warum eigentlich, so überlegten wir fünf Journalistinnen damals, herrscht dieser unausgesprochene Konsens vor, welche Bands und welche Musik man gut finden muss, und was geringzuschätzen ist? Warum, das fragten wir uns, schaffen wir uns nicht einfach mehr Space? Und schreiben hemmungslos, ohne Grenzen und über all das, was wir liebten: Pop, Rock, Country, Schlager, Veraltetes, Neues, Verpöntes.

Wir wollten der Welt mitteilen, welche Gitarristinnen und Sängerinnen wir verehrten, in welche Sänger oder Drummer wir verliebt waren und – ganz selten – mit welcher Musik wir gar nichts anfangen konnten. Tatsächlich ging es bei Rockette schon ein wenig darum, uns nicht von Männern die (Musik-)Welt erklären zu lassen. Aber vor allem wollten wir frei sein.

Das war Anfang 2016. Mittlerweile hat sich das Team von Rockette verjüngt und wir sind jetzt zu sechst, drei davon aus dem Gründergrüppli. Aus dem Musikblog rockette.space ist eine Bubble geworden, in der es ganz viel Musik gibt, aber auch anderes. Zum Beispiel Rockette-Merch (Tassen, Taschen und Tattoos!), wir waren dreimal offizielle Gurtenfestivalschreiberinnen, wir organisieren Guerilla-Konzerte in unserem Büro oder auch schon mal hochoffizielle in der Stadt Bern. Während des ersten Lockdowns gaben wir das Printmagazin «Gazette» heraus und haben das multimediale Fanzine «Baschi konkret» gemacht, für das wir während zwei Jahren recherchiert und den Sänger begleitet hatten.

Wir sind aber auch Buchhandlung: Auf bookette.ch verkaufen wir vor allem Musikbücher, die wir auf dem Blog besprechen, oder bieten ein Secondhand-Bücher-Abo an und vor allem diskutieren wir über Chick-Lit. Diese Unterhaltungsromane von den Bestsellerlisten nennen wir «den Schlager der Literatur». Über sie reden wir übrigens alle zwei Wochen in unserem Podcast «Chick-Chat».

Kerngeschäft bleibt aber unsere Liebe zur Musik. Noch immer plaudern wir auf Rockette darüber, welche Songs uns zum Weinen bringen oder uns zur Bierflasche greifen lassen, noch immer benehmen wir uns vielleicht auch mal daneben. Also, sogar ziemlich oft. Weil wir finden: Das Leben ist Rock’n’Roll!

Nina Kobelt, Rockette

www.rockette.space www.bookette.ch «Chick-Chat» auf den üblichen Podcast-Kanälen

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