INDIEKINO MAG #25, März 2023

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D TÁr Ikonische Anti-Heldin D SaINT OmEr „Es war einfacher“ D SENECa Macht und Opportunismus D DaS BLaU DES KaFTaNS Zugewandt erzählt D DIE FaBELmaNS Schlüsselfilm D rETUrN TO DUST Neo-Neorealismus D LarS EIDINGEr –

SEIN ODEr NICHTSEIN Raupe und Schmetterling D maIGrET Kommissar Depardieu D DEr VErmESSENE mENSCH Kolonialforscher D LUFTKrIEG – DIE NaTUrGESCHICHTE DEr ZErSTÖrUNG Kluge Montage D SISI & ICH Freiheitsliebende Freundin D INSIDE Goldener Käfig D BrOKEr Netzwerk der Gutherzigen D DEr PFaU Zerlegte Eitelkeiten

D DIE EICHE Ohne Erklärbär D TaGEBUCH EINEr ParISEr aFFÄrE Keine Leidenschaft!

maGaZIN FÜr UNaBHÄNGIGES KINO

D 25 D mÄrZ 2023

indiekinomaG

SONNE UND BETON – STarT am 2.3.2023
EGIE UND BUCH VON LI UIJUN AB 2. MÄRZ IM KINO WWW.RAPIDEYEMOVIES.DE

Im März kommt mit Todd Fields TÁR einer der interessantesten Filme der letzten Zeit ins Kino. Cate Blanchett spielt Lydia Tár, fiktive Dirigentin der Berliner Philharmoniker, als komplexe, charismatische und toxische Persönlichkeit. Ebenso gut ist Nina Hoss als Lydias sehr beherrschte Partnerin Sharon – in einem skeptischen Blick von Hoss spiegeln sich Jahre einer Beziehung. Außerdem im März: Lars Kraume beschäftigt sich in DER VERMESSENE MENSCH mit deutscher Kolonialgeschichte. Frauke Finsterwalder

04 maGaZIN

06 „HÄTTE CaTE BLaNCHETT DIE rOLLE NICHT aNGENOmmEN, HÄTTE ICH DEN FILm NICHT GEDrEHT“

INTErVIEW mIT TODD FIELD ZU TÁr

11 mODErNE mEDEa SaINT OmEr

16 DEUTSCHEr KOLONIaLFOrSCHEr DEr VErmESSENE mENSCH

NEU Im mÄrZ

24 Alle wollen geliebt werden

25 Anne-Sophie Mutter –

Vivace

13 Das Blau des Kaftans

22 Broker

23 Can and Me

15 Dora – Flucht in die Musik

27 Die Eiche

STarTS DEr WOCHE

2.3.

27 Lucy ist jetzt Gangster

9 Return to Dust

26 Sonne und Beton

6 Tár

12 Der Zeuge

8.3.

24 Alle wollen geliebt werden

14 Erica Jong – Breaking the Wall

10 Die Fabelmans

25 Gletschergrab

18 Der Gymnasiast

20 Inside

10 Lars Eidinger – Sein oder Nichtsein

14 Liebe Angst

27 Lucy ist jetzt Gangster

9.3.

23 Can and Me

15 Dora – Flucht in die Musik

27 Eiche

10 Die Fabelmans

25 Gletschergrab

15 Rock Chicks

11 Saint Omer

16.3.

13 Das Blau des Kaftans

22 Broker

20 Inside

und Christian Kracht haben mit SISI & ICH ein weiteres Bild der Kaiserin entworfen. Horekazu Kore-eda würfelt in BROKER eine neue Patchwork-Familie zusammen. Alice Diop umkreist in ihrem ersten Spielfilm SAINT OMER eine unfassbare Tat. John Malkovich spielt SENECA.

Viel Spaß beim Lesen und viel Spaß im Kino Eure INDIEKINO Redaktion

21 KOmmISSar DEParDIEU maIGrET

28 ICH War VEraNLaSST, mIr SELBST FraGEN ZU STELLEN INTErVIEW mIT aLICE DIOP ZU SaINT OmEr

30 NaCHBILD

31 KINOS, ImPrESSUm, aBONNEmENT

18 Luftkrieg – Die Natur geschichte der Zerstörung

21 Maigret

24 Der Pfau

9 Return to Dust

15 Rock Chicks

11 Saint Omer

26 Sara Mardini – Gegen den Strom

9 Seneca

20 Sick of Myself

19 Sisi & Ich

26 Sonne und Beton

12 Tagebuch einer Pariser

Affäre

6 Tár

16 Der vermessene Mensch

12 Der Zeuge

18 Luftkrieg – Die Natur geschichte der Zerstörung

24 Der Pfau

23.3.

14 Erica Jong – Breaking the Wall

10 Lars Eidinger – Sein oder Nichtsein

14 Liebe Angst

26 Sara Mardini – Gegen den Strom

9 Seneca

20 Sick of Myself

12 Tagebuch einer Pariser

Affäre

16 Der vermessene Mensch

28.3.

25 Anne-Sophie Mutter – Vivace

30.3.

18 Der Gymnasiast

21 Maigret

19 Sisi & Ich

mÄr Z 2023 D 3 D
EDITOrIaL

TrICKY WOmEN

Das Festival „Tricky Women/Tricky Realities“ findet vom 8.-12.3. in Wien und online statt und zeigt Animationsfilme von Frauen und/oder genderqueeren Menschen. Neben den Filmvorführungen steht vor allem der Austausch unter den Filmemacher*innen im Vordergrund. Spezialprogramme umfassen surreales, widerständiges Animationsfilmkino aus Lateinamerika, eine „Femmage“ an den Schweizer Animationsfilm und eine Retrospektive mit Arbeiten der britischen „Königin der Collage“ Emma Calder, die seit den 1980er-Jahren mit Cut-Outs, Kartoffeldrucken, Tusche und „Wash on paper“ arbeitet. Fest steht auch schon ein zweitätiger Workshop zum Thema animierter Dokumentarfilm mit Filmemacherin Akile Nazlı Kaya und Editor Tomáš Doruška. trickywomen.at

CrUNCHYrOLL aNImE NIGHT

Immer am letzten Dienstag im Monat zeigt die „Crunchyroll Anime Night“ neueste Animes. Basierend auf der 2019 gestarteten und mittlerweile abgeschlossenen Manga-Reihe von Negi Haruba erzählt der Kinofilm THE QUINTESSENTIAL QUINTUPLETS MOVIE (Japan 2022), der am 28.3. zu sehen ist, von den lernunwilligen Fünflingen Ichika, Nino, Miku, Yotsuba, and Itsuki, die allesamt in ihren jungen Nachhilfelehrer Futaro Uesugi verliebt sind. „Cuteness overload“ verspricht der Trailer. crunchyroll.com/de/

INDIEKINO CLUB Im mÄrZ

Im März zeigt der Indiekino Club abermals ausschließlich Filme von Regisseurinnen: Nathalie Avid proträtiert in HARALD NAEGELI - DER SPRAYER VON ZÜRICH den zurückhaltenden Graffiti-Künstler, Claire Denis‘ Vampirfilm TROUBLE EVERY DAY (2001) zeigt zwei Paare in erotischen und mörderischen Verwicklungen, Toti Baches hat ihren Dokumentarfilm RED CUNT der Menstruation gewidmet, und Tamara Trampe spürt in MEINE MUTTER, EIN KRIEG UND ICH der eigenen Familiengeschichte nach. In der surrealen Animation DIE FABELHAFTE REISE DER MARONA schickt Anca Damian eine Hündin auf die Reise. indiekino-club.de

FILmEINrEICHUNG INTErFILm

Noch bis zum 29. Mai können Filmemacher*innen ihre Arbeiten beim Interfilm Kurzfilmfestival (14. – 19.11.) einreichen. Voraussetzung ist, dass die Filme nicht älter als zwei Jahre und maximal 20 Minuten lang sind. Das größte und älteste Kurzfilmfestival Berlins zeigt rund 350 Filme in sieben Wettbewerben und zahlreichen Spezialprogrammen. Die Gewinnerfilme in den Kategorien „Bester Spielfilm“ und „Bester Trickfilm“ qualifizieren sich für eine Einreichung bei den Kurzfilm-Oscars. interfilm.de

D 4 D mÄr Z 2023 IN DIEFEaTUrE
Red Cunt

BEST OF CINEma: aPOCaLYPSE

NOW

Die Reihe “Best of Cinema“ bringt am 7.3. Francis Ford Coppolas APOCALYPSE NOW (Final Cut) wieder ins Kino. Coppolas Verfilmung von Joseph Conrads Roman “Heart of Darkness” als Vietnam-Drama ist mehr als ein Meilenstein der Filmgeschichte. APOCALYPSE NOW veränderte den Blick auf den Vietnam-Krieg, aber auch auf die Populärkultur insgesamt. Der Helikopter-Napalm-Angriff zu Wagners „Walküren-Ritt“, die SexRock-Show im Dschungel, der Soldat, der zu Jimi Hendrix‘ Musik in den Urwald ballert: Rockmusik hatte endgültig die Unschuld verloren. Die unvergesslichen Szenen, die Coppola entwarf, brennen sich für immer ins Gehirn. bestofcinema.de

VErLOSUNG: mITTaGSSTUNDE

In der Verfilmung von Dörte Hansens Norddeutschland-Roman spielt Charly Hübner in seiner möglicherweise besten Rolle den wortkargen Geografieprofessor

Ingwer Feddersen, der von Kiel aufs Dorf zurückkehrt, um sich um seine Großeltern zu kümmern. Wir verlosen 2 DVDs/Blurays. Bei Interesse schreibt uns bis zum 15.3. an info@indiekino.de. Betreff: Mittagsstunde

aBGEDrEHT!

Am 29. und 30.3. findet in den Hamburger Zeise Kinos das Nachwuchsfilmfestival „abgedreht!“ statt. Das Festival ist ein Projekt des jaf – Verein für medienpädagogische Praxis Hamburg e.V. und präsentiert Kurzfilme von jungen Filmemacher*innen (maximal 27 Jahre), die meist auch zu Gast sind und über ihre Filme Auskunft geben. Außerdem sind Filme zu sehen, die das Festival mit den Schüler*innen von vier Hamburger Partnerschulen im Rahmen der „abgedreht Filmschool“ erstellt hat. abgedreht.hamburg

EIN FILM VON FRAUKE FINSTERWALDER

AB 30. MÄRZ

NUR IM KINO

SUSANNE WOLFF SANDRA HÜLLER

CaTE BLaNCHETT DIE rOLLE NICHT aNGENOmmEN, HÄTTE ICH DEN FILm NICHT GEDrEHT“

INDIEKINO: TÁR ist die Geschichte einer Dirigentin, an der Spitze eines der besten Orchester der Welt. Haben Sie einen Bezug zur Welt der klassischen Musik?

Todd Field: Eigentlich gar nicht. Mich interessierte zunächst einmal weniger diese Welt als die Figur darin. Sie stammt aus einer ganz anderen, letztlich kulturlosen Umgebung, doch die frühe Begegnung mit der Klassik löst etwas in ihr aus. Sie beginnt, mit aller Macht diesem Traum nachzujagen und wird exzellent, ja ikonisch. Sie kommt ganz oben an und ist in der Lage, Magie zu kreieren. Aber sie steht eben auch an der Spitze einer höchst bürokratischen, hierarchischen Organisation, deren Macht sie bedienen und verwalten muss. Diese Balance zwischen dem kapriziösen Künstlertum und dem machtpolitischen Manövrieren reizte mich – und die Welt der klassischen Musik stellte dafür eine ergiebige Kulisse dar.

Haben Sie eine weibliche Protagonistin gewählt, weil es in der Klassik-Szene noch ein langer Weg zur Gleichberechtigung ist?

Man könnte unseren Film als Science-Fiction bezeichnen, so unrealistisch erscheint es zumindest bei den großen Orchestern in Mitteleuropa bis heute, dass es eine Frau so weit nach oben schafft wie Lydia Tár. Aber eine Frau war die Figur schon bevor ich mich für dieses Setting entschied. Einen Mann in dieser Position hätte ich nicht so interessant gefunden, auch nicht, wenn der Film in der Welt des Profisports oder in Hollywood spielen würde.

In TÁR werden viele Themen und Debatten mindestens gestreift, die seit einiger Zeit viel diskutiert werden, von #MeToo über Identitätspolitik bis hin zur Cancel Culture. Sehen Sie den Film auch als Kommentar zum derzeitigen Zustand unserer Gesellschaft?

Nein, ich finde es im Gegenteil schwierig, wenn man auf Teufel komm raus einen Film drehen will, der brandaktuelle Debatten abbilden soll. Damit schießt man sich schnell in den Fuß. Ehrlich gesagt könnte TÁR über weite Teile auch ein Historienfilm sein, der irgendwann im 20. Jahrhundert spielt. Denn wovon ich erzähle, sind Machtstrukturen und die Korrumpierung durch Erfolg. Und was damit einhergeht, ist heute im Großen und Ganzen nicht anders als früher.

Geht es im Film um ein deutsches Orchester, weil die die elitärsten der Welt sind?

Für Dirigent*innen sind die großen Orchester in Deutschland und Österreich zumindest so etwas wie der Mount Everest ihrer Branche. Dort liegt der Kanon der klassischen Musik begründet, die Traditionen reichen zurück bis zu Wagner, Mahler und Co. Die Zahl der Menschen, die es dorthin schaffen können, ist sehr überschaubar. Und für TÁR suchte ich obendrein natürlich auch nach dem größtmöglichen Gegensatz zu ihrer bescheidenen Herkunft aus dem amerikanischen Niemandsland von Staten Island.

D 6 D mÄr Z 2023 IN DIEFEaTUrE
„HÄTTE
Interview mit Todd Field zu TÁR

Stimmt es, dass Sie schon beim Schreiben Cate Blanchett im Kopf hatten?

Ja, und hätte sie die Rolle nicht angenommen, hätte ich den Film nicht gedreht. Normalerweise schreibe ich Drehbücher nicht für bestimmte Schauspieler, aber als ich zu Beginn der Pandemie 2020 mit TÁR anfing, war sie einfach schon in meinem Kopf. Dabei kannte ich sie nur flüchtig, wir hatten uns einmal für ein Joan Didion-Projekt getroffen, aus dem nichts wurde. Und es war nicht so, dass ich so arrogant war zu glauben, dass sie die Rolle auf jeden Fall annehmen würde. Wenn nicht, wäre das auch okay gewesen. Dann hätte ich eben einmal mehr ein Skript für die Schublade geschrieben.

Sie haben Ihr dann für diese Rolle einiges abverlangt, nicht wahr?

Das meiste hat sie sich selbst abverlangt. Ich bin noch nie jemandem begegnet, der an sich selbst derart hohe Ansprüche in der Arbeit anlegt. Man muss ein ziemlicher Verrenkungskünstler sein, um das hinzukriegen, was sie alles macht. Sie musste Deutsch lernen und Klavier spielen, sich den passenden amerikanischen Akzent zulegen und vor allem enorm viel Hintergrundwissen draufschaffen, was diesen Beruf und die klassische Musik angeht. Ganz zu schweigen davon, dass sie natürlich ein ganzes Orchester dirigieren und nebenbei auch noch in die psychologischen Abgründe dieser Figur hinabsteigen musste. Für all das,

Todd Field wurde 1964 in Pomono, Kalifornien geboren und ist in Portland, Oregon aufgewachsen, wo er als Kind zusammen mit Kurt Russell Baseball spielte. Nach einer Ausbildung als Musiker und Schauspieler arbeitete er als zunächst als Schauspieler, später auch als Produzent, Komponist, Autor und Regisseur. Gleich sein erster Film IN THE BEDROOM (2001), ein intensives Familiendrama mit Sissy Spacek, Tom Wilkinson und Marisa Tomei wurde für fünf Oscars nominiert, und vor allem unter Filmkritiker*innen galt Field als Independent-Nachwuchshoffnung. Auch in seinem zweiten Film LITTLE CHILDREN (2006), die Geschichte einer Affäre nach einem Roman von Tom Perotta, inszenierte Field die Nuancen in Beziehungen unter Stress. Dann folgten 16 (!) Jahre Stille – bzw. unrealisierte Projekte mit u.a. Joan Didion, Jonathan Franzen und Cormack McCarthy – bevor Field 2022 mit TÁR wieder auf der Bildfläche erschien. Der Film ist aktuell für sieben Oscars nominiert und Cate Blanchett hat bereits zahlreiche Darstellerinnenpreise erhalten, darunter den Golden Globe und den Silbernen Löwen in Venedig. Patrick Heidmann hat sich mit Todd Field unterhalten.

wofür Lydia Tár in ihrer Karriere 25 Jahre brauchte, hatte Cate ein Jahr Zeit. Das war – selbst angesichts toller Coaches und Lehrmeisterinnen an ihrer Seite – eine unglaubliche Leistung.

Sie selbst mussten aber vermutlich auch einiges lernen, oder?

Stimmt, und ich hatte dafür zum Glück einen wunderbaren Lehrer. John Mauceri begann seine Dirigentenkarriere als Assistent von Leonard Bernstein. Er war der Einzige außer sich selbst, den Bernstein zu Lebzeiten sein Orchester dirigieren ließ. Später leitete Mauceri auch lange das Hollywood Bowl Orchestra und schrieb tolle Bücher. Einen besseren Coach hätte ich mir nicht wünschen können.

Würden Sie eigentlich sagen, dass es Parallelen gibt zwischen der Arbeit eines Dirigenten und der eines Regisseurs?

Absolut, sehr viele sogar. Beiden Berufen wohnt eine ähnliche Machtstruktur inne, ganz gleich, ob man die für real oder behauptet hält. Auch die Art und Weise, wie ein Regisseur mit seiner Crew kommuniziert ist der Arbeit in einem Orchester nicht unähnlich. Und die Schauspieler spielen eben, und sind genau wie Musiker empfindsame Künstler. In beiden Fällen hat man es mit sehr vielen Mitarbeitern zu tun und muss ein riesiges Projekt mit enorm vielen beweglichen Einzelteilen stemmen. Meistens sind alle müde, und natürlich hat man es mit dutzenden individuellen

IN DIEFEATURE mÄr Z 2023 D 7 D

Persönlichkeiten zu tun, die auch mal schlechte Tage haben. Einen Film zu drehen oder eine Sinfonie auf die Bühne zu bringen ist beides Teamwork, aber eben keine Demokratie. Deswegen gehören gewisse Führungsqualitäten und ein Gespür für Management in beiden Fällen dazu.

Sie erwähnten vorhin Drehbücher, die Sie nie verwirklichen konnten. Das kam in den zurückliegenden 16 Jahren seit Ihrem letzten Film IN THE BEDROOM häufiger vor, oder?

Ja, und das ist nie leicht. An dem Klischee, dass die Dinge, die Geschichten, die man schreibt, so etwas wie seine Kinder sind, ist halt doch etwas dran, und es nie ein schönes Gefühl, wenn

TÁr

Ikonische Anti-Heldin

andere Leute die eigenen Kinder nicht so hübsch und großartig findet wie man selbst. Aber irgendwann macht man auch seinen Frieden damit. Zumindest habe ich für mich irgendwann verstanden, dass der Prozess des Schreibens, als das künstlerische Schöpfen manchmal befriedigender und erfüllender ist als das Endergebnis. Deswegen bereue ich nichts. Ich habe Werbeclips inszeniert, so kam ich nicht aus der Übung und blieb technisch auf der Höhe. Und ich habe als Autor Auftragsarbeiten angenommen, um die Kassen zu füllen. Warum auch nicht, das ist ja keine Schande. Nur als Regisseur einfach irgendetwas gegen Geld zu drehen, hinter dem ich nicht mit Leidenschaft stehe – das könnte ich nicht. Dann warte ich lieber 16 Jahre, bis wieder ein eigenes Projekt klappt. D Das Gespräch führte Patrick Heidmann

Lydia Tár wird in die Filmgeschichte eingehen wie Tony Montana oder Travis Bickle. Bereits jetzt hat die

vollkommen fiktionale

Tár eine vorzeigbare Anhängerschaft auf Social Media, und es machen sich Leute auf Twitter halb-ernsthaft Gedanken darüber, was Lydia Tár wohl zu diesem oder jenem Vorfall sagen würde, oder sie schreiben „OMG I saw Lydia Tár“, wenn sie Cate Blanchett irgendwo gesehen haben, die Tár spielt.

Das mag auch daran liegen, dass Regisseur Todd Field seine Hauptfigur außerordentlich geschmeidig in die reale Welt der E-Musik einbaut. Die Berliner Philharmoniker, die Lydia Tár dirigiert, gibt es ebenso wie die Promis, mit deren Namen sie so souverän hantiert, seien es Leonard „Lenny“ Bernstein oder Antonia Brico. In einer fast zehnminütigen Szene gleich zu Beginn des Films interviewt Adam Gopnik, der wirkliche Autor des echten New Yorker Magazins die fiktionale Lydia Tár auf einer fiktionalen Session beim New Yorker Festival über ihre Arbeit als Dirigentin und ihr Verständnis von Musik. Die Szene ist mutig (außer einem eher sachlichen Dialog passiert nichts) und komisch (die kleinen Eitelkeiten der Kulturelite sind perfekt eingefangen), und es lohnt sich zuzuhören, denn fast alles, was Tár hier äußert, wird später im Film kommentiert, widerlegt oder gespiegelt werden.

Das Interview zeigt Lydia auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Souverän hört sie zu, wie Gopnik ihre Erfolge auflistet. Charismatisch spricht sie über ihre Arbeit, flicht hier und da einen kleinen Scherz ein, erinnert an ihren guten Freund „Lenny“, und ist sich ihrer Wirkung voll bewusst. Cate Blanchett als Tár glänzt und funkelt, lässt Abgründe ahnen und eine komplizierte Lebensgeschichte, deren Details wir nie erfahren werden. Sie spielt Lydia Tár vielschichtig und ambivalent als gleichermaßen mysteriös-ikonische Heldin und als zutiefst toxische Persönlichkeit, die sich wie ein Chamäleon an ihre Umgebung anpasst, überall die Fäden zieht und mit jedem Satz manipuliert.

Das New Yorker-Interview markiert den Anfang ihres Untergangs. Wenig später sehen wir, wie sie sich in einem Uni-Seminar nahezu sadistisch über einen Studenten of Colour lustig macht, der sich aus politischen Gründen nicht für Bach begeistern kann. Die Szene ist ein Kabinettstück über Identitäts- und Kunstdiskurse, zeigt aber vor allem, dass Lydia ihr Gefühlt für Zeitgeist verliert, für die derzeit gefragteste Positionierung. Und natürlich filmt jemand mit. Während Lydia noch dabei ist, bei den Philharmonikern in Personalfragen zu intrigieren und eine neue junge Cellistin zu „protegieren“, holen sie Gerüchte über eine ehemalige Studentin ein, die sich nach einer Affäre mit Tár umgebracht hat.

Todd Field (LITTLE CHILDREN) erzählt diese Geschichte einer Demontage langsam und genau, und entwickelt dabei eine ungeheure Spannung, bei der es auf jede Kleinigkeit und jede Nuance ankommt. Er seziert präzise die Mechanismen, mit der Lydia ihre Macht ausspielt, auch in ihrer Beziehung mit Orchesterleiterin Sharon (fantastisch präsent mit kleinsten Gesten: Nina Hoss), und hat dennoch Sympathie für die manipulative Aufsteigerin aus kleinen Verhältnissen, die virtuos mit dem Habitus der Hochkultur spielt.

TÁR ist ein Thriller um Aufstieg und Fall einer Dirigentin. TÁR ist ein Horrorfilm, in dem sich das von Lydia Verdrängte in Störgeräuschen und Ticks manifestiert. TÁR ist eine Komödie über Hochkultur im Influencer-Zeitalter. TÁR ist einer der interessantesten

Filme des Jahres D Hendrike Bake

¢ Start am 2.3.2023

D 8 D mÄr Z 2023 Termine unTer www.indiekino.de
Cate Blanchett plays Lydia Tár with multiple layers and ambivalence, a woman who is both a mysterious-iconic hero and a deeply toxic personality.
IN DIEFEaTUrE
USA 2022 D 158 min D R: Todd Field D B: Todd Field D K: Florian Hoffmeister D S: Monika Willi D M: Hildur Guðnadóttir D D: Cate Blanchett, Mark Strong, Julian Glover, Sydney Lemmon, Nina Hoss, Noémie Merlant D V: Universal Pictures

Originaltitel: Yin Ru Chen Yan D China 2022 D 133 min D R: Li Ruijun D B: Li Ruijun D K: Weihua Wang D M: Peyman Yazdanian D D: Wu Renlin, Hai Qing

D V: rapid eye movies

RetuRn to DuSt

erschütterndes neorealistisches Kino

Die traurigsten Filme aller Zeiten sind die neorealistischen Meisterwerke L ADRI DI BIcIcLette (1948) und uMBeRtO D. (1952) von Vittoria de Sica. RetuRN tO DuSt von Ruijun Lee spielt in der gleichen Liga. Wer aus diesem Film nicht vollkommen emotional verwüstet heraus kommt, hat keine Seele.

Ma Youtie (Renlin Wu) und cao Guiying (Hai-Quing) sind die Ausgestoßenen ihrer Familien. Sie wurde so oft geschlagen, dass ihr Bein steif geworden ist, und sie das Wasser nicht halten kann. er ist der vierte Bruder in seiner Familie und wird vom dritten Bruder ausgebeutet. um beide loszuwerden, verheiraten die Familien sie und schicken sie in ein von den Bewohnern verlassenes Haus. Noch während sie von den Familien verschachert werden, entsteht eine Art Band zwischen beiden. Guiying sieht, wie Youtie den esel tröstet, den sein Bruder gerade geschlagen hatte. Sie streichelt das tier, er hat sich aus Scham im Stall versteckt, aber sie hebt das erste Mal den Blick in seine Richtung. Youtie beginnt nach der Hochzeit sofort, sich liebevoll um Guiying zu kümmern. Sie opfern den Ahnen, darunter den beiden verstorbenen ältesten Brüdern und bitten um eheglück. Sie haben nichts als einen esel und ein kleines Stück Land und müssen aus einem verlassenen Haus ins nächste ziehen, weil die Stadt eine prämie für den Abriss verlassener Häuser ausgesetzt hat. und dennoch entwickelt sich zwischen Youtie und Guiying eine Art von Liebe und Glück. er freut sich über die Schwalben, die sich im Haus angesiedelt haben und beginnt Lehmziegel für ein eigenes Haus zu pressen. Dass die Geschichte kein gutes ende nimmt, verrät schon der titel. RetuRN tO DuSt ist erschütterndes neorealistisches Kino mit großen Bildern und großen Gefühlen. D Tom Dorow

¢ Start am 2.3.2023

Ma Youtie and Cao Guiying are the outcasts of their families. In order to get rid of them, the families marry them off to each other and send them to an abandoned house.

Seneca

Macht und Opportunismus

Gibt es eine Verbindung zwischen der Nazizeit und dem alten Rom? „Opportunismus“, könnte die Antwort von Robert Schwentke lauten, der vor ein paar Jahren mit DeR HAuptMANN den besten Film seiner Karriere drehte. Die Geschichte erzählte von einem einfachen Soldaten, der zufällig die uniform eines Hauptmannes fand, in eine neue Rolle schlüpfte und bald schon seine position ausnutzte. In Schwentkes neuem Film SeNecA geht es um den römischen philosophen, der einige Jahre als Lehrer und Mentor des jungen Kaisers Nero agierte. Seneca wurde für seine Arbeit fürstlich belohnt und konnte sich ein luxuriöses Leben leisten, das wenig mit dem Verzicht und der Askese zu tun hatte, die er in seinen Schriften empfahl. Vor allem aber half Seneca einem Kaiser dabei, seine Macht zu konsolidieren, der bekanntermaßen zu den exzessivsten Gestalten der an exzessiven Gestalten nicht armen römischen Geschichte gehörte. In fünf, sechs längeren Sequenzen, die SeNecA die Form und theatralik eines Bühnenstücks verleihen, erzählt Schwentke von Leben und Wesen des philosophen, den John Malkovich als eitlen, von sich und seinen Gedanken überzeugten Mann spielt. Doch als Nero seinem einstigen Lehrer befiehlt, sich das Leben zu nehmen – angeblich war Seneca über ein gegen Nero gerichtetes Komplott informiert –erweist sich der stoische philosoph auf einmal als wenig souverän. Ähnlich wie der Hauptmann hat auch Seneca mit dem Feuer gespielt, sich genüsslich der Macht angedient und muss nun den preis für seinen Opportunismus zahlen. Schwentke hat sein Moralspiel in der erbarmungslosen Sonne Marokkos inszeniert, allein der schier endlos ausgedehnte todeskampf Senecas findet in einer Art Kerker statt, wo Seneca alleingelassen von seinen Lieben, aber auch von seinen schönen Worten, ein elendiges ende findet. D Michael Meyns ¢ Start am 23.3.2023

IN DIEKRITIKEN MÄRZ 2023 D 9 D Termine unTer www.indiekino.de
Schwentke’s new film SENECA, revolves around the Roman philosopher who was the teacher and mentor of young emperor Nero for some years and later died due to his proximity to power. Originaltitel: Seneca – On The Creation Of Earthquakes D Deutschland/ Marokko 2022 D 112 min D R: Robert Schwentke D B: Robert Schwentke, Matthew Wilder D K: Benoît Debie D D: John Malkovich, Tom Xander, Geraldine Chaplin, Louis Hofmann, Lilith Stangenberg D V: Weltkino

LaRS eiDingeR –

Sein oDeR nichtSein

Raupe und Schmetterling

Künstlerporträt-Spezialist Reiner Holzemer beobachtet und erforscht Lars eidinger. Mit der Kamera begleitet er den vielbewunderten und mitunter polarisierenden Ausnahmeschauspieler bei seinen inzwischen legendären Bühnenauftritten als Hamlet und Richard III., bei Filmdreharbeiten, nachts im taxi und bei den proben zum Salzburger „Jedermann“ 2021. Von Holzemers unaufdringlichem, kenntnisreichen Blick fühlt eidinger sich offenbar verstanden, er lässt den Fragenden nah an sich heran, reflektiert in Ruhe, manchmal berührt, manchmal ratlos, und lässt ihn teilhaben an erinnerungen, entscheidenden Momenten, der Arbeit an einer fast überlebensgroßen Rolle. Wie so oft bei großer Kunst ist es im Kern einfach und braucht doch sehr spezifische Bedingungen, um entstehen zu können. Die unmittelbare emotionale Offenheit, mit der eidinger sich seinen Rollen stellt, ist untrennbar verbunden mit dem erleben der Bühne als einem Freiheit-gebenden Raum fern von Ängsten und Zwängen des Alltags. Für den sehr zwanghaften Jugendlichen war die Schauspielschule die entdeckung eines Kommunikationsraums, in dem er sich zum ersten Mal richtig wahrgenommen gefühlt hat. Kollegen, die „auf der Bühne jemand anders werden“, versteht eidinger nicht. Der Weg von der privatperson zur Figur ist für ihn eher wie die entpuppung des Schmetterlings aus der Raupe: „Ich werd’ auf der Bühne ich selbst.“ Obsessiver ehrgeiz ist der treibstoff und essentiell ist das Vertrauen zu Regie und Mitspielenden. Wenn das gestört wird, sind die Konsequenzen dramatisch, wie ein in aller Länge mitgefilmter Konflikt auf den „Jedermann“-proben zeigt. Wenn es hingegen funktioniert, ist es eine beglückende Quelle der Kreativität, wie in den probenszenen mit Angela Winkler, Verena Altenberger und edith clever. D Susanne Stern ¢ Start am 23.3.2023

Die FabeLManS

Schlüsselfilm

Spielbergs Film DIe FABeLMANS ist der privateste und autobiografischste, vielleicht auch der neurotischste der Hollywood-Rückblicke, die in letzter Zeit ins Kino gekommen sind, und ein Schlüsselfilm für die Karriere des Regisseurs.

Alles beginnt mit einem kleinen Jungen, Sammy Fabelman, der das erste Mal mit seinen eltern ins Kino geht und Angst vor dem Dunkel des Saales hat. Die eltern können ihn überzeugen, und dann sitzt er mit offenem Mund und dem typischen „Spielberg Face“ (Kevin e Lee), wie hypnotisiert vor der Leinwand und betrachtet eine Szene aus dem Film tHe GReAteSt SHOW ON eARtH (cecil B. DeMille, 1952): ein Zugunglück, bei dem sich ein Auto den Schienen verfangen hat. Die Familie kauft eine Super-8-Kamera, Sammy wünscht sich eine eisenbahn und reinszeniert das unglück. Dabei zeigt er ein natürliches Verständnis für die Filmsprache. Mutter Mitzi Fabelman (Michelle Williams), eine ex-pianistin, erkennt Sammys talent sofort, Vater Burt Fabelman (paul Dano), ein Ingenieur, interessiert sich für die technischen Aspekte, hält Sammys Hobby aber für nicht weiter bedeutend. Zwei Schlüsselszenen des Films umschreiben Spielbergs Verhältnis zum Kino: Sammy entdeckt in Filmmaterial, dass er auf einem Familien-campingausflug gedreht hat, dass seine Mutter eine Beziehung mit dem besten Freund seines Vaters eingegangen ist. er schneidet das Material entlarvend zusammen, bevor er den Film seiner Mutter vorführt. Film als Mittel zur (privaten) Wahrheitsfindung. Die zweite Schlüsselszene: Sammy filmt seinen Schulfeind, einen antisemitischen Bully, in einem Film über einen Schulausflug als strahlenden Helden. Film als Abwehr von trauma und Gewalt. ein cameo von David Lynch, der als John Ford eine von Spielberg gern erzählt Anekdote nachspielt, ist eine Art Kirsche auf dem Zuckerguss. D Tom Dorow ¢ Start am 9.3.2023

D 10 D MÄRZ 2023 IN DIEKRITIKEN TERmINE uNTER www.INdIEKINo.dE
Deutschland 2022 D 93 min D R: Reiner Holzemer D K: Reiner Holzemer D S: Helmar Jungmann D M: Max Rieger D V: Filmwelt Verleihagentur Originaltitel: The Fabelmans D USA 2022 D 151 min D R: Steven Spielberg D B: Tony Kushner, Steven Spielberg D K: Janusz Kaminski D S: Sarah Broshar D M: John Williams D D: Michelle Williams, Paul Dano, Seth Rogen, Gabriel LaBelle, Jeannie Berlin, Julia Butters, David Lynch D V: Universal Pictures Reiner Holzemer accompanies the outstanding actor Lars Eidinger during his stage appearances as Hamlet and Richard III, film shoots, at night in cabs and in the rehearsals of the Salzburg “Jedermann” in 2021. THE FABLEMANS can be regarded as a pivotal film in Spielberg’s career and as a mirror to his obsessions.

Saint oMeR

„es war einfacher“

In Saint Omer, einer französischen Kleinstadt am Meer, findet ein Gerichtsprozess statt. Auch Schriftstellerin Rama (Kayije Kagame) fährt hin. Angeklagt ist eine Frau, die am Strand ihr Kind getötet hat. Rama, selbst im vierten Monat schwanger, will den prozess als Vorlage für ihren nächsten Roman, einer modernen Version der Medea-Sage, nutzen. Sie will, wie alle im Gerichtssaal, eine Antwort auf die Frage finden, warum eine Mutter ihr Kind tötet. Dass es darauf keine einfache Antwort gibt, wird allen Anwesenden bald klar. Die Angeklagte Laurence (Guslagie Malanda), im Senegal geboren, als Studentin nach paris gekommen, ist eine ungenaue erzählerin. Seltsam distanziert antwortet sie, spricht von Hexerei, von strengen Müttern, von der unsichtbarkeit, die sie sich in Frankreich anlegte. „es war einfacher“, wird sie immer

wieder antworten auf die Frage nach dem Warum. Fasziniert verfolgt Rama, wie Laurence’ Geschichte langsam Form annimt. eine Geschichte voller rassistischer Verletzungen, traumata und Isolation. eine Geschichte, die sich auch in Ramas eigener Familie spiegelt.

Regisseurin Alice Diop wechselt mit SAINt OMeR vom Dokumentar- zum Spielfilm, greift aber auf wahre Begebenheiten zurück: den Fall von Fabienne Kabou, deren Verhandlung Diop 2013 verfolgte. Wie eine dritte beobachtende Instanz folgt Diop dem, was sich im Gerichtssaal abspielt und dessen Auswirkungen auf Rama. Die schier unfassbare tat der Kindstötung wird auch in kulturellen und medialen Kontexten verhandelt. Diop arbeitet mit diversen Querverweisen: die Medea-Sage in Ramas eigenem Buch, Ausschnitte von pasolinis MeDeA, die sich Rama ansieht, der Verweis auf toni Morrisons Roman „Beloved“. Diop geht es dabei nicht um Mitleid oder um eine Verteidigung der täterin.

SAINt OMeR schafft vielmehr einen Rahmen, der die komplexen und prekären Strukturen von Migration und elternschaft aufzeigt.

MÄRZ 2023 D 11 D IN DIEKRITIKEN TERmINE uNTER www.INdIEKINo.dE
D Clarissa Lempp ¢ Start am 9.3.2023 A trial against Senegalese student Laurence, who killed her child on the beach, is taking place in a French small town. Writer Rama wants to use the trial as material for a novel about the Medea topic. Frankreich 2022 D 122 min D R: Alice Diop D B: Alice Diop, Marie N’Diaye, Amrita David D K: Claire Mathon D S: Benedicte Pollet D D: Kayije Kagame, Guslagie Malanda, Valérie Dréville, Aurélia Petit D V: Grandfilm Verleih

DeR Zeuge

Kronzeuge im Flossenbürg-prozess

Dachau, 1946. Der Schweizer carl Schrade sitzt im improvisierten Gerichtssaal vor einem Mikrofon, alle Augen richten sich auf ihn. er ist Kronzeuge im Flossenbürg-prozess, und er erinnert sich genau: An seine Verhaftung durch die Gestapo 1934 in Berlin und die elf Jahre im KZ, erst Lichtenburg, dann esterwegen, Sachsenhausen und Buchenwald, bis er schließlich in das KZ im Oberpfälzer Wald abtransportiert wurde. er erzählt von den Verbrechen der Nazis, den täglichen Demütigungen und Arbeitsabläufen im Lager, den Morden und dem Menschenhass. und er schildert im Detail, wie jeder einzelne der SS-Männer auf der Anklagebank aktiv am Vernichtungssystem beteiligt war. Der Schauspieler und Regisseur Bernd Michael Lade spielt Schrade in seinem vierten Spielfilm selbst. Zwei Dolmetscherinnen (Katrin Schwingel, Simone Hausdorf) und die englische protokollführerin Sgt. Rahel H. (Maria Simon) befinden sich mit im Saal, um Schrades Ausführungen und die Aussagen der Angeklagten simultan zu übersetzen. Lade nutzt diesen technischen umstand in seiner kammerspielartigen Inszenierung, um dem Gesagten in der Wiederholung doppelt Gewicht zu verleihen. Was zunächst etwas mühsam und umständlich wirkt, sorgt im Verlauf der Verhandlung für den gewünschten beklemmenden effekt. Der Film stellt die entscheidende Frage über die Glaubwürdigkeit Schrades als Berufsverbrecher und „Grüner Kapo“, sogenannter „Funktionshäftling“, erst kurz vor Schluss und beweist auch hier dramatisches und historisches Fingerspitzengefühl. Wie bereits in seinem DDR-polizei-Krimi Das Geständnis (2015) setzt der gebürtige Ostberliner punk und ehemalige tatort-Kommissar auf die Kraft der Worte und die Kunst des Spiels. DeR ZeuGe ist spannendes, erschütterndes Kino auf engstem Raum. D Pamela Jahn ¢ Start am 2.3.2023

Dachau, 1946. Swiss Carl Schrade is the chief witness in the Flossenbürg trial. He describes how every single SS man in the dock was actively involved in systematic annihilation. Bernd Michael Lade’s film DER ZEUGE is thrilling, shocking cinema in a cramped space.

Originaltitel: Chronique d’une liaison passagère D Frankreich 2022 D 100 min

D R: Emmanuel Mouret D B: Emmanuel Mouret D K: Laurent Desmet

D S: Martial Salomon

tagebuch eineR PaRiSeR aFFÄRe

Keine Leidenschaft!

Der französische titel des Films von emmanuel Mouret lautet cHRONIQue D’uNe LIAISON pASSAGÈRe, chronik einer flüchtigen Affäre, und fängt damit noch besser ein, was diese kleine, große Geschichte ausmacht. charlotte (Sandrine Kiberlain) und Simon (Vincent Macaigne) versichern sich gleich zu Beginn und dann immer wieder, dass sie nichts weiter als eine Affäre möchten. Sie ist glücklich alleinstehend mit fast erwachsenen Kindern und möchte keine großen Leidenschaften, keinen Herzschmerz, der ihr Leben durcheinanderbringt. er ist glücklich verheiratet, und das soll auch so bleiben. Sie treffen sich, wenn gerade Zeit ist, oft tagsüber, mal im park, mal im Museum, mal bei ihr, und sie reden viel und gerne miteinander – so viel, wie nur in französischen Filmen miteinander geredet wird. Mit einer charmanten Leichtigkeit, die der Idee ihrer Beziehung entspricht, filmt Mouret diese oft alltäglichen Gespräche, in die sich nach und nach die Veränderung einschleicht, die ihre Beziehung durchmacht, die Zuneigung, die Angst, zu viel vorauszusetzen oder zu erwarten, die kleinen erzählungen, mit denen sie sich selbst und einander beruhigen. Bei einem Spaziergang philosophiert er, der umständliche, darüber, dass er mit ihr eine ganz andere person sei, als mit seiner Frau, und dass er deshalb nicht das Gefühl habe, jemanden zu betrügen. Sie, die immer geradeheraus scheint, aber auch Dinge verschweigt, entgegnet, das habe sie ihm damals nur gesagt, damit er keine Schuldgefühle hat. Immer wieder umkreisen sie ihren Beziehungsstatus, immer wieder schrecken sie davor zurück, ihn zu benennen, bis es, möglicherweise, zu spät ist. Hübsch ist auch, wie genau tAGeBucH eINeR pARISeR AFFÄRe die Veränderungen in der Atmosphäre einfängt, wenn eine dritte person hinzukommt. D Hendrike Bake ¢ Start am 23.3.2023

Every now and again, happily single Charlotte and happily married Simon meet to have an affair which both parties don’t expect more out of.

D 12 D MÄRZ 2023 IN DIEKRITIKEN TERmINE uNTER www.INdIEKINo.dE
Deutschland 2023 D 93 min D R: Bernd Michael Lade D K: Guntram Franke D S: Michael Kobs D M: Michael Kobs D D: Bernd Michael Lade, Maria Simon, Andruscha Hilscher, Hans Hendrik Trost, Thomas Lehmann D V: Neue Visionen Filmverleih D D: Sandrine Kiberlain, Vincent Macaigne, Georgia Scalliet, Maxence Tual D V: Neue Visionen Filmverleih

Originaltitel: Le bleu du caftan D Frankreich/Marokko/Belgien 2022 D 118 min

DaS bLau DeS KaFtanS

Zugewandt erzählt

In der Medina der marrokanischen Stadt Salés führen Mina und Halim einen traditionellen Schneiderladen. Während Halim hingebungsvoll aufwendige Stickereien im Hinterzimmer anbringt, kümmert sich Mina um die meckernde Kundschaft. Zu lange sei die Wartezeit, noch dazu bei diesen preisen. Wer einen Kaftan von dieser Qualität wolle, müsse sich halt gedulden, bleibt Minas Antwort. Halim der sanfte Künstler, Mina die Kämpferin, die ihm den Rücken freihält. Sie passen gut zueinander, lachen viel, sind aufmerksam und zärtlich. Aber Halim hat ein Geheimnis, das er in den Hamam trägt, in die abschließbaren Kabinen, wo andere Männer mit den gleichen Sehnsüchten warten. Als der junge Schneider Youssef bei Halim in die Lehre geht, müssen sich Mina und Halim dem unausgesprochenen stellen, denn die Anziehung zwischen Halim und Youssef bleibt ihr nicht verborgen. unaufgeregt und poetisch widmet sich die marokkanische Schauspielerin und Regisseurin Maryam touzani einem tabu der marokkanischen Gesellschaft, in der homosexuelle Handlungen in der Öffentlichkeit unter Strafe stehen. Was im privaten passiert, liegt dagegen unter dem Mantel des Schweigens. touzani legt diesen Mantel sanft zur Seite. Sie erzählt weder eifersuchtsdrama noch Sozialtragödie, sondern eine Liebesgeschichte, in der sich drei finden. Wie bei ihrem Spielfilmdebüt ADAM arbeitete touzani auch hier wieder mit Loubna Azabal, die Mina ihre ansteckende Lebenskraft verleiht. eher traditionell in der Bildsprache und im erzählrhythmus, besticht DAS BLAu DeS KAFtANS vor allem durch seine Zugewandtheit zu den Figuren. So detailverliebt und geduldig wie Halim seine Kaftane herstellt, erzählt auch Maryam touzani ihre Geschichte und erhielt dafür bereits mehrfach Auszeichnungen, unter anderem in cannes. D Clarissa Lempp ¢ Start am 16.3.2023

D R: Maryam Touzani D K: Virginie Surdej D S: Nicolas Rumpl D M: Kristian Eidnes Andersen D D: Lubna Azabal, Saleh Bakri, Ayoub Missioui D V: Arsenal Filmverleih Mina and Halim run a traditional tailor shop specializing in traditional caftans. When young tailor Youssef starts his training with Hamil, Mina notices the attraction between Hamil and Youssef.
teRMine unteR www.inDieK ino.De

eRica Jong –bReaKing the waLL

Willensstarke Autorin

erica Jong, geboren 1942, ist eine der bekanntesten feministischen Schriftstellerinnen der uSA. Während der „Zweiten Welle“ des Feminismus in Amerika sorgt sie mit ihrem Roman „Fear Of Flying“ (1973), in dem sie von einer Frau erzählt, die aus ihrer ehe ausbricht und nach Freiheit strebt, für Furore. Weil sie darin unter anderem über Sex schreibt – wie es männliche Autoren ja gemeinhin ebenfalls oft tun – werden ihr Roman als „schmutziges Buch“ und sie als Sex-Autorin abgestempelt.

Der Dokumentarfilm eRIcA JONG – BReAKING tHe WALL des Schweizer Regisseurs Kaspar Kasics begleitet die jüdische Dichterin, Satirikerin und Geschichtenerzählerin während sie ihre Memoiren schreibt, über ihr Vermächtnis und die Zukunft des Feminismus nachdenkt. Dabei entsteht das Bild einer fitten und willensstarken 80-jährigen Frau, die an so etwas wie Ruhestand nicht denkt, die sich für junge Autorinnen einsetzt und sich weiter aufmerksam mit dem Zustand der Welt befasst. ein Bild aber auch von einer manchmal sehr von sich überzeugt wirkenden und, so deutet der Film an, sicher oft nicht einfachen persönlichkeit. Konflikte in der Familie und die ein oder andere charakterschwäche kommen etwa in einem spannenden Gespräch mit ihrer jüngeren Schwester zur Sprache. In den Medien gilt Jong noch immer gern als „Frau, die über Sex schreibt“. eRIcA JONG zeigt sie dagegen als vielschichtige Künstlerin, der es in erster Linie um Offenheit und Wahrhaftigkeit ging. Auch ihrem Ruf als eher „männerfreundliche“ Feministin will sie nicht entsprechen. „So lange haben wir versucht, Männer davon zu überzeugen, dass auch sie etwas von der Befreiung der Frau haben“ – vielleicht werde es für heutige Feministinnen Zeit, damit aufzuhören, findet erica Jong und zeigt sich damit weiter kämpferisch. D Eva Szulkowski ¢ Start am 23.3.2023

The documentary follows Jewish poet, satiricst and storyteller as she is writing her memoirs, thinking about her legacy and the future of feminism.

Liebe angSt

trauma in der Familiengeschichte

Kim Seligsohn ist in vielen Dingen zwiegespalten, so auch in ihrer Beziehung zu Mutter Lore, mit der sich der Dokumentarfilm LIeBe ANGSt beschäftigt. Aus nächster Nähe begleiten Regisseurin Sandra prechtel und ihr team Kim und Lore beim Aufarbeiten ihrer bitterlich deutschen Familiengeschichte. Als Lore 6 Jahre alt ist, wird ihre Mutter im Konzentrationslager ermordet; sie selbst muss sich auf dem Dachboden vor den Nazis verstecken. Sie überlebt den Holocaust und bleibt in dem Land, das ihr die Familie genommen hat. ein ehemaliger Wehrmachtssoldat wird Vater ihrer Kinder. Die Angst von damals lässt sie ihr ganzes Leben nicht mehr los und prägt auch das Leben von Kim und ihrem Bruder tom, der vor 20 Jahren nach einem Suizidversuch verstarb. Das trauma steht zwischen Lore und Kim, belastet, macht ruppig und müde. Oft sind sie uneins darüber, wie „es“ gewesen ist. „Würd ich so nicht sagen“, findet Lore. „Aber ich sag das“, entgegnet Kim. Ihr Kampf um Deutungshoheit ist auch ein Kampf gegen die Zeit, denn Lores erinnerungsvermögen schwindet zusehends. Aber auch vorher schon hatte Kim keinen Ort für ihre Wut und ihren Schmerz, die vom Leid der Mutter schwer zu trennen sind. Mit der Liebe und der Wut zu leben, das ist Kims Lebensaufgabe. Kim Seligsohns klassischer Gesang – mal Wehklagen, mal Hoffnungsschimmer – prägt die Stimmung dieses aufwühlenden Dokumentarfilms, an dessen Drehbuch sie selbst mitwirkte. LIeBe ANGSt hört gerade auch auf die düsteren Zwischentöne. Die Kamera fängt intimste Momente ein; das ist in manchen Momenten schwer auszuhalten und zugleich so wahrhaftig, dass man froh ist, dabei gewesen zu sein. Die Geschichte von Lore und Kim ist einzigartig – und zugleich diejenige von Familien überall auf der Welt. D Eva Szulkowski ¢ Start am 23.3.2023

D 14 D MÄRZ 2023 IN DIEKRITIKEN TERmINE uNTER www.INdIEKINo.dE
Deutschland 2022 D 81 min D R: Sandra Prechtel D B: Sandra Prechtel, Kim Seligsohn D K: Susanne Schüle D S: Andreas Zitzmann D M: Reinhold Heil, Kim Seligsohn D V: Real Fiction Director Sandra Prechtel and her team follow daughter Kim and mother Lore Seligsohn up close and personal as they process their grim German family history.
Schweiz
D
2022 D 96 min
R: Kaspar Kasics D B: Kaspar Kasics D V: Rise and Shine Cinema

DoRa – FLucht in Die MuSiK

„Ich würde Ihnen raten: Bleiben Sie ledig!“ So antwortet die beeindruckende kroatische Musikprofessorin Koraljka Kros auf die Frage, was sie der Komponistin Dora pejačević (1885–1923) bei einer Zeitreise sagen würde. Wie das Leben der adligen kroatischen Künstlerin verlaufen ist, wie es ihr im 1. Weltkrieg erging, wie sie sich der Geschlechts- und Sexualmoral ihrer Zeit widersetzte, und warum sie schließlich besser ledig geblieben wäre, erfährt das publikum in diesem inhaltlich hochinteressanten, gestalterisch allerdings eher altbackenen Dokumentarfilm.

¢ Start am 9.3.2023

Deutschland 2022 D 116 min D R: Kyra Steckeweh, Tim van Beveren

RocK chicKS – the untoLD StoRy

Marita Stockers Dokumentarfilm verfolgt weibliche traditionslinien des Rock von der Bluesgitarristin und Sängerin Memphis Minnie in den 30er/40er Jahren über Sister Rosetta tharpe und Big Mama thornton in den 50er Jahren zu weißen Rock’n’Roll-Musikerinnen wie Wanda Jackson. Die Rock’n’Roll-Generation ist durch Linda Gail Lewis, Jerry Lees Schwester und Rosie Flores vertreten. In den siebziger Jahren schaffte Suzy Quattro es, sich mit entschlossenheit im männlich dominierten Business durchzusetzen. Kristin Hersh verweigerte sich dagegen den Mechanismen des Geschäfts. ¢ Start am 9.3.2023

Deutschland

2021 D 79 min D R: Marita Stocker ALLEWOLLENGELIEBTWERDEN.DE GELIEBT WERDEN ALLEWOLLENGELIEBTWERDEN.DE ALLE WOLLEN GELIEBT WERDEN GELIEBT EIN FILM VON KATHARINA WOLL URS JUCKER ULRIKE WILLENBACHER HASSAN AKKOUCH LEA DRINDA ANNE RATTE-POLLE KINOSTART INTERNATIONALER FRAUENTAG 8. MÄRZ 2023 “Fein- und hintersinnig” SÜDDEUTSCHE ZEITUNG Astrid Becker “sehr lustig… sehr wahrhaftig” BR KINO KINO Gregor Wossilus “scharfzüngige Tragikomödie” TAGESSPIEGEL Katrin Hillgruber in DieKRitiKen

Lars Kraume hat bisher einige zeithistorische Filme gedreht, wie DAS ScHWeIGeNDe KLASSeNZIMMeR über die Folgen einer Gedenkminute, die eine DDR-Schulklassse für die Opfer des 17. Juni 1953 hielt, und DeR StAAt GeGeN FRItZ BAueR über den Frankfurter Staatsanwalt, der Informationen über den Aufenthaltsort von Adolf eichmann an den israelischen Geheimdienst weiterleitete. Kraumes Filme waren eher Ausdruck eines gesellschaftlichen Konsensus, als dass sie kontrovers diskutiert wurden. Mit DeR VeRMeSSeNe MeNScH beteiligt sich Kraume dagegen direkt an den aktuellen Debatten über die Rückgabe von geraubten Kulturgütern und menschlichen Überresten der Kolonialzeit, um die Ausrichtung und die Zukunft der Sammlung der Stiftung preußischer Kulturbesitz und des „Humboldt-Forums“ und nicht zuletzt um die Reparationsforderungen der Herero und Nama.

Kraume erzählt von dem jungen Berliner ethnologen Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher), der um die Jahrhundertwende in die Fußstapfen seines Vaters, eines Afrikaforschers, treten will. An der Friedrich-Wilhelms-universität lernt er, dass die Schädel von „Buschmännern“ kleiner seien als die von Weißen. Seinem professor zufolge sei dass der Beweis, dass Afrikaner auf einer niedrigeren evolutionsstufe stünden als Weiße. Die Studenten

MenSch

sollen die Schädel einer Delegation von Nama und Herero vermessen, die im Glauben, in Friedensverhandlungen mit dem Kaiser treten zu können, nach Berlin gereist sind, tatsächlich aber als propagandadarsteller in der Völkerschau des Kaisers auftreten müssen und als pseudowissenschaftliche Studienobjekte dienen sollen. Dabei trifft er Kezia Kambazembi, die Übersetzerin der Delegation, und ist völlig fasziniert davon, dass die vermeintliche „Wilde“ einen intelligenten eindruck auf ihn macht. Hoffmann präsentiert Kezias Fähigkeiten bei einem Vortrag und verkündet die these, dass die Afrikaner nicht auf einer niedrigeren Stufe der evolution stünden, sondern dass unterschiede etwas mit umweltumständen und kultureller Sozialisation zu tun haben könnten. ein eklat: will Hoffmann etwa Darwins evolutionstheorie in Frage stellen? Der Vortrag veranlasst den professor, einem eifrigeren Rassisten als es Hoffmann ist, zur professur zu verhelfen. Hoffmanns akademische Karriere steht dagegen still. Aber er kann seinen Konkurrenten noch auf eine expedition nach Deutsch-Ostafrika begleiten, wo er Zeuge des sogenannten Vernichtungsbefehls des Generalleutnants von trotha wird.

Kraume zeigt einerseits die Strategien der deutschen Kolonialtruppen, die den Völkermord durchführen: die erschießung von

D 16 D MÄRZ 2023 in DieFeatuRe
DeR veRMeSSene
„Haben Sie eigentlich Gräber geschändet?“

Gefangenen, das Vertreiben der in die Wüste geflohenen Herero von den Wasserlöchern, die errichtung von Konzentrationslagern, in denen die Gefangenen nur so lange am Leben gehalten werden, wie ihre Arbeitskraft ausgebeutet werden kann. Andererseits geht es um die plünderung der Kulturgüter der Herero, die Schändung der Leichen ihrer toten und der Grabstätten durch deutsche Wissenschaftler, deren perverser Höhepunkt das Sammeln von etwa dreitausend Schädeln toter Herero für das ethnologische Institut in Berlin und andere einrichtungen war. In einem Gespräch zwischen Hoffmann und einem Missionar geht es um die Schuldfrage von Kirche und Wissenschaft. Hoffmann wirft der Kirche vor, sich nicht immer die besten Bettgefährten ausgesucht zu haben. Das gelte doch aber auch für die Wissenschaft, antwortet der Missionar, und: „Haben Sie eigentlich Gräber geschändet?“.

Kraumes Film zeigt Kontinuitäten des deutschen Rassismus und Imperialismus auf, die von der Kolonialpropaganda des Kaiserreichs über die NS-Formel des „Volk ohne Raum“ und bis zum eindeutigen Bezug der NS-propaganda auf die Kolonialpolitik reichen – etwa in propagandafilmen wie cARL peteRS (1941). Der „Lebensraum“ in den 1918 verlorenen Kolonien sollte später durch die eroberung neuen „Lebensraums“ im Osten ersetzt

werden. DeR VeRMeSSeNe MeNScH erinnert auch an das beschämende Verhalten der deutschen Bundesregierungen, die zunächst jahrzehntelang die Bezeichnung „Völkermord“ für die Massaker an Herero und Nama in uN-Resolutionen verhinderten, explizite Reparationsleistungen bis heute verweigerten und stattdessen „entwicklungshilfe“ anboten und schließlich die Rückerstattung von kolonialem Raubgut systematisch verhinderten und verzögerten. Von den ca. 3000 geraubten Schädeln sind bis heute nachweislich 34 (und eine nicht genauer bestimmte Zahl „menschlicher Überreste“) zurückgegeben worden.

Nebenbei zeigt Kraume den Opportunismus des akademischen Betriebes. Die ergebnisse der Vermessungen zeigen, dass die Schädel der Herero nicht kleiner sind als die von europäern. Die absurde these, die an der Schädelgröße den evolutionären entwicklungsstand ablesen will, ist nicht haltbar. Hoffmanns professor lässt die ergebnisse, als auch die Vermessung der Schädel aus geschändeten historischen Gräbern keine anderen Daten liefert, einfach nicht veröffentlichen. Auch wenn Kraume über einen einigermaßen gutwilligen, „liberalen“ Mann in seinen Film hinein führt, von einer „White Saviour“-erzählung ist DeR VeRMeSSeNe MeNScH meilenweit entfernt. D Tom

¢ Start am 23.3.2023

Kraume depicts the story of young Berlin ethnologist Alexander Hoffmann, who wants to follow in the footsteps of his father, an Africa researcher, in the early 20th century. When he expresses doubt about the racist applications of evolutionary theory, his career comes to a halt.

IN DIEFEATURE MÄRZ 2023 D 17 D
Deutschland 2023 D 116 min D R: Lars Kraume D B: Lars Kraume D K: Jens Harant D S: Peter R. Adam D D: Leonard Scheicher, Girley Charlene Jazama, Peter Simonischek D V: STUDIOCANAL

Originaltitel: The Natural History Of Destruction D Deutschland/Litauen/

Niederlande 2022 D 112 min D R: Sergei Loznitsa D B: Sergei Loznitsa

D M: Christiaan Verbeek D V: Progress Filmverleih

LuFtKRieg – Die natuRgeSchichte DeR ZeRStöRung

Klug choreografiert

Der Schriftsteller W.G. Sebald formulierte einmal die these, dass die deutsche Nachkriegsliteratur an der Aufgabe gescheitert sei, der erfahrung des Luftkriegs eine künstlerische Form zu geben. Sergei Loznitsas vollständig aus Archivaufnahmen bestehender LuFtKRIeG ist eine direkte Antwort auf diese these.

Den Anfang bilden Szenen der Kultur des nationalsozialistischen Deutschlands: ein vollbesetztes Kranzlereck, eine tanzveranstaltung, im Hintergrund flatternde Hakenkreuze – unheilvolle Risse in der harmlos vergnügten Fassade. Dann springt Loznitsa zur Zerstörung dieser Fassade und der gesamten Bausubstanz. Aus den Flugzeugen gefilmte nächtliche Bombardements geben einer Worthülse wie „schrecklich-schön“ einen neuen Inhalt. Die Schockstarre, die sich bei diesen Aufnahmen einstellt, ist jedoch nur der Ausgangspunkt für einen klug choreografierten Film. Loznitsa versucht keine Immersion durch Dauerbedröhnung, sondern zeigt den Luftkrieg als totalen Krieg, der auch aus Fließbandarbeit und Wagner-Konzerten für Fabrikarbeiter*innen besteht. Nach dem Bombenteppich folgen die Begutachtung zerstörter Städte, Schadensbegrenzung, Durchhalteparolen, Aufmunitionierung und Vergeltungsschläge. Oft zeigen nur die aus dem Schutt ragenden Architekturruinen oder die Symbole auf Flugzeugen, welche Seite gerade zerbombt wird. Dazwischen gibt es Zufallsfunde, wie die Skelette einer medizinischen Instituts aufgereiht auf der Straße oder eine Jesus-Statue aufgespießt auf einem Zaun. LuFtKRIeG macht den Schrecken und die historische Bedeutung dieser Kriegsform nachvollziehbar. Die Aufbereitung des Archivmaterials durch Koloration, Nachvertonung und Musikuntermalung macht LuFtKRIeG zur überzeugenden künstlerischen Form für sein thema: das KOYAANISQuAtSI der Zerstörung. D Yorick Berta ¢ Start am 16.3.2023

Losnitsa has made a film using only archival material about the air war as a total war which also consisted of assembly line work and Wagner concerts for factory workers.

Originaltitel: Le lycéen D Frankreich 2022 D 122 min D R: Christophe Honoré D B: Christophe Honoré D K: Rémy Chevrin D D: Paul Kircher, Vincent Lacoste, Juliette Binoche, Erwan Kepoa Falé, Adrien Casse, Christophe Honoré, Anne Kessler, Pascal Cervo D V:

DeR gyMnaSiaSt

Intensive trauer

Der 17-jährige Gymnasiast Lucas (paul Kircher) ist Internatsschüler in den französischen Alpen und führt eine lockere Beziehung mit seinem Mitschüler Oscar. Doch als sein Vater (Regisseur christophe Honoré) plötzlich bei einem Autounfall stirbt, erkennt sich Lucas selbst nicht wieder. „Mein Leben ist zu einem wilden tier geworden, dem ich mich nicht nähern kann, ohne gebissen zu werden“, reflektiert der trauernde teenager zu Beginn des Films als talking Head vor schwarzem Hintergrund. Szenen wie diese, in denen Lucas offen seine Gedanken, Assoziationen und erinnerungen teilt, durchziehen den emotionalen, rosastichigen, mit Handkamera gefilmten und stimmig durch piano- und Gitarrenklänge, pop und elektro wie electricity von OMD unterlegten coming-of-Age-Film. Nach der Beerdigung des Vaters lädt Lucas’ älterer Bruder Quentin (Vincent Lacoste) ihn für eine Woche zu sich nach paris ein. Doch der impulsive Künstler interessiert sich nur für sich selbst und seine Karriere. So streift Lucas allein und verloren durch die winterliche Stadt, spricht spontan mit einem priester über Auferstehung und trifft ein anonymes Sex-Date. Zu Quentins Mitbewohner Lilio (erwan Kepoa Falé) fühlt sich Lucas hingezogen, doch als der endzwanziger seine Gefühle nicht erwidert, verliert Lucas die Kontrolle. Regisseur und Autor christophe Honoré verlor als teenager seinen Vater und ließ seine erinnerungen in die komplexe Figur des Lucas einfließen. Mit beeindruckender tiefe spielt paul Kircher in DeR GYMNASIASt seine erste Hauptrolle und gewann dafür 2022 den preis als bester Hauptdarsteller beim Filmfestival von San Sebastián. Kircher und Juliette Binoche als trauernde ehefrau und besorgte Mutter machen den vielschichtigen Film durch ihr äußerst intensives und glaubwürdiges Spiel zum ereignis. D Stefanie Borowsky ¢ Start am 30.3.2023

The father of 17 year old gymnast Lucas (Paul Kircher) dies in a car accident. After the funeral, Lucas’ older brother Quentin (Vincent Lacoste) invites him to come to his place in Paris for a week.

D 18 D MÄRZ 2023 IN DIEKRITIKEN TERmINE uNTER www.INdIEKINo.dE
Edition Salzgeber

SiSi & ich

Als die Gräfin auf Korfu ankommt, ist die Kaiserin schon da. elisabeth von Österreich (Susanne Wolff) hat sich auf der griechischen Insel eingerichtet, um der enge des Wiener Hofs und ihrer zunehmend abgekühlten ehe zu Franz Joseph (Markus Schleinzer) zu entfliehen. und Irma (Sandra Hüller), deren Familie dem alten ungarischen Adel entstammt, soll der rastlosen Kaiserin auf ihren endlosen Reisen treue Dienste leisten, weil ihre bisherige Hofdame nicht mehr Schritt halten kann. es ist ein Glück für sie beide. Als die Frauen aufeinandertreffen, stimmt die chemie sofort: Irma, die noch nie ein Interesse an Männern hatte, ist zutiefst fasziniert von der ungewöhnlichen Monarchin, und elisabeth spürt schnell, dass ihre neue Gesellschafterin mehr als nur eine gehorsame Bedienstete ist. SISI & IcH erzählt, wie sich die beiden Frauen einander annähern, gegenseitig Vertrauen schenken und immer wieder auf die probe stellen. es ist die Geschichte einer Freundschaft, einer Liebe, auch eines Abschieds, denn der Film endet mit dem Attentat auf die Kaiserin am 10. September 1898 bei einem Spaziergang in Genf. Das Drehbuch hat Frauke Finsterwalder erneut mit ihrem ehemann, dem Schriftsteller christian Kracht, geschrieben, der bereits an der Vorlage zu ihrem ersten Spielfilm FINSteRWORLD (2013) beteiligt war. Auch Sandra Hüller spielte in dem surrealen Deutschlandmärchen mit. Diesmal haben ihr die Regisseurin und ihr Ko-Autor eine Rolle auf den Leib geschrieben, die perfekt zu ihr passt, weil ihre Irma bei aller Bodenständigkeit immer ein bisschen fremd wirkt, irgendwie schräg, komisch und menschlich zugleich. Im Zusammenspiel mit Susanne Wolffs elisabeth wird daraus ein Film, der trotz parallelen zu Marie Kreutzers cORSAGe –wie etwa die Inszenierung mit popmusik – als eigenständiges Sisi-porträt besteht. D Pamela Jahn ¢ Start am 30.3.2023

SISI & ICH centers around empress Elisabeth as she gets closer to her ladyin-waiting countess Irma, gaining mutual trust and testing each other time and again. It is the story of a friendship, a love and a farewell.

BREAKING THE WALL

Ab 23. März im Kino

Deutschland 2023 D 110 min D R: Frauke Finsterwalder D B: Frauke Finsterwalder, Christian Kracht D K: Thomas W. Kiennast D S: Andreas Menn D D: Susanne Wolff, Sandra Hüller, Johanna Wokalek, Stefan Kurt D V: DCM Film Distribution Freiheitsliebende Freundin
teRMine unteR www.inDieK ino.De
MIT DER AUTORIN DES BESTSELLERS FEAR OF FLYING / ANGST VORM FLIEGEN ERICA JONG
EIN FILM VON KASPAR KASICS SONG KANG HO GANG DONG WON DOONA BAE LEE JI EUN LEE JOO YOUNG NACH SHOPLIFTERS DER NEUE FILM VON HIROKAZU KORE-EDA „EINER DER WUNDERBARSTEN FILME DES JAHRES.“ BBC FAMILIE GESUCHT ARRI AWARD BESTER INTERNATIONALER FILM FILMFEST MÜNCHEN GEWINNER BESTER DARSTELLER FESTIVAL DE CANNES AB 16. MÄRZ IM KINO

Griechenland/Großbritannien/Belgien/Deutschland/Schweiz 2023 D 105 min

D R: Vasilis Katsoupis D B: Ben Hopkins D K: Steve Annis D S: Lambis

Haralambidis D

inSiDe

Goldener Käfig

Für Nemo, einen Meister seines Fachs, ist Kunst das wichtigste Gut. Doch als der Dieb bei einem einbruch in dem vielfach gesicherten Smart Home eines hochkarätigen Sammlers festsitzt, wird sie wertlos. Das drei Millionen teure Selbstporträt von egon Schiele wird zum einfachen Gegenstand, die Bronzeskulptur von Lynn chadwick zu einem Hebel zum Öffnen verschlossener türen, hinter denen sich kein Ausweg befindet. Für Nemo geht es um das nackte Überleben, denn aus den Leitungen kommt kein Wasser, und der Kühlschrank ist leer. Der einfallsreiche Gauner, der sich sonst aus jeder Situation zu helfen weiß, ist eingesperrt in einen goldenen Käfig – und wir sind ganz mit ihm allein. Da braucht es einen exzellenten Hauptdarsteller, der keine Grenzen scheut. Der griechische Autor und Regisseur Vasilis Katsoupis konnte für sein Spielfilmdebüt Willem Dafoe für die Rolle des Nemo gewinnen und schenkt ihm für 100 Minuten die ganze Leinwand. Namenlose Nebenfiguren tauchen nur in den Bildern der Überwachungskamera von draußen auf. Neben der kraftvollen Bildgestaltung von Steve Annis (I AM MOtHeR) und dem cleveren Drehbuch von Katsoupis und Ben Hopkins (tHe NINe LIVeS OF tHOMAS KAtZ) ist es vor allem Dafoes Schauspielkunst, die hier zu bewundern ist. Sein schleichender körperlicher und geistiger Verfall ist schmerzhaft spürbar. Gleichzeitig hält die Inszenierung die Spannung aufrecht mit immer neuen Ideen Nemos, aus dem luxuriösen Gefängnis auszubrechen, angetrieben von einer eigenen kreativen energie. So entsteht neue Kunst in der Isolation. Die klaustrophobische tour de Force wurde in einem Kölner Studio inmitten der pandemie gedreht. Durch die umstände erhält INSIDe eine zusätzliche, erschreckend aktuelle ebene.

¢ Start am 16.3.2023

SicK oF MySeLF

toxische Beziehung

Irgendwie liebt der Künstler thomas seine Freundin Signe (Kristine Kujath thorp, NINJABABY) ja schon. und Signe gönnt ihm auch den erfolg, aber warum vergisst thomas immer wieder, dass sie dabei geholfen hat, und heimst die ganze Aufmerksamkeit allein ein? Signe findet ihr Leben als Kellnerin auch interessant. Neulich hat sie eine verletzte Kundin gerettet. Vielleicht muss sie ja einfach krank werden. So eine Nussallergie ist leicht simuliert, hält aber nicht lange. Im Netz steht etwas von einem russischen Medikament, das schweren Ausschlag verursachen soll. Wofür das ist? Ach, egal! Das könnte sie doch bestellen, und schon hätte sie eine mysteriöse Krankheit, und alle würden sie im Krankenhaus besuchen, und thomas würde sie beachten, und vielleicht will ja auch jemand einen Artikel über sie schreiben. Oder sie käme ins Fernsehen. Das wäre doch ein guter plan, oder? Was soll da schiefgehen?

Die bitterböse Satire SIcK OF MYSeLF parodiert den Kampf um Aufmerksamkeit im privaten wie in der Öffentlichkeit. Signe schätzt den Status als „Kranke“ zu sehr, um sich heilen zu lassen, und nimmt dafür immer extremere Körperveränderungen in Kauf. Als thomas ihr endlich die gewünschte Zuneigung schenkt, zeigt der Film, dass es das aus Signes Sicht auch wert war. Signe steigert sich sofort noch weiter in selbstsüchtige Fantasien hinein, in denen ihre eigene Beerdigung zum exklusiven Großevent wird. Ständig wechselt der Film zwischen Beziehungspathos, bitterer Satire, bei der nicht klar ist, ob man darüber noch lachen sollte, und Body Horror, der sowohl Mitgefühl als auch amüsierten ekel verursacht. Signes Geschichte ist aufregend und mitreißend anzusehen, aber wenn sie eine Moral hat, dann gewiss nicht die, auf die Signe als erzählerin abzielt. D Christian Klose

¢ Start am 23.3.2023

Signe takes questionable medication with strong side effects and becomes an “interesting“ medical case because she wants to get the same attention that her boyfriend Thomas usually gets.

D 20 D MÄRZ 2023 Termine unTer www.indiekino.de in DiekriTiken
Originaltitel: Syk Pike D Norwegen/Schweden 2022 D 95 min D R: Kristoffer Borgli D B: Kristoffer Borgli D K: Benjamin Loeb D S: Kristoffer Borgli D D: Kristine Kujath Thorp, Eirik Sæther, Anders Danielsen Lie, Fredrik Stenberg Ditlev-Simonsen, Sarah Francesca Brænne D V: MFA+ M: Frederik Van de Moortel D D: Willem Dafoe, Gene Bervoets, Josia Krug, Eliza Stuyck D V: SquareOne Willem Dafoe plays art thief Nemo who is trapped by an automatic security system of the luxury penthouse which he wanted to rob.

MaigRet

Kommissar Depardieu

eigentlich ist es erstaunlich, dass Gerard Depardieu erst jetzt die Rolle des kräftig gebauten, leicht behäbigen Inspektors Maigret der pariser Kripo spielt, der neben seiner Arbeit vor allem das essen, trinken und seine pfeife schätzt. Den tabak muss Depardieus Maigret auf Anraten seines Arztes aber schon am Anfang des Films aufgeben, und auch auf das essen seiner Frau hat er keinen Appetit. eigentlich fehlt ihm schon jede Leidenschaft, als er kurz vor Feierabend zu einem Mord an einer jungen Frau gerufen wird. Außer einem ungewöhnlich teuren Abendkleid und einer Laudanum-Flasche gibt es keinerlei Hinweise auf ihre Identität. Das Schicksal der jungen toten zu rekonstruieren, gibt dem Inspektor eine neue Aufgabe. Gemächlich, aber unaufhaltsam, und ohne

eine heiße Fährte zu haben, befragt er die Menschen, die die tote als letzte gesehen haben, und entlockt ihnen, nur indem er darauf wartet, dass sich jemand verplappert, alles, was er braucht. Als Maigret dann einer jungen Frau begegnet, die der toten ähnelt, muss er durch sie dem Fall nur einen kleinen Schubs geben. Natürlich ganz ruhig und ohne Geschrei, Gerenne oder Gewalt.

patrice Leconte, dessen Film RIDIcuLe 1996 für den Oscar nominiert war, macht aus dem Krimi eine Art Geistergeschichte. Nicht nur wirkt es, als wäre Maigrets ermittlung das einzige, was verhindert, dass die junge Frau spurlos aus der Welt verschwindet. Der Verlust geliebter Menschen zieht sich als thema durch den Film und betrifft auch den Inspektor selbst, der zwar gelegentlich Hilfe von einem Kollegen oder seiner Frau bekommt, vor allem aber allein wie ein ruhelos suchender Geist durch eine Welt wandert, in der vieles nur Schein ist. Nervenkitzel bietet dieser Maigret nicht, aber es liegt eine melancholische Schönheit darin, wie sich des Rätsels Lösung langsam enthüllt. D Christian Klose

¢ Start am 30.3.2023

MÄRZ 2023 D 21 D IN DIEKRITIKEN TERmINE uNTER www.INdIEKINo.dE
Frankreich/Belgien 2022 D 89 min D R: Patrice Leconte D B: Patrice Leconte, Jérôme Tonnerre D K: Yves Angelo D S: Bruno Coulais D M: Bruno Coulais D D: Gérard Depardieu, Aurore Clément, Mélanie Bernier, Anne Loiret, Norbert Ferrer D V: Plaion Pictures Commissioner Maigret (Gerard Depardieu) is called to the scene of a murder of a young woman. She has no identifying markers, but she is wearing an expensive evening gown and has a bottle of laudanum with her. Maigret tries to reconstruct the life of the dead woman.

bRoKeR

Netzwerk der Gutherzigen

Originaltitel: Beurokeo D Südkorea 2022 D 129 min D R: Hirokazu Koreeda

D B: Hirokazu Koreeda D K: Kyung-pyo Hong D S: Hirokazu Koreeda D M: Jung Jae-il

D D: Kang-ho Song, Bae Doona, Ji-eun Lee, Dong-Won Gang D V: Plaion Pictures

ein Gangsterduo, das Babys stiehlt und verkauft, und eine prostituierte, die ein Verbrechen begangen hat, sind auf der Flucht vor einer Handvoll Geldeintreiber und einem ermittlerinnen-Duo auf der Suche nach dem großen coup …

Was nach Action-geladenem Drama klingt, wird in den Händen von Hirokazu Kore-eda, des wohl freundlichsten Regisseurs der Welt, zu einer verträumten patchwork-Familiengeschichte. Sang-hyeon (Song Kang Ho), Wäschereibesitzer und Vater einer tochter, die er nur selten zu sehen bekommt, und sein Freund Dong-soo (Gang Dong Won), der selbst in einem Waisenhaus aufgewachsen ist, haben ein kleines Adoptions-„Business“ aufgebaut: Sie stehlen Kinder, die in einer Babyklappe abgelegt werden, und vermitteln sie an kaufkräftige paare, die für eine legale Adoption nicht in Frage kommen – zum Beispiel, weil sie unverheiratet sind, oder homosexuell. Als der kleine Woo-sung abgelegt wird, lässt die anonyme Mutter einen Zettel da „Ich komme dich abholen“. Meist stimmt das nicht, aber am nächsten tag steht So-young (Lee Ji eun) tatsächlich vor der tür, um ihren Sohn zu sehen. Dong-soo fängt sie ab, und als sie erfährt, was die „Broker“ vorhaben, beschließt sie

mitzukommen, um bei der Auswahl der eltern zu helfen und einen teil des Geldes zu kassieren. So beginnt ein Roadtrip, den Koreeda dazu nutzt, Fragen nach eltern- und Kindsein zu stellen und von zarten Verbindungen zu erzählen, die sich den Kategorien von Mutter-Vater-Kind entziehen. Zwischen Sang-hyeon, Dong-soo, So-young, Baby Woo-sung und dem siebenjährigen Waisenjungen Hae-jin, den sie unterwegs auch noch aufgabeln, entsteht unterwegs eine Beziehung, die auf zunehmendem Verständnis gründet, zu Kore-edas Netzwerk der Gutherzigen gehören aber auch, unter anderem, die beiden polizistinnen, die den Alltagsgesprächen der Ad-Hoc-Familie bei Fast Food im Fahndungsfahrzeug lauschen.

Bake

¢ Start am 16.3.2023

Sang-hyeon and his friend Dong-soo steal children who have been abandoned in a baby hatch and give them to well-to-do couples. When young mother So-young discovers what the “brokers” are planning, she decides to come along.

IN DIEFEATURE D 22 D MÄRZ 2023
teRMine unteR www.inDieK ino.De

can anD Me

porträt des Komponisten und cAN-Gründers

Irmin Schmidt ist das letzte noch lebenden Gründungsmitglied der Kölner Band cAN, der international einflussreichsten deutschen Band der popgeschichte. Irmin Schmidt und Holger czukay lernten sich im Seminar des Avantgarde-Komponisten Klaus Stockhausen kennen und bildeten gemeinsam mit dem Jazz-Schlagzeuger Jaki Liebezeit den kreativen Kern der Band. Im Dokumentarfilm cAN AND Me porträtiert Michael p. Aust den Musiker, der gut gelaunt Auskunft über seine Inspirationen, über den kreativen prozess und über die zahlreichen Filmsoundtracks gibt, die er gemeinsam mit cAN und als Solo-Komponist produziert hat. Seine ebenso gut gelaunte ehefrau Hildegard, einst Managerin von cAN und bis heute die Geschäftsführerin des „Irmingard“-unternehmens, betreut als gelernte Buchhalterin alle Aktivitäten ihres ehemanns. Irmin Schmidt geht es dank Hildegard gut, und sie sagt über Irmin: „Der hat mir ja eine ganz neue Welt gezeigt“. Die heitere Stimmung zieht sich durch den Film, am schönsten vielleicht in einer Szene, in der sich die cAN-Sänger Malcolm Mooney und Damo Suzuki begegnen, und Malcolm fragt: „Hattest du eigentlich auch den eindruck, dass die Band einen wahnsinnig machen konnte?“ Damo biegt sich vor Lachen. Die entspannte Improvisation gehörte ebenso zur Arbeit von cAN wie wütende Streits über die Ausrichtung der Band. Wie Schmidt die entwicklung der ersten Soundtracks für Filme von Wim Wenders und Roland Klick schildert, das ist so komisch wie aufschlussreich: „Der Wim hat dann den Film erzählt, und der Holger fing an zu spielen.“ – „Der Roland war ja selbst Musiker und hatte so Ideen“. cAN AND Me ist ein schönes Künstlerporträt, das auch Schmidts künstlerischen Weg nach cAN bis hin zu den Arbeiten mit dem britischen elektronik-Musiker Kumo und seiner Oper „Gormenghast“ umfasst. D Tom Dorow ¢ Start am 9.3.2023

teRMine
www.inDieK ino.De
unteR
Deutschland 2022 D 84 min D R: Michael P. Aust, Tessa Knapp D B: Sarah Schygulla D K: Tessa Knapp D M: Markus Aust D V: Real Fiction
DASBLAU DESKAFTANS EinFilmvonMaryamTouzani THEINTERNATIONALCRITICS’PRIZE
A doc about Irmin Schmidt, the last living founding member of CAN, and his wife Hildegard, the manager of the band and the label Spoon Records. LubnaAzabal SalehBarki AyoubMissioui

DeR PFau

Zerlegte eitelkeiten

Der schottische Landsitz von Lord und Lady Mackintosh macht von außen viel her. Innen ist er allerdings ziemlich marode und verschlingt reichlich Devisen, weshalb ihn das betagte ehepaar an Gäste vermietet. Für die Gruppe von Investmentbankern sind die defekte Heizung und die Schlafzimmer mit Doppelstockbetten aber noch nicht einmal das schlimmste Manko. Das Anwesen, das sie für ein Wochenende beziehen, liegt idyllisch zwischen Schafswiesen ohne Handy-Netz, und so sind die fünf allein auf sich gestellt und der Motivationstrainerin Rebecca ausgeliefert. es dauert nicht lange, bis das Gerücht die Runde macht, einer von ihnen würde bei der anstehenden Fusion mit der Bank of Scotland ins Beiboot verfrachtet. So booten sich die eitlen pfauen gegenseitig aus, und der leibhaftige Vogel der Mackintoshs spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle.

Seien es die Abenteuer des Meisterdetektivs Hercule poirot (MORD IM ORIeNt eXpReSS) oder Rian Johnsons KNIVeS Out-Murder-Mysteries – das Genre des klassischen Krimis feiert in jüngster Zeit eine Renaissance im Kino, und Lutz Heinekings Adaption des Bestsellers „Der pfau“ von Isabel Bogdan orientiert sich klar an der Virtuosität der Vorbilder. Das ensemble aus tom Schilling, Lavinia Wilson, David Kross, Annette Frier, Serkan Kaya und Jürgen Vogel wirkt so vergnügt wie die visuelle Gestaltung von philipp pfeiffer und Matthias Schellenberg. Der anfängliche Schwung verpufft allerdings mit Voranschreiten der Laufzeit und Heineking verschenkt viel potential. Dem Drehbuch geht es vornehmlich darum, die eitelkeiten der Figuren genüsslich zu zerlegen. Das unterhält vor allem Dank der Besetzung. Am ende fasst es Annette Frier als glänzend aufgelegte Köchin zusammen: „es ging eigentlich um nichts, aber dafür hat es sich gelohnt.“ D Lars Tunçay ¢ Start am 16.3.2023

D

aLLe woLLen geLiebt weRDen

ein tag im Leben einer Frau

Die alleinerziehende Berliner psychotherapeutin Ina (Anne Ratte-polle) führt ein anstrengendes Leben. Ihr ehrgeiziger Lebensgefährte Reto (urs Jucker) denkt nur an sich und seine erhoffte professur an der uni im finnischen tampere, die rebellische teenie-tochter elli (Lea Drinda) möchte lieber zu ihrem Vater als nach Finnland ziehen, die fordernde, selbstsüchtige Mutter tamara (ulrike Willenbacher) spannt Ina für die Vorbereitungen zu ihrem 70. Geburtstag ein – und zwischendurch warten Inas patient*innen. Noch dazu soll Ina an diesem heißen Sommertag dringend mit ihrer Ärztin das ergebnis ihrer Blutuntersuchung besprechen, doch sie findet keine Zeit dafür.

In ihrer feministischen tragikomödie nimmt Regisseurin Katharina Woll, die gemeinsam mit Florian plumeyer auch das Drehbuch verfasste, den ganz normalen Alltag einer Frau um die 50 in den Blick. Mit Inas Mutter, die für ihre Kinder auf ihre Karriere verzichtete, und Inas selbstbestimmter, freier tochter stellt Woll die komplexe Hauptfigur zudem in Bezug zu typischen Frauen aus zwei weiteren Generationen. Auf der Leinwand wie im Leben scheint es noch immer selbstverständlich zu sein, dass eine Frau sich um alle(s) kümmert. Inas gesamtes umfeld stellt erwartungen und Forderungen an sie, ohne das je zu hinterfragen, während Ina bis zur Selbstaufgabe versucht, es allen recht zu machen. Doch im Laufe dieses überfordernden tages, von dem Katharina Woll mit Feingefühl und mal leiser, mal lauter Komik erzählt, macht Ina eine entwicklung durch. Spätestens wenn Ina sich auf der Gartenparty ihrer Mutter über alle Konventionen hinwegsetzt und lautstark und enthemmt „I believe in miracles“ schmettert, löst sich etwas in ihr. D Stefanie

¢ Start am 8.3.2023

The teen daugher wants to move in with the ex-husband, the boyfriend wants to go abroad and the patients are also annoying. Psychotherapist Ina wants to make everyone happy but is way over her head.

D 24 D MÄRZ 2023 IN DIEKRITIKEN TERmINE uNTER www.INdIEKINo.dE
Borowsky Deutschland 2022 D 80 min D R: Katharina Woll D B: Florian Plumeyer K: Matan Radin D S: Kai Minierski D M: Moritz Krämer D D: Anne Ratte-Polle, Lea Drinda, Ulrike Willenbacher, Urs Jucker, Hassan Akkouch D V: Camino Filmverleih Deutschland 2022 D 106 min D R: Lutz Heineking, jr. D B: Sönke Andresen, Christoph Mathieu, Lutz Heineking, jr., Isabel Bogdan D K: Matthias Schellenberg, Philipp Pfeiffer D S: Ole Heller D D: Lavinia Wilson, Jürgen Vogel, Tom Schilling, Annette Frier, Serkan Kaya D V: Tobis Film A group of investment bankers have a team building weekend on a Scottish country estate. A comedy based on the novel by Isabel Bogdan.

GLETSCHErGraB

Der isländische Thriller nach dem gleichnamigen Roman von Arnaldur Indriðason erzählt eine wild konstruierte Geschichte um ein 1945 verschollenes Flugzeug, das auf einmal aus den Eismassen des Gletschers Vatnajökull wieder auftaucht. Das Geheimnis des Flugzeugs wird von den auf Island stationierten Amerikanern mit allen Mitteln gehütet, und als die Bankangestellte Kristin, ihr Bruder Elias und Kristins Ex, der britische Historiker Steve der Operation durch Zufall in die Quere kommen, müssen sie um ihr Leben fürchten.

¢ Start am 9.3.2023

Originaltitel: Operation Napoleon D Island/Deutschland 2023 D R: Óskar Thór Axelsson D D: Vivian Ólafsdóttir, Jack Fox, Iain Glen

aNNE-SOPHIE mUTTEr – VIVaCE

Im Alter von dreizehn Jahren wurde die Violinistin Anne-Sophie Mutter von Herbert von Karajan entdeckt und später zum Weltstar. Für ihr Porträt unternahm die Regisseurin Sigrid Faltin eine lange Bergwanderung in den Alpen mit der Musikerin und filmte sie in Gesprächssituationen mit Gesprächspartnern ihrer Wahl. Mit Tennisprofi Roger Federer, dem New Yorker Magier Steve Cohen und den Musikern Daniel Barenboim, John Williams, Jörg Widmann und Lambert Orkis spricht Mutter über ihre Karriere, die Musik und auch ihr Privatleben.

¢ Start am 28.3.2023

Deutschland 2023 D R: Sigrid Faltin

Termine unTer www.indiekino.de

Deutschland 2023 D 89 min D R: Charly Wai Feldman D K: Zamarin Wahdat D S: Franziska von Berlepsch D M: Laurens von Oswald, Leopold Faerberboeck D V: mindjazz Pictures

Sara marDINI –GEGEN DEN STrOm

Komplexes Porträt der Aktivistin

Die 20-jährige syrische Leistungsschwimmerin Sara Mardini und ihre drei Jahre jüngere Schwester Yusra befinden sich 2015 auf einem Schlauchboot im Mittelmeer, als der Motor aussetzt und das Boot zu sinken beginnt. Sara und Yusra springen ins Wasser, ziehen und schieben das Boot drei Stunden lang bis an die Küste von Lesbos. Sie retten 18 Menschen das Leben. Die Schwestern werden zu Medienstars. Sie erhalten den „Bambi“-Preis der Burda-Medien-Gruppe in der Kategorie „Stille Helden“, treten auf Konferenzen auf und werden von US-Präsident Obama empfangen. Yusra startet 2016 und 2021 bei den Olympischen Spielen und repräsentiert das neu gegründete internationale Team der Geflüchteten. Netflix produziert einen Spielfilm, THE SWIMMERS. Während Yusra weiter trainiert, kehrt Sara zurück nach Lesbos und arbeitet als ehrenamtliche Helferin. 2018 wird sie von griechischen Behörden verhaftet und wegen Beihilfe zur illegalen Einreise (Schleusung), Geldwäsche, Betrug und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Nach drei Monaten in einem Hochsicherheitsgefängnis wird sie auf Kaution freigelassen. Seitdem wartet sie auf ihre Verhandlung. Filmemacherin Charly Wai Feldman dokumentiert Saras Geschichte seit 2018. Sie zeigt Mardini als Kämpfern, die ihre eigenen Motivationsreden ernst meint, aber sich damit auch gegen die drohende Depression und ihr Trauma zu wappnen versucht. Sara bricht ihr Studium am Bard College ab und geht auf einem Schiff von „Sea-Watch“ erneut auf Rettungsmission. Wie sehr es sie bewegt, dass die europäische Politik Menschen im Meer ertrinken lässt, während Retter kriminalisiert werden, ist ihr jederzeit anzumerken. SARA MARDINI ist ein komplexes Aktivistinnen-Portrait, das nicht nur von Mut, sondern auch von Verzweiflung und Einsamkeit erzählt. D Tom Dorow ¢ Start am 23.3.2023

Deutschland 2022 D 119 min D R: David Wnendt D B: David Wnendt, Felix Lobrecht D K: Jieun Yi D S: Andreas Wodraschke D M: Enis Rotthoff, Konstantin Djorkaeff Scherer D D: Nicole Johannhanwahr, Roland Wolf, Franziska Wulf, Jörg Rühl D V: Constantin Film Verleih

SONNE UND BETON

Aktion, Aggression, Geblödel

Berlin, Neukölln, Gropiusstadt, Anfang des Jahrtausends. Im Fernsehen verkündet Gerhard Schröder die Agenda 2010, bei den Nokias sind ständig Akku und Guthaben leer, im Hintergrund läuft Aggro Berlin.

Von seinem Wesen her ist Lukas ein freundlicher, schüchterner Junge, aber das kann sich in der Gropiusstadt kein Jugendlicher leisten, zumal nicht, wenn er einen Freund wie Julius hat, der –nicht besonders helle, dafür aber unerschrocken - den Stress auch noch produziert. Es hätte vielleicht gereicht, einfach weiterzugehen, Richtung Park, aber Julius bleibt stehen und mackert herum, die Lage eskaliert, und plötzlich prügeln sich die arabischen und türkischen Drogendealer auf der Wiese, und Lukas, Gino und Julius sind mittendrin. Als eine Art Wiedergutmachung verlangen die „Arabs“ 500 Euro von Lukas. Als rettende Lösung erscheinen die nagelneuen Computer, die Lukas‘ Problemschule im Problemkiez gerade vom Senat bekommen hat. Sie zu klauen, ist, wie sich wenig überraschend herausstellt, keine gute Idee. David Wnendts SONNE UND BETON nach dem autofiktionalen Bestseller von Felix Lobrecht erinnert an die Filme von Danny Boyle: poppig, bunt, bei aller Härte grundsätzlich gut gelaunt und immer in Bewegung. Die Jungs sind immer unterwegs, auf den Grünflächen, in den Hochhausblocks, über den Dächern, während im Hintergrund die Sonne auf- oder untergeht. Sie sind auf Mission: Freunde abholen, vor Gegnern flüchten, Drogen organisieren, Computer verticken. Die Kamera fährt an Lukas‘ Buzzcut den Hinterkopf entlang, saust durch die Gänge des Schulgebäudes, fliegt über die Dächer, dreht sich im Kreis. Auch das Kiezdeutsch

„lass mal Gropius gehen“ – ist immer Aktion, Aggression, Gegenaggression, Geblödel. D Hendrike Bake ¢ Start am 2.3.2023

A documentary about the Syrian professional swimmer Sara Mardini who got involved in refugee aid after fleeing herself and is currently being accused of espionage and human trafficking.

David Wnendts SUN AND CONCRETE about four teenage friends in Berlin’s “Problemkiez” Gropiusstadt is based on the auto fictional bestelling novel by Felix Lobrecht.

D 26 D mÄr Z 2023 IN DIEKRITIKEN TERmINE uNTER www.INdIEKINo.dE

Die eiche

Naturdoku ohne Erklärbär

Der schöne Dokumentarfilm von Michel Seydoux und Laurent Charbonnier ist angenehm kurz und kommt ganz ohne Erklärungen aus. Eine dynamische aber nie hektische Kamera beobachtet ein Jahr lang – von Spätsommer bis Frühsommer – was auf einer über zweihundert Jahre alten Eiche im Departement Loire und um sie herum vor sich geht. Der Baum ist Heimat für eine Reihe von Tieren: Zwischen den Wurzeln haust eine Waldmausfamilie, in den Zweigen haben sich Eichhörnchen und ein Eichelhäherpaar ihre Nester gebaut, und auf der rissigen Rinde, der alten Baumhaut, an der die geschmeidige Kamera immer wieder entlang gleitet, krabbeln spacige Käfer – die Eichelbohrer. Sie leben auf dem Baum, paaren sich auf den Eicheln und legen ihre Eier dann gleich in den Früchten ab. Wenn die Larven schlüpfen, verkriechen sie sich zwischen den Wurzeln der Eiche in der Erde und werden über den Winter zur nächsten Eichel-Käfergeneration.

Im Herbst, wenn die Eicheln reif sind, sind dann alle da: Die Rehe, die Wildschweine, die Vögel, auch ein Nutria und ein Igel schauen vorbei, und im Teich stehen die Kraniche. Der Film lässt genügend Zeit zum entspannten Hinschauen, aber immer wieder ist etwas los, so geht gleich am Anfang ein Gewitter über dem Wald nieder und lässt in der Mausehöhle das Wasser steigen. Zu den spektakulärsten Szenen des Films gehören Makro-Aufnahmen von Insekten und Regentropfen, die Mausehöhle aus verschiedenen Perspektiven und eine spannend inszenierte Verfolgungsjagd von Greif- und Singvögeln, bei der ein Habicht senkrecht zwischen den Baumstämmen durchzischt. Dass die einen für die anderen Futter sind, ist klar, aber der freundliche Film lässt unsere Held*innen überleben und ist überhaupt mehr an der Symbiose der Lebensformen interessiert als am Überlebenskampf. D Hendrike Bake ¢ Start am 9.3.2023

Lucy ist jetzt GanGster

Bankraub für die Eisdiele

„Ich bin Lucy und irgendwann im Laufe dieser Geschichte werde ich eine Bank überfallen“, sagt die zehnjährige Grundschülerin zu Beginn in die Kamera. Dabei ist die brave Lucy eigentlich zu gut für diese Welt. Mit ihrem hilfsbereiten Verhalten möchte sie die Taten böser Menschen ausgleichen, damit die Welt nicht umkippt. Im märchenhaft-malerischen Städtchen Werlach-Bimsheim betreiben Lucys Eltern Pietro und Nadine die Gelateria Felicità, in der sie bunte, fantasievolle Eissorten verkaufen, die gegen jede Art von Kummer helfen und sofort glücklich machen. Und wer glücklich ist, der macht die Welt ein bisschen besser! Daran glaubt Lucy ganz fest. Doch eines Tages explodiert durch ein Missgeschick die 30 000 Euro teure Eismaschine – und die örtliche Bank weigert sich, der Familie einen Kredit für eine neue zu geben. Als ihr Patenonkel Carlo ihr erzählt, jede*r könne Gangster werden, und Lucy im Fernsehen einen Beitrag über einen Banküberfall sieht, kommt ihr eine Idee: Sie muss Bankräuberin werden, um die Eisdiele vor dem Aus zu retten! Ihr versetzungsgefährdeter Mitschüler Tristan, der größte Bösewicht der Schule, erklärt sich bereit, mit Lucy Erpressung, Diebstahl und Betrug zu trainieren, wenn sie ihm dafür Nachhilfe gibt.

Regisseur Till Endemann hat mit LUCY IST JETZT GANGSTER einen humorvollen, spannenden und zeitlosen Kinderfilm gedreht, dessen farbenfrohes, detailverliebtes Szenenbild oft an die 50erund 60er-Jahre erinnert. Es geht um immerwährende Themen wie Glück und Gemeinschaft – und darum, ein guter Mensch zu sein. Die überzeugenden, vielschichtigen Figuren Lucy und Tristan machen im Laufe des Films eine Entwicklung durch, freunden sich an und fragen sich: „Kann man wirklich glücklich sein, wenn man andere unglücklich macht?“ D Stefanie Borowsky

¢ Start am 2.3.2023

Lucy’s parents Pietro and Nadine own an ice cream shop with ice cream that makes you immediately happy. When the expensive ice cream machine explodes and the family can‘t afford a new one, Lucy gets the idea to become a gangster and rob a bank.

Termine unTer www.indiekino.de MÄRZ 2023 D 27 D IN DIEKINdEr
The beautiful documentary by Michel Seydoux and Laurent Charbonnier gives no explanation. From the late summer to early summer, the camera observes what happens on a 200 year old oak tree in Departement Loir. Originaltitel: Le chêne D Frankreich 2022 D 80 min, FSK: 0 D R: Michel Seydoux, Laurent Charbonnier D V: X Verleih Deutschland 2022 D 89 min, FSK: 6 D R: Till Endemann D B: Till Endemann, Andreas Cordes D S: Jens Müller D M: Rutger Reinders D D: Valerie Arnemann, Violetta Arnemann, Brooklyn Liebig, Lisa Marie Trense, Kostja Ullmann, Franziska Wulf D V: Wild Bunch

War VEraNLaSST,

Interview mit Alice Diop über SAINT OMER

Alice Diops Eltern wanderten in den sechziger Jahren nach Frankreich ein. Ihr Vater arbeitete als Automechaniker, ihre Mutter als Putzfrau. Diop studierte Geschichte und „Visual Sociology“ und im Dokumentarfilmatelier der Filmhochschule La Femís. Diops Dokumentarfilm LA PERMANENCE (IM SPRECHZIMMER, 2016) begleitet Ärzte in einem Bereitschaftsdienst, die vor allem männliche Migranten behandeln. Ihr zweiter Langfilm NOUS, der sich mit der Schnellbahn RER B von Nord nach Süd durch Paris bewegt und die Reisenden porträtiert, gewann die Sektion Encounters der Berlinale 2021. SAINT OMER ist Diops erster Spielfilm. Beim Filmfestival in Cannes erhielt der Film den Großen Preis der Jury. Für INDIEKINO sprach Pamela Jahn mit Alice Diop.

INDIEKINO: Ihr Film basiert auf einem realen Fall von 2016. Wann stand für Sie fest, dass Sie die Geschichte verfilmen wollten?

Alice Diop: Ich hatte die Idee, nachdem ich fünf Tage lang dem Prozess gegen die Frau beigewohnt hatte, die ihr kleines Mädchen unter den gleichen Umständen getötet hat, wie sie im Film beschrieben werden. Diese Erfahrung weckte in mir sehr persönliche Gefühle und warf jede Menge Fragen auf. Sie veranlasste mich, tief in mich zu gehen und mein eigenes Verhältnis zur Mutterschaft zu hinterfragen. Und ich spürte, dass es nicht nur mir so ging, sondern auch allen anderen Frauen, die im Gerichtssaal anwesend waren.

Wie haben Sie von dem Vorfall erfahren?

Ich las einen Artikel in der Zeitung „Le Monde“, und das erste Bild, das ich sah, entstammte einer Fahndungsmeldung der Polizei, die die Leiche eines kleinen Mädchens an einem Strand in Nordfrankreich gefunden hatte. Auf dem Foto war eine Frau zu sehen, die einen Kinderwagen mit mehreren Kindern schob. Als ich das Gesicht dieser Frau sah, hatte ich den Eindruck, sie zu kennen, obwohl ich ihr natürlich noch nie begegnet war. Aber da war etwas in ihrem Gesicht, in ihren Zügen, das mir bekannt vorkam. Ein paar Tage später legte sie ein Geständnis ab, und es

stellte sich heraus, dass sie auch aus dem Senegal stammte. Wir waren mehr oder weniger im gleichen Alter, obwohl wir einen sehr unterschiedlichen Lebensweg hatten. Ich war sehr fasziniert von dieser Geschichte, über die in Frankreich viel berichtet wurde. In dieser Zeit lass ich noch einen anderen Zeitungsartikel, der sich mit der Frage beschäftigte, wie die Angeklagte ihre Tochter getötet hatte. Und sie sagte: „Ich habe sie am Strand zurückgelassen, als die Wellen kamen.“ Ihre Haltung und diese doch sehr spezielle Wortwahl, all das hat mich neugierig gemacht. Daraufhin beschloss ich, zum Prozess zu gehen.

Was genau hat Sie an den Worten beeindruckt?

Die Antwort hatte etwas Lyrisches und Psychoanalytisches an sich. Sie hat eine Aura geschaffen, die mich dazu brachte, mehr über diese Person erfahren zu wollen. Die Literatur ermöglicht es uns, tief in das Leben eines anderen Menschen einzudringen und an Ereignissen teilzuhaben, die so schockierend und so gewalttätig sind, dass man sich ihnen sonst vielleicht nicht genähert hätte. Als ich schließlich im Gerichtssaal saß, merkte ich natürlich, dass diese Aura, die in meiner Vorstellung das Verbrechen, das sie begangen hatte, gewissermaßen verschleiert hatte, nicht mehr da war. Es war nur ein Missverständnis aufgrund dieses einen Satzes, den sie gesagt hatte. Tatsächlich hatte sie eine

D 28 D mÄr Z 2023 IN DIEFEaTUrE
„ICH
mIr SELBST FraGEN ZU STELLEN“

konkrete, gewalttätige und kriminelle Tat begangen. Aber die mythologische Dimension in meinem Kopf war da, und so blieb ich die ganzen fünf Tage, in denen ich, wie alle Anwesenden, völlig überwältigt war von der Tat dieser Frau. Meine Co-Autorin Marie Ndiaye hat nach unserer gemeinsamen Arbeit an dem Drehbuch sogar einen Roman über die Geschichte geschrieben.

Sie sind bisher vor allem als Dokumentarfilmerin bekannt. SAINT OMER ist ihre erste fiktionale Regiearbeit. Worin bestand für Sie die größte Herausforderung?

Ich glaube nicht, dass sich meine Herangehensweise an das Filmemachen geändert hat. Ich bin immer auf der Suche nach neuen filmischen Formen und Mitteln, die am besten geeignet sind, um das auszudrücken, was ich vermitteln möchte. SAINT OMER ist in dem Sinn Teil eines Entwicklungsprozesses, eine Art Weiterführung dessen, was ich in der Vergangenheit gemacht habe. Der Film liegt auf der gleichen Wellenlänge mit meinen Dokumentarfilmen. Ich sehe keinen großen Unterschied in der Art meines Denkens. Aber natürlich war das Besondere, dass ich diesmal mit Schauspieler*innen gearbeitet habe.

Sie haben die Bilder von der schrecklichen Tat, die Sie im Rahmen der Verhandlung gesehen haben, im Film bewusst ausgespart. Was steckt hinter dieser Entscheidung?

Es stand für mich von Vornherein außer Frage, vor allem aus ethischen und moralischen Gründen, aber auch aus filmischen. Diese Tat ist ein Rätsel, sie ist mir immer völlig unerklärlich. Ich habe es nicht verstanden, und ich denke, auch sie selbst hat bis heute keine Erklärung dafür, warum sie es getan hat. Es wäre unehrlich und pornografisch gewesen, wenn ich versucht hätte, die Tat darzustellen oder irgendwie zu rekonstruieren. Ich glaube an die Macht des Mediums, an das, was außerhalb des Bildrahmens passiert, was meiner Meinung nach genauso wichtig ist wie das, was im Bild ist. Und an die Macht der Worte. Indem ich die Zuschauer auffordere, sich auf das zu konzentrieren, was sie nicht sehen können, begleite ich sie auf eine Reise zu Ihrem Bewusst- und Unterbewusstsein - einer Reise, die sehr offen ist, weil man sich mit dem, was nicht dargestellt wird, in der Fantasie auseinandersetzt. Und ich denke, das eröffnet die Möglichkeit, mehr über die Worte nachzudenken, die gesagt werden.

Die Worte, die Sie im Drehbuch finden, gleichen einer literarischen Sprache, die im Kino eher ungewöhnlich ist, aber in Ihrem Film enorm wichtig erscheint.

Die Worte basieren auf den wahren Gerichtsprotokollen. Sie entsprechen der Art und Weise, wie die Angeklagte sich ausgedrückt hat. Sie gab ihren Bericht in dieser literarischen Sprache wieder, um sich von dem Gesagten und von der Tat selbst zu distanzieren, von etwas, das sonst einfach unaussprechlich und

unbeschreiblich gewesen wäre. Wahrscheinlich ging es ihr darum, sich zu verteidigen. Sie versuchte, sich zu profilieren, Abstand zu gewinnen, sich gegen alle Projektionen zu wehren, die sich möglicherweise ereignet haben.

Sie haben erwähnt, dass dieser Fall Ihnen Ihr eigenes Verhältnis zur Mutterschaft bewusst gemacht hat. Was haben Sie dabei für sich persönlich erkannt?

Alle meine Filme sind ein Weg oder eine Reise in Gedanken. Ich verstehe diese Frau nicht, ich habe sie bei der Verhandlung nicht verstanden habe und verstehe sie auch jetzt nicht. Weil dem so ist, war ich veranlasst, mir selbst Fragen zu stellen. Genau das ist es, was ich auch dem Publikum anbiete - sich selbst Fragen zu stellen. Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, über meine persönlichen Gefühle zu sprechen. Unsere private Beziehung zum Thema Mutterschaft, ist etwas, das man selbst lebt und erlebt. Wir alle müssen uns selbst erforschen, darauf kommt es an.

In Ihrem Film spiegeln Sie das Universelle der Geschichte in der Figur einer Schwarzen Frau. Was ist das Geheimnis, warum sich Ihr Film in gewisser Weise so persönlich anfühlt?

Rama hätte auch weiß sein können, das ist klar, aber die Tatsache, dass sie Schwarz ist, ist ein politisches Statement. Ich habe ihr auch einen sozialen Status gegeben, sie ist Lehrerin für Literatur, und das ist etwas, auf das ich wirklich stolz bin und das in gewisser Weise ein Spiegel meiner selbst ist. Aber je nachdem, ob man eine weiße oder eine Schwarze Frau ist, ob man ein Mann in den Vereinigten Staaten, ein Franzose oder Rumäne ist, sieht jeder diesen Film von seinem Standpunkt oder seiner Position aus. Er gibt uns ein Gefühl dafür, wo die Welt in Bezug auf die Kolonialfrage, die Geschlechterfrage und die patriarchalische Frage steht.

Ihr Film hat in Venedig einen Silbernen Löwen gewonnen und wurde von Frankreich ins Rennen für eine Nominierung als bester ausländischer Film bei der Oscarverleihung geschickt. Wo sehen Sie Ihren Platz in der französischen Filmindustrie?

Das ist eine Frage, die ich mir schon lange nicht mehr stelle. Es geht mir nicht darum, irgendwo dazuzugehören, und es interessiert mich nicht, wo ich im französischen Kino hingehöre. Ich habe eine lange Erfahrung als Aktivistin, und ich will meine Energie nicht mehr darauf verschwenden, herauszufinden, wo mein Platz in der Branche ist. Ich möchte meine Kraft in das stecken, was ich zu sagen habe, und das ist politisch. Ich habe immer das getan, was ich tue, und wenn sich die Art und Weise, wie die Leute mich sehen, geändert hat, ist das großartig, aber meine Priorität ist es, weiter voranzukommen und mich in meine Arbeit zu vertiefen.

D Das Gespräch führte Pamela Jahn.

IN DIEFEATURE mÄr Z 2023 D 29 D

TÁR ist auch ein Berlin-Film, der die Stadt als Puzzle aus altem und neuem Luxus und verfluchten Abgründen zeichnet. Lydia verbringt ihren Arbeitstag in den gediegenen holzgetäfelten Hinterzimmern der Philharmonie und ebensolchen Cafés. Mit Sharon residiert sie in einem Sichtbeton-Luxusapartment, das im Penthouse auf dem Boros-Bunker gedreht wurde. Doch wenn Lydia ihre Joggingrunden dreht, muss sie Unterführungen durchqueren, die an die Yorck-Brücken erinnern, und sie begegnet ihren Dämonen (wortwörtlich) im Keller eines Abbruchhauses. Und dann ist

VOrSCHaU INDIEKINO Im aPrIL

da noch diese „schäbige alte Wohnung“, wie Sharon sie nennt, in die sich Lydia zum Komponieren zurückzieht – eine wunderschöne Belle-Etage-Wohnung in einem Berliner Altbau, für die wohnungssuchende Berliner*innen ihre rechte Hand hergeben würden.

D rOTEr HImmEL Petzold am Meer D THE FIVE DEVILS Magisches Mädchen D FUCKING BOrNHOLm Familientrip D CHEVaLIEr Kreolischer Konzertmeister D DIE KaIrO VErSCHWÖrUNG Polit-Thriller D NENEH SUPErSTar Schwarze

Elevin D LOrIOTS GrOSSE TrICKFILmrEVUE Letzter deutscher Humorist D DIE GEWErKSCHaFTErIN Atomkraft-Thriller D aPPLES

Neue Erinnerungen D COCaINE BEar Keine Kifferkomödie D DIE DrEI mUSKETIErE: D’arTaGNaN Neuauflage D IrGENDWaNN WErDEN WIr UNS aLLES ErZÄHLEN Tragische Liebe D mI PaIZ ImaGINarIO Protest in Chile D INFINITY POOL Doppelgänger-Hinrichtung

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D 30 D mÄr Z 2023
NaCHBILD

ÜBEr UNS Das INDIEKINO MAGAZIN erscheint alle ein bis zwei Monate und bietet einen Überblick über Neustarts, Festivals und Wiederaufführungen. Unser Herz gehört dem unabhängigen Film und dem unabhängigen Kino.

Alpirsbach: Subiaco Kino

Bad Driburg: Kino Bad Driburg

Bad Füssing: Filmgalerie

Bamberg: Lichtspiel & Odeon

Berlin: Acud Kino, b-ware!ladenkino, Bali Kino, Brotfabrik Kino, Bundesplatz

Kino, City Kino Wedding, Eva-Lichtspiele, filmkunst66, Filmrauschpalast, FLB

Weissensee, FLK Insel, fsk-Kino, Hackesche Höfe Kino, Hofkino, Il Kino, Intimes, Kino im Planetarium, Krokodil, Mobile

Kino, Sputnik Kino, Tilsiter Lichtspiele, Union Filmtheater, Wolf Kino, Xenon Kino, Z-inema, Zukunft

Bielefeld: Lichtwerk im Ravensberger

Park, Kamera Filmkunsttheater

Bochum: endstation.kino, Casablanca

Bonn: Rex Filmtheater, Neue Filmbühne, Kino in der Brotfabrik

Bremen: Atlantis Filmtheater, Gondel

Filmtheater, Schauburg

Brühl: ZOOM Kino

Burg auf Fehmarn: Burg Filmtheater

Chemnitz: Kino Metropol Chemnitz

Dießen am Ammersee: Kinowelt am Ammersee

Dortmund: Schauburg, SweetSixteen

Dresden: Filmgalerie Phase IV

Düsseldorf: Buchhandlung BiBaBuze

Duisburg: Filmforum

Enkenbach-Alsenborn: Provinz

Programmkino

Erfurt: Kinoclub Erfurt, Rotzfrech Cinema

Erlangen: E-Werk

Essen: Essener Filmkunsttheater

Esslingen: Kommunales Kino

Frankfurt: Mal Seh’n Kino

Freudenstadt: Subiaco Kino im Kurhaus

Fellbach: Orfeo-Programmkino

Fürstenfeldbruck: Lichtspielhaus

Fürstenfeldbruck

Fürstenwalde: Union

Gießen: Kinocenter Gießen

Göttingen: Lumiere, Meliès

Halle: Luchs Kino am Zoo, Puschkino

Hachenburg: Cinexx

Hamburg: 3001 Kino, B-Movie, Elbe

Theater, Filmraum, Die Koralle, StudioKino, Blankeneser Kino, Zeise Kinos

Heidelberg: Gloria Filmtheater

Heilbronn: Kinostar-Arthaus

Hillesheim: Eifel-Film-Bühne

Hemsbach: Brennessel

Immenstadt: Union Filmtheater

Kaiserslautern: Union-Studio für Filmkunst

Karlsruhe: Schauburg

Kassel: Bali, Gloria, Filmladen

Kiel: Traumkino

Kirchberg: Kino Klappe

Koblenz: Apollo & Odeon

Köln: Filmpalette, Filmhaus, Lichtspiele

Kalk, Odeon Kino, OFF Broadway, Weisshaus Kino

Leverkusen: Scala

Lich: Kino Traumstern

Ludwigsburg: Caligari Kino, Luna

Ludwigslust: Luna Filmtheater

Lüneburg: Scala Programmkino

Mainz: Capitol & Palatin

München: Arena Filmtheater, Monopol

Kino, Neues Maxim, Rio Filmpalast

Münster: Cinema Münster

Neitersen: Wied-Scala

Neuss: Hitch

Nürnberg: Casablanca Filmkunsttheater

Oberhausen: Kino im Walzenlager

Oberstdorf: Kur-Filmtehater

Ochsenfurt: Casablanca Kino

Oldenburg: cine k

Pforzheim: Cineplex Pforzheim, Kommunales Kino, Rex Filmpalast

Plön: Astra Filmtheater

Ratingen: Kino 1+2

Rendsburg: Schauburg, Koki

Reutlingen: Kamino

Rottenburg: Kino im Waldhorn

Rottweil: Central Kino

Schneverdingen: Lichtspiel

Schneverdingen

Schramberg: Subiaco Kino

Schwäbisch-Gmünd: Brazil Kino

Soest: Schlachthof Kino

Templin: Multikulturelles Centrum

Titisee-Neustadt: Krone Theater

Tübingen: Arsenal, Atelier

Weimar: Kommunales Kino im Mon Ami

Weinheim: Modernes Theater

Zollhaus/Hahnstätten: Kreml

Kulturhaus

aBONNEmENT Sie können das INDIEKINO MAGAZIN per Post direkt nach Hause bekommen.

Eine Bestellung ist online möglich: www.indiekino-shop.de

ImPrESSUm

Herausgeber:

INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt)

Rudolfstr. 11, 10245 Berlin

Telefon: 030 – 209 897 24, info@indiekino.de, www.indiekino.de

Geschäftsführung: Hendrike Bake

Redaktion: Hendrike Bake, Thomas Dorow redaktion@indiekino.de

Filmtexte: Hendrike Bake, Yorick Berta, Stefanie Borowsky, Tom Dorow, Pamela Jahn, Christian Klose, Clarissa Lempp, Elinor Lewy, Michael Meyns, Toni Ohms, Anna Stemmler, Susanne Stern, Eva Szulkowski, Lars Tunçay

Texte Kinohighlights: INDIEKINO MAGAZIN und Kinos

Bildnachweis:

Filmbilder/Plakatmotive: Filmverleiher/Filmfestivals abgedreht! (S. 5): jaf – Verein für medienpädagogische Praxis Hamburg e.V.

Grafik: Michael Zettler, Nora Wiesner (Zett Media)

Akquise/Marketing: Hendrike Bake, info@indiekino.de

Druck: Bonifatius Druck, Paderborn

Auflage: 25.000

Eine Gewähr für die Richtigkeit der Termine kann nicht übernommen werden. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Ein Nachdruck ist nur mit Genehmigung von Redaktion und Autor und mit Quellenangabe gestattet. Für unverlangt eingesandtes Textmaterial wird keine Haftung übernommen.

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SAINT OMER

AB 9. MÄRZ IM KINO

Mutig, unerschrocken, modern – ein Meisterwerk. Around The World In 14 Films
KAYIJE KAGAME GUSLAGIE MALANDA VAL É RIE DRÉVILLE AURÉLIA PETIT
EIN FILM VON ALICE DIOP

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