Das unabhängige Schweizer Wirtschaftsmagazin Ausgabe 3 / 2014 CHF 6.80 www.blickpunktkmu.ch
Kambly AG
Expansion als Risikodiversifikation Emmentaler Guetzli für 50 Länder auf 5 Kontinenten
Wenn Sie hier geschäften, sollten Sie einen unserer 6 Standorte in der Schweiz besuchen. Mittelstandsbank. Die Bank für KMUs.
Ganz gleich, ob Sie mit Asien, Europa oder Amerika geschäften – als exportorientiertes Unternehmen haben Sie spezielle Anforderungen an Ihre Bank. Verlassen Sie sich auf das umfassende Know-how einer starken, weltweit vertretenen Bank mit 140 Jahren Expertise und 100 000 betreuten Firmenkunden. Neu bieten wir Ihnen auch in der Schweiz über Ihre gesamte Wertschöpfungskette konkrete Optimierungsmöglichkeiten in allen Phasen der Zusammenarbeit: von den ersten Verkaufsverhandlungen bis zum Zahlungseingang. Lernen Sie uns kennen. Weitere Informationen, auch zu unseren 6 Standorten in der Schweiz: www.commerzbank.ch
Editorial
Impressum
www.blickpunktkmu.ch AUSGABE 3 / 2014 auflage: 57681 exemplare
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Liebe Leserin Lieber Leser
Herausgeberin
W. Gassmann AG Längfeldweg135 Postfach 1344 2501 Biel/Bienne Telefon 032 344 81 11 info@blickpunktkmu.ch
W
enn Sie Ihr Publikum überzeugen wollen, beginnen Sie mit einer Anekdote. Das habe ich von alt Bundesrat Adolf Ogi beim Entrepreneurforum in Lyss gelernt – er wiederum habe es vor allem in seiner Zeit im englischsprachigen Raum verinnerlicht, liess er seine Zuhörer wissen. Also beginne ich mit einer Anekdote – ganz frech werde ich diejenige wählen, mit der auch Ogi seine Rede eröffnete. In seiner Zeit als Bundesrat musste er eine Ansprache halten, und das auf Französisch. Um sich keine Blösse zu geben, holte er sich zuvor Rat bei seinem Kollegen Delamuraz. «Jean-Pascal,» sagte er, «ich brauche deine Hilfe! Heisst es la cœur oder le cœur?» «Adolf, es heisst natürlich Liqueur!», sei die Antwort gewesen. In der Hoffnung damit Ihre Aufmerksamkeit gewonnen zu haben, möchte ich zu demjenigen Zitat kommen, das mir von der genannten Veranstaltung mehr als alles andere in Erinnerung geblieben ist. Es kam von Chocolatier Jürg Läderach: «Wenn Sie den Erfolg bewahren wollen, müssen Sie Neues machen.» Das mag im ersten Moment nach einem Spruch von einem Abreiss-Kalender mit Management-Weisheiten klingen. Aber es ist tatsächlich weit mehr als das. Es betrifft jeden von uns, jeden Tag, nicht ausschliesslich in einem unternehmerischen Kontext. Von Menschen, die Neues wagen, handelt übrigens auch unser aktuelles «Im Gespräch» (ab Seite 52). Wir stellen die Frage: Ist die Schweiz ein gutes Pflaster für Start-ups? Ohne das Fazit hier schon vorwegzunehmen darf verraten werden, dass meine Gesprächspartner sich in einem Punkt einig waren: Es braucht mehr Menschen, die den Mut haben, Neues zu machen... ●
verleger
Marc Gassmann geschäftsführender direktor
Marcel Geissbühler Verlagsleiter
Martin Bürki mbuerki@gassmann.ch Chefredaktor
Tobias Wessels twessels@gassmann.ch Autoren dieser Ausgabe
Stephan Gyr Fabian Schmid
Autoren Expertenwissen
Gerd Suter Dieter Baunach Othmar Schär Raymond Zenhäusern Layout
Inédit Publications SA Avenue Dapples 7 1001 Lausanne BILDER
Basil Stücheli Pierre Vogel Fotolia iStockPhoto INSERATE
Annoncen-Agentur Biel AG Längfeldweg 135 2501 Biel/Bienne Telefon 032 344 83 44 verkaufsleitung
Roger Hauser rhauser@gassmann.ch verkauf Innendienst
Margot Iseli anzeigen@gassmann.ch Abonnemente
Druck und vertrieb
Ziegler Druck- und Verlags-AG CH-8401 Winterthur
Titelbild: Basil Stücheli
BLICKPUNKT KMU
Foto: Pierre vogel und dream79 / Fotolia
E-Mail: abo@blickpunktkmu.ch Einzelpreis: CHF 6.80 Jahresabo: CHF 60.– TOBIAS WESSELS Chefredaktor
Schaufeln für Anfänger. Mehr dazu auf der Seite 58.
Inhalt
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Ausgabe 3 /2014
3 Editorial
3 Impressum
58 Schweissarbeit
Marktplatz 6 Bäuchlings in den Export, prämierte Fensterrahmen, Mama sucht Job und weitere Meldungen
KMU des Monats 10
Auf fünf Kontinenten das Leben versüsst In fünfzig Ländern auf fünf Kontinenten kann
Business Case 18
Erfolgsstory mit vegetarischem Fast Food Eine hochstehende vegetarische Küche, schnell
wie ein Fast-Food-Laden und gemütlich wie ein Café: Die Gebrüder Frei und die Familie Hiltl haben mit ihren Tibits-Restaurants den Zeitgeist getroffen.
Fokusthema 24
Auf der Suche nach den Besten Um ihren Erfolg zu sichern, sind KMU
auf die bestmöglichen Mitarbeiter angewiesen. Aktuell werden hier noch viele Chancen vergeben – weil die Nachricht über eine offene Stelle längst nicht alle potenziellen Kandidaten erreicht.
man heute Biscuits der Firma Kambly kaufen. Ihren Ursprung nahm diese Erfolgsstory im beschaulichen Trubschachen, mitten im schönen Emmental.
BLICKPUNKT KMU
Foto: Basil Stücheli, lassedesignen / Fotolia, Antrey / Folotia, KHZ / Fotolia
Standards
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Expertenwissen
Nutzfahzeuge
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Mit allen Wassern gewaschen
Seit Jahren steigt ihre Zahl und macht deutlich: Lieferwagen sind der Renner. In ausgiebigen Testfahrten wurden die Sicherheits-Assistenten des Mercedes Sprinter auf Herz und Nieren geprüft.
Unterschätzter Erfolgsfaktor Unternehmerpersönlichkeit
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Schritt für Schritt zur exzellenten Betriebsführung
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Jahresabschluss und Steuern
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Wachstumsmotor graue Panther
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Eine Zeit der Revolution
Im Gespräch 52
Hohe Kreativität, niedrige Risikobereitschaft Wer ein Unternehmen gründet, ist gut beraten,
den Standort weise zu wählen – vor allem, wenn ohnehin eine internationale Ausrichtung angestrebt wird. Darf die Schweiz als guter Ausgangspunkt für ambitionierte Jungunternehmer gelten? Ein Gespräch mit Adrian Bult und Peter Ohnemus.
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Marktplatz
BLICKPUNKT KMU
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Zahl des Monats
9 Millarden Franken
betrug das Exportvolumen der Schweizer ICT-Branche im Jahr 2011 – und somit mehr als das Sechsfache von Exportklassikern wie Käse oder Schokolade. (Quelle: ICTswitzerland)
Neue Druckmaschine: eine Weltpremiere in Biel Die Gassmann Gruppe, bei der auch Blickpunkt:KMU erscheint, verfügt seit Mitte März dieses Jahres über eine hochmoderne neue Druckmaschine: Mit der Heidelberg Speedmaster XL 106-8-P LE UV setzt das Bieler Unternehmen das weltweit erste Gerät seiner Art ein. Pro Stunde kann es bis zu 288 000 A4-Seiten bedrucken, beim Trocknen der Farbe wird unter Verwendung energiesparender Technologie ein erheblicher Zeitgewinn erreicht. Die Druckqualität wird nicht zuletzt durch weiterentwickelte UV-Farben
Foto: Richard Villalon / Fotolia UND ZVG. Illustrationen: KAR / Fotolia.
verbessert, die auch auf Naturpapieren für brillante
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Bildwiedergabe sorgen. Auch der Gut-zum-DruckProzess wurde optimiert: Kunden können die Freigabe jetzt orts- und zeitunabhängig via iPad erteilen. «Wenn man im hart umkämpften Printmedienmarkt langfristig bestehen möchte, ist es unabdingbar, technologisch an der Spitze zu bleiben», begründet die Verkaufsleiterin von gassmann print, Brigitte Kübli, die Investition. Damit werde auch ein Zeichen gesetzt: die neue Anlage ist als klares Bekenntnis zur Zukunft der Druckindustrie zu verstehen. ● www.gassmann.ch
Marktplatz
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Der Bauch entscheidet mit
D
Drei Fragen an… Claus Schreier Prof. Dr. Claus Schreier, Hochschule Luzern
KMU setzen bei der Expansion ins Ausland auch auf ihr Bachgefühl – ein sinnvolles Vorgehen? Ja, es ist aufgrund der im Vergleich zu Grossunternehmen begrenzteren Ressourcenlage von KMU rational, das Bauchgefühl, also die Intuition der Entscheider in strategische Entscheide zur Internationalisierung einzubringen. Werden so nicht viele gute Chancen verpasst – weil der Bauch zu Unrecht «nein» sagt? Im Gegenteil. Bauchgefühl spielt immer eine Rolle bei wichtigen, mit Unsicherheit behafteten Entscheidungen. Wird Intuition ausgeblendet oder unterdrückt, steigt die gefühlte Unsicherheit. Daraus folgt dann eher Entscheidungslosigkeit. Die Konsequenz sind verpasste Chancen. Welche Kompetenzen sollte man (dennoch) aufbauen? Es ist sicher angemessen, sich prinzipiell über die grundsätzlichen Internationalisierungsstrategien bewusst zu werden. Eine entscheidende Kompetenz des Internationalisierers ist sicher die Fähigkeit, tragfähige Beziehungen über Kulturgrenzen aufbauen zu können. Diese soziale Kompetenz wird im internationalen Kontext meist als interkulturelle Kompetenz oder kulturelle Intelligenz bezeichnet. Der Aufbau der interkulturellen Kompetenz erfolgt dabei durch Erfahrung flankiert von theoretischem Wissen und Verständnis über Kulturunterschiede. ●
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Fotos: ZVG
ie Hochschule Luzern – Wirtschaft hat untersucht, wie KMU entscheiden, ob und wie sie ins Ausland expandieren oder nicht. Die Befragung von Verantwortlichen in Schweizer KMU zeigt, dass vor allem das Vertrauen in die eigene Kompetenz, der Austausch mit Geschäftspartnern und die Intuition der Internationalisierungsentscheider eine massgebliche Rolle spielen. Die eigentliche strategische Planung erweist sich als «Hygienefaktor». Für die Umfrage wurden die Antworten von 128 Unternehmen vor allem aus der deutschsprachigen Schweiz ausgewertet. Die Studie zeigt, dass die Unternehmen bei ihrem Expansionskurs auf das Prinzip «Learning by doing» setzen. 74 Prozent geben an, durch konkretes Handeln ihr Wissen über Internationalisierung aufzubauen, theoretische Modelle zur Entwicklung der eigenen Internationalisierung sind weniger bekannt und werden demzufolge auch kaum angewendet. Für die Befragten ist klar, über welche Eigenschaften die Entscheidungsträger verfügen müssen: Fast 90 Prozent nennen internationale und interkulturelle Erfahrung sowie unternehmerische Kompetenz (87 Prozent). Das (Selbst)Vertrauen der Verantwortlichen ist gemäss 94 Prozent ein ausschlaggebender Faktor für den Erfolg. Dem (geschäftlichen und privaten) Netzwerk wird mit 95 Prozent eine relevante oder sehr relevante Funktion zugeschrieben. ●
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Jobbörse für Mütter
Urs Wehrle (vorne), Geschäftsführer RUZ, und Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz bei der Eröffnung
Raiffeisen eröffnet Unternehmerzentrum Am 20. März wurde das erste Raiffeisen Unternehmerzentrum (RUZ) der Schweiz in Gossau offiziell eröffnet. Mit dem RUZ möchte die Raiffeisen Gruppe eine neuartige Plattform für Unternehmer von Unternehmern bieten, sowohl als Beratungszentrum als auch Unternehmernetzwerk für KMU und Gewerbetreibende in der Schweiz.
Seit März gibt es in der Schweiz eine Online Jobbörse, die gut ausgebildete Mütter auf Stellensuche mit Unternehmen zusammenbringen möchte: jobsfürmama.ch. Die Jobbörse ist nach eigenen Angaben darauf spezialisiert, qualifizierten Müttern Teilzeitjobs, Projekte sowie Homeofficearbeit zu vermitteln. Damit möchte jobsfürmama gezielt Unternehmen unterstützen: KMU, Grossunternehmen oder Startups finden hier rasch gut ausgebildete Mitarbeiterinnen für Projekte oder Teilzeitstellen und sollen so dem Fachkräftemangel mit motivierten, qualifizierten Expertinnen begegnen können. Mütter können sich kostenlos registrieren, in einem geschützten Bereich ihr Profil mit dem gewünschten Arbeitszeitmodell erstellen, Jobs einsehen und nach entsprechenden Suchkriterien filtern. jobsfürmama ist jedoch nicht nur ein Job-, sondern auch ein Informationsportal: Wertvolle Tipps rund um den Wiedereinstieg ins Berufsleben (z.B. zu Versicherungen oder Notfall Nannys) sind ebenfalls vorhanden. ●
In den Räumen einer ehemaligen Bettenfabrik erarbeiten Unternehmer konkrete und umsetzbare Lösungen für ihre strategischen und operativen Fragestellungen und können im Rahmen des Clublebens zugleich Kontakte knüpfen. Erklärtes Ziel des RUZ ist es, sich in Zukunft als wichtigste Anlaufstelle für KMU-Inhaber in der Schweiz zu etablieren. Die Eröffnung der Plattform steht demnach im Einklang mit der Umsetzung der Diversifikationsstrategie und bietet Raiffeisen eine weitere Möglichkeit, ihren
Die Gründerinnen von jobsfürmama: Nanette Steiner und Jill Altenburg
Fotos: Serg Nvns / Fotolia, Dmitrijs und ZVG
Kunden eine gezieltere, ganzheitliche und professionelle Beratung anbieten zu können. Die Beratungsräume sind als Werkstätten konzipiert und fungieren als inspirierende Denk- und Arbeitsfabriken. ● www.ruz.ch
Sky-Frame gewinnt Prix SVC Ostschweiz Die Sky-Frame / R&G Metallbau AG in Ellikon an der Thur wurde mit dem Prix SVC Ostschweiz 2014 ausgezeichnet. Auf den Plätzen 2 und Beat G 3 folgen die Otto Hofstetter AG in Uznach und die Jörimann Stahl u hl nimmt die Tro AG in Bonaduz. Darüber hinaus standen die APM Technica AG phäe für de n Prix (Heerbrugg), die ESGE AG in Mettlen und die Microsynth AG in SVC entge gen Balgach im Finale. «Beat Guhl und sein Team haben es geschafft, quasi aus dem Nichts ein global agierendes mittelständisches Unternehmen zu schaffen, das mächtig nicht nur in sein eigenes Wachstum, sondern auch in die Ostschweiz investiert» – so lobte Jurypräsident Thomas Zellweger, Wirtschaftsprofessor an der Universität St. Gallen, den Sieger Sky-Frame / R&G Metallbau AG. Zum Einen stelle das Unternehmen innovative Produkte her und vertreibe diese mittlerweile weltweit mit einem kreativen Marketing, zum Anderen beeindrucke auch der Schritt Beat Guhls vom Metallbauer zum erfolgreichen Unternehmer, durch welchen die Firma von ursprünglich drei auf mittlerweile über 100 Mitarbeiter wachsen konnte. ●
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KMU des Monats
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5 Kambly SA
Auf
Kontinenten das Leben versüsst In fünfzig Ländern auf fünf Kontinenten kann man heute Biscuits der Firma Kambly kaufen. Ihren Ursprung nahm diese Erfolgsstory dort, wo das Unternehmen heute noch seinen Sitz hat: im beschaulichen Ort Trubschachen, mitten im schönen Emmental. Text: Tobias Wessels /// fotos personen: BASIL STÜCHELI
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elches die wahre Geschichte hinter der Gründung von Kambly ist, darüber liesse sich trefflich diskutieren. Konsultiert man die Selbstdarstellung des Unternehmens, so steht am Anfang eine romantische Love Story: Oscar R. Kambly I lernte im Raum Neuenburg seine grosse Liebe kennen, folgte ihr in ihre Heimat im Emmental und liess sich in Trubschachen nieder, wo er zum Unternehmer wurde. Ebenso legitim wäre es wohl, eine waschechte Katastrophe als Ausgangspunkt für den heute umsatzstärksten Schweizer Gebäckhersteller zu sehen: Oscar Kamblys Eltern besassen eine Zündholzfabrik, die einem Brand zum Opfer fiel – weshalb er gezwungen war, seine Unternehmerlaufbahn ohne nennenswertes Startkapital zu lancieren. Oder man deutet diesen Anfang als die Geschichte eines ehrgeizigen jungen Mannes, der zu Beginn seiner Karriere kräftig Lehrgeld bezahlen musste: Nachdem Kambly seinem Lehrmeister im Jahr 1906 dessen Bäckerei abgekauft hatte, trifft er auf mehr örtliche Konkurrenz als erwartet. Was ihn wiederum dazu zwingt, Innovationsgeist zu zeigen und seine erste grosse Marketing-Kampagne zu lancieren: Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern zieht er los in die Bäder der Region – das Schwefelberg-Bad, das Kemmeriboden-Bad und das Rüttihubelbad – und verteilt dort seine Bretzeli. Jede dieser Versionen trifft zu; es handelt sich dabei lediglich um verschiedene Blickwinkel auf das eine zentrale Element beinahe jeder erfolgreichen Unternehmensgeschichte: Am Anfang steht jemand mit einer Idee, mit dem nötigen Glauben an sich und seine Fähigkeiten, und mit dem nötigen Durchhaltewillen, seine Vision auch umzusetzen. In Oscar Kamblys Fall lautete diese: «Statt wie jede Bäckerei eine Vielzahl austauschbarer Produkte nur fürs Dorf herzustellen, bringe ich eine einzigartige Spezialität in die ganze Schweiz.» So nimmt der Siegeszug der Bretzeli seinen Anfang.
Expansion als Risikodiversifikation Die Grenzen des eigenen Dorfes sollten gesprengt werden, die «ganze Schweiz» war das
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erklärte Ziel. Was damals vermutlich von manchem als zu ambitioniert taxiert wurde, ist heute längst mit einem Häkchen für «Task erledigt» versehen. Mehr als die Hälfte des Umsatzes von 160 Millionen Franken erzielt Kambly heute im Ausland. «Bevor der Franken so stark an Wert gewonnen hat,
Qualität ohne Kompromisse Dies war vom Moment der Unternehmensgründung an die eine grosse Vision von Oscar R. Kambly I: «Qualität ohne Kompromisse». Zweimal musste er dafür auch in Kriegszeiten einstehen: Schon während des Ersten Weltkriegs, nur wenige Jahre nach Gründung des Unternehmens, stoppt er die Produktion, wenn frische Eier und Butter nicht verfügbar sind. Auch im Zweiten Weltkrieg hält er an dieser Politik fest. Das Unternehmen mit zu diesem Zeitpunkt etwa 100 Angestellten leidet unter dem fehlenden Umsatz, doch gleichzeitig beweist Kambly, dass es bezüglich der Qualität unter wirklich gar keinen Umständen Abstriche gibt – und «ohne Kompromisse» eben weit mehr als nur ein netter Werbespruch ist. Heute bezieht Kambly über 80 Prozent der Rohstoffe aus der Schweiz und wann immer möglich aus dem Emmental.
lag dieser Wert sogar noch höher», so Geschäftsführer Hans-Martin Wahlen, welcher damit einen Punkt anspricht, der einen massiven Knick in der positiven Trubschachener Entwicklung hätte bedeuten können. «Der Entscheid der Nationalbank, einen Mindestkurs durchzusetzen, war für uns von grosser Bedeutung.» Entsprechend zuversichtlich blickt Wahlen in die Zukunft: «Bei Euro und Dollar erwarten wir in nächster Zeit keine grösseren Schwankungen. Wir gehen auch davon aus, dass sich die Wirtschaft weiter erholt, vor allem in den USA.» Denn längst werden auch Länder ausserhalb von Europa erschlossen. Zu den entscheidenden Märkten der Zukunft zählt Hans-Martin Wahlen neben Nord- und Südamerika den arabischen Raum und Asien. Dass die Erschliessung des neuen Terrains auch mit Tücken verbunden ist, hat längst nicht nur mit der Distanz zu tun. Kambly arbeitet jeweils mit Partnern vor Ort, auf deren Auswahl viel Zeit verwendet wird. «Wir suchen immer jemanden, der auch von der Persönlichkeit und seinen Wertvorstellungen her zu uns passt», erklärt HansMartin Wahlen. Ausserdem spiele die Infrastruktur eine grosse Rolle: Das empfindliche
«Ganz sicher wollen wir unabhängig bleiben!»
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Die Wirkung macht den Unterschied. Mit Streuwerbung erreichen Sie eine grosse Zielgruppe einfach und kosteng체nstig. Lancieren Sie Ihr Angebot und gewinnen Sie Neukunden! Ihrer Kreativit채t sind keine Grenzen gesetzt. Ihrem Erfolg auch nicht. Fakten, Erfolgsgeschichten und Inspiration: post.ch/wirkung
Gebäck muss unter den entsprechenden Bedingungen gelagert werden, sonst könnte es zu Schwankungen in der Qualität kommen. Was im gemässigten Klima Mitteleuropas eine überschaubare Herausforderung darstellt, kann sich in anderen Regionen der Welt als durchaus schwierig erweisen. Im Idealfall suche man nach Ländern mit harter Währung – «aber die sind gar nicht mehr so ein-
fach zu finden, wenn man von der Schweiz aus geschäftet», lacht Wahlen. Nicht zuletzt müsse natürlich auch die nötige Kaufkraft vorhanden sein, um auf dem Markt das nötige Volumen zu erreichen. «Es handelt sich dabei um einen wirklich langfristig angelegten Prozess. Es vergehen etwa vier bis fünf Jahre, bevor wir sicher sein können, ob es läuft oder nicht,» erläutert Wahlen, «wenn es in dieser
Hans-Martin Wahlen. Kambly-Geschäftsführer seit 2006.
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Zeit zu grösseren Währungsschwankungen kommt, sind alle Pläne wieder hinfällig.» Die mittlerweile breite Streuung der Zielmärkte über die gesamte Welt stellt für Kambly eine Art natürliches Hedging dar: Wenn es am einen Ort gerade wirtschaftlich etwas schlechter läuft, geht es am anderen dafür vielleicht schon wieder besser. «Für uns gleicht sich das am Ende ein wenig aus – da wir eben nicht nur auf Europa oder nur auf Nordamerika fokussiert sind.»
Bodenständige Besitzer Hans-Martin Wahlen erscheint als ruhiger, besonnener Mensch, der seine Antworten lieber einen Moment länger abwägt, als sie später zu revidieren. Seit 2006 ist er Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Kambly; zum Unternehmen gehört er bereits seit dem Jahr 2000, ursprünglich als Leiter der Produktion. Oscar A. Kambly III, als Vertreter der Eigner-Familie, präsidiert den Verwaltungsrat. Er wurde im letzten Jahr als «interner Kommunikator des Jahres» ausgezeichnet. An der Zusammenarbeit zwischen Geschäftsleitung und Verwaltungsrat habe diese Trophäe – eine goldene Feder, nebenbei bemerkt – nichts verändert, meint HansMartin Wahlen. Einleuchtend, wenn man Beständigkeit und Verlässlichkeit als zentrale Werte in der Kommunikation betrachtet. «Er ist authentisch», sagt Wahlen über den Patron, «was er denkt, ist was er sagt, ist was er tut.» Die Familie Kambly hat Trubschachen nie verlassen, sie wohnt noch immer «gleich
dort drüben auf dem Hoger». Entsprechend könne man sie beispielsweise beim Sonntagsspaziergang antreffen. Überhaupt fällt die familiäre Atmosphäre im Unternehmen auf: In Gruppen geht man über den Mittag gemeinsam schwimmen, walken oder joggen. Viele der Mitarbeiter duzen sich, über sämtliche Hierarchiestufen hinweg, und als wir Hans-Martin Wahlen bitten, für das FotoShooting mit der Show-Confiseurin einige Guetzlis zu backen, merkt man, dass er nicht zum ersten Mal in der Backstube steht. Viel hat er schon erlebt in seiner Zeit im Unternehmen, so der Geschäftsführer, grösstenteils Positives. Doch keine noch so schöne Aufgabe kommt ohne die weniger erfreulichen Seiten aus. Dazu gehört im Fall von Kambly sicher die Schliessung des Werks in Lyss im Jahr 2012, welches man 1999 durch die Übernahme der Arni AG von Coop erworben hatte. «Der starke Franken liess uns keine andere Möglichkeit», erinnert sich Wahlen. Die Herausforderungen waren vielfältig: Eine Fabrik musste aufgelöst werden, eine komplette Backstrasse an einem Ort ab- und am anderen wieder aufgebaut werden, die Mitarbeiter mussten informiert und, wenn möglich, für den Umzug begeistert werden – denn vor allem sollten ja die Kunden weiterhin pünktlich beliefert werden. «Dafür hätte das Personal in Trubschachen nicht ausgereicht. Doch glücklicherweise konnten wir etwa 85 Prozent der Belegschaft in Lyss überzeugen, an den für sie neuen Arbeitsplatz zu wechseln,» erklärt Hans-Martin Wahlen.
Produktinnovation Die Suche nach neuen Produkten im Haus eines Guetzli-Herstellers klingt nach einer Aufgabe, die man gerne übernehmen würde. Tatsächlich läuft die Produktinnovation bei Kambly ziemlich genau so ab, wie man es sich als Geniesser gerne vorstellen möchte. Ein vierköpfiges Entwicklungsteam arbeitet in einer beinahe gewöhnlichen kleinen Backstube an neuen Ideen. Glücklich darf sich schätzen, wer zur Degustationstruppe gehört: «Wenn wieder eine neue Versuchsreihe ansteht und wir diese probieren dürfen, bedeutet das natürlich einen besonders erfreulichen Arbeitstag», schmunzelt Hans-Martin Wahlen. Auf die interne Degustation folgen Konsumententests. Doch eigentlich beginnt der Innovationsprozess viel früher, mit den Feedbacks von Konsumenten und Retailern. Von den ersten Versuchen bis zur Marktreife vergehen im Schnitt acht bis zwölf Monate, massgefertigte Auftragsarbeiten für Grosskunden können auch in drei bis vier Monaten fertiggestellt werden. Einige der Innovationen verschwinden bereits nach einigen Jahren wieder, andere halten sich langfristig. Bestes Beispiel für einen solchen Dauerbrenner ist das Bretzeli: Das Rezept wurde seit seiner Einführung noch kein einziges Mal verändert.
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Aus seiner Sicht ist das einerseits der offenen Kommunikationsstrategie zu verdanken, andererseits dem Entgegenkommen: Allen wechselbereiten Mitarbeitern werden zwei Jahre lang die Fahrtkosten sowie die Fahrtzeit bezahlt. «Die Idee dahinter war, dass niemand durch den neuen Arbeitsort finanziell schlechter gestellt ist.» Aus dieser Warte betrachtet wird der Umzug erst Ende des Jahres wirklich abgeschlossen sein, da dann diese Vergünstigungen auslaufen. Dass es damit zwangsläufig zu einer gewissen Fluktuation kommen wird, ist Hans-Martin Wahlen bewusst. Doch er hofft, diese so gering wie möglich halten zu können, nicht zuletzt da es sich vielfach um Fachkräfte mit detaillierter Prozess-Kenntnis handelt, deren Verlust ganz besonders schmerzen würde.
Bedeutung für den Tourismus Eine weitere Neuerung der letzten Jahre ist die «Kambly Erlebnis Tour», eine rund 30 Kilometer lange Rundfahrt auf dem E-Bike, welche das 2010 im Zug der Feier des hundertjährigen Jubiläums eröffnete «Kambly Erlebnis» mit regionalen Rohstofflieferanten und touristischen Anbietern verbindet. Für diese Vernetzung gab es 2013 den «Milestone Tourismuspreis Schweiz». Gleichzeitig bedeutet die Tour eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Marke zu positionieren. Dies auch, weil sie zusätzliche Frequenz für das «Kambly Erlebnis» und den Fabrikladen erzeugt, in dem Besucher erst einmal gründlich alle Sorten Kambly-Gebäck testen dürfen, bevor sie etwas kaufen. Mehrere interaktive Elemente, wie ein Knusperhäuschen oder eine Märchenecke, erlauben zudem die Firmenhistorie zu erzählen und das Markenversprechen «Qualität ohne Kompromisse» (siehe dazu auch Kasten auf Seite 12) mit einer Geschichte zu hinterlegen. Nicht nur aufgrund dieser gewährten Einblicke steht Kambly als Traditionsmarke stärker als andere Unternehmen im Fokus der Öffentlichkeit. «Wir sind uns der damit verbundenen Verantwortung bewusst», sagt Hans-Martin Wahlen, «und nehmen diese gerne wahr, weil dies unserer inneren Haltung entspricht. Ein paar nette Worthülsen auf die Website zu schreiben, aber nicht danach zu leben, wäre mit unserem Wertesystem gar nicht vereinbar.»
Oscar A. Kamblys Name wird für gewöhnlich mit der römischen Zahl III versehen: In dritter Generation steht er seit 1983 als Familienoberhaupt dem Unternehmen vor. Der 62-jährige studierte Rechtsanwalt und Ökonom wird das Präsidium des Verwaltungsrats nicht gerade morgen abgeben – und doch steht irgendwann die Frage der Nachfolge an. Der erste Schritt wurde längst gemacht: Als Oscar A. Kambly sein Amt antrat, kaufte er sämtlich Aktien des Unternehmens, um erst
Unternehmenshistorie. Im Kambly Erlebnis in Trubschachen wird Geschichte lebendig.
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Die Privatbank unter den Universalbanken – fünf Gründe, weshalb Sie bei uns goldrichtig sind auf
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Fotos: Basil StüchelI
gar nicht die Möglichkeit einer Zersplitterung entstehen zu lassen. Pläne für den Einstieg der vierten Generation sind längst vorhanden; dass Kamblys Tochter dabei eine Rolle spielt, ist ein offenes Geheimnis. «Wir werden unsere Absichten kommunizieren, wenn sie sich in einigen Jahren konkretisieren», so Hans-Martin Wahlen diplomatisch. Schnell fügt er einen Satz hinzu, den man nicht nur in Trubschachen gerne hören dürfte: «Ganz sicher wollen wir unabhängig bleiben!» ● BLICKPUNKT KMU
Die Bank der Privat- und Geschäftskunden Basel, Fribourg, Genf, Lausanne, Locarno, Lugano, Neuchâtel, Sion, Zürich www.cic.ch
Business Case I Tibits
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Erfolgsstory mit vegetarischem Fast Food Eine hochstehende vegetarische Küche, schnell wie ein Fast-Food-Laden und gemütlich wie ein Café: Die Gebrüder Frei und die Familie Hiltl haben mit ihren TibitsRestaurants den Zeitgeist getroffen. Heute werden in ihren sieben Vegi-Lokalen jeden Tag über 6500 Gäste verpflegt. AUTOR Stefan Gyr
how. Tibits – der Name ist vom englischen Wort «titbits» abgeleitet und steht für kleine Leckerbissen – blieb dabei rechtlich und operativ vom Restaurant Hiltl unabhängig. Doch die beiden Familienunternehmen tauschen partnerschaftlich Erfahrungen aus. Der «grüne Genuss» und das Ziel, die vegetarische und vegane Küche weiterzuentwickeln, verbinden.
Filiale in London 2000 öffnete das erste Tibits-Restaurant im Zürcher Seefeld seine Türen. Mittlerweile gibt es diese Vegi-Lokale in Basel, Winterthur und je zweimal in Bern und Zürich. Seit 2008 findet sich auch im Herzen von London ein Tibits, das nach einer schwierigen Anfangs-
«Es war eine intensive Zeit zwischen Hoffen und Zweifeln.»
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Fotos: natalyka / Fotolia, egorxfi / fotolia und ZVG
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s ist gar noch nicht so lange her, da hatten Vegetarier keine grosse Wahl, wenn sie auswärts essen wollten. «Wenn man früher irgendwo etwas Vegetarisches bestellen wollte, wurde man fast mitleidig angesehen und bekam dann im besten Fall das normale Menü ohne Fleisch», erinnert sich Daniel Frei, Geschäftsführer von Tibits. Zusammen mit seinen Brüdern Christian und Reto beschloss der Ökonom: Das muss sich ändern! Ihr Konzept: eine hochwertige vegetarische Küche, schnell wie ein Fast-Food-Laden und gemütlich wie ein Café, mit Restaurants in diversen Schweizer Städten. Mit dieser Idee wurden sie 1998 am Businessplan-Wettbewerb Venture der ETH Zürich und der Unternehmensberatung McKinsey zweimal ausgezeichnet. Die Brüder setzten sich damit gegen 300 andere Ideen durch und landeten unter den zehn besten Businessplänen. Starthilfe leisteten Rolf und Marielle Hiltl, Inhaber des 1898 gegründeten Traditionshauses Hiltl in Zürich, das gemäss dem GuinnessBuch der Rekorde das erste vegetarische Restaurant der Welt ist. Sie unterstützten die Brüder Frei mit ihrem gastronomischen Know-
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zeit seine Kundschaft gefunden hat. Jeden Tag verpflegen sich über 6500 Gäste in einem der sieben vegetarischen Restaurants. Weitere Filialen dürften folgen: In Luzern wird nach einem geeigneten Standort gesucht. Zudem gehen immer wieder Anfragen von Gästen aus St. Gallen, Lausanne und Genf ein. Tibits hält deshalb auch in diesen Städten seine Fühler ausgestreckt. 320 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 40 Nationen beschäftigt das Unternehmen. Auch der vierte und älteste Frei-Bruder, Andreas, ist inzwischen zum Team gestossen. Über den Umsatz macht Tibits als unabhängig geführter Familienbetrieb keine Angaben. Doch er schreibt eine eindrückliche Erfolgsgeschichte in der Gastrobranche, in der zahlreiche Betriebe mit Umsatzeinbussen zu kämpfen haben.
Zürich war es ein beschwerlicher Weg. Daniel Frei: «Es war eine sehr intensive Zeit zwischen 1998 und 2000, eine Mischung aus Hoffen und Zweifeln, und auch immer wieder die Frage: Warum tun wir uns das an? Sicher half uns, dass wir zwei Auszeichnungen für unseren Businessplan bekamen und sich der erfahrene Gastronomie-Unternehmer Rolf Hiltl uns anschloss. Aber natürlich war es ein Wagnis.» Die Gründer benötigten als Startkapital rund eine halbe Million Franken – ohne private Darlehen hätten sie das nicht finanzieren können. «Zum Glück zeichnete sich nach der Eröffnung im Dezember 2000 schnell ab, dass es ein Erfolg wird», so Frei. «Wir starteten mit 20 Angestellten und wurden in den ersten Tagen überrannt. Nach einem Monat hatten wir doppelt so viele Angestellte.»
Vorbilder statt Vorgesetzte Auszeichnungen gewonnen Das Erstaunliche an dieser Geschichte: Geschäftsführer Daniel Frei (44) hat an der HSG in St. Gallen Ökonomie studiert. Statt standesgemäss in einer Bank oder Beratungsfirma Karriere zu machen, wurde er zum Mitgründer eines vegetarischen Restaurants. «Ich war wohl kein typischer HSG-Student», sagt er. «Meine Hauptinteressen galten der Wirtschaftssoziologie und der Organisationspsychologie. Wegen meiner ‹ philosophischen Ader › wurde ich von den Mitstudenten ein wenig belächelt. Als dann mein jüngerer Bruder Reto von einem Businessplan-Wettbewerb an der ETH Zürich erzählte, entwickelten wir gemeinsam mit unserem älteren Bruder Christian das ‹Projekt V›, die Idee eines vegetarischen Selbstbedienungsrestaurants.» Vom Businessplan bis zur Eröffnung des ersten Tibits-Restaurants an der Seefeldstrasse in
Erfolgs-Quartett. Christian Frei, Daniel Frei, Reto Frei, Rolf Hiltl (v.l.n.r.).
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Dabei waren die Brüder ohne jede Führungserfahrung gestartet. Er habe vorher in verschiedenen Unternehmen gesehen, wie man es nicht machen sollte, erzählt Daniel Frei. «Wenn Manager opportunistisch sind und nicht die Werte verkörpern, für die ein Unternehmen angeblich steht, wirkt sich das sehr schädlich aufs Klima aus.» Als Geschäftsführer stehe er besonders in der Verantwortung, erklärt Daniel Frei. «Es geht nicht darum, dass ich das Unternehmen im Alleingang führe, sondern dass ich die Werte vorlebe. Wir sprechen bei uns nicht von Vorgesetzten, sondern von Vorbildern. Das bedeutet auch: Es reicht nicht, dass ich im Büro sitze und organisiere, es ist wichtig, dass ich regelmässig in den Restaurants bin und an der Front mitarbeite.» Rolf Hiltl (48) spricht gerne von «dienender Führung» und sagt, dass die Vorbildfunktion das Wichtigste sei. Einer der wichtigsten Grundsätze: «Ich verspreche nichts, das ich nicht halten kann und will.» Oder: «Ich gebe meine eigenen Fehler zu und erkenne meine Grenzen.» Den Tibits-Gründern ist es auch wichtig, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Menschen nicht nur gerne essen, sondern auch gerne arbeiten. Dazu gehört, dass sie Löhne zahlen, die über dem Branchendurchschnitt liegen, dass sie den fremdsprachigen Angestellten Gratis-Deutschkurse anbieten und ihnen die Möglichkeit geben, den Betrieb mit guten Vorschlägen weiterzuentwickeln.
Business Case I Tibits
Schon ganz zu Beginn legten die TibitsGeschäftspartner in einem Leitbild die vier Grundpfeiler der Unternehmenskultur fest: Lebensfreude, Vertrauen, Fortschrittlichkeit und Zeit. «Der Genuss steht für uns an erster Stelle», erklären sie. «Kann dieser Genuss mit gesunden Bioprodukten sinnvoll unterstützt werden, so verwenden wir diese auch. Aber nicht um jeden Preis», erläutert Reto Frei. Ziel ist es, frische Produkte ohne Wartezeit als Takeaway anzubieten. Diese können dann in aller Ruhe im Lokal verzehrt oder mitgenommen werden. Die Speisen und die Getränke sollen zwar rasch über die Theke serviert werden, der Gast soll sich jedoch wie in einem hochstehenden Café wohl fühlen. Damit haben die Gebrüder Frei einen Nerv getroffen und nicht zuletzt eine Marktnische entdeckt. Die TibitsRestaurants werden nicht nur von Vegetariern aufgesucht. Mindestens 80 Prozent der Gäste seien keine Vegetarier, sagt Daniel Frei. Etwa 70 Prozent der Kundschaft sind Frauen. Die Gäste schätzen die gemütliche, beinahe kosmopolitische Atmosphäre in den Lokalen.
Überzeugte Vegetarier Die Idee für ein vegetarisches Fast-FoodRestaurant ist aus einem eigenen Bedürfnis nach genussvollem vegetarischem Essen in lockerer Atmosphäre entstanden. Christian, Daniel und Reto Frei sind überzeugte Vegetarier, Andreas ist sogar Veganer. Der Betriebsund Produktionsingenieur Reto Frei (39), Leiter Food & Beverage, hat schon als Kind nicht gerne Fleisch gegessen. «Mir taten die
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Tiere leid», sagt er schlicht. Kein Fleisch zu essen bedeutet für ihn nicht einen Verzicht auf Genuss. «Ich habe gar nicht das Bedürfnis danach.» Sein Bruder Daniel meint, dass sich die Essgewohnheiten besonders in den städtischen Gebieten verändert haben. Er sieht eine Tendenz zu Teilzeit-Vegetariern. «Menschen, die im Büro arbeiten und sich wenig bewegen, wollen sich heute leicht ernähren.» Nach den Skandalen der Fleischverwertungsbranche sei der Vegetarismus zudem populärer geworden. Mit Körnlipickerei und militantem Vegetarismus hat das Tibits nichts am Hut. Die Brüder Frei wollen die Menschheit nicht bekehren. Daniel Frei: «Nein, bekehren wollen wir niemanden – aber begeistern. Wir wollen unseren Gästen zeigen, dass man sehr genussvoll fleischlos essen kann. Der mit dem Zeigefinger geht gar nicht.» Vielleicht noch nicht in 20,aber sicher in 40 Jahren werde der Fleischkonsum massiv zurückgehen, davon ist der TibitsGeschäftsführer überzeugt. «Und zwar einfach, weil wir es uns aus ökologischen Gründen nicht mehr leisten können, Fleisch so zu produzieren, wie wir das heute tun. Das Bewusstsein wird sicher geschärft werden. Aber auch dann werden sich längst nicht alle Menschen rein vegetarisch ernähren. Immer mehr werden einsehen, dass es einfach ein ökologischer Blödsinn ist, jeden Tag Fleisch zu konsumieren.»
Jetzt kommen die Veganer Mittlerweile lösen die Veganer die Vegetarier ab. Auf Fleisch verzichten war gestern. Ange-
Nische besetzt. Kombination aus gesund, Genuss und Take-away.
«Es ist ein ökologischer Blödsinn jeden Tag Fleisch zu konsumieren.»
BLICKPUNKT KMU
Ecknauer+Schoch ASW
sagt ist heute, wer sich vegan ernährt – also auf alle tierischen Produkte wie Eier oder Milch verzichtet. Nicht erst seit sich so prominente Schauspieler und Musiker wie Natalie Portman, Joaquin Phoenix, Alicia Silverstone, Moby, Prince oder Bryan Adams zur veganen Küche bekennen, hat sich das Randgruppenphänomen zu einem wahren Trend entwickelt. Dokumentarfilme über Tierhaltung und Umweltverträglichkeit sowie Bücher, wie dasjenige von Schriftsteller Jonathan Safran Foer «Tiere essen», haben ein Umdenken ausgelöst.
Jeder elfte Tag vegan
Was ein KMU von Tibits lernen kann
Fotos: ZVG
1. Die Vorgesetzten müssen eine Vorbildrolle übernehmen. 2. Ein Umfeld schaffen, wo die Menschen gerne arbeiten. 3. Man sollte sich nicht scheuen, gute Partner zu suchen, um zum Ziel zu kommen. 4. Beweglichkeit ist ein oberstes Gebot: Das Angebot muss laufend den sich ändernden Wünschen der Kunden angepasst werden.
BLICKPUNKT KMU
Rund 25 000 Menschen in der Schweiz leben bereits den totalen Verzicht auf jegliche tierischen Produkte in der Ernährung, Kosmetik und sogar Kleidung. In Deutschland sind es bereits 700 000. Diese wachsende Bevölkerungsgruppe ist der Meinung, dass alle Formen von Tiernutzung Leid für die Tiere bedeuten. Auch Umweltschutz, Verteilungsungerechtigkeit und Welternährungspolitik werden oft als Grund genannt, den Genuss von tierischen Produkten komplett zu vermeiden. «In den letzten Jahren war ein klarer Trend zu rein pflanzlichen Gerichten feststellbar», sagt Rolf Hiltl. Daniel Frei ist der Meinung, dass sich in rund 15 Jahren etwa gleich viele Menschen vegan ernähren werden wie heute vegetarisch. Tibits und Hiltl haben auf den Trend reagiert und bieten in ihren Betrieben vermehrt vegane Gerichte an. Neu ist jeder elfte Tag im Tibits vegan. «Das ist die Gelegenheit für alle, die Vielfalt der veganen Küche kennenzulernen und genussvoll ohne schlechtes Gewissen zu schlemmen», erklären die Firmenverantwortlichen. «Unser Küchenteam tüftelt an jedem Gericht herum, bis die beste Version entweder vegan oder vegetarisch aufs Buffet kommt.» Inzwischen sind im Tibits 80 Prozent aller Gerichte vegan. Bei den Desserts sind einige neue vegane Leckerbissen dazugekommen. Als weitere Innovation bietet Tibits auf der neugestalteten Website www.tibits.ch jetzt eine Rezeptdatenbank an, die laufend mit neuen saisonalen Rezepten der vegetarischen und veganen Küche ergänzt wird. So ist es für die Gäste besonders einfach, sich kulinarisch inspirieren zu lassen und das Tibits-Gefühl zu sich nach Hause zu holen. ●
version internet
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PUBLIREPORTAGE
Vorsorgeeinrichtungen
Herausragende individuelle Vorsorgelösungen für KMU Wer unternehmerisch tätig ist, sorgt vor und wägt sorgfältig ab, welche Lösung zu bevorzugen ist. Langfristigen Vorhaben wie der beruflichen (2. Säule) und auch der privaten Vorsorge (3. Säule) kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Die Banque CIC (Suisse) überzeugt mit zwei einfachen und transparenten Lösungen und schafft so einen Mehrwert für ihre Kunden. TEXT Sebastian Comment
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eben der individuellen Präferenz gilt es, die sich wandelnden Rahmenbedingungen richtig einzuschätzen. Im Besonderen ist und bleibt die berufliche Vorsorge vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ein Hauptthema der nationalen Politik.Auch die Pensionskassenverwalter sind mit einem ausserordentlichen Marktumfeld konfrontiert und müssen sich für die Vermögensverwaltung auf eine weiterhin schwierige Zeit einstellen. Attraktive Zinsanlagen sind rar und die Zinswende – wenn sie denn kommt – kann zu deutlichen Kursrückschlägen führen. Die 2 300 000 2 100 000 1 900 000 1 700 000 1 500 000 1 300 000 1 100 000 900 000 700 000 500 000
nach 20J CIC
nach 30J
Durchschnitt Schweiz
nach 40J Durchschnitt Tiefste 5
Mit dem Vorzugszins von derzeit 1.80% profitieren selbstständig Erwerbende im Vergleich zu anderen Anbietern von einem deutlich höheren Zinsertrag. Dank des Zinseszins erhalten sie so beispielsweise bei Auszahlung nach 30 Jahren, trotz tiefem Zinsniveau, über CHF 170 000 mehr. Annahme: Startkapital CHF 20 000, jährlich gleichbleibende Einzahlungen von CHF 33 696.
Banque CIC (Suisse) hat die zentrale Bedeutung der beruflichen und privaten Vorsorge im Bereich der Unternehmer und Unternehmen früh erkannt und sich in diesem Bereich mit einfachen und transparenten Lösungen spezialisiert. Neben einem attraktiven Säule 3a-Vorsorgekonto bietet die Privatbank unter den Universalbanken massgeschneiderte Lösungen für berufliche Vorsorgeeinrichtungen. Grosse Säule 3a für selbstständig Erwerbende
Für selbstständig Erwerbende, die keiner Pensionskasse angeschlossen sind, gilt im Rahmen der privaten Vorsorge 3a ein höherer Maximalbeitrag von 20 % des Nettoerwerbseinkommens, maximal CHF 33 696 (für 2014). Somit kommt der dritten Säule für viele Selbstständige eine entscheidende Bedeutung zu. Die Verzinsung dieser Vorsorgeguthaben entscheidet über die Höhe der Altersleistung und damit massgeblich über das materielle Wohlergehen nach der Pensionierung. Angenommen, ein selbstständig Erwerbender zahlt während 30 Jahren den Maximalbeitrag ein und wählt ein Institut mit guter Verzinsung. Dieser erhält zur Pensionierung eine um mehr als CHF 170 000 höhere Altersleistung als wenn er sein Geld bei einem der Institute mit der schwächsten Verzinsung angelegt hätte. Dabei gilt es zu bedenken, dass wir uns immer noch in einer ausserordentlichen Tiefzinsphase befinden und zwingend davon auszugehen ist, dass die Zinsen über einen Horizont von 30 Jahren im Schnitt deutlich höher liegen werden. Das heisst, die Differenz von CHF 170 000 wird in Wirklichkeit viel höher liegen. Die Banque CIC (Suisse) positioniert sich als verlässlicher und langfristiger Partner mit attraktiven Lösungen. Nicht von ungefähr vergütet sie seit mehr als 10 Jahren schweizweit den besten Zins auf ihrem 3a Vorsorgekonto und legt damit ein solides Fundament für die Partnerschaft mit Unternehmern.
Individuelle Anlagelösungen für Pensionskassenguthaben «PK FIT»
In Zusammenarbeit mit einer renommierten Sammelstiftung bietet die Banque CIC (Suisse) interessierten Unternehmen und Unternehmern ihre Kernkompetenz für die Vermögensverwaltung von Pensionskassen an. Personalvorsorgestiftungen stehen vor zahlreichen Herausforderungen. Zum einen binden zahlreiche Reformvorhaben und Finanzmarktregulierungen viele Ressourcen, zum anderen wachsen die Rentnerbestände und der Kostendruck nimmt zu. Die konforme Anlage der Vorsorgeguthaben im Hinblick auf die Renditeziele sind angesichts der andauernden Tiefzinsphase ebenfalls eine grosse Herausforderung. Mit PK FIT schafft die Banque CIC (Suisse) zusammen mit ihrem ausgesuchten Partner eine offene «Plattform-Lösung», welche existierenden Vorsorgeeinrichtungen offen steht und es erlaubt, die bestehenden Vermögensanlagen (inkl. Liegenschaften in Direktbesitz) 1 zu 1 einzubringen. Angeschlossen als separate und eigenständige Einheit ergeben sich so für die Vorsorgeeinrichtung bedeutende Kosten-, Transparenz- und Effizienzvorteile. Innerhalb einer solchen Einheit stellen die Portfolio-Spezialisten der Banque CIC (Suisse) die Einhaltung der Anlagestrategie sicher und verwalten die Guthaben nach der von der Vorsorgeeinrichtung gewählten Strategie. Damit ergibt sich für die Unternehmerschaft zusätzlich ein Zeitgewinn. Somit nimmt sich PK FIT aller administrativen und aller anlagetechnischen Belange an und schafft eine transparente Lösung aus einem Guss.
Eine exklusive Option Vorsorgeeinrichtungen unter PK FIT steht die offizielle Anlagestrategie der Pensionskasse der Banque CIC (Suisse) als Anlagestrategie-Option offen. Mit PK FIT verwalten wir Ihr Pensionskassenguthaben, wie wenn es unser eigenes wäre.
Sprechen Sie mit uns. Wir unternehmen gerne für Sie.
Andreas Dill Kundenberater andreas.dill@cic.ch T. 061 264 16 72
Reto Bornhauser Kundenberater reto.bornhauser@cic.ch T. 061 264 12 85
Anlagefokus: Eine Alternative für Obligationen in Schweizer Franken
Der CIC CH – High Yields «CHF Primus» ist für Kunden geeignet, welche am Erfolg von hochverzinslichen Anleihen in Schweizer Franken partizipieren möchten und sich der höheren Volatilität bewusst sind. Durch die Anlage in einen professionell verwalteten Fonds, ist die Diversifizierung für den Kunden optimal und das Ausfallrisiko minimiert. Der Fonds eignet sich ideal zur Beimischung in einem Schweizer-Franken-Obligationenportfolio.
Facts: Fondsname CIC CH – High Yields «CHF Primus» Manager Bank CIC (Schweiz), AG Rating Der Teilfonds ist zu mindestens zwei Dritteln seines Nettovermögens in Anleihen mit überdurchschnittlichen Renditen bei festem oder variablem Zinssatz, deren Ratings von AAA bis minimal B reichen können, jedoch im gewichteten Durchschnitt mindestens BBB aufweisen und die auf CHF lauten, investiert. Fondsmanager Mario Geniale, Luca Carrozzo ISIN / Ausschüttende Tranche (A): ISIN LU0905698055 / Valoren 20886979 (Mgt Fee 1 %) Kapitalisierende Tranche (B): ISIN LU0851060664 / 19898435 (Mgt Fee 1 %) Institutionelle Tranche (I): ISIN LU0851060748 / 19898440 (Mgt Fee 0.45 %) Währung CHF Emissionspreis CHF 100.00 Performance seit Lancierung (per 31.03.14) A: 3.47% / Liberierung 7.2.2013 B: 5.39% / Liberierung 19.11.2012 I: 5.83% / Liberierung 18.12.2012 Fondsvolumen CHF 50 Mio
Fotos: ZVG
Die Tiefzinsphase dauert an. Für festverzinsliche Anlagen in Schweizer Franken sind neue Ideen gefragt. Die Banque CIC (Suisse) hat deshalb vor mehr als einem Jahr einen neuartigen Fonds lanciert, welcher in CHFAnleihen mit überdurchschnittlichen Renditen investiert und dabei im Besonderen von der Dynamik im Refinanzierungsmarkt profitiert, wo in den letzten Jahren viele neue Unternehmen Anleihen platziert haben.
Fokusthema
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Auf der Suche nach den Besten Um ihren Erfolg zu sichern, sind KMU auf die bestmöglichen Mitarbeiter angewiesen. Aktuell werden hier noch viele Chancen vergeben – weil die Nachricht über eine offene Stelle längst nicht alle potenziellen Kandidaten erreicht. AUTOR TOBIAS WESSELS
BLICKPUNKT KMU
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u Beginn des Jahres berichtete die Neue Zürcher Zeitung über wachsende Probleme kleinerer Gemeinden, genügend Bewerber für die zu vergebenden Ämter zu finden. «Landauf, landab werden Dorfbewohner dazu überredet anzupacken» hiess es in einem Beitrag vom 3. Januar. Natürlich kann dies nur begrenzt mit der Rekrutierung in einem KMU verglichen werden – geht es im einen Fall um vollwertige Erwerbsarbeit, im anderen Fall um einen mehr oder weniger gut entschädigten Milizdienst. Die Schlussfolgerung, welche die NZZ im Hinblick darauf zieht, einen Menschen zu einer Aufgabe «überreden» zu müssen, bleibt jedoch für beide Ausgangslagen die gleiche: «Auf Dauer ist das keine Lösung.»
Rekrutierung in der Region
«Netzwerk und regionale Verwurzelung stellen für KMU wichtige Trümpfe dar.»
BLICKPUNKT KMU
Entsprechend wichtig ist es für KMU, die Suche nach neuen Mitarbeitern auf gesunde Beine zu stellen – was Expertenmeinungen zufolge im Grossen und Ganzen auch der Fall ist. Matthias Mölleney, Leiter des Centers for Human Resources Management and Leadership an der Hochschule für Wirtschaft Zürich und Präsident der Zürcher Gesellschaft für Personalmanagement (ZGP), bringt es auf den Punkt: «Schweizer KMU sind in dieser Disziplin vor allem dann gut, wenn sie in einem etablierten und klar definierten Bereich tätig sind, sowohl fachlich als auch regional klar abgegrenzt.» Diese Meinung teilt Prof. Dr. Frank E.P. Dievernich, Professor für Organisation, Führung und Personal und Studienleiter des Executive MBA am Institut für Betriebs- und Regionalökonomie der Hochschule Luzern: «Wir stellen fest, dass gerade in der Region die Rekrutierung im besten Sinne dieses Wortes ein Menschengeschäft ist – weil sie stark durch das persönliche Netzwerk getrieben wird. Dieses Netzwerk und die regionale Verwurzelung stellen für KMU wichtige Trümpfe dar.» Allerdings relativiert Dievernich seine Aussage: «Die KMULandschaft in der Schweiz ist so vielfältig, dass eine generelle Beurteilung schwerfällt.» Sobald die Rekrutierung auf einen grösseren Raum ausgedehnt werden muss, wird es ein wenig
komplizierter: «Wenn beispielsweise ein spezialisiertes IT-Unternehmen seine Mitarbeiter nicht mehr nur in der direkten Umgebung suchen kann, fangen die Herausforderungen an», so Matthias Mölleney. Die Schweiz habe noch immer ein gutes Image im Ausland; ein Angebot von einem Schweizer Unternehmen stosse meist zumindest auf offene Ohren. Welche konkreten Auswirkungen die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative in diesem Zusammenhang haben wird, ist momentan schwer abzuschätzen. Erstens genügt die bisher vergangene Zeit nicht, verlässliche Trends zu erkennen, zweitens wird erst die definitive Umsetzung langfristige Fakten schaffen. Man kann aber davon ausgehen, dass gerade bei Stellen mit speziellen Anforderungen die Suche nach geeigneten Bewerbern nicht unbedingt einfacher werden dürfte. Die Diskussion um eine begünstigende und entsprechende Willkommenskultur solle auch hier in der Schweiz geführt werden, so Dievernich. Es werden langfristig nur jene KMU überleben, die über die Regionsgrenzen hinaus fähig sind, qualifiziertes Personal zu rekrutieren.
Kooperation forcieren Gerade vor diesem Hintergrund kann es nicht schaden, den Rekrutierungsprozess ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen. Zuerst stellt sich die Frage, wo genau dieser Prozess eigentlich beginnt. «Spätestens mit der Kündigung des bisherigen Stelleninhabers», erklärt Othmar Schär, Geschäftsführer der auf Personalberatung spezialisierten schärpartners ag. «Man muss sich fragen, weshalb die bisherige Person geht. Liegt es an der Firma? Liegt es am Arbeitsplatz? Oder sind es doch rein private Gründe?» Auf Basis der gefundenen Antworten könne man wahlweise am Anforderungsprofil oder am Arbeitsplatz Anpassungen vornehmen. Frank E.P. Dievernich setzt den Beginn des Rekrutierungsprozesses sogar noch früher an: «Viele Schweizer KMU sind hidden champions und verfügen als solche über hervorragende Mitarbeiter, die auch für andere Unternehmen attraktiv sind.» Diese Gefahr müssten alle Unternehmen erkennen
Fokusthema und ihre Personalplanung mindestens mittelfristig anlegen. Heisst konkret: Wenn man beispielsweise vorhersehen kann, dass man innert fünf Jahren fünf Wissensträger verlieren wird, ist abwarten grob fahrlässig. Deswegen gilt es, in die notwendigen und teils bereits vorhandenen Netzwerke zu investieren und beispielsweise die Zusammenarbeit mit Schulen und Universitäten zu intensivieren. Hier sieht Frank E.P. Dievernich die Schweiz im internationalen Vergleich hervorragend positioniert: «Wenn man als Vertreter einer Fachhochschule auf einen KMU-Chef zugeht, kommt ein Forschungsprojekt viel leichter zustande als beispielsweise in Deutschland. Man scheint hier viel offener für einen Wissensaustausch.» Dafür gibt es mehrere mögliche Erklärungen. Die Weiterbildung geniesst in der Schweiz einen generell hohen Stellenwert, entsprechend sind Unternehmen und Hochschulen ohnehin häufiger in Kontakt. Deswegen wissen Unternehmen, dass sie auch von Kooperationen nur profitieren können. «Den meisten Verantwortlichen in KMU ist klar, dass in solchen Fällen eben nicht einfach ein paar Theoretiker durch den Betrieb laufen und mässig intelligente Fragen stellen», so Executive MBA Studienleiter Dievernich. Die bereits bestehenden Kontakte auch für die Rekrutierung zu nutzen, liegt dann beinahe auf der Hand. Dabei sollte man sich nicht auf Universitäten und Hochschulen beschränken. Auch Schulen und Berufsschulen müssen in Betracht kommen. «Die ersten Kontakte mit der Welt der Unternehmen sind für junge Menschen prägend. Wenn man es schafft, sie einen Betrieb erleben zu lassen, kann man eine ganz andere Begeisterung für ein Metier wecken. Deswegen kann man nur profitieren, wenn man früh genug Bindungen herstellt», sagt Frank E.P. Dievernich.
Bestehende Mitarbeitende einbeziehen Überhaupt kommt Netzwerken ein ganz entscheidender Part in der Suche nach neuem Personal zu – nicht nur denen des Geschäftsführers, sondern aller Mitarbeitender. Denn es leuchtet ein, dass viele Fachkräfte aufgrund ihrer Ausbildung, der Mitgliedschaft in Verbänden oder an Veranstaltungen geknüpften Kontakten Zugang zu einem wertvollen Fundus an möglichen Verstärkungen für das eigene Unternehmen haben. «Auf Empfeh-
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Fluktuationskosten Welche Kosten für Unternehmen aufgrund von Personalfluktuation entstehen, lässt sich nur schwer verallgemeinern. Doch es existieren einigermassen brauchbare Daumenregeln für die Rekrutierung: Für einen Mitarbeiter bis zum Teamleiter muss ein halbes, für das mittlere Kader ein ganzes Jahressalär und für das obere Kader müssen zwei Jahressaläre gerechnet werden. «Es geht dabei ja nicht nur um die Kosten des Rekrutierungsprozesses, sondern auch um die Einarbeitungszeit, deren Kosten kaum exakt zu beziffern sind», erklärt Matthias Mölleney. «Erstaunlich finde ich, dass viele Unternehmen bei der Anschaffung einer neuen Maschine wesentlich genauer über Kosten Bescheid wissen als bei der Rekrutierung von neuem Personal.» Wäre dieses Wissen ausreichend vorhanden, würden vermutlich einige Personalentscheide mit anderen Augen betrachtet. «Wenn ein Mitarbeiter 90 Prozent der geforderten Leistung bringt, wird er heute schnell entlassen – weil man nicht bedenkt, dass es 150 000 Franken kostet, ihn zu ersetzen», so Matthias Mölleney. Dabei könnte man die Person durch Weiterbildung für einen Bruchteil dieses Betrags auf den nötigen Stand bringen. Das Vorhandensein einer HR-Abteilung kann dieses Problem sogar noch verschärfen – da Weiterbildungskosten in der Fachabteilung anfallen, Rekrutierungskosten jedoch in den meisten Fällen über HR zentral verrechnet werden. Entsprechend entsteht bei vielen Abteilungsleitenden die Mentalität, eine Neubesetzung sei gratis, während jeder Kurs für einen Mitarbeiter ihr Budget belaste.
lungen zu bauen ist ein absoluter Megatrend im Marketing», hält Matthias Mölleney fest. «Dieser Ansatz bietet auch grosses Potenzial bei der Personalsuche.» Gerade die kleineren Unternehmen verfügen nicht über ein allseits bekanntes Image wie die grossen Konzerne. Deswegen müssen sie darauf bauen, dass ihre Mitarbeiter sich in ihrem Umfeld positiv äussern. Leider, berichtet Mölleney, hätten die Firmen dabei oft ein falsches Bild der Realität: «In einer Umfrage glaubten 94 Prozent der Personalchefs, dass die Mitarbeitenden das eigene Unternehmen als Arbeitgeber weiterempfehlen würden. Wirklich dazu bereit waren aber gerade einmal 14 Prozent der Mitarbeitenden.» Dabei dürfte es eine grosse Rolle spielen, wie sehr ein Unternehmen bereit ist, in die Arbeitsmarktfähigkeit seiner Mitarbeitenden zu investieren. «Employability ist im Moment das Schlagwort», weiss Frank E.P. Dievernich. Natürlich haben Bewerber die unterschiedlichsten Erwartungen an Unternehmen, von der Gestaltung des Arbeitsplatzes bis hin zur möglichst gut ausgebauten Vorsorgelösung. BLICKPUNKT KMU
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Fokusthema Doch das Ziel, weiterhin möglichst gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben, trifft auf beinahe jeden zu. Also gilt es, den Mitarbeitern herausfordernde Tätigkeiten und die zugehörige Verantwortung zu übertragen, damit sie mit der Aufgabe wachsen können. Ausserdem kann es für Unternehmen einen riesigen Vorteil bedeuten, sich zu Netzwerken zusammenzuschliessen. Auch dies gibt Mitarbeitenden ein Gefühl der Sicherheit: Sollte mein (kleiner) Arbeitgeber mich aus welchen Gründen auch immer nicht weiterbeschäftigen können, gibt es im Verbund genügend andere Unternehmen, die eine Aufgabe für mich haben könnten. Eine noch wichtigere Rolle kommt der Weiterbildung zu, welche die Mitarbeiter in jeder Hinsicht auf dem neuesten Stand hält. «Das führt zu einem waschechten Paradoxon», erklärt Frank E.P. Dievernich: «Je besser man dafür sorgt, dass die eigenen Mitarbeitenden morgen auch bei einem anderen Unternehmen eine Stelle finden könnten, desto enger bindet man sie an den eigenen Betrieb.» Dies erfordert ein gewisses Selbstbewusstsein und vor allem eine gehörige Portion Mut. Doch diesen sollten Unternehmer aufbringen, so Frank E.P. Dievernich: «Unternehmerisch tätig zu sein, heisst Risiken einzugehen. Kein KMUler würde beim ersten Fehlschlag in der Produktentwicklung aufgeben. Deswegen sollte man auch nicht damit aufhören, die Employability der Mitarbeiter so gut wie möglich zu fördern, nur weil einmal einer wegläuft. Man braucht auf dem Arbeitsmarkt die gleiche Leidenschaft und Überzeugung wie in allen anderen Bereichen.» Diesen unternehmerischen Mut fordert auch Othmar Schär – und zwar für die gesamte Personalpolitik: «Man muss sich trauen, Entscheidungen zu treffen. Ob man wirklich mit einer Person arbeiten kann, klärt auch die teuerste Analyse nicht abschliessend. Sie bietet lediglich den Vorteil, dass sie sich nicht wehren kann, wenn man ihr eine mögliche Fehlentscheidung anlastet. Aber manchmal muss ein Unternehmer eben die Verantwortung selbst übernehmen und auch einmal auf sein Bauchgefühl hören.»
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offline, später online, noch der typische Weg, die Öffentlichkeit über offene Positionen zu informieren. Heute läuft bereits vieles über soziale Medien wie XING, LinkedIn oder Facebook ab. Experten sind sich einig, dass die Schweizer Unternehmen dieses Potenzial zwar erkennen, aber noch längst nicht in seinem vollen Ausmass nutzen. «In den USA werden 80 Prozent der Stellen über soziale Netzwerke vergeben. In Europa sind wir gerade bei 20 Prozent», fasst Matthias Mölleney die entscheidenden Zahlen zusammen. Dies liegt nicht zuletzt an der nicht immer optimalen Nutzung der entsprechenden Medien. «Theoretisch ist das ein Goldschatz, praktisch wird mit diesen Plattformen viel zu oft so umgegangen, als hätte man es mit klassischen Printmedien zu tun: Man schaltet ein Inserat, wenn man eine Stelle zu vergeben hat», so Frank E.P. Dievernich. Dieses Vorgehen beinhaltet gleich zwei massive Mängel. Erstens erwarten Arbeitskräfte heute, dass ein Social Media Auftritt eben mehr bietet, als nur die statische Website auf einer anderen Plattform abzubilden. Insofern kann sich dieses Vorgehen als geradezu kontraproduktiv erweisen und mögliche Stellenbewerber sogar abschrecken. Zweitens vergibt man mit einer reinen Ausschreibung das in diesem Zusammenhang grösste Potenzial der sozialen Netzwerke – nämlich Personen ganz gezielt anzusprechen und die Möglichkeit eines echten Dialogs zu
Männliche Ausschreibungen In ganz Europa wird über Frauen in Führungspositionen diskutiert – respektive über deren geringe Zahl und die möglichen Massnahmen, diese zu erhöhen. Ganz offenbar spielt schon die Formulierung einer Stellenausschreibung eine wesentliche Rolle. Laut einer aktuellen Studie der Technischen Universität München werden Frauen durch stark männlich besetzte Begriffe wie «durchsetzungsstark», «analytisch» oder «offensiv» von einer Bewerbung abgehalten, während sie sich von Eigenschaften wie «engagiert», «verantwortungsvoll», «gewissenhaft» angesprochen fühlen. «Eine sorgfältig formulierte Stellenausschreibung ist die Voraussetzung für eine optimale Personalauswahl», sagt Studienleiterin Prof. Claudia Peus vom Fachgebiet für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement. «Ohne ein zumindest ausgewogen formuliertes
Mehr Auswahl dank Social Media
Profil rauben sich Organisationen die Chance auf gute Bewerberinnen. Denn
Zurück zu den Netzwerken – konkret zu den digital-sozialen. Vor scheinbar gar nicht allzu langer Zeit war das Stelleninserat, erst
die Stereotype wirken trotz aller gesellschaftlichen Veränderungen fast unverändert weiter.»
BLICKPUNKT KMU
«Weg von der passiven Haltung des Fallenstellers, hin zum Jäger, der aktiv vorgeht.»
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erschaffen, lange bevor man sich vielleicht zu einem Vorstellungsgespräch trifft. Matthias Mölleney nennt dies «weg von der passiven Haltung des Fallenstellers, der auf seine Beute wartet, hin zum Jäger, der aktiv vorgeht.» «Alles, und vor allem die junge Generation, hat auf Kommunikation umgestellt – es wird Zeit, dass wir das auch in den Rekrutierungskanälen endlich anerkennen», so Dievernich, der mit seinen Kolleginnen und Kollegen die neue Arbeitnehmergeneration für die Schweiz erforscht. Vor allem eröffnen die sozialen Medien die Chance, einen wesentlich grösseren Teil der Zielgruppe zu erreichen. Mit einer einfachen Ausschreibung einer Stelle erreicht man Personen, die sich aktiv (weil arbeitslos) oder passiv (weil mit dem aktuellen Job unzufrieden) auf der Suche befinden. «Das sind vielleicht 20 Prozent der Menschen, welche die Anforderungen erfüllen», so Matthias Mölleney. Um einen möglichst grossen Teil der restlichen 80 Prozent zu erreichen, müssen sich die Un-
ternehmen etwas einfallen lassen – und das nicht punktuell, wenn sie einen Posten zu besetzen haben. Statt sich einfach nur zu präsentieren und zu hoffen, dass dies wahrgenommen wird, können Firmen den Dialog gezielt fördern. Eine Möglichkeit zeigt Frank E.P. Dievernich auf: «Man gründet beispielsweise auf XING ein Kommunikationsnetzwerk zu einem Thema, auf welches das eigene Unternehmen spezialisiert ist – oder zu einer spannenden gesellschaftlichen Frage, die für das eigene Unternehmen relevant ist.» So schafft man eine Community, die auch mögliche künftige Mitarbeitende enthält. Fest steht: Mal eben nebenbei lässt sich eine solche Vorgehensweise nicht etablieren. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass sie mit nennenswertem Zeitaufwand verbunden ist. Darüber hinaus gilt es, die Verantwortlichkeiten klar zu regeln und konkrete Aufgaben an eindeutig bezeichnete Personen zu übertragen. «Man müsste doch...» genügt – auch – in diesem Fall nicht.
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Fokusthema
Erste Tage oft entscheidend So wenig der Rekrutierungsprozess mit der Publikation eines Stelleninserats beginnt, so wenig endet er mit der Unterzeichnung eines Vertrags. Gerade die erste Zeit am neuen Arbeitsplatz erweist sich als entscheidend für den Verlauf des gesamten Beschäftigungsverhältnisses. «HR-Spezialisten lernen das in der Ausbildung, in Kursblöcken mit Namen wie ‹Die ersten hundert Tage eines neuen Mitarbeiters›. Doch nicht jedes KMU verfügt über Personen mit dieser Ausbildung. Deswegen werden hier teilweise grobe Fehler gemacht», so Othmar Schär. Der vielleicht schlimmste von allen: Am Monatsersten steht ein hochmotivierter neuer Kollege im Raum – doch niemand weiss Bescheid, und der Chef, der ihn eingestellt hat, ist nicht erreichbar. Das mag nach einem schlecht ersonnen Negativ-Beispiel aus einem leicht angestaubten Lehrfilm klingen, doch leider gehört es noch immer zur
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Realität. Natürlich kann die mangelnde Vorbereitung auch in weniger ausgeprägten Formen auftreten, etwa durch nicht vorhandene Arbeitskleidung oder einen fehlerhaft eingerichteten Computer. Othmar Schär rät Unternehmen, sich einen grundsätzlichen Plan zurechtzulegen, wie ein neuer Mitarbeiter das Unternehmen, seine künftigen Kollegen, seine Tätigkeit und das Umfeld kennen lernen soll. «Wir sprechen oft vom Phänomen der inneren Kündigung. Ich bin überzeugt, dass diese in vielen Fällen bereits am ersten Tag stattfindet. Dabei liesse sich das ohne Weiteres vermeiden.» Ergänzt wird dies von Frank Dievernich: «Gerade am ersten Tag geht es darum, aufzuzeigen, wie ein Unternehmen fähig ist, direkt persönlichen Kontakt zum Mitarbeitenden herzustellen, denn du bekommst niemals eine zweite Chance für den ersten Eindruck – und der ist es, der zählt.» Eines wird aus den Gesprächen mit HR-Experten deutlich: Die Personalsuche ist alles
«Eine innere Kündigung findet oft bereits am ersten Tag statt.»
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Fotos: ZVG
andere als ein Selbstläufer. «In der aktuellen Arbeitsmarktsituation bewirbt sich das Unternehmen bei den möglichen Mitarbeitern», so Frank E.P. Dievernich. Umso grösser ist die Bedeutung, die dem employer branding zukommt. Unternehmen müssen das eigene Profil schärfen, damit potenzielle Bewerber wissen, wofür ein Arbeitgeber eigentlich steht. Dafür gibt es heute weit mehr und besser geeignete Kanäle als früher. Ziel muss es sein, über diese eine Geschichte zu erzählen, die das Unternehmen für alle Anspruchsgruppen greifbar macht – nicht nur für mögliche Bewerber. Frank E.P. Dievernich, der selbst Partner des Beratungsunternehmens Witten School of Management ist, bringt es abschliessend auf den Punkt: «Mein Rat an alle KMU: Ihr müsst es schaffen, dass sich eine Welt auftut, wenn Menschen mit euch in Berührung kommen.» Ein Rat, den man sich nicht nur bei der Personalsuche zu Herzen nehmen sollte. ●
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Expertenwissen
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Unternehmerpersönlichkeit
Der unterschätzte Erfolgsfaktor Rund ein Viertel der KMU hat Ertragsprobleme. In über 90 Prozent der Fälle liegt die Ursache dafür in grossen Teilen in der Persönlichkeit der Unternehmerin oder des Unternehmers. AUTOREN Dieter Baunach
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iele Unternehmerinnen und Unternehmer sind sich ihrer Kernaufgaben nur ansatzweise bewusst. Das beginnt schon beim primären Unternehmenszweck – der umfassenden Erfüllung der Kundenbedürfnisse. Eine der unternehmerischen Kernaufgaben ist es, dafür zu sorgen, dass die Firma diesen Zweck optimal erfüllt. Andernfalls ist deren Zukunftsfähigkeit nicht gegeben. Wachstum und Gewinn sind die Folge, aber niemals der Zweck respektive das Ziel. Hier liegt häufig ein Missverständnis vor. Auch die zweite Kernaufgabe – die operativen Prozesse weitgehend von sich zu entkoppeln – wird oft «übersehen». Potentielle Nachfolger interessieren sich allerdings nur für eine Firma, in der diese Kernaufgaben umgesetzt sind. Ein Umdenken ist angezeigt.
anfällig und für den Unternehmer oft belastend. Bei bis zu 80 Entscheidungen täglich, ist es von Bedeutung, die «richtigen» zu treffen. Ausschlaggebend dafür sind die zugrunde liegenden Informationen und der menschliche Entscheidungsprozess, denn Menschen treffen mindestens zwei Drittel ihrer Entscheidungen unbewusst. Folgerichtig hat das Unterbewusstsein des Unternehmers einen massgeblichen Einfluss auf den Betriebserfolg seiner Firma. Die Crux: Seine Fachkompetenz hilft dem
Viele Unternehmer stehen sich selbst im Weg Die meisten KMU-Inhaberinnen und -inhaber starten das «Unternehmerdasein» mit ihrem Facharbeiter- und/oder Managementwissen. Den erfolgsentscheidenden unternehmerischen Aufgaben wie Vision, Positionierung, Strategie, Verkauf oder Controlling messen sie daher oft nur geringfügige Bedeutung bei. Von diesem «falschen» Verständnis geleitet, neigen sie dazu, zu viele Aufgaben selbst zu übernehmen. So eingebunden ins Tagesgeschäft, reagieren sie oft nur noch, anstatt pro-aktiv zu agieren. Zudem unterschätzen die meisten, wie stark ihr persönliches und unternehmerisches Handeln von ihrem Unterbewusstsein geleitet wird. Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn es um Entscheidungen geht. Unternehmensführung ist ein permanenter Entscheidungsprozess – zeitraubend, fehlerBLICKPUNKT KMU
Dieter Baunach Dipl. Ing. (FH) Maschinenbau und REFA Industrial Engineer, übernahm 2006 das PECOPP Institut, das sich seit über 20 Jahren der Sanierung von KMU widmet. Auch mit seiner Neuentwicklung KMUfit sind der Unternehmer-Coach und sein Institut eine gefragte Anlaufstelle für Unternehmer, die wirksam ihren Gewinn und ihre Lebensqualität verbessern wollen. www.kmu-fit.ch
Unternehmer nur bedingt, solange ungünstige oder behindernde innere Prägungen seine Entscheidungen negativ beeinflussen. Die Schwierigkeit dabei ist, dass Menschen ihre unbewussten Denk- und Entscheidungsmuster meist nicht selbst erkennen.
Die Unternehmerpersönlichkeit – der zentrale Schlüssel
Unternehmer sein. Nicht immer eitel Sonnenschein.
BLICKPUNKT KMU
Die fachlichen Fähigkeiten des Unternehmers sind nur zu rund 20 Prozent für den betrieblichen Erfolg ausschlaggebend. Viermal wichtiger sind seine inneren Prägungen und seine Einstellung! Vielen KMU-Inhabern dürfte es nicht gefallen, selbst die eigentliche Ursache vieler Probleme im Unternehmen zu sein. Erst recht, wenn es schlecht läuft. Da es doch viel bequemer ist, die «Opferrolle» zu spielen
und anderen, wie Mitarbeitenden, Banken oder anspruchsvollen Kunden die Schuld zu geben, anstatt eigenverantwortlich zu handeln. Allerdings: Wettbewerbssituation und Wirtschaftslage lassen sich nicht ändern, das eigene Denken und Handeln schon! Will man erfolgreicher Unternehmer sein, ist es essentiell, kontinuierlich an seiner eigenen Persönlichkeit zu arbeiten.
Jeder Gedanke beeinflusst die Zukunft Das Unterbewusstsein trifft einen Grossteil der Entscheidungen und hat dadurch massgeblich Einfluss auf den Betriebserfolg. Deshalb ist es wichtig, dessen Funktionsweise zu verstehen, um aktiv Einfluss darauf nehmen zu können. Ein kurzer Exkurs: Das Unterbewusstsein unterscheidet nicht zwischen Realität und
Expertenwissen gedanklicher Vorstellung. Dadurch wird jeder Gedanke ohne weitere Prüfung als «real» empfunden. Gedanken stellen somit eine Art «Auftrag» dar und haben die Tendenz, sich zu verwirklichen. Folglich lohnt es sich, sein Denken und den «inneren Dialog» positiv auszurichten, also beispielsweise die Absage eines sicher geglaubten Auftrags als interessante Herausforderung zu betrachten. Diese bewusste Einflussnahme erzeugt eine konstruktive «Realität», die nun den Entscheidungsprozess fast «automatisch» in die gewollte Richtung bringt.
Glaubenssätze und das innere Wertesystem Jeder Mensch lebt in seiner subjektiven Welt und diese ist seine Realität. Menschen bilden von klein auf Glaubenssätze, wie: «XY kann ich nicht!» Jede Bestätigung aus dem Umfeld festigt diesen Glaubenssatz weiter. Irgendwann sitzt er so tief, dass er zum Automatismus für das gesamte Handeln geworden ist. Eine typische Auswirkung davon ist, sich wiederholt (scheinbar) ungewollt in ungeliebten Situationen wiederzufinden. Was bedeutet das im Kontext Unternehmertum? Glaubenssätze und innere Werte prägen den Fokus und damit die Wahrnehmung. Wer den Glaubenssatz: «Ich bin erfolgreich!» nutzt, hat Recht. Aber Vorsicht: Dieses Prinzip funktioniert – präzise wie ein Schweizer Uhrwerk – leider auch in die entgegengesetzte Richtung. Deshalb kann schon ein ungünstiger Glaubenssatz schwerwiegende Auswirkungen nach sich ziehen. Behindernde Glaubenssätze sind zu hinterfragen und durch neue, aktiv unterstützende Überzeugungen zu überlagern. Die veränderte Wahrnehmung bietet dann «automatisch» erfolgsversprechende Chancen. Wie erwähnt, erkennen Menschen ihre unbewussten Denk- und Entscheidungsmuster sowie ihre Glaubenssätze meist nicht selbst. Genau hier gilt es durch externe Impulse einzuwirken, um einen positiven Veränderungsprozess auszulösen.
Aufräumen mit einem Missverständnis «Selbstständig sein» heisst nicht, selbst ständig zu arbeiten! Viele KMU-Inhaber neigen dazu, möglichst viele Aufgaben selbst zu
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übernehmen, sei es aus finanziellen Überlegungen oder weil ihre Mitarbeitenden nicht auf dem gleichen Leistungsniveau wie sie selbst arbeiten. Auch hier ist ein Umdenken angezeigt: Unternehmerzeit ist viel zu wertvoll, um diese «wirkungslos» zu verschwenden, indem man Dinge tut, die das Unternehmen nicht wirklich weiter bringen. Michael Gerber beschreibt in seinem Buch «E-Mythos» drei sich teils widersprechende Rollen, die nötig sind, um erfolgreich ein Unternehmen zu führen: • Den Facharbeiter, der auf Ereignisse und Dinge reagiert, die zu tun sind. Wenn etwas ansteht, macht er es selbst. Feste Regeln engen ihn ein. Er ist glücklich, wenn er klare Aufgaben hat und Probleme lösen kann. Leider gibt es Regeln und Vorgesetzte, die ihn bei der Arbeit stören. • Der Prozessmanager schafft Ordnung und definiert Abläufe. Seine Arbeit sieht er darin, ein System zu entwickeln, innerhalb dessen Aufgaben optimal gelöst werden können. Er ist zufrieden, wenn sein System funktioniert. Leider gibt es den Facharbeiter, der immer alles anders macht und den Unternehmer, durch dessen neue Ideen die Prozesse und Systeme immer wieder anzupassen sind. • Den Unternehmer, der neue Visionen entwickelt und die Energie hinter allem ist. Er denkt in der Zukunft und hat eine Weltanschauung, die aus einer Fülle von Gelegenheiten besteht. Er ist glücklich, wenn er seine Träume verwirklicht – wären da nicht die ihn immer wieder bremsenden Mitarbeiter. Man erkennt unschwer: Was dem einen… • als Arbeit erscheint, ist für den anderen keine Arbeit • wichtig ist, hat für den anderen keine Bedeutung • wertvoll erscheint, ist für den anderen lästig. Es ist daher nahezu unmöglich, alle Rollen als Unternehmer gleichzeitig auszufüllen. Beim Ausführen möglichst vieler Unternehmerund Prozessmanageraufgaben sind KMUInhaberinnen und -Inhaber am wertvollsten für ihre Firma, wobei die Kernaufgaben des Unternehmers immer Priorität haben. Sie konzentrieren sich darauf, vermehrt an statt nur in ihrem Unternehmen zu arbeiten.
Alle Entwicklungsprozesse sind nur so gut wie ihre Umsetzung.
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Von den Besten lernen
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Stillstand ist Rückschritt! Wer sich und sein Unternehmen weiter entwickeln will, kann Bücher lesen oder Seminare besuchen und ist danach hochmotiviert. Doch viel zu oft bleibt es beim guten Vorsatz und die Umsetzung in die Praxis erfolgt nicht, da der Unternehmer im betrieblichen Hamsterrad gefangen ist. Um Kosten zu sparen, entscheiden sich viele KMU für «Trial-and-Error» und versuchen fehlendes Wissen durch eigene Projekte zu sammeln. Das ist nur auf den ersten Blick eine vorteilhafte Entscheidung! Dieser Weg ist oft mit vielen Fehlversuchen und Enttäuschungen versehen, bindet die «wertvollsten» personellen Ressourcen, die dann bei anderen, erfolgsfördernden Projekten und Aufgaben fehlen. Letztendlich kostet es meist ein Vielfaches, rechnet man neben der eingesetzten Zeit und den finanziellen Mitteln auch den vielleicht über die Jahre nicht erzielten Gewinn dazu! Eine gute und vergleichsweise einfache Möglichkeit, sich und sein Unternehmen weiterBLICKPUNKT KMU
zuentwickeln, ist, von den Besten zu lernen. Wer die Erfolgsstrategien dieser Firmen untersucht, daraus Vorgehensweisen für das eigene Unternehmen und für sich selbst ableitet und umsetzt, hat beste Chancen auf Erfolg. Das ist Unternehmensentwicklung aus der Praxis für die Praxis. Auch die Wirkung eines unterstützenden Umfelds mit erfolgreichen Unternehmern, die das schon erreicht haben, was man selbst anstrebt, ist nicht zu unterschätzen. Denn: Das Umfeld hat grossen Einfluss auf das eigene Verhalten.
Zu guter Letzt zählt nur die Umsetzung Alle Entwicklungsprozesse sind nur so gut wie ihre Umsetzung – am «TUN» kommt niemand vorbei. Eine Entscheidung wird erst dann zum Erfolg, wenn diese auch umgesetzt wird – nur darüber zu reden, reicht nicht! Wer ebenso zügig wie konsequent handelt und sich am verfolgten Ziel orientiert, kommt zu mehr Erfolg und Lebensqualität. ●
Expertenwissen
Raymond Zenhäusern leitet an der Hochschule Luzern – Wirtschaft den Studiengang MAS Business Excellence. Die Weiterbildung für Business Excellence an der HSLU beschäftigt sich seit über 12 Jahren mit EFQM. Der nächste MAS Business Excellence nach dem Ansatz des EFQM Excellence Modells 2013 startet im Oktober 2014. www.hslu.ch/bex
EFQM Excellence Modell
Schritt für Schritt zu einer exzellenten Betriebsführung Unternehmen müssen marktfähig sein. Das bedeutet unter anderem, nachgefragte Leistungen zu erbringen, wettbewerbsfähig zu sein, Erwartungen vieler unterschiedlicher Anspruchsgruppen zu erfüllen sowie finanziell gesund zu sein. AUTOR Raymond Zenhäusern
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eist sind die Ziel- und Beurteilungsgrössen des Unternehmenserfolgs quantitativ. Absatz, Umsatz und Wertschöpfung prägen die Zielund Beurteilungshierarchie von Unternehmen und teilweise von Organisationen. Die Zeitfenster für die Zielhorizonte und die Messung der Erfolge werden immer kurzfristiger ausgerichtet. Für qualitative und auch längerfristige
Entwicklungsüberlegungen ist keine Zeit. Es müssen die Monats- und Quartalsergebnisse erreicht und anschliessend die Budgetwerte wieder feinjustiert werden. Wo bleibt die Nachhaltigkeit der Unternehmensentwicklung? Wo bleibt die Gestaltung eines qualitativen, werteorientierten Unternehmens- und Organisationsorganismus, der auf unterschiedlichste Marktgegebenheiten frühzeitiger und besser agieren kann als der jeweilige Wettbewerb? BLICKPUNKT KMU
Vision und Mission
Wo bleibt die Nachhaltigkeit der Unternehmensentwicklung?
BLICKPUNKT KMU
Hier kommt Business Excellence ins Spiel, ein stetiger Verbesserungsprozess auf dem Weg zu nachhaltigem Unternehmenserfolg verbunden mit der Erfüllung der Bedürfnisse aller Anspruchsgruppen. Dieser Excellence-Ansatz wird auf der Basis des EFQM Excellence Modells umgesetzt, das sich mit der Frage auseinandersetzt: «Was ist entscheidend für den Erfolg exzellenter Organisationen?». Die European Foundation for Quality Management EFQM wurde gegründet, um nachhaltigen, qualitativen und quantitativen Unternehmenserfolg zu fördern. Unabhängig von der Branche, der Grösse und dem Reifegrad der Organisation wird für die nachhaltige Entwicklung eine geeignete Führungsphilosophie und ein sinnvolles Führungssystem benötigt. Das EFQM Excellence Modell bietet eine offene, sehr praxisorientierte Grundstruktur, in der die eigenen zentralen Stärken und Schwächen in Bezug auf die Vision und Mission der Organisation identifiziert werden.
Was heisst das genau? Die Marketing- und Vertriebsorganisation muss nahe am Markt sein. Sie verkauft nicht nur, sondern nimmt die Kundenbedürfnisse aktiv auf und arbeitet diese Bedürfnisse mit Produkt-Management, Entwicklung oder anderen Unternehmensbereichen auf. Je nach Art von Betrieb (Fertigungstiefe, Grösse, Technologiestand etc.), Art von Ansprechpartner (Buying Center), Art des ausgeschriebenen Auftrages, Zeitperspektiven der Investition und Preissensitivität gilt es, die individuellen Bedürfnisse der Kundschaft und der einzelnen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner aufzunehmen, im eigenen Unternehmen in Bezug auf die aktuellen und zukünftigen Sortimente und Dienstleistungen zu spiegeln und das Angebotsportfolio aktiv weiterzuentwickeln. Gleichermassen sind die Bedürfnisse von Systempartnern (Händler, Subcontractors, Agenten etc.) und die Lieferanten in diese gesamten Überlegungen zu integrieren. Aktives Partnermanagement ist von der Unternehmensspitze bis zu den ope-
Expertenwissen
Ganzheitliche Gestaltung Das EFQM Excellence Modell dient als Rahmen für eine ganzheitliche Unternehmensgestaltung. Alle Elemente, welche Einfluss auf ein kurz- bis langfristiges Funktionieren einer Organisation nehmen, werden in Beziehung zueinander gesetzt. EFQM schränkt nicht den Nutzen von Unternehmenskonzepten und -systemen ein. Es fokussiert immer die übergreifenden Aspekte der nachhaltigen Excellence und besteht aus folgenden Elementen: • Grundkonzepte der Excellence: Damit werden die acht Grundprinzipien aufgeführt, auf denen nachhaltige Excellence für jede Form von Organisationen beruht: Ausgewogene Ergebnisse erzielen; Nutzen für Kunden schaffen; mit Vision, Inspiration und Integrität führen; mit Prozessen managen; durch Mitarbeitende erfolgreich sein; Innovation und Kreativität fördern; Partnerschaften aufbauen; Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft übernehmen. • Kriterienmodell: Mit neun Kriterien kann jedes Unternehmen und jede Organisation beschrieben werden. Zum einen betrachtet das Modell die Ergebnisse der Organisation und
unterteilt diese in vier sogenannte Ergebniskriterien: mitarbeiter-, kunden- und gesellschaftsbezogene Ergebnisse sowie Schlüsselergebnisse. Zum anderen zeigt es die fünf Kriterien auf, welche auf die Ergebnisse einwirken: Führung, Mitarbeitende, Strategie, Partnerschaft/Ressourcen und Prozesse/Produkte/Dienstleistungen. Das Kriterienmodell ist die Grundlage, um eine Organisation ganzheitlich und grundlegend analysieren zu können. Das Ziel dabei ist, Stärken und Schwächen herauszufinden sowie deutlich zu machen, wo Handlungsbedarf besteht. Mit dem Kriterienmodell werden die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung ersichtlich. • RADAR-Logik: Die RADAR-Logik ist ein wirksames Managementinstrument, ein dynamischer Bewertungsrahmen und der Massstab für alle ambitionierten Organisationen, die nachhaltige Excellence anstreben. Sie ist ein strukturierter Ansatz, um die Leistungen von Organisationen zu messen und diese zu reflektieren. Damit sollte beispielsweise sichergestellt werden, dass anzustrebende Ergebnisse der Organisation (Umsatz, Absatz, Kundenzufriedenheiten, Marktanteile, Innovationsraten u.a.) in der Strategie verankert werden und das Vorgehen der Organisation über alle Funktionsbereiche und hierarchischen Ebenen abgestimmt und koordiniert wird. Dies führt zu einer integrierten Unternehmensleitung. Kontinuierlich werden Ergebnisse und angepasste Leistungen und daraus wiederum
Gemeinsam exzellent. Für Herausforderungen gerüstet.
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rativen Ebenen umzusetzen, Signale bestehender wie auch potenzieller Partner sind in die Unternehmensentwicklungsmassnahmen zu integrieren. Ebenfalls ein absolut zentraler Punkt ist die Mitarbeitendenorientierung auf allen hierarchischen Ebenen und allen Funktionsbereichen. Aussendienst, Innendienst und Kundendienst verfügen in der Regel über grosses Markt-Know-how, welches bei vielen Unternehmen nicht abgefragt oder für die Angebotsentwicklung genutzt wird. So kennt beispielsweise der Kundendienst und -techniker mit Vororteinsätzen die Stärken und Schwächen sowohl der eigenen Sortimente als auch derjenigen der Mitbewerbenden. Im Weiteren kennen die Kundendienstmitarbeitenden in der Regel die Kundenbedürfnisse oder können sie auf Grund ihrer Vorortpräsenz problemlos in Erfahrung bringen. Das Gleiche gilt für alle weiteren Unternehmensfunktionen: Einkauf, Produktion, Personalwesen, Recht etc. Die Mitarbeitenden auf operativer Ebene sollten bei Analysen, Konzepten und Umsetzungsmassnahmen frühzeitig in den unternehmensgestalterischen Prozess integriert werden.
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resultierende Ergebnisse überprüft, um so den Lernprozess der Organisation zu systematisieren und zu automatisieren. All diese Inhalte bilden den Bezugsrahmen für eine unternehmensindividuelle und nachhaltige Entwicklung, unabhängig vom Reifegrad der Organisation, egal ob Start-up oder traditionelles, langjährig bestehendes Unternehmen. Anhand dieses Bezugsrahmens ist es möglich, eine konsistente Führungsphilosophie zu entwickeln, sich immer wieder neu zu erfinden und die Markt- und Wettbewerbsfähigkeit immer wieder von neuem zu bestätigen. Heute sind in Europa bereits über 30 000 Unternehmen und Organisationen mit EFQM erfolgreich unterwegs. Das EFQM Excellence Modell wird auf Grund der jahrelangen Einsatzerfahrungen immer wieder weiterentwickelt und berücksichtigt dabei die aktuellen und künftigen Herausforderungen von Unternehmen und Organisationen. ●
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Jahresabschluss und Steuern
Optimierung durch professionelle Planung Nicht jeder kurzfristig gesparte Steuerfranken bringt langfristig die gewünschten Effekte. Deswegen ist vorausschauendes Handeln gerade in diesem Zusammenhang unerlässlich. AUTORIN Gerd Suter
Gestaltungsmöglichkeiten Bei gutem Geschäftsgang kann bei der Erstellung des Jahresabschlusses mit der Vornahme
von Wertberichtigungen, Rückstellungen und der Anwendung weiterer Möglichkeiten das vorhandene steuer- und handelsrechtliche Wahlrecht ungleich besser ausgenutzt werden als bei schlechtem Geschäftsgang. 1. Vornahme von Wertberichtigungen zum Beispiel auf: • Waren und angefangenen Arbeiten (Warendrittel) durch Auffüllen des Warenlagers oder Unterbewertung der angefangenen Arbeiten (z.B. bei hohem Materialanteil) • Forderungen aus Lieferung und Leistung (Bildung eines Delkredere) im Ausmass der individuell erwarteten Forderungsausfälle oder pauschal 5 % der Inlandforderungen und 10 % der Auslandforderungen und pauschal 15 % auf Auslandsforderungen in Fremdwährungen • WIR-Forderungen (diese werden generell 20 % unter dem Nominalwert gehandelt). 2. Verschieben des Fakturierungszeitpunktes • auf das neue Geschäftsjahr, wenn die Leistungserstellung noch nicht abgeschlossen ist. 3. Abschreibungen • Anwenden der maximal zulässigen Abschreibungssätze • Prüfen der Möglichkeit von Einmalabschreibungen (wird von Kanton zu Kanton unterschiedlich gehandhabt) • Nachholen von Abschreibungen aus früheren Jahren, welche wegen schlechten Geschäftsganges reduziert worden sind. 4. Bildung von Rückstellungen für • Garantiearbeiten und Gewährleistungspflichten
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ie nachfolgenden Ausführungen sollen Aktionären und Gesellschaftern die diversen Gestaltungsmöglichkeiten zur Reduzierung der Gewinnsteuern von Aktiengesellschaften und GmbHs aufzeigen. Zusätzlich werden auch Hinweise zu steuerrelevanten Themen gemacht, die eher mittel- bis langfristigen Charakter aufweisen und daher ein Teil der individuellen Steuerplanung sind. Der steuerlichen Optimierung sind aber auch Grenzen gesetzt, so etwa beim Thema der verdeckten Gewinnausschüttung. Aufgrund der Komplexität und der Fülle von verschiedenen Steuerarten und -gesetzen ist für eine langfristige und nachhaltige Steueroptimierung eine professionelle Steuerplanung unabdingbar. Der ausgewiesene Reingewinn der Handelsbilanz stellt normalerweise die Basis für die Gewinnsteuer dar (sogenanntes Massgeblichkeitsprinzip). Sowohl bei der direkten Bundessteuer DBST als auch bei den kantonalen Steuergesetzen gehen die Behörden dabei vom Saldo der Erfolgsrechnung aus, wobei vorausgesetzt wird, dass Bilanzierungs- und Bewertungsansätze angewandt wurden, die den Grundsätzen ordnungsmässiger Rechnungslegung entsprechen. Stellt die Steuerbehörde fest, dass diese nicht eingehalten wurden, hat sie diese in der Steuerbilanz zu berichtigen.
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Gerd Suter, lic. oec. HSG, ist dipl. Wirtschaftsprüfer und verfügt über langjährige Management- und Führungserfahrung (CFO, CEO) in kleinen und mittelgrossen Industrie-, Dienstleistungs- und Handelsunternehmen. Er ist Gründer der GMB Suter Consulting AG; das Unternehmen betreut KMU in den Bereichen finanzielle Unternehmensführung, Unternehmenstransaktionen, Steuern und Wirtschaftsprüfung. www.gmb-suter.ch
• Latente Steuerlasten • Ferien/Überzeit der Mitarbeiter • Sanierung von Sachanlagen (Grossreparaturen an Maschinen) • Unterhalt und Renovationen von Liegenschaften (Erneuerungsfonds) • Prozesse und weitere Verpflichtungen, deren Höhe noch unbestimmt ist • Betriebsnotwendige Umstrukturierungen (kantonal verschieden; bis zu 20% des steuerbaren Gewinnes; vorgängige Rücksprache mit Steuerbehörde empfehlenswert) • Künftige Forschungs- und Entwicklungsaufträge (bis 10% des steuerbaren Gewinns, max. CHF 1.0 Mio.). 5. Einlagen in die Arbeitgeberreserven für berufliche Vorsorgeeinrichtungen (2. Säule) • Erlaubt bis zum maximal fünffachen der vom Arbeitgeber gemäss Reglement der Vorsorgeeinrichtung zu erbringenden Jahresbeiträge (Arbeitgeberbeiträge) inklusive Risikobeiträge und Verwaltungskosten • Geldmässige Überweisung bis spätestens zum Einreichen der Steuererklärung der massgebenden Steuerperiode. Zahlungen in die AGBR stellen periodenfremde Zuwendungen an die Vorsorgeeinrichtung dar. Diese sind nach der Praxis der kantona-
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Expertenwissen len Steuerbehörden lediglich dann abziehbar, wenn diese unwiderruflich erbracht werden (ein Rückfluss an den Arbeitgeber muss ausgeschlossen sein). 6. Freiwillige Geld- und Naturalspenden • Für öffentliche und ausschliesslich gemeinnützige Zwecke bis zu 20 % des Reingewinns
Weitere Möglichkeiten Über die genannten Punkte hinaus existieren zahlreiche weitere steuergünstige Möglichkeiten, aus einer Kapitalgesellschaft Mittel zu entnehmen zum Beispiel durch Zinsen auf Aktionärsdarlehen, Spesenbezüge (basierend auf genehmigtem Spesenreglement) oder Fringe Benefits (Gehaltsnebenleistungen). Letztere sind grundsätzlich beim Empfänger steuerbar und im Lohnausweis anzugeben; es gibt aber eine Reihe von Leistungen die nicht deklariert werden müssen (vgl. dazu auch nächster Abschnitt). Im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses ist auch die Möglichkeit der privilegierten Dividendenbesteuerung zu beachten. Dieser Umstand hat zwei Vorteile: im Umfang der Ausschüttung der Dividende werden keine Sozialabgaben fällig und die Dividendenzahlung ist bei Bund und Kantonen durch eine spezielle Steuersatzreduktion privilegiert (bei der direkten Bundessteuer: für Beteiligungen im Privatvermögen 40 %). Somit können Dividenden eine sinnvolle Ergänzung zum Lohn darstellen. Oft werden die Immobilien privat gehalten und an die eigene Gesellschaft vermietet. In vielen Fällen kann es aber sinnvoll sein, die Liegenschaft direkt im Unternehmen zu haben oder eine separate Immobiliengesellschaft zu halten. Um diese Frage steuerlich optimal zu beantworten sind die folgenden Umstände entscheidend: Nutzung der Immobilie (nur geschäftlich oder gemischt), Struktur der Gesellschaft (Personen oder Kapitalgesellschaft), Absichten bezüglich der zukünftigen Verwendung nach Aufgabe der aktiven Geschäftstätigkeit.
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• Privataufwand in Geschäftsrechnung (verdeckte Gewinnausschüttung) • Zu hohe Abschreibungen • Zu hohe Rückstellungen • Übersetzte Lohnbezüge (verdeckte Gewinnausschüttung) • Leistungen an die Aktionäre, die einem Dritten nicht gewährt worden wären (verdeckte Gewinnausschüttung) • Bezahlung von Bestechungsgeldern • Zinszahlungen im Umfang des verdeckten Eigenkapitals
Verdeckte Gewinnausschüttung Die offenen und verdeckten Gewinnausschüttungen führen nicht nur zu einer Aufrechnung bei den Gewinnsteuern beim Unternehmen, sondern haben auch beim Aktionär nicht unerhebliche steuerliche Folgen. Die Leistungen unterliegen beim Empfänger nicht nur der Einkommenssteuer sondern auch der Verrechnungssteuer (35%), die unter diesen Umständen jedoch nicht mehr zurückgefordert werden kann. Weitere Beispiele von verdeckten Gewinnausschüttungen: • Die Gesellschaft verkauft dem Aktionär Waren und Dienstleistungen zu billig • Der Aktionär verkauft der Gesellschaft Waren und Dienstleistungen zu Preisen, die ein Dritter nicht zu zahlen bereit gewesen wäre • Der Aktionär verkauft Waren und Dienstleistungen direkt an den Kunden, ohne dass die Umsätze in der Erfolgsrechnung als Ertrag erfasst worden sind.
Steuerplanung Die Steuerplanung ist klar von der Steuerumgehung und der Steuerhinterziehung abzugrenzen. Unter diesem Gesichtspunkt geht es bei der Steuerplanung im Wesentlichen um die Frage des Findens von geeigneten Gestaltungs- und Vorgehensformen zur langfristigen und nachhaltigen Minimierung der Steuerbelastung. Steuerplanung ist in jeder Lebensphase des Unternehmens ein Thema.
Die Bedeutung des Steuerstatus Grenzen Die Steuerbehörde nimmt in folgenden Fällen Aufrechnungen/Korrekturen beim Saldo der Erfolgsrechnung vor:
Bedeutend bei der Steuerplanung ist auch der Steuerstatus des Unternehmens. Produktions-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen werden grundsätzlich ohne
Steuerplanung ist in jeder Lebensphase des Unternehmens ein Thema.
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Steuerprivilegien besteuert (der ausgewiesene Gewinn wird zu vollen Steuersätzen besteuert). Dagegen geniessen Holding- oder Beteiligungsgesellschaften auf Kantons- und Gemeindestufe bezüglich Besteuerung der Erträge gewisse Privilegien (Beteiligungsabzug und Holdingprivileg). Vereinfacht gesagt wird einem Unternehmen, dessen Zweck zur Hauptsache in der dauernden Verwaltung von Beteiligungen besteht, eine prozentuale Ermässigung der Gewinnsteuern zuerkannt im Umfang des Verhältnisses des Nettoertrages aus den Beteiligungen zum steuerbaren Reingewinn. Das Verschieben von Teilbereichen in solch steuerprivilegierten Gesellschaften kann zu nachhaltigen Steuerersparnissen führen. Auch Verwaltungs- und Hilfsgesellschaften mit stark auslandbezogenen Aktivitäten geniessen gewisse Privilegien. Da diese Gesellschaftstypen zur Zeit unter starkem internationalem Druck stehen und sich mit der USTR III auch Änderungen abzeichnen (z.B.
Thema Lizenzboxen), wird an dieser Stelle auf eine weitere Behandlung verzichtet.
Fazit Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Nicht jeder kurzfristig gesparte Steuerfranken bringt langfristig die gewünschten Effekte. Für die langfristige Steueroptimierung ist daher eine professionelle Steuerplanung unerlässlich. Sowohl bei der steuerlichen Planung des Jahresabschlusses als auch in allen übrigen Fällen der Steuerplanung (z.B. im Zusammenhang mit der Unternehmensnachfolge, der Unternehmensumwandlung von einer Einzelfima in eine Kapitalgesellschaft oder der Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit) ist es unerlässlich, sich die entsprechende Beratung bei ihrem Treuhänder oder Steuerberater zu holen. Denn: «Wer die Pflicht hat, Steuern zu zahlen, der hat auch das Recht, Steuern zu sparen» (Helmut Schmidt, ehemaliger deutscher Bundeskanzler). ●
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Volkswirtschaftliche Perspektive
Wachstumsmotor «graue Panther» Unsere Gesellschaft wird reifer, der Wettbewerb um die jungen, gut ausgebildeten Arbeitskräfte härter. Für viele Unternehmen stellt sich deshalb die Frage: Wie integrieren wir Erfahrung und Know-how älterer Mitarbeitender? AUTOR Othmar Schär
jedoch auf, wenn es um die nötige Anzahl qualifizierter Fachkräfte geht, um weiterhin leistungsfähig und wettbewerbsstark zu sein. Junge, erstklassig ausgebildete Menschen, die ins Erwerbsleben treten, werden nämlich zusehends rarer. Die «kleinen Jahrgänge» sind an der Reihe. Verglichen mit dem Jahr 1992 sind es mittlerweile (2012) 19 Prozent weniger Junge, die überhaupt eine berufliche Ausbildung absolvieren können. Und die Abwärtsbewegung hält an. 86 910 jährlichen Geburten vor 20 Jahren stehen heute nur noch deren 82 164 gegenüber. Wer springt in die Lücke? Die Antwort liegt auf der Hand: die reiferen Jahrgänge. Aber sind diese auch bereit, über die Grenze zum Rentenalter hinaus weiterzuarbeiten? Und – diese zweite Frage ist mit der ersten direkt verbunden: Werden die älteren Fachkräfte auch genügend ermuntert, weiter motiviert eine Arbeit auszuüben?
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ie schweizerische Volkwirtschaft wächst recht anständig, allen Unkenrufen in Sachen konservativer Einstellung, ungenügender Flexibilität und Fachkräftemangel zum Trotz. Nicht einmal die enorme Muskelstärke unserer Währung scheint die Expansion zu bremsen. Es ist erstaunlich, wie eben Standfestigkeit, Anpassungsfähigkeit und Intelligenz der Arbeitskräfte kompetitive Gegengewichte par excellence darstellen. Wir sind also resistent. Doch haben wir auch morgen noch genügend qualifizierte Arbeitskräfte? Nicht die Kompetenz und das fachliche Know-how befinden sich in Gefahr. Da dürfen wir auf unser Bildungssystem vom Kindergarten bis zur Universität und namentlich auch auf unsere bewährte Basis der Berufslehre stolz sein. Dunkle Wolken ziehen
BLICKPUNKT KMU
Othmar Schär startete vor über zehn Jahren, nach ausgedehnter Erfahrung als Personalverantwortlicher in der Industrie, sein eigenes Beratungsunternehmen schärpartners ag für die Bereiche Kadersuche, Coaching, Out-/Newplacement und Outsourcing von HR-Dienstleistungen. www.schaer.ch
Wohin geht der Trend der Anforderungen ? Nun ist möglicherweise der Wille zum Weiterarbeiten durchaus gegeben. Stimmen aber auch die Voraussetzungen, rasch ändernden Strukturen und neuen Anforderungen zu entsprechen? Die Weiterbeschäftigung oder Wiederintegration von Arbeitskräften – beispielsweise Frauen (und Männer!), die weniger familiäre Pflichten zu erfüllen haben, weil ihre Kinder flügge geworden sind – hängt wohl primär davon ab, ob sie auch selber kompetitiv genug (geblieben) sind, um in einer neuzeitlichen Arbeitsumgebung zu bestehen. Es wäre wohl tragisch, sich hier Sand in die Augen zu streuen, nur weil der Arbeitsmarkt trocken und die jungen Ausbildungs-Absolventen rarer geworden sind. Gehen wir die Liste einiger wichtiger Voraussetzungen durch.
Globalisierung ist ein enormer Taktgeber Wer arbeiten möchte, braucht eine gehörige Portion Flexibilität. Rund zwei Drittel aller 20-Jährigen werden später, in der Blüte ihrer Jahre, entweder in einem anderen Beruf arbeiten oder eine völlig neue Funktion ausführen. Ausserdem ändern sich selbst traditionelle Berufsbilder, so dass etwa der Grossvater mit gleichem Beruf heute sagen würde: «Das ist etwas komplett anderes.» Automatisierung, Digitalisierung, neue Produktionsprozesse generell wie auch stark veränderte Formen horizontaler wie vertikaler Verkettung von Fertigung, globale Vermarktung und systematische After-SalesAktivitäten sind die Triebfedern. Insbesondere die Globalisierung klopft täglich an die Tür. Sie kreiert immer kürzere Produkt-Lebenszyklen, bringt zusehends neuartige Produkte hervor und beschleunigt Innovationsprozesse. Fazit daraus ist: Es gibt immer weniger Berufe, die ein Leben lang ausgeübt werden können. Mehrfache Berufswechsel werden zur Regel. Rasche Bereits junge Menschen vor der Berufswahl Anpassungsfähigkeit müssen sich daher mit beruflichen Perspektiven entwickelt sich zur unter der Optik der wachsenden GlobalisieLebensaufgabe. rung und Internationalisierung auseinanderBLICKPUNKT KMU
setzen. Wie lässt sich dabei eine relative Sicherheit, eine begehrte Fachkraft zu bleiben, aufrecht erhalten? Wie lassen sich Fähigkeiten, Begabungen und persönliches Wissen mit den weltwirtschaftlichen Trends in Einklang bringen? Wie werden dadurch die Berufs- und die ständige Weiterbildung beeinflusst?
Breit, solide und flexibel Vorteilhaft sind sicher möglichst breit angelegte Berufsbilder, die Flexibilität und – aufbauend auf einem gründlichen Basiswissen – ein solides Fundament für lebenslanges Lernen bedeuten. Zusätzliche Qualifikationen, gute Fremdsprachenkenntnisse, kommunikative Fähigkeiten, Integrationskraft und ein hohes Verständnis für die IT werden zu Erfolgsfaktoren. Rasche Anpassungsfähigkeit entwickelt sich zur Lebensaufgabe. Damit sind neue gesellschaftliche Strukturen und Lebensformen angesprochen, aber auch die Erhöhung des Rentenalters. Zeitgemässe familiäre Arbeitsteilungen, eine erhöhte Frauen-Arbeitsquote, Teilzeitarbeit und Jobsharing sind die Stichworte der Zeit. Dazu kommen altersmässige Umschichtungen. Kleinere junge Jahrgänge bedeuten etwa in Pflegeberufen Mangel und Unterbesetzung von Stellen. Andererseits stellen das enorme Know-how und die ausgeprägte Erfahrung älterer Jahrgänge immer wertvollere Ressourcen in prosperierenden Volkswirtschaften dar. Die Schweiz zählt zweifelsfrei dazu. Gerade uns wird es zum Wettbewerbsvorteil gereichen, wenn es gelingt, flexible reifere Arbeitskräfte weiter zu motivieren, ihre Fähigkeiten auszuschöpfen und sie als wertvollen Ausgleich zu fehlenden jungen Beschäftigten vollwertig zu integrieren.
Faszinierendes Spannungsfeld zwischen jung und reif Prof. Dr. Reto Steiner, Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre am Kompetenzzentrum für Public Management der Universität Bern, erläutert: «Wir brauchen eine Neuregelung und Flexibilisierung der Übergänge in die Pensionierung, neue Formen im Rahmen später
Expertenwissen Karrierephasen, einen Ausbau der Fort- und Weiterbildung im Alter 50, eine zeitgemässe Gestaltung der Generationenbeziehungen in der Arbeitswelt, einen verbesserten Umgang mit Generationendifferenzen in der Belegschaft und eine Analyse des Verhältnisses von Mitarbeitendenstruktur und Generationenwandel, namentlich im Erbringen von Dienstleistungen.» Gefragt sei eine «Managing Diversity». Diese ziele auf Änderungen in der Organisationsstruktur hin, bedinge die Entwicklung von personeller und interpersoneller «Diversity-Reife», habe die entstehenden Unterschiede gegenüber früheren Zeiten zu thematisieren und daraus eine Reflexionskultur zu kreieren. Innerbetriebliche «Umgangsformen» wie Wertschätzung, Respekt und der Austausch von Erfahrung und Wissen müssten vermehrt wieder greifen. Wo komplexere Aufgaben zu bewältigen seien, gelte es, die daraus entstehenden Spannungen zu antizipieren und gezielt zu verhandeln. Man spürt es: Die «grauen Panther» tun unserer Arbeitswelt gut. Eine gesunde Durchmischung von jungem Enthusiasmus und sprudelnder Kreativität mit dem reichen Erfahrungsschatz und dem bewährten Bauchgefühl der reiferen Jahrgänge erzeugt eine knisternde Atmosphäre im positiven Sinne und vermag wohl manchem Betrieb wieder neuen Schwung zu verleihen.
Orientierung in der «Mid-career crisis» Heute gilt es für alle Altersstufen im Berufsleben neue Wege zu gehen und sich an bisher Ungewohntem zu orientieren. Dazu gehören Karrierebrüche. Konservative mögen Neuorientierungen für Unentschlossenheit, fehlendes Durchhaltevermögen oder mangelnde Inte-grationsfähigkeit halten, in der modernen HR-Beratung aber wissen wir, wie sinnvoll ein gezieltes Anstreben neuer Perspektiven sein kann. So wird eine «Mid-career crisis», wie sie im angelsächsischen Bereich genannt wird, zur gezielten Umsetzung veränderter Lebens- und Wertvorstellungen. Wer Karrierebrüche meistert, ist auch imstande tragfähige neue Brücken zu bauen. Das ist häufig die Antwort auf Globalisierungstendenzen und veränderte Strukturen in der eigenen Arbeitsumgebung. Wer sich die persönliche Flexibilität bewahrt hat, ist nun fähig, aufgrund einer Standortbestimmung und einer individuellen HR-Beratung Verant-
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wortung für die eigene Beschäftigungsfähigkeit zu übernehmen. Veränderungen werden dabei zu Herausforderungen, dank hoher Flexibilität können sie zu Chancen werden – und das gilt insbesondere auch für reifere Jahrgänge.
Erfahrung und Esprit sind Gold wert Eingangs war die Rede von Erfahrung und Know-how. Es ist aber weit mehr, was gut ausgebildete und ständig weitergeschulte reifere Mitarbeitende mitbringen. Es ist ihre Ausgeglichenheit, die oft als ruhender Pol dient – Erfahrung und Esprit. Bald rücken um bis zu 20 Prozent kleinere Jahrgänge ins Erwerbsleben nach. So geraten ältere Mitarbeitende vermehrt in den Fokus des Interesses. Martin Tschechne hat unlängst in der Zeit geschrieben: «Sie sind Könner. Sie beherrschen ihr Handwerk, kennen die Abläufe; jeden Griff haben sie tausendmal geübt. Gleichzeitig gehen sie frisch zur Arbeit, suchen Herausforderung, sind neugierig und hungrig auf Erfolg.» Ältere Mitarbeitende haben teilweise auch eine höhere Arbeitsmoral und ein ausgeprägteres Qualitätsbewusstsein, allerdings hatten viele in jungen Jahren keine Chance, ein Diplom zu erwerben. Tatsache ist: Wer heute 65-jährig ist, lebt im Durchschnitt noch 22 Jahre, den grössten Teil davon in guter Gesundheit. Prognostiker sehen bereits im aufbrechenden China bald ein Durchschnittsalter aller Beschäftigten von 54,5 Jahren. Bei uns wird das mit Bestimmtheit schon eher der Fall sein.
Die Erfahrung schätzen und einsetzen Erfolgreiche Unternehmen und solche, die es bleiben wollen, richten sich danach. Sie gestalten ihre Arbeitsplätze nach modernen arbeitspsychologischen und ergonomischen Aspekten und sichern sich das Engagement ihrer erfahrenen Mitarbeitenden über das rein statistische Pensionsalter hinweg. Und weil sich durch die Verbesserung und Individualisierung von Beschäftigung und Arbeitsabläufen generell weniger monotone Arbeitsplätze, ablaufmässige Blockaden, einseitige Belastungen, mangelnder Ausgleich und Fehlen individueller Perspektiven ergeben, profitieren sämtliche Beschäftigten. Qualität, Nachhaltigkeit und Mehrwert sind die absolut erwünschten wie erfreulichen Nebenwirkungen. ●
Ältere Mitarbeitende haben teilweise ein ausgeprägteres Qualitätsbewusstsein.
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Expertenwissen
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Entrepreneurforum Seeland
Eine Zeit der Revolution «Kurzfristig agieren – langfristig navigieren» – so lautete das Thema des diesjährigen Entrepreneur Forums Seeland, das am 20. März in Lyss stattfand. AUTORIN Tobias Wessels
J
eder Referent schien das Thema ein wenig anders zu interpretieren, was zu abwechslungsreichen Vorträgen mit vielen Botschaften an die versammelte Unternehmerschaft führte. Moderiert wurde die Veranstaltung von SRF-Mann Sascha Ruefer, für mehrere ShowEinlagen war der aus «Die grössten Schweizer Talente» bekannte Sandmaler Urs Rudin zuständig.
Verantwortung übernehmen Chocolatier Jürg Läderach erklärte, dass man trotz langfristiger Strategien seine Augen nicht vor oft kurzfristig auftretenden Opportunitäten verschliessen dürfe. So sei bei der Läderach AG etwa ein Jahr vergangen zwischen der Entscheidung, keine eigenen Läden eröffnen zu wollen und der Eröffnung des ersten eigenen Ladens. Natürlich sei es hilfreich, über ein Umfeld zu verfügen, welches mit gutem Rat unterstützen kann. Doch am Ende müsse eben doch der Unternehmer die Verantwortung übernehmen. «Der Schlüssel ist, auf die anderen zu hören, wenn sie Recht haben, und nicht auf sie zu hören, wenn sie nicht Recht haben» – diese weise Handlungsmaxime brachte Jürg Läderach manchen Lacher ein. Rund um das Thema Verantwortung kreiste auch der Vortrag von Fernsehkoch René Schudel. Man müsse mehr davon an die Mitarbeiter übertragen: «Dem Koch in meinem Restaurant gebe ich ein Budget für seine Zutaten. Er geht dann nicht mehr mit meinem Geld einkaufen, sondern mit seinem Geld, das er einfach von mir bekommen hat. Bleibt am Ende etwas übrig, teilen wir uns diesen Überschuss.»
Erfolgreich durch Flexibilität
Rechts
Der diesjährige Preis für das Entrepreneur-Lebenswerk ging an den Vater der Swatch, Ernst Thomke. In der Laudatio liess alt Bundesrat Samuel Schmid das Wirken des gebürtigen Bielers Revue passieren, von der Ausbildung zum Mechaniker in Grenchen über das Studium (Chemie und Medizin) und die Zeit in der Pharma- und der Uhren-Industrie bis hin zur immer noch andauernden Karriere als Sanierer. Professor Torsten Tomczak stellte sein Referat ganz auf die Kommunikation ab, die sich in den letzten Jahren noch deutlich stärker und schneller verändert hat als andere Disziplinen. «Früher», erklärte der Direktor der Forschungsstelle für Customer Insight an der Universität St. Gallen, «haben wir versucht, jeden Kontaktpunkt mit dem Kunden so gut wie möglich zu kontrollieren. Heute ist dies schlicht nicht mehr möglich. Deswegen brauchen wir Innovation», so Tomczak, «um eine brauchbare Kommunikation mit dem Kunden aufzubauen.» (vgl. dazu auch Interview).
Prof. Dr. Torsten Tomczak. «Die Stimmung ist manchmal besser als die Lage.»
«Ich will!» Zum Abschluss gewährte alt Bundesrat Adolf Ogi sehr persönliche Einblicke. Vier M seien es gewesen, die ihm geholfen haben, seine Ziele zu erreichen: «Man muss Menschen mögen.» Den anwesenden Unternehmern gab er einen Rat mit auf den Weg: Wenn man überzeugt sei, den richtigen Pfad vor Augen zu haben, so müsse man gerade als Leiter einer Firma den Mut aufbringen, diesen zu gehen, unbeeindruckt von allen Einwänden aus dem Umfeld. «Ich will!», mit diesen Worten seien laut Ogi viele wegweisende Unternehmungen eingeleitet worden – so beispielsweise auch sein Vorzeigeprojekt, die NEAT. ●
«Auch für die Kleinsten gibt es Wege, in der virtuellen Welt zu existieren.»
BLICKPUNKT KMU
Im Interview : Torsten Tomczak Herr Tomczak, Sie haben in Ihrem Referat beschrieben, wie schwer sich alle mit dem Einsatz neuer Medien und Technologien tun – weil die Welt eben wirklich komplizierter geworden ist. Hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel also doch Recht, als sie das Internet als Neuland bezeichnete? Die Formulierung mag etwas ungelenk daher kommen, und ich bin mir nicht ganz sicher, was Frau Merkel tatsächlich ausdrücken wollte – aber ja, es stimmt, die digitale Welt ist Neuland. Und das bleibt auch so. Wir leben in einer Zeit der digitalen Revolution. Kommunikationsprofis sind beinahe schon im Wochentakt mit neuen Innovationen konfrontiert. Die Auswirkungen sind massiv: Das Kommunikationsverhalten der Menschen ändert sich grundlegend und immer wieder, die Medienlandschaft muss sich völlig neu definieren, erfolgreiche Konzerne können sich innerhalb weniger Jahre mehr oder weniger auflösen, nehmen Sie nur Nokia als Beispiel. Wie lautet vor diesem Hintergrund ihr Rat für KMU? Zuerst müssen die KMU sich auf eine ihrer grossen Stärken besinnen: die Flexibilität. Natürlich werden hier Kompetenzen verlangt, die nicht in jedem kleinen oder mittleren Unternehmen vorhanden sind. Die Frage, wie man das eigene Unternehmen in den sogenannten neuen Medien präsentiert, verlangt beson-
dann die Mittel, um sie zu erreichen. Der typische Unternehmer
deres Know-how.
taxiert seine Mittel und sucht dann nach Ideen, wie er diese
Dies stellt eine grosse Herausforderung dar – die man annehmen
gewinnbringend einsetzen kann. Ziele werden dabei an die
muss. Auch für die kleinsten Unternehmen gibt es Wege, in der
laufende Entwicklung angepasst. Wir stellen fest, dass das
virtuellen Welt zu existieren. Ein Vorteil, den die KMU dabei
klassische Management heute immer mehr diesen Aspekt des
haben: Stringente Markenführung, die gerade durch die neuen
Unternehmertums übernimmt, indem es das flexiblere Denken
Medien immer wichtiger wird, fällt KMU einfacher, weil alles ein
für sich entdeckt.
wenig näher zusammen liegt und die Mitarbeiter eine echte Beziehung zum Unternehmen haben.
Wird Kommunikation immer Neuland bleiben? Das ist schwer zu sagen. Im Moment erleben wir ein dauerndes
Das Leitmotiv des Entrepreneurforums war: «Kurzfristig
Stakkato an Neuerungen, da ist auch kein Nachlassen festzus-
agieren – langfristig navigieren». Hat sich schon alleine
tellen. Doch der Fortschritt ist stark technologisch getrieben,
unser Verständnis dieser Begriffe massiv verändert?
und der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass die Kadenz
Vor zwanzig Jahren bedeutete langfristig «in zwanzig oder zehn
auch einmal wieder nachlassen muss.
Jahren» – heute dürften die meisten an eine kürzere Zeitspanne denken.
Manche Unternehmen verzichten derzeit auf den Ein-
Fotos: ZVG
satz der neuen Medien, weil sie nichts falsch machen Was den KMU mit ihrer Flexibilität entgegen kommen
möchten. Könnte dieser Weg in manchen Fällen sogar
müsste...
der richtige sein?
Absolut. Deswegen erleben wir derzeit auch, dass sich die
Ich habe diesbezüglich eine Überzeugung: Wir leben in einer
grossen an den kleinen Unternehmen orientieren. Es handelt
Welt, in der alle lernen müssen. Je früher man anfängt zu ler-
sich dabei um einen Trend, den wir seit rund zehn Jahren beo-
nen, desto grösser ist die Chance Möglichkeiten zu entwickeln,
bachten. Der klassische Manager setzt sich Ziele und sucht
sich gegenüber dem Wettbewerber Vorteile zu verschaffen.
BLICKPUNKT KMU
Nutzfahrzeuge
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Mit allen Wassern gewaschen Seit Jahren steigt ihre Zahl und macht deutlich: Lieferwagen sind der Renner. Hoch in der Publikumsgunst steht dabei der Mercedes-Benz Sprinter. Sein zusätzliches Sicherheitspolster beruhigt bei Wind, Schnee und Regen.
Prä Zusamsentiert in mena mit rbeit
TEXT FABIAN SCHMID
L
aut Strassenfahrzeugstatistik des Bundes hat der Lieferwagenbestand 2013 um 3,2 Prozent zugelegt, als einziger unter den Nutzfahrzeugen. Damit verkehren heute in der Schweiz gesamthaft rund 318 500 Einheiten. Der Zuwachs kommt nicht von ungefähr, locken die flinken, wendigen Stadt- und Überlandflitzer doch mit vielen Vorteilen. Der Fiskus lässt weitgehend die Finger von ihnen, Polizeikontrolleure müssen die Kleinlaster des nachts ungestraft ziehen lassen, verwinkelte Innenstädte stellen kein Hindernis dar, es lassen sich stattliche Nutzlasten realisieren und der Treibstoffverbrauch liegt praktisch auf Personenwagen-Niveau. Leicht vergessen geht der Einfluss von uns Kon-
sumenten auf diesen Lieferwagen-Boom. Kaufen wir nicht immer öfter bequem übers Internet ein, schiessen als Folge davon Onlineshops nicht wie Pilze aus dem Boden? Die Devise lautet: heute bestellen, morgen das Päckli direkt an der Haustüre in Empfang nehmen. Zwar schafft das kaum einer rascher und effizienter als der Lieferwagen, aber fliegen kann auch er nicht. Die Zeitfenster für das Fahrpersonal werden enger, Verkehrsdichte und Hektik steigen. Da trifft es sich gut, weiss man zahlreiche aufmerksame Assistenten an seiner Seite. Die Mercedes-Benz Schweiz AG stellte einen Sprinter CDI 316 zur Verfügung. Im Laufe der 650-Kilometer-Fahrt, auf welcher der Sprinter durchs föhnige Glarnerland eilte oder bei BLICKPUNKT KMU
Links: Wind, Regen oder Schnee: Die fünf Assistenzsysteme sorgen bei jedem Wetter für mehr Sicherheit.
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Schneetreiben den Brünig überquerte, zeigte sich: da wackelt, rüttelt oder vibriert es nirgendwo im Gebälk, die Sitzposition passt ausgezeichnet zu Lenkrad, Pedalerie und Cockpit, die Materialien muten hochwertig an, und die eingängigen Schalter, Hebel und besonders der 5,8 Zoll-Farbmonitor erweisen sich als funktional und zweckmässig. Würde der SprinterFahrer nicht ziemlich erhöht über der Strasse thronen, er glaubte sich eher in einer Limousine als in einem gut sechs Meter langen und 2,8 Meter hohen Lieferwagen.
Fotos: ZVG
«Mitdenkendes Getriebe»
Sind sieben Gangstufen für einen Lieferwagen nicht etwas gar luxuriös?
BLICKPUNKT KMU
Auch die Geräuschkulisse ist niedrig und fördert entspanntes Fahren. Beim Druck aufs Gaspedal sprintet der Sprinter wie an der Gummischnur gezogen nach vorn. Seine Siebengang-Wandlerautomatik, die an die spezifischen Anforderungen im Transporter angepasst wurde, arbeitet seidenweich und produziert völlig ruckfreie Schaltvorgänge ohne jede Zugkraftunterbrechung. Zudem nimmt das «mitdenkende» Getriebe – feinfühliger Gasfuss vorausgesetzt – gerne Fahrertipps entgegen. Ist die stattliche Zahl von sieben Gangstufen für einen Lieferwagen nicht etwas gar luxuriös? Nein, denn sie ermöglicht die Kombination einer weiten Spreizung mit einer engen Abstufung der Gänge, wodurch die Gangsprünge gering ausfallen und jederzeit die passende Stufe zur Verfügung steht. In der Praxis führt dies zu einem sehr dynamischen Antritt im ersten Gang, wogegen der Sprinter bei hoher Geschwindigkeit leise und tieftourig und damit treibstoffsparend über die Strasse gleitet. Wichtige Unterstützung im Kampf um tiefen Verbrauch leistet der Eco-Getriebe-Modus. Er verfügt über eine Start-Stopp-Funktion, welche den Motor bei Fahrzeugstillstand ausschaltet und beim Loslassen der Bremse enorm schnell wieder startet. Man hat geradezu den Eindruck, als stürme der Sprinter schon weiter, noch bevor die vier Kolben ihre Arbeit wieder aufgenommen haben. In bestimmten Situationen wie beim Rangieren oder sehr kurzen Halten im Kolonnenverkehr erweist sich der Start-Stopper aber als störend, weshalb er sich einfach via Tastendruck deaktivieren lässt. Ob auf der Kurz- oder Langstrecke, das Fazit zu Fahrdynamik und Komfort ist kurz: Tadellos – hinzu kommt das phantastische Automatik-
getriebe! Seit 1995, als die erste Generation des Sprinters erschien, überrascht der Transporter immer wieder mit neuen, umfangreichen Sicherheitsausstattungen. Sie setzten Trends im Markt und wurden über die Jahre ständig weiter entwickelt.
Assistenten machen den Unterschied Mercedes-Forscher haben festgestellt, dass Warneinrichtungen die Reaktionszeit des Fahrers um wertvolle 0,2 Sekunden verkürzen. Neue Systeme wie Abstandswarn-, Spurhalteund Totwinkel-Assistent werden deshalb, so ist sich Mercedes-Benz sicher, Unfälle verhindern helfen oder die Unfallschwere in vielen Fällen deutlich verringern. Sämtliche im Sprinter verbauten Systeme stellen sich dem Fahrer im besten Sinne assistierend zur Seite. Das gilt vor allem für den serienmässigen, auf ESP basierenden und ab 80 km/h aktiven Seitenwind-Assistenten. Obwohl über die Linthebene und durchs Glarnerland heftig der Föhn blies, trat das System nie in Aktion, was wahrscheinlich an der erhöhten Aufmerksamkeit und dem unwillkürlichen, manuellen Gegensteuern des Fahrers lag. Einem telefonierenden, auf die plötzliche Windböe unvorbereiteten Chauffeur wäre der Assistent möglicherweise zu Hilfe geeilt. Über Sensoren hätte er Gierrate und Querbeschleunigung erkannt, hätte bei Grenzwertigkeit einzelne Räder abgebremst, wodurch einem gefährlichen Abdriften entgegengewirkt worden wäre. Auch mit dem radargestützten Abstandswarn-Assistenten möchte man nur im Notfall Bekanntschaft schliessen. Er reagiert auf vorausfahrende oder stehende Hindernisse und warnt den Fahrer analog zur steigenden Unfallwahrscheinlichkeit: Zuerst blinkt eine Warnleuchte, dann erhöht sich die Blinkfrequenz, schliesslich ertönt drei Sekunden vor dem Aufprall ein Warnton, der dem Fahrer die Chance zu einer Notbremsung oder für ein Ausweichmanöver gibt. Gleichzeitig wird der «Brake Assist pro» aktiviert, der die notwendige Bremskraft für eine punktgenaue Notbremsung berechnet. Drückt der Fahrer jetzt das Pedal, wird der Bremsdruck bei Bedarf entsprechend nachgeregelt, und der Sprinter steigt im Notfall ohne Zutun des Chauffeurs voll in die Eisen. ●
Im Gespräch
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Hohe Kreativität, niedrige Risikobereitschaft Wer ein Unternehmen gründet, ist gut beraten, den Standort weise zu wählen – vor allem, wenn ohnehin eine internationale Ausrichtung angestrebt wird. Darf die Schweiz als guter Ausgangspunkt für ambitionierte Jungunternehmer gelten? Ein Gespräch mit Adrian Bult und Peter Ohnemus. AUFGEZEICHNET VON TOBIAS WESSELS
Blickpunkt KMU
Bietet die Schweiz gute Voraus-
setzungen für die Gründung eines Start-ups?
Ja, die Schweiz ist ein gutes Land für Start-ups. Es gibt hier viele Leute, die mit ihren innovativen Ideen Unternehmen gründen möchten. Ausserdem haben wir eine Menge Privatpersonen, die bereit sind in Start-ups zu investieren. Das unterscheidet die Schweiz vom Silicon Valley oder dem Ökosystem, das sich gerade in Berlin entwickelt. Die Finanzierung ist hier wesentlich stärker privat geprägt. Deswegen stösst sie jedoch auch an gewisse Limits, sowohl bei den einzelnen Runden als auch bei den Exits. Peter Ohnemus Ich sehe zwei weitere Aspekte, welche die Schweiz im internationalen Vergleich gut positionieren. Wir haben eine sehr hohe Arbeitsdisziplin. Auch die steuerlichen Gegebenheiten und die Gesetzgebung sind sicher Vorteile. Weniger erfreulich stellt sich aus meiner Sicht die Situation beim Risikokapital dar. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt hat die Schweiz mit die niedrigsten Venture Capital Zahlen in Europa. Eigentlich ist das eine Schande. Erklären lässt es sich mit der Schweizer Mentalität: Unsere Kultur ist durch grossen Erfindergeist geprägt, aber nicht durch Risiko-Affinität. Adrian Bult
Wird die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative auch Auswirkungen auf Startups haben? Bult Natürlich wird sie das. Doch wie diese Auswirkungen konkret aussehen werden, kann man im Moment nur schwer beurteilen.
Dazu müssen wir abwarten, wie sich die Umsetzung entwickelt. Ohnemus Ich gehe bereits jetzt davon aus, dass es bezüglich der Innovation in der Schweiz negative Auswirkungen geben wird. Es wird schwieriger werden für unsere Hochschulen, in der internationalen Forschung auf dem höchsten Niveau zu bleiben. EPFL-Präsident Patrick Aebischer beispielsweise hat in den Medien deutlich seine negative Beurteilung dieser Situation zum Ausdruck gebracht, und ich teile seine Meinung völlig. Man hätte bei der Abstimmung weiter denken müssen als nur «zu viele Ausländer». Und um Diskussionen gleich zu stoppen: Ich bin geborener Schweizer und habe einen Schweizer Pass. Wie beurteilen Sie die Förderung von staatlicher Seite? Ohnemus Das KTI-Programm des Bundes finde ich sehr gut, aber es ist zu klein dimensioniert. In anderen Ländern stehen mehr Kapital und mehr Unterstützung zur Verfügung. Ich denke, der Staat könnte im Bereich von Private Equity sehr viel tun. Leider wird ja in der heutigen Welt kein Darlehen mehr an Start-ups gewährt. Dies hat langfristige Konsequenzen, die wir heute noch nicht einschätzen können. Der Weg nach vorne müsste sein, dass Privatpersonen Geld in Schweizer Unternehmen investieren könnten, und wenn es über die ersten 48 Monate zu einem Verlust kommt, könnte man den Personen einen entsprechenden Steuervorteil einräumen.
BLICKPUNKT KMU
«Unsere Kultur ist durch grossen Erfindergeist geprägt, aber nicht durch RisikoAffinität.»
BLICKPUNKT KMU
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Bult KTI fördert auch die Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und den Fachhochschulen. Auch die Begleitung durch einen Coach finde ich eine gute Idee. Bei den Coaches wäre es wünschenswert, wenn sich vermehrt Unternehmer und erfahrene Führungsleute melden, die solche Rollen übernehmen und Erfahrung und Netzwerk einbringen. Als Ergänzung zur nationalen Plattform braucht es vermehrt auch lokale Angebote. Interessant ist etwa der Ansatz von i-net, der gemeinsamen Innovationsförderung der Nordwestschweiz. Hierbei geht es vor allem darum, über ein Netzwerk von Unternehmern und Innovatoren Startups punktuell und konkret auf ihren Case bezogen Unterstützungsleistungen zu bieten. Darüber hinaus organisiert i-net zahlreiche Events, an denen sich angehende sowie gestandene Unternehmer zum Erfahrungsaustausch treffen. Auf diese Weise gelingt es, auch in der Schweiz vermehrt eine Entrepreneur-Kultur entstehen zu lassen.
Ist es eine Gefahr, dass Start-ups in der Schweiz beispielsweise von der Familie höhere Summen erhalten können als in anderen Ländern – und
sich deswegen zu lange keine Gedanken über die weitere Finanzierung machen? Bult Das sehe ich nicht so. Es kommt immer auf die jeweiligen Ambitionen an. Wenn Sie eine globale Perspektive einnehmen und mit einer brillanten Idee etwa im Internet-Umfeld erfolgreich sein möchten, müssen Sie ohnehin schnell an eine Expansion denken. Gerade im B-to-C-Bereich müssen Sie viel Geld ins Marketing investieren. Die Idee, Finanzierungen so zu sprechen, dass die Leute mit knappen Mitteln möglichst viel erreichen müssen, funktioniert, aber nur begrenzt. Für eine ehrgeizige, internationale Zielsetzung braucht man die entsprechende finanzielle Grundlage. Dafür genügen FFF – family, friends, fools – ohnehin nicht. Da braucht es beinahe immer professionelle Finanzierung. Ohnemus Ich bin in der Schweiz, im Silicon Valley und in China investiert. Auf Basis dieser Erfahrung kann ich sagen: Die Kosten sind in der Schweiz sehr hoch. Während man in den USA einen guten jungen StanfordIngenieur für 90 000 Dollar bekommt, kostet hier ein ETH-Absolvent schnell 130 000. Insgesamt liegt die Kostenstruktur in der Schweiz
Im Gespräch 30 bis 40 Prozent höher als in Kalifornien, auch wenn die Mieten im Silicon Valley ebenfalls im Steigen begriffen sind. In den USA herrscht mehr Flexibilität, wenn man das so nennen möchte, hinsichtlich des Sozialwesens und der Lohnzahlungen. In Kaliforniern ist es keine Seltenheit, dass die Mitarbeiter eines Start-ups zwei oder drei Monate auf ihr Gehalt warten müssen. Entsprechend braucht man in der Schweiz von Beginn weg mehr Geld, um in keine Engpässe zu kommen. In der Schweiz haben wir heute zwei bis drei seriöse Venture Capital Firmen. USFirmen investieren lieber vor Ort, wegen der niedrigeren Kosten, aber auch weil sie ihr Investment dann sozusagen um die Ecke haben.
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Adrian Bult ... ... war von 1998 bis 2007 Mitglied der Gruppenleitung von Swisscom und von 2007 bis April 2012 COO des Schweizer Bankensoftwareanbieters Avaloq. Heute ist Adrian Bult als Berater und Investor tätig. Er ist VR-Präsident von Swissgrid sowie der Enkom Gruppe und Verwaltungsrat mehrerer Unternehmen. Bei der Nordwestschweizer
Also ist es grundsätzlich schwer, Geld von
Innovationsförderung i-net
einem ausländischen Investor zu bekommen?
leitet er ehrenamtlich das
Das würde ich auf jeden Fall so beurteilen. Das macht es für die Schweizer Startups nicht einfacher, da die Private Equity Szene in Europa beinahe vollständig von London aus gesteuert wird – und damit auch in erster Linie auf London fokussiert ist. Bult Für mich lautet die Antwort ebenfalls ganz klar ja. Es geht nicht nur darum, von wo aus Sie das Unternehmen starten, sondern auch um den ersten Zielmarkt. Wenn ein Schweizer Start-up ein typisches Muster wählt, wird es anfangs die Schweiz und erst in einem nächsten Schritt vermutlich Deutschland ins Auge fassen. Doch unser Heimmarkt ist nun einmal eher klein – so klein, dass er für viele Investoren nicht genügend Relevanz hat. Jenseits des rein finanziellen Aspekts treffen Start-ups in den USA auch in anderer Hinsicht auf mehr Unterstützung. Nehmen Sie den Jungunternehmer-Campus Rocketspace als wohl bekanntestes Beispiel. Dort finden Start-ups alles vor: Infrastruktur, Technologie, Zugang zu Investoren, Juristen – und vor allem einen Platz mitten im passenden Ökosystem. Solche Ansätze gibt es auch in der Schweiz, wenn auch nicht in der gleichen Dimension, beispielsweise mit dem PharmaCluster in meiner Heimatstadt Basel. Ohnemus Wenn ich nochmals auf die Finanzierung zurückkommen darf: Sie werden kaum ein Land finden, in dem es im Vergleich zur Einwohnerzahl mehr Familiy Offices und Privatvermögen gibt als in der Schweiz. Viel von
Technologiefeld ICT.
Ohnemus
diesem Kapital bekommen wir überhaupt nie zu sehen. Wenn solche Personen privat investieren, sprechen wir meistens von Late-StageCapital mit möglichst geringem Risiko für Unternehmen mit mindestens 10 bis 20 Millionen Umsatz. Das bedeutet, dass die allermeisten Start-ups absolut keinen Zugang zu diesem Kapital bekommen können. Das hat auch wieder mit der Schweizer Mentalität zu tun. Wenn es sichere Investments gibt, zieht man diese vor. Warum sollte man in Private Equity investieren, wo das Risiko viel höher liegt? Bult Das halte ich für zu stark schwarz-weiss gemalt, Herr Ohnemus. Mit einem intakten Netzwerk hat man durchaus vernünftige Chancen, an Kapital zu kommen. Wenn Sie sogar noch Personen mit einer gewissen Affinität zum Thema, zum jeweiligen Business, ansprechen können, kann das in der Schweiz unkomplizierter und schneller gehen als in manch anderem Land. Ohnemus Ich teile Ihre Meinung, wenn es um sechsstellige Beträge geht. Aber sagen wir, für ein bestimmtes Start-up sind 3 Millionen Franken notwendig. Das ist meiner Meinung nach nur schwer aufzutreiben, obwohl in der Schweiz mehr als genug Vermögen vorhanden wäre, dass so etwas klappen sollte.
«In Kaliforniern ist es keine Seltenheit, dass Mitarbeiter eines Start-ups Monate auf ihr Gehalt warten.»
BLICKPUNKT KMU
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Ich denke, dass auch ein solcher Betrag in der Schweiz aufzutreiben ist. Aber Sie haben Recht, diese Hürde ist tatsächlich anspruchsvoll.
Bult
Peter Ohnemus ... ... hat als serial entrepreneuer viele Höhen, aber auch Tiefen erlebt.
Man sagt, dass Schweizer Start-ups manchmal
Anfang der 90er verkaufte
zu bescheiden auftreten. Wer beim angepeilten
er die von ihm gegründete
Exit tiefstapelt, tut sich keinen Gefallen bei der
SQL AG, anschliessend
Investorensuche...
gründete er die Software-
Bult
Ich würde es eher so sehen: Vor allem sind viele Schweizer Start-ups zu sehr auf die Technologie ausgerichtet, deshalb kommen Marketing und Vertrieb zu kurz. Um erfolgreich zu sein, braucht es hier ein Gleichgewicht. Was die Ambitionen angeht, habe ich auch in der Schweiz schon alles gesehen, von den viel zu Bescheidenen bis hin zu denen, die ab dem ersten Tag die ganze Welt im Auge haben. Doch tendenziell sehen wir in der Schweiz eher die bescheidene Variante. Ohnemus Das hat auch mit der von Herrn Bult angesprochenen Grösse des Heimmarktes zu tun. Wenn ein Schweizer Start-up zuerst nur
Firma Fantastic, die einen Wert von 10 Milliarden Franken erreichte – um in der Dotcom-Blase abzustürzen. Nach einem Erfolg mit der Finanzplattform Asset4 ist er heute Mehrheitseigner der Dacadoo AG.
Kein
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Im Gespräch
Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und Hochschulen in der Schweiz? Bult Ein grosser Teil der jungen Leute wird durch die grossen Unternehmen abgezogen, die hier in der Schweiz ansässig sind. Mir scheint jedoch, dass sich mittlerweile mehr Hochschulabsolventen mit unternehmerischen Fragen auseinandersetzen – nicht nur, aber auch im Rahmen des offiziellen Lehrplans. Trotzdem bleibt für viele das Risiko zu hoch, deswegen entscheiden sie sich gegen das Unternehmertum. Insgesamt denke ich, dass die Hochschulen einiges leisten, um den Gründergeist zu fördern, doch in den USA findet dies noch viel stärker statt. Ohnemus Ich unterrichte immer wieder einmal an den Hochschulen in St. Gallen und Luzern. Diejenigen Studenten, die sich überhaupt getrauen, über Geschäftsideen zu diskutieren, sind meist schon etwas älter. In den USA gründen Menschen mit 22 Jahren ein Unternehmen. Hier studiert man sauber zu Ende, sammelt dann fünf bis sieben Jahre Erfahrung in einem etablierten Betrieb, und Ende 20 oder Anfang 30 wagt man sich ans eigene Unternehmen. Falls es schief geht, hat man danach noch genügend Zeit, sich einen vernünftigen Job zu suchen. Das nächste «Gründer-Alter» erleben wir mit Mitte 50, bei Personen, die vielleicht keinen Job mehr finden – oder keinen, der ihren Vorstellungen entspricht. Diese Struktur finde ich sehr spannend, auch weil sie die Schweiz von den meisten anderen Ländern unterscheidet.
Wo sehen Sie weitere zentrale Unterschiede zwischen den USA und der Schweiz als «Gründer-Nationen»?
Den wichtigsten Unterschied sehe ich in der Bereitschaft, Fehler zu machen und zu akzeptieren. Dann steht in den USA eine völlig andere Infrastruktur zur Verfügung,
Ohnemus
beispielsweise mit umfangreicheren Möglichkeiten, Service Offices zu mieten. Bei einem Engpass dürfen sich Lohnzahlungen ganz anders als in der Schweiz verzögern. Von der Silicon Valley Bank bekommt man verhältnismässig unkompliziert ein Darlehen über 100 000 oder 200 000 Dollar. Die Schweizer Banken haben sich völlig von der Gründerszene verabschiedet – das ist wohl der Aspekt, den ich hier am negativsten beurteile. Besonders positiv sehe ich auf der anderen Seite die sehr guten und ebenso pflichtbewussten Arbeitnehmer, die wiederum vom ausgezeichneten hiesigen Bildungssystem profitieren. Die Menschen hier sind loyal – in Kalifornien ist eines der grössten Probleme die unglaubliche hohe Personalfluktuation. Es sind enorm viele Headhunter unterwegs; auch wenn Sie gute Pakete gemacht haben, werden Ihre Mitarbeiter sicher einmal pro Monat angesprochen, ob sie nicht das Unternehmen wechseln möchten. Unter solchen Voraussetzungen gestaltet es sich schwierig, eine gute und konstante Kernmannschaft aufzubauen. Da haben wir in der Schweiz zweifelsfrei einen erheblichen Vorteil. Bult Ich möchte noch einmal auf die Risikobereitschaft zurückkommen und auf die Möglichkeit, auch einmal einen Fehler zu machen. Das ist nicht zuletzt eine Frage der Vorbilder: «Ich bin überzeugt, das ist der richtige Weg, und diesen werde ich gehen» – wer hat den Mut sich hinzustellen und so zielsicher und selbstbewusst aufzutreten? In den USA sehen Sie viel mehr solcher Figuren. Gäbe es in der Schweiz häufiger Vorbilder dieser Art, gepaart mit den hier vorhanden Bedingungen, würden wir sicher auch eine deutlich aktivere Kultur der Startups erleben. Ohnemus Die Schweizer Presse trägt auch eine gewisse Verantwortung. In den amerikanischen Wirtschaftsmedien wird zu 90 Prozent über Start-ups berichtet und es werden die spektakulärsten Storys gebracht. In der Schweiz sehen wir das genaue Gegenteil: 90 Prozent der Wirtschaftsberichterstattung drehen sich im Novartis, Nestlé und die anderen grossen Konzerne. Den Start-ups werden vielleicht ein paar Spalten gewidmet. So erschafft man natürlich auch keine Vorbilder! Herzlichen Dank für dieses Gespräch! ●
«Viele Schweizer Start-ups sind zu sehr auf Technologie ausgerichtet, deshalb kommen Marketing und Vertrieb zu kurz.»
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den Heimmarkt bearbeiten möchte, entstehen nun einmal bescheidenere Zahlen als wenn ein amerikanisches Unternehmen so vorgeht. Es kommt hinzu: Wenn Sie in der Schweiz einmal mit einem Start-up Konkurs gehen, dann hat es sich für Sie erledigt. Sie werden von keiner Bank mehr Geld bekommen. In den USA haben sehr viele erfolgreiche Unternehmer auch eine Pleite hinter sich.
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Schweissarbeit
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Den Bock zum Gärtner gemacht?
Doch wie sagte einst schon Sisyphos? «Hilft ja nix.»
Verlauf als meine bisherigen Ausseneinsätze. «Hier sind Carette und Schaufel», höre ich Marcel sagen, «jetzt müssen wir hier neben der Terrasse auffüllen...» Weiter beschreibt er mir den gewünschten Verlauf des künftigen Gefälles und endet, bereits im Weggehen begriffen, mit dem Satz: «Heute bist du der Humus-Meister.» So plötzlich wurde ich noch nie in derart eiskaltes Wasser geworfen. Doch wie sagte einst schon Sisyphos? «Hilft ja nix.» Also fange ich an zu schaufeln, zu karren, zu planieren – echte Gartenarbeit eben. Und siehe da: Ich finde richtig Gefallen an der zugegeben massiv anstrengenden Aufgabe, am Schaffen mit der Erde, und entwickle Verständnis für all jene, die ihre Wochenenden der Pflege ihrer Gärten widmen. Einen Kubikmeter Erdreich habe ich im Laufe meiner Arbeit bewegt, schätzt Marcel. Klingt nicht wahnsinnig beeindruckend, aber das entspricht doch immerhin mehr als einer Tonne Gewicht. Was zwei Folgen mit sich bringt: Ich werde heute Abend einschlafen wie ein Baby. Um morgen mit einem bösen Muskelkater aufzuwachen. Ein gutes Gefühl. ● BLICKPUNKT KMU
Fotos: Chlorophylle / fotolia und ZVG
J
eder Mensch verfügt über seine persönlichen Talente und meist nur schwer zu leugnende Schwächen. Zu Letzteren gehören in meinem Fall ein... wie nennt man eigentlich das Gegenteil eines grünen Daumens ? Keineswegs der dichterischen Freiheit, sondern der traurigen Realität entspringt die Geschichte vom bemitleidenswerten Kaktus, der auf meinem Schreibtisch noch vor erstmaligem (!) Ablauf des offiziell postulierten Giess-Intervalls das Zeitliche segnete. Unmöglich, sagen Sie? Ich versichere Ihnen: Sollte es jemals zu einem internationalen Konflikt kommen, bei dem die Flora des gegnerischen Landes möglichst hinterhältig geschädigt werden soll – ich wäre die ideale Waffe. Zumindest hatte ich bisher immer diesen Eindruck. Dass mein Tagespraktikum bei der Gartenbaufirma Plantago in Münchenstein mich eines Besseren belehrt, oder diese Einschätzung zumindest ein wenig überdenken lässt, hätte ich mir niemals träumen lassen. Was mich im Detail erwartet, kann ich mir nur schwer vorstellen, aber ich sehe mich Bäume pflanzen, Äste beschneiden, ja vielleicht sogar ein Heckenlabyrinth, wie in einem britisch-royalen Lustgarten, anlegen. An der morgendlichen Team-Besprechung lerne ich meinen heutigen Lehrmeister kennen. Marcel, ein humorvoller und angenehm unaufgeregter Mensch, erläutert mir auf der Fahrt zu unserem heutigen «Objekt», welche Elemente der zugehörige Auftrag umfasst, der immerhin gut zwei Monate Arbeit mit sich bringt. Die verschiedensten grossen und kleinen Aufgaben sind dabei zu erledigen, und ich freue mich darauf, mich an einigen davon auszuprobieren. Doch der heutige Tag nimmt aus heiterem Himmel einen völlig anderen
Schweizer Markenkongress 2014 05. Juni 2014 The Dolder Grand Z端rich
Nacht der Marke
Swissness, Marke, Recht On- und Offline in der Markenstrategie Generation Y: Loyale Markenbotschafter? Green, Clean, Fair, True & Sexy Innovationen kommunizieren
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