Leseprobe: Christkindles-Morde

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Christkindles-

Morde

ARS VIVENDI

Ein fr채nkischer Adventskalender in 24 Kurzkrimis


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Hans Kurz Knecht Ruprecht Conny war verzweifelt. Er hatte den Nikolaus überfahren. Der Mann im roten Mantel mit dem langen weißen Bart lag vor ihm im Schnee. Und das Weiß um ihn herum war genauso rot wie sein Mantel. Wie hatte das nur passieren können? Er überlegte kurz, ob er einfach weiterfahren sollte. Doch dann regte sich sein Gewissen. Hinzu kam die Gewissheit, dass er als Unfallflüchtiger nur zu verlieren hatte. Konrad Wich-Müller-Knoten – so sein voller Name, der hier im nördlichen Frankenwald so wenig außergewöhnlich war wie Minustemperaturen und dichtes Schneetreiben Anfang Dezember – griff zu seinem Handy. Den weibischen Rufnamen Conny hatte er in seiner Schulzeit in den späten Sechzigern verpasst bekommen, und er war ihn seither nicht mehr losgeworden. So ein traditioneller Kunner war seinen Schulkameraden damals einfach nicht cool genug erschienen. Noch während sein Mobiltelefon den Polizeinotruf wählte, machte der Akku schlapp. Kein Wunder bei der Kälte. Obwohl die Scheibenwischer und das Gebläse auf Hochtouren gelaufen waren, hatte er auf der Strecke von Nordhalben nach Tschirn kaum noch was gesehen. Den Berg hinter der Zweiwassermühle hoch war der Schnee schon auf der Straße liegen geblieben. Conny hatte zwar bereits vor zwei Wochen die Winterreifen aufziehen lassen. Aber nach der Spitzkehre, als es in Serpentinen wieder steil durch den Wald hinunterging, hatten auch die nicht mehr geholfen. In einer Kurve, in der sein Fernlicht direkt in eine Schneewehe traf und die Reflexion

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ihn blendete, war er voll in die Eisen gestiegen. Der Mitsubishi war ins Schleudern gekommen und hatte sich nach einer Umdrehung um sich selbst frontal in die Schneewehe gebohrt. Nach einer Schrecksekunde war Conny ausgestiegen, um den Schaden an seiner Kühlerhaube zu besehen. Der Stoßfänger war nur ein klein bisschen verbeult. Aber der Bart vom Nikolaus klebte dran. Und an dem dessen zertrümmerter, blutroter Schädel. Das war also der dumpfe Doppelschlag gewesen. Was sollte er tun? Warten, bis jemand vorbeikam? Doch in dieser Nacht würde sicher nicht mehr viel los sein hoch oben im Nordwald. Er musste wohl mit dem Auto runter nach Tschirn, um Hilfe zu holen. Das heißt, hier kam Hilfe zu spät. Und den Geschädigten informieren, das war ja auch nicht mehr möglich. Er sah noch mal hin. Der Mann war ganz eindeutig tot. Conny fröstelte. Aber schließlich war es ein Unfall gewesen. Was konnte er dafür, dass sich der Nikolaus bei diesem Wetter ausgerechnet hier herumtrieb? Eine gute Frage, dachte Conny. Kilometerweit gab es hier keine Ansiedlung. Er kletterte wieder hinters Steuer und drehte den Zündschlüssel. Der Motor sprang nicht mehr an. Endlich kam er auf die Idee, das Licht auszuschalten, das sowieso nur den toten Nikolaus erhellte. Doch auch danach ging nichts. Conny überlegte. Zu Fuß runter nach Tschirn und irgendjemand aus dem Bett klingeln, damit der die Polizei informierte? Es war dunkel. Es waren einige Kilometer. Er müsste entlang der Straße gehen. Und dann kam womöglich doch noch ein Auto – und es würde ihm genau wie dem Nikolaus ergehen. Conny beschloss dazubleiben. Bestimmt würde im Laufe der Nacht noch

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ein Auto hier auftauchen und vielleicht sogar anhalten. Er wollte allerdings nicht im Freien warten. Also blieb er im Auto sitzen und schaltete – Batterie hin oder her, hier aus dem Graben würde er sowieso nicht mehr allein rauskommen – das Radio an. Der Verkehrsfunk meldete Behinderungen durch Schneeglätte auf der A9 bei Hof und weiter oben in Thüringen, ansonsten störungsfreien Verkehr auf Bayerns Straßen. Von der Staatsstraße zwischen Nordhalben und Tschirn war nicht die Rede. Aber es wäre jetzt auch zu spät gewesen, und er hätte sowieso nicht darauf geachtet. Es schneite unaufhörlich. Durch die Windschutzscheibe und das Fenster auf der Beifahrerseite war schon nichts mehr zu erkennen. War eh schon lange dunkel draußen. In den Nachrichten war die Rede davon, dass in Brüssel eine neue EU-Lebkuchenverordnung geplant wurde, was die fränkischen Bäcker auf die Barrikaden trieb. Der bayerische Einzelhandel war mit dem Auftakt zum Weihnachtsgeschäft zufrieden. Ganz am Schluss dann die Meldung, dass am Nachmittag die Sparkasse in Tschirn überfallen worden war – von einem bewaffneten Bankräuber in einem Nikolauskostüm. Der Mann habe mit scharfer Munition um sich geschossen. Es wurde vor ihm gewarnt. Während im BR gleich darauf der Wetterbericht »zunehmenden Schneefall im Laufe der Nacht, vor allem im nördlichen Franken« ankündigte, fingerte Conny aufgeregt am Radio herum. Er suchte den Lokalsender. Vielleicht brachten die mehr. Als er ihn schließlich eingestellt hatte, verkündete ein gut gelaunter Moderator, wo zwischen Coburg, Kronach und Hof gerade die Glühweinsause abging. Danach gab’s Musik. Conny schaltete

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entnervt aus. Die Sache hier war klar: Der Nikolaus in der Schneewehe hatte die Sparkasse in Tschirn ausgeraubt und war dann hoch in den menschenleeren Wald geflüchtet. Bis der Mitsubishi kam. Ob er wohl das Geld noch bei sich hatte? Im Radio war nicht die Rede davon gewesen, wie viel er erbeutet hatte. Nicht mal, dass er überhaupt etwas erbeutet hatte. Konrad Wich-Müller-Knoten verspürte eine gewisse Neugier. Sie war aber immer noch von seinem Schuldgefühl überlagert, dass er einen Menschen totgefahren hatte. Nun ja, einen Bankräuber. Aber machte das die Sache weniger schlimm? Das war schließlich keine Entschuldigung. Er wollte aussteigen und noch mal nachschauen. Als er die Fahrertür einen Spalt öffnete, sah er gelbe Lichtblitze zucken. Endlich kamen sie. Doch der Fahrer nahm ihn offensichtlich gar nicht wahr. Das Räumfahrzeug raste vorbei und schleuderte den Matsch von der Straße gegen das Auto. Dann war es wieder dunkel. Conny hatte Mühe, überhaupt noch aus dem Wagen zu kommen. Er musste sich schon ziemlich anstrengen, um die Türe aufzudrücken. Bei seinem Schleuderausflug war er ein ganzes Stück von der Straße abgekommen und zwischen die Bäume gerutscht. Kein Wunder, dass der Fahrer des Räumfahrzeugs seinen Wagen nicht gesehen hatte. Und jetzt, mit der Ladung Schnee drauf, würde ihn schon gleich gar kein Vorbeikommender mehr entdecken. Das änderte die Situation. Conny musste sich bemerkbar machen. Oder doch noch auf den Weg hinab ins Dorf. Oder … Er griff nach der Taschenlampe in seinem Handschuhfach.

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Vorsichtig näherte er sich dem Nikolaus. Neben dem linken Vorderrad stieß er mit seinem Stiefel im Schnee gegen etwas, das nachgab und wegrutschte. Als er dorthin leuchtete, sah er zunächst ein Bündel Geldscheine und dann die prallvolle Einkaufstüte. Er griff nach den Scheinen. Das waren mindestens zwanzig Fünfziger. Wenn er das auf die volle Tüte umrechnete … Ohne genauer nachzuschauen, stopfte er das Geldbündel in die Plastiktasche und legte diese auf den Fahrersitz. Dann näherte er sich wieder dem Nikolaus. Obwohl der, beziehungsweise der Teil von ihm, der zwischen Auto und Schneewehe hervorragte, jetzt fast ganz mit Neuschnee bedeckt war, bot er immer noch keinen schönen Anblick. Aber Conny war nicht geschockt. Als Feuerwehrmann war er früher oft zu schweren Unfällen gerufen worden. Bei näherem Hinsehen stellte er nun auch fest, dass der Schädel wahrscheinlich gar nicht von seinem Auto zertrümmert worden war. Der Mitsubishi hatte den Nikolaus eher im Brustbereich erwischt und zerquetscht. Mit seinem Jackenärmel streifte Conny den mittlerweile mehrere Zentimeter hohen Schnee vom Kopf des Toten. Und im Licht der Taschenlampe sah er es genau: Auf der einen Seite war ein kleines dunkles Loch, auf der anderen ein sehr großes. So etwas kannte er zwar nicht aus eigener Erfahrung, aber aus unzähligen Krimis. Der Nikolaus war erschossen worden. Conny verfiel nicht in Panik. Dass er am ganzen Leib zitterte, lag daran, dass er nur eine leichte Windjacke übergezogen hatte, als er noch schnell bei der Sparkasse in Tschirn Geld holen wollte. Davon hatte er nun mehr bekommen als erwartet. Er stieg wieder in den Mitsubishi, setzte sich zunächst auf die eiskalte Plastiktüte, zog sie

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aber gleich unter seinem Hintern hervor, legte sie auf den Beifahrersitz, schloss die Türe und begann zu überlegen. In der Tüte war sicher eine Summe im hohen fünfstelligen Bereich. Das würde seine bald anstehende Rente enorm erhöhen. Und sein Job bei der Loewe in Kronach war ja auch nicht mehr so sicher. Aber hatte er überhaupt eine Chance, damit zu türmen? Er drehte nochmals den Zündschlüssel rum. Beim zweiten Versuch sprang der Motor tatsächlich an. Conny legte den Rückwärtsgang ein. Der Mitsubishi schaffte es einen halben Meter nach hinten, dann drehten die Reifen durch, und er rutschte wieder nach vorne. So ging es ein paarmal. Conny stellte sich vor, wie der Mitsubishi bei jedem Zurückrutschen den toten Nikolaus tiefer in die Schneewehe drückte und dessen Körper zerquetschte. Vor Schreck würgte er den Motor ab. Er versuchte noch ein-, zwei-, dreimal zu starten, dann hatte er die Batterie endgültig leergeorgelt. Er gab es auf. Conny wurde kalt. Weniger, weil sich der Frost inzwischen auch im Auto festgesetzt hatte, sondern eher, weil sich sein Gehirn langsam wieder einschaltete. Irgendwo da draußen musste einer sein, der den Nikolaus erschossen hatte. Vermutlich ein Komplize. Der wollte das Geld. Warum hatte er es nicht genommen? Weil Conny mit seinem Mitsubishi gekommen war, bevor er zugreifen konnte. Der Mörder war also nicht nur irgendwo da draußen, sondern ganz in der Nähe. Die Zentralverriegelung schnappte zu, als Conny den Knopf drückte. Wenigstens das schaffte die Batterie noch. Doch das war höchstens eine trügerische Sicherheit. Es schneite immer noch, immer stärker. Die Scheiben waren rundum zu. In der Dunkelheit hätte Conny ohnehin nichts mehr erkennen können. Ob der da draußen

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ihn hier drin sehen konnte? Wohl nicht. Aber er konnte vermuten, wo Conny saß, die Scheibe einschlagen und ihn zur Herausgabe des Geldes zwingen. Oder einfach schießen. Conny wechselte auf den Beifahrersitz. Die Tüte hatte er nun auf seinem Schoß. Schließlich schob er sie unter den Sitz. Dann klappte er die Lehne zurück und kletterte langsam nach hinten auf die Rückbank. Sein Rücken schmerzte. Er war ja auch nicht mehr der Jüngste. Aber als er es geschafft hatte, war er sich sicher, dass ihn nun keiner mehr erwischen würde, der blindlings durch die Scheibe schoss. Zumindest nicht sofort. Nichts geschah. Minutenlang. Die Nacht würde noch Stunden dauern. Conny wurde verdammt kalt. Er krabbelte wieder ein Stück nach vorne, holte die Tüte unter dem Sitz hervor. Das Geld konnte ihn natürlich auch nicht wärmen. Er machte das Handschuhfach auf und griff nach dem Nothammer, der darin lag. Das einzige waffenähnliche Gerät im Auto, mit dem er sich vielleicht verteidigen konnte. Aber nur, wenn es ihm gelingen würde, den Mörder zu überraschen. Conny verkroch sich wieder auf der Rückbank. Er lauschte. Alles war still, ganz still. So vergingen weitere Minuten. Er löste den festen Griff, mit dem er den Hammer umklammerte, und schob die klammen Finger erst unter seine Achseln, dann zwischen seine Beine. Ob er wohl erfrieren würde, wenn er jetzt einfach einschlief? Vielleicht schon. Denn es war unwahrscheinlich, dass ihn vor morgen früh einer fand. Der Wagen musste inzwischen vollkommen eingeschneit sein, die Spuren seiner Schleudertour längst verwischt. Und vom roten toten Nikolaus war sicher auch nichts mehr zu sehen. Da war es noch wahrscheinlicher, dass der Mörder kam … Der

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würde sicher auch nicht so lange warten, bis er erfroren war, wenn er sich das Geld greifen wollte. Conny überlegte, ob er die Geldtüte rausstellen sollte. Als gut gefüllten Nikolausstiefel sozusagen, als Opfergabe zur Besänftigung des bösen Geistes. Damit der ihn hier drin nicht erschoss, sondern in Ruhe erfrieren ließ. Conny wollte nur noch schlafen. Doch auf einmal glaubte er Geräusche zu hören. War da nicht irgendwo ein Scharren am Auto? Fast klang es, als wäre es darunter. Vielleicht ein Tier, versuchte er sich zu beruhigen. Ein Marder. Oder ein Wildschwein, das den toten Nikolaus entdeckt hatte. Er erschauderte bei dieser Vorstellung. Da war ganz eindeutig was. Dann plötzlich nicht mehr. Irgendwann hörte Conny nur noch das Pochen in seinen Schläfen. Auch das wurde immer leiser. Dann fielen ihm die Augen zu. Hinter geschlossenen Lidern sah er den finsteren Wald und allüberall auf den Tannenspitzen goldene Lichtlein sitzen. Draußen fiel weiter Schnee. Als Nächstes blickte Conny in ein grelles Licht. Wenn das nicht der Himmel war, an den er ohnehin nicht glaubte, dann stand ihm jetzt die Hölle bevor. Der Mörder leuchtete ins Fahrzeuginnere. Und im Schein der Taschenlampe, den die Scheibe reflektierte, sah Conny die Pistole in seiner anderen Hand. Ein Adrenalinstoß, wie er ihn nicht einmal bei den härtesten Feuerwehreinsätzen gehabt hatte, durchfuhr Conny. Er schnappte sich den Hammer, zerschlug die Scheibe und griff nach der Pistole. Aber er erwischte sie nicht. Das Licht erlosch. »Hoppala, ned so stürmisch«, hörte er noch einen sagen. Dann sank er auf dem Rücksitz zusammen. Als er wieder aufwachte, saß er auf der Rückbank eines anderen Autos, neben ihm der Burkhard Wunder

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aus Nordhalben, und vorne im Wagen ein anderer Polizist in Uniform. »Jetzt sag mal, Conny, was war denn da los?«, wollte der Wunder-Boogie wissen, der mit ihm in die Schule gegangen war und dort einen noch dämlicheren Spitznamen mit auf den Lebensweg bekommen hatte. Er hielt Conny einen Thermosbecher mit dampfendem Tee hin und deutete gleichzeitig auf die Geldtüte, die der andere Polizist mit Handschuhen anfasste und in die Höhe hielt. Als er nach der Tasse greifen wollte, merkte Conny, dass sie ihm Handfesseln angelegt hatten. Burkhard flößte ihm ein paar Tropfen Tee ein. Langsam wurde Conny wieder lebendig und erzählte vom Nikolaus und dass alles ein Unfall gewesen war. Die beiden schauten ihn ungläubig an. Dann stieg der jüngere Polizist doch aus. Er kam rasch zurück und forderte über Funk sofort Verstärkung an: Kripo, Spurensicherung, Rettungs- und Leichenwagen. Zunächst erschien der Abschleppwagen, den die beiden Polizisten wohl schon vorher gerufen hatten. Der musste erst mal warten, denn es dauerte und dämmerte schließlich schon, als die anderen eintrafen. Ein Polizist in Zivil saß nun neben Conny, der seine ganze Geschichte noch einmal ganz von vorne erzählen musste. Währenddessen bekam der Abschleppdienst endlich die Order, den Wagen an den Haken zu nehmen, damit die Spurensicherung besser an den Nikolaus herankam. Der Kommissar aus Kronach schaute Conny plötzlich nicht mehr an, sondern blickte mit großen Augen über dessen Schultern hinweg. Der Abschleppwagen zog gerade den Mitsubishi aus dem Wald. Darunter lag Knecht Ruprecht. Er hielt noch eine Pistole in der Hand.


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Thomas Kastura Der Glühweinstadtrat Neulich kummt der Küps aufn Schbeedsi, wasst scho, der Kommissar, der klaa dick. Der Fritz schdelldm gleich a Seidla hie. Miä schdosn oo und schaun aweng naus auf die verschneidn Bäum und die weißn Dächla und Dürmla vo Bamberch. Im Windä is der Schbeedsikeller nämlich genauso schö wie im Sommä, nur dass Linsn mit Schboodsn auf der Kardn schdehn, und an Bogg gibds aa. Noch aaner Weil denk ich mer: Wos riechdn do so grauslich? Des müfflt ja wie a bridschäbraada Sandkerwaleichn. Is undäm Disch a Schnabbsflaschn ausgloffn, odä wos? Und dann merk ich: Den Gschdank hod der Küps neidrong. Gell du bist undä die Algoholigä ganga?, frooch ich nä. Du blöödä Hund, socht der Küps. Ich kumm grood vom Weihnachdsmarkt. Do hods an Doodn geem. Dunnerkeil, sooch ich. Scho widdä a Doodä! In Frangn werd halt am Band gschdorm, socht der Küps. Des geht zu wie bei der Bosch odä beim Kuufi. Und wer hod nachäd den Löffl obgeem?, frooch ich. No der Ding, socht der Küps. Der Ding?, frooch ich. Der Ding … Wie hassdn der edsäd? Der Schdoddroot, wasst scho, der mit der Brilln. Miä hom viel Schdoddräät mit Brilln, sooch ich. Konnst des net aweng eigrendsn? Der Ding, der is immä in die Weinschdubm rumgflaggt, a Bimberläswichtich woä des, und aweng a Wambm hod er ghobd.

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In welchä Baddei woä der denn?, frooch ich. Der woä scho in jedä Baddei, socht der Küps. Es Bedderla auf alla Subbn is der gwesn, der Ding. Und im Advent hod er sich immä durch die Fußgängäzona gsoffn, vom Maxblatz zur Obän Brüggn und widdä zurück. Dann hod er jedm a Gschbrääch aufghängt, der in Bamberch wos zäm soong hod, und hod nä mit seim Bolliddiggägebabbl in Grund und Bodn graadscht. Ach der Ding!, sooch ich. Genau der, socht der Küps. Und der is doot?, frooch ich. Heut Middooch hods nä des Gschdell zammghaut. Aus, Ende, Öbfl. Heilichs Blechla, sooch ich. Und wie is des bassiert? Middn im größdn Gmöhr, wie er grood bei seim siebdn odä achdn Glühwein woä. Hod der den Blämbl net verdroong?, frooch ich. Der hod an jedn Blämbl verdroong, socht der Küps. Des isses ja, wos mich schdudsich gmocht hod! Sieben, acht Glühwein, füä den Ding woä des gor nix, do is der erscht warm worn. Gell, du hosd an gongreedn Verdacht?, frooch ich. Freilich hob ich an Verdacht, socht der Küps. Des woä Mord! Echt?, frooch ich. A richdichä Mord? Dem homs a Gift nei sein Glühwein gschütt, socht der Küps. Gift, sooch ich und hob so mei Zweifl. Sin mer eds bei der Miss Maabl? Du Schmarrä, socht der Küps. Der Schdaadsanwalt socht aa, dass des a asdreiner Giftmord woä. Der Brandeisen?, frooch ich.

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Der hod sich gfreut wie a Schneehoos, socht der Küps. Weil Gift is bei am Mord quasi die hohe Schule, sowos kenna miä goä net in Bamberch. Bei uns schlong sie sich högdens an Glöbers ei, odä sie rammln sich midm Audola zamm. Obä Gift, des is aweng hindnrum, verschdesst, do wasst net gleich, wer der Dääder woä, do musst richdich ermiddln. Und wie soll des zuganga sei mit dem Gift?, frooch ich. Fängt der Küps oo zu erzähln: Der Ding, der hod bei so am neua Glühweinschdond die Grädschn gmocht, do hods an Boggbiäglühwein geem. Boggbiäglühwein, sooch ich. Wos die sich alls eifolln lossn! Wennst a Gschäft mochn willst, musst halt aweng a Fandasie hom, socht der Küps. Boggbiäglühwein, sooch ich, des is beschdimmt a Deufelszeuch. Schmeggt eichendlich goä net schlecht, socht der Küps. Ich hob die Brüh midm Brandeisen nadürlich gleich analysiert, im Selbstversuch, also undäm Einsatz vo meim Lebm. Die Bollizei, dein Freund und Helfer, sooch ich. Obä der Glühwein woä in Ordnung, socht der Küps. Und dann?, frooch ich. Dann hommä die Bolliddiggäschbeedsis vom Ding gfroocht, wo er sunst nuch gwesn is, also an welchm Glühweinschdond. Und dann hod sich rausgschdellt, dass die braggdisch an jedm Glühweinschdond gwesn worn. Die ham an Zuuch durch die Gmaa gmocht. Meine Herrn!, sooch ich. Hom die nix Bessers zäm doo?

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Des glabbst im Lebm net, wos es am Weihnachdsmarkt alles füä Glühwein gibt, socht der Küps. An Heidlbeerglühwein, an Öbfl-Schdachlbeer-Glühwein, an Kirschglühwein, an Broseggoglühwein, an Broodobflglühwein, an Glühwein aus Frangnwein, an Rauchbiäglühwein, an roodn, an grüna und an weißn Glühwein vom Keesmüller, a schwarze Widwe mit Süßholz drinna, an Karl-Friedrich vom Riffelmacher … Hör fei auf!, sooch ich. Und des is nur der Glühwein, socht der Küps. Dann gibds nuch an Rumbunsch, an Aaiäbunsch, an heißn Caibi, an heißn Schbrizz, an heißn Meet und – hold dich fest – a Wiggingäblut. A Wiggingäblut?, frooch ich. Mit Honich und Kirsch, socht der Küps. Ko mä scho dringn. Zeuch gibds, sooch ich, des gibds goä net. Miä hom des gwissnhaft durchbrobiert, socht der Küps, und alles woä einwandfrei. Und edsäd dringst nuch a Biä hinderher?, frooch ich nä. Des is zum Neudralisiern noch dem ganzn süßn Gebabb, socht der Küps. Jednfalls, vo am Gift hom miä nix gmergt. Sunst hädd mer ja den ganzn Weihnachdsmarkt zumachn müssn. Des hädd a Geöffl geem, sooch ich. Ebm, socht der Küps. Simmä also zurück zum Boggbiäglühweinschdond, weil wir hom uns dengt, a Gift, des bei einer oldn Saufnosn wie dem Ding gwirgt hod, des muss so schdark gwesn sei, dass er gleich nochm erschdn Schlugg hiebollert is. Des hasst …, sooch ich und überleech, … der Dääder hod des Gift dem Ding in sein Boggbiäglühwein neigmischt.

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Direggd in sein Becher nei, socht der Küps. Obä aaner vom Ausschank woä des sichä net. Die wärn ja saublöd, wenns ihr Kundn vergifdn würdn. Und gsäng hom die aa nix, weil an dem Schdond Hochbedrieb woä. Und die Bolliddiggäschbeedsis vom Ding?, frooch ich. Mit wem woä des Kerwasgsicht denn undäwegs? Mit drei Schdoddräät, socht der Küps. Die worn alla nuch do, wie miä zur Leichn kumma sin. Und dann homs uns gholfn beim Rekonschdruiern. Aha!, sooch ich. Wenn aaner vo denna scho hammganga wär, dann hädd er sich ja verdächdich gmocht. Genau, socht der Küps. Obä die Schdoddräät hom sich ums Verreggn nimmä erinnern gekönnt, wer die ledsde Glühweinrundn gholt hod. Weil sie scho zammgwaacht gwesn worn, die Doldis, sooch ich. Voderweecha, socht der Küps. A Bambercher Schdoddroot verdräächt scho aweng wos. Weil Bolliddigg werd bei uns ja am Biädisch gmocht, da brauchst a Leebä wie a Aggergaul. Und überoll gibds Freibiä füä unsera Volgsverdredä. Naa, bsuffn worn die drei Kaschbä nuch long net! Und wie is nachäd weidäganga?, frooch ich. Eds hod dem Brandeisen sei Schdund gschlong, socht der Küps. Der hod nämlich kombiniert wie der Scherlogg Holms. Schdichwort: Modief. Des kenn ich vom Grimmi, sooch ich. Füä an Mord brauchst a Modief. Odä du bist gschdöördt, socht der Küps. Dann langds, dasst gschdöördt bist, dann brauchst ka Modief. Woä do a Gschdöördä dabei?, frooch ich.

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Aweng gschdöördt worn die alla drei, sunst wersd ja ka Schdoddroot, socht der Küps. Obä füä an Jachdschein langds bei denna net. Und blödslich lacht der ganz Schbeedsikeller groodnaus, weil die Leut die Oän gschbidsd hom, wos miä so zammwaafn. Redn mer liebä aweng leisä, sooch ich. Schdeich mern Fragg nauf, socht der Küps. Des koo jedä hörn. Morng schdeeds eh im Äffdee. Wennst maanst, sooch ich. Kurz und gut, socht der Küps, der Brandeisen hod sich die drei Kameradn nacheinandä vorgagnöbft. Aufn Kopf hod er denna zugsocht, wos sie füra Modief hom, weil der Brandeisen kennt sich aus mit dem Bolliddiggägschwädl. Der hod dahamm Aggdnordnä voll mit Madderial über die Großgobferdn. Edsäd därfst obä kaa Naama nenna, sooch ich und schau mich um. Und alla Leut duun so, als ob nix wär, und fanga widdä es Raadschn oo. Also der erschde Schdoddroot, socht der Küps, des woä so a Schbordlichä, fidd wie a Durnschuh, a Brust wie a Schabesokasdn, mit anner Amikabbm auf sein Deeds. Ach der Ding!, sooch ich. Den Ding hammä doch scho, socht der Küps. Ich nenn den mit der Amikabbm eds Amikabbm, verschdesst? Amikabbm, sooch ich und nigg. Weidä. Die Amikabbm is a oldä Schamöä, socht der Küps. Auf den flieng die Weibä wie die Webbsn aufs Mamalaadaamala. Glügg muss der Mensch hom, sooch ich. Der hod aweng zu viel Glügg, socht der Küps. Wos der für Weibä börscht, des geht auf kaa Kuhhaut, klaana,

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großa, digga, dünna, leedicha, verheiäda, sidsnglossna, Feechä, Menschä, Brunskachln, do kennt der nix. Obä neulich isser zu weit ganga. Im Sebdembä is doch die ganz Bagaasch auf Bedford gfoän. Unsä Baddnäschdadd in England, sooch ich. Und do hod die Amikabbm die Dochdä vo seim Fraggdsionsvorsidsndn durch die Heggn gäzong, socht der Küps, middn im Schdoddbarg. Geh zu!, sooch ich. Des hod obä fast niemand gschnallt, socht der Küps. Und des Maadla hält sei Maul, weils nuch auf die Schuul geht und an neua Minicuubä vom Babba gricht, wennses Abbi baggd. Und in die Amikabbm isses immä nuch verschossn. Wos hod des edsäd mit dem Mord zu duun?, frooch ich. Der Ding, socht der Küps, also des Obfä, der hod des Schäfäschdündla in Bedford mit seim Handy aufgnomma. Und dodermit hod er die Amikabbm erbresst. Im Schdoddroot woä des net zu übäsehn. Die Amikabbm hod jedn Androoch vom Ding undäschdüdst, immä richdich abgschdimmt und so weidä. Der Äffdee hod sich scho gwundert übä die Harmonie in der Fraggdsion. Die Amikabbm woä des Schooßhündla vom Ding und hod nix dogeechn machn gekönnt. Außer Gift, sooch ich. Dann wärä den Ding endgüldich los gewesn. Des hod der Brandeisen aa gsocht. A eindeutiches Modief! Der Küps mocht an Zwingärä mit die Aang, und der Chef schdellt uns zwaa frischa Seidla hie. Sunst halt mer uns net so lang an unsära Grüüch fest. Des mochmer

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edsäd nur, weil der Küps aweng ausnüchdern muss vo seim Glühweineinsatz. Miä befeuchdn die Kehln, wies so schö hasst. Beim zweidn Schdoddroot gehds schneller, socht er. Obwohl, des woä goä ka Schdoddroot, sondern a Schdoddrädin. A Fraa woä aa dabei?, frooch ich. Die kennst beschdimmt, socht der Küps. Die olda Vollwaafn kennt a jedä. Dann nenn mer si Vollwaafn, sooch ich. Die andern Gäst luurn nämlich scho widdä und schdelln die Lauschä. Vollwaafn gibds in jedä Baddei, socht der Küps. Und a boä hoggn sogoä baddeilos im Schdoddroot. Obä die Vollwaafn, die woä quasi a Busnfreundin vom Ding. Busnfreundin?, frooch ich. Hod die übähaubds an Busn? Des sacht mer halt so, socht der Küps. Kommä zum Modief. Die Vollwaafn woä nämlich aufn Lisdnblads vom Ding scharf, Busnfreundin hin odä her. Bei der ledsdn Wohl issi grood nuch in Schdoddroot neigrudschd. Obä so wies ausschaut, kummt sie es näggsda Mol nimmä nei. Des wär füä die Vollwaafn der Undägang, sooch ich. Joä füä Joä gschleimt und am End nausgwählt, des wär scho beinlich. Wo sie sich dran gwöhnt hod, aweng wichtich zu sei und mitbabbln zu könna. Die würd über Leichn gehn, um im Schdoddroot zu bleim. Des woä aa die Reed vom Brandeisen, socht der Küps. Die Vollwaafn is voll verdächtich. Edsäd brauch mer nuch den driddn im Bunde, sooch ich und bin gscheit gschbannt, wos kummt. Der Dridde, socht der Küps, woä der Bföbfärä.

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Der Bföbfärä woä mit dem Ding aufm Weihnachdsmarkt?, frooch ich. Des basst aber net zamm! Mir is des aa gleich schbaanisch vorkumma, socht der Küps und grinst sich aans, weil die Leut im Schbeedsi dumm guggn und net wissn, wer der Bföbfärä is. Des wissn nämlich nur miä zwaa, der Küps und ich. Miä hom uns den Schbidsnooma füä den Bföbfärä mol ausdengt. Wasst ja nie, wer so midhört in Bamberch, wennsd bei deim Biä sidst und über die ganzn Schaumschläächä vom Leeder ziechst. Früher worn der Ding und der Bföbfärä ja Freund, sooch ich. Früher, socht der Küps. Bis des mit dera Verkehrsberuichung oogfanga hod. Der Bföbfärä, sooch ich, der hoggd ja nur aus am aanzichn Grund im Schdoddroot. Weil er die Schdroos schbärrn lossn will, wo er sich a Häusla kafft hod. Damit er sei Ruh hod, socht der Küps. Dafür häddn die andern dann den Lärm und den Gschdank, sooch ich. Obä des is dem Bföbfärä wurscht. Jedm isser aufn Sengl ganga mit seiner Dodaalschbärrung. Dauernd hoddä neua Andrääch gschdellt und Eigoom gmocht, und den OB hoddä zugschwallt und Leserbrief gschriebm noch und nöcher. Der hod so lang rumgabföbfert, bisses im Schdoddroot zur Abschdimmung kumma is. Die Schbärrung wär sogoä fast geneemicht worn, socht der Küps. Obä der Ding hod dogeechn gschdimmt und den Schmarrn abgschmeddert. Und warum? Weilm grood nuch eigfolln is, dassä ja durch die Schdroos vom Bföbfärä fohrn muss, wennä zu seim Schdammdisch will.

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Do hod der Bföbfärä dem Dreeg a Aiäla geem, sooch ich. Brauchst frääng, socht der Küps. Der woä bedient. Der hädd den Ding naufn Mond schießn könna. Obä offn hod der des nadürlich net gsocht. Der hod sich nur dengt: Laaf du mir mol im richdichn Moment übern Weech, dann schebberds im Kadong. Rache is süß, sooch ich. Süß wie a Boggbiäglühwein, socht der Küps. Also hod aa der Bföbfärä a Modief ghobd. Drei Schdoddräät, und jedä mit am Mordmodief, sooch ich. Des woä ja a feina Drubbn. Füä den Brandeisen woä der Fall kloä wie Klooßbrüh, socht der Küps. Der hod einfach aans und aans zammgazählt, und an Zeuchn hoddä aa aufgadriem. An Zeuchn?, frooch ich. Wo issn der herkomma? Geechnübä vo dem Boggbiäglühweinschdond hom doch die Margdleut ihr Obst und Gmüs aufgäbaut, socht der Küps. Do is der Brandeisen hie und hod aweng rumgfroocht. Blöd könnst ja sei, sooch ich. Musst dä nur zu helfn wissn. So a Maadla, wos grood beim Kassiern gwesn woä und drauf gwart hod, dass a olda Fraa ihr Kreuzerla ausm Geldbeudl nausgradst, die hod alles ganz genau gsäng. Wos hod die gsäng?, frooch ich. Angfanga hods mit der Amikabbm, socht der Küps. Der hod dem Bföbfärä a klaans Bäggla zugschdeggt, heimlich, damids der Ding net sicht. Do woä des Gift drin!, sooch ich. Freilich, die Amikabbm is ja von Beruf Chemielehrer, der werd des Gift bsorgt hom. Dann is der Bföbfärä zum Ausschank und hod a Rundn Glühwein gholt. Und wie

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er widdä zurückkummt, lengt die Vollwaafn den Ding mit ihrm Geraadsch ab, und der Bföbfärä schütt des Pulver vo dem Bäggla dem Ding in sein Becher nei. Sie schdoosn oo, dringn und – badsch! – hauds den Ding auf die Schlöbbm, und er is hie. Heilandsagg!, sooch ich. Hommä edsädla drei Möddä? Edsädla hommä drei Möddä, socht der Küps. Der Brandeisen hod des gleich jurisdisch erglärt. Weil, der Bföbfärä hod des Gift zwöä in Becher nei, obä die andern hom zugschaut und quasi mitgmacht und net nur Beihilfe geleisdet. Des hasst dann »gemeinschaftliche Straftatbegehung«. Mer lernt nie aus, sooch ich. Ich hob des Drio dann festgnumma und midm Büssla abdransbordiern lossn, socht der Küps. Feierns halt Weihnachdn im Kaffe Sandbood. Des werd net des aanzicha Knastweihnachdn bleibm, sooch ich. Die grieng scho a boä Jährla. So schnell kumma die nimmä raus, socht der Küps. Vielleicht werns auf Ebrach verleecht, odä nundä noch Schdraubing, do sidst a ganzä Haufn Möddä ei. Miä dringn nuch an Schlugg und schaun auf die Windälandschaft naus. Des Essn kummt, und der Küps haut sich sei Schäufäla nei, damit er endlich wos Gscheids im Moong hod. Und die andern Gäst zerreißn sich derweil des Maul über den Fall. Also aans muss mer soong, sooch ich. Ohne unsera Schdoddräät gäbs net so viel schöna Gschichdla. A bessere Underhaldung konnst dä goä net vorschdelln. Sins weenichsdns zu aa wos guud, socht der Küps. Dass es in Bamberch so grimminell zugeht!, sooch ich. Des hädd ich fei net gedacht.

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Ich aa net, socht der Küps. Obä dem Brandeisen gfällds. Eds simmä in Frangn widdä vorn mit dabei, hod er jubiliert. Des schießt uns ganz weit nauf in der Möddäschdadisdigg. Und er hod scho die Schloochzeiln in der Zeidung vor sich gsehn: »Weltkulturerbe, Traumstadt der Deutschen, Hochburg des Verbrechens.« Wos willsdn mehr?, frooch ich. Nuch a Seidla, socht der Küps.

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