Thomas Kastura Mord auf Orkney: Highland Park
Brandeisen betrachtete sein Pint Skull Splitter und dachte an Küps. Ob dieses Starkbier mit einem Alkoholgehalt von immerhin 8,5 Prozent dem Kommissar schmecken würde? Er nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. Das Bierbrauen hatten die Schotten nicht erfunden, so viel war sicher. Doch er wusste sich zu helfen. Rasch trank er einen Whisky mit Raucharomen hinterher, Highland Park von einer örtlichen Destillerie. Wie durch Zauberei verwandelte sich der Geschmack in seinem Mund. Was zuvor an verwesenden Cocker Spaniel erinnert hatte, wurde nun abgemildert zu einem sensorischen Erlebnis, bei dem man fast an Rauchbier dachte, jene Brauspezialität, die Brandeisen schmerzlich entbehrte. Zufrieden lehnte sich der Staatsanwalt zurück. Er saß in einem Pub auf Orkney, einer Inselgruppe im Norden Schottlands, meerumschlungen, sturmumtost. Mächtige Klippen gab es hier, grüne Weiden und wortkarge Bewohner. Für eine ganze Woche hatte er in dem Fährhafen Stromness Quartier bezogen, gemeinsam mit Kommissar Küps, seinem treuen Ermittlungspartner.
Die
beiden
nahmen
an
einem
Programm
teil,
das
dem
Erfahrungsaustausch zwischen europäischen Strafverfolgungsorganen diente. Mit dem abgelegenen Orkney hatte die Bamberger Delegation ein besonderes Los gezogen. Denn wie sich herausstellte, wollte niemand dorthin. Die Inseln galten als stinklangweilig. Tatsächlich erwiesen sich sechs der sieben Besuchstage als relativ ereignisarm. Küps begleitete seine schottischen Kollegen bei der Ermittlungsarbeit. Die Delikte umfassten Trunkenheitsfahrten, Vandalismus und Schlägereien. Den nervenzerfetzenden Höhepunkt stellte ein Vergiftungsfall dar: Westfälische Touristen beklagten sich nach dem Verzehr mehrerer kippers über Magenkoliken. Sie hatten die geräucherten Heringe in Unkenntnis der Landessprache zum Frühstück bestellt. Küps griff schlichtend ein. Nach der Überlassung einer Kiste Gratiswhiskyproben auf Kosten des Orkney Islands Council gaben die hässlichen Deutschen Ruhe. Brandeisens Pensum war leichter zu bewältigen. Er hielt jeden Tag einen zweistündigen Vortrag über „Das Vokabular fränkischer Serienmörder in Analogie zum Wortgebrauch schottischer Viehdiebe“. Die konsekutive Schulungsreihe war leider nur schwach besucht, obwohl der Staatsanwalt phonetische Mitmachübungen eingebaut hatte. Doch die Interaktion erschöpfte sich jedesmal in einem langgezogenen „Ay!“ – die regionale Entsprechung des oberostfränkischen „Eieiei!“. Fazit: Der Schotte war noch lakonischer als der Franke.