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SAMSTAG/SONNTAG, 25./26. JANUAR 2014
Im Spielfieber
Spielen, spielen, spielen! Weitere Fotos und ein Video des SpieleTests gibt es auf unserer Internetseite:
Die Internationale Spielwarenmesse in Nürnberg öffnet vom 29. Januar bis 3. Februar ihre Tore für die Fachwelt. Einige Spiele von fränkischen Firmen (Noris Spiele/Fürth, Haba/Bad Rodach, Sports Force/Ansbach) sowie von Lego haben wir im Vorfeld getestet. MESSE
Welterfolg ganz ohne Nase Playmobil wird heuer 40 Jahre alt. In den Kinderzimmern der Welt leben inzwischen rund 2,7 Milliarden Figuren der fränkischen Firma. Sie kommen ohne Nase aus, wofür der Wissenschaftler Sacha Szabo seine eigene Interpretation hat. KLASSIKER
schäftigten erzielte 2012 einen Jahresumsatz von 591 Millionen Euro. MATTHIAS LITZLFELDER Wo liegt der Reiz an den in ihrem GeZirndorf — Sie vermehren sich schneller als samteindruck reduzierten Figuren? Sadie Weltbevölkerung. Während diese um cha Szabo hat eine Erklärung: „Playmo2,6 Menschen pro Sekunde wächst, erbli- bil ermöglicht es Kindern, sich ein Bild cken jede Sekunde 3,2 Playmobil-Figu- von der Wirklichkeit zu machen, um die ren das Licht der Welt. Eine Nase haben Wirklichkeit verarbeiten zu können.“ Als sie nicht. Das hatten sie noch nie. Seit die Erfolgsgeschichte von Playmobil be1974 ist das so, als zunächst Ritter, India- gann, war Szabo fünf Jahre alt. Mit sechs ner und Bauarbeiter in den Kinderzim- musste er ins Krankenhaus, bekam die mern auftauchten. Mandeln rausgenommen und kam erstDer Freiburger Unterhaltungswissen- mals mit dem Spielzeug aus Zirndorf in schaftler Sacha Szabo hat seine eigene, Berührung. „Da haben mir meine Eltern wenn auch nicht ganz ernst gemeinte Playmobil-Krankenhausfiguren geTheorie, warum die Playmobil-Figuren schenkt“, erzählt er. „Der verstörende keine Nase besitzen. „Sie ist nicht not- Krankenhausaufenthalt wurde so durch wendig, weil die Fortpflanzung bei Play- Spielen verständlich gemacht. Spielen ist mobil-Figuren anders funktioniert. Sie eine Möglichkeit, um bestimmte Eindrümüssen sich nicht riechen und haben cke der Umgebung in das eigene Verauch keine inneren Organe. Letzteres ha- ständnis zu integrieren.“ ben wir durch Röntgen festgestellt“, Die Playmobil-Figuren werden aber sagt Szabo und lacht. Die Fortauch gerne von Erwachsenen gepflanzung laufe ganz ohne nutzt. „Sie bieten die Nase – über das Netzwerk Möglichkeit, bestimmte Mensch-SpritzgussmaSachen des Alltags beschine. greifbar zu machen. Zum Beispiel nutzen Medien sie oft 7,5 Zentimeter in der Hand zur Illustration oder in der Der vor fünf Jahren verstorWerbung“, hat Szabo dafür eine bene Playmobil-Entwickler Erklärung. Hans Beck hatte die 7,5 ZenIm Laufe von vier Jahrtimeter großen Figuren anzehnten hätten sich die kleifangs zunächst mit Riechornen Modelle ein wenig dem gan geplant (siehe Skizze). Zeitgeist angepasst, hat der Er verzichtete aber sofort Unterhaltungswissenschaftdarauf, weil ihm das Geler festgestellt. „Soziolosicht mit Nase zu clownesk gisch ist das spannend: Heuerschien. Horst Brandstätte gibt es in der Gesellschaft ter, Inhaber der Zirndorfer einen sehr starken Druck, inFirma Geobra Brandstätter, dividuell zu sein. Das spiegelt die sich hinter Playmobil versich bei Playmobil wider. Die Fibirgt, hatte seinem Entwickguren waren früher austauschlungsleiter Beck Anfang der bar. Krone runter, Bauhelm 1970er Jahre den Auftrag zu diedrauf, und aus dem König wursem Systemspielzeug gegeben. de ein Bauarbeiter. Jetzt sind Inzwischen wurden 2,7 die FiguMilliarden der ren viel Plastikfiguren stärker indihergestellt. Und vidualisiert. die GeobraÄhnlich wie Ausschnitt aus der ersten Skizze einer PlayBrandstätterim richtigen mobilfigur von Hans Beck. Damals hatte die Gruppe mit ihren Leben, wo Figur noch eine Nase. Fotos: Playmobil rund 3700 Beheute fast jeVON UNSEREM REDAKTIONSMITGLIED
LEGO
der ein Spezialist ist. Wenn er nicht gebraucht wird, wird er temporär arbeitslos. Und die Figur landet in der Ecke.“ Aus pädagogischer Sicht kann die Playmobil-Familie gegenüber anderen Spielsachen punkten. Der Verzicht auf Gewalt wird von den Kunden weltweit honoriert. Selbst die Cowboys erhielten erst nach Protesten von Kindern eine Pistole.
Alarm in der Polizeistation Ein Riesenkarton, ziemlich schwer. Schütteln: hört sich nach vielen tausend kleinen Teilen an. Öffnen: Es sind natürlich unglaublich viele Teilchen und Steinchen und Männchen – ist ja Lego! Für Ronald Rinklef, den Fotografen dieser Zeitung, und seinen Sohn Quentin gar kein Problem: Sie sind Profis in Bauangelegenheiten. Los geht’s also mit dem „Ausbruch aus der Polizeistation“: Tütchen aufreißen, Steine sortieren, Figuren begutachten und bei allem Eifer immer wieder in die Anleitung schauen, was wie wohin kommt.
Frauen seit 1976
Es sind die menschlichen Züge der Playmobil-Figuren, womit diese laut Szabo zum Beispiel im Unterschied zu den Schlümpfen langfristig immer wieder auf Begeisterung stoßen. „Das ermöglicht, den Alltag nachzuempfinden“, meint Szabo. Aus sieben Einzelteilen besteht jede Figur: Unterkörper, Oberkörper, zwei Arme, Innenteil, Kopf und Frisur. Seit dem vergangenem Jahr können die weiblichen Figuren sogar immer neu eingekleidet werden – mit modischen Wechselkleidern und Röcken. Frauen gibt es in der Playmobilwelt seit 1976. Bis diese sich emanzipieren konnten, dauerte es aber eine Weile. „Erst seit den 1990er Jahren dringen sie in Männerrollen vor. So gibt es inzwischen nicht mehr nur die Krankenschwester oder die Königin, sondern auch Einbrecherinnen“, sagt Szabo. Eine schwangere Frau landete dagegen erst vor zwei Jahren erstmals in den Kinderzimmern. 3995 Figurenvarianten sind seit 1974 entstanden. Es gibt 149 verschiedene Tierarten – vom Schmetterling bis zum Schwertwal. Und seit 1978 segeln mehr als 16 Millionen Piratenschiffe durch die Kinderzimmer.
Unsere Redakteure, im Bild Isabelle Epplé und Matthias Litzlfelder, haben „Sauschwer“ gespielt und festgestellt: Leichtgewichte haben da keine Chance. Foto: Ronald Rinklef
Ran an die Kilos!
Puh, so viele Steine! Für Quentin kein Problem, er baut gern Lego. Im Video auf unserer Internetseite sieht es aus, als wäre die Polizeistation wie von Zauberhand ganz fix entstanden. Foto: Ronald Rinklef
271 Unternehmen haben Produkte beim Neuheiten-Wettbewerb Toy Award eingereicht. Zwölf sind in vier verschiedenen Altersgruppen nominiert; die Gewinner werden am Dienstag bei der Messe-Eröffnung verraten.
2750 Bobby-Car-Hersteller Simba Dickie aus Fürth ist beim Toy Award in der Kategorie „Baby und Kleinkind“ nominiert: Die Jury stufte die Heros Kettenbausteine als besonders innovativ ein, weil der Schwierigkeitsgrad mit den Kindern wächst. Die Holzbausteine haben die Form von Kettengliedern. Sie lassen sich aufeinanderstecken, sind standfest und für die ganz Kleinen leicht zu handhaben. Etwas Größere spielen dann schon mit der Flexibiliät ihres Bauwerks. Durch Drehen und Verschieben lässt sich eine gerade Wand in einen Bogen umformen.
Lego City: Ausbruch aus der Polizeistation, mit sieben Minifiguren, ca. 99,99 Euro.
KARTENSPIEL SAUSCHWER
Neuheiten: Kandidaten für den Toy Award
Die Männla sind überall – Playmobil ist heuer auch beim Neuheiten-Preis der Spielwarenmesse dabei: Der aufwändige Freizeitpark konkurriert in der Kategorie „Vorschulalter“ mit einem viel schlichteren, originellen Spiel, das ebenfalls aus Franken kommt. Der junge Spieleverlag Horst Pöppel aus Röttenbach (Kreis ErlangenHöchstadt) hat eine kreative Variante von Memory erfunden. Bei „Silhouette junior“ werden zusammengesetzte Wörter gesucht, die sich aus zwei Bildern ergeben: Schnecken-Haus und Bürsten-Zahn oder wie?
Zwischendrin außerdem schon mal der Fantasie freien Lauf lassen und die Geschichte spielen – man muss ja vorbereitet sein, um die drei entflohenen Ganoven wieder einfangen zu können. Die Rinklef-Männer haben einiges zu tun, aber auch mächtig Spaß, bis die Station aufgebaut ist. Und dann kennen sie keine Gnade: Mit Hubschrauber, Auto und Motorrad legen sie den Ganoven das Handwerk. irfe
Eine der originellsten Nominierungen gibt es in der Kategorie „Schulkinder“: Der aus England stammende Buchverlag Dorling Kindersley mit seinem deutschen Ableger in München hat mit der „Trickfilmwerkstatt“ künftige Meisterregisseure im Visier. Die Kinder bekommen hier alles, was sie brauchen, um mit Handy oder Digicam ihr erstes filmisches Meisterwerk zu drehen. Ein Handbuch liefert die wichtigsten Informationen, außerdem gibt’s Trickfilm-Kulissen und Papp-Requisiten. nat Fotos: Hersteller
Aussteller aus 60 Nationen und mehr als 70 000 Fachbesucher aus 110 Ländern werden zur Spielwarenmesse erwartet.
1 000 000 Produkte werden in Nürnberg gezeigt. Darunter rund 70 000 Neuheiten – wobei die Branche dazu auch Spielsachen zählt, bei denen die Neuerung geringfügig ist, zum Beispiel eine anderen Farbe.
Was wiegt schwerer? Die schwerste Gewichtheberin in der niedrigsten Gewichtsklasse der Damen oder die schwerste Rote Bete, die je gewogen wurde? Tja, da ist Schätzen angesagt! Genau das machen die Spieler bei „Sauschwer – wer wiegt, gewinnt!“. Sie packen eine Reihe von „Gegenständen“ auf eine Waage. Diese Gegenstände werden auf der Vorderseite von Spielkarten benannt, ihr Gewicht steht auf der Rückseite. Jetzt wird geschätzt: Welche Waagschale wiegt schwerer?
Jeder gibt einen Tipp ab, dann werden die Karten umgedreht und die Gewichtsangaben addiert. Die Spieler, die richtig geschätzt haben, machen Punkte. Und schon startet die nächste Runde. Übrigens: Die Rote Bete fällt mit 72 Kilo deutlich schwerer ins Gewicht als die Gewichtheberin mit ihren 48 Kilo! isa „Sauschwer – wer wiegt, gewinnt“, Kartenspiel von Andrea Meyer und Martin Schlegel, Zoch-Verlag, zwei bis acht Spieler ab zehn Jahren, ab 16 Euro.
WURFSPIEL
BRETTSPIEL FEUERDRACHEN
Kleiner Sausewind
Den Vulkan immer im Blick
„Was ist denn das? Eine Handgranate?“ Von allen Kollegen dieselbe Bemerkung beim Blick auf den „Nerf Fortex Aero Howler“ und seinen kleinen Bruder, den „Pocket Rocket“. Natürlich sind es keine Handgranaten, wohl aber Wurfgeschosse. Völlig harmlos, aber oho: Die Dinger pfeifen einem ganz schön um die Ohren! Weich (Spezialschaumstoff) und federleicht liegen sie in der Hand. Der Howler hat drei, der
„Ich will die Steine reintun“, fordert die fünfjährige Anne. Denn es klimpert immer so schön, wenn bei jedem Spielzug neue Drachenrubine in den Vulkan gefüllt werden. Der ist überhaupt das Schmuckstück des Spiels: der Vulkan, der als kleine zweiteilige Metalldose mit aufgemaltem Gestein und glühender Lava in der Mitte des Spielplans thront. Ihn umkreisen die Drachen der Spieler, die mit taktischem Geschick und Würfelglück versuchen, möglichst viele der begehrten Drachenrubine einzusammeln. Und dann ist es endlich wieder soweit: Einer der beiden Würfel
Sportredakteur Benjamin Kemmer ließ den „Howler“ durch das Verlagshaus pfeifen. Wie sich das anhört, zeigt das Video auf unserer Internetseite. Foto: Ronald Rinklef
Pocket Rocket zwei integrierte Pfeifdüsen, die den Reiz an der Sache ausmachen – und zur akustischen Erkennung dienen. Denn egal, ob man die Softgranate allein oder mit anderen durch die Gegend zischen lässt, wichtig ist nur eines: sie gerade zu werfen. Nur dann pfeift der Wind durch die Düsen und verursacht das erhoffte Geräusch. irfe Nerf Fortex Aero Howler, 32 cm, 130 Gramm, ab sechs Jahren, 24,95 Euro; Original Pocket Rocket, 17 cm, 30 Gramm, ab fünf Jahren, 9,95 Euro, Vertrieb über Sports Force/Ansbach.
Simon (3) begeistert der aufwändig gestaltete Spielplan. Und Schwester Anne (5) zelebriert den nächsten Vulkanausbruch! Foto: Monika Holhut
zeigt ein Vulkan-Symbol – das Zeichen für den nächsten Ausbruch! Anne hebt den Aufsatz des Metall-Vulkans an und die darin enthaltenen Rubinsteine purzeln über den Spielplan. Jetzt muss nur noch der zweite Würfel die passende Augenzahl zeigen, damit ihr Drache auf einem Feld mit möglichst vielen Rubinen landen kann. Aufbewahrt werden die gesammelten Edelsteine in bunten Stoffsäckchen. Wer es geschickt anstellt, sammelt nicht nur die Steine auf dem Spielfeld, sondern klaut seinen Mitspielern auch den einen oder anderen bereits erbeuteten Rubin aus deren Säckchen. Erst am Ende
wird abgerechnet: Wer hat die meisten Drachenrubine gesammelt und geht damit als unbesiegbarer Drachenreiter in die Geschichte ein? mho „Feuerdrachen“, Brettspiel mit Vulkan und 80 funkelnden Rubinen, Haba, zwei bis vier Spieler ab fünf Jahren, ab 25 Euro.