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IMPRESSUM
Von gelben und grünen Menschen (die es gar nicht gibt)
— Seit der Münchner Norden im Zuge der „Huaweiisierung“ von der nördlichsten Stadt Italiens zur westlichsten Stadt Chinas mutiert ist, kann man dort an Wochenenden kultursoziologische Studien betreiben, für die man sich sonst etwa nach Wuhan (nur z. B.! nicht schießen!) begeben müßte.
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Im Gegensatz zu den Chinatowns in US- Metropolen, die wir aus klassischen Filmen kennen und die hauptsächlich von Verweigerern der kulturrevolutionären Disziplinierung in der alten Heimat begründet und belebt wurden, haben die Siedler in den neuen Trabantenstädten der Big-Tech-Weltgiganten, deren Aufblühen Münchner Stadtplaner durch großflächige Ausweisung von Gewerbeflächen und Aufstapelung von genormten Betonkisten befördern, die Taktung ihrer vormaligen Umgebung mitgebracht und wie eine Software auf die neue Existenzmaschine übertragen.
So hat man etwa sonntags im Olympiapark das Gefühl, in den Betriebsausflug einer gigantischen Intensivstation geraten zu sein. Wo einst fröhliche Dackel kläfften und schissen, grantige Dimpfel den Bierpreis und den Untergang des Abendlandes bemeckerten und gemütlich angesiffte Hippies in Wiesen kifften und klampften, wird nun, maskiert und individualelektronisch überwacht, durch HochleistungsLeibesübungen die Körpermaschine auf Trab gehalten, kollektiv und doch vereinzelt, wg. Hygiene und weil es in den ängstlichen Gehorsamsgesichtern hinter dem Plastikgewebe sowieso wenig zu sehen gäbe, was man sich nicht im Spiegel anschauen könnte. Interessant ist dabei, welch eigentümliche Spielart von sozusagen spektrographischem Rassismus sich im Unterbewußtsein des Europäers gebildet hat, der sich als Angehöriger eines weltoffenen, ganz und gar unvernagelten Kulturvolks wähnt. „Die“, sagt z. B. ein kleiner Bub begeistert zur Mama, „sind ja alle gelb!“ Die Mama lächelt bemüht und zischt, so was sage man nicht. Statt dem verblendeten Kind einen aufklärenden Fingerzeig zu geben: Es möge doch ein bisserl genauer hinschauen.
Nämlich ist kein einziger Chinese der Welt gelb und war es auch noch nie (höchstens bei gewissen Krankheiten, die aber den angeblich „weißen“ Deutschen aufgrund Leberwurst-BurgerSchnaps-Diät öfter betreffen). Vielmehr weisen unsere Artgenossen in und aus Asien die gleiche Palette bleicher bis maronenbrauner Hautfarbtöne auf wie wir.
Daß wir sie für gelb halten, geht darauf zurück, daß der Naturforscher Carl von Linné ihnen diese Farbe im Jahre 1748 zuwies. Allerdings bezog sich Linné nicht auf die Haut, sondern auf ein Konzept menschlicher Regungen und Gemütsmentalitäten, von denen er in Ostasien hauptsächlich die Melancholie und die Neigung zum Merkantilen vertreten fand, was unter den Körpersäften der grünlich-gelben Galle entsprach.
So kam das Bild vom „gelben“ Chinesen in die Welt, in die nun der gar nicht gelbe Chinese kommt und in der neuen Heimat feststellen muß, daß man nicht nur ihn, sondern auch diverse Krankheitserreger (die aufgrund ihrer Winzigkeit gar keine Farbe haben können) bevorzugt gelb einfärbt.
So geht das manchmal mit dem Rassismus: Weil der Mensch nur sehen kann, was er zu wissen glaubt, sieht er auch nur das, was zu dem paßt, was man ihm einbleut (was übrigens mit der Farbe Blau auch nichts zu tun hat). Daß für unser modernes Auge die Galle nicht mehr grünlich, sondern nur noch gelb ist, verdanken wir möglicherweise wiederum dem unfreiwillig getünchten Chinesen, denn einen grünen Menschen konnte sich wahrscheinlich der forscheste Ethnologe nicht denken. Den gibt es nur auf dem Mars. Das heißt: gab, denn heute gibt es ja „Grüne“, deren wichtigstes Merkmal bei ihrem Eintritt in die Evolution war, daß sie die Natur bewahren, das Wachstum stoppen, den Menschen befrieden und befreien und die Erde zum urtümlichen Paradies werden lassen wollten.
Inzwischen brettern sie mit tonnenschweren Elektromobilen durch Wälder aus betonierten Windrädern, möchten das Trennen von Joghurtbecher und Aludeckel digital per Satellit überwachen, drohen dem Russen einen Krieg an, von dem Hitlers Generäle nur träumen konnten, und meinen mit „Befreiung“, daß der Mensch, der auf dem Laufband ewigen Wachstums in den elektronischen Kontrollstaat der Ameisenzukunft voranmarschiert, endlich denken darf, was er sagen muß.
Ob auch von dieser seltsamen Spielart menschlicher Evolutionsfacetten einst nichts bleiben wird als eine Hautfarbe, die jeder sieht, obwohl es sie nicht gibt? Oder wird es uns gelingen, dem Fortschrittsterror die Zunge zu blecken, zu Pflanzen zu mutieren und damit endlich das zu werden, was wir leider noch nie waren: grün (und ein bißchen gelb)?
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